Plenarsitzung
des Bundesrates
Stenographisches
Protokoll
894. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Mittwoch, 19. Juni 2019
Großer Redoutensaal
894. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich
Mittwoch, 19. Juni 2019
Dauer der Sitzung
Mittwoch, 19. Juni 2019: 9.02 – 12.05 Uhr
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Tagesordnung
1. Punkt: Erklärung der Bundeskanzlerin und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich des Amtsantrittes der neuen Bundesregierung
2. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Kinder- und Jugendhilfe
3. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2019
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Inhalt
Bundesrat
Schlussansprache des Präsidenten Ingo Appé .......................................................... 4
Schreiben der Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominierung des Leiters des Verfassungsdienstes im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz für die Funktion eines zweiten österreichischen Richters am Gericht der Europäischen Union für den Zeitraum vom 1. September 2019 bis 31. August 2022 ................................................ 20
3. Punkt: Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2019 ............................................................................................................. 61
Bundesregierung
Schreiben der Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung sowie Ernennung ihrer Person zur Bundeskanzlerin, von Herrn Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner zum Vizekanzler und zum Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, Frau Mag. Elisabeth Udolf-Strobl zur Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt-
schaftsstandort, Frau Dipl.-Ing. Maria Patek, MBA zur Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Frau Mag. Dr. Brigitte Zarfl zur Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Herrn Dkfm. Eduard Müller, MBA zum Bundesminister für Finanzen, Herrn Mag. Thomas Starlinger zum Bundesminister für Landesverteidigung, Herrn Dr. Wolfgang Peschorn zum Bundesminister für Inneres, Herrn Mag. Andreas Reichhardt zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, Herrn Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. zum Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und Frau Mag. Dr. Iris Eliisa Rauskala zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie Betrauung von Bundesminister Dkfm. Eduard Müller, MBA mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport und Ernennung von Frau Mag. Ines Stilling zur Bundesministerin ohne Portefeuille durch den Bundespräsidenten ......................................................................................................... 12
Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union 14, 15, 16
Schreiben der Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein betreffend Ernennung von Herrn Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. zusätzlich zum Bundesminister im Bundeskanzleramt sowie Amtsenthebung von Frau Bundesministerin ohne Portefeuille Mag. Ines Stilling und gleichzeitige Ernennung zur Bundesministerin im Bundeskanzleramt durch den Bundespräsidenten ............................................................................................................................... 17
Nationalrat
Beschluss vom 12. Juni 2019 ........................................................................................ 24
Ausschüsse
Zuweisung ........................................................................................................................ 8
Verhandlungen
1. Punkt: Erklärung der Bundeskanzlerin und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich des Amtsantrittes der neuen Bundesregierung ..................................................................... 24
Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein ........................................................................ 24
Vizekanzler Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner ............................................................... 26
Verlangen auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 37 Abs. 5 GO-BR ............ 24
RednerInnen:
Karl Bader ..................................................................................................................... 28
Korinna Schumann ...................................................................................................... 31
Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 33
Mag. Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ...................................................................................... 36
Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................................................... 38
Hubert Koller, MA ......................................................................................................... 40
Gerd Krusche ............................................................................................................... 43
Mag. Christian Buchmann ........................................................................................... 45
Stefan Schennach ........................................................................................................ 47
Wolfgang Beer .............................................................................................................. 50
2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2019 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Kinder- und Jugendhilfe (573 d.B. und 632 d.B. sowie 10185/BR d.B.) .......... 51
Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................... 52
RednerInnen:
David Stögmüller .......................................................................................................... 52
Elisabeth Mattersberger .............................................................................................. 55
Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................... 56
Rosa Ecker, MBA ......................................................................................................... 58
Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ExpertInnengremium zur bundesweiten Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“ – Ablehnung ................................................................................................................ 57, 60
Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 60
Eingebracht wurden
Anfragen der BundesrätInnen
David Stögmüller, Martin Weber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Strafanzeigen aufgrund des Zeigens einer Israelflagge (3664/J-BR/2019)
David Stögmüller, Dr. Gerhard Leitner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ustascha-Treffen in Bleiburg/Pliberg (3665/J-BR/2019)
Anfragebeantwortungen
des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Straftaten und Selbsttötungen in Haft 2018 (3373/AB-BR/2019 zu 3643/J-BR/2019
der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Emir von Kuwait im SALK Salzburg (3374/AB-BR/2019 zu 3647/J-BR/2019
der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Strafzahlungen wegen Nichteinhaltung der Klimaziele (3375/AB-BR/2019 zu 3651/J-BR/2019
des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Emir von Kuwait im SALK Salzburg (3376/AB-BR/2019 zu 3646/J-BR/2019
Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr
Vorsitzende: Präsident Ingo Appé, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.
Präsident Ingo Appé: Ich eröffne die 894. Sitzung des Bundesrates.
Das Amtliche Protokoll der 893. Sitzung des Bundesrates vom 29. Mai 2019 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.
Ich darf heute ganz besonders die Frau Bundeskanzlerin, den Herrn Vizekanzler und alle anderen Mitglieder der Bundesregierung hier im Bundesrat recht herzlich begrüßen. – Danke fürs Kommen! (Allgemeiner Beifall.)
Präsident Ingo Appé: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause via Livestream! Liebe Bundesratskolleginnen und Bundesratskollegen! In wenigen Tagen gibt Kärnten den Vorsitz im Bundesrat und in der Landeshauptleutekonferenz an Niederösterreich weiter. Seit 1. Jänner darf ich das Amt des Bundesratspräsidenten ausüben und Österreich, aber auch mein Bundesland Kärnten dabei repräsentieren. Es war mir eine besondere Ehre und Freude, dieses Amt innezuhaben.
Als zweite Kammer vertreten wir die Interessen der jeweiligen Bundesländer und nehmen daher in der Gesetzgebung eine wichtige Rolle ein. Jedoch führt der Bundesrat oft ein Schattendasein neben dem Nationalrat und wurde deshalb in der Vergangenheit auch oft infrage gestellt. In der öffentlichen Wahrnehmung erhielt er nicht immer die Wertschätzung, die er eigentlich verdient.
Entgegen allen Kritiken ist der Bundesrat ein wichtiges Instrument. Die doppelte Beratung in beiden Kammern durch verschiedene Personen trägt zudem zu nicht übereilten, wohl überlegten und damit zu konsensfähigen Beschlüssen bei. Eine gut funktionierende Demokratie benötigt ein Zweikammersystem, wie es in vielen Staaten der Welt unter Beweis gestellt wird.
In meiner Antrittsrede habe ich darauf hingewiesen, dass ich versuchen werde, im Rahmen meiner Präsidentschaft die Wichtigkeit hervorzuheben und die öffentliche Wahrnehmung der zweiten Kammer zu stärken. Dass der Bundesrat gleich bei meiner ersten Sitzung Geschichte schreibt, war mir in diesem Moment noch nicht bewusst. Durch das absolute Veto wurde damals zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs ein Gesetzentwurf abgelehnt. Es war – wir alle erinnern uns – eine turbulente Sitzung.
Liebe Bundesratskolleginnen und ‑kollegen! Auch in Zukunft werden wir im Bundesrat harte und emotionale Debatten führen. Das gehört ebenso zur Demokratie wie die Suche nach dem Konsens. So notwendig die Diskussion in der Sache ist, so wichtig ist es aber, dass wir uns wechselseitig Respekt für die Ehrenhaftigkeit unseres Handelns erweisen.
Das Land Kärnten führt seinen Vorsitz im Bundesrat und in der Landeshauptleutekonferenz unter dem Motto „Gemeinsam für Österreich – Miteinander für Europa“. Gespräche müssen auf Augenhöhe geführt werden, nur dann können wir gemeinsam zum Wohle unseres Landes tätig werden.
Der Bundesrat ist die Brücke zwischen dem Bund und den Ländern. Er ist die Schnittstelle zwischen der Europäischen Union und den Bürgerinnen und Bürgern in Österreich. Der Bundesrat ist aber noch viel mehr: Neben Länderkammer und Europakammer ist er auch die Zukunftskammer. Wir im Bundesrat schaffen es, nachhaltig Themen zu setzen, die in der hektischen Alltagspolitik keinen Platz finden. So setzen Präsidentinnen und Präsidenten der zweiten Kammer Schwerpunktthemen, die überparteilich behandelt werden, bevor diese Themen überhaupt in der Regierung oder auf EU-Ebene behandelt werden.
Meine Damen und Herren! Auch ich habe ein Thema gewählt, welches mir persönlich sehr wichtig ist. Der Schutz und die Sicherung des Trinkwassers ist ein Thema, das jetzt aktueller ist denn je. Am Anfang wurde ich belächelt. Die Gefahr der Privatisierung des Trinkwassers sei in Österreich noch nicht gegeben, hieß es. Das sogenannte Ibizavideo hat das Gegenteil bewiesen.
Sauberes Trinkwasser ist für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung von wesentlicher Bedeutung. Wasserverunreinigung und Wasserknappheit können erhebliche soziale und wirtschaftliche Kosten, aber auch zukünftige Konflikte verursachen. Der Klimawandel ist deutlich spürbar und wirkt sich weltweit immer stärker auf die Trinkwasservorkommen aus. Bereits 2010 beschlossen die Vereinten Nationen, dass das Recht auf Zugang zu sauberem Trinkwasser ein Menschenrecht sei. Trotzdem ist Wasser nicht als Grundrecht einklagbar. Slowenien hat erkannt, dass seine Trinkwasservorkommen eventuell zu Handelsware werden könnten, deshalb wurde von Slowenien das Recht auf Trinkwasser in Verfassungsrang gehoben und somit ausdrücklich deklariert, dass Trinkwasser keine Ware ist – ein nachahmenswertes Beispiel, welches ich in Österreich auch umsetzen möchte.
Erfreulicherweise wurde im Zuge der letzten Landeshauptleutekonferenz der einstimmige Beschluss gefasst, dass sich alle Länder zum Schutz des Trinkwassers bekennen. Diesbezüglich haben Kärnten und Salzburg bereits erste Schritte eingeleitet. Im Mai gab es zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“ eine bemerkenswerte Enquete, bei der Expertinnen und Experten Wege, aber auch neue Probleme der Versorgungssicherheit aufzeigten. Trinkwasser nach dem Vorbild Sloweniens in Verfassungsrang zu heben, ist eine gute Entscheidung. Ich freue mich sehr, dass alle Fraktionen im Nationalrat mein Vorhaben unterstützen, wodurch jegliche Privatisierungsbestrebungen in Österreich zukünftig verhindert werden könnten.
Einmal mehr hat der Bundesrat gezeigt, dass er Themenschwerpunkte setzt, bevor sie auf Regierungsebene behandelt werden. Einen vorläufigen Entwurf der Ergebnisse aus der parlamentarischen Enquete des Bundesrates konnte ich Ihnen, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, diese Woche bereits überreichen. Der Bericht über die Enquete – gemeinsam mit den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen – wird nach Fertigstellung allen Mandataren und Teilnehmern der Enquete übermittelt.
Im Rahmen meiner halbjährigen Präsidentschaft konnte ich zahlreiche Gespräche im In-, aber auch im Ausland zum Thema Trinkwasserschutz führen. Bei jedem Gespräch taten sich neue Handlungsfelder auf, und Sie können versichert sein, dass ich diesem Thema auch nach meiner Präsidentschaft treu bleiben werde.
Es ist üblich, vor Eingang in die Tagesordnung einen kurzen Überblick über die Tätigkeiten des scheidenden Präsidenten im vergangenen halben Jahr zu geben. Ich möchte mit den Konferenzen beginnen.
Ende Jänner durfte ich Österreich bei der Landtagspräsidentenkonferenz in Brüssel vertreten. Dort wurde einerseits die Brüsseler Erklärung verabschiedet, und andererseits konnte ich mich persönlich mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über den Schutz und die Sicherung des Trinkwassers unterhalten.
Gemeinsam mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka durfte ich zum Abschluss des österreichischen EU-Ratsvorsitzes rund 50 europäische Parlamentspräsidenten und ‑präsidentinnen aus 37 Ländern in Wien begrüßen.
Bei der Konferenz der PräsidentInnen der deutschen und österreichischen Landesparlamente, des Südtiroler Landtages sowie des Deutschen Bundestages durfte ich den österreichischen Bundesrat in Würzburg vertreten. Dort wurde eine stärkere Einbindung der Landesparlamente bei EU-Entscheidungsprozessen gefordert.
Erst letzte Woche konnte ich bei der Konferenz der europäischen Senate in Paris im Zuge meiner Rede neben der notwendigen Stärkung des Subsidiaritätsprinzips auch die zukünftige Herausforderung Schutz des Wassers in den Fokus der Tagung rücken.
Bei den bilateralen Gesprächen mit Botschafterinnen und Botschaftern sowie Präsidenten der zweiten Kammern aus europäischen, aber auch aus anderen Staaten hat sich mir die Möglichkeit geboten, die gute Arbeit des Bundesrates zu präsentieren.
Auch Auslandsreisen konnten wir absolvieren. Bereits im Jänner besuchte ich Slowenien und informierte mich bei den Präsidenten beider Kammern über die gesetzliche Verankerung des Trinkwasserschutzes.
In Triest traf ich auf den österreichischen Generalkonsul in Italien.
Im Juni durfte ich eine hochrangige Delegationsreise nach China leiten. Bei dieser Rundreise hatte ich die Gelegenheit, zahlreiche hochrangige Politiker der chinesischen Führungsebene zu treffen, und konnte viele interessante Gespräche führen. Auch da war mein Schwerpunkt Schutz und Sicherung des Trinkwassers ein zentrales Thema.
Nächste Woche – zum Abschluss – findet noch eine gemeinsame Reise des Bundesratspräsidiums nach Kasachstan und Kirgisistan statt.
Ich habe auch viel Wert darauf gelegt, dass der Bundesrat in die Bundesländer kommt, denn der Bundesrat als Länderkammer gehört in die Länder. So konnte ich den Tiroler Landtag sowie den Burgenländischen Landtag besuchen. In Oberösterreich wurde ich als Gastredner zum Wassersymposium und in Wien zu einer Diskussion zum Thema Trinkwasser eingeladen.
Insbesondere habe ich versucht, den Bundesrat nach Kärnten zu bringen. Dazu habe ich alle Bezirkshauptmannschaften besucht, um einerseits über die Arbeit im Bundesrat zu berichten und mich andererseits über arbeitsintensive Herausforderungen der Bezirkshauptmannschaften zu informieren. Besuche der Polizeidirektion Kärnten, des Kärntner Militärkommandos, des Landesstudios des ORF und von Zeitungsredaktionen waren sehr informativ. Besonders gefreut hat mich aber der Besuch des Kinderrechteausschusses unseres Bundesrates in Kärnten. Das Treffen zwischen den Mitgliedern des Ausschusses und des Kärntner Landtages war sehr produktiv und informativ für alle.
Auf gemeinsame Einladung des Bundesratspräsidenten und des Urban Forums fand Mitte Mai eine Veranstaltung im Klagenfurter Rathaus statt. „Alpe-Adria-Pannonia – eine Zukunftsregion der EU“ lautete der Titel dieser Veranstaltung. Neben einem Lichtbildvortrag von Hans Peter Graner diskutierten der Präsident der zweiten Kammer Sloweniens, die slowenische Botschafterin, der Direktor des Balassi Instituts in Ungarn, der Kärntner Landtagspräsident Reinhart Rohr und die Kärntner Landtagsabgeordnete und ehemalige Bundesrätin Ana Blatnik über die Chancen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa.
Auch Veranstaltungen des Bundesrates standen auf dem Programm. „Konstruktive Politik“ hieß die veröffentlichte Präsentation der Arena-Analyse 2019 von Kovar & Partners. Die Studie präsentierte zwei Trends, zum einen eben die konstruktive Politik, zum
anderen die Partizipation. Der Bundesrat lieferte bereits in den letzten Jahren Best-Practice-Beispiele dazu. So haben Präsidenten des Bundesrates, wie zum Beispiel Gottfried Kneifel, Mario Lindner, Edgar Mayer, Reinhard Todt oder auch meine geschätzte Vorgängerin Inge Posch-Gruska, Grünbücher zu Fragen der Digitalisierung, Hasskriminalität, Demokratie und Jugendhilfe in Auftrag gegeben, die unter anderem online, in World Cafés, in Symposien, aber auch in parlamentarischen Enqueten diskutiert wurden.
Mit der Auftaktveranstaltung Trinkwasser und Klimawandel wollte ich für das Thema Trinkwasserschutz sensibilisieren. Der Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik Dr. Michael Staudinger und der Präsident des ÖVGW Dipl.-Ing. Franz Dinhobl zeigten in ihren Impulsreferaten anschaulich die zukünftigen Herausforderungen in der Trinkwasserversorgung auf. Ausführlich berichteten sie dann im Rahmen der Enquete, was zu tun ist, um die Versorgung auch künftig aufrechterhalten zu können.
Am Montag dieser Woche fand die Buchpräsentation „Machtmensch. Spielregeln für den Weg an die Spitze“ des Kärntner Autors Heinz Ortner im Palais Epstein statt – ein Thema, welches nicht aktueller sein könnte. Ich danke Bundeskanzler außer Dienst Franz Vranitzky und Heinz Ortner noch einmal für diese interessante Buchpräsentation. Der Autor zeigt auf, dass Macht und Menschen zusammengehören, und vermittelt Spielregeln, wie Erfolg an der Spitze gelingen kann.
Die Menschen haben das Vertrauen in die Politik verloren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Aufgabe, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik wiedergewinnen. Dazu ist es wichtig, ihnen zuzuhören, Erkenntnisse zu gewinnen und daraus abgeleitet die politischen Entscheidungen für die Bevölkerung zu treffen.
Jetzt ist es aber Zeit, Danke zu sagen. An erster Stelle danken möchte ich dem Nationalratspräsidenten und den beiden Nationalratspräsidentinnen für die ausgezeichnete Zusammenarbeit.
Auch dem Bundesratspräsidium und den Fraktionssprechern danke ich für die kollegiale Zusammenarbeit im Gremium.
Mein ganz besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion mit Parlamentsdirektor Dr. Harald Dossi an der Spitze sowie natürlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesratskanzlei und des Parlamentsdienstes. (Allgemeiner Beifall.) Hier danke ich stellvertretend für die großartige Unterstützung und gute Zusammenarbeit Frau Direktorin Dr. Susi Bachmann. (Allgemeiner Beifall.) Danken möchte ich auch der Vizedirektorin Dr. Alice Alsch-Harant, die viele internationale Treffen vorbereitet und mich dabei begleitet hat. – Vielen Dank dafür. (Allgemeiner Beifall.)
Persönlich bedanken möchte ich mich bei meinem Chauffeur, Bodyguard Renat Kojic für seine ständige und sichere Begleitung im letzten halben Jahr. (Allgemeiner Beifall.)
Ein großes Danke auch meinen Sekretärinnen – es waren ja einige –, insbesondere Paula Jenner, die mich in den letzten Monaten begleitet hat. – Dafür auch recht herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)
Ein ebenso großes Dankeschön Claudia Peska im Klub und meiner parlamentarischen Mitarbeiterin Mag. Tanja Lederer-Wenzel, die ich für das halbe Jahr aus Kärnten mitgebracht habe und die das ganze halbe Jahr ganz tolle Arbeit geleistet hat. – Danke, Tanja! (Allgemeiner Beifall.)
Meinem Nachfolger Karl Bader aus Niederösterreich wünsche ich für die Bewältigung der sicher nicht leichten Aufgabe in den nächsten Wochen und Monaten eine gute Hand, alles Gute und viel Erfolg. (Allgemeiner Beifall.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Es war mir eine große Ehre, als Präsident des österreichischen Bundesrates unser Österreich offiziell zu repräsentieren und mitgestalten zu dürfen. Ich bedanke mich bei Ihnen allen für die gute Zusammenarbeit, für alle Diskussionen und für die guten Entscheidungen, die wir zugunsten Österreichs erreicht haben. – Danke schön. (Allgemeiner, bei der SPÖ anhaltender Beifall.)
9.20
Präsident Ingo Appé: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen,
jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Art. 24 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt,
der Unterrichtung des Bundeskanzleramtes gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG,
eines Schreibens des Bundeskanzleramtes betreffend
Enthebung der Bundesregierung des Amtes und
Ernennung von Frau Dr.in Brigitte Bierlein zur Bundeskanzlerin gemäß Art. 70 Abs. 1 B-VG beziehungsweise Ernennung von Herrn Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner zum Vizekanzler und zum Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, von Frau Mag.a Elisabeth Udolf-Strobl zur Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, von Frau Dipl.-Ing.in Maria Patek, MBA zur Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, von Frau Mag.a Dr.in Brigitte Zarfl zur Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, von Herrn Dipl.-Kfm. Eduard Müller, MBA zum Bundesminister für Finanzen, von Herrn Mag. Thomas Starlinger zum Bundesminister für Landesverteidigung, von Herrn Dr. Wolfgang Peschorn zum Bundesminister für Inneres, von Herrn Mag. Andreas Reichhardt zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, von Herrn Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. zum Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und von Frau Mag.a Dr.in Iris Eliisa Rauskala zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung gemäß Art. 70 Abs. 1 B-VG und weiters
Beauftragung von Herrn Dipl.-Kfm. Eduard Müller, MBA mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 4 B-VG sowie
Ernennung von Frau Mag.a Ines Stilling zur Bundesministerin ohne Portefeuille gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 78 Abs. 1 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten,
eines weiteren Schreibens des Bundeskanzleramtes betreffend
Ernennung von Herrn Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. zusätzlich zum Bundesminister im Bundeskanzleramt gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 B-VG sowie
Enthebung von Frau Bundesministerin ohne Portefeuille Mag.a Ines Stilling des Amtes gemäß Art. 74 Abs. 3 und gleichzeitige Ernennung zur Bundesministerin im Bundeskanzleramt gemäß Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 B-VG durch den Herrn Bundespräsidenten
und der Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union
verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.
Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A. Eingelangt sind:
1. Anfragebeantwortungen:
(Anlage 1) (siehe auch S. 3)
2. Eingelangte Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen:
Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXVI. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (850/A und 630 d.B.)
3. Schreiben des Bundeskanzleramtes:
Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend
Enthebung der Bundesregierung des Amtes und
Ernennung von Frau Dr.in Brigitte Bierlein zur Bundeskanzlerin gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz bzw.
Ernennung von Herrn Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner zum Vizekanzler und zum Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, von Frau Mag.a Elisabeth Udolf-Strobl zur Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, von Frau Ing.in Maria Patek, MBA zur Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, von Frau Dr.in Brigitte Zarfl zur Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, von Herrn Dkfm. Eduard Müller, MBA zum Bundesminister für Finanzen, von Herrn Mag. Thomas Starlinger zum Bundesminister für Landesverteidigung, von Herrn Dr. Wolfgang Peschorn zum Bundesminister für Inneres, von Herrn Mag. Andreas Reichardt zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, von Herrn Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. zum Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und von Frau Mag.a Dr.in Iris Eliis Rauskala zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz und weiters
Beauftragung von Herrn Dkfm. Eduard Müller mit der Leitung des Bundesministeriums für öffentlichen Dienst und Sport gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz sowie
Ernennung von Frau Mag.a Ines Stilling zur Bundesministerin ohne Portefeuille gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz
durch den Herrn Bundespräsidenten (Anlage 2)
und Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend
Ernennung von Herrn Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallenberg zusätzlich zum Bundesminister im Bundeskanzleramt gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz sowie
Enthebung von Frau Bundesministerin ohne Portefeuille Mag.a Ines Stilling des Amtes gemäß Artikel 74 Absatz 3 und gleichzeitige Ernennung zur Bundesministerin im Bundeskanzleramt gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 Bundes-Verfassungsgesetz
durch den Herrn Bundespräsidenten (Anlage 6)
Unterrichtung des Bundeskanzleramtes gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend Nominierung von Herrn Sektionschef Dr. Gerhard Hesse, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, für die Funktion eines zweiten österreichischen Richters am Gericht der Europäischen Union für den Zeitraum vom 1. September 2019 bis 31. August 2022 (Anlage 7)
4. Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union:
Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend
den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, Mag.a Ines Stilling vom 17. bis 19. Juni 2019 in Portugal (Anlage 3),
den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag.a Elisabeth Udolf-Strobl vom 17. bis 19. Juni 2019 in Portugal bei gleichzeitiger Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B VG durch Frau Bundesministerin Mag.a Dr.in Iris Eliisa Rauskala (Anlage 4)
sowie
den Aufenthalt der Frau Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Dipl.-Ing.in Maria Patek vom 17. bis 19. Juni 2019 in Portugal bei gleichzeitiger Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG durch Herrn Bundesminister Dkfm. Eduard Müller, MBA (Anlage 5).
B. Zuweisungen
1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates:
(siehe Tagesordnung)
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Präsident Ingo Appé: Eingelangt ist und dem zuständigen Ausschuss zugewiesen wurde jener Beschluss des Nationalrates, der Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist.
Der Ausschuss hat seine Vorberatungen abgeschlossen und einen schriftlichen Ausschussbericht erstattet.
Ich habe den zuvor genannten Verhandlungsgegenstand, die Erklärungen der Bundeskanzlerin und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundesrates anlässlich des Amtsantrittes der neuen Bundesregierung sowie die Wahl der beiden VizepräsidentInnen, der SchriftführerInnen und der OrdnerInnen für das 2. Halbjahr 2019 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.
Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.
Wir gehen in die Tagesordnung ein.
Erklärung der Bundeskanzlerin und des Vizekanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR anlässlich des Amtsantrittes der neuen Bundesregierung
Präsident Ingo Appé: Wir gelangen zu Punkt 1 der Tagesordnung.
Ich begrüße die Frau Bundeskanzlerin, den Herrn Vizekanzler und alle weiteren anwesenden Mitglieder der Bundesregierung nochmals recht herzlich. (Allgemeiner Beifall.)
Bevor ich der Frau Bundeskanzlerin das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die von der Frau Bundeskanzlerin und dem Herrn Vizekanzler abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne Weiteres stattgeben.
Ich darf nun der Frau Bundeskanzlerin zur Abgabe einer Erklärung betreffend die neue Bundesregierung das Wort erteilen.
Bundeskanzlerin Dr. Brigitte Bierlein: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor genau einer Woche habe ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung diese zum ersten Mal im Parlament vorgestellt, und ich habe dabei unser Leitmotiv formuliert: „Nichts hält das Gemeinwesen besser zusammen als die Verlässlichkeit.“ Es ist unser erklärtes Ziel, für Verlässlichkeit zu stehen und um Vertrauen zu werben. Daher freue ich mich sehr, heute Gelegenheit zu haben, vor Ihnen, sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates, unser Selbstverständnis näher zu erläutern und um Ihr Vertrauen zu ersuchen.
Meine Kolleginnen und Kollegen und ich sind uns der Besonderheit dieser Bundesregierung und der einmaligen Situation in der Geschichte unseres Landes bewusst. Eine vom Bundespräsidenten eingesetzte Bundesregierung hat es bis dato nicht gegeben. Unsere Bundesverfassung feiert nächstes Jahr ihren 100. Geburtstag, und in den vergangenen Tagen hat sich gezeigt, wie weitsichtig und verlässlich dieses Regelwerk ist.
In diesem Hohen Haus als erste Bundeskanzlerin zu Ihnen zu sprechen stand, Sie wissen es, nicht in meiner Lebensplanung. Ich wurde – ich denke, ebenso wie Sie – mehr als überrascht. Umso mehr haben meine Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung und ich diese Aufgabe mit großer Demut, aber auch mit großer Freude über-
nommen. Der Herr Vizekanzler würde sagen: mit gewisser Heiterkeit; zumindest hat er das so formuliert.
Mein herzlicher Dank gilt dem Herrn Bundespräsidenten. Sein Vertrauen ehrt uns und ist Auftrag zugleich, die in uns gesetzten Erwartungen zu erfüllen: unserem Land zu dienen, Stabilität und Verlässlichkeit zu garantieren, bis in der Folge nach den Nationalratswahlen im September eine neue Bundesregierung angelobt werden kann.
In den vergangenen Jahrzehnten konnte ich unserem Rechtsstaat in verschiedenen Funktionen dienen. Es war für mich ein großes Privileg, dass ich viele Jahre mit an der Spitze des Verfassungsgerichtshofes tätig sein konnte, und ich kann Ihnen versichern, dass ich diese Funktion nur schweren Herzens aufgegeben habe. Ich weiß aber den Verfassungsgerichtshof, eine so besonders wichtige Institution unseres Rechtsstaates, in den Händen des Herrn Vizepräsidenten sehr gut aufgehoben.
Bereits in meiner Antrittsrede habe ich auf die Bedeutung eines möglichst breiten Dialogs hingewiesen. Als Mitglieder des Bundesrates wissen Sie, wie wichtig der konstruktive Dialog, das Miteinander ist, insbesondere wenn es um die Vertretung der Interessen der Länder im Prozess der Bundesgesetzgebung geht.
Ich habe schon in den ersten Tagen zahlreiche Gespräche führen können – mit dem Präsidenten und den Präsidentinnen des Nationalrates, mit Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident Appé, mit allen Parteiobleuten, mit einzelnen Landeshauptleuten und mit Klubobleuten sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft. Diesen Dialog möchte und werde ich in meiner gesamten Amtszeit aufrechterhalten. Dabei ist mir der Kontakt zu den Vertreterinnen und Vertretern der Länder ein großes Anliegen. Österreich ist eine starke Republik mit starken Bundesländern. In den nächsten Wochen werde ich versuchen, mit allen Landeshauptleuten zusammenzutreffen. Ich freue mich auf die Besuche in den Ländern und den Austausch vor Ort.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sind ein wichtiger, fester und unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesetzgebung. Unsere Gesetze ermöglichen es uns, in Frieden und Freiheit miteinander zu leben und Probleme gemeinsam zu lösen.
Diese Bundesregierung verfügt weder über ein Wahlprogramm, das es einzuhalten gilt, noch hat sie Wahlversprechen getätigt, die einzulösen wären. Unsere Aufgabe ist klar: die Gewährleistung von Stabilität, Sicherheit und Verlässlichkeit. In diesem Sinn ist diese Bundesregierung voll handlungsfähig. Ich möchte Ihnen sowie allen Mitbürgerinnen und -bürgern versichern, dass alle Dienstleistungen des Staates in uneingeschränktem Ausmaß zur Verfügung stehen.
Bei unserer Amtsführung sind wir von folgenden Grundsätzen geleitet: höchstmögliche Qualität, größtmögliche Sparsamkeit, Verzicht auf tagespolitisches Kalkül, Abwenden von Schaden von der Republik und Verzicht auf das Treffen von besonders wichtigen innerösterreichischen Personalentscheidungen. Im Zentrum unseres Handelns stehen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sowie all jene, die in diesem Land leben – diesen Menschen dienen wir.
Ihnen, sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates, gilt als Vertreter der Interessen der Länder unser höchster Respekt. Wichtige politische Entscheidungen müssen und sollen von der nächsten Bundesregierung getroffen werden. Es gehört ebenso zu unserem Selbstverständnis, dass wir als Exekutive die Beschlüsse der Legislative nach bestem Wissen und Gewissen vollziehen werden. Es liegt zu Recht in den Händen der Parlamentarier als gewählte Volksvertreter, die aus ihrer Sicht notwendigen Beschlüsse bis zur Wahl zu treffen, und zwar mit Maß, Weitblick und Verantwortungsbewusstsein.
Österreich ist und bleibt ein verlässlicher Partner in Europa und in der Welt. Seit fast einem Vierteljahrhundert sind wir mit Stolz Mitglied der Europäischen Union. Wir sind und bleiben eine starke Stimme für und in Europa.
Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament stehen nun wichtige Entscheidungen an, die unser aller Zukunft beeinflussen werden – die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen, die Abwicklung des Brexits und insbesondere weitreichende Personalentscheidungen. Alle Personalia müssen von fachlicher Expertise und politischem Können geleitet sein. Daher freue ich mich auf den Austausch mit den Mitgliedern des Hauptausschusses des Nationalrates im Anschluss an diese Sitzung, denn ich habe selbstverständlich vor, die auf europäischer Ebene anstehenden Entscheidungen im engen Dialog mit den zuständigen Gremien des Parlaments zu erörtern und vorzubereiten.
Morgen werde ich gemeinsam mit dem Herrn Außenminister am Treffen des Europäischen Rates in Brüssel teilnehmen. Österreich wird wie gewohnt seine Stimme in enger Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten einbringen. Ich kann dabei auf die große Expertise unserer Diplomatinnen und Diplomaten sowie die gut eingespielten Abstimmungsprozesse zurückgreifen.
Jede Generation hat ihre Chancen und Herausforderungen wie zum Beispiel die schon vom Herrn Präsidenten angesprochenen Themen Klimawandel und Digitalisierung. Die globalisierte Welt, in der wir leben, bedingt, dass wir unmittelbarer von den Geschehnissen betroffen sind und daher rasch und überlegt handeln müssen. In welcher Gesellschaft wollen wir in Zukunft leben? – Eine abschließende Antwort kann es nicht geben, sehr wohl aber können wir gemeinsam die nächsten Schritte erörtern. Uns alle eint ein gemeinsames Ziel: ein Österreich, das nicht von Furcht, sondern von Mut und Zuversicht geprägt ist, das in Risken Potenzial sieht und das Miteinander vor das Trennende stellt.
Anders als bei vorangegangenen Regierungen gibt es derzeit keine Unterscheidung zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien; umso mehr liegt der politische Diskurs, das Abwägen der unterschiedlichen Interessen und das Finden eines Konsenses in Ihrer Verantwortung als Länder- und Volksvertreter.
Bei allen Unterschieden sind wir vereint. Die Toleranz, im Besonderen gegenüber der anderen Meinung, ohne Feindbilder zu stilisieren, das ist es vor allem, was uns als demokratischen Rechtsstaat ausmacht und zusammenhält. Das ist und bleibt für mich als langjährige Juristin, Richterin und nun als Bundeskanzlerin meine Grundüberzeugung.
Wie vor einer Woche die Abgeordneten des Nationalrates bitte ich auch Sie, geschätzte Mitglieder des Bundesrates, Vorbild für alle zu sein, stets den Dialog zu suchen und den Konsens anzustreben. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung und ich werden nach Kräften dazu beitragen, Ihr Vertrauen zu gewinnen. In diesem Sinne freue ich mich sehr auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)
9.36
Präsident Ingo Appé: Ich danke der Frau Bundeskanzlerin für Ihre Ausführungen.
Nunmehr erteile ich dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe einer Erklärung betreffend die neue Bundesregierung das Wort.
Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Vizekanzler Dr. Dr. h.c. Clemens Jabloner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Bunderätinnen und Bundesräte! Wir, die Republik, alle Men-
schen, die in diesem Land leben, durchlaufen derzeit eine ungewöhnliche und heikle Zeit. Zwar verlor die Bundesregierung ihre Stabilität und nach dem Misstrauensvotum vorzeitig auch ihr Amt, von einer Verfassungs- oder Staatskrise konnte allerdings nie die Rede sein; vielmehr befinden wir uns in einer Situation, für die unsere Bundesverfassung in der Stammfassung von 1920 und insbesondere auch in der Fassung der Novelle von 1929 kluge Vorkehrungen trifft. Demnach war es Sache des Herrn Bundespräsidenten, in Anwendung des Art. 69 Abs. 1 B-VG eine Bundeskanzlerin und auf ihren Vorschlag die übrigen Mitglieder der Bundesregierung zu ernennen.
Die Besonderheit besteht darin, dass diese neue Bundesregierung nicht auf eine gesicherte parlamentarische Mehrheit zurückgreifen kann. Ich möchte aber dennoch hervorheben, dass diese Bundesregierung demokratisch legitimiert ist, weil der Bundespräsident vom Bundesvolk gewählt wird und die von ihm vorgenommenen Ernennungen den Mitgliedern der Bundesregierung daher die demokratische Legitimation verleihen. Allerdings bezieht sich dies nur auf die Bundesregierung als solche und nicht auch auf ihre Aktivitäten. Infolge des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung und im Hinblick auf die ständige Kontrolle der Vollziehung durch das Parlament sind die Handlungsmöglichkeiten einer solchen Expertenregierung, eines solchen Übergangskabinetts beschränkt, und dies halte ich auch für richtig und angebracht.
Den Mangel eines positiven Vertrauensvotums in unserer Bundesverfassung deute ich so, dass die Bundesregierung, wenn kein Misstrauensantrag gestellt wird, noch nicht automatisch das Vertrauen des Parlaments genießt. Diese steht vielmehr unter der Beobachtung des Nationalrates und des Bundesrates und ist darauf angewiesen, dieses Vertrauen täglich neu zu erwerben. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist mir der Austausch mit Ihnen ein besonderes Anliegen.
Ich glaube, für die ganze Bundesregierung sprechen zu können, wenn ich Ihnen versichere, dass diese Bundesregierung ihre Aufgabe in einer sachkundigen Fortführung der Verwaltung sieht. Sie muss aber dort initiativ werden, wo es gilt, Schaden abzuwenden, wie etwa bei einer Versäumnis bei der Umsetzung des Unionsrechts. Die Bundesregierung wird daher von Initiativen absehen, denen gesellschaftliche Wertentscheidungen zugrunde liegen, die nur parlamentarisch – das heißt, nur nach der Wahl eines neuen Nationalrates – legitimiert sein können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meiner Funktion als Vizekanzler ist es meine verfassungsrechtliche Aufgabe, die Bundeskanzlerin, wenn sie verhindert ist, in ihrem gesamten Wirkungsbereich zu vertreten. Darüber hinaus werde ich mich stets bemühen, sie in ihrer Koordinationstätigkeit zu unterstützen. Ich darf Ihnen, um Wiederholungen zu vermeiden, sagen, dass ich mich mit jedem Wort identifiziere, das die Bundeskanzlerin gerade vorhin gesprochen hat.
Als Justizminister sind für mich der Rechtsstaat und die Grundrechte oberste Handlungsmaxime. Wenn es auch in einem trivialen Sinn richtig ist, dass letztlich die Politik das Recht bestimmt, so muss dies im Verfassungs- und Rechtsstaat in jenen Formen erfolgen, die die Verfassung, insbesondere die Grundrechte, und die völker- und unionsrechtlichen Verpflichtungen vorgeben. Besonders die Europäische Menschenrechtskonvention mit ihrer beispiellosen Erfolgsgeschichte steht für mich ganz unverrückbar im Zentrum des politischen Handelns.
Der Justizminister trägt die Verantwortung für die Justiz, die dritte Staatsfunktion. Es ist meine Kernaufgabe, sowohl die Unabhängigkeit als auch die Funktionsfähigkeit der Gerichtsbarkeit zu stärken. Dabei dürfen andere Bereiche des großen Ressorts nicht ins Hintertreffen gelangen; ich nenne hier nur die Anklagebehörden und den Strafvollzug.
Zu den verfassungsrechtlichen Aufgaben meines Ressorts gehört auch der Föderalismus. Wenngleich man in den nächsten Monaten keine verfassungsrechtlichen, legistischen Maßnahmen erwarten kann, so bietet sich mir hier doch die Gelegenheit, dem Bundesrat meinen allergrößten Respekt zu entbieten. Der Bundesrat ist schon in der Verfassung von 1920 auf eine sehr kluge föderalistische und demokratisch balancierte Weise eingerichtet, und er erfüllt im Staatsgefüge eine ganz wesentliche Funktion. In vielen Bereichen, in denen sehr ernste Entscheidungen getroffen werden – es fällt mir spontan die Kreation der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes ein –, spielt der Bundesrat eine ganz bedeutende Rolle.
Der Föderalismus ist mir persönlich ein wichtiges Anliegen; das war schon so, als ich Leiter der Länderabteilung des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt war. Ich habe mich später theoretisch mit dem Föderalismus auseinandergesetzt, und es war mein Hauptanliegen als Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, eine Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit zuwege zu bringen, die den Ländern erstmals seit 1920, seit 1867 einen Anteil an der Gerichtsbarkeit gegeben hat – das ist eben die Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte in allen Ländern.
Wenn auch die Justiz, für die ich nun verantwortlich bin, organisatorisch und funktionell völlig dem Bund zugerechnet ist, so spielt sie doch im föderalen Aufbau eine wichtige Rolle. Sie ist ein Teil des Lebens in den Ländern und Gemeinden, und daher sind mir die Anliegen, die aus den Ländern, aus den Gemeinden kommen, auch ganz besonders wichtig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss sagen, dass ich mir der großen Verantwortung sehr bewusst bin. Meine Heiterkeit ist trotz gewisser Erfahrungen der letzten Tage keineswegs vollständig von mir gewichen (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ), ich behalte sie nach wie vor bei, und ich bitte um und danke für Ihr Vertrauen. (Allgemeiner Beifall.)
9.43
Präsident Ingo Appé: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.
Bevor wir in die Debatte eingehen, möchte ich noch etwas nachholen: Da heute ein Bundesrat seinen 50. Geburtstag feiert, möchte ich diesem recht herzlich zum Geburtstag gratulieren; es ist dies Herr Bundesrat Bernard. – Herzlichen Glückwunsch. (Allgemeiner Beifall.)
Fast zeitgleich, nämlich gestern, hat die Kollegin hier rechts neben mir, Schriftführerin Marianne Hackl, Geburtstag gehabt – auch ihr recht herzlichen Glückwunsch und alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Bader. Ich erteile ihm dieses.
Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundeskanzlerin! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Auch von meiner Seite ein herzliches Willkommen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch euch einen schönen guten Morgen! Ich freue mich, dass Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, und Sie, Herr Vizekanzler, heute eine Erklärung in der Länderkammer abgegeben haben und sich den Mitgliedern des Bundesrates, der zweiten Kammer unseres Parlaments, vorgestellt haben. Ich selbst darf mich als Fraktionsvorsitzenden der Bundesratsfraktion der Volkspartei vorstellen.
Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben Ihre Erklärung im Nationalrat und auch die heutige mit einem Zitat von Cicero begonnen: „Nichts hält das Gemeinwesen besser zusam-
men als die Verlässlichkeit.“ Gerade die zweite Kammer unseres Parlaments steht in besonderer Weise für Verlässlichkeit, für Beständigkeit. Wir halten als permanent tagendes Gremium unseres Parlaments ja heute schon die 894. Bundesratssitzung ab. Damit sind wir quasi eine von der Verfassung festgeschriebene – unter Anführungszeichen könnte man sagen – „Versicherungspolizze“ unserer Republik.
Ich möchte auch mit einem Zitat von Cicero beginnen, der einst meinte: „Keine Schuld ist dringender als die, Dank zu sagen“. – Ich möchte das ganz bewusst auch tun und an den Beginn stellen. Ich danke allen Mitgliedern der Bundesregierung dafür, dass sie in einer außergewöhnlichen Situation bereit waren, Verantwortung für unsere Republik zu übernehmen. (Allgemeiner Beifall.)
Sie gemeinsam bilden eine Übergangsregierung mit dem Schwerpunkt darauf, dass Sie dafür Sorge tragen werden, die Staatsgeschäfte so zu führen, dass der laufende Betrieb gewährleistet ist. So sehen Sie Ihre Aufgabe ja in erster Linie auch darin, einen breiten Dialog zu führen. Ich kann das auch anbieten, auch wir hier im Bundesrat sind zu diesem Dialog sehr gerne bereit. Sie verstehen sich als Stabilität und Sicherheit für die Menschen gewährleistend und den Bestand der Dienstleistungen garantierend.
Ich danke Ihnen an dieser Stelle auch sehr, sehr herzlich dafür, dass Sie ein klares und deutliches Bekenntnis zum Föderalismus abgegeben haben. Das war sicherlich gerade in dieser Kammer des Parlaments eine sehr, sehr wesentliche Aussage.
Wir von der Volkspartei werden diese Regierung auch im Bundesrat – so wie das unser Klubobmann im Nationalrat schon angesprochen hat – „im Sinne der Staatsverantwortung und [...] der Stabilität unterstützen [...], bis eine neue, vom Volk legitimierte Regierung angelobt wird.“
Das Beruhigende in dieser außergewöhnlichen Zeit ist sicherlich, dass unsere Bundesverfassung sehr gute und wichtige Bestimmungen enthält, die uns diese Übergangszeit sicher bewältigen lassen.
Ich bitte auch um Verständnis dafür, dass ich hier klar anspreche, warum es zu dieser einmaligen, außergewöhnlichen Situation gekommen ist. Im Wesentlichen sind es zwei Gründe: Zum Ersten haben das schreckliche Ibizavideo und die Akteure der Freiheitlichen Partei Herrn Bundeskanzler Kurz keine andere Wahl gelassen, als Neuwahlen zu fordern, denn der ehemalige Vizekanzler wollte laut diesem Video unser Wasser verkaufen, hat die Pressefreiheit mit Füßen getreten sowie dubiose Parteienfinanzierungskanäle offeriert. Jede einzelne dieser Aussagen ist für uns ein No-Go, und insgesamt betrachtet sind sie das in besonderer Weise.
Nach diesen ungeheuerlichen Aussagen in diesem Video gab es auch keine Möglichkeit, zur Tagesordnung überzugehen. Oberste Priorität in dieser Situation war die volle Aufklärung und Transparenz, vor allem durch einen unabhängigen Innenminister. Diese Einsicht war allerdings bei manchen in der Freiheitlichen Partei leider nicht gegeben – daher auch die Konsequenz im Interesse des Staates. Meiner Meinung nach hat Bundeskanzler Kurz in dieser Situation absolut verantwortungsvoll gehandelt, und das im engen Austausch und im Einvernehmen mit dem Herrn Bundespräsidenten. (Beifall bei der ÖVP.)
Zum Zweiten machte der Misstrauensantrag die Bildung dieser Übergangsregierung erst erforderlich. Bundeskanzler Kurz hat es in der Debatte im Nationalrat klar gesagt: Er verstehe die Rachegelüste – ich zitiere – mancher, er verstehe auch den Wunsch, sich für die Wahl in eine bessere Position zu bringen und ihm als Bundeskanzler das Misstrauen auszusprechen. Was aber nicht zu verstehen sei: dass der ursprüngliche Misstrauensantrag gegen ihn als Reaktion auf das Europawahlergebnis auf die gesamte Regierung ausgeweitet worden sei. Genau nach dem Vorliegen des EU-Wahlergebnisses, das ja als eine erste politische Antwort der Bevölkerung – ich betone
aber: nicht die einzige Antwort – auf diesen Ibizavideoskandal gewertet werden muss, war das eine beachtliche Lehre, die Frau Rendi-Wagner aus diesem Wahlergebnis gezogen hat; eine sehr wohl sehr bemerkenswerte Lehre, die man aus diesem Wahlergebnis gezogen hat.
Das zeigt meiner Meinung nach auch klar, dass es bei diesem Misstrauensantrag nicht um Misstrauen ging, sondern es ging nur um eines: Kurz muss weg! Ein erfolgreicher Bundeskanzler Kurz, dem man inhaltlich scheinbar nichts entgegenzusetzen hat, muss weg. Ein erfolgreicher Bundeskanzler, der mit seiner Volkspartei und einem verantwortungsbewussten und erfolgreichen Weg der Mitte am Tag davor einen fulminanten Wahlerfolg erzielt hatte, muss weg. Ein erfolgreicher Bundeskanzler Kurz, der für Veränderung steht, und das mit großer Rückendeckung aus der Bevölkerung, muss weg. Ein solcher Bundeskanzler muss einfach weg. – Das war Ihre einzige inhaltliche Begründung, meine Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und FPÖ!
Ich stelle schon die Frage: Wie viel Angst hat man vor diesem Sebastian Kurz? (Bundesrätin Schumann: Keine!) Welche Rache- und Hassgefühle leiten Sie, um diesen Schritt zu setzen? Keine Frage – um das hier auch klar auszusprechen –, es ist demokratiepolitisch absolut legitim, was Sie getan haben, es ist aber aus unserer Sicht ein ungeheuerlicher Schritt, und das sieht ein Großteil der Bevölkerung ebenso. (Beifall bei der ÖVP.) Jetzt auch noch heuchlerisch zu jammern, dass Sebastian Kurz, den man weghaben wollte, das Mandat nicht angenommen hat, das ist schon sehr zynisch und durchsichtig. Sebastian Kurz ist mit den Menschen im Gespräch, und das ist gut so. Er macht genau das, was unsere Aufgabe als Politiker ist, nämlich sich die Meinung der Menschen anzuhören. (Bundesrat Spanring: Der heilige Basti!) Das zu tun würde ich auch anderen sehr empfehlen.
Die neue Allianz von SPÖ und FPÖ hat nicht nur der Regierung von Kurz das Misstrauen ausgesprochen, sie hat immer wieder betont, diese Übergangsregierung zu unterstützen. Zwischen dem, was Sie in Reden ankündigen, und dem, was Sie dann in die Tat umsetzen, gibt es halt doch einen großen Unterschied. Sie haben eine Allianz zur Festlegung des Wahltermins gebildet und haben dabei gegen den Willen und den Wunsch des Herrn Bundespräsidenten, möglichst früh zu wählen, entschieden. Das ist zwar legitim, aber eigenartig. Sie haben sich gegen den Willen und den Wunsch der Frau Bundeskanzlerin, möglichst früh zu wählen, entschieden. Das ist zwar legitim, aber eigenartig. Sie haben das getan, weil Sie sich dabei von parteipolitischen Interessen haben leiten lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Was bei der ÖVP nie der Fall ist!)
Wir stehen für Stabilität in diesem Land. Während andere – und das möchte ich hier auch betonen – mit Schaum vorm Mund auch hier im Plenum im wahrsten Sinne des Wortes wahlkämpfen, während andere, begleitet von Rachegelüsten und Hass, mit Aufklebern, auf denen „Ganz Wien hasst die ÖVP!“ steht, im wahrsten Sinne des Wortes wahlkämpfen, treten wir weiterhin für notwendige Veränderungen in diesem Land und für einen neuen Stil ein. (Bundesrat Weber: Aber geh!) Wir hassen niemanden, aber wir zeigen auf, was nicht in Ordnung ist.
Wir werden nach dem Sommer intensiv für unsere Ideen, für unser Programm, für unseren Weg der Veränderung für Österreich werben, und am Wahltag werden die Wählerinnen und Wähler entscheiden. (Bundesrat Spanring: Ihr habt keine Ideen! Das sind alles unsere Ideen!) Darauf freue ich mich. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir freuen uns auch!) Bis dahin weiß ich aber unser Land bei Ihnen, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin und sehr geehrte Mitglieder dieser Übergangsregierung, in sehr, sehr guten Händen, und ich kann Ihnen versichern: Wir haben großes Vertrauen in Sie. Alles Gute und viel Erfolg. (Beifall bei der ÖVP.)
9.55
Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile dieses.
Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundeskanzlerin! Werter Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Es ist ein Gebot der Stunde, Danke zu sagen: Danke, Frau Bundeskanzlerin, Danke, Herr Vizekanzler, dafür, dass Sie in diesen herausfordernden Zeiten Regierungsfunktionen übernommen haben! Wir können stolz sein auf unsere Bundesverfassung – das wurde ja schon mehrmals gesagt –, die für alle Eventualitäten Vorkehrungen getroffen hat.
Frau Bundeskanzlerin, es war grundlegend für jedes politische Handeln und wichtig, den Dialog mit der Zivilgesellschaft, den politischen Parteien und den Religionsgemeinschaften anzukündigen. Es blieb nicht nur bei den Ankündigungen, die Termine finden statt. Das Gespräch mit den Sozialpartnern findet statt – endlich! Die Vorgängerregierung hat diesen Dialog mit der ArbeitnehmerInnenvertretung, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Arbeiterkammer bewusst nicht geführt.
Wir hatten nie eine Staatskrise, auch wenn manche aus Destabilisierungsgründen gerne eine solche herbeigeredet hätten. Wir hatten zum zweiten Mal eine Regierungskrise, diesmal hervorgerufen durch ein politisches Horrorvideo. Gerade wir Politikerinnen und Politiker sollten alles daransetzen, das darin Gesagte und das darin Gezeigte nicht zu verharmlosen. Kein noch so vernebelter Zustand eines Politikers rechtfertigt Aussagen, die unsere Demokratie gefährden, die die Medienfreiheit infrage stellen, die öffentliches Eigentum zum Verkauf und öffentliche Aufträge gegen Parteispenden anbieten. Das zu entschuldigen oder da kein Unrechtsbewusstsein zu zeigen heißt, selbst Teil dieses Systems zu sein, und das wollen wir alle sicherlich nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic. – Bundesrat Steiner: Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)
Es ist Zeit, das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Politik wiederherzustellen; dazu müssen die Regelungen zur Parteienfinanzierung dringend verändert werden. Es braucht eine Spendenobergrenze, und es braucht spürbar höhere Strafen, wenn die Kostengrenzen im Wahlkampf überschritten werden.
Drüberfahren, Gesetze durchpeitschen, das war die Devise von Türkis-Blau. Bevölkerungsgruppen zu Gewinnern und andere zu Verlierern der politischen Arbeit zu machen, das war angesagt. Nichts Verbindendes, kein Dialog, kein Kompromiss! VerliererInnen waren vor allen Dingen die Arbeitnehmerinnen und die Arbeitnehmer, Gewinner große Unternehmen: Ausdehnung der Arbeitszeit, 60-Stunden-Woche, Verkürzung der Ruhezeiten. Eine Sozialversicherungsreform, die diesen Namen nicht verdient, nur Umfärben, die ArbeitnehmerInnenvertreter hinausdrängen, kein Gewinn durch diese Megafusion für die Gesundheitsversorgung der Menschen, ganz im Gegenteil: 400 000 Euro für ein Logo, einen grüner Kreis, wobei die Markenrechte bei einem Bestattungsinstitut liegen (Bundesrätin Mühlwerth: KH Nord und der Schamane!), 7 Millionen Euro Fusionskosten – Geld, das man für die Gesundheitsversorgung so dringend brauchen würde. (Bundesrat Steiner: 600 000 Euro für das neue Logo von Wien, das gleich wie das alte aussieht!) Was könnte man mit diesem Geld für die Gesundheitsversorgung der Menschen Gutes tun?!
Mit dem Sozialhilfegesetz haben Sie die Menschen, die Unterstützung brauchen, noch ärmer gemacht und sie zu BittstellerInnen degradiert. Allein in Wien warten 13 000 Menschen auf Deutschkurse. Vom AMS können nicht genügend Kurse angeboten werden, weil das Geld fehlt; ein Versäumnis von Türkis-Blau. Wir haben davor ge-
warnt. Deutschkenntnisse sind – und da sind wir uns ja alle einig – der Schlüssel für die Integration in die Gesellschaft und am Arbeitsmarkt. Dem AMS wurden aber Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro für die Integration gestrichen. So kann Integration nicht funktionieren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Integration ist eine Bringschuld!)
Für arbeitslose Menschen wäre im letzten Regierungsprogramm noch einiges an Verschlechterungen vorgesehen gewesen: Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen – Wegzeiten von zweieinhalb Stunden wären zumutbar gewesen –, dazu ein 12-Stunden-Tag – na, vielen Dank! Die Abschaffung der Notstandshilfe stand auch noch auf dem Plan, ebenso massive Verschlechterungen für die Arbeitslosen und vor allen Dingen für Ältere, die besonders von Arbeitslosigkeit betroffen sind. – Man kann nur froh sein, dass das vorerst gestoppt wurde.
Einer der erstaunlichsten Verkaufstricks von Türkis-Blau war der Oberschmäh beziehungsweise der Einserschmäh – wie man in Wien sagt – mit dem persönlichen Feiertag: Nimm dir einen deiner Urlaubstage aus deinem eigenen Kontingent und nenne ihn persönlichen Feiertag! – Das war das Motto. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) So ging diese vergangene Regierung mit notwendig gewordenen Regelungen um! – Landeshauptmann Schützenhöfer hält diese Karfreitagsregelung für verunglückt. Das ist die elegante Formulierung dafür, man könnte auch andere Worte finden. (Bundesrat Samt: Wer hat das verursacht? – Das habt ihr verursacht!) Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich hätten einen zusätzlichen Feiertag verdient, sie arbeiten so fleißig und so hart, sie machen 250 Millionen Überstunden jährlich – da wäre doch ein Feiertag drin gewesen! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)
Gerade in dieser Situation zeigen sich aber auch die Qualität der österreichischen Verwaltung und die Leistung der Expertinnen und Experten in der Verwaltung. Ich glaube, das wäre auch eine passende Gelegenheit, über die Sinnhaftigkeit der fast schon reflexartig immer wiederkehrenden politischen Forderung nach noch mehr Einsparungen in der Verwaltung nachzudenken!
Das freie Spiel der Kräfte im Parlament hat begonnen, und das ist gut so. Das ist das Zeichen einer starken Demokratie. Es ist Zeit, dass längst notwendige Gesetzesbeschlüsse im Interesse der Menschen und nicht nur im Interesse der Wirtschaft gefasst werden! (Beifall bei der SPÖ.)
Die türkis-blaue Regierung hat 900 000 UnterstützerInnen des Nichtraucherschutzvolksbegehrens ignoriert und die Gesundheitsgefährdung der in der Gastronomie Beschäftigten in Kauf genommen. Nun ist die Zeit gekommen, das zu ändern und den Nichtraucherschutz endlich umzusetzen.
Unser Bundesratspräsident hat es schon in seiner Rede und oftmals während seiner erfolgreichen Präsidentschaft so wunderbar formuliert: Der Ausverkauf unseres guten Trinkwassers muss verhindert werden. – In diesem Zusammenhang reichen keine vollmundigen Versprechen in zahlreichen Reden. Der Schutz des Wassers muss in der Verfassung verankert werden, das ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten und besonders auch für die SPÖ-Fraktion im Bundesrat ganz wesentlich. Die Österreicherinnen und Österreicher haben das Recht auf einen freien Zugang zu Trinkwasser! (Beifall bei der SPÖ.)
Auf Initiative der Sozialdemokratie wird mit den notwendigen Beschlüssen im Nationalrat wieder Politik im Interesse der Frauen gemacht. Der frauenpolitische Stillstand in den letzten 18 Monaten war einfach unerträglich! Der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern beträgt fast 20 Prozent, der Pensionsunterschied 42 Prozent: Da kann man nicht stillstehen, da kann man nicht aufhören, zu kämpfen, beson-
ders was die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten betrifft. Die Gewerkschaften haben die Kollektivverträge ausgezeichnet verhandelt, die Anrechnung der Karenzzeiten konnte in vielen Kollektivverträgen umgesetzt werden. Jetzt braucht es aber die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten für alle Betroffenen, und das sind hauptsächlich Frauen. Dabei geht es um einen wichtigen Schritt für ein besseres und ein stärker abgesichertes Leben von Frauen.
Die oftmals angekündigte und immer wieder verschobene Umsetzung des Rechtsanspruchs auf den Papamonat wird endlich Realität – zur Freude aller Väter, die gerne Zeit mit ihren Kindern in dieser besonderen ersten Zeit, wenn ein Kind gerade auf die Welt gekommen ist, verbringen wollen. Das wird nun möglich.
Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten liegen die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer bei Blaulichtorganisationen in unserem Land am Herzen. Feuerwehr, Rettungs- und Katastrophenschutzorganisationen müssen für den Katastrophenfall unterstützt werden. Da braucht es eine rechtliche Absicherung durch einen Freistellungsanspruch von fünf Tagen; es braucht Rechtssicherheit für die ArbeitnehmerInnen, dass sie diese fünf Tage freinehmen können, und es braucht Rechtssicherheit für die Arbeitgeber, dass sie das Geld refundiert bekommen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Wir brauchen nämlich die Arbeit, die von 335 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern freiwillig geleistet wird, ganz dringend. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Vizekanzler, Sie zeigen mit Ihren heutigen Erklärungen die Wertschätzung für den Bundesrat, und das ist ganz wichtig. Der Bundesrat erfährt nicht immer jene Anerkennung, die ihm eigentlich zustehen würde, obwohl seine Bedeutung und die Bandbreite seiner Möglichkeiten in den letzten Monaten sehr wohl zum Tragen kamen und sichtbar wurden.
Aus sozialdemokratischer Sicht ist es die Aufgabe der Politik, den Menschen in Österreich, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, möglichst viele Chancen zu eröffnen. Es gilt, Sicherheit zu geben, dass man im Falle, dass das Leben einmal schwerer wird und schwerere Zeiten kommen, sei es durch Krankheit oder Jobverlust im Alter, die Unterstützung erhält, die man braucht.
Unser politisches Ziel ist es, für Menschen die Rahmenbedingungen für ein positives und sicheres Leben zu schaffen, in dem man mit Vertrauen und ohne falsch geschürte Ängste in die Zukunft blicken kann und wertschätzend miteinander umgeht. Das ist ein ganz besonders hoher Wert, und dafür werden wir uns einsetzen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
10.05
Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile dieses.
Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Gäste auf der Galerie! Sehr geehrte Damen und Herren, die zu Hause via Livestream zuschauen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesratspräsident Appé, auch wenn wir uns in vielem, in der Ideologie und in der Einschätzung, unterscheiden, danke ich trotzdem für Ihre Präsidentschaft! Ich danke auch dafür, dass Sie das Thema Trinkwasser angesprochen haben, das ja mittlerweile auch über Europa hinausreicht, weil es eben ein wichtiges Thema ist und dort auch weiter diskutiert werden wird. – Ich danke also dafür, dass Sie das thematisiert haben.
Jetzt darf ich auch gleich anmerken, dass die aus dem Zusammenhang gerissenen Behauptungen so nicht stimmen und ich sie daher auch nicht so stehen lassen kann. (Bundesrat Weber: Das war ganz klar!) Es trifft nicht zu, dass der ehemalige Vizekanzler Strache in dem Ibizavideo – das ich weder entschuldigen noch schönreden möchte – gesagt hat, dass das Wasser per se verkauft werden soll. (Bundesrat Weber: Dann tun Sie das auch nicht!) Ganz im Gegenteil: Er hat gesagt, dass das Wasser eigentlich in Verfassungsrang kommen sollte, dass man aber darüber nachdenken kann, ob man Quellen verkaufen kann. (Zwischenruf der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.) Im Hinblick darauf würde ich jetzt einmal sagen: Lassen wir doch einmal die Kirche im Dorf! Und: Wer frei von Schuld ist, der werfe den ersten Stein! (Bundesrat Stögmüller: Geh bitte!)
Die SPÖ Wien, damals unter dem roten Bürgermeister Häupl, hat ja die Quelle in Wildalpen schon an einen Australier verkauft, dem die Mehrheit gehört hat und der sie weiterverscherbelt hat. (Zwischenruf des Bundesrates Samt.) Es hat auch Kärnten schon seine Erfahrungen mit dem Verkauf von Wasserdienstleistungen gemacht. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Wovon reden wir also? Die rot-geführte Gemeinde Obertraun füllt Wasser ab und verkauft es! (Bundesrat Stögmüller: Unter Schwarz-Blau!) Also bitte, wovon reden Sie eigentlich?! – Sie gehen immer nach dem Motto vor: Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass! Das macht Sie, ehrlich gesagt, wenig glaubwürdig! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir sind uns ja eh einig, was das Wasser anbelangt, dass das nämlich ein wichtiges Gut ist! Aber dann würde ich doch eher versuchen, mit offenen Karten zu spielen, und nicht heimlich etwas tun, was ich dann auf der anderen Seite geißle. Sehr geehrte SPÖ, das tut auch euch nicht so wahnsinnig gut!
Ich danke Ihnen allen, dass Sie sich zur Verfügung gestellt haben, eine Regierung im Übergang zu bilden oder Teil davon zu sein. Frau Bundeskanzlerin, Sie sagen, dass es Ihre vornehmliche Aufgabe ist, zu verwalten und Schaden abzuwenden – den wir ja hoffentlich nicht verursachen werden! Mir fällt da aber doch ein, dass schon einmal unter einer Übergangsregierung, also der unmittelbaren Vorgängerregierung, eine Maßnahme des Innenministers sofort wieder rückgängig gemacht worden ist, nämlich der Stundenlohn von 1,50 Euro für Asylwerber. – Das verstehe ich nicht als Handlung einer Regierung, die verwaltet!
Außerdem hat in Ihrer jetzigen Regierung der Herr Verteidigungsminister gemeint, dass wir die Sicherheitsschule, die ja unter ÖVP und FPÖ beschlossen worden war, nicht brauchen. – Auch das verstehe ich nicht als Handlung einer Regierung, die verwaltet! (Beifall bei der FPÖ.) Erst nach einem Aufschrei der betroffenen Schüler und deren Eltern, aber auch von Teilen der ÖVP und der FPÖ scheinen Sie gewillt zu sein, sehr geehrter Herr Verteidigungsminister, darüber noch einmal nachzudenken und diese Sicherheitsschule doch zu belassen, was ich gut und richtig finde. (Bundesrat Schererbauer: Das Bundesheer braucht etwas ganz anderes! – Bundesrat Bader: Da gibt es unterschiedliche Ansichten!)
Auch glaube ich, dass die vergangene Regierung sehr gut gearbeitet hat. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.) – Herr Kollege Bader – ich stelle fest, der Wahlkampf ist eröffnet –, es stimmt natürlich nicht, dass es keine andere Alternative gegeben hat, als Neuwahlen auszurufen.
Noch einmal: Ich will das Ibizavideo weder schönreden noch entschuldigen noch irgendwie verniedlichen, verkleinern oder verharmlosen. Das ist so, wie es ist, und das ist furchtbar genug. Die Vereinbarung zwischen Ihrem Bundeskanzler und unserem Vizekanzler und den Spitzen der Parteien war aber schon so: Die beiden treten selbstverständlich zurück – das ging ja auch gar nicht anders –, und die Regierung kann weiterarbeiten. Erst danach, nachdem Sie sich beraten haben und offensichtlich die alten
Teile der ÖVP und wahrscheinlich auch Ihre Kollegen aus Niederösterreich gekommen sind, haben Sie bemerkt, dass es von Anfang an ein Fehler war, der FPÖ das Innenministerium zu geben, aber nicht, weil Innenminister Kickl ein schlechter Innenminister war oder das Falsche getan hat, sondern weil Sie dort einfach nicht mehr die Fäden in der Hand gehabt haben, die vorher bei Ihnen zusammengelaufen sind. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Spannring: Richtig!) Was passiert ist, ist nicht anders zu erklären.
Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals in meinem Leben Peter Pilz zitieren werde (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), aber Peter Pilz hat in der Nationalratssitzung etwas völlig Richtiges gesagt. Er hat gesagt, dass es aus seiner Sicht 100 Gründe gibt, gegen Innenminister Kickl zu sein, aber von dem Grund, den Sie genannt haben, hat auch Pilz gesagt, dass das eben kein Grund ist. Es ging ja nicht um die Person Kickl allein. Kickl hat gesagt: Ich hänge nicht an dem Amt, wenn das jemand anderer macht, dann soll es mir recht sein! Ich bin nicht der Stolperstein, die Regierung soll weiterarbeiten können! – Es ging aber nicht um Kickl, sondern es ging um das Innenministerium, denn Bundeskanzler Kurz hat ja auch keinen anderen Freiheitlichen akzeptiert. (Bundesrat Samt: So schaut es aus!) Das sollten wir jetzt schon wieder ein bisschen ins rechte Licht rücken! (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)
Wenn einem solche Dinge quasi vor den Latz geknallt werden, sehr geehrte ÖVP, dann können Sie nicht davon ausgehen, dass man dann demselben Bundeskanzler ein paar Tage später das Vertrauen ausspricht; das ist wirklich sehr schwierig! (Beifall bei der FPÖ.)
Dennoch glaube ich, dass wir uns wenigstens in einem Punkt einig sind, dass wir nämlich gute und richtige Dinge auf den Weg gebracht haben, auch wenn die SPÖ in ihrer Fundamentalopposition das nicht immer so gesehen hat. Frau Kollegin Schumann, es ist natürlich rechtens, vonseiten der Opposition zu sagen, dass das, was die Regierung macht, falsch ist. Wir waren lang genug in der Opposition, wir wissen, wie das geht! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Sie, sehr geehrte Damen und Herren der SPÖ, haben aber dermaßen auf Fundamentalopposition gemacht (Bundesrätin Grimling: Das haben wir von euch gelernt!), dass Sie – ich möchte Sie nur daran erinnern – dann sogar einen eigenen Antrag abgelehnt haben, einen Antrag, der von Ihnen kam. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Die gute Enquete war also deshalb gefährdet, weil die SPÖ in ihrer Angst nach dem Motto: Um Gottes willen, da kommt etwas von der Regierung!, einfach dagegengestimmt hat. (Beifall bei der FPÖ.) Das war schon eine sehr heftige Fundamentalopposition, in deren Rahmen Sie sich den Argumenten und Gesprächen auch oft genug verweigert haben. Sehen wir es doch so, wie es ist!
Da der Herr Vizekanzler auch Justizminister ist, sage ich: Ich kann nur hoffen, dass betreffend die Hintergründe und Auftraggeber dieses Ibizavideos und betreffend das Warum, Weshalb und Wieso raschest Aufklärung erfolgt. Das muss auch im Interesse der Justiz sein, und das ist auch in unserem Interesse.
Wir kennen Verfahren, die ewig und drei Tage dauern. Man kann zu Karl-Heinz Grasser stehen, wie man will – das Verfahren läuft seit zehn Jahren, und Sie wissen ganz genau, dass jemand, der ein solches Verfahren so lange am Hals hat, bei dem nichts weitergeht, eigentlich tot ist. Er ist nicht physisch tot, aber er bringt kein Bein auf den Boden. Aufklärung ist vor allem auch deshalb so wichtig, weil niemand – das sage ich Ihnen schon – davor gefeit ist, in eine Falle zu tappen, dass heimlich eine Aufnahme gemacht wird, die dann gegen einen verwendet wird. Das kann Ihnen in einer anderen Art und Weise genauso passieren! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich würde also schon sagen: Eine derart perfide Art und Weise, wie das zustande gekommen ist, ist aufklärungsbedürftig, und das muss auch in Ihrem Interesse sein. Wir werden jedenfalls, so gut wir halt können, das Unsrige dazu beitragen.
Ansonsten wünsche ich der Übergangsregierung alles Gute. Wir werden mitarbeiten, so gut es geht. Wir haben jetzt eine neue Art des Parlamentarismus, das freie Spiel der Kräfte. Das gefällt nicht immer, aber ich denke, es ist manchmal auch ganz gut, verschiedene Mehrheiten zu finden, weil wir – und Sie ja auch – damit erkennen lassen, dass die alten Schemata, die man immer verwendet – das ist Links und das ist Rechts –, aufgebrochen werden. Es gibt viele Dinge, betreffend die wir uns mit der SPÖ finden und sagen, dass wir das ähnlich sehen. Wir haben auch vieles mit der ÖVP gemeinsam; wahrscheinlich mehr mit der ÖVP.
Die Freiheitlichen haben immer eine klare Linie gehabt, und diese werden wir auch weiterhin verfolgen, und wer da mit uns gehen möchte, ist herzlich dazu eingeladen! (Beifall bei der FPÖ.)
10.15
Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Ewa Ernst-Dziedzic. Ich erteile dieses.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundeskanzlerin! Mitglieder der Übergangsregierung! Werte Kollegen und Kolleginnen! Österreich, die Bevölkerung und auch die Demokratie haben tatsächlich aufgeatmet. So sehr Ibiza aber der Höhepunkt dieser Dreistigkeit nach 17 Monaten Chaos trotz vermeintlicher Harmonie zwischen den Koalitionsparteien war, so sehr beschäftigt uns der Nachlass aktuell noch immer. Es ist schon beeindruckend, wie FPÖ und ÖVP jetzt alles Mögliche schönreden, angesichts dessen, dass sie beide für dieses Chaos verantwortlich sind. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Umso mehr erwartet sich die Bevölkerung in Österreich tatsächlich Verantwortung – das ist die Aufgabe dieser Übergangsregierung –, aber auch Aufklärung.
Eine Kritik an einer Person erlaube ich mir an dieser Stelle schon: Herr Reichhardt ist ja nicht nur bekannt für seine Wehrsportfreunde, sondern er ist nun auch dafür verantwortlich, in seinem Zuständigkeitsbereich Auftragsvergaben zu prüfen, die seit dem Ibizavideo für Diskussionen sorgen. – Im Hinblick darauf fragt man sich schon, wie hier Transparenz beziehungsweise eine entsprechende Aufklärung überhaupt garantiert werden können.
Ansonsten freue ich mich natürlich sehr – auch das sei erwähnt –, dass es in Österreich endlich eine Halbe-halbe-Regierung und endlich auch eine Bundeskanzlerin gibt. Ich freue mich sehr, dass es Ihnen gelungen ist, so rasch Handlungsfähigkeit zu erwirken. Ich freue mich wirklich auch sehr, dass wir einen Bundespräsidenten haben, der nicht nur Verantwortung übernommen hat, sondern in diesen chaotischen Wochen wirklich mit Bedächtigkeit und Professionalität gehandelt hat.
Beruhigt ist die Bevölkerung trotzdem weiterhin nicht. Wenn man sich die neuen Meldungen anschaut, so zeigt sich, die Causa Ibiza ist noch lange nicht aufgeklärt. Auch die Situation im Innenministerium beschäftigt nach wie vor viele. Wir wissen mittlerweile, dass es dort ein Gagenparadies geben dürfte. Selbstverständlich ist auch der ehemalige Innenminister Kickl nicht aus seiner Verantwortung zu entlassen, etwa in Anbetracht dessen, was alles unter seiner Führung dort passiert ist und wie sich einige in den letzten Tagen ihres Wirkens wirklich noch so viel Geld mitgenommen haben, wie sie nur konnten. Das sind jedenfalls – um das festzuhalten – sicherlich nicht die selbsternannten Anwälte des kleinen Mannes, wie das immer behauptet wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)
Auch wenn Norbert Hofer jetzt sagt, dass die Lebensleistung von Heinz-Christian Strache gelobt werden sollte (Bundesrat Weber: Er könnte Ehrenbürger von Ibiza werden!), so deutet für mich auch angesichts der Mandatsrochaden, von denen wir in den
letzten Tagen lesen, alles darauf hin, dass es ein eklatantes Versagen der von Ihnen so oft zitierten und eingeforderten politischen Moral innerhalb der FPÖ in einer Kontinuität gibt, die erschreckend ist.
Sie sagen jetzt, es gebe kein Wahlprogramm und keine Versprechen. Das ist weitgehend nachvollziehbar. Ich nenne trotzdem ein Beispiel, das wir erst in der letzten Bundesratssitzung hier diskutiert haben, das enorme Auswirkungen und auch budgetäre Konsequenzen haben wird und trotzdem durchgepeitscht worden ist: Das ist die Bundesasylagentur, die wird Sie sicherlich noch beschäftigen.
Auch ansonsten gibt es einige Baustellen; und ja, einige der Schatzgruben, die hier von Türkis-Blau gegraben wurden, erwiesen sich als blau-schwarze Löcher.
Um die Vergangenheit aber einmal kurz ruhen zu lassen und noch nicht mit dem Wahlkampf zu beginnen: Mir ist eine Zukunftsfrage ganz, ganz wichtig, die man auch ohne ein entsprechendes Wahlprogramm angehen sollte – das ist nicht nur das dringendste Thema, sondern Österreich ist da an Fristen gebunden, die es mit der Übergangsregierung und darüber hinaus überhaupt zu erfüllen gilt –: Die Übergangsregierung muss in aller Kürze einige Entscheidungen betreffend Klimapolitik treffen. Da werden Sie jetzt wenig verwundert sein, dass uns Grünen das wichtig ist.
Die auch hier im Bundesrat viel diskutierte #mission 2030 ist bekanntlich sehr ambitionslos gewesen, und auch der Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans fand weder in der Wissenschaft noch bei Experten/Expertinnen Anklang. Ex-Umweltministerin Köstinger hat zwar wiederholt, wie wichtig Klimaschutz sei und dass das eigentlich eine der dringendsten Aufgaben der Menschheit sei, auf der anderen Seite wissen wir, dass da seither genau nichts passiert ist, und die Befürchtung ist da, dass eben auch in den nächsten Monaten nichts passieren wird.
Unserer Meinung nach ist es aber ganz, ganz wichtig, dass diese Übergangszeit keine Klimastillstandszeit wird, weil wir nämlich einen Plan abgeben müssen; das werden Sie wissen. Bis 1. Jänner 2020 muss Österreich an die Europäische Union einen entsprechenden Plan für die Zeit bis 2050 schicken, der konkrete Maßnahmen samt Finanzierung beinhalten soll, und diese Aufgabe können Sie nicht umgehen, auch wenn Sie eben sagen, dass es kein entsprechendes Wahlprogramm diesbezüglich gibt. Tatsache ist: Österreich braucht einen Klimanotfallplan, einen Plan für die Europäische Union, einen Plan für Österreich.
Wir wissen, dass nicht nur die bisherigen Maßnahmen im Bereich Klima- und Energieeffizienz zu wünschen übrig lassen, sondern Österreich erst kürzlich von der EU-Kommission wegen ungenügender Anstrengungen zur Eindämmung des Klimawandels gerügt worden ist. Da geht es zum einen konkret um die Erreichung des Ziels, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent zu verringern. Wir wissen auch, dass es gänzlich an konkreten Angaben und Maßnahmen fehlt, wie Österreich seine Treibhausgasemissionen überhaupt senken möchte – auch ein besonderer Fokus. Und wichtig ist natürlich die Frage der Subventionen im Energiebereich; auch da gibt es bisher keinerlei Überlegungen, wie Österreich aus fossilen Brennstoffen aussteigen kann, wie man diese Subventionen auslaufen lässt und sozusagen neben der Ressourcen- und Umweltschonung auch eine geringere Abhängigkeit Österreichs von Energieeinfuhren erreichen kann.
Man muss natürlich auch sagen, dass die Klimamaßnahmen für die Übergangsregierung nicht so schwer wären. Im Nationalrat hat es ja zig Anträge gegeben, die einiges von dem, was die türkis-blaue Koalition auf Schiene gebracht hat, Österreich aber wenig gebrauchen kann, zurückgenommen haben. Tempo 140 steht noch immer im Raum. Sie wissen, immerhin erhöht sich der CO2-Ausstoß bei einer Geschwindigkeit von 140 im Vergleich zu 130 km/h laut Umweltbundesamt um 10 Prozent; um nur ein konkretes Beispiel zu nennen.
Sie haben weiters gesagt, am 20. und 21. Juni gibt es die nächste Möglichkeit, sich beim Europäischen Rat mit den anderen Mitgliedsländern über das Thema auszutauschen. Ich hoffe, dass Sie das mitnehmen, ich hoffe, dass auf diesen wichtigen Bereich nicht vergessen wird.
Von der Umwelt abschließend noch zu einem mir sehr wichtigen gesellschaftspolitischen Thema: Sie haben vielleicht auch mitbekommen, dass FPÖ und ÖVP jetzt noch in letzter Minute den Sexualkundeunterricht an Österreichs Schulen verbieten und abdrehen möchten. (Bundesrätin Mühlwerth: Es stimmt nur leider nicht! Ist leider falsch!) Ich ersuche Sie wirklich inständig, Frau Bundeskanzlerin, sich das genauer anzuschauen, da die Auswirkungen von solch einem Verbot so gravierend wären und uns nicht nur ins Mittelalter katapultieren würden, sondern auch grobe Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hätten, die keinen Zugang zu neutralen Informationen haben (Bundesrätin Mühlwerth: Neutral ist euer Sexualunterricht weiß Gott nicht! So 3. und 4. und 5. Geschlecht, na!), wenn es für eine außerschulische Auseinandersetzung mit dem, was Kinder und Jugendliche wissen müssen, um selbstbestimmt aufzuwachsen, keine Finanzierung mehr gibt.
In diesem Sinne ein wirklich letzter, inständiger Wunsch meinerseits an diese neue Übergangsregierung: Schauen Sie sich das bitte an! Lassen wir nicht zu, dass das einfach zwischen Tür und Angel durchgepeitscht wird! Mit solch enormen Auswirkungen, die das haben wird, können wir keine verantwortungsvolle Politik machen.
Ich wünsche Ihnen für die nächsten Monate alles Gute. Ich vertraue darauf, dass Sie bestrebt sind, hier nicht nur Verantwortung zu übernehmen, sondern Dinge zum Abschluss zu bringen, die Österreich auch weiterbringen. Ich ersuche Sie aber wirklich auch, sich den Bereich Klimaplan nochmals und eingehend anzusehen, und, was die Sexualkunde anbelangt, gegen diese widersinnigen, ja fast schon verrückten und mittelalterlichen Ideen dagegenzuhalten, die doch zu einer Orbánisierung führen würden, auch wenn Herr Orbán ja Türkis-Blau nicht mehr als Vorbild hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Samt: Aus Ihren Worten spricht der Hass! – Bundesrat Seeber: Das war jetzt aber untergriffig! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)
10.26
Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile dieses.
Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren Minister, Ministerinnen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Zuerst wünsche ich Ihnen, Frau Bundeskanzler, und den Damen und Herren auf der Regierungsbank wirklich alles, alles Gute, viel Erfolg bei der Ausübung der für uns in Österreich doch so wichtigen, verantwortungsvollen Tätigkeit, viel Energie und Kraft für die kommenden Monate. Es zeigt auch eine besondere Wertschätzung, dass Sie sich heute so vollständig bei uns im Bundesrat zeigen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der SPÖ.)
Ja, es ist wirklich eine besondere Situation, die es noch nie gegeben hat. Dass wir, meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, uns weder Neuwahlen noch diese Übergangsregierung gewünscht haben, ist natürlich kein Geheimnis und bekannt. Wir wollten mit unserem Koalitionspartner das ausverhandelte Regierungsprogramm abarbeiten, denn wir haben gemerkt, wie positiv dieses Programm unter unserem Bundeskanzler Sebastian Kurz bei den Damen und Herren in Österreich angekommen ist. (Bundesrat Schennach: Oh je!) Dafür braucht es eine Regierung aus Politikerinnen
und Politikern, die gestaltet, und das hat die Regierung Kurz in den letzten beiden Jahren sehr, sehr eindrucksvoll bewiesen und kein Chaos hinterlassen. (Beifall bei der ÖVP.)
Kollegin Dziedzic, ich darf nur noch einmal kurz die Erfolgsbilanz aufzeigen: Familienbonus Plus – die größte Entlastung für Familien in der Zweiten Republik (Bundesrätin Schumann: Wenn man wenig verdient ...! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach), 1,6 Millionen Kinder, 950 000 Familien haben davon profitiert; Entfall der Arbeitslosenversicherungsbeiträge auf Einkommen bis 1 958 Euro; Mindestsicherungsreform; Ende der Schuldenpolitik, erstes Nulldefizit seit 1954 – ohne neue Steuern, das ist auch ganz wichtig (Bundesrat Weber: Das hat der Grasser auch schon ...! – Bundesrat Stögmüller: Schuldenbremse ...!); Reform der Sozialversicherung; Arbeitszeitflexibilisierung (Bundesrat Stögmüller: 12-Stunden-Tag!); Kinderbetreuung – 180 Millionen Euro mehr pro Jahr für unsere Kinder; Deutschförderklassen (Ruf bei der SPÖ: Generalsekretäre!) und Kopftuchverbot in den Schulen; Digitales Amt und die Taskforce betreffend Gewalt gegen Frauen und Kinder (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) unter unserer ehemaligen Staatssekretärin Karoline Edtstadler. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Weber: ... Skandal, darf man auch nicht vergessen!)
Ich verstehe schon, dass Ihnen das nicht gefällt, die Österreicherinnen und Österreicher aber haben das wirklich goutiert. (Beifall bei der ÖVP.)
Dann kam der 17. Mai mit dem Ibizavideo. Wir alle waren schockiert. Wir alle waren fassungslos. (Bundesrat Weber: Ich weiß gar nicht, ob die ÖVP so schockiert, so überrascht war! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Es ist ja hinlänglich bekannt, was in diesem Video zu sehen ist, und wir müssen alles daransetzen – da pflichte ich Kollegin Schumann bei, das ist nicht zu verharmlosen, da hast du völlig recht –, dass eine konsequente Aufklärung stattfindet. Da kann man nicht zur Tagesordnung übergehen, und auch da hat wieder unser Bundeskanzler Sebastian Kurz entschlossen gehandelt (Bundesrat Weber: Ah!) und eine Übergangsregierung mit anerkannten Expertinnen und Experten auf den Weg gebracht.
Diese Regierung wurde gegen den Willen des Bundespräsidenten – wir alle wissen das ja – am 27.5. hier abgewählt. (Die Bundesräte Schennach und Weber: Das war eine Alleinregierung!) Auch wir Bundesräte waren dabei, waren schockiert, waren fassungslos. Seither fragen mich viele Menschen, nicht nur von der ÖVP, auch in Salzburg, wie es zugegangen ist (Bundesrat Weber: Es gab kein Vertrauen mehr!), dass Rot-Blau eine Bundesregierung abgewählt hat, die das Vertrauen des Herrn Bundespräsidenten hatte und arbeiten wollte. (Bundesrat Schennach: Das steht in der Verfassung, wie das geht, es steht einfach in der Verfassung!) Das versteht die Mehrheit der Bevölkerung nicht und ich auch nicht. Es ist halt so. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Bei der EU-Wahl haben unsere Bürgerinnen und Bürger ja sehr eindrucksvoll gezeigt, was sie davon halten, und haben uns einen großen Vertrauensbeweis geliefert.
Die sich heute präsentierende Übergangsregierung kann natürlich nur verwalten – die Frau Bundeskanzlerin hat das schon sehr eindrucksvoll dargestellt – und keine Personalentscheidungen treffen. Frau Bundeskanzlerin, Herr Vizekanzler, Sie werden das mit den Damen und Herren der Bundesregierung sicher sehr, sehr gut machen, davon bin ich überzeugt, Sie werden das in Ihrer Verantwortung sehr gut machen.
Am 29.9. sind die Wählerin und der Wähler am Zug. Wir wollten ja – auch das ist hinlänglich bekannt, mein Kollege Karl Bader hat es schon gesagt – einen früheren Wahltermin – wie auch der Herr Bundespräsident und die Frau Bundeskanzlerin –, aber auch da gab es wieder diese rot-blaue Mehrheit, diesen Pakt (Bundesrat Samt: „Pakt“ ist jetzt leicht übertrieben!), sodass diese Wahl erst am 29.9. stattfinden wird. Es ist halt nun so. Wir sind natürlich Demokraten, wir werden das zur Kenntnis nehmen (Zwischenrufe bei der SPÖ) und dazu beitragen, dass es gut weitergeht.
Es fragen uns nämlich die Leute: Was passiert denn jetzt? Wie geht es denn wirklich weiter? – Wir haben bekundet, dass wir alle Projekte, die wir gemeinsam mit der FPÖ auf den Weg gebracht und die bereits den Ministerrat passiert haben, noch gemeinsam abarbeiten. Ich darf in diesem Zusammenhang auch – was mir besonders am Herzen liegt – die Mindestpension nennen, um Altersarmut in Österreich zu vermeiden. Da gibt es ja schon einen konkreten Beschluss. Die Erhöhung ist bereits im Budget eingerechnet. Das ist entscheidend, denn wir wollen ja keinen Casinoparlamentarismus und keine neuen Schulden.
Das Plastiksackerlverbot wird ebenfalls hoffentlich noch mit der FPÖ und vielleicht auch mit Ihnen von der SPÖ eine Mehrheit finden, damit wir ab 1.1.2020 in Österreich keine neuen Plastiksackerl haben und die Restbestände noch bis Ende 2020 aufbrauchen.
Das Bildungsinvestitionsgesetz wollen wir noch auf den Weg bringen, den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen in den Bundesländern sicherstellen und damit die Vereinbarung von Familie und Beruf weiter verbessern. Bis 2020 wird es dafür 250 Millionen Euro geben, und wir werden 40 000 neue Betreuungsplätze schaffen.
Bekanntlich sind 31 Fristsetzungsanträge im Nationalrat beschlossen worden, und die Anträge sollen im Juli zuerst im Nationalrat und dann bei uns im Bundesrat beschlossen werden. Es ist zu wünschen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass es darüber hinaus keine teuren Wahlzuckerl – auch die Frau Bundeskanzlerin hat das, wie ich heute in der „Presse“ lese, mit „‚Beschlusswut‘ des Nationalrates“ kommentiert –, keine neuen teuren Gesetzesanträge wie 2008 oder 2017 geben wird, denn die Damen und Herren in Österreich wollen das nicht. Sie wollen einen kurzen fairen Wahlkampf; sie wollen, dass das, was vereinbart und im Budget eingepreist ist, noch abgearbeitet wird; und ansonsten wollen sie, dass wir wieder eine gewählte Regierung haben. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)
Abschließend wünsche ich Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, Herr Vizekanzler, sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung, noch einmal alles Gute. Sie haben gesagt, der Dialog ist wichtig, der Kontakt zu den Ländervertretern ist wichtig, ebenso sind dies gemeinsame Ziele und dass das Miteinander, also das Gemeinsame vor das Trennende gestellt wird. Das kann ich nur unterstreichen und begrüßen. Die Unterstützung unserer Fraktion ist Ihnen natürlich sicher. Wir werden alles dazu beitragen, dass es in unserem Land bis zur Bildung der neuen Regierung gut weitergeht. (Beifall bei der ÖVP.)
10.35
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf ganz herzlich zwei zweite Klassen der HTL Salzburg mit Frau Mag. Buchstätter auf der Zuschauergalerie bei uns begrüßen. – Willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Hubert Koller. – Bitte.
Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau erste Bundeskanzlerin! Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder der neuen Bundesregierung! Sehr geschätzte Damen und Herren auf der Galerie! Liebe Schülerinnen und Schüler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Leute zu Hause via Livestream! Die Verfassung hat es möglich gemacht, dass trotz dieser turbulenten Situation, hervorgerufen durch dieses Skandalvideo, das Traumschiff Österreich durch sichere Fahrwässer weitergeführt werden kann. Durch sie haben wir eine Übergangsregierung mit Expertinnen und Experten erhalten, der Sie, geschätzte Frau Bundeskanzlerin, vorstehen. Sie sind damit für uns Garant für eine faire Zeit bis zur Angelobung einer neu gewählten Regierung. Das gilt für alle im Parlament vertretenen Parteien. Es ist eine Zeit,
die wir auch zur Besinnung auf ein neues Miteinander nützen können, aber vor allem wird diese Zeit trotz des Wahlkampfes Ruhe in die österreichische Politik bringen.
Der Bundespräsident lobte zu Recht die Schönheit und Eleganz der österreichischen Verfassung. In den vergangenen Wochen und Tagen wurde diese einem demokratischen Stresstest unterzogen, und sie hat glänzend bestanden. Sie enthält Spielregeln für die Politik in einem nüchternen und klaren Stil. – Jedenfalls haben diese Spielregeln unseren Bundespräsidenten hervorragend durch die organisatorischen und institutionellen Herausforderungen begleitet und geführt. – Auch unser Dank gilt dem Herrn Bundespräsidenten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Kollege Bader, das Video war der Katalysator, das Misstrauen gegenüber dieser kurzen Regierung wuchs aber vor allem durch die Ausgrenzung der Opposition und der Sozialpartner bei der Gesetzwerdung insgesamt: schnell durchgepeitschte Gesetze ohne notwendige Begutachtung, keine Bereitschaft zu Gesprächen und Nachverhandlungen. Zu Recht hat auch der Herr Bundespräsident – und danke, liebe Frau Bundeskanzlerin, Sie haben es heute auch erwähnt – davon gesprochen, dass Regierungsarbeit nicht nur das Umsetzen eines fixen Regierungsprogramms sein kann, sondern vor allem das Erarbeiten von guten Kompromissen für die österreichische Bevölkerung sein soll. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)
Damit ist oder wäre auch gewährleistet, dass solche Entscheidungen auf breiter Ebene mitgetragen werden.
Schlussendlich war das Misstrauen gegen die gesamte Regierung wohl deshalb notwendig, da es der Kanzler und Bundesparteiobmann nicht für notwendig gefunden hat, für das Vertrauen in die Regierung zu werben. Genau entgegengesetzte Maßnahmen in Richtung ÖVP-Alleinregierung haben das Fass zum Überlaufen gebracht und zu Neuwahlen und dieser Expertenregierung geführt.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie haben bereits mit Erstaunen festgestellt und aufgezeigt, wie viele Anträge Sie in der kurzen Zeit Ihrer Amtszeit bereits erhalten haben. Ja, das freie Spiel der Kräfte ermöglicht neue Mehrheiten und Chancen und neue Schnittmengen. Themen, die noch auf den Weg gebracht werden könnten, gibt es anscheinend genug, wie das auch die Nationalratssitzung vor Kurzem gezeigt hat; Themen wie: Glyphosatverbot, Papamonat, Lohnfortzahlung für Katastrophenhelfer, Nichtraucherschutz, volle Anrechnung der Karenz im Job, Pflegegelderhöhung, Schutz des Wassers vor Privatisierung.
Gerade zu diesem Thema: Trinkwasser schützen und sichern (Bundesrätin Mühlwerth: Wildalpen! – Zwischenruf des Bundesrates Samt), hat der Bundesrat – wir haben das heute in der Ansprache des Präsidenten gehört – viel beigetragen. Ich darf dies zum Anlass nehmen, mich sehr herzlich bei unserem Präsidenten Ingo Appé für die Auswahl dieses Themas als Hauptthema seiner Amtszeit zu bedanken. Als Vizepräsident konnte ich im Inland und im Ausland mitverfolgen, wie sehr er sich in dieses Thema hineingekniet hat, wie wichtig dieses Thema für uns in Österreich und auf der ganzen Welt ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)
Es ist wohl kaum einem anderen Bundesratspräsidenten in der Kürze der Halbjahrespräsidentschaft gelungen, ein Thema so abzuschließen, sodass dieses in der Verfassung verankert werden wird. Es liegen im Nationalrat zwar, wie ich gehört habe, vier Anträge vor, aber einer davon wird die Mehrheit finden, und das ist ein guter Schritt zum Schutz des Trinkwassers und für die nächsten Generationen.
Meine Damen und Herren, gerade in Bezug auf das Ibizavideo: Kollegin Mühlwerth hat gesagt, es wurde davon gesprochen, das in die Verfassung aufzunehmen – was will man in die Verfassung aufnehmen, den Verkauf der Quellen? Du hast es erwähnt. (Bun-
desrätin Mühlwerth: Na, das ist ja nur geredet worden, aber ihr habt es ja schon gemacht! ... also bitte!) Die Quellen machen nur 30 Prozent unseres Wassers aus, denn 70 Prozent kommen vom Grundwasser. Also es war schon auch ausschlaggebend, das hat diesem Thema natürlich Schwung gegeben, und ich glaube, keine Partei in diesem Haus kann das einfach abtun. Dieses Thema wird bei der nächsten Nationalratssitzung zu einem Abschluss gebracht werden.
Lieber Präsident Appé, du hast in der Zeit deiner Vorsitzführung vieles zum ersten Mal erlebt – die erste Kanzlerin, die erste Expertenregierung in dieser Form, den ersten Ordnungsruf an deinen Kollegen in Kärnten –, in deiner Zeit ist vieles passiert, aber du hast eine tolle Präsidentschaft hinter dir, und wir danken dir sehr herzlich! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)
Liebe Frau Bundeskanzlerin! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abgesehen von diesen Themen, die der Nationalrat schon diskutiert hat, gilt es aber auch, bei den sehr erfolgreichen Volksbegehren genauer hinzusehen; meine Kollegin Schumann hat eines schon angesprochen, und zwar das Frauenvolksbegehren. Da gibt es noch viele Dinge zu tun, die vielleicht auch in dieser Zeit angegangen werden können. Über den Nichtraucherschutz gab es im Nationalrat schon eine Debatte. Ebenso wurde erwähnt – Sie haben es in Ihrer Ansprache selber gesagt –, dass viele Entscheidungen auf europäischer Ebene getroffen werden müssen; darüber wird aber unser Experte Stefan Schennach sprechen. Wir erwarten uns – Sie haben es heute hier gesagt, und das finde ich toll; ich hatte es mir aufgeschrieben und habe es wieder durchgestrichen – natürlich Diskussionen im Hauptausschuss; Sie haben gesagt, bereits heute noch findet diesbezüglich ein Treffen statt. Das ist sehr wichtig, weil es da um wichtige Posten geht.
Auch werden die Offensiven zum Klimaschutz immer dringender, Kollegin Dziedzic hat es angesprochen. Wir haben gestern im EU-Ausschuss über die langfristige Vision der EU für einen sauberen Planeten diskutiert. Da geht es um eine europäische Strategie bis 2050 für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft. Die Erreichung von Klimaneutralität in Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts ist anzustreben. Da ist die österreichische Position gefragt. Das kleine Mädchen Greta hat es gut aufgezeigt und Kollege Schennach hat es im Ausschuss gesagt: nicht nur Visionen, sondern Aktionen! Wir brauchen jetzt Handeln.
Es gibt auch noch einige andere Themen; mein Lieblingsthema ist der ländliche Raum. In meinem Heimatbundesland Steiermark haben wir Gott sei Dank eine große Übereinkunft, was die Räume in den Regionen betrifft, und wir haben gemeinsam unsere Möglichkeiten genutzt, diese zu unterstützen, damit auch Eigenmittel vorhanden sind, um Projekte umzusetzen. Da darf ich Sie wirklich bitten – der Herr Finanzminister ist heute auch hier –, im nächsten Finanzrahmen die Mittel für die Kohäsion und für die Landwirtschaft auf keinen Fall zu kürzen. Diese Mittel braucht der ländliche Raum für die Entwicklung. Die Städte kommen durch Zuwanderung an ihre Grenzen und die ländlichen Gebiete durch Abwanderung.
Zu Recht hat auch die vorige Bundesregierung gefordert, dass Forschung und Entwicklung und auch das sehr erfolgreiche Jugendprogramm Erasmus gestärkt werden müssen. Wie geht das aber, ohne die Mittel zu erhöhen und ohne dass der Brexit uns Mittel nimmt? – Ich hoffe, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, auch diesbezüglich eine breit getragene Lösung herbeiführen können.
Es geht da in der Steiermark – und da sitzen ja auch Kollegen von anderen Fraktionen – um große Projekte wie die Koralmbahn, ein ganz wichtiges Thema, um eine rasche und sichere Verbindung zwischen Steiermark und Kärnten. Sie ist Teil der neuen Südstrecke in Österreich und eines der bedeutendsten Infrastrukturprojekte Europas. Herr Bundesminister Müller, Sie sind heute hier, dankenswerterweise auch Herr
Bundesminister Reichhardt: Es müssen rasch die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, damit dieses Projekt umgesetzt werden kann. In exzellenter Arbeit und Zusammenarbeit der Parteien in der Steiermark gelingt es, Vorbereitungen zu treffen, um entlang dieser Bahn den Wirtschaftsstandort zu stärken, Arbeitsplätze zu schaffen. Voller Hoffnung stehen viele Gemeinden in der Steiermark, aber auch in Kärnten dahinter, dass das passieren kann. Herr Minister, bitte keine Verzögerungen oder Einsparungen in dieser Sache! Bitte sorgen Sie dafür, dass es zu keinen Verzögerungen kommt! Es ist sensationell, wie viele Arbeitsplätze da auch schon während der Bauzeit geschaffen werden konnten.
Zum Abschluss bedanke ich mich noch einmal sehr herzlich bei unserem Bundesratspräsidenten Bürgermeister Ingo Appé für seine tolle und exzellente Präsidentschaft. Ich wünsche dem nächsten Präsidenten Karl Bader alles, alles Gute und eine tolle Zusammenarbeit, und ich wünsche vor allem dieser Bundesregierung eine sichere und gute Hand. Gutes Gelingen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)
10.48
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich erteile es ihm.
Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundeskanzler! Geschätzte Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Liebe Schüler auf der Zuschauergalerie und auch zu Hause! Frau Kollegin Dziedzic hat von Chaos gesprochen, das geherrscht hat oder noch immer herrscht – ich weiß es nicht –, was mich nicht besonders verwundert, denn Grüne stehen ja für Chaos. (Beifall bei der FPÖ.) Ich kann davon nichts feststellen. Wie es unser Herr Vizekanzler bereits gesagt hat (Zwischenruf des Bundesrates Schennach): Es hat keine Krise, keine Staatskrise gegeben, es gibt keine.
Man sieht es auch sehr deutlich (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach): Die Bundesregierung in ihrer jetzigen Form sitzt in großer Ruhe und Gelassenheit und teilweise auch mit Heiterkeit hier bei uns. – Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich dafür bedanken, dass ihr so zahlreich zur heutigen Bundesratssitzung erschienen seid und damit dem Bundesrat eure Wertschätzung ausdrückt.
Als Obmann des Verkehrsausschusses mache ich mir auch keine Sorgen, dass der Verkehrsminister mit dem Aufarbeiten von Vergabeverfahren in Zukunft so viel Arbeit haben wird (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), denn er wird damit nicht viel zu tun haben. Man weiß, dass der Verkehrsminister keine Aufträge vergibt, die Herrn Haselsteiner betreffen. Das machen die Asfinag, die Bundesimmobiliengesellschaft, die ÖBB, und die agieren alle unabhängig, selbstständig nach dem sehr strengen österreichischen Vergabegesetz. (Zwischenrufe der Bundesräte Weber und Stögmüller. – Bundesrat Schennach: Habts nachgeschaut beim Ibizavideo?) Wenn Herr Haselsteiner ordentliche Preise macht, wird er sich seine Partei in Zukunft auch noch finanzieren können. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesrätin Mühlwerth.)
Sie, Frau Bundeskanzler, haben in den Mittelpunkt Ihrer Aussagen das Vertrauen als ganz wesentliches Element gestellt. (Ruf bei der SPÖ: Bundeskanzlerin! – Bundesrat Schennach: Der hat das mit Mann und Frau nicht ganz drauf! – Bundesrat Steiner: Jetzt wird’s dann schwierig: Mann, Frau, queer ...! – Bundesrat Schennach: Der Zillertaler! – Bundesrat Steiner: Du bist ja nur neidig!) Wenn ich jetzt ein bisschen bösartig wäre, könnte ich natürlich sagen, die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube – zumindest bei dem einen oder anderen Teil.
Gesetze, meine Damen und Herren, sind ja nicht hohle, sinnentleerte Rechtsmaterie, es steht ein Geist und ein politischer Wille der Parlamentarier, die die jeweiligen Geset-
ze beschlossen haben, dahinter. Die Bundesregierung hat nicht nur auf deren Umsetzung zu achten, sondern ist ja auch teilweise noch für eine Verfeinerung durch diverse Verordnungen, Erlässe und so weiter verantwortlich. Ich hoffe sehr, dass die Regierung vor allem auch jene Gesetze, die erst in dieser Legislaturperiode beschlossen wurden, in diesem Sinne und in diesem Geiste umsetzt, nach bestem Wissen und Gewissen, so, wie Sie es, Frau Kanzler, gesagt haben.
Warum habe ich ein bisschen den fehlenden Glauben angesprochen und dabei nach rechts geblickt? – Herr Bundesminister für Verteidigung, wenn wir das Vertrauen in den Mittelpunkt stellen, so war Ihr Bestreben – wie das ja bereits erwähnt wurde –, die Sicherheitsschule in Wiener Neustadt abzudrehen, sicher keine vertrauensbildende Maßnahme. Das war sicher nicht vertrauensbildend für jene 53 Kinder und deren Eltern, die nach bestandener Aufnahmeprüfung einen Ausbildungsweg vor sich gehabt haben, der dann auf einmal in Scherben zerbrochen wäre, und sie wären faktisch vor dem ausbildungsmäßigen momentanen Nichts gestanden. Gott sei Dank hat das Parlament hier korrigierend eingegriffen. (Beifall bei der FPÖ.)
Verlässlichkeit bedeutet für die Menschen und Bürger auch Planungssicherheit in einem gewissen, zumutbaren Zeithorizont. Ich bin mir sicher, Frau Bundeskanzler, dass Sie das auch ganz genau wissen.
Es ist schon richtig, dass es in der Verantwortung eines Ministers liegt, Missstände und drohende Gefahren aufzuzeigen und etwas dagegen zu unternehmen, aber bitte nicht über die Medien und nicht mit einer Verunsicherung der Bevölkerung – Stichwort Katastrophenschutz –, wie es ja auch gestern wieder in den Medien zu lesen war.
Dass die finanzielle Lage im Verteidigungsministerium prekär ist, hat ja auch Ihr Vorgänger gewusst. (Bundesrat Weber: Der hat ein Schlamassel übernommen!) Deshalb waren sehr viele jener Vorhaben, die nun gestoppt werden, nicht sehr kostenintensiv, sondern überwiegend organisatorisch. Ich denke dabei an die Sicherheitsinseln in den Kasernen oder das Aufstellen von Pioniereinheiten. (Bundesrat Weber: Da hat der Vorgänger ein Schlamassel hinterlassen!)
Völlig unverständlich erscheint auch der Stopp der Nachbeschaffung der Alouette-III-Hubschrauber, die ja nun wirklich im Jahr 2023 nicht mehr fliegen können, und zwar obwohl die Sonderfinanzierung für das gesamte Hubschrauberpaket mit den drei Black Hawks um 380 Millionen Euro bereits schriftlich vom Finanzministerium zugesichert wurde. (Bundesrat Weber: Warum hat er nichts gemacht? – Bundesrat Samt: Denk an eure Verteidigungsminister! Haben wir schon vergessen, gell?)
Ich hoffe nicht, dass Sie hier in die Fußstapfen eines Ihrer Vorgänger aus dem Burgenland treten, der dann Pakete wieder aufgeschnürt hat, und unter dem Strich kommt dann alles teurer, nur kann es weniger. (Bundesrat Weber: Kunasek! – Bundesrat Schabhüttl: Es war ein Steirer! – Bundesrätin Mühlwerth: Der Darabos war schon ein Burgenländer!)
Diese Hubschrauberbeschaffung hat ja nicht nur eine sicherheitspolitische Komponente, sondern ist überwiegend für den Katastrophenschutz, denn die geplanten Mehrzweckhubschrauber sind ja keine Kampfhubschrauber, und hat auch – das sei von mir als Steirer hier in der Länderkammer gesagt – große regionalpolitische Bedeutung. Sollten diese Hubschrauber nicht kommen, ist natürlich auch der Fliegerhorst Aigen, der auch nicht gerade in einer boomenden Region liegt, in großer Existenzgefahr. (Bundesrat Schennach: Es geht um die Standorte!) Es geht um die Stärkung des Standortes Eisenerz, des Sanitäts- und Munitionslagers. Auch Eisenerz ist nicht gerade eine blühende Region. Die AirPower im Aichfeld wäre ja auch fast ein Opfer Ihrer Streichungswut geworden, wenn es nicht – Gott sei Dank – schon zu spät gewesen wäre. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)
Die Bundesregierung hat neben der Einzelverantwortung in den einzelnen Ressorts auch eine Gesamtverantwortung für unser Land zu tragen. Da ist mir eines besonders wichtig, vielleicht auch den Steirern ganz besonders wichtig – nicht umsonst hat vor mir ein Steirer gesprochen, es kommt nach mir noch ein Steirer von einer anderen Fraktion. (Bundesrat Beer: Gibt es nur noch Steirer?) Auch die Auslandseinsätze des Bundesheeres haben nicht nur eine sicherheitspolitische, sondern auch eine außenpolitische Relevanz. So bitte ich Sie dringend: Stellen Sie die Einsatzbereitschaft und Funktionstüchtigkeit unseres Heeres her, aber im Konsens mit der Frau Bundeskanzler und den übrigen Mitgliedern der Regierung anstatt Panikmache in der Öffentlichkeit! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)
In diesem Sinne darf ich Ihnen allen, meine Damen und Herren von der neuen Bundesregierung, viel Glück und Erfolg wünschen, und verlieren Sie nicht Ihren Humor! – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)
10.57
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile es ihm.
Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundeskanzlerin! Damen und Herren der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Hohen Haus und jene, die unsere Sitzung über Livestream mitverfolgen können! Vor knapp drei Wochen habe ich hier, damals noch unter dem Eindruck des ausgesprochenen Misstrauens gegenüber Bundeskanzler Sebastian Kurz und der damals als Interimsregierung im Amt befindlichen Bundesregierung, gemeint, dass diese Entscheidung der freiheitlichen und der sozialdemokratischen Fraktion im Nationalrat eine falsche Entscheidung war.
Es war nicht nur ungerecht gegenüber Bundeskanzler Sebastian Kurz (Bundesrätin Schumann: Es gab kein Vertrauen!), der gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der österreichischen Bundesregierung in den vergangenen 17 Monaten hervorragende Arbeit geleistet hat, sondern es war auch eine falsche Entscheidung, weil es herausragende Entscheidungen auf europäischer Ebene gibt, wo auch für Österreich einiges auf dem Spiel steht. (Bundesrat Weber: Der wird denen abgehen!)
Die Frau Bundeskanzlerin hat heute – ähnlich, wie sie es auch im Nationalrat getan hat; ich habe es nachgelesen – eingangs ihrer Ausführungen in Anlehnung an Cicero gemeint, dass die Verlässlichkeit – jetzt meine Worte – der Kitt der Gesellschaft ist, und ich kann diesem Zitat und ihren weiteren Erläuterungen zum Thema der Verlässlichkeit einiges abgewinnen.
Ich bin ein sehr interessierter Leser soziologischer Aufsätze, auch wenn ihr Erscheinen schon einige Zeit zurückliegt, aber Max Weber, der Begründer der empirischen Soziologie, hat in seinem berühmt gewordenen Aufsatz über den Beruf des Politikers ja einmal gemeint, dass Politik das Bohren harter Bretter sei, und zwar mit Leidenschaft und mit Augenmaß. Wenn ich die Ausführungen der Frau Bundeskanzlerin und des Herrn Vizekanzlers richtig interpretiere, dann wollen sie in den Monaten ihrer Regentschaft das Augenmaß in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen und die Leidenschaft zurückhalten. Ich bedauere das außerordentlich, sage ich, weil in diesen Monaten für Österreich im Rahmen des europäischen Kontextes viel auf dem Spiel steht.
Ich gratuliere Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, zur Auswahl Ihres Außenministers. Ich kenne Herrn Schallenberg als einen ausgewiesenen Experten im Ministerium und freue mich, dass wir in einer sehr sensiblen Phase der Diskussion um die Zukunft Europas mit Kompetenz an die Sache herangehen können. Wir haben uns gestern im EU-Aus-
schuss des Bundesrates – Kollege Koller hat schon darauf hingewiesen – sehr intensiv mit Fragestellungen der Zukunft dieses gemeinsamen Europas auseinandergesetzt – ich möchte einige dieser Fragestellungen auch ansprechen –, wo ich mir schon wünschen würde, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, dass hier nicht nur mit Augenmaß vorgegangen wird, sondern dass hier mit Leidenschaft argumentiert wird und dass insbesondere auch der Wählerwille der Europawahlen entsprechende Berücksichtigung findet. (Beifall bei der ÖVP.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik wird immer dadurch ausgedrückt, dass es Budgets gibt. Auf europäischer Ebene ist das immer ein mehrjähriger Budgetrahmen, der in Verhandlung steht. Wir haben während der österreichischen Ratspräsidentschaft unseren Beitrag zur Weiterentwicklung des mehrjährigen Finanzrahmens geleistet. Jetzt ist die Frage auf dem Tisch – das wurde gestern, wenn ich es richtig gesehen habe, auch in Luxemburg artikuliert –, dass auch Finanzkommissar Oettinger, mit dem wir uns im Rahmen einer Exkursion des EU-Ausschusses in Brüssel auseinandergesetzt haben, auch hier im Rahmen des Bundesrates auseinandergesetzt haben, gemeint hat, dass der Europäische Rat jetzt rasch Entscheidungen treffen sollte. Ich glaube auch, dass es gut wäre, den Rahmen zu kennen, in dem für 2021 bis 2027 die Finanzmittel definiert sind, um dann auch in den inhaltlichen Fragestellungen der Zukunft dieses gemeinsamen Europas die richtigen Entscheidungen treffen zu können.
Welche sind das? – Das sind natürlich Entscheidungen, die mit der Kohäsion in Europa zu tun haben, auch im Kontext möglicher Erweiterungsschritte, die auf der Agenda stehen. Wobei ich auch als Vertreter eines Bundeslandes – die Steiermark wurde von meinen beiden Vorrednern schon mehrfach adressiert – schon sagen kann, dass uns dieses gemeinsame Europa große Vorteile gebracht hat, weil damit über 70 000 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse seit 1995 in der Steiermark entstanden sind, weil damit über 2,5 Milliarden Euro an europäischen Fördermitteln für diverse Projekte in der Steiermark eingeworben werden konnten und sich damit die Steiermark als ein einstmals sehr grundstofforientierter Wirtschaftsstandort zu einem Hochtechnologiestandort und Innovationsstandort entwickelt hat, mit einer Forschungs- und Entwicklungsquote von mehr als 5 Prozent, und damit der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen in dieser Region einen ganz besonderen Schwerpunkt geben konnte. Das wollen wir auch in Zukunft fortsetzen. So gesehen geht es auch um die Frage, wie in Zukunft Kohäsionsmittel eingesetzt werden und ob auch entwickelte Regionen, zumindest wenn es um den Bereich der Innovation geht, wenn es um den Bereich der Forschung und Entwicklung geht, wenn es um den Bereich der Bildungsprogramme geht, wenn es um den Bereich der Jugendprogramme geht, ihren fairen Anteil erhalten können.
Zum Zweiten: Was ist mit diesem Finanzrahmen jedenfalls auch in Beratung? – Es ist – und eigentlich wäre das für morgen und übermorgen, wenn ich das richtig gesehen habe, auf der Agenda des Europäischen Rates gestanden – die Erweiterung in Beratung. Ich vernehme, dass Erweiterungsschritte geplant sind. Sehr geehrter Herr Schallenberg, danke für Ihre klaren Worte – wir haben das gestern auch im EU-Ausschuss positiv gemeinsam über alle Fraktionen hinweg begleitet –, dass Sie gemeint haben, dass wir gerade Nordmazedonien, die sich sehr angestrengt haben und Signale auf europäischer Ebene bekommen haben, dass diese Anstrengungen, auch was die Frage der Namensgebung dieses Landes betrifft, jetzt zu einem positiven Abschluss gekommen sind, dass wir Nordmazedonien und Albanien auch in den Start der Verhandlungen mit der Europäischen Union begleiten sollten.
Das ist ein Prozess, das ist nicht der Abschluss dieser Verhandlungen. Ich würde mich sehr freuen, wenn da der Europäische Rat auch einen Schritt weiterkäme. Dass das schon morgen oder übermorgen gelingen wird, bezweifle ich, aber Wunder soll es auch auf europäischer Ebene immer wieder geben.
Wir haben gestern im EU-Ausschuss – es wurde bereits adressiert – auch die Klimapolitik angesprochen. Wir teilen diesbezüglich in weiten Bereichen Vorhaben. Das zuständige Ministerium hat auch auf eine Strategie hingewiesen, die in der Vision der Europäischen Union unterentwickelt ist, nämlich das Konzept 100 Prozent erneuerbare Energien. Ich glaube, es wäre zweckdienlich, im Bereich der erneuerbaren Energien auch noch Akzente auf europäischer Ebene zu setzen. Es gibt auch eine einheitliche Länderstellungnahme in der Frage der erneuerbaren Energien und der Skepsis gegenüber der Nuklearenergie und des Carbon Storage, auf die ich ganz besonders hinweisen möchte.
Ich darf abschließend zum Ausdruck bringen, dass es auf europäischer Ebene schon um Inhalte geht und dass es daher auch angebracht ist, mit Leidenschaft zu argumentieren, dass es aber natürlich auch um personelle Entscheidungen geht. Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie den Dialog mit den Sozialpartnern suchen, dass Sie den Dialog mit den Interessenvertretungen suchen, dass Sie auch den Dialog mit den Ländern suchen. Es wäre auch gut, den Dialog mit Ihrem Vorgänger zu suchen, um sich auch in Sachfragen und personalpolitischen Fragestellungen entsprechend zu informieren (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ) – wie immer Sie dann entscheiden, das ist das Vorrecht einer Bundeskanzlerin und einer Bundesregierung –, aber ich glaube, dass es auf europäischer Ebene Entscheidungen gibt, die auch einen Vorlauf haben.
Der österreichische Wähler hat bei der Wahl zum Europäischen Parlament ein klares Votum ausgesprochen. Dieses Votum hat meiner Gesinnungsgemeinschaft, der Österreichischen Volkspartei, und damit der Europäischen Volkspartei einen klaren Auftrag gegeben; und das sollte ein Auftrag sein, der auch zum Selbstverständnis einer österreichischen Bundesregierung gehört, wenn man diese Ergebnisse annimmt. (Beifall bei der ÖVP.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frau Bundeskanzlerin hat abschließend in ihren Ausführungen die Frage aufgeworfen – ich glaube, es war die rhetorische Frage –, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Das wird jeder für sich beantworten können, ich sage es Ihnen für meinen Teil: Ich würde gerne im Herzen Europas in einer Gesellschaft in Frieden und in Freiheit leben, wie es die Grundsätze unseres gemeinsamen Europas sind, wo die Menschenrechte durchgesetzt werden, wo Rechtsstaatlichkeit durchgesetzt wird, wo Mann und Frau gleichberechtigt in dieser Gesellschaft leben können, wo auf das Klima ebenso geachtet wird wie auf die Bedürfnisse der jungen Menschen und wo wir uns insgesamt darüber einig sind, dass dieses gemeinsame Europa in Vielfalt geeint ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)
11.08
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundeskanzlerin! Sehr geschätzter Herr Vizekanzler und die gesamte Mann- und Frauschaft der Bundesregierung! Es tut mir leid, dass Herr Krusche ein bisschen ein Problem damit hat, eine Frau als Frau anzusprechen, aber mit dieser Bundesregierung, auch wenn sie eine Übergangsregierung ist, sind einmal zwei Maßstäbe gesetzt: zum Ersten, dass wir die erste Bundeskanzlerin haben, und zum Zweiten, dass Sie zeigen können, dass halbe-halbe in der Bundesregierung geht und dass es in Zukunft nie mehr unter halbe-halbe kommen soll.
Frau Bundeskanzlerin, ich habe Ihnen sehr, sehr genau zugehört. Ich verstehe Ihre Begründung, zu sagen: Bei innerösterreichischen Personalfragen werden wir keine
Entscheidungen treffen!, das heißt aber nicht außerhalb Österreichs. Außerhalb Österreichs sind sehr viele wichtige und dringliche Entscheidungen zu treffen.
Erstens: die Top-Jobs der EU. (Bundesrat Steiner: Ich würde den Schennach vorschlagen!) Da wird es wichtig sein, in enger Abstimmung mit dem Parlament, mit dem Hauptausschuss des Nationalrates, mit den EU-Ausschüssen zu kooperieren. Kollege Buchmann hat nämlich vergessen, das zu erwähnen: Bei all den Gesprächen, die zu führen sind, ist es auch wichtig, diese Gespräche mit den EU-Ausschüssen zu führen.
Zweitens: Wer wird EU-Kommissar oder EU-Kommissarin? – Das ist eine wichtige Entscheidung, die Sie mit dem Hauptausschuss zu verhandeln haben. In den letzten 20 Jahren war es immer die zweitplatzierte Partei, die den Vertreter oder die Vertreterin gestellt hat. Also möglicherweise können wir da auch in den Bereich der Experten und Expertinnen gehen.
Drittens: Unter Freunden, Herr Schallenberg, möchte ich sagen (Bundesrat Steiner: Das ist eine gefährliche Drohung!), ich war ein bisschen enttäuscht über Ihre Nicht-Anwesenheit bei der Erklärung der Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates – der zweiten internationalen Persönlichkeit, die eine solche Erklärung im Nationalrat abgegeben hat –, und noch mehr enttäuscht war ich, dass Sie keine Zeit für ein Vieraugengespräch mit der Präsidentin hatten. Das ist, gelinde gesagt, verwunderlich. Umso mehr bedanke ich mich beim Herrn Vizekanzler, der ein sehr langes Gespräch und, wie mir die Präsidentin gesagt hat, ein sehr, sehr positives Gespräch geführt hat.
Warum erwähne ich das? – Wir stehen wenige Tage vor ganz wichtigen Entscheidungen im Europarat, und deshalb wäre auch da ein Gespräch wichtig gewesen, Herr Schallenberg, insbesondere zur Frage der Rückkehr Russlands, der Rückkehr Bosniens und der Wahl des nächsten Generalsekretärs. Das sind ganz wichtige Entscheidungen, und da wäre es gut gewesen, auch mit Ihnen sprechen zu können, und die Frau Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung hat es sich auch sehr gewünscht, mit Ihnen zu sprechen.
Ich hoffe aber, dass wir da in diesen europäischen Fragen noch ein bisschen mehr zu einem Gleichklang kommen. Es war schon etwas verwunderlich, gestern – wenige Minuten nach Beginn der Sitzung und der Beratungen zu den EU-Erweiterungsverhandlungen – plötzlich die Pressemeldung zu bekommen, ohne Wenn und Aber diese Erweiterungsverhandlungen zu führen, wie Sie gesagt haben. Es gibt an sich keine parlamentarische Rückkoppelung zu dieser Aussage. Sie können diese Aussage natürlich machen, weil Sie wissen, dass alle Parteien hier an einem Strang ziehen, und es ist gut, wenn sich auch der zuständige Minister dazu äußert, aber wissen Sie, als Parlamentarier finde ich das dann komisch. Wir beginnen eine Beratung, wir sind 6, 7, 8 Minuten in der Beratung, und dann kommt über die APA, was uns der Herr Außenminister ausrichten lässt.
Also ein bisschen mehr Rückkoppelung, gerade in europäischen Fragen, auch wie wir beim Mehrjährigen Finanzrahmen entscheiden – Kollege Buchmann hat das schon angeschnitten –, und so weiter, wäre richtig. Also diese Diskussionen, Frau Bundeskanzlerin, das sind Diskussionen, die zu führen sind, das sind Entscheidungen, die Ihre Regierung zu treffen hat, das sind Entscheidungen, die über einen langen Zeitraum gehen und die wir in dieser Form dringend brauchen. (Bundesrätin Mühlwerth: Da ist die SPÖ sehr empfindlich!)
Darf ich Ihnen aber auch etwas ganz offen sagen: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Kollegen und Kolleginnen, aber ich finde es unglaublich angenehm und entspannend, eine Kanzlerin hier sitzen zu haben, die nicht 95 Prozent der Zeit mit dem Handy herumlümmelt. Das ist irgendwie - - (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin
Ecker. – Zwischenruf des Bundesrates Seeber.) – Na, es ist so! Wenn man ein bisschen an den Stil denkt, dann ist das so.
Nun zum Herrn Verteidigungsminister. Ich weiß, Sie sind dafür kritisiert worden, dass Sie gesagt haben: Mir sind die TÜV-Überprüfungen der Lkws, die für den Katastrophenschutzeinsatz vorgesehen sind, wichtiger als ein sündteures Prestigeprojekt, genannt Sicherheitsschule oder Sicherheitsakademie. Wenn wir in die Genesis der Geschichte eingehen: Ich zitiere jetzt ausnahmsweise Kunasek. Kunasek hat hier am Ministerpult gesagt: Ich habe ein gut bestelltes Haus von Doskozil übernommen. – Das hat er gesagt. (Bundesrat Weber: So ist es!) Dann kam Kunasek und hat relativ schnell die Substanz in den Keller gefahren. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein Quatsch! – Bundesrat Rösch: Typisch SPÖ! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
So, und jetzt kommen wir dazu, eine Abwägung zu machen: Werden teure Prestigeprojekte finanziert oder nicht? (Bundesrat Pisec: Eine Schule ist kein Prestigeobjekt!) – Ich sage Ihnen ehrlich: Bevor unsere Lkws nicht einsatzfähig sind und bevor wir unsere Auslandseinsätze auch nur im Geringsten – im Geringsten! – reduzieren, ist diese Sicherheitsakademie verzichtbar.
Zweitens, wenn ich da noch weiter ausführen darf, ersuche ich Sie wirklich dringlich, Herr Bundesminister, auch in dieser Übergangszeit alles zu tun, um allfällige Entscheidungen vorzubereiten, dass die wirklich wertvollen Einsätze des österreichischen Bundesheeres im Ausland gewahrt werden. Da kann ich mich, glaube ich, Herrn Buchmann anschließen, der gesagt hat: Das ist nicht nur Sicherheitspolitik, das ist auch Außenpolitik. Das ist ein ganz bestimmtes Signal.
Österreich hat eine ganz hohe Kompetenz, und Österreich, wäre der Golan nicht gewesen – das sage ich ganz selbstkritisch - - (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat der rote Verteidigungsminister zurückgefahren! – Bundesrat Samt: Wider besseres Wissen!) – Ja, ich sage das ganz selbstkritisch. Bitte zuhören, liebe Monika Mühlwerth! (Bundesrätin Mühlwerth: Ich sage es nur!) – Wäre der Golan nicht gewesen! Man muss sagen: Wir sind in Zypern, wir waren am Golan, wir waren Leitfiguren. Das österreichische Bundesheer hat da etwas vorgezeigt, auf das Österreich und das Heer stolz sein können.
Ich hatte die Gelegenheit, mit dem früheren Bundesminister Platter mehrmals im Rahmen von Inspektionen am Balkan von Kaserne zu Kaserne, vom Kosovo über Bosnien und weiß ich wohin zu reisen, und was wir da zum Teil erstmals erfunden haben – wie das Low-Monitoring-System, das der Nato den nackten Schrecken in die Hose fahren ließ –, das sind Dinge, auf die wir stolz sein können. Vor allem war ich auch von der unfassbaren Kompetenz der Soldaten und Soldatinnen vor Ort, auch von den neuen Modellen, die Sie hier angeführt haben, beeindruckt. Das muss man wirklich sagen.
Nun, zum Schluss: Wir werden diese Bundesregierung unterstützen, wenn wir auch manchmal, Herr Schallenberg, freundschaftlich Kritik üben – aber das muss sozusagen in der politischen Landschaft möglich sein. Ich hoffe sehr auf einen europäischen Dialog, dass die europapolitischen Entscheidungen – ob im Content oder ob personell – weiter aufrechtbleiben; das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Punkt.
Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie schon hier so viel neue Geschichte schreiben: Ich weiß, Sie sagen, Sie haben nicht den direkt gewählten Auftrag, Sie sind durch den Bundespräsidenten legitimiert – alles klar, alles richtig. Sie sind eine Bundesregierung, die zur Hälfte aus Frauen und zur Hälfte aus Männern besteht. Heute wurde so viel über das Don’t-smoke-Volksbegehren gesprochen. Bitte vergessen Sie nicht das andere Volksbegehren, das Frauenvolksbegehren! Nehmen Sie das Frauenvolksbegehren nochmals in die Hand! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.) Gerade als eine Regierung von Experten und Expertinnen können Sie sich diesem Thema weit jenseits von parteipolitischen Grenzen und Pro-
grammatiken nähern. Ich glaube, das Frauenvolksbegehren hätte das verdient. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Ernst-Dziedzic und Stögmüller.)
11.18
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. Ich erteile es ihm.
Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher! Eigentlich war ich vorher nicht auf der Rednerliste, aber es wird so viel über das Bundesheer gesprochen, und als Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses kann man das, glaube ich, nicht so stehen lassen.
Es ist ein Minister hier, der eigentlich bis jetzt nicht sehr viel damit zu tun gehabt hat – außer in seiner Funktion beim Bundesheer –, und plötzlich heißt es, es sind – was man im Bundesheer schon lange gesagt hat – zu wenige Mittel da, es ist eigentlich viel zu wenig Geld da, um die Aufgaben, die in der Verfassung stehen, auch wahrnehmen zu können.
Jetzt kommt endlich einmal eine ehrliche Aussage, und das ist nicht von heute auf morgen passiert, das ist nicht nur - - (Bundesrätin Mühlwerth: Na, eh net, das waren eh eure Verteidigungsminister! – Bundesrat Rösch: Darabos! – Bundesrätin Mühlwerth: Darabos! – Bundesrat Steiner: Darabos!) Begonnen hat es im Jahr 2000. Da haben wir ÖVP-Minister gehabt, FPÖ-Minister gehabt (Ruf bei der SPÖ: Frischenschlager!), da haben wir SPÖ-Minister gehabt. (Bundesrat Rösch: Du hast Darabos vergessen!) Es war also wirklich alles - - (weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) Schaut, ihr von den Freiheitlichen da hinten, es sind immer dieselben, die rausrufen müssen und eigentlich nichts verstehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Was war mit euren Ministern, die das gemacht haben? (Bundesrat Rösch: Du hast vom Darabos immer nur das große Gesicht gesehen!) Hab ich Darabos überhaupt erwähnt? – Nein, das warst eigentlich nur du! Obwohl du Wiener bist, musst du immer auf diese Bereiche hinhauen, weil die Ministerien in Wien angesiedelt sind. (Bundesrat Steiner: Was hat das mit Wien zu tun? – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)
Um das weiter auszuführen: Jetzt wissen wir, dass zu wenig Geld da ist. Wir haben von der ÖVP immer wieder Lippenbekenntnisse gehört, wie wichtig unser Bundesheer ist, aber seit 20 Jahren geben ÖVP-Finanzminister kein Geld für das Bundesheer her. Das stimmt so, ist leider Gottes so. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist leider so, ja! – Zwischenruf des Bundesrates Köck.)
Wir haben also hier die Möglichkeit, auch etwas zu tun. (Bundesrat Köck: Hier herinnen?) Wir haben hier auch die Möglichkeit, dass - - Entschuldigung, dass ich lache, aber da kommen so viele Zwischenrufe, die eigentlich an allem vorbeigehen, was geschehen ist, aber (in Richtung Bundesrat Köck) du warst damals anscheinend noch nicht in der Politik, aber das macht nichts. (Bundesrat Köck: Sicher war ich dabei!)
Gehen wir weiter in dem Bereich, und geben wir jetzt nicht unserem neuen Minister die Schuld! Versuchen wir, ihn zu unterstützen, versuchen wir, das zu machen, was eigentlich in der Verfassung steht und was auch unsere Aufgabe ist! (Bundesrätin Mühlwerth: Aber ihr wolltet das abschaffen!)
Davor ist auch noch sehr viel dazu gesagt worden, was eigentlich durch Vizekanzler Strache hervorgerufen worden ist. Er hat Konsequenzen gezogen (Zwischenruf des Bundesrates Spanring); zwar nicht das, was man sich wirklich vorstellt (Bundesrat Steiner: Was hätte er denn machen sollen?), aber er hat einmal Konsequenzen gezogen. (Bundesrat Samt: Also derschießen kann er sich nicht!) – Richtig, keine Frage!
Dann begann es auf einmal sehr interessant zu werden. Die ÖVP hat die Forderung gestellt, dass zwei Menschen zurücktreten müssen. Und dann, nachdem das erfüllt wurde, wie im Kindergarten: Nein, eigentlich muss Kickl auch noch weg. – Das, genau wissend (Bundesrat Köck: Das hat eure Rendi-Wagner auch gesagt!), dass diese Forderung (Bundesrat Köck: Im ORF-Interview!) von der FPÖ eigentlich nicht mehr erfüllt werden kann. Die hätte niemand erfüllt. (Bundesrat Köck: Kickl muss weg, hat sie gesagt!) Als es gegen Strasser ein Verfahren gegeben hat, hat es die ÖVP nicht gestört, dass eine ÖVP-Innenministerin für diese Untersuchungen zuständig war. Das hat niemanden von euch gestört! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Und der Justizminister!)
Jetzt beginnt die ÖVP plötzlich, sich in der Opferrolle zu fühlen. – Es ist keine Opferrolle, ihr habt das herbeigeführt, wissentlich und absichtlich herbeigeführt. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Seeber: Habt ihr sieben Misstrauensanträge gegen Kickl gemacht? Sieben Misstrauensanträge von der SPÖ!) Es beginnt ganz einfach damit, dass eine ÖVP plötzlich von Hass spricht. Und ich sage euch wirklich: Hass hat in der Politik nichts verloren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Zeidler-Beck: Ja, aber das ...!)
Euer Ex-Bundeskanzler muss aber immer wieder betonen, dass er gehasst wird. – Das ist nicht richtig! (Bundesrat Bader: Das plakatiert ihr ja in Wien!) – Was plakatieren wir in Wien? Wir, die SPÖ? (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck.) Wenn du es nicht weißt, dann sag nichts! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bader.) So einfach ist das! Er wurde genau deswegen abgewählt, weil ein Drittel der Stimmen nicht zu einer Alleinregierung führen darf. Das kann nicht sein! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)
Es ist aber ganz einfach der Stil der neuen ÖVP, und es ist ganz einfach der Stil der Türkisen. Wir haben das auch jetzt wieder gesehen: Es gab heute die Abschiedsrede von Kollegen Appé, und Kollegen Bader fällt es so schwer, dass er sich bei unserem Bundesratspräsidenten für seine Vorsitzführung und seine Präsidentschaft bedankt. (Bundesrat Bader: Frau Schumann hat es auch nicht gemacht!) – Wer? (Bundesrätin Schumann: O ja! O ja!) Der ist von unserer Fraktion, hast du das vergessen? Abgesehen davon hat sie es erwähnt. Es ist dann noch einmal von Kollegen Koller gekommen, es ist von den Freiheitlichen gekommen, nur von euch kommt es nicht, aber es fällt euch ja nicht einmal auf.
Was also noch ganz erstaunlich war, und damit ist auch schon wieder Schluss: Es hat noch keinen Bundesratspräsidenten gegeben, der während seiner Präsidentschaft vom Kärntner zum Salzburger mutiert ist, denn jetzt hängt schon das Salzburger Wappen da. – Und damit lassen wir es bewenden. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Vorher war’s Niederösterreich!)
11.26
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.
Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Ich darf mich ganz herzlich bei der Frau Bundeskanzlerin, beim Herrn Vizekanzler sowie bei den Mitgliedern der Bundesregierung für ihr Kommen bedanken. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die nächsten Monate. Vielen Dank.
Beschluss des Nationalrates vom 12. Juni 2019 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Kinder- und Jugendhilfe (573 d.B. und 632 d.B. sowie 10185/BR d.B.)
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 2 der Tagesordnung.
Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.
Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über die Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Kinder- und Jugendhilfe.
Die B‑VG-Novelle, BGBl. I Nr. 14/2019, sieht den Entfall der Wortfolge „Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge;“ in Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG und damit die Überstellung dieser Angelegenheiten in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG vor.
Das Inkrafttreten der Änderung der Kompetenzrechtslage betreffend den Kompetenztatbestand „Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge“ ist davon abhängig, dass eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a Abs. 1 B‑VG über den Gegenstand des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013 in Kraft tritt.
Entsprechend der Regierungsvorlage zu dieser B‑VG-Novelle soll das bisherige Schutzniveau in den Angelegenheiten der Jugendfürsorge aufrechterhalten werden. Zu diesem Zweck sind der Bund und die Länder anlässlich der Tagung der Landeshauptleutekonferenz am 23. Oktober 2018 in Anwesenheit des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz darin übereingekommen, im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B‑VG abzuschließen.
Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme sogleich zur Antragstellung.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juni 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.
Wir gehen in die Debatte ein.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm.
Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchergalerie! Wir beschließen heute eine 15a-Vereinbarung zur Kinder- und Jugendhilfe. Warum müssen wir das tun? – Weil die Großparteien ÖVP, FPÖ und auch SPÖ sich entschlossen haben, ein funktionierendes Bundesgesetz zu zerreißen und in neun Landesgesetze aufzuteilen. Nun braucht es eben eine 15a-Vereinbarung, um es doch nicht ganz ausufern zu lassen. In der politischen Praxis, und das weiß sehr wohl auch jeder von uns hier im Saal, ist eine 15a-Vereinbarung ein loses Instrument ohne jegliche tatsächliche Konsequenz, und ein solches wird, gerade weil es lose ist, heute hier beschlossen.
Ich möchte allerdings noch etwas in der Geschichte dieses Gesetzes zurückgehen, die dazumal mit einer eigentlich nicht einmal so schlechten Idee begonnen hat, nämlich mit einer Bereinigung der Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern. Das war eigentlich dringend notwendig – nur die großen Brocken wie zum Beispiel das Bundes-Verfassungsgesetz mit dem Elektrizitätswesen, das Krankenanstaltengesetz oder das Sozialhilfegesetz wurden ausgespart. All dies wurde ausgeschlossen. Man hat dann ein gut funktionierendes – und das ist der Punkt: gut funktionierendes – Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz fixiert und auch beschlossen, dass das dementsprechend verschoben werden soll.
3 Stunden bevor wir dieses Gesetz hier im Bundesrat beschlossen haben – und das ist auch als Kritik zu verstehen –, wurde uns plötzlich der Evaluierungsbericht vom Jugendministerium zugestellt. Was war in diesem Evaluierungsbericht zu lesen, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Da stand, dass dieses Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz gut funktioniert, dass es super ist, dass es Sinn macht, die Kinder- und Jugendhilfe bundeseinheitlich zu regeln und auch im Bund angesiedelt zu haben.
Nun muss man noch ein bisschen zurückgehen: Warum ist es überhaupt dazu gekommen? – Die im Jahr 2008 gesetzte Initiative wurde durch den Mord am 17 Monate alten Luca ausgelöst, der nach qualvoller Misshandlung starb – schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen mit Todesfolge lautete damals das Urteil. Danach gab es eine Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989. Das Ganze dauerte wieder Jahre, bis dann 2013 endlich ein bundeseinheitliches Kinder- und Jugendhilfegesetz geschaffen wurde. Das geschah 2013 – auch wieder nur deshalb, weil es einen furchtbaren Anlass gegeben hat, bei dem erneut ein Kind zu Tode gekommen ist. Dies wurde durch mangelnde Behördenkooperation über die Bundesländergrenzen – und genau das ist der Punkt: über die Bundesländergrenzen – verschuldet.
Dass so etwas aufgrund von Kirchturmdenken der Behörden passiert, wollten wir alle nicht, und ich bin mir sicher, dass wir alle das auch heute nicht wollen. Nein, ganz im Gegenteil: Eigentlich müssten wir das Anliegen haben, dass genau diese Barrieren, diese Bundesländerbarrieren endlich aufgehoben werden und es mehr Kooperation gibt, dass es bundeseinheitliche Standards gibt, dass bundeseinheitlich gedacht wird – gerade wenn es um Kinder und Jugendliche geht.
Mit der Kompetenzverschiebung vom Bund zu den Ländern passiert allerdings genau das Gegenteil. Wir katapultieren uns in der Bundes-Kinder- und Jugendhilfe um Jahre zurück. Wir installieren neun Landesgesetze, meine sehr geehrten Damen und Herren, damit es in Zukunft wieder möglich ist, dass zum Beispiel ein Kind in Vorarlberg mehr wert ist, ihm andere Qualitätsansprüche zustehen als einem Kind in Oberösterreich, oder umgekehrt. So etwas darf einfach nicht mehr sein! In welchem Jahrhundert sind wir denn?! Das kann es doch nicht mehr sein! Für mich – und ich hoffe, auch für Sie hier im Saal – ist jedes Kind in Österreich gleich viel wert.
Man hat vonseiten der alten türkis-blauen Bundesregierung von Anfang an die Fachexpertinnen und -experten, die sich tagtäglich um die Kinder und Familien da draußen kümmern, die täglich an diesen Brennpunkten im Einsatz sind, beinhart ignoriert und man hat sie nicht miteinbezogen. Die Verfassungsänderung wurde durchgezogen, auch wenn sich noch so viele kritische Stimmen und Stellungnahmen im Postfach Ihres Vorgängers (in Richtung Vizekanzler Jabloner) im Justizministerium gefunden haben. Es wurde auf Biegen und Brechen durchgezogen. Die Auflösung des Grundsatzgesetzes hat schwerwiegende Konsequenzen für die Kinder- und Jugendhilfe und für die Kinder und Jugendlichen.
Wir waren auch mit dem Herrn Präsidenten (in Richtung Vizepräsident Koller) in Kärnten bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft. Was war das Thema? – Genau diese Auflösung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Diese ist einer der Hauptkritikpunkte – no na net –, weil es Einfluss auf deren Arbeit hat, massive Verunsicherung bedeutet und eine echte Katastrophe für deren Arbeit ist. Künftig kann jedes Bundesland dann selbst definieren, was gut und richtig ist, und da hilft auch – und das wissen wir alle hier im Saal – eine 15a-Vereinbarung nicht wirklich weiter.
An die, die heute ihr Gewissen beruhigen, indem sie sagen, es gebe eh eine 15a-Vereinbarung: Ihnen muss klar sein, dass sich aus der 15a-Vereinbarung keine Rechtsfolgen für Kinder und Jugendliche ableiten lassen. Das heißt, die unterschiedlichen Standards können nicht von den Betroffenen eingeklagt werden, auch wenn sie unterschritten werden. Da gibt es keine Möglichkeit. Eine 15a-Vereinbarung ist im Großen und
Ganzen eine Willenserklärung ohne große rechtliche Relevanz. Es ist ein Feigenblatt, das Sie jetzt vorschieben, um zu sagen: Wir haben das Beste aus diesem Gesetz herausgeholt!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie machen sich mit dieser Beschlussfassung – mit dem alten Gesetz und auch mit der 15a-Vereinbarung – in der gesamten Fachwelt einfach lächerlich. (Bundesrätin Mühlwerth: Bei den Linken!) – Nein, nicht bei den Linken, sondern bei den Expertinnen und Experten! (Bundesrat Steiner: Bei den linken Experten!) – Wenn Sie sagen, die Kinder- und Jugendanwaltschaft ist links (Bundesrat Steiner: Linksradikal sogar!), wenn Sie immer in dieses Links-und-rechts-Denken verfallen, dann tun Sie das von mir aus! (Bundesrat Samt: Das Links-rechts-Denken habt ihr erfunden!) Mir ist das wurscht, ob ein Kind von einem Linken oder von einem Rechten betreut wird, Hauptsache, es wird betreut. (Die Bundesräte Spanring und Steiner: Seit wann? Seit wann?) Das sollte unser Interesse sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic.)
Zu diesem Einordnen in Links und Rechts: Liebe FPÖ, hört endlich einmal auf mit eurem beschränkten Denken! Es geht da um Kinder und Jugendliche. Ihr seid echt tiefste Schublade!
Was ist das Problem an der 15a-Vereinbarung? (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, ich gehe jetzt gar nicht auf eure blöden Zwischenrufe ein, sondern ich gehe jetzt (Bundesrat Samt: He, vorsichtig, Kollege!) – nein, nicht Vorsicht! – auf die Thematik ein, was nämlich bei dieser 15a-Vereinbarung fehlt. Es fehlt die Möglichkeit der Evaluierung der einzelnen Bundesländer, der Evaluierung der unterschiedlichen Standards. Die Kompetenzverschiebung zu den Ländern ohne einen Mechanismus, der bundesweit hohe und moderne Standards garantiert, bedeutet eben Rückschritte um Jahrzehnte.
Sehen wir uns die Standards an! Wer regelt denn in Zukunft die Standards? Wer achtet denn in der 15a-Vereinbarung auf die Standards? – Es steht nichts drinnen. Wer organisiert denn die Weiterentwicklung in der 15a-Vereinbarung? – Es steht nichts drinnen.
Nun gibt es einen Entschließungsantrag der SPÖ, den wir auch gerne unterstützen. Mir wäre von Anfang an lieber gewesen, dass wir dieses Gesetz überhaupt nicht beschließen müssten. Das ist die Enttäuschung auch von dieser Seite, denn dann bräuchten wir auch diesen Entschließungsantrag nicht. Dann hätten wir noch immer eine Weiterentwicklung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes, dieser gesamten Gesetzgebung. Das wäre notwendig gewesen. Das Ganze geschieht einfach nur auf dem Rücken der Kinder.
Warum ist das überhaupt passiert? Wie kam es zu dieser Idee, dass man das tun muss? – Der Bund ist nun nicht mehr bereit zu zahlen, wenn er die volle gesetzgeberische Zuständigkeit hat – da geht es eben ums Geld –, und die Länder sind nicht mehr bereit, vom Bund vorgegebene Standards zu finanzieren. Daher gibt der Bund seine Verantwortung für das Kindeswohl einfach ab, und das ist eigentlich das Erschreckende an der ganzen Sache. Wahrscheinlich müssen wieder – und das ist der Punkt – traurige Schicksale irgendwo in den Bundesländern passieren, damit überhaupt wieder einmal ein Umdenken passiert.
Apropos: Eine blaue FPÖ-, Entschuldigung, eine BZÖ-Ministerin (Zwischenruf des Bundesrates Samt), nämlich Haubner, hat dazumal auch die ersten Anträge zum Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz eingebracht. Das habe ich eben bei der Recherche noch herausgefunden, dass das die ersten Initiativen waren, weil man da im BZÖ anscheinend schon weiter gedacht hat als in der FPÖ (Bundesrätin Ecker: Weiß der, wo
die Haubner herkommt?), dass es dort bundeseinheitliche Standards gibt. (Bundesrat Samt: Nein, das weiß er nicht! War er da schon auf der Welt?)
Das, was wir heute machen, ist leider eine traurige Geschichte. Es braucht wahrscheinlich wieder irgendein trauriges Schicksal, damit die Politik umdenkt, damit wir wieder draufkommen, dass die Bundesländergrenzen bei der Kinder- und Jugendhilfe keine Grenzen sein dürfen.
Wir Grüne werden dieses Feigenblatt der ÖVP, der FPÖ und auch der SPÖ heute hier nicht unterstützen, weil wir der festen Meinung sind: Wir wollen bundeseinheitliche, bestmögliche Standards. Es muss egal sein, in welchem Bundesland ein Kind geboren ist. Da hilft uns auch diese 15a-Vereinbarung nicht wirklich weiter. Sie ist ein guter Schritt dorthin, aber wir hätten sie gar nicht gebraucht, wir hätten dieses Gesetz überhaupt nicht beschließen sollen. Dies ist ein trauriger Rückschritt für die Kinder und Jugendlichen in diesem Land, beschlossen von den Großparteien zugunsten der Landesfürsten. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Ernst-Dziedzic. – Bundesrat Rösch: ... selber klatschen!)
11.38
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. Ich erteile es ihr.
Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Im Dezember 2018 wurde vom Nationalrat und vom Bundesrat mit einer Verfassungsnovelle beschlossen, dass in Zukunft die alleinige Zuständigkeit für die Kinder- und Jugendhilfe bei den Ländern liegen soll.
Wir hatten in der Vergangenheit in vielen Bereichen und eben auch im Bereich Kinder- und Jugendhilfe ein Strukturproblem, das zu Ineffizienzen geführt hat. Es wurden Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern hin- und hergeschoben, und die Leidtragenden waren wahrscheinlich die Kinder und Jugendlichen. Mit dieser Novelle wird endlich eine Kompetenzentflechtung zwischen Bund und Ländern stattfinden. – Endlich deswegen, weil die vorangegangene Bundesregierung und in diesem Fall unser damaliger Reformminister Josef Moser mit diesen wichtigen Reformschritten nach Jahrzehnten für klare Zuständigkeiten gesorgt hat. (Beifall bei der ÖVP.)
Durch den Misstrauensantrag, mit welchem der vorhergehenden Bundesregierung das Misstrauen ausgesprochen wurde und den viele Menschen in unserem Land nicht nachvollziehen können, werden jetzt leider viele weitere Vorhaben in diese Richtung nicht mehr umgesetzt.
Meine Damen und Herren! Das Thema Kinder- und Jugendhilfe ist ein sehr sensibles Thema. Wir müssen unbedingt schauen, dass die Kinder und Jugendlichen, die aus den verschiedensten Gründen und Problematiken Unterstützung und Hilfe brauchen, diese auch in bester Qualität bekommen. Um die beste Qualität zu gewährleisten, liegt heute diese Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz zur Beschlussfassung vor. Die Verfassungsnovelle betreffend Kinder- und Jugendhilfe wird erst wirksam, wenn die begleitende Artikel-15a-Vereinbarung in Kraft tritt.
Kollege Stögmüller, es wundert mich schon, dass Sie hier jetzt wieder behaupten, dass eine 15a-Vereinbarung nur so ein loses Instrument sei und ohne Konsequenzen wäre. (Bundesrat Stögmüller: Gibt es einen Rechtsanspruch für die Betroffenen? – Nein!) Diese Frage haben Sie auch im Ausschuss gestellt, und das wurde Ihnen vom für Verfassungsfragen zuständigen Sektionschef aus dem Ministerium ganz eindeutig widerlegt.
Mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung wird in der Kinder- und Jugendhilfe vor allem ein hoher und – auch ganz wichtig – einheitlicher Qualitätsstandard in ganz Österreich sichergestellt. Diese Sicherstellung des Qualitätsstandards wird durch Meldepflichten, Evaluierungen (Bundesrat Stögmüller: Es ist keine Evaluierung vorgesehen!) und durch das Einfließen wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen. Zudem wird mit der Vereinbarung die laufende Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in diesem Bereich festgeschrieben. Es wird das in den Ausführungsgesetzen der Länder bereits jetzt bestehende Schutzniveau in Gesetzgebung und Vollziehung aufrechterhalten, gemeinsam standardisiert und auch immer wieder weiterentwickelt.
Diese 15a-Vereinbarung ist die regelnde Begleitmaßnahme zur äußerst wichtigen Verfassungsgesetznovelle. Ich empfehle seitens unserer Fraktion, dieser Vereinbarung zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)
11.42
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile es ihr.
Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Die RednerInnenliste legt es ja bereits nahe und lässt in diesem Fall auch keine Überraschungen zu: Wir, die sozialdemokratische Fraktion, werden der vorliegenden 15a-Vereinbarung unsere Zustimmung erteilen, das allerdings nicht ganz uneingeschränkt. Ich werde Ihnen auch gerne skizzieren, wieso wir die eine oder andere Anmerkung noch anzuschließen haben.
Kinder- und Jugendhilfe soll ja in der Folge dazu beitragen, die Rechte der Kinder und Jugendlichen zu schützen. Sie hat ganz besonders Bedacht auf die Förderung ihrer Entwicklung und die Erziehung hin zu eigenverantwortlichen und vor allem gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu nehmen. Dies soll unterstützt werden.
Die Kinder- und Jugendhilfe tritt eben immer dann in Aktion, wenn Eltern – aus welchem Grund auch immer – nicht in dem notwendigen und vielleicht wünschenswerten Ausmaß in der Lage sind, für ihre Kinder zu sorgen: wenn Krisensituationen innerhalb der Familie entstehen, wenn Kinder in ihren Familien Formen von Gewalt erfahren und vieles andere mehr. Jedenfalls handelt es sich um schwierige und teilweise gestörte Familienbeziehungen.
Ganz wesentliche Player in diesem Zusammenhang sind natürlich die öffentlichen und privaten Trägereinrichtungen, die mit ihren Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, PsychologInnen, ÄrztInnen und so weiter versuchen, beraterisch, therapeutisch und dergleichen so einzuwirken, dass eine möglichst förderliche Situation für die betroffenen Kinder und Jugendlichen entsteht und ermöglicht werden kann.
Ich darf an dieser Stelle an die wirklich großartige Enquete zu diesem Thema erinnern, die unsere Bundesratspräsidentin außer Dienst Inge Posch-Gruska im letzten Herbst initiiert hat. Wenn Sie sich erinnern: Wir haben im Rahmen dieser Enquete wirklich beeindruckende Referate von jungen Erwachsenen hören dürfen – von jungen Erwachsenen, die selbst in unterschiedlichster Form in der Betreuung der Kinder- und Jugendhilfe gestanden sind und die es erfolgreich geschafft haben, sozusagen in die Selbstständigkeit entlassen zu werden und ihren Weg enthusiastisch und voller Tatendrang gehen zu können. Es war aus meiner Sicht wirklich beeindruckend, was wir damals gehört haben. Das kann aber nur dann gelingen, wenn bestmögliche und im Idealfall maßgeschneiderte Betreuungsformen in Anspruch genommen werden können, wenn ein Zusammenspiel von allen Beteiligten, nämlich dem Elternhaus, der Familie, den
Behörden, den Trägereinrichtungen, gewährleistet ist, wenn die Qualitätsstandards in diesem Bereich besonders hoch gelegt werden und diese Standards vor allen Dingen überall in Österreich gleich und für alle rund 35 000 Kinder, die Unterstützung in der Erziehung erhalten, gleichermaßen erfahrbar sind.
Wir Sozialdemokraten sind einer Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe immer kritisch gegenübergestanden – das wissen Sie –, weil wir eben befürchtet haben, dass die Länder unterschiedliche Standards und Qualitätsrahmen zugrunde legen. Wir haben unsere Befürchtungen zuletzt auch in der Enquete dahin gehend ausgedrückt, dass es eben nicht sein kann, dass ein Kind in Vorarlberg unter Umständen nach einem anderen Qualitätsrahmen betreut wird als beispielsweise ein Kind in Wien oder Niederösterreich. Wir wissen aber auch, dass gerade in der Politik oftmals Kompromisse geschlossen werden müssen, und so ist diese 15a-Vereinbarung auch für uns zu sehen, nämlich als Kompromiss, auf den man weiter aufbauen kann und weiter aufbauen muss.
Positiv ist für uns, dass jetzt im Artikel 4 der Vereinbarung – im Bereich Weiterentwicklung von Standards – ganz klar geregelt ist, dass eine Änderung der Mindeststandards immer des Einvernehmens aller Vertragspartner, also aller Länder und des Bundes, bedarf. Das ist nicht nur für die betroffenen Kinder selbst, für die Eltern, für die Familien wichtig, sondern auch für die Trägerinstitutionen, die damit befasst sind.
Erfreulich aus unserer Sicht ist auch die Verpflichtung des Bundes, bei der Erstellung und Veröffentlichung einer bundesweiten Statistik der Kinder- und Jugendhilfe mitzuwirken sowie Kinderschutzforschung zu betreiben. Ich glaube, evidenzbasierte Weiterentwicklung ist in diesem Bereich ganz essenziell und, wie gesagt, durchaus positiv zu bewerten.
Unsere größten Kritikpunkte haben Niederschlag in der vorliegenden Artikel-15a-Vereinbarung gefunden, was wir im Lichte der UN-Kinderrechte und des heuer stattfindenden 30-jährigen Jubiläums der UN-Konvention als wichtigen weiteren Schritt ansehen. Eines muss aber klar sein: Die Kinder- und Jugendhilfe braucht die höchste Qualität und dementsprechend zugrunde liegende Qualitätsrahmen, die nicht nur bundesweit einheitlich sind, sondern auch laufend evaluiert und weiterentwickelt werden müssen – und das im besten Fall unter Einbeziehung aller Stakeholder, sprich aller Interessengruppen.
Ich darf dazu einen Entschließungsantrag zur Installierung eines ExpertInnengremiums im Sinne eines Fachbeirats zur bundesweiten Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe einbringen. Dieser Fachbeirat soll aus VertreterInnen der ARGE Kinder- und Jugendhilfe, der Kinder- und Jugendanwaltschaft, dem Kinderrechte-Board, den Care Leavern selbst, VertreterInnen der Trägerorganisationen sowie der wissenschaftlichen fachspezifischen Forschung zusammengesetzt sein.
Entschließungsantrag
der Bundesrätinnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ExpertInnengremium zur bundesweiten Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend wird ersucht, möglichst rasch ein Fachgremium, in der vom Kinderrechte-Board vorgeschlagenen Zusammensetzung, zur Weiterentwicklung und kontinuierlichen Evaluierung einzurichten.“
*****
Geschätzte Damen und Herren! Kinder, die in welcher Form auch immer in der Betreuung der Kinder- und Jugendfürsorge stehen, müssen sich oftmals mit extrem belastenden Situationen auseinandersetzen, sei es physischer, aber auch psychischer Natur. Gerade für die weitere Entwicklung dieser Kinder ist es ganz, ganz wesentlich, die beste Versorgung durch die Kinder- und Jugendhilfe zu gewährleisten.
In diesem Sinne darf ich Sie alle dazu einladen, unserem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu erteilen – für das Wohl aller Kinder in Österreich, also auch jener Kinder, die eben nicht unter den besten familiären Grundvoraussetzungen aufwachsen können. Ich glaube, dass wir heute ein wichtiges Zeichen dafür setzen, einen weiteren Schritt in dieser Entwicklung zu machen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
11.50
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Der von den Bundesräten Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „ExpertInnengremium zur bundesweiten Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Rosa Ecker zu Wort. Ich erteile es ihr.
Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Geschätztes junges Publikum, das auf der Galerie ganz interessiert zuhört, ohne dass ein Einziger ein Handy in den Händen hält!
Familie ist ein offenes System – immer im Wandel, abhängig von den aktuellen Lebensbedingungen. Diese sich wandelnden aktuellen Lebensbedingungen sind oft der Grund dafür, dass es eine Familie im Alltag nicht schafft. In diesen Fällen übernimmt der Staat bis dato die Verantwortung, wobei die Kinder- und Jugendhilfe zuständig ist, wie wir heute schon öfter gehört haben.
In welchem Ausmaß das der Fall ist, wird deutlich, wenn man sich die Zahlen anschaut: 2016 wurden 52 838 sogenannte Erziehungshilfen an Familien gewährt, davon waren drei Viertel Unterstützung in Erziehung, Beratung und anderes und ein Viertel, also der Rest, volle Erziehung. Im Vergleich zu 2015 stieg 2016 die Anzahl um 3 Prozent, und das ist auch in den Jahren danach nicht wirklich besser geworden.
Die Kinder- und Jugendhilfe sorgt für Unterstützung, und zwar genau so, wie es die Familien brauchen, damit eine Gefahrenabwendung und der Verbleib des Kindes in der Familie möglich ist. Das Ziel ist die Stärkung.
Bisher war die Grundsatzgesetzgebung beim Bund und die Ausgestaltung der Ausführungsgesetze sowie die Vollziehung der zugehörigen Verordnungen lagen – und liegen noch immer – beim Land.
Herr Kollege Stögmüller hat sich so über die Unterschiedlichkeiten und die verschiedenen Möglichkeiten echauffiert, die sich dann im negativen Sinne ergeben würden. Man muss aber ganz sachlich feststellen, dass sich die Unterschiedlichkeiten bereits jetzt wie ein roter Faden durch alle Bundesländer ziehen. (Bundesrat Stögmüller: Deshalb ... eine Evaluierung geben!) Man hat es auch bei der Umsetzung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013 nicht geschafft, eine Vereinbarung des Bundes mit den Ländern zustande zu bringen. (Bundesrat Stögmüller: Deswegen gibt es eine Evaluierung, die nicht ...!) Es ist zudem so, dass die Zuständigkeiten in den Bundesländern in unterschiedlichen Ressorts liegen, zum Beispiel in Oberösterreich im Sozialressort.
Ich denke, alle Kolleginnen und Kollegen hier im Saal werden es wissen, aber die jungen Damen und Herren auf der Galerie überlegen nun vielleicht, wie es das denn geben kann, dass es da so verschiedene Zuständigkeiten gibt und der Bund mit den
Ländern quasi in Konkurrenz steht: Wir sprechen in Österreich von einem förderalistischen System, von einem Förderalismus, das heißt, der Bund und die Länder (Bundesrat Schennach: Fö! Fö!) – Föderalismus, ja – teilen sich eben manches in der Verwaltung, und die Länder haben in der Verwaltung großen Einfluss.
Es gibt nun zwei verschiedene Möglichkeiten – Kollege Stögmüller hat festgestellt, der Bund will sich quasi das Geld sparen oder die Verantwortung abgeben –, um Verwaltungsvereinfachungen herzustellen: Die eine Möglichkeit ist, eine neue Bundeskompetenz zu schaffen, die andere, den Ländern mehr Kompetenzen zu geben; dafür gibt es auch einen Begriff, den sich vielleicht manche merken könnten, nämlich kooperativer Föderalismus.
Ich denke, dass von den Möglichkeiten, die die Kinder- und Jugendhilfe auch in den einzelnen Ländern hat, dieser kooperative Föderalismus in Form einer Artikel-15a-B-VG-Vereinbarung eine gute Möglichkeit ist. Ich habe das im Vorjahr auch schon bei der Enquete genauso artikuliert. Ich habe das auch im Burgenland beim Besuch des Kinderrechteausschusses artikuliert. Ich bin auch davon überzeugt, dass diese Vereinheitlichung und damit eine Vereinfachung möglich ist.
Wenn man bei den Unterschiedlichkeiten bleibt: Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um sachliche Dinge. Es gibt da verschiedene Zugänge in den Bundesländern. So sind zum Beispiel in Oberösterreich von 1 000 Kindern und Jugendlichen nur sechs – und das sind schon zu viele – im Rahmen einer Erziehungshilfe untergebracht. Wenn man das mit Kärnten vergleicht: Dort sind das elf von 1 000 Kindern.
Es gibt Fälle, bei denen man als Betreuungsperson in diesem Beruf oft eine Gänsehaut bekommt, zum Beispiel wenn man hört, dass Kinder aus Wien, die wegen Gefährdung aus der Familie genommen worden sind, zur Krisenpflege ins Burgenland kommen und von dort dann in weiterer Folge für eine – hoffentlich – Dauerunterbringung nach Oberösterreich, wenn es für das Kind am besten ist.
Zum Beispiel im Jahr 2017 haben wir 45 Kinder bei angestellten Pflegeeltern gehabt, wobei 41 von diesen 45 Kindern allein vom Magistrat Wien kamen; das kann nicht sein. Ich denke, das kann nicht unser Wunsch sein. Das ist für die leiblichen Eltern und für die Kinder, aber auch für die Betreuungspersonen eine riesige Belastung. Es kann nicht sein, dass ein Bundesland nicht für seinen eigenen Bedarf – warum auch immer der gegeben ist – sorgt. Das ist mein Zugang dazu und das ist unser aller Wunsch, auch wenn wir verschiedene Zugänge zu den Lösungsmöglichkeiten haben: Wir müssen für den eigenen Bedarf eine Lösung finden und wir müssen gleiche Regelungen in allen Bundesländern finden.
Wenn man sich diese unterschiedlichen Landesgesetzblätter ansieht – ich habe das wirklich einmal sehr genau gemacht und hochgerechnet –, dann zeigt sich zum Beispiel beim durchschnittlichen Pflegekindergeld, wenn man es auf zehn Jahre berechnet, eine Differenz von 325 Euro pro Monat im Vergleich von Salzburg mit dem Burgenland, wodurch sich da der erkleckliche Betrag von 39 000 Euro ergibt. Herr Stögmüller, so viel zum Thema: Wo ist das Kind mehr wert? – Es ist schon jetzt so.
Die Fachkräfte in den einzelnen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe sind mit sehr, sehr vielen Anforderungen konfrontiert. Dieses Hin und Her zwischen den Bundesländern trägt nicht dazu bei, es zu vereinfachen.
Wenn man als Oberösterreicherin hier vorne steht, dann doch auch mit dem positiven Touch, dass wir in Oberösterreich ein sehr gutes System haben. Das Vieraugenprinzip funktioniert wirklich sehr gut. Oberösterreich war auch ein Vorreiter bei den Angeboten der frühen Hilfen, bei denen bereits für schwangere Mütter, für Familien beziehungsweise für Elternteile eine besondere Begleitung in dieser Lebenssituation angeboten wird, was auch gut funktioniert.
Es sind in den Bundesländern verschiedene Ebenen zu schaffen – wie es eben nun im Artikel 1 steht –, „um das Auftreten, die Fortsetzung und die Folgen von Risikolagen für Kinder und Jugendliche zu verhindern“.
Es ist auch eine Tatsache, dass Länder in der Selbstverwaltung – wir sitzen hier in der Länderkammer – einfach besser auf ihre Spezifika Rücksicht nehmen können und Lösungen für Situationen einfach besser auf einzelne Fälle abstellen können. Trotzdem ist es wichtig, dass es Standards gibt. Die Länder haben sich auch dazu verpflichtet, diese zu suchen, zu finden und gemeinsam weiterzuentwickeln.
Ich möchte noch einmal betonen – weil es der Sektionschef in der Ausschusssitzung wirklich so gesagt hat –: Das ist eine Vereinbarung, ein rechtlicher Vertrag – keine bloße Willenserklärung – und damit einklagbar.
Der Bund wird die Länder weiterhin mit Statistiken und mit der Kinderschutzforschung unterstützen. Es gibt auch schon einiges, das gemacht worden ist. So gibt es zum Beispiel eine gute Studie aus dem Jahr 2015 vom Institut für Familienforschung.
Für mich ist auch wichtig, dass der Informationsfluss von den Krankenhäusern, von den Kinder- und Jugendwohlfahrten und den Schulen weitergegeben wird, um diesen Wechsel, diese Flucht von manchen Familien in ein anderes Bundesland – um manchen Vorgängen zu entgehen – zu verhindern.
Mit dieser Regierungsvorlage müssen sich die Länder definitiv mit diesen angesprochenen Bereichen beschäftigen. Wir werden bezüglich eines Expertengremiums sicher nicht der nächsten Regierung vorgreifen (Bundesrat Stögmüller: Ja, jetzt plötzlich!), denn – noch einmal, ich habe es auch bei der Enquete gesagt –: Wir sind hier in der Länderkammer. Haben wir Vertrauen in unsere Länder!
Wenn ich von Oberösterreich sprechen darf: Ich weiß, dass da sehr, sehr viele Entwicklungen möglich waren, wie die Vereinheitlichung der Ansprüche in den einzelnen Bezirken, da auch Bezirke autonom waren. Wir haben das vor drei Jahren, glaube ich, geschafft, dass diese Ansprüche in allen Bezirken gleichlautend umgesetzt werden. Ich denke, es gibt da vielleicht viel Struktur, die man übernehmen kann. Man kann das auch noch viel besser weiterentwickeln.
Ich bin davon überzeugt, dass unsere Länder diese Herausforderungen annehmen und damit auch positive Entwicklungen erreichen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
11.59
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.
Wir gelangen zur Abstimmung.
Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.
Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „ExpertInnengremium zur bundesweiten Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“ vor.
Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.
3. Punkt
Wahl der beiden Vizepräsidenten/innen, der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2019
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.
Mit 1. Juli 2019 geht der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Niederösterreich über, und gemäß Art. 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ist der an erster Stelle entsendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Karl Bader, zum Vorsitz berufen. Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.
Wahl der Vizepräsidenten/innen
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.
Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.
Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.
Es liegt mir ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Hubert Koller, MA lautet.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall.)
Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.
*****
(Bundesrat Hubert Koller, MA bedankt sich und nimmt die Wahl an.)
*****
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.
Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates.
Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hierfür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.
Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. lautet. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung Vizepräsident Brunner –: Kennst du den?)
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätin Mühlwerth: Jetzt kannst du dich selber fragen, ob du die Wahl annimmst! Ich frage dich jetzt: Nimmst du die Wahl an!) – Ich darf mich, ohne mich selbst zu fragen, ganz herzlich für das Vertrauen bedanken. Ich nehme die Wahl sehr gerne an.
Wahl der Schriftführer/innen
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir kommen nun zur Wahl der Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführer.
Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Marianne Hackl, Gerd Krusche, Wolfgang Beer und Andrea Wagner für das 2. Halbjahr 2019 zu Schriftführerinnen beziehungsweise zu Schriftführern des Bundesrates zu wählen.
Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Das ist nicht der Fall.
Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.
Ich darf die Gewählten fragen, ob sie die Wahl annehmen.
*****
(Die BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Marianne Hackl, Gerd Krusche, Wolfgang Beer und Andrea Wagner nehmen die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)
*****
Wahl der Ordner/innen
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir kommen nun zur Wahl der Ordnerinnen beziehungsweise Ordner.
Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Dr. Peter Raggl, Elisabeth Grimling und Peter Samt für das 2. Halbjahr 2019 zur Ordnerin beziehungsweise zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.
Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor.
Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.
Ich darf auch da die Gewählten fragen, ob sie die Wahl annehmen.
*****
(Die BundesrätInnen Dr. Peter Raggl, Elisabeth Grimling und Peter Samt nehmen die Wahl an. – Allgemeiner Beifall.)
*****
Herzliche Gratulation an alle.
Die Tagesordnung ist erschöpft.
Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich darf noch bekannt geben, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwei Anfragen eingebracht wurden.
*****
Als nächster Sitzungstermin wird Donnerstag, der 4. Juli, 12 Uhr, oder Freitag, der 5. Juli, 12 Uhr, in Aussicht genommen. Das wird sich nächste Woche klären.
Die Ausschussvorberatungen sind für 10 Uhr des jeweils selben Tages vorgesehen.
Ich wünsche einen schönen Nachmittag.
Die Sitzung ist geschlossen.
Schluss der Sitzung: 12.05 Uhr
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