Stenographisches Protokoll

8. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Dienstag, 8. Feber 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

8. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Dienstag, 8. Feber 2000

Dauer der Sitzung

Dienstag, 8. Feber 2000: 12.01 – 14.06 Uhr

15.01 – 18.20 Uhr

*****

Tagesordnung

(gemäß § 50 Abs. 2 GOG – siehe bitte S. 12)

Wahl des Dritten Präsidenten

*****

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein, Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner, Elisabeth Gehrer, Mag. Wilhelm Molterer und Dr. Wolfgang Schüssel 10

Angelobung der Abgeordneten Johannes Zweytick, Mag. Karin Hakl, Werner Amon, Walter Murauer und Dr. Reinhold Mitterlehner 10

Verzicht des Dritten Präsidenten Dr. Andreas Khol auf die weitere Ausübung dieses Amtes 12

Wahl des Dritten Präsidenten 12

Beschluss auf Durchführung einer Debatte 13

Redner:

Dr. Peter Kostelka 13, 20

Dr. Andreas Khol 15

Dr. Evelin Lichtenberger 16

Mag. Gisela Wurm 17

Ing. Peter Westenthaler 18

Karl Öllinger 21

Dr. Harald Ofner 23

Günther Platter 25

Wahlergebnis:

Dritter Präsident: Dr. Werner Fasslabend 26


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8. Sitzung / Seite 2

Personalien

Verhinderungen 9

Ordnungsruf 26

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 18/A betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 1. Mai 2000 zu setzen 12

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 12

Redner:

Dr. Peter Kostelka 74

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 75

Dr. Martin Graf 76

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 77

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 79

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz 13

Verlangen auf Durchführung der Wahlen in Wahlzellen 26

Unterbrechungen der Sitzung 26, 26, 27

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Amtsenthebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Bundesregierung sowie der Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten und des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt durch den Bundespräsidenten 9

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Ernennung seiner Person zum Bundeskanzler, von Dr. Susanne Riess-Passer zur Vizekanzlerin, von Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, von Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, von Dr. Elisabeth Sickl zur Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, von Mag. Karl-Heinz Grasser zum Bundesminister für Finanzen, von Dr. Ernst Strasser zum Bundesminister für Inneres, von Dr. Michael Krüger zum Bundesminister für Justiz, von Herbert Scheibner zum Bundesminister für Landesverteidigung, von Mag. Wilhelm Molterer zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, von Elisabeth Gehrer zur Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, von Dipl.-Ing. Michael Schmid zum Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr, von Franz Morak zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt, von Mares Rossmann zur Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, von Universitätsprofessor Dr. Reinhart Waneck zum Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und von Dr. Alfred Finz zum Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen sowie Betrauung des Bundesministers Mag. Wilhelm Molterer mit der vorläufigen Leitung des


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8. Sitzung / Seite 3

Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie durch den Bundespräsidenten 9

Ausschüsse

Zuweisungen 11

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend persönliche und politische Verantwortung für den wirtschaftlichen Schaden und die außenpolitische Isolierung Österreichs auf Grund der Haider-Schüssel-Regierungsbildung (322/J) 27

Begründung: Dr. Alexander Van der Bellen 33

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 37

Debatte:

Dr. Peter Pilz 44

Dr. Alfred Gusenbauer 46

Paul Kiss 48

Ing. Peter Westenthaler 50

Mag. Ulrike Lunacek 53

Peter Schieder 55

Dr. Michael Spindelegger 57

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 59, 72

Dr. Alfred Gusenbauer (tatsächliche Berichtigung) 60

Helmut Haigermoser 60

Dr. Alexander Van der Bellen (tatsächliche Berichtigung) 62

Dr. Gabriela Moser (tatsächliche Berichtigung) 63

Dr. Kurt Grünewald 63

Dr. Elisabeth Pittermann 64

Mag. Herbert Haupt 66

Dr. Peter Pilz (tatsächliche Berichtigung) 67

Mag. Walter Posch 68

Dr. Helene Partik-Pablé 69

Mag. Helmut Kukacka 70

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel gemäß Artikel 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung 46, 74

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 11

22: Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind

40: Gesetzliches Budgetprovisorium 2000

Berichte 11

Vorlage 5 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 1999; BM f. Finanzen


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8. Sitzung / Seite 4

Vorlage 6 BA: Bericht gemäß § 65 Absatz 5 des Bundeshaushaltsgesetzes über das Eingehen, die Prolongierung und die Konvertierung von Finanzschulden und Währungstauschverträgen im Finanzjahr 1999; BM f. Finanzen

Vorlage 7 BA: Bericht über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahre 1999; BM f. Finanzen

Vorlage 8 BA: Bericht betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundesvermögen im Jahr 1999; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. 60/1974 in der Fassung BGBl. I 153/1998 geändert wird (Novellierung des § 64 StGB) (82/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über das Grundrecht auf Gesundheit (83/A)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Erstellung einer fundierten Studie über die Einführung einer Verkehrserregerabgabe (84/A) (E)

Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und andere Bundesgesetze geändert werden (Bundesministeriengesetz-Novelle 2000) (85/A)

Anfragen der Abgeordneten

Franz Riepl und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Förderungen von österreichischen Aktivitäten und Veranstaltungen zur WHO-Initiative "Internationales Jahr der älteren Menschen" 1999 (314/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Präsidenten des Rechnungshofes betreffend Wettbewerb Hauptbahnhof (315/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Direktorenbestellung (316/J)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Verbesserung der Situation von freiwilligen MitarbeiterInnen im humanitären Auslandseinsatz (317/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Verankerung wirtschaftlicher Grundsätze im WRG – Fehlen der am 14. Juli 1999 für die "nächsten Wochen" angekündigten "Vorschläge" einer BMU/BMLF-Arbeitsgruppe (318/J)

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Zunahme des Transitverkehrs durch Tschirganttunnel und Ausbau der Fernpassstraße (319/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Überfluggenehmigungen während der NATO-Angriffe auf Jugoslawien und Änderungen des Kriegsmaterialgesetzes (320/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Verankerung wirtschaftlicher Grundsätze im WRG – Fehlen der am 14. Juli 1999 für die "nächsten Wochen" angekündigten "Vorschläge" einer BMU/BMLF-Arbeitsgruppe (321/J)


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8. Sitzung / Seite 5

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend persönliche und politische Verantwortung für den wirtschaftlichen Schaden und die außenpolitische Isolierung Österreichs auf Grund der Haider-Schüssel-Regierungsbildung (322/J)

Dr. Josef Cap und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Werbeoffensive der Bundesregierung in internationalen Medien" (323/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Neonazikonto in Braunau (324/J)

Heinz Gradwohl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend die möglicherweise unkorrekte Verquickung von Parteipolitik und Amtsausübung (325/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Landesschulrat Steiermark, II (326/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend nicht legal in Verkehr befindliche Arzneimittel (Kryobulin S-TIM 3) (327/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Zusatzprotokoll zur UNO-Frauenrechtskonvention (328/J)

Franz Kampichler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Mieterhöhung bei Dienst- und Naturalwohnungen im Bereich der Justiz (329/J)

Anna Huber und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Semmering-Basistunnel (330/J)

Ludmilla Parfuss und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Baubeginn der Koralmbahn (331/J)

*****

Paul Kiss und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Sachbeschädigungen des Parlaments im Zuge von Demonstrationen (3/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (106/AB zu 103/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (107/AB zu 170/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (108/AB zu 110/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen (109/AB zu 209/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (110/AB zu 104/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (111/AB zu 102/J)


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8. Sitzung / Seite 6

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Hartinger und Genossen (112/AB zu 96/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (113/AB zu 144/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (114/AB zu 199/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (115/AB zu 101/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler und Genossen (116/AB zu 128/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Morak und Genossen (117/AB zu 97/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (118/AB zu 111/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen (119/AB zu 116/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Heinzl und Genossen (120/AB zu 180/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen (121/AB zu 213/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (122/AB zu 98/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Kampichler und Genossen (123/AB zu 205/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (124/AB zu 216/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (125/AB zu 192/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (126/AB zu 223/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler und Genossen (127/AB zu 95/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (128/AB zu 221/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (129/AB zu 222/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (130/AB zu 147/J)


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8. Sitzung / Seite 7

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Hartinger und Genossen (131/AB zu 106/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Hartinger und Genossen (132/AB zu 107/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Hartinger und Genossen (133/AB zu 108/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Hartinger und Genossen (134/AB zu 109/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Hartinger und Genossen (135/AB zu 175/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen (136/AB zu 212/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (137/AB zu 177/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen (138/AB zu 145/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (139/AB zu 157/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen (140/AB zu 122/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (141/AB zu 169/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler und Genossen (142/AB zu 133/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. MBA Sylvia Breitenfeld-Papházy und Genossen (143/AB zu 105/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler und Genossen (144/AB zu 127/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ridi Steibl und Genossen (145/AB zu 202/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Hans Sevignani und Genossen (146/AB zu 229/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen (147/AB zu 117/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen (148/AB zu 206/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler und Genossen (149/AB zu 135/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (150/AB zu 197/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (151/AB zu 227/J)


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8. Sitzung / Seite 8

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Kurzmann und Genossen (152/AB zu 113/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler und Genossen (153/AB zu 126/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (154/AB zu 155/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (155/AB zu 224/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen (156/AB zu 161/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (157/AB zu 151/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (158/AB zu 185/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (159/AB zu 191/J)

 


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8. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 12.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Präsident Dr. Andreas Khol.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich bitten, die Plätze einzunehmen, und ich eröffne die 8. Sitzung des Nationalrates zur anberaumten Stunde, eine Sitzung, die auf Grund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Absatz 6 der Geschäftsordnung einberufen wurde.

Die Amtlichen Protokolle der beiden vorangegangenen Sitzungen – also der 6. und der 7. – sind aufgelegen und ohne Einspruch geblieben; sie gelten daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Mag. Klima, Dr. Rada und der Zweite Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich möchte dem Hohen Haus folgende Mitteilung machen:

Vom Herrn Bundeskanzler sind ein Schreiben betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung sowie ein weiteres Schreiben eingelangt. Das zuerst genannte Schreiben hat folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 4. Februar 2000, Zl. 300.000/1-BEV/2000, die mit der Fortführung der Verwaltung betraute Bundesregierung sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten und den Staatssekretär im Bundeskanzleramt vom Amte enthoben hat.

Der Bundeskanzler"

*****

Ich nutze diese Gelegenheit gerne, dem scheidenden Herrn Bundeskanzler, den scheidenden Mitgliedern der Bundesregierung sowie den Staatssekretären ein herzliches Wort des Dankes und der Anerkennung für ihre Tätigkeit im Dienste der Republik Österreich zum Ausdruck zu bringen. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

*****

Es liegt mir weiters ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend die Ernennung der Mitglieder der Bundesregierung vor, das wie folgt lautet:

"Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 4. Feber 2000, Zl. 300.000/3-BVE/2000, mich gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundeskanzler ernannt hat.

Weiters hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz auf meinen Vorschlag ernannt:

Dr. Susanne Riess-Passer zum Vizekanzler,


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8. Sitzung / Seite 10

Dr. Benita Ferrero-Waldner
zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten,

Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten,

Dr. Elisabeth Sickl zum Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales,

Mag. Karl-Heinz Grasser zum Bundesminister für Finanzen,

Dr. Ernst Strasser zum Bundesminister für Inneres,

Dr. Michael Krüger zum Bundesminister für Justiz,

Herbert Scheibner zum Bundesminister für Landesverteidigung,

Mag. Wilhelm Molterer zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,

Elisabeth Gehrer zur Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten,

Dipl.-Ing. Michael Schmid zum Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr.

Ferner hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz

Franz Morak zum Staatssekretär ernannt und ihn mir zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben,

Mares Rossmann zur Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten beigegeben,

Universitätsprofessor Dr. Reinhart Waneck zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales beigegeben,

Dr. Alfred Finz zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Finanzen beigegeben.

Schließlich hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz bis zu einer Änderung des Bundesministeriengesetzes Herrn Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie betraut."

*****

Ich wünsche dem neuen Herrn Bundeskanzler, den weiteren Mitgliedern seiner Bundesregierung sowie den Staatssekretären für ihre Arbeit im Dienste der Republik Österreich den besten Erfolg. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde sind Mitteilungen eingelangt, wonach die Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein, Dr. Benita Ferrero-Waldner, Elisabeth Gehrer, Mag. Wilhelm Molterer und Dr. Wolfgang Schüssel mit sofortiger Wirkung auf ihre Mandate im Nationalrat verzichtet haben.

Anstelle des Abgeordneten Dr. Bartenstein wurde Herr Abgeordneter Johannes Zweytick, anstelle von Frau Abgeordneter Dr. Ferrero-Waldner Frau Abgeordnete Mag. Karin Hakl und anstelle von Frau Abgeordneter Elisabeth Gehrer Herr Abgeordneter Werner Amon in den Nationalrat berufen.


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8. Sitzung / Seite 11

Das frei gewordene Mandat des Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer erhält Herr Abgeordneter Walter Murauer, und anstelle des Herrn Abgeordneten Dr. Schüssel wurde Herr Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner in den Nationalrat berufen.

Da die Wahlscheine der Genannten vorliegen und die Genannten nach den mir gemachten Mitteilungen im Hause anwesend sind, werde ich sogleich die Angelobung der genannten Personen als Mitglieder des Nationalrates vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch die Frau Schriftführerin – ich bitte Frau Abgeordnete Haller, diese Aufgabe wahrzunehmen – werden die Mandatare ihre Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich darf daher die Frau Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel ersuchen.

Schriftführerin Edith Haller: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Haller leisten die nachstehend angeführten Abgeordneten die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe".

Johannes Zweytick, Mag. Karin Hakl, Werner Amon, Walter Murauer, Dr. Reinhold Mitterlehner.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke vielmals.

Ich begrüße die neuen Kolleginnen und Kollegen herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich nach § 23 Absatz 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 314/J bis 321/J.

2. Anfragebeantwortungen: 106/AB bis 159/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über das Verbot des Inverkehrbringens von kosmetischen Mitteln, die im Tierversuch überprüft worden sind (22 der Beilagen),

Gesetzliches Budgetprovisorium 2000 (40 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 1999 (Vorlage 5 BA),


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8. Sitzung / Seite 12

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 65 Absatz 5 des Bundeshaushaltsgesetzes über das Eingehen, die Prolongierung und die Konvertierung von Finanzschulden und Währungstauschverträgen im Finanzjahr 1999 (Vorlage 6 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahre 1999 (Vorlage 7 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundesvermögen im Jahr 1999 (Vorlage 8 BA).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, dass der Klub der Grünen nach § 93 Absatz 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt hat, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage – mit der Ordnungsnummer 322/J – der Abgeordneten Dr. Van der Bellen und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend persönliche und politische Verantwortung für den wirtschaftlichen Schaden und die außenpolitische Isolierung Österreichs auf Grund der Haider-Schüssel-Regierungsbildung dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung, die Sie alle kennen, werde ich diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf bringen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, dass Herr Abgeordneter Dr. Kostelka beantragt hat, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 18/A betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Geschäftsordnung des Nationalrates im Zusammenhang mit der Frage von Untersuchungsausschüssen geändert wird, eine Frist bis zum 1. Mai 2000 zu setzen.

Hiezu liegt auch das Verlangen von fünf Abgeordneten nach § 43 Absatz 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Kurzdebatte vor.

Diesem Verlangen ist stattzugeben.

Da aber für die heutige Sitzung bereits eine Dringliche Anfrage – wie soeben bekannt gegeben – eingebracht wurde, wird diese Kurzdebatte im Anschluss an die Verhandlung der Dringlichen Anfrage stattfinden.

Die Abstimmung wird unmittelbar nach Ende der Kurzdebatte stattfinden.

Amtsverzicht des Dritten Präsidenten Dr. Andreas Khol

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir weiters die Mitteilung vor, dass der Dritte Präsident des Nationalrates Herr Dr. Andreas Khol auf die weitere Ausübung dieses Amtes, also auf die Funktion des Dritten Präsidenten, mit Wirkung vom 7. Februar laufenden Jahres verzichtet hat.

Ich mache daher von der Möglichkeit Gebrauch, die Wahl des Dritten Präsidenten nach § 50 Abs. 2 der Geschäftsordnung unverzüglich auf die Tagesordnung dieser Sitzung des Nationalrates zu stellen. Dies ist auch in der Präsidialsitzung so vorbesprochen worden.

Wahl des Dritten Präsidenten

Präsident Dr. Heinz Fischer: In diesem Sinne gehe ich in die Tagesordnung ein und schreite zur Wahl des Dritten Präsidenten des Nationalrates.


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Es liegen mir dazu zwei Wahlvorschläge vor. Der Klub der Österreichischen Volkspartei hat einen Wahlvorschlag lautend auf Herrn Abgeordneten Dr. Werner Fasslabend vorgelegt.

Der Klub der Grünen hat einen Wahlvorschlag lautend auf Frau Abgeordnete Dr. Madeleine Petrovic vorgelegt.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich rege an – auch das haben wir in der Präsidiale vorbesprochen –, dass wir dazu eine Debatte durchführen, wobei keine Fraktion in dieser Debatte mehr als 20 Minuten Redezeit erhält.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so entschieden, und wir werden so vorgehen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte.

12.12

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Seit fünf Tagen ist diese neue Regierung im Amt – und dieses Haus gleicht einer belagerten Festung.

Die Regierung muss durch einen Geheimgang zur Angelobung gehen, und Diskutanten müssen den Österreichischen Rundfunk durch eine Hintertür verlassen. Allein das sind Anzeichen dafür, dass in diesen fünf Tagen Dinge in Frage gestellt worden sind, die in 55 Jahren mühsam aufgebaut wurden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Deswegen traut sich der Klima nicht ins Parlament!)

Was mich besonders betrübt macht, ist, dass zwar verbal da und dort Anerkenntnis der Berechtigung, Kritik zu üben, erfolgt – dem neu gewählten Klubobmann der Freiheitlichen aber nichts anderes einfällt, als darauf hinzuweisen, dass die Demonstranten bezahlt worden seien. (Zwischenruf des Abg. Mag. Haupt. ) – Herr Kollege, der Schelm spricht so, wie er denkt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben Demonstranten nie bezahlt! Ich sage Ihnen hier mit allem Nachdruck: Solange Demonstrationen gewaltfrei sind – und das fordern wir vorbehaltlos! –, verdienen sie als engagierte Meinungsäußerung unseren Respekt. Und ich zolle von hier aus den Demonstranten genau diesen Respekt. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei – als die größere – und von der Österreichischen Volkspartei als die kleinere Regierungsfraktion! In den Tagen vor der Regierungsbildung haben Sie davon gesprochen, dass diese Regierung Stabilität bringen werde. – Schauen Sie sich doch um in unserem Land und auch europaweit: Die Stabilität Österreichs war in 55 Jahren noch nie so in Gefahr, wie das derzeit der Fall ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Khol: Herr Präsident! Zur Sache! Kostelka ist schon bei der Dringlichen! – Rufe bei den Freiheitlichen: Zur Sache!)

Meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP: Sie haben Österreich gespalten – und isoliert. Und Ihr EU-Kommissar diktiert Ihnen aus Brüssel jene Bedingungen, unter denen er überhaupt bereit ist, weiter der Österreichischen Volkspartei anzugehören. (Rufe: Zur Sache!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Khol hatte seinerzeit Recht: Schwarz/blau ist bestenfalls ein "akzeptables Muster für eine Krawatte", und vor allem ist "mit den Freiheitlichen kein Staat zu machen". – Und Sie beweisen das von Tag zu Tag aufs Neue. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Welcher Tagesordnungspunkt ist das jetzt? Zur Sache! Die Dringliche ist erst am Nachmittag!)

Was wir jetzt erleben, ist eine neue Form der österreichischen "Normalität": Nach dreieinhalb Monaten (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) ist diese Wahl notwendig geworden, weil die


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ÖVP zuerst erklärt hat, und zwar unmittelbar vor als auch nach dem 3. Oktober: Wir sind in Opposition!, und dann als drittstärkste Partei unbedingt den Regierungschef stellen muss. Daher gibt Schüssel seine Klubobmannschaft auf und Khol kehrt dorthin zurück.

Ich möchte dem Herrn Kurzzeit-Präsidenten Khol aber dazu durchaus gratulieren, denn ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass es in Ihrer weiteren politischen Laufbahn noch von Vorteil sein wird, dieser Regierung nicht angehört zu haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich bin zumindest stolz darauf, dass dieser Regierung kein Sozialdemokrat angehört! (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Es ist dies eine Regierung der Einfallslosigkeit. Die ÖVP hat zuerst ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Klubobmann, wir sind beim Thema "Wahl des Dritten Präsidenten"! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Bravo, Herr Präsident! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich verbitte mir diesen Beifall! Das ist nicht Ihre Sache, sondern das ist vom Präsidium aus zu entscheiden! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Herr Klubobmann Kostelka, bitte fortzusetzen!

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (fortsetzend): Herr Präsident, ich kehre gerne zur Person des vorgeschlagenen Dritten Präsidenten, über den wir ja zu diskutieren haben, zurück. (Abg. Ing. Westenthaler: Themaverfehlung war das soeben!)

Meine Damen und Herren! Fürs Erste bekommen wir ja hier im Nationalrat ein "fulminantes" Präsidium: Dem Zweiten Präsidenten Prinzhorn legt dessen eigener Parteiobmann den Rücktritt nahe. – Sie wissen ja, meine Damen und Herren, dass Haider ausdrücklich in einer "ntv"-Sendung erklärt hat, dass, wenn dem so ist, dass Prinzhorn Ausländern gegenüber "kostenlose Verschreibung von Hormonen" behauptet hätte, er, Haider, Prinzhorn sofort aus der FPÖ ausschließen würde. (Abg. Mag. Trattner: Zitieren sollten Sie richtig! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich erwarte vom Zweiten Präsidenten Prinzhorn, und zwar unverzüglich, dass er entweder zurücktritt – oder klagt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Böhacker: Zur Sache! Wissen Sie, was Sache jetzt ist? Unglaublich!) Ich habe hier die Mitschrift – und Sie können sie nachher gerne haben, Herr Kollege Westenthaler – genau dieses Interviews, in dem Herr Präsident Prinzhorn erklärt: Sie, also Ausländerinnen, "bekommen zum Beispiel Medikamente zur Hormonbehandlung vom Sozialamt gratis, um ihre Fruchtbarkeit zu steigern". (Rufe bei den Freiheitlichen: Kommen Sie endlich zur Sache!) Das steht sehr wohl im Zusammenhang mit der Wahl zum Präsidium des Nationalrates.

Was ich auch festzustellen habe, ist, dass wir wirklich ein mehr als problematisches Präsidium bekommen haben, denn wir haben einen Zweiten Präsidenten, dem der Herr Bundespräsident Ministrabilität abspricht. Das heißt, einem Organ unseres Staates, dem zweithöchsten Staatsorgan, nämlich dem Präsidium des Nationalrates, gehört ein Mitglied an, dem seitens des Herrn Bundespräsidenten attestiert wurde, nicht würdig zu sein, einer österreichischen Bundesregierung anzugehören.

Und nunmehr, meine Damen und Herren, bekommen wir einen Dritten Präsidenten, der von der Österreichischen Volkspartei vorgeschlagen wird und zu dem fürs Erste festzustellen ist: Besonders parlamentsfreundlich hat er sich bisher nicht erwiesen: weder im Rechnungshof-Unterausschuss betreffend Nachrichtendienste noch im Verteidigungsausschuss, wenn es etwa um allgemeine Aussprachen ging. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und ihm, meine Damen und Herren, wird vom eigenen Parteiobmann und Bundeskanzler ebenfalls die Ministrabilität abgesprochen.

Das ist also jenes Präsidium, das Sie diesem Hause antun möchten! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Ich habe daher namens meiner Fraktion festzustellen, dass wir das Recht jeder Fraktion, im Präsidium des Nationalrates vertreten zu sein, nicht in Frage stellen. Das heißt aber noch lange nicht – und auch dafür bitte ich Sie um Verständnis –, dass wir den entsprechenden Kandidaten auch wählen. Wir haben daher in unserer Klubsitzung aus guten Gründen beschlossen, die Abstimmung jedem einzelnen Abgeordneten meiner Fraktion selbst zu überlassen. (Abg. Dr. Martin Graf: Das muss beschlossen werden! – Ironische Heiterkeit.) Ich mache Sie, Herr Präsident, sollten Sie unter diesen Voraussetzungen dennoch die Mehrheit bekommen, jetzt bereits darauf aufmerksam, im Sinne Ihrer bisherigen Amtsführung: Wenn Sie gewählt werden sollten, seien Sie sich bitte dessen bewusst, dass das Instrument Geschäftsordnung nicht ein Instrument in den Händen der Mehrheit gegen die Minderheit ist. Sie sind dem Haus verpflichtet, und auch ein Lächeln tröstet Sie nicht darüber hinweg. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Gilt das auch bei der Wahl des Ersten Präsidenten, Herr Kollege? – Abg. Mag. Schweitzer: Der Nasenring des Kostelka!)

12.21


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Andreas Khol. Er hat das Wort.

12.22

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerstehe der Versuchung, in diesem Ton zu antworten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe das Amt des Dritten Präsidenten zurückgelegt, weil unser Klubobmann Wolfgang Schüssel vom Herrn Bundespräsidenten zum Bundeskanzler ernannt wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Aus Protest zurückgelegt!)

Da mich der Klub und der Bundeskanzler gebeten haben, den Klub weiterzuführen, schlage ich nunmehr namens meines Klubs Herrn Dr. Werner Fasslabend zur Wahl zum Dritten Präsidenten vor. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Werner Fasslabend war Abgeordneter in diesem Haus, ist somit allen bekannt. Er war immer wieder in kontroversiellen Diskussionen, aber er ist ein Mann, der das Format hat, das Amt des Dritten Präsidenten auszuüben. Es ist eine parlamentarische Usance, meine Damen und Herren, die nicht im Geschäftsordnungsgesetz festgeschrieben ist und daher von einer Mehrheit des Hauses auch umgestoßen werden könnte (Abg. Dr. Kostelka: Ist das eine Drohung?), dass jeder Fraktion ein Vorschlagsrecht zusteht, der ersten Fraktion, der zweiten Fraktion und der dritten Fraktion. Wir machen von diesem Recht Gebrauch und schlagen dem Haus einen sehr guten Kandidaten vor.

Wir werden uns die Abstimmung sehr genau anschauen und werden daraus unsere Schlüsse ziehen. (Abg. Dr. Mertel: Er droht!)

Ich erinnere daran, dass Frau Petrovic gesagt hat, Prinzhorn und ich wären parteiisch in der Vorsitzführung gewesen. Frau Petrovic! Mich hat dieser Vorwurf persönlich getroffen. Ich war gerne Dritter Präsident, und die beiden einzigen Maßnahmen während meiner Vorsitzführung, die ich getroffen habe, waren, dass ich einmal – ohne den Ruf zur Sache zu erteilen – Herrn Abgeordneten Dr. Pilz gebeten habe, bei einer Debatte über den Rechnungsabschluss nicht über andere Themen zu sprechen.

Ich habe aber in der gleichen Debatte, ohne dass dies vom grünen Klub verlangt worden wäre, Abgeordnetem Kukacka aus meiner eigenen Fraktion einen Ordnungsruf erteilt, weil er in Richtung von Dr. Pilz Ausdrücke gebraucht hat, die ich nicht wiederholen möchte. Mich trifft dieser Vorwurf, Frau Kollegin Petrovic, weil ich Sie immer als faire, wenngleich harte Kontrahentin kennen gelernt habe.

Ich darf noch einmal sagen: Wir haben in Werner Fasslabend einen Kandidaten für das Amt des Dritten Präsidenten, von dem wir voll überzeugt sind, dass er dieses Haus mit Würde und mit Sachkunde lenken wird. Ich bitte um Ihre Stimme für Werner Fasslabend. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Frau Abgeordneter Lichtenberger das Wort. – Bitte.

12.25

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Überraschung wurde zur Kenntnis genommen, dass nach dieser Regierungsbildung auch ein Austausch des Dritten Präsidenten des Nationalrates stattfinden wird und offensichtlich auch stattfinden muss. Ich möchte jetzt nicht in den Verdacht geraten, einen Khol-Fanklub gründen zu wollen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens hat er nicht nur den Vorsitz geführt, sondern auch gesagt, die Vorsitzführung werde sich ändern, weil sich die Mehrheitsverhältnisse geändert haben, und das auch dokumentiert, aber ich meine, dass es schon ein interessantes Signal ist, wenn Herr Kollege Khol nicht mehr im Präsidium ist. Wahrscheinlich hat er jetzt auch große Aufgaben im Klub. Er muss Abweichler disziplinieren, er muss die Debatten über die christlichen Grundwerte im ÖVP-Klub unter Kontrolle halten, damit sie nicht gegen das, was diese Koalition für die Zukunft plant, unter Umständen von einigen Abgeordneten in ihrem Abstimmungsverhältnis dokumentiert werden können. Er wird die Knute schwingen müssen, dafür wird er sehr, sehr viel Kraft und Energie brauchen. Deswegen muss man ihn offensichtlich aus der Position abziehen, in der er bis jetzt war.

Jetzt komme ich zum Kandidaten, den die ÖVP aufgestellt hat. Es gibt einige wesentliche Gründe, warum man gerade auf Herrn Fasslabend verfallen ist. Einer dürfte sicher sein, dass er in den letzten Monaten als Rechtsverbinder herrliche Dienste geleistet hat. Die ganze Zeit, während man offiziell noch Koalition mit den Sozialdemokraten gespielt hat, hat er immer ganz klar deklariert, wohin sich sein Herz schon längst gewendet hatte. Das war sicher ein Motiv, das zu seinem Vorschlag geführt hat.

Der zweite Punkt ist – und das ist jener, der mir besondere Sorgen macht –, dass wir hier einen Kandidaten für das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten haben, der in ganz anderen Zusammenhängen bekannt geworden ist als als guter Parlamentarier, denn als überzeugter Parlamentarier, denn als jemand, der das Parlament ernst nimmt und schätzt. Er ist hingegen bekannt geworden als jemand, dessen Waffen des Bundesheeres in jedem Krisengebiet auf der Welt in der letzten Zeit aufgetaucht sind, ein Waffenverscherbler für das Bundesheer ersten Ausmaßes. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist ja unglaublich, Herr Präsident!)

Er ist weiters bekannt geworden dafür, dass er ununterbrochen, und zwar konsequent, seit er Verteidigungsminister war, gegen die österreichische Neutralität gearbeitet hat. Er hat ununterbrochen alles versucht, um sich der NATO anzubiedern. Es gibt herrliche Fotodokumente über diese Anbiederung, es gibt Belege dafür, dass sein erstes Ziel war, Österreich in die NATO zu führen, auch wenn eine breite Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ganz anderer Ansicht ist und eine aktive Neutralitätspolitik einfordert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Was macht der Joschka Fischer?)

Fasslabend fühlt sich weder unserer Verfassung noch der österreichischen Neutralität, noch der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung verpflichtet. Das weckt in mir die Sorge, dass er sich den Spielregeln des Parlaments genauso wenig verpflichtet fühlen wird und dass der Parlamentarismus, dessen Wert in den nächsten Jahren mehr als steigen müsste, unter so einer Vorsitzführung nichts Gutes zu erwarten hat.

Dieser Minister hat auch zum Beispiel anlässlich der Katastrophe von Galtür massiv seine Inkompetenz zur Schau gestellt, indem er gesagt hat: Wir brauchen Hubschrauber, aber weil Galtür passiert ist, brauchen wir auch Abfangjäger. – Das waren Ihre Worte. (Zwischenruf des Abg. Großruck. ) Wie hätten wir denn die Katastrophe von Galtür mit Abfangjägern in den Griff bekommen sollen?

Wenn seine Vorsitzführung in diesem Hause von einem ähnlichen Geist geprägt sein wird, wie es in seinen öffentlichen Äußerungen zum Verkauf von Waffen, zu internationalen Krisen, zur NATO und gegen den Grundkonsens bezüglich der österreichischen Neutralität zum Ausdruck gekommen ist, dann, muss ich sagen, haben wir in diesem Haus keinen guten Präsidenten zu


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erwarten. Ein notorischer Neutralitätsaushöhler ist aus meiner Sicht als Dritter Präsident in diesem Haus für mich nicht akzeptabel. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte aber noch auf einen anderen Aspekt eingehen. Es haben sich viele gefragt, warum Herr Kollege Khol jetzt plötzlich nicht mehr als Präsident des Nationalrates akzeptabel ist. (Abg. Gaugg: Bitte zwei Sätze zu Petrovic!) Irgendwo kann man in den Prozessen der letzten Wochen die Gründe dafür schon recht deutlich ablesen.

Khol durfte zuerst nicht Innenminister werden – das konnte man ganz deutlich feststellen –, weil ein mächtiger Landeshäuptling sich dagegen ausgesprochen hat. Das Innenministerium ist eine Erbpacht Niederösterreichs, und deswegen darf da auch kein Tiroler hin. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum soll ich die Petrovic wählen?) Jetzt soll auch noch das Präsidium des Nationalrates zum "Parkplatz" von St. Pölten werden, weil man für den scheidenden Verteidigungsminister – das Ministerium überlässt man ja jetzt jemand anderem – einen Platzhalterjob haben wollte, damit Herr Pröll noch besser als bisher weiterhin seine politischen Spielchen im Hintergrund und im Vordergrund in dieser Sache spielen kann. Das ist der Zustand der ÖVP! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Warum beschimpfen Sie die Wähler?)

Aus diesem Grund haben wir uns von Seiten der Grünen entschlossen, Frau Madeleine Petrovic zu nominieren. Und das hat auch einen wichtigen Grund. Dieses Präsidium ist offensichtlich auch nach Ihrem Wunsch, nach Ihrer Meinung ein Männerverein. Sie haben ja sehr ambitionierte Worte zur Rolle der Frau in der Politik, zur Rolle der Frau in der Gesellschaft in Ihrem Koalitionspakt niedergeschrieben. Das hat sich gut gelesen. Aber es war wahrscheinlich keine Niederösterreicherin zur Verfügung, die dem Pröll gut genug war, seine Linie auf dieser Ebene zu vertreten. Also hat man sich wieder einmal einen Mann aussuchen müssen.

Wir stellen eine Frau zur Wahl, und wir stellen vor allem – und das ist mir besonders wichtig – eine überzeugte Parlamentarierin zur Wahl, die bis jetzt noch nie für eine dieser Positionen kandidiert hat, und zwar aus dem Grund, weil sie eine überzeugte, geeichte Parlamentarierin ist, weil sie die Bedeutung des österreichischen Parlaments ernst nimmt und ihm mehr Bedeutung verleihen möchte. Ich glaube, dass heute und hier christlichsoziale Abgeordnete, die sich ihrer Wählerschaft verpflichtet fühlen, ihr Rückgrat wieder aufrichten und gegen die Parteilinie, die ihr ja sicher genauso beschlossen habt wie die Sozialdemokraten, aber für das eigene Gewissen eintreten könnten. (Abg. Dr. Martin Graf: Mit dieser Rede haben Sie nicht einmal die Sozialisten überzeugt!)

Ich rede auch die vom Joch der Parteidisziplin befreiten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an. Sie haben heute auch die Möglichkeit zu zeigen, dass es Usancen gibt, die von der rechten Seite gebrochen werden und oft gebrochen werden. Sie haben sich ja bis jetzt üblicherweise gefesselt gegeben und gebeugt. Heute haben Sie die Möglichkeit zu zeigen, dass es so etwas wie Rückgrat gibt. Und heute haben auch aus dieser Hälfte des Parlaments überzeugte christlichsoziale Abgeordnete, die sich ihren Wählerinnen und Wählern auch im Sinne des Parlamentarismus verpflichtet fühlen, die Möglichkeit zu dokumentieren, dass es mehr gibt als Neutralitätsverräter als Präsidenten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Gisela Wurm. – Bitte.

12.36

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn heute oft von Courtoisie, von Usancen die Rede war, dann, muss ich sagen, stehe auch ich dazu. Ich habe als wackere Tirolerin damals, vor einigen Monaten, den wackeren, furchtlosen Tiroler Andreas Khol in diese Präsidentschaft gewählt. (Abg. Dr. Khol: Danke!) Aber eines ist mir uneinsichtig. Es ist mir uneinsichtig, warum wir jetzt nach einigen Monaten schon wieder wählen sollen, schon wieder einen neuen Präsidenten wählen sollen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Das ist etwas, was ich nicht so akzeptiere, nicht so sehe. Auch einem furchtlosen Tiroler Andreas Khol sage ich, dass es schrecklich ist,


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was sich jetzt durch diese Regierungsbildung von Blau und Schwarz in diesem Lande tut, was sich da wirtschaftlich tut. Ich wünsche mir, dass Sie auch mit Ihren Landsleuten in Tirol reden. Reden Sie mit Ander Haas aus dem Wipptal, reden Sie mit dem Herrn Lamp vom Kongresshaus, und fragen Sie sie, wie furchtlos diese jetzt sind oder ob sie Angst haben, Angst haben um ihre Existenz, Angst haben um den Wirtschaftsstandort Österreich, Angst haben um den Tourismus in Tirol. (Beifall bei der SPÖ.)

Doch nun zur Person des Kandidaten, der heute zur Wahl steht. Der Kandidat, der ehemalige Minister, jetzige Abgeordnete Fasslabend, hat, wie meine Vorrednerin schon erwähnt hat, nicht nur einmal im Ausland für die Neutralität gesprochen (Rufe bei der SPÖ: Dagegen!), hat nicht nur einmal im Gegensatz zum Wunsch der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher genau das negiert, was hier im Haus heute oder in der letzten Legislaturperiode Meinung war, hat sich mehr oder weniger auch mit schlüssigen Handlungen gegen die Neutralität und für einen NATO-Beitritt ausgesprochen. Wenn dieser Stil in diesem Hause hier vom Parlament aus, vom Präsidium aus Platz greifen soll, dann entspricht das nicht meiner, nicht unserer Vorstellung.

Ich möchte nur noch darauf hinweisen, warum ich auch Probleme mit diesem Kandidaten für die Funktion des Präsidenten des Nationalrates habe. Ich erinnere hier an die Affäre mit den Sturmgewehren, mit den Altwaffen, die verkauft wurden und dann in Krisengebieten wieder auftauchten. Das sollte, so meine ich, Thema eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses sein.

Etwas, was mich höchstpersönlich wirklich sehr gekränkt hat, war das Militärbefugnisgesetz. In der Regierungsvorlage, die Sie dem Haus vorlegen wollten – es wundert mich, dass vor allen Dingen nicht von dieser Seite und jener Seite größerer Protest gekommen ist –, wurden Grundrechtsverletzungen mehr oder weniger in einem Gesetz festgeschrieben. Es wurden das Recht auf Eigentumsfreiheit und auch die Privat- und Persönlichkeitsrechte beschränkt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das ist so der Geist. Davor haben auch sehr viele Angst, die jetzt auf die Straße gehen. Angst hat man jetzt in diesem Staate Österreich auch vor einem Metternich’schen Geist, der einkehren könnte. Was, denken sich viele, wird wohl aus unserem Österreich werden?

Ganz zum Abschluss möchte ich noch sagen, weil so etwas auch immer den persönlichen Kern trifft: Wenn die Leute, die Menschen, die einem das Vertrauen gegeben haben, wie bei Ihnen der ÖAAB, jetzt schon zu zweifeln beginnen, ob Sie der Richtige für den eigenen Verein sind, wenn die Leute, die Sie in die Position gebracht haben, schon daran zweifeln, ob Sie ihre Interessen noch vertreten, dann, meine ich, wäre es Zeit inne zu halten.

Aus all diesen Gründen, möchte ich sagen, kann ich Sie nicht wählen. Ich appelliere an Sie alle – Sie haben auf die Verfassung geschworen; auch heute haben wieder einige Abgeordnete die Gelöbnisformel gesprochen; Sie haben einen Eid abgelegt –, ich fordere Sie auf: Urteilen Sie heute, wägen Sie ab, und entscheiden Sie heute nach bestem Wissen und Gewissen! Setzen Sie ein Zeichen, geben Sie Ihre Stimme ab für unser Österreich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Er hat das Wort.

12.41

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen Satz zu meiner Vorrednerin: Sie haben uns mit vielen Worten mitgeteilt, dass Sie nicht schon wieder – nach so kurzer Zeit – einen Präsidenten wählen wollen. Frau Kollegin, zur Information: Erkundigen Sie sich in Ihrer Partei, in Ihrer Fraktion, die will nämlich schon jetzt wieder das gesamte Parlament neu wählen lassen. – Das ist die Wahrheit. Das wollen wir aber nicht, Frau Kollegin! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Lichtenberger! Was Sie heute in Diktion und Wortwahl hier vom Stapel gelassen haben, nach all den Aufforderungen zur Deeskalation, auch vom Präsidenten dieses Hauses via


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Fernsehen, muss schon auch gesehen werden: Sie haben heute eine Wortwahl der Polarisierung, der Eskalation, ja der persönlichen Beschimpfung verwendet. Frau Kollegin! Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Sie dürfen sich nicht darüber wundern, dass in einer solchen Situation eine solche Wortwahl hier herinnen (Abg. Öllinger: Das kommt von Ihnen! Der richtige Absender!) beim falschen Adressaten draußen das Wort zu Steinen machen kann. Und das müssen wir ganz entschieden ablehnen, Frau Kollegin Lichtenberger. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sollten zur Deeskalation beitragen, nicht zur Eskalation! (Abg. Jäger: Brandstifter!)

Ich wundere mich aber schon auch darüber, dass Sie heute, wenige Wochen später – die Wahl liegt ja noch nicht lange zurück; Sie selbst waren ja als Kandidatin für die Funktion des Dritten Präsidenten in diesem Haus nominiert –, nicht mehr nominiert wurden. Aber das ist eine Entscheidung Ihres Klubs, und offensichtlich ist Frau Petrovic nach Ansicht Ihres Klubs besser dafür geeignet. Das soll mich nicht kümmern. Sie müssen sich mit Ihrem Klub ausmachen, warum er entschieden hat, dass Sie nach wenigen Wochen nicht mehr geeignet sind, als Kandidatin anzutreten. Das ist an sich nicht unser Problem. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Kostelka! Das, was Sie hier gesagt haben, hat einen wirklich interessanten Einblick in die demokratischen Strukturen Ihres Parlamentsklubs gegeben. Sie stellen sich allen Ernstes hier an das Rednerpult und teilen dem Hohen Haus, den frei gewählten Mandataren mit: Wir haben beschlossen, dass unsere Abgeordneten in geheimer Wahl frei abstimmen dürfen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Kostelka! Sie haben heute nach so langer Zeit als Klubobmann das freie Mandat "erfunden" und entdeckt. Ich gratuliere Ihnen dazu und wünsche Ihnen damit alles Gute, dass es auch gut gehen kann! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben aber auch gesagt, dass es traurig ist, wenn eine Regierung unterirdisch zur Angelobung gehen muss und dass Diskussionsteilnehmer den ORF wegen Demonstrationen nicht durch den Haupteingang verlassen können – weil sie sich nicht stellen oder sonstiges; diesen Vorwurf haben Sie gemacht.

Ich frage mich aber Folgendes: Es gibt ganz massive, schwere Vorwürfe internationaler Art gegen den früheren Bundeskanzler und nunmehrigen SPÖ-Vorsitzenden, Oppositionschef Viktor Klima, dass er mit dem Sturm, der im Ausland entfacht worden ist, etwas zu tun hat. (Abg. Edlinger: Ich habe nicht gewusst, dass Kärnten Ausland ist!) Herr Kollege Kostelka! Ich frage mich: Warum ist der Platz neben Ihnen heute leer geblieben? Wo ist Klima, warum stellt er sich nicht der Debatte? Warum geht er nicht hier heraus? Warum klärt er die Vorwürfe nicht auf? – Er hat sich für diese beiden Tage entschuldigt, und das zeugt nicht gerade von Mut. Das muss man auch einmal ganz deutlich sagen, wenn Sie uns schon den Vorwurf machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch etwas: Sie haben sich hierher gestellt und den Demonstranten Respekt gezollt. – Okay. Sie haben aber kein einziges Wort – nicht ein Wort! – der Verurteilung der gewalttätigen Ausschreitungen gefunden ! (Abg. Dr. Khol: Für die Polizisten! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und ich sage Ihnen hier ganz offen: Sie zollen den Demonstranten Respekt – das ist Ihre Sache –, wir Freiheitliche zollen den vielen Sicherheitskräften Respekt, wir zollen Ihnen Anerkennung, vor allem den mehr als 50 verletzten Polizistinnen und Polizisten, die ihren Kopf für die Demokratie in Österreich hingehalten haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Mertel.  – Zwischenruf des Abg. Leikam. )

Wir verurteilen die Gewalt, die ausgegangen ist, die Mobilisierung der "Straße", Herr Kollege Kostelka. Wir finden es nicht in Ordnung, dass sozialistische Organisationen, Gewerkschaftsorganisationen, Grün-Organisationen, Spitzenfunktionäre an Veranstaltungen teilnehmen, bei denen es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt. (Abg. Leikam: Kein Abgeordneter hat die Exekutive so beschimpft wie der Herr Westenthaler!) Ich weiß, dass man da differenzieren muss, dass man nicht alle verurteilen soll, aber genau bei diesen Veranstaltungen ist es zu schweren Ausschreitungen gekommen. Das verurteilen wir, das wollen wir nicht.


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Ich sage Ihnen hier ganz offen – ich habe es schon einmal gesagt, und ich sage es wieder, Herr Kollege Kostelka; Sie sind seit wenigen Tagen in Opposition, und Sie mobilisieren weiterhin die "Straße" mit Ihren Vorfeldorganisationen und mit Ihrer Partei (Abg. Dr. Mertel: Erfinden Sie doch nicht solche Sachen!) – : Die Freiheitliche Partei Österreichs war 13 Jahre lang in Opposition. Wir waren eine harte, aber eine erfolgreiche Opposition, wir haben aber 13 Jahre lang nicht einmal die "Straße" gebraucht, um unsere Argumente umzusetzen. Nicht einmal, Herr Kollege Kostelka! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Jetzt ist ungefähr die gleiche Zeit für ein Thema außerhalb der Tagesordnung verwendet worden – und jetzt kommen wir wieder zum Thema "Wahl des Dritten Präsidenten"!

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (fortsetzend): Es zählt also das Argument, und das Argument sollte auch heute im Vordergrund stehen – in einer deeskalierenden Art und Weise und nicht in einer polarisierenden.

Wir Freiheitlichen bekennen uns zum Vorschlagsrecht, zu dem Grundkonsens, der in diesem Hause immer gewahrt worden ist. Wir sind sehr überrascht und verwundert, dass Sie sich erstmals von diesem Grundkonsens verabschiedet haben und diesen Grundkonsens bei der Bestellung der Präsidenten dieses Hauses nicht mehr aufrechterhalten.

Die ÖVP hat auf Grund des Wahlergebnisses vom 3. Oktober das Recht auf die Nominierung des Dritten Präsidenten – es ist heute kein Platz für persönliche Abrechnungen oder für Rechnungen, die persönlich beglichen werden müssen, Beschimpfungen oder Sonstiges.

Es ist schon abstrus, wenn hier wieder Vorwürfe aufgeheizt und aufgekocht werden, obwohl überhaupt kein Beweis auf dem Tisch liegt – bis heute alles zusammengebrochen ist – und die Vorwürfe nicht halten können.

Zur Person des künftigen Dritten Präsidenten Werner Fasslabend: Ihm ist Redlichkeit nicht abzusprechen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er ist ein aufrechter Demokrat. Es ist Ihnen in all der Zeit nicht gelungen, auch nur einen Punkt zu finden, der seine Redlichkeit und seine aufrechten Bekenntnisse zur Demokratie in irgendeiner Art und Weise auch nur einschränkt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Daher werden wir die Wahl des Dritten Präsidenten – die Nominierung ist ein Recht der ÖVP – unterstützen, dem Kandidaten Werner Fasslabend unsere Unterstützung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. Zweite Wortmeldung. Restliche Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

12.49

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Kollege Westenthaler! Auf das, was Sie gesagt haben, muss man in zwei Punkten eingehen. Das, was uns unterscheidet, ist, dass wir auf der einen Seite dem demokratischen Recht, die Meinung friedlich zu artikulieren, unseren Respekt erweisen (Beifall bei der SPÖ), gleichzeitig aber auch den Sicherheitskräften Dank und Anerkennung zollen. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Sie, Herr Kollege Westenthaler, wissen ganz genau, dass ich das als Erster der Politiker Freitag Mittag vergangener Woche getan habe. (Abg. Haigermoser: Haben Sie jetzt frische Kreide geschluckt?) Sie sind in diesem Zusammenhang wirklich einäugig, Sie sehen nicht, was Sie selbst getan haben. Sie haben beispielsweise aus ganz Österreich Demonstranten zusammengekarrt, um sicherzustellen, dass sich jemand darüber aufregt, dass Dr. Haider wegen seiner Aussprüche über die anständige Beschäftigungspolitik als Landeshauptmann abgewählt wurde. Von diesen Demonstrationen verabschieden Sie sich heute, obwohl Sie sie mit viel Geld organisiert haben – Sie und niemand anderer! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Nur so viel zum Demokratieverständnis: Sie haben gerade gesagt: Wir werden Dr. Fasslabend wählen. (Abg. Dr. Martin Graf: Unterstützen!)  – Ich bin davon überzeugt, dass auch der eine oder andere meiner Fraktion das tun wird, aber beschlossen haben wir das – so wie Sie – nicht. In unserem Klub gibt es eine absolute Meinungsfreiheit (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen), und das ist auch in den Klubstatuten festgehalten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Eine letzte Bemerkung, Herr Kollege Westenthaler – dass Sie schamvoll die Hand vor das Gesicht halten, verstehe ich! –: Es gab noch nie einen Sozialdemokraten, der es notwendig hatte, auf den Stimmzettel die Kurzbezeichnung der eigenen Fraktion zu schreiben – Ihre Fraktion hat das im Landtag gemacht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Hagenhofer! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Können Sie sich noch an die Frau Hagenhofer erinnern?)

12.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

12.51

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das, was mich etwas bedenklich stimmt, ist nicht der Ton hier herinnen, sondern die Tatsache, dass – obwohl ich mir sicher bin, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes großes Interesse haben – die Zuschauertribüne nach wie vor nur sehr schütter besetzt ist. Zu einer lebendigen Demokratie gehört trotz aller Sicherheitsmaßnahmen, meine Damen und Herren, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auch beteiligen können und dem, was hier herinnen geschieht, folgen können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: An wen richten Sie den Vorwurf?)

Herr Klubobmann Westenthaler! Da Sie hier mit etwas belegter Zunge vom Respekt gegenüber der Exekutive gesprochen haben, diesen ausdrücken wollen, möchte ich Sie, Herr Klubobmann, daran erinnern und ersuchen, dass Sie auch in einer privaten Situation, wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind und – zufällig in einem etwas eigenartigen Zustand – auf einen Polizisten treffen, diesen Respekt gegenüber der Exekutive zum Ausdruck bringen (Beifall bei den Grünen und der SPÖ) und hier nicht scheinheilig versuchen, die Exekutive zu instrumentalisieren. (Abg. Leikam: So ist es!)  – Respekt gegenüber der Exekutive auch als Person, bitte! (Abg. Leikam: "Idioten" hat er die Polizisten beschimpft!)

Herr Abgeordneter Khol! Trotz aller Differenzen, die ich mit Ihnen habe und hatte – und da gibt es viele –, habe ich Sie immer – ich habe das auch gegenüber Personen, die das nicht glauben konnten, vertreten – als leidenschaftlichen Parlamentarier geschätzt, als einen, der für die Sache streitet – nicht immer mit fairen Mitteln; gut, das machen wir alle nicht. Aber Ihr Ruf als leidenschaftlicher Parlamentarier hat für mich einen entscheidenden Knacks bekommen, als ich – es war im Fernsehen – die Meldung hörte, die auch Kollegin Lichtenberger schon gebracht hat: Angesprochen auf die Vorsitzführung als Präsident und auf die Kritik, die es an Ihrer Vorsitzführung gab, haben Sie gesagt: Die Mehrheiten haben sich geändert! – Diese Erklärung, Herr Präsident Khol, steht niemandem zu, auch nicht einem Präsidenten! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Und das passt nicht! (Abg. Ing. Westenthaler: Die Zeiten haben sich wirklich geändert!)

Herr Klubobmann Khol! Das zweite Problem, das ich mit Ihnen hatte, rührte daher, dass Sie in Ihre Funktion als Präsident das Amt des geschäftsführenden Klubobmanns mitgenommen haben. Das passt nicht, das ist eine schlechte Tradition. Insofern bin ich froh darüber, dass Sie das abgeben. Vielleicht, Herr Klubobmann, sehen wir uns in diesem Parlament – wenn auch mit völlig unterschiedlichen politischen Positionen – wieder als leidenschaftliche Parlamentarier. (Abg. Dr. Khol: Gerne!)

Ich frage Sie, Herr Dr. Fasslabend: Sind Sie ein leidenschaftlicher Parlamentarier? (Abg. Schwarzenberger: Das war er vor Ihnen schon! – Abg. Mag. Kukacka: Da waren Sie noch gar nicht im Parlament!)  – Herr Dr. Fasslabend, ich habe Sie kennen gelernt als einen Minister, der


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vehement für den Beitritt zur NATO eingetreten ist und gegen die Neutralität, die Sie als Minister – weil es sich hiebei auch um ein Verfassungsgesetz handelt – aber vertreten sollten.

Ich weiß schon: In der ÖVP, in der der Parteiobmann und jetzige Bundeskanzler öffentlich erklären kann, dass sich Neutralität mit der NATO verträgt, dass er darin keinen Widerspruch sieht, ist das offensichtlich kein Problem. Aber Gott sei Dank gibt es Gesetze, die die Neutralität schützen, die Sie als Minister zu vertreten gehabt hätten. Gott sei Dank gibt es auch noch eine Mehrheit in diesem Land – und die ist quer zur momentanen politischen Mehrheit –, die garantiert, dass Sie die Neutralität nicht so schnell völlig auflösen können – Sie haben ja schon einiges gemacht. Aber was qualifiziert Sie – in Ihrem Verhalten aus den letzten Jahren – zur Rolle als Parlamentspräsident?

Herr Abgeordneter Kostelka hat meiner Ansicht nach schon Recht: Sie sind als Minister abgehalftert worden. – Qualifiziert das zur Rolle als Parlamentspräsident? Was ist der Grund dafür, dass Sie nicht mehr Minister sind? – Nicht Ihre Einstellung zur Neutralität, zur NATO, nein, es war offensichtlich auch nicht Ihr Verhalten, das Sie als Minister an den Tag gelegt haben. Ich erinnere mich an sehr spannende Auseinandersetzungen, die Kollege Wabl mit Ihnen geführt hat, als es um die diversen Waffenaffären ging. Ich erinnere mich auch daran, dass Ihnen Herr Abgeordneter Wabl in diesen Auseinandersetzungen mehrmals die Unwahrheit nachgewiesen hat (Abg. Murauer: Vorgeworfen, nicht nachgewiesen!)  – und Sie haben nicht dagegenhalten können. (Abg. Schwarzenberger: Vorgeworfen, aber nicht nachweisen können!)

Herr Abgeordneter Fasslabend! Was qualifiziert Sie zu diesem leidenschaftlichen Parlamentarier, den wir brauchen, die wir brauchen, auch für dieses Amt? Die Parteilichkeit? – Niemandem streite ich das Recht ab, auch als Präsident des Nationalrates parteiisch zu sein, aber parteiisch wofür? Für die Partei – oder für dieses Land, für die Republik, für die Demokratie?

Herr Abgeordneter Fasslabend, das ist einer der Gründe dafür, dass wir Kollegin Petrovic vorschlagen. (Ruf bei der ÖVP: Ist sie noch Klubobfrau?) Sie alle in diesem Haus kennen sie. Sie alle in diesem Haus kennen sie als eine leidenschaftliche Kämpferin für Inhalte – ob das der Tierschutz, soziale Angelegenheiten oder Frauenangelegenheiten waren –, leidenschaftlich, mit Engagement. Meine Damen und Herren! Das ist einer der Gründe dafür, dass wir sie vorschlagen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. )

Einer der weiteren Gründe wurde schon genannt, meine Damen und Herren: Wir haben ein männliches Präsidium, ein Präsidium, dessen Wert schon sehr, sehr weit unten steht durch die Tatsache, dass wir einen Herrn Prinzhorn in diesem Präsidium ertragen müssen, der zum Bundespräsidenten dieser Republik sagte, er werde sich einen blutigen Kopf holen. Das müssen wir ertragen in diesem Parlament! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wir müssen einen Präsidenten Prinzhorn in diesem Parlament ertragen, über den sein eigener Parteiobmann sagt: Wenn er das gesagt haben sollte, dann gibt es den Parteiausschluss. – Und wir können es im ORF-Teletext schwarz auf weiß und in der "ZiB 2" sogar färbig nachvollziehen: Er hat es gesagt. (Ruf bei der SPÖ: Im Originalton! Live!)  – Was sind die Konsequenzen? Das ist ein Präsident dieses Nationalrates?

Und jetzt sollen Sie, Herr Abgeordneter Fasslabend, Präsident werden, weil Sie in der Regierung nicht mehr gelitten sind? Kann das so sein? Ist es das Streiten und die Leidenschaft für die Republik, für die Demokratie, das Sie auszeichnet? – Nein, Herr Abgeordneter Fasslabend!

Ich weiß schon, die "Usancen" werden dazu führen, dass Sie die dafür notwendigen Stimmen erhalten. Aber Sie erhalten auch schon jetzt unser Misstrauen auf diesem Weg zur Präsidentschaft. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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13.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Ich erteile ihm das Wort.

13.01

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wer alt genug und lange genug in diesem Haus ist, hat all das schon einmal erlebt: Man kommt in die Regierung, man fliegt wieder hinaus – das passiert immer wieder! Man kommt hinein, man ist überrascht, man ist erstaunt – wieso gerade ich? – und man ist dann drinnen! (Heiterkeit bei der SPÖ und bei den Grünen.) Man macht manches falsch, manches richtig. Und eines Tages ist man geschwind wieder draußen. Das ist in der Demokratie so, und das ist der Lauf der Dinge. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Nur zwei Sachen dürfen einem eigentlich nicht passieren. Ich möchte jetzt nicht sagen, man muss ein guter Verlierer sein – wer ist das schon, niemand ist es! –, aber man darf erstens nicht so offen zeigen, dass man ein schlechter Verlierer ist! Das ist es, was ich eigentlich darstellen wollte. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Niemand nimmt Niederlagen begeistert hin, aber man sollte doch den anderen nicht das Vergnügen bereiten, offen zur Schau zu tragen, dass man darunter leidet und auch die Hybris im alten griechischen Sinne in Kauf nimmt, nur weil man es so gar nicht aushält. (Abg. Grabner: Du hast ja auch gelitten!) Grabner, ich erkläre dir all das nachher von Niederösterreicher zu Niederösterreicher. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Und damit bin ich beim zweiten Punkt – das sei gerade auch an dich gerichtet –: Wir müssen doch bitte alle darauf achten, dass wir auch morgen noch miteinander reden und dass wir auch übermorgen einander in die Augen schauen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist völlig sinnlos, wenn wir uns jetzt bemühen – nicht hier im Plenarsaal, hier geht es ja gar nicht, sondern drüben in der Cafeteria –, uns unter dem Tisch gegenseitig gegen die Schienbeine zu treten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist nicht der Sinn der Übung! Wir machen es uns alle schwer! In der Politik läuft es eben so: einmal oben, einmal unten, einmal der Gigl, einmal der Gogl, das freut einen nicht, aber man muss es akzeptieren, sonst machen wir uns nur das Leben schwer. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist nicht zu fassen!)

Ich bin zwar nicht der Älteste im Haus – denn irgendjemand hat es zu Wege gebracht, einen noch älteren Freund wieder herein zu setzen –, aber ich bin schon sehr lange hier und appelliere daher an euch: Machen wir uns nicht wechselseitig das Leben schwerer, als es sein muss! Das wollte ich sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann auch die Krokodilstränen einiger meiner Vorredner nicht verstehen, die gemeint haben: Das haben wir notwendig gehabt, es gleicht das Parlament einer belagerten Festung, und beim ORF muss man sich durch das Hintertürl verabschieden! – Ja wer hat denn bitte die Dinge so organisiert? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nichts gegen das Recht auf Demonstration, aber erwartest du wirklich, mein lieber Freund, dass irgendjemand vorne hinaus geht, wenn draußen die Leute mit den Pflastersteinen in der Hand warten und die Rettung dort die Polizisten wegbringt? (Abg. Dr. Kostelka: Ich bin vorne hinausgegangen!) Du weißt doch bitte selbst, dass du da auf dem Holzweg bist! (Abg. Edler: Wer ist denn daran schuld?) Das ist die Methode "Haltet den Dieb!": Ich warte draußen mit dem Pflasterstein und sage dann, ihr seid feig und unfair, ihr geht beim Hintertürl hinaus. – Das ist doch bitte schön kein ehrliches Spiel! Krokodilstränen sind das, und Krokodilstränen sollte man nicht vergießen! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol. )

Ich habe das alles schon einmal erlebt. Ich kann mich noch an die erste Waldheim-Wahl erinnern, ich war damals Mitglied der Bundesregierung und habe gehört und erlebt, was es da für Überlegungen gegeben hat, die dann auch in die Tat umgesetzt worden sind. Genützt hat es dem Waldheim, Österreich hat es geschadet! (Abg. Schwemlein: Genützt hat es euch, geschadet hat es Österreich!)

Aber ich habe in meinen kühnsten Träumen nicht angenommen, dass sich all das wiederholen könnte und dass man jetzt sogar eine Regierung mit dem Waldheim-Effekt "unterstützt", dass Sie das wirklich auf sich nehmen, dass Sie wirklich vergessen haben, dass im Gefolge der


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seinerzeitigen Waldheim-Affäre sehr honorige Repräsentanten Ihrer Partei vor dem Strafrichter gestanden und auch verurteilt worden sind. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Ich nenne keine Namen, ich bin nicht voller Häme, aber solche Dinge sollte man sich merken. Man sollte nicht ein zweites Mal in dieselbe Falle hineintappen und auch noch das Land mit hineinziehen! Das ist es, was man, glaube ich, ablehnen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und jetzt zu der Problematik um die Wahl des Dritten Präsidenten. Es ist ein gefährliches Spiel, wenn man von der Usance, dass es nach dem Stärkeverhältnis zugeht und dass das Vorschlagsrecht der entsprechenden Parteien zu respektieren ist, abgeht und sich nicht daran hält. (Zwischenruf des Abg. Leikam. )

So wie die Dinge im Moment ausschauen, kann keine im Hause vertretene Partei damit rechnen, in absehbarer Zeit die absolute Mehrheit zu haben. Wenn ich nun aber in Kauf nehme, dass eine schwache Gruppierung beziehungsweise eine schwächere Gruppierung in ihrem Recht, ihren Kandidaten durchzusetzen, beschnitten wird, dann muss ich davon ausgehen, dass es einmal möglich sein wird, dass eine starke Gruppierung, die all das tun kann und der es von Gesetzes wegen auch nicht genommen wird, alle drei Präsidenten stellt. Und dann schauen Sie alle, die Sie an diesem Rednerpult jetzt so stark sind und sich gegen einen honorigen Demokraten wie Werner Fasslabend in Szene setzen, durch die Finger! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das können Sie machen, es ist Ihnen unbenommen, dass Sie den Standpunkt vertreten, wir wählen ihn nicht, wir wollen ihn nicht, uns gefällt ein anderer besser. Aber diese Usance anzuknabbern (Zwischenrufe bei der SPÖ), könnte bei der nächsten Gelegenheit über euch zusammenbrechen – auch über euch, liebe Freunde, denn angesichts der jüngsten Umfragen ist zu sagen, dass auch ihr die Position des Ersten nicht gepachtet habt. Bei der nächsten Gelegenheit sind vielleicht andere die Stärkeren, und wenn diese auch sagen, sie halten sich nicht an die Usancen, dann könnte es vielleicht einmal von einer anderen Partei als von den Sozialdemokraten drei Präsidenten geben. (Abg. Parnigoni: Diese Drohung ist eindeutig! – Abg. Edler: Wiederhole, was du gerade gesagt hast!) Wir werden das nicht tun, aber man sollte nicht vergessen, welches Türl damit aufgemacht werden würde. Es ist ein Türl, das sich für jeden von uns negativ auswirken könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zu jenem Kandidaten, um den es geht. Werner Fasslabend ist ein offener Politiker, er ist ein rechtschaffener Mann, und ihn zeichnet etwas aus, was nicht alle aus dem politischen Spektrum in den letzten Tagen und Wochen gezeigt haben, nämlich Respekt vor Wahlergebnissen, Respekt vor parlamentarischen Einrichtungen, insgesamt Respekt vor der Demokratie! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Denn wenn ich Wahlergebnisse nicht zur Kenntnis nehme, mich so aufführe, als ob diese nicht an der Urne zu Stande gekommen, sondern vom Himmel gefallen wären, dann halte ich mich nicht an die Regeln der Demokratie, dann halte ich mich nicht an die Regeln des Parlamentarismus, dann schade ich der Republik! (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Fasslabend hat sie immer respektiert, auch wenn es nicht zu seinem Vorteil gereichte, was die Demokratie gebracht hat und welche Wahlergebnisse es gegeben hat. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ausgenommen vielleicht die Verfassung und die Neutralität!)

Er genießt hohes Ansehen, und er ist – was ich persönlich besonders schätze – ein blendender Redner. (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Und während ich als schwacher Redner mich immer bemühe, mir mit einem Zettel in Erinnerung zu rufen, was ich alles sagen wollte, weil ich halt schon ein bisschen zu alt bin, um mir alles zu merken, besticht er alle Leute dadurch, dass er nicht einmal ein kleines Zetterl braucht, er spricht immer auswendig! Und auch das spricht für einen guten Politiker.

Mein Klubobmann hat es schon erwähnt, wir werden Fasslabend wählen. Bei uns ist es nicht notwendig, irgendetwas freizugeben oder nicht frei zu geben, denn bei uns ist immer alles frei!


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(Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Darum heißen wir auch Freiheitliche Partei! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Platter. Ich erteile ihm das Wort.

13.09

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute mit Interesse diese Debattenbeiträge verfolgt, und ich muss sagen, es ist teilweise ungeheuerlich, was hier gesagt wurde.

Leider Gottes müssen wir erleben, dass Demonstrationen durchgeführt werden, und eigentlich sollten wir hier in diesem Hause dafür sorgen, dass diese Aggressionen abgebaut werden. Und das kann ich heute bei einigen Debattenbeiträgen zweifellos nicht feststellen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bin im besonderen Maße von den Grünen enttäuscht, insbesondere von Frau Abgeordneter Lichtenberger (Abg. Dr. Lichtenberger: Das glaub’ ich!), einer Tirolerin, dass man so über den Andreas Khol spricht, der ausgezeichnete Arbeit in den letzten Jahren geleistet hat, ein hervorragender Demokrat ist, dass man so gegen die eigenen Leute vorgeht, als Tirolerin! Also solche Dinge würde ich in Zukunft nicht mehr machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: In Tirol gibt es keine niederösterreichische Geiselhaft! – Abg. Dr. Martin Graf: Ihr seid in der Geiselhaft vom Pilz!)

Meine Damen und Herren! Nun zu Werner Fasslabend. Ich habe Verteidigungsminister Werner Fasslabend als einen äußerst engagierten Minister kennen und schätzen gelernt. Er ist der längstdienende Verteidigungsminister seit Bestehen der Zweiten Republik in Österreich, und darüber hinaus ist er der längstdienende Verteidigungsminister in Europa. Das zeigt, welch besondere Qualifikation Herr Verteidigungsminister Werner Fasslabend nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bin der Meinung, dass Werner Fasslabend Österreich als Verteidigungsminister im Ausland hervorragend vertreten hat. (Widerspruch bei der SPÖ.) Er ist kein Minister, der populäre Äußerungen macht, sondern bestimmte Dinge ganz klar zum Ausdruck bringt, und dafür möchte ich dir, lieber Herr Verteidigungsminister, recht herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es wird nun kritisiert, dass der Verteidigungsminister Präsident wird – so ganz belanglos: Er wird jetzt Präsident des Nationalrates! Als Demokrat, als Parlamentarier bin ich der Meinung, dass dies ein Aufstieg ist. Es ist ja nicht das erste Mal, dass jemand als Minister ins Amt des Präsidenten gehoben wurde. Herr Fischer, Präsident des Nationalrates, war ebenfalls Wissenschaftsminister und ist nun geschätzter Präsident dieses Hauses. Daher bin ich der Meinung, dass es eine besondere Ehre und Freude für Ex-Verteidigungsminister Werner Fasslabend ist, wenn er von diesem Hause gewählt wird, Dritter Präsident dieses Hauses zu sein.

Und alle Vorwürfe, die hier gefallen sind, alle Mutmaßungen, die heute gekommen sind, gibt es in Wirklichkeit nicht. Es wurde nie eine Verurteilung ausgesprochen, sondern es wurden immer nur pauschale Anschuldigungen vorgebracht – das muss man gerade angesichts dieser Debatte in aller Deutlichkeit sagen! Und auch wenn man all diese Vorwürfe immer wiederholt, werden sie dadurch nicht wahrer. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Daher wünsche und hoffe ich, dass Werner Fasslabend heute in diesem Hause große Zustimmung bekommt. Solltest du gewählt werden, wünsche ich dir dafür alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte jedes Mitglied dieses Hauses gegen den Vorwurf "Verräter" in Schutz nehmen, auch in Verbindung mit einem Substantiv wie "Neutralitätsverräter"! Das gilt auch für Kollegen Fasslabend, den ich ebenfalls in Schutz nehmen möchte, daher erteile ich Frau Lichtenberger einen Ordnungsruf für den Ausdruck "Neutralitätsverräter".

Wir kommen nun zur Wahl des Dritten Präsidenten.

Es liegt mir ein Verlangen vor, die Wahl in Wahlzellen durchzuführen. Ich werde daher so vorgehen.

Auf die vorliegenden Wahlvorschläge ist bereits verwiesen worden. Es handelt sich dabei – um mit der Dame zu beginnen – um Frau Abgeordnete Dr. Petrovic und Herrn Abgeordneten Dr. Fasslabend.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung – § 87 Abs. 3 – auch jene Stimmzettel gültig sind, die auf andere wählbare Kandidaten entfallen.

Sie kennen die Geschäftsordnung: Die Wahl wird gemäß § 87 Abs. 7 GOG mittels Stimmzetteln durchgeführt. Es ist darüber hinaus das Verlangen gestellt worden, die Wahl in Wahlzellen vorzunehmen.

Ich unterbreche nun ganz kurz die Sitzung, damit wir die technischen Voraussetzungen für die Wahl in Wahlzellen schaffen können. Das wird in wenigen Augenblicken erledigt sein.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 13.14 Uhr unterbrochen und um 13.16 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und rufe Folgendes in Erinnerung: Der Stimmzettel, der zu benützen ist, wird samt Kuvert bei Namensaufruf durch die Frau Schriftführerin von den hiezu bestimmten Bediensteten, die hier links und rechts stehen, ausgegeben. Für die Wahl ist ausschließlich der amtliche Stimmzettel zu verwenden. Auf diesen ist der Name des gewünschten Kandidaten oder der gewünschten Kandidatin zu schreiben.

Nach dem Ausfüllen des Stimmzettels in der Wahlzelle ist dieser, im Kuvert verschlossen, in die bereitgestellte Urne zu werfen.

Ich bitte nunmehr Frau Schriftführerin Parfuss, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Frau Abgeordnete Haller wird sie zum gegebenen Zeitpunkt ablösen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Parfuss und Haller begeben sich die Abgeordneten in die Wahlzelle und werfen sodann die Stimmzettel in die Urne.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erkläre die Stimmabgabe für beendet.

Ich bitte die damit beauftragten Bediensteten unter Aufsicht der Schriftführer – und möglichst nur der Schriftführer! – die Stimmenzählung vorzunehmen.

Die Sitzung wird für diesen Zeitraum unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 13.46 Uhr unterbrochen und um 14.04 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen. Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Wahlergebnis bekannt wie folgt:

Es wurden 180 Stimmen abgegeben, davon waren 175 Stimmen gültig, was bedeutet, dass die absolute Mehrheit 88 Stimmen beträgt.


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Es entfielen auf Frau Abgeordnete Dr. Petrovic 40 Stimmen, auf Herrn Abgeordneten Dr. Fasslabend 116 Stimmen und 19 Stimmen auf andere Abgeordnete.

(Diese 19 Stimmen entfielen auf die Abgeordneten: Dr. Brinek: 8, Mag. Pecher: 3, Dr. Spindelegger: 1, Dr. Puttinger: 1, Dr. Khol: 1, Dr. Feurstein:1, Murauer: 1, Mag. Lunacek: 1, Dr. Bruckmann: 1, Dr. Zernatto: 1.)

Damit ist Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend zum Dritten Präsidenten gewählt, sofern er die Wahl annimmt, und ich frage ihn daher: Nehmen Sie die Wahl an?

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich nehme die Wahl an und bedanke mich bei allen, die mich gewählt haben, für das Vertrauen. Ich habe die Zielsetzung, ein Präsident für alle Abgeordneten, für den gesamten Nationalrat und das gesamte Hohe Haus zu sein. (Beifall bei der ÖVP, bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Fasslabend ist damit nach Annahme der Wahl zum Dritten Präsidenten gewählt. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich, ich bin überzeugt von einer guten Zusammenarbeit.

Ich nutze diese Gelegenheit auch dazu, Ihrem Vorgänger Dr. Khol für die Tätigkeit als Dritter Präsident in den vergangenen Monaten zu danken. (Abg. Leikam: Für die langjährige Tätigkeit!)

Die Sitzung wird nunmehr unterbrochen und um 15 Uhr fortgesetzt.

(Die Sitzung wird um 14.06 Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wieder aufgenommen. )

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Dr. Peter Pilz, Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an den Bundeskanzler betreffend persönliche und politische Verantwortung für den wirtschaftlichen Schaden und die außenpolitische Isolierung Österreichs auf Grund der Haider-Schüssel-Regierungsbildung (322/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich bitten, die Plätze einzunehmen, und ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf:

Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 322/J.

Diese Dringliche Anfrage ist inzwischen an alle Abgeordneten verteilt worden. Es erübrigt sich daher eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die freiheitlich-konservative Regierung hat binnen Stunden viel bewegt: Österreich ist außenpolitisch vollkommen isoliert, der Bundeskanzler und die Außenministerin sind in Europa weitgehend handlungsunfähig. Noch vor ihrem Amtsantritt hat die neue Bundesregierung für einen politischen und wirtschaftlichen Trümmerhaufen gesorgt. Die amtierende Außenministerin hat zurecht erkannt: ,Es ist vieles in Scherben gegangen‘.

Mit der Dringlichen Anfrage wollen wir die politische Verantwortung klären:

für die Machtübernahme durch eine rechtsextreme Partei

für die absehbare politische Isolation

für die außenpolitische Handlungsunfähigkeit

für den absehbaren wirtschaftlichen Schaden

und für die Irreführung der Öffentlichkeit, um von dieser Verantwortung abzulenken.


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Die Machtübernahme

,Die FPÖ unter Jörg Haider befindet sich außerhalb des Verfassungsbogens.‘ Klubobmann Andreas Khol hat rechtzeitig für die ÖVP klargestellt, warum eine politische Kooperation mit der FPÖ nicht in Frage kommt. Verharmlosung der Konzentrationslager als ,Straflager‘, Lob für die ,ordentliche Beschäftigungspolitik des 3. Reichs‘, freundschaftliche Kontakte zur Waffen-SS, Rassismus und Antisemitismus, Hetze gegen Künstler und politisch Andersdenkende – daran hat sich bis auf Serien von Halbentschuldigungen nichts geändert.

Jetzt verhilft die ÖVP der FPÖ nach Kärnten in ganz Österreich zur politischen Macht.

Die Isolierung

Die 14 EU-Partner Österreichs sind nicht bereit, eine Regierungsbeteiligung einer rechtsextremen Partei in Österreich zur Kenntnis zu nehmen. Für die USA stellte Außenministerin Madeleine Albright fest: ,There is clearly no place inside the governments who make up the Euro-Atlantic community, in a healthy democracy, for a party that does not clearly distance itself from the atrocities of the Nazi era and the politics of hate.‘

Im Gegensatz zu den EU-Staaten und den USA begrüßen Front National-Führer Jean Marie Le Pen, der italienische Neofaschisten-Fraktionschef Gustavo Selva und der serbische Präsident Slobodan Miloševic die Machtübernahme durch eine rechtsextreme Partei.

Die EU-Präsidentschaft hat inzwischen ihre Ankündigung wahrgemacht. Österreich ist in der EU isoliert. Der portugiesische Außenminister hat seinen Besuch in Wien zur Vorbesprechung des Lissabonner EU-Gipfels (,Tour des capitales‘) bereits abgesagt.

Die Erklärung der portugiesischen EU-Präsidentschaft im Namen von 14 Mitgliedstaaten – gemeinhin als ,EU-Sanktionen‘ bezeichnet – besteht aus vier Kernpunkten:

a) ,keinerlei offizielle bilaterale Kontakte auf politischer Ebene mit einer österreichischen Regierung zu betreiben oder zu akzeptieren‘

Das bedeutet: keine Staatsbesuche, keine Einladungen und Empfänge österreichischer Minister in EU-Ländern. Die Kommission betont zwar, dass die Arbeitsweise in den EU-Institutionen selbst nicht betroffen ist. De facto bedeutet das aber das völlige Abschneiden Österreichs von Informationen, vom ,Vorverhandlungstisch‘ – der informellen Verhandlungsrunde – und von der politischen Mitgestaltungsmöglichkeit. Österreich ist damit von der politischen Willensbildung ausgeschlossen.

Frankreich hat angekündigt, während seiner EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2000 die ,Sanktionen‘ gegen Österreich noch zu verschärfen. (Rede Lionel Jospins vor der französischen Nationalversammlung am 2.2.2000.) Österreich wird jedenfalls nicht mehr wie bisher in jede Phase des EU-Prozesses eingebunden sein (von der Ratsarbeitsgruppe über den Kommissionsausschuss bis zum Fachministerrat, wo die Vorbereitung der Diskussion über nationale Standpunkte größtenteils auf bilateraler Ebene erfolgt), sondern als nichts weiter als ein ,stiller Gast‘ in EU-Gremien sitzen.

b) ,keine Unterstützung für Kandidaten, die Positionen in internationalen Organisationen anstreben‘

Das bedeutet: Österreichische Nominierungen wie z.B. zum ,Hohen Beauftragten für Bosnien‘ werden aufgrund fehlender Unterstützung von Seiten der EU-Staaten und der USA kaum mehr möglich sein. Das gilt sicherlich auch für die Unterstützung österreichischer Beamter für hohe EU-Posten (A1, A2).

c) ,Österreichische Botschafter werden in den EU-Hauptstädten nur noch auf technischer Ebene empfangen‘


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,Auf technischer Ebene‘ bedeutet: Treffen nur noch mit Beamten und nicht mehr mit dem zuständigen Minister oder Regierungschef. Damit ist die Isolation auch in den Partnerländern vollständig.

d) ,kein business as usual‘ in den bilateralen Beziehungen

Dieser Punkt ist am unpräzisesten formuliert, dafür bietet er Spielraum für drastische Handlungen, wie zum Beispiel vollkommene Ächtung österreichischer Politiker, Beamter und Diplomaten ,hinter den Kulissen‘ (keine Arbeitsessen mehr, kein Verhandeln beim Nachmittagskaffee, keinerlei Informationsweitergabe etc.). In diese Richtung würden wahrscheinlich auch die weitergehenden französischen Sanktionen gehen. Insbesondere in den Arbeitsfeldern der künftigen FPÖ-Minister (ECOFIN, Sozialministerrat, Gesundheitsministerrat, Justizministerrat, Verkehrsministerrat) wäre Österreich vollkommen handlungsunfähig.

Die EU-Staaten können Österreich im Fall einer Regierungsbeteiligung der FPÖ auch ohne Vertragsverletzung durch Österreich faktisch völlig aus dem politischen Willensbildungsprozess ausschließen. Sie sind dabei, das zu tun.

Die Regierung Schüssel ist damit jenseits der Landesgrenzen handlungsunfähig. Eine in Europa handlungsunfähige Regierung ist aber auch innenpolitisch handlungsunfähig, da ein Großteil der politischen Willensbildung wie auch der praktischen Rechtsetzung in EU-Gremien passiert und Österreich ohne Teilnahme am Willensbildungsprozess (aber unter Aufrechterhaltung seiner vertraglichen Verpflichtungen und Bindungen!) EU-Recht in Österreich umsetzen müsste. Darüber hinaus ist auch Österreichs OSZE-Vorsitz gescheitert. Vom Konflikt in Tschetschenien bis zu gesamteuropäischen Initiativen steht die OSZE unter Österreichs Vorsitz jetzt kopf- und führungslos da.

Österreich wird damit von der politischen Willensbildung ausgeschlossen in der Vorbereitung

der EU-Regierungskonferenz

der Erarbeitung der Grundrechtscharta

der Entwicklung der GASP

der EU-Erweiterung.

Nach den Abgeordneten der FPÖ werden nun auch die der ÖVP im Europaparlament isoliert.

Die Regierung Schüssel hat es damit geschafft, Österreich noch vor der Regierungserklärung an den Rand Europas zu führen und zu isolieren.

Die Falschinformation

Wolfgang Schüssel behauptet, Österreich sei von der drohenden Erklärung nicht informiert und konsultiert worden. ,Davon kann keine Rede sein‘ meldet die dpa. ,Die Österreicher waren eindringlich vorgewarnt.‘ Der Berater des deutschen Außenministers, Michael Steiner, wandte sich gegen die Aussagen von Außenminister Schüssel. ,Steiner wies die Darstellung von ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel zurück, Wien sei über die EU-Überlegungen zu möglichen Konsequenzen nicht unterrichtet gewesen. Der gemeinsame Standpunkt der EU sei der Regierung in Wien vielmehr ,sehr, sehr deutlich‘ gemacht worden.‘

Wolfgang Schüssel ist als Außenminister vom Beginn der FP/VP-Verhandlungen an immer wieder von ausländischen Kollegen und Parteifreunden vor den Folgen einer Regierungsbildung mit der FPÖ gewarnt worden. Belgiens Ministerpräsident Guy Verhofstadt, Frankreichs Präsident Jacques Chirac, die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Nicole Fontaine, Spaniens Ministerpräsident José Aznar, Griechenlands Ministerpräsident Costas Simitis, Schwedens Ministerpräsident Göran Persson und Portugals Ministerpräsident Antonio Guterres haben rechtzeitig gewarnt. Trotzdem bleiben Schüssel und seine ehemalige Staatssekretärin und


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jetzige Außenministerin bei ihrer irreführenden Darstellung: ,Wir haben vorher wirklich nichts gewusst‘. Damit wird die österreichische Öffentlichkeit weiter falsch informiert.

Die Regierung Schüssel hat es damit geschafft, Österreich noch vor der Regierungserklärung im In- und Ausland unglaubwürdig zu machen.

Der wirtschaftliche Schaden

Nach der Ankündigung der freiheitlichen Machtübernahme hat die internationale Wirtschaft erwartungsgemäß reagiert. Der ATX ist allein am Tag der Angelobung um 3,46 Prozent gefallen. Binnen zweier Wochen ging an der Wiener Börse Vermögen von rund dreißig Milliarden Schilling verloren.

BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner stellt ein ,unglaubliches Versagen der österreichischen Außenpolitik‘ fest und befürchtet ,schreckliche Auswirkungen‘. So müsse man sich etwa fragen, welche Auswirkungen die Situation auf das Rating der Republik und damit auf die Verzinsung der Staatsschulden haben werde. Der Streit über die Regierungsbildung in Österreich könnte nach Einschätzung der internationalen Ratingagentur Standard & Poors (S&P) notwendige Wirtschaftsreformen verzögern und die Besteinstufung des Landes von AAA gefährden.

Bei Austrian Airlines wird die Lage als ,keineswegs hilfreich‘ eingeschätzt. Die AUA habe sich sehr auf das Österreich-Image gestützt und darauf Kampagnen aufgebaut. Den Imageschaden will man bei der AUA aber noch nicht abschätzen. Der Chef der staatlichen Betriebsansiedlungsgesellschaft Austrian Business Agency (ABA), Rene Siegl, berichtet von ,einigen Anfragen aus Japan und Korea‘, was denn im Lande los sei. Derzeit sei ,eine gewissen Verunsicherung, aber noch keine Katastrophe‘ zu bemerken. Bei Ansiedlungen von Betrieben würden meist rationelle Argumente überwiegen, aber ,einige Ausfälle wird es schon geben‘.

Überlegungen in den USA, sich Sanktionen der 14 EU-Staaten anzuschließen beziehungsweise die Beziehungen zu Österreich von Grund auf zu überdenken, stellen für den stellvertretenden Leiter der Außenwirtschaftsorganisation in der WK, Georg Schramel, für den Außenhandel Österreichs eine ,Verschärfung der Problemlage‘ dar. Durch den politischen ,Schneeballeffekt‘ sei das Problem einer spürbaren Isolation Österreichs nun ein ,globales‘ geworden.

Befürchtungen, ebenfalls ein Opfer der europaweiten Proteste gegen eine schwarz-blaue Koalition zu werden, hegt auch die heimische Nahrungsmittelindustrie. ,Es ist nicht auszuschließen, dass dadurch der Effekt der verstärkten Betonung der Österreich-Herkunft von Produkten verpuffen könnte‘, befürchtet Fachverbands-Geschäftsführer Michael Blass. Auch bei Standortentscheidungen könnte Österreich künftig anders beurteilt werden, sollte sich die derzeitige Krise ,zu einer Staatskrise‘ auswachsen. Die Kriterien, nach denen Neuinvestitionen von Weltkonzernen beschlossen werden, seien Stabilität, Berechenbarkeit und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes.

Erste Großaufträge sind bereits abgesagt worden. Das belgische Verteidigungsministerium hat angekündigt, die Bestellung von gepanzerten Rettungswagen beim Steyr-Konzern zu stornieren. Der Auftragswert beläuft sich auf 13,64 Millionen Schilling. Eine deutsche Spedition hat per Vorstandsbeschluss alle Aufträge mit österreichischen Unternehmen gekündigt.

,Die neue Regierung kann nicht zuwarten, sondern muss sofort im Ausland aktiv werden‘, lautet die Schlussfolgerung des Präsidenten der Wiener Wirtschaftskammer, Walter Nettig.

Bei seiner Pressekonferenz in Toronto war allerdings die Regierungsbeteiligung der FPÖ das Hauptthema.

Es gäbe derzeit zwar keine Pläne, Firmenstandorte in Österreich aufzulösen, aber Zurückhaltung bei der Neuansiedlung. Drei kanadische Unternehmen planten zwei Niederlassungen in Salzburg und eine in Wien. Die Projekte wurden vorerst aufgeschoben. ,Es ist mir gelungen, dafür zu sorgen, dass Vertreter der Firmen in der ersten Märzwoche nach Österreich kommen, um sich vor Ort ein Bild zu machen‘, berichtet Nettig.


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Im Tourismus hat eine Stornowelle begonnen. Nach der Absage erster Schulschiwochen überlegt Belgien, alle Schulschikurse in Österreich abzusagen. Erste Charterflüge mit österreichischen Unternehmen sind storniert worden. Eine französische Investorengruppe hat ihren Aufenthalt in Igls abgesagt. Die Stadt Schärding wurde von einer Ferienmesse in Belgien, die am 19.2.2000 beginnt, ausgeladen. Österreichische Teilnehmer sind ,unerwünscht‘.

Ferdinand Posnik, Chef der Kärntner Werbung/Tourismus, wagt es noch nicht auszusprechen, welche Auswirkungen die Regierungsbeteiligung der FPÖ und ein dadurch ausgelöster Boykott der übrigen EU-Staaten auf den Tourismus haben könnte. Karl Seitlinger, Tourismusdirektor in Wien, macht sich Sorgen um das internationale Ansehen Österreichs. ,Wenn die künftige Regierung so mit ihren PR-Fehlern weitermacht, werden wir sicherlich deutliche Buchungsrückgänge sehen.‘ Im Wien-Tourismus werden bereits Stornowellen befürchtet. Die Salzburg Land Tourismus GmbH (SLTG) ist bereits mit Stornos aus Deutschland und der Schweiz konfrontiert. Im Pinzgau steht, so SLTG-Geschäftsführer Martin Uitz, die Absage von israelischen Reisegruppen (insgesamt 15.000 Nächtigungen) ins Haus. Er müsse auch immer wieder hören: ,In euer Land kommen wir nicht mehr, wenn ihr den Haider wählt.‘ Weit schlimmer als die Stornierungen sei aber der Imageschaden. Dieser brauche zehn bis 20 Jahre, bis er repariert wird.

,Schwere wirtschaftliche Einbrüche befürchtet die ,Königsdisziplin‘ des Tourismus, die Kongresswirtschaft. Sie setzt jährlich acht Milliarden Schilling um. ,Wir sind bereits mit Boykottandrohungen konfrontiert‘, erklärt Dachverbandspräsident Georg Lamp. Österreich liegt unter den Top-ten-Kongressländern. Kongressbesucher geben im Schnitt 5000 Schilling pro Tag aus, ,Durchschnittstouristen‘ nur 1000.

Erste Delegationen sagen die Teilnahme an internationalen Kongressen ab März 2000 in Österreich ab. Congress Innsbruck hat den Tropenärztekongress mit 2500 Teilnehmern verloren.

Günther Baurecht, Chef der ,Solstar‘-Brillenerzeugung in Hartberg, Gleisdorf und Spittal/Drau, ist bestürzt: ,Die negativen Reaktionen meiner Kunden – großteils Schmuck-Konzernchefs aus den USA und Kanada – mehren sich. Einer stellte bereits klar, dass unsere Sonnenbrillen nicht mehr den Stempel ,Made in Austria‘ tragen dürfen. Das ist die traurige Realität. Eine rasche Entspannung ist nicht abzusehen‘, sieht der Unternehmer mit 90 Prozent Exportquote die Zukunft schwarz.

Die PR-Expertin Gabriela Walsch stellt dem politischen Establishment in Österreich eine Minus Fünf in der Kommunikation aus: ,Es wurde unprofessionell gehandelt und damit alles verloren. Es wird wahrscheinlich zehn Jahre dauern, um das wieder gutzumachen.‘

Die Regierung Schüssel hat es damit geschafft, Österreich noch vor der Regierungserklärung wirtschaftlich schwer zu schaden.

Alles deutet darauf hin, dass der wirtschaftliche und politische Schaden voraussehbar waren, der österreichische Außenminister und seine Staatssekretärin über alle notwendigen Informationen verfügten und den Schaden bewusst in Kauf nahmen. Um zu klären, warum und wie weit der damalige Außenminister und heutige Bundeskanzler für die Verwirklichung seiner Kanzlerschaft schweren Schaden für Österreich in Kauf genommen hat, richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

Anfrage:

Wirtschaftlicher Schaden

1. Wie hoch sind die Ihnen bekannten Schäden, die Betrieben vom Tourismus bis zur Fahrzeugproduktion durch Reaktionen auf die FPÖ/ÖVP-Regierungsbildung entstanden sind?

2. Werden Sie dort, wo die Existenz von Betrieben oder die Beschäftigung von Mitarbeitern gefährdet ist, Mittel aus dem Budget zur Verfügung stellen?


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3. Wie wollen Sie – wenn sich die Investoren aus Österreich und österreichischen Werten zurückziehen – öffentliche Anteile an Unternehmen verkaufen?

4. Um wie viel ist der Wert der Bundesanteile an börsennotierten Unternehmen seit der Ankündigung der Haider-Schüssel-Regierung gefallen?

FPÖ-Machtübernahme

5. Warum bezeichnen Sie die klare Haltung der EU-Partner gegenüber der Verharmlosung der Konzentrationslager als ,Straflager‘, dem Lob für die ,ordentliche Beschäftigungspolitik des 3. Reichs‘, freundschaftlichen Kontakten zur Waffen-SS, Rassismus und Antisemitismus und der Hetze gegen Künstler und politisch Andersdenkende als ,Vorurteil‘?

6. Seit wann und warum befindet sich die FPÖ nicht mehr ,außerhalb des Verfassungsbogens‘?

Isolierung innerhalb der EU

7. Wann sind Sie von welchen europäischen Politikern über drohende EU-Maßnahmen im Falle einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung informiert worden?

8. Wer hat Sie beim Treffen in Helsinki nachdrücklich vor einer FPÖ-Regierungsbeteiligung gewarnt?

9. Warum haben Sie die Warnungen aus den 14 EU-Staaten ignoriert?

10. Haben Sie die österreichische Botschaft in Lissabon am 31.1.2000 bereits Stunden vor Ihrem Besuch beim Bundespräsidenten angewiesen, den Text der Österreich-Erklärung der EU-Präsidentschaft zu besorgen?

11. Warum behaupten Sie und Ihre Außenministerin trotzdem, Sie beide seien von der Erklärung ,völlig überrascht‘ worden?

12. Welche Vertreter von Regierungen, internationalen Organisationen, Institutionen und Bündnissen haben seit Bekanntgabe der FPÖ-Regierungsbeteiligung Treffen mit Ihnen oder anderen Vertretern der österreichischen Bundesregierung abgesagt? Welche Vertreter von Regierungen, internationalen Organisationen, Institutionen und Bündnissen haben seit Bekanntgabe der FPÖ-Regierungsbeteiligung Besuche in Österreich abgesagt?

13. Wie werden sich die EU-Sanktionen auf die Vorbereitung und den Ablauf der bevorstehenden EU-Ministerräte auswirken?

14. Mit wem wollen Sie über die Aufhebung der Sanktionen verhandeln, wenn die, die sie verhängt haben, jeden Kontakt mit Ihnen ablehnen und einen Bogen um Sie machen?

15. Der scheidende NATO-Oberkommandierende in Europa, US-General Wesley Clark, hat seinen geplanten Österreich-Besuch auf unbestimmte Zeit verschoben. General Clark hätte am Freitag Vormittag mit Ihnen zusammentreffen sollen. Wir Grüne könnten zufrieden sein, dass Ihre Regierung nur durch ihre Existenz Österreich NATO-frei hält. Wie wollen aber Sie mit der NATO verhandeln, wenn die Spitzen der NATO einen Bogen um Sie machen?

16. Wie wollen Sie und Ihre Außenministerin den OSZE-Vorsitz ohne bilaterale EU-Kontakte auf politischer Ebene führen?

,Gesteuerte Kampagne‘

17. Sie haben die Proteste aus dem Ausland als ,akkordierte parteipolitisch gesteuerte Kampagne‘ bezeichnet. Welche Beweise für eine derartige ,Steuerung‘ können Sie vorlegen?

18. Welche der Regierungschefs und Außenminister sind von Österreich aus ,gesteuert‘ worden und wer hat die ausländischen Regierungschefs ,gesteuert‘?


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19. Wie kommen Sie zur Annahme, dass sich Jacques Chirac und José Aznar von österreichischen Sozialdemokraten steuern lassen?

20. Sie haben den Stil von Jörg Haiders Angriff auf Jacques Chirac kritisiert, ihm in der Sache aber mit den Worten ,Es ist aber was dran. Es soll schon jeder bei sich selbst beginnen‘ recht gegeben. Wo soll der französische Präsident nach Ihrer und Haiders Meinung ,bei sich selbst beginnen‘?

21. Ist es der Titel ,Bundeskanzler‘ wert, dafür die außenpolitische Isolierung Österreichs und die damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden in Kauf zu nehmen?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93 (2) GOG verlangt."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung Herrn Abgeordnetem Dr. Van der Bellen als erstem Fragesteller zur Begründung der Dringlichen Anfrage nach § 93 der Geschäftsordnung das Wort erteilen, wobei die Redezeit des Begründers einer Dringlichen Anfrage 20 Minuten nicht übersteigen darf.

Herr Professor Van der Bellen, Sie haben das Wort. – Bitte.

15.02

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Diese Regierung hat etwas Erstaunliches geschafft: Sie hat es geschafft, noch vor ihrer ersten Präsentation im Parlament, hier im Hohen Hause, Österreich vor ein außenpolitisches Scherbengericht beziehungsweise vor einen Scherbenhaufen zu stellen. Das hat bisher keine Regierung dieser Zweiten Republik zustande gebracht! (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Wir haben seinerzeit, als wir die Sondersitzung verlangt haben, im Auge gehabt, dem Außenminister der Republik Österreich unsere Fragen zu stellen. Es ist sozusagen nicht unsere Schuld, wenn es jetzt gegen den Bundeskanzler der Republik Österreich geht. Aber der Außenminister und jetzige Bundeskanzler ist in erster Linie für diese Isolation Österreichs und für diesen Scherbenhaufen verantwortlich. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Als Außenminister hätten Sie wissen müssen, welchen Tabubruch Sie in Europa innerhalb der Europäischen Union begehen, wenn Sie eine Koalition eingehen mit einer Partei, die – ohne Ihnen jetzt nahe treten zu wollen, verehrte Kollegen von den Freiheitlichen – von allen internationalen Medien als "far right party", als "weit außen rechts", als "rechtsextrem", als "rechts außen" oder mit einer ähnlichen Diktion dieser Art bezeichnet wird. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie treten uns überhaupt nicht nahe!)

Diese außenpolitische Dimension, diesen Tabubruch, den sich ausgerechnet Österreich hier leistet, haben Sie völlig unterschätzt, Herr Bundeskanzler! (Abg. Mag. Schweitzer: Sie wissen auch, dass das nicht stimmt!) Österreich ist eben nicht irgendein Land! Vielmehr werden gerade Deutschland und Österreich aufgrund der leidvollen historischen Erfahrungen, die wir gemacht haben, sehr genau beobachtet.

Herr Kollege Schweitzer! Falls Sie meinen, dass es auch in anderen europäischen Staaten Rechtsaußenparteien gibt – die ich zum Teil als viel weiter rechts außen einschätze als Ihre Partei, weil sie zum Beispiel gewaltbereiter sind –, dann sage ich Ihnen: Der Unterschied besteht eben darin, dass Le Pen zwar auf lokaler und regionaler Ebene Erfolge haben mag, die Konservativen allerdings nicht einmal auf regionaler Ebene eine Koalition mit ihm eingehen dürfen, auf nationaler Ebene aber keinesfalls. Und auch der flämische Block ist vielleicht viel schlimmer als die FPÖ, auf nationaler Ebene kommt er jedoch nicht vor. – Und dieser Tabu


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bruch, den Österreich nun begeht, hat uns in die außenpolitische Quarantäne und in die Isolation geführt! (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Dies ist umso bemerkenswerter, als niemand anderer als unser Kollege Khol uns hier – auch von diesem Rednerpult aus – vor nicht allzu langer Zeit immer wieder darüber belehrt hat, dass die FPÖ "außerhalb des ‚Verfassungsbogens‘" stünde. Wir haben damals alle gerätselt, was denn dieser "Verfassungsbogen" ist, und sind dann zu dem Schluss gekommen, dass das wohl ein poetischer Ausdruck dafür sein soll, dass Sie meinen, dass die FPÖ auf nationaler Ebene aus den bekannten Gründen nicht salonfähig ist. Ich werde jetzt nicht bis zum Überdruss alles aufzählen, was Herr Dr. Haider ... (Abg. Dr. Ofner: Dann sind wir ja gleich fertig damit! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie mich allerdings provozieren, Herr Kollege, dann muss ich doch einige Beispiele anführen: die ordentliche Beschäftigungspolitik, die SS-Veteranen als Vorbild für die österreichische Jugend, weil von so anständigem Charakter, oder die Gleichstellung von Churchill, Hitler und Stalin. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) All das reicht Ihnen nicht? Sie wollen noch etwas Neues haben? – Ich bin sicher, Herr Kollege, dass Herr Dr. Haider Ihnen diesen Gefallen früher oder später gerne machen wird! (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Falls Sie es vergessen haben sollten, verehrte Kollegen von der Volkspartei: Die außenpolitische Isolation ist fix! (Abg. Dr. Ofner: Erzähl keine Märchen!) Die Erklärung der 14 Staaten der EU – worauf auch immer sie sich rechtlich stützen mag oder nicht stützen mag – ist eine politische Erklärung, die bilateralen Beziehungen zu Österreich einzufrieren. Das wissen Sie so gut wie ich!

Zuerst erfolgt das Einfrieren der offiziellen bilateralen Kontakte auf politischer Ebene. Die zweite Maßnahme: Keine Unterstützung für österreichische Kandidaten, die Positionen in internationalen Organisationen anstreben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. ) Wie kommen die Menschen, die sich um solche Posten bewerben, dazu, sich nun in die Geiselhaft der blau-schwarzen Regierung nehmen zu lassen? (Abg. Dr. Ofner: Wen meinen Sie zum Beispiel?)  – Ein Petritsch hätte heute – wenn es einen zweiten gäbe – keine Chance, sich um diese Position zu bewerben. Er könnte sich nur für die Schublade bewerben! Das könnte er.

Österreichische Botschafter werden in den EU-Hauptstädten nur noch auf technischer Ebene empfangen. Sie wissen, was das bedeutet: Das sind Beamtenkontakte, und das ist kein business as usual in den bilateralen Beziehungen. (Abg. Gaugg: Das werden wir erst sehen! Sie beschwören das geradezu herauf!) Herr Kollege Gaugg! Falls Sie es nicht mitbekommen haben: Ich zitiere das aus der Erklärung der portugiesischen Präsidentschaft über die Haltung der 14 EU-Mitgliedstaaten. Wenn Sie es mir nicht glauben – was ich Ihnen gar nicht übel nehme –, dann setzen Sie sich an den Computer. Das ist über Internet abrufbar. Dort sehen Sie es schwarz auf weiß! (Abg. Haigermoser: Sie hätten Baptistenprediger werden sollen!)

Wenn eine Regierung außenpolitisch handlungsunfähig ist, wie handlungsfähig ist sie dann innenpolitisch? Muss man das extra betonen? – Gerade die Freiheitlichen haben immer wieder – zum Teil mit Recht – betont, wie viele der Gesetzesbeschlüsse, Verordnungen, Richtlinien und so weiter in Brüssel gefasst werden und von Österreich nachvollzogen werden müssen. In Anbetracht dessen wünsche ich Ihnen nun viel Vergnügen, meine Damen und Herren! Genau diese Situation wird sich verschärfen, wenn Sie schon auf der Vor verhandlungsebene von Kontakten ausgeschlossen sind. Dort fallen ja die Entscheidungen, nicht in den multilateralen Sitzungen, wenn alles schon beschlossen und vorbei ist! (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist aber keine demokratische Gesinnung! – Abg. Dr. Ofner: Ein Brief ans Christkind!)

Von meiner Gesinnung können Sie halten, was Sie wollen. Faktum ist, dass die Regierung Schüssel es geschafft hat, noch vor der offiziellen Regierungserklärung Österreich in die außenpolitische und damit in die innenpolitische Isolation zu führen. Dieses Faktum können Sie nicht bestreiten.


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Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner und unser Außenminister – jetzt Bundeskanzler – haben zu dieser Entwicklung gesagt: Wir haben davon nichts gewusst! Hätten die uns doch vorher informiert! – Das ist entweder eine bewusste Falschinformation der Öffentlichkeit und – wenn sie heute hier wiederholt wird – des Parlaments; ich betone: wenn sie heute wiederholt wird. Oder es ist das Eingeständnis, Augen und Ohren zumachen und Dinge, die man nicht gerne hört, einfach nicht wahrnehmen zu wollen.

Belgiens Ministerpräsident, Frankreichs Präsident, die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Spaniens Ministerpräsident, Schwedens Ministerpräsident und Portugals Ministerpräsident haben alle rechtzeitig – oder vielleicht nicht ganz rechtzeitig, aber immerhin bevor Sie in Ihre letzten Verhandlungen gegangen sind, vor der Angelobung und vor der Regierungserklärung – ihre Besorgnis geäußert und gewarnt. Es kann also gar keine Rede davon sein, dass Sie nicht gewusst haben oder nicht wissen konnten, worauf Sie sich einlassen! (Abg. Wenitsch: Da hätten wir Sie fragen müssen!)  – Mir glauben Sie das nicht, das ist schon okay, verehrte Kollegen. Ich habe auch nicht ernsthaft damit gerechnet.

Ich empfehle Ihnen (der Redner hält eine Unterlage in die Höhe), sich diese Mappe zu besorgen. Das ist eine Aussendung der Präsidentschaftskanzlei. Darin ist die Chronologie der Ereignisse nachzulesen. – Ich werde Ihnen das jetzt nicht im Detail vorlesen, sondern bringe nur ein paar Stichworte.

Istanbul, 18. und 19. November: Internationale Gespräche. Präsident informiert den Außenminister.

Brüssel, 4. Dezember: Klestil informiert den Außenminister über die Bedenken.

Treffen am 29. Dezember zwischen Klima, Schüssel und Klestil. – Dabei kamen diese Dinge natürlich zur Sprache. – Der Außenminister und seine Staatssekretärin sagen aber, dass sie nichts gewusst haben.

Am 27. Jänner ruft Chirac an. (Abg. Ing. Westenthaler: Wen? Sie?) Chirac ruft Klestil an, nicht Klestil ruft Chirac an. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe geglaubt, Chirac hat Sie angerufen!) Herr Kollege Westenthaler, Sie haben wieder nicht aufgepasst! Ich muss Ihnen dafür einen Schlechtpunkt eintragen. (Heiterkeit. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Es handelt sich hiebei um die Aufstellung der österreichischen Präsidentschaftskanzlei, der Kanzlei des Bundespräsidenten, nicht um meine Aufstellung. Ich war nicht dabei, und Sie waren auch nicht dabei, nehme ich wohl an. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Verehrte Zwischenrufer von den Freiheitlichen! Eines wollen wir festhalten: Sie können glauben, dass ich von diesen Dingen keine Ahnung habe. Sie können das mit gutem Recht auch hier durch Zwischenrufe festhalten. (Zwischenruf des Abg. Jung.  – Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer.  – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Dann würde ich Sie aber ausdrücklich darum bitten, in Ihren Stellungnahmen klar zu sagen, dass der Bundespräsident mit dieser Aufstellung die Unwahrheit sagt. Ich möchte Sie bitten, das klarzustellen. Meinen Sie das mit Ihren Zwischenrufen? Das schaue ich mir an! (Abg. Jung: Ob das vollständig ist, das ist die Frage, Herr Kollege! – Abg. Ing. Westenthaler: Welche Rolle spielen Sie eigentlich? – Abg. Haigermoser: Wahrscheinlich eine undurchsichtige Rolle!)  – Okay. Sie meinen, dass ich eine undurchsichtige Rolle spiele. (Abg. Haigermoser: Ziehen Sie endlich den Schafspelz aus!)

Den Schafspelz? Ich weiß nicht, ob mein Anzug von einem Schaf kommt oder von irgendeinem anderen Tier. (Abg. Haigermoser: Das weiß ich nicht, vielleicht ist es auch Kunststoff!)  – Nein, Kunststoff ist das nicht. Ich hasse Kunststoff bei Kleidungsstücken, nebenbei bemerkt. (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich danke für diese Fürsorge. Das ist sehr freundlich von Ihnen.

Schauen wir uns einmal an, was unser Überkanzler oder Oberkanzler und Hauptdeeskalierer, Herr Dr. Jörg Haider, in dieser Sache zu sagen hat. Am Sonntag in der Pressestunde ... (Abg.


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Mag. Schweitzer: Da war er ganz gut, oder?) Er war nicht schlecht, wie immer, lieber Herr Kollege Schweitzer. Klar! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Natürlich. Und was hat er noch gesagt? – Es wäre doch der Mühe wert und angebracht, durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss festzustellen, ob hier politischer Hochverrat vorliegt. Ich wiederhole: politischer Hochverrat. In anderen Ländern wird man für Hochverrat erschossen oder lebenslänglich eingesperrt.

Was meint er denn jetzt? Wen sollen wir denn hier lebenslänglich einsperren? Das ist doch ein Vorwurf, der nicht gerade mit Samtpfoten vorgetragen wird. Oder? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie drehen mit Ihrer Rhetorik alles so, wie Sie es brauchen!) Ich schlage vor: Wenn ein Untersuchungsausschuss über die Frage verlangt wird, ob politischer Hochverrat vorliegt, dann machen wir das doch bitte! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Klären wir in einem Untersuchungsausschuss, was hier vorliegt und wie es zur politischen Isolation Österreichs gekommen ist! (Beifall bei den Grünen.)

Kollege Westenthaler sagte jedoch heute in der Früh: Nein, das wollen wir lieber doch nicht! – Ich nehme an, die ÖVP wird ihn inzwischen schon davon überzeugt haben, dass das jetzt nicht opportun ist. Denn wer weiß, was dabei herauskommt? Einerseits wird eine solche Sache in den Raum gestellt, andererseits heißt es: Vergessen Sie es, es war nicht so gemeint! – Das ist die typische Politik, die Österreich weiterhin in der Isolation halten wird. Ich würde mich über das Ganze ja nicht echauffieren, wenn das nur die normale Politik der FPÖ wäre. (Abg. Haigermoser: Es wäre doch besser gewesen, wenn die Petrovic diese Rede gehalten hätte!)  – Danke vielmals. Auch Madeleine Petrovic hätte hier eine ausgezeichnete und möglicherweise bessere Rede gehalten als ich. Zugegeben! Ich bin der Erste, der das sagt. Danke für die Blumen, dass wir zumindest zwei gute Redner haben! (Abg. Haigermoser: Sie sind heute mit zwei linken Füßen aufgestanden!)

FPÖ und Volkspartei, die Volkspartei als Wirtschaftspartei: Herr Kollege Stummvoll! Herr Kollege Puttinger! Was sagen Sie eigentlich zu dem wirtschaftlichen Schaden, der bereits eingetreten ist? Ist Ihnen das egal, oder spielt das irgendeine Rolle in Ihren Köpfen und bei Ihrem politischen Verhalten? Was sagen Sie dazu, dass Wirtschaftsbundobmann Leitl – demnächst Wirtschaftskammerpräsident, wenn ich nicht irre – sagt: "Der Mann aus dem Süden" – gemeint ist der Kärntner Landeshauptmann – "soll doch bitte endlich den Mund halten, damit weiterer Schaden von Österreich abgewendet wird!"

Was sagen Sie dazu? Sie sind doch angeblich Wirtschaftsvertreter. Sie sind angeblich Vertreter der Interessen des kleinen Gewerbes, der Zimmervermieter, der Besitzer der kleinen Frühstückspensionen, der Taxifahrer und so weiter. Und Sie nehmen das in Kauf, was jetzt passiert, etwa die Stornowelle, die es im Tourismus schon gibt, oder die Absagen von Ärztekongressen, wie sie sie zumindest in Innsbruck und vielleicht auch anderswo schon gegeben hat? Was sagen Sie dazu? Der Einzige, der in diesem Zusammenhang redet, ist Jörg Haider. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Seit Jörg Haider Landeshauptmann ist, boomt der Tourismus in Kärnten!)

Ich habe nicht gehört, dass unser Bundeskanzler Jörg Haider zur Räson ruft. Wahrscheinlich weiß er, dass es zwecklos ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Was Sie da machen, ist ziemlich konzeptlos!) Konzeptlos ist diese Regierung! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum klatscht die SPÖ nicht? – Abg. Haigermoser: Das ist ja unlustig! Das wird ja schon peinlich, Herr Professor! Der Fasching ist aus!)

Kommen wir noch einmal zurück zum Oberkanzler dieser Regierung. Ich bin gespannt, wie Sie mit ihm auf die Dauer umgehen werden. Jörg Haider hat mehrfach zur Deeskalation des innenpolitischen Streits aufgerufen. Stimmt das? – Dann schauen wir uns doch einmal seine Beiträge zur Deeskalation an!

Erstens: Er bezeichnet Präsident Chirac sinngemäß als einen Dodel, der in seinem Leben noch nichts zusammengebracht hat. (Abg. Dr. Martin Graf: Das haben Sie jetzt gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Das war vor der Angelobung dieser Regierung. Und Sie wundern sich, wenn Präsident Chirac und die gesamte französische Öffentlichkeit auf so etwas


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angemessen reagieren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Der zweite Beitrag von Jörg Haider war, die belgische Regierung als "korrupt" zu bezeichnen, und zwar mit einem Nachsatz, den ich hier gar nicht wiederholen möchte. Und da wundern Sie sich?! Sie verlangen von der belgischen Regierung, dass sie sagt: Bitte, wiederholt das noch einmal, wir hören das gerne noch einmal! Wir werden natürlich nicht auf internationaler Ebene Sanktionen gegen diese Regierung verlangen! – Ich frage mich: Wie naiv ist denn diese neue Bundesregierung? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich finde, das Beste war ja seine Aussage mit dem Hühnerstall in der Zeitschrift "Die Zeit". Da hieß es: Europäische Politiker sind Hühner in einem Stall, die sich davor fürchten, dass der "Fuchs" Haider kommt. – Und was macht ein Fuchs, wenn er in einen Hühnerstall einbricht? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Nicht ich erfinde diese Bilder, Ihr Vorsitzender erfindet diese Bilder! Was macht denn ein Fuchs in einem Hühnerstall? (Der Redner macht die entsprechende Geste.) Das hier! Das hier! (Heiterkeit.) Das ist das Bild, das Sie erzeugen! (Beifall bei den Grünen.)

Welchen Schaden Herr Dr. Haider mit solchen Äußerungen anrichtet, ist ihm offensichtlich völlig egal; welchen Schaden er bei uns, bei den kleinen Leuten, bei jenen, die wirtschaftlichen Schaden erleiden, anrichtet, das ist ihm egal, davon redet er nicht. Hauptsache, er hat einen neuen Feind: die Vierzehn in der EU.

Vielleicht könnten Sie ihm bei Gelegenheit doch mitteilen, dass ein Unterschied besteht, ob man in einem Wirtshaus redet oder im Elysée-Palast. Er kann das nämlich nicht unterscheiden. Der Unterschied besteht darin: Im einen Fall bekommt er großen Jubel und Zuruf, im anderen Fall bekommt er Lokalverbot. Aber nicht nur er – das würde mich ja nicht stören –, sondern wir alle! Wie kommen wir dazu, die anderen Österreicher? Wie kommen wir dazu, Lokalverbot in der EU zu haben? Das möchte ich gerne wissen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Zeche für diese Politik zahlt nicht er, sondern die bezahlen die Bettenvermieter, die Besitzer von Frühstückspensionen, die Taxler, die auf einen Kunden warten, die Dolmetscher, denen bedeutet wird, dass sie Österreicher oder Österreicherinnen sind und ihre Dienste im Moment nicht so dringend gebraucht werden. – Diese kleinen Leute werden durch Sie und diese Politik geschädigt. Das werden wir den Leuten klarmachen. Das ist der "Patriotismus" der Freiheitlichen beziehungsweise des Jörg Haider! (Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Wenn all das – dieser Scherbenhaufen und Österreichs außenpolitische Quarantäne – kein Grund für ein Misstrauensvotum ist, dann, Herr Dr. Khol, frage ich Sie: Was ist dann ein Grund für ein Misstrauensvotum? – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: War das schon alles?)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel zu Wort gemeldet.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten soll. – Bitte, Herr Bundeskanzler, Sie haben das Wort.

15.22

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Normalerweise – das ist die gute demokratische Usance im Parlament – wird einer neu ernannten Bundesregierung die Chance gegeben, sich gemeinsam dem Hohen Haus zu präsentieren, ihr Programm vorzustellen, und dann gibt es eine engagierte, kritische oder befürwortende Debatte. Die Grünen haben uns diese Chance verweigert. Ich bedauere das, denn wir hätten gerne zuerst unser Programm umfassend dargestellt. Die Grünen wollen aber, dass heute ausschließlich das Negative im Vordergrund steht und eine Regierung, die sich noch nicht


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8. Sitzung / Seite 38

einmal vorgestellt hat, sofort mit einem Misstrauensvotum bedacht wird. (Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits.  – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Das ist schade. Ich bin aber trotzdem hier, denn in der Demokratie muss man das Gespräch führen, wann immer es gewünscht wird und egal, ob es angenehm oder unangenehm ist. Trotzdem sage ich: Es ist schade, dass Sie eine gute demokratische Usance gebrochen haben. Schade, aber ich stehe hier! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Zweitens: Manche tun so, als ob in Österreich etwas Ungeheuerliches geschehen wäre. (Abg. Mag. Stoisits: Richtig erkannt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was am 3. Oktober 1999 geschah, war eine ganz normale demokratische Wahl, aus der bei etwas gesunkener Wahlbeteiligung drei in etwa gleich starke Parteien hervorgegangen sind, von denen zwei miteinander eine Mehrheit im Parlament haben.

Ich brauche jetzt nicht auf die Vorgeschichte der Verhandlungen einzugehen, das wird sicherlich in der Debatte noch eine Rolle spielen. Aber ich mache darauf aufmerksam: Es gibt in diesem Hause eine demokratisch legitimierte Mehrheit von gewählten Volksvertretern. Und ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir unserem Land Instabilität durch vorgezogene Neuwahlen erspart haben, dass wir morgen ein Programm vorlegen wollen, das uns handlungsfähig macht, und dass Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, und die interessierte und kritische Öffentlichkeit die Chance haben werden, uns anhand der Worte und Taten zu beurteilen. Darum bitten wir Sie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber es ist tatsächlich – und da hat Professor Van der Bellen vollkommen recht – auch etwas Ungeheuerliches geschehen. Auch ich sage das, und ich will das in keinster Weise minimieren: Österreich wurde schockiert durch die Maßnahmen der Vierzehn, und wenn Sie mich fragen, ob wir diese Maßnahmen voraussehen hätten können oder im Voraus informiert wurden, dann sage ich Ihnen ganz klar: Nein! Und ich begründe das auch, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Eder.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Seit den Wahlen hat man – wie das selbstverständlich ist, wann immer irgendwo in Europa eine Wahl stattfindet – innerhalb der europäischen Familie immer wieder gefragt: Wie wird das bei euch sein? Welche Regierung kommt heraus? Gibt es Änderungen in der Politik, in der Europa- und in der Außenpolitik, in der internen Zusammensetzung? – Überhaupt keine Frage, dass man das von uns wissen wollte.

Es hat niemand geleugnet, dass es viele Fragen, Sorgen und Befürchtungen gegeben hat. Wir wurden selbstverständlich darauf angeredet. (Abg. Eder: Von Chirac?) Chirac hat mich angeredet, Chirac hat Bundespräsident Klestil in Istanbul angesprochen, Chirac hat mit mir in Helsinki geredet. Das ist selbstverständlich.

Der entscheidende Unterschied, den Sie hier verwischen wollen oder den Sie jedenfalls nicht genau herausgearbeitet haben, besteht aber darin, ob befreundete Staatslenker, Außenminister, Regierungschefs oder Staatspräsidenten sagen: Seid vorsichtig, überlegt euch das, wir wollen das nicht! – das wurde gesagt –, oder ob 14 Staaten ganz konkrete Maßnahmen ankündigen und androhen, die es in der Geschichte dieser Europäischen Union noch nie gegeben hat.

Diese Vorausinformation hat es nicht gegeben, meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Daher lehne ich Ihren Vorwurf, wir hätten die Öffentlichkeit oder gar das Parlament bewusst oder indirekt falsch informiert, wirklich mit Schärfe ab! Das stimmt nicht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

So ist es ja nicht, dass man jetzt demütig, wenn man auf die eine Wange gehaut wird, auch noch die andere hinhalten sollte! Ich meine, man soll sich sehr wohl auch selbstbewusst wehren und fragen: Sind die Vorwürfe und Maßnahmen tatsächlich berechtigt? – Das ist doch die zugrunde liegende Frage, Herr Professor Van der Bellen! Sind die Maßnahmen der Vierzehn verhältnismäßig? Sind sie dem Geist und dem Buchstaben der Verträge angemessen, oder verletzen sie nicht gerade Geist und Solidarität der europäischen Verträge, zu denen wir uns bekannt haben?! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Leikam. )


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Verzeihen Sie: Natürlich bin ich hier nicht frei von Emotion. Denn mein ganzes politisches Leben lang habe ich – wie auch viele andere hier im Hohen Hause – glühend für diese Europäische Union gekämpft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Und eben weil ich für diese Europäische Union gekämpft habe, für einen Rechtsstaat, für eine politische Solidarität, empört es mich, wenn genau diese Prinzipien am Beispiel Österreichs nicht beachtet worden sind!

Das sage nicht nur ich. Lesen Sie zum Beispiel den Kommentar des Chefredakteurs der heute erschienenen Zeitschrift "Focus". Darin heißt es – ich zitiere –:

"Die EU-Partner Österreichs mögen Jörg Haider nicht mögen, sie können ihn unsympathisch finden oder politisch bekämpfen. Dass sie aber in einer konzertierten Aktion eine korrekte Regierungsbildung in einem demokratischen Mitgliedsstaat bestrafen wollen, ist beispiellos und schädlich für das Zusammenwachsen Europas." – Ende des Zitats.

Das sage nicht ich, das schreibt der Chefredakteur eines angesehenen Blattes. (Abg. Edlinger: War der "Focus" immer so angesehen?) Es gibt natürlich auch viele internationale Blätter, die genau das Gegenteil sagen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich versuche nicht, einäugig zu sein, sondern ich versuche, darzulegen, dass die Welt nicht so einfach ist und dass nicht alle 14 Regierungschefs und Regierungen, die gesamte Bevölkerung der 14 Mitgliedsstaaten und die gesamte öffentliche Meinung diese Aktion gutheißen. (Abg. Edlinger: Über das Frühstück in Amsterdam stand auch etwas im "Focus"!)

Die angesehene "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt: "Was dieser Tage in und mit Österreich geschieht, ist ohne Beispiel. Hat man in Brüssel und anderswo so wenig Vertrauen in die Resistenz des Gemeinschaftskörpers, dass man das kleine Österreich wie den Träger eines Infektionsherdes vorbeugend glaubt, unter Quarantäne stellen zu müssen?" – Das sollte man auch sagen!

Ich habe sehr viele Kontakte auch in den letzten Tagen und Wochen gepflegt. Viele – vor allem in den vergangenen Tagen – hatten bei dieser Aktion kein ganz gutes Gefühl. Das sei hier vorab gesagt. Daher besteht zwischen dem, was die Präsidentschaftskanzlei ausgesagt hat, und dem, was ich hier sage, absolut kein Gegensatz. Die Maßnahmen der Vierzehn sind mir persönlich am vergangenen Montag, also Montag vor einer Woche, am 31. Jänner – ich habe dieses Gespräch sehr genau im Ohr; ich werde es nie vergessen –, von Jaime Gama, dem portugiesischen Ratspräsidenten, etwa um ein Uhr Nachmittag zur Kenntnis gebracht worden.

Er sagte: Ich informiere dich im Namen der Vierzehn, aber nicht als EU-Präsident. Ich informiere dich vertraulich  – es soll nicht publiziert werden – über die genannten drei Maßnahmen.

Diese Information hat nicht einmal zwei Stunden lang gehalten, dann ist sie natürlich auch schon hinausgegangen. Und es war natürlich auch eine Meldung, die "on behalf of the EU presidency", also im Namen der Vierzehn gemacht wurde, was meiner Einschätzung nach eine klassische Verletzung der EU-Spielregeln durch die Vierzehn ist. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Alle sind schuld, nur nicht der Schüssel! – Abg. Dr. Mertel: Alle sind böse!)

Meine Damen und Herren! Die Situation – ich bagatellisiere das überhaupt nicht – ist für uns wirklich ernst. Die Situation ist schwierig. Sie ist aber auch – und das trifft mich genauso – für die Vierzehn und für die gesamte Europäische Union schwierig. In Wahrheit ist da nämlich – das könnte vielleicht sogar ein Paradefall für die Diskussion über künftige Spielregeln innerhalb der Union werden – ohne ein korrektes Verfahren vorgegangen worden.

Ich bin sofort dafür, dass wir uns innerhalb der Fünfzehn eine Vorgangsweise überlegen, die Verträge so zu ändern, dass wir berechtigte Sorgen und Befürchtungen der Mitgliedstaaten in einen korrekten Prozess einbinden, dann aber auch einer Regierung und einem Volk die Chance geben, sich zu rechtfertigen und sagen zu können, was ist oder was nicht ist. Damit wäre ich sofort einverstanden. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)


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Das ja – aber bitte kein Verfahren, das in Wirklichkeit in geheimen Direktkontakten zwischen den Regierungschefs über das Wochenende, nämlich vom 29. auf den 30. Jänner 2000, zustande gekommen ist! Die Außenminister wichtiger Länder, vieler Länder waren dabei zum Teil gar nicht beziehungsweise nur peripher mit eingebunden.

Wenn schon, dann bin ich sofort dafür, uns ein echtes Verfahren mit klaren Spielregeln zu geben. Aber vielleicht ist das jetzt sogar ein Ansatz, ein Anhaltspunkt. Auch seitens der Erweiterungskandidaten sieht man natürlich mit einigem Interesse, wie das im Falle Österreichs abgehandelt wird. Auch in anderen Ländern – wie etwa in der Schweiz, in der es in wenigen Tagen ein Referendum geben wird – wird man sich das genau anschauen.

Ich sage Ihnen: Diese Sache ist, was die Stimmungslage der jeweiligen Bevölkerungen betrifft, gar nicht so eindeutig zu bewerten, und zwar gerade nicht in Bezug auf kleine Länder, wenn es etwa um die Frage der Änderung weg vom Einstimmigkeitsprinzip hin zum Mehrstimmigkeitsprinzip geht, um die Frage der Umgewichtung der Stimmrechte innerhalb des Rates oder um die Frage der Größe und Zusammensetzung der Kommission. Auch ich bin nachdenklich geworden angesichts dieser institutionellen Fragen, die in den nächsten Wochen und Monaten zwischen den Fünfzehn besprochen werden müssen.

Wofür ich plädiere, meine Damen und Herren – ob von der Opposition oder den Regierungsparteien, das ist jetzt ganz gleich, denn wir sitzen in Wahrheit in einem Boot –: Ich plädiere dafür, in dieser schwierigen Situation Gelassenheit und Festigkeit zu beweisen, die Sache Österreichs in den Vordergrund zu rücken und die Emotionen, die es gab und noch immer gibt, zurückzunehmen! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie erlauben, möchte ich jetzt auf die 21 Fragen eingehen, die die Fraktion der Grünen an mich gerichtet hat. Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich in der Einbegleitung vielleicht auch etwas emotional geworden bin. Denn auch für mich ist das keine ganz einfache Situation, wie sich vielleicht manche, die mich schon seit Jahren kennen, vorstellen können. (Abg. Leikam: Die schwierige Situation habt ihr herbeigeführt! – Weitere Zwischenrufe.)

Die ersten Ihrer Fragen beziehen sich auf wirtschaftlichen Schaden.

Ich habe in der Wirtschaftskammer Österreich nachgefragt, ob es bereits negative Entscheidungen bei Geschäftsaufträgen für österreichische Unternehmungen gibt. – Die Antwort lautete: Es gibt bisher keine negativen Entscheidungen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Schwemlein: Mit welchen Leuten reden Sie? – Widerspruch und Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Entschuldigen Sie, die Bundeswirtschaftskammer Österreichs ist die Interessenvertretung der heimischen Wirtschaft und hat uns diese Information gegeben. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Natürlich ist es manchmal so, dass politische Argumente mit herangezogen werden, wenn einer der Geschäftspartner aus wirtschaftlichen Gründen am Zustandekommen dieses Geschäftes kein Interesse hat. (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung Grüne –: Wollt ihr lieber einen Schaden haben?) Daher erübrigt sich meiner Meinung nach auch die Beantwortung der Frage 2.

Zur Frage, wie es mit dem Privatisierungsprozess ausschauen wird:

Wir haben uns ein sehr ehrgeiziges Privatisierungsprogramm vorgegeben, das ja im Wesentlichen – bis auf kleine Textänderungen – auch mit den Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei abgestimmt gewesen ist. Dieses Programm bedeutet, dass wir innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre den gesamten Schuldenstand von etwa 80 Milliarden Schilling aus den Erlösen professionell abgewickelter Verkäufe abdecken wollen. Der österreichische Steuerzahler soll nie mehr zur Abdeckung von Schulden herangezogen werden! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)


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Ich selbst habe gestern mit den beiden Vorständen der ÖIAG, Ditz und Streicher, gesprochen. Sie haben heute eine Pressekonferenz gegeben: sehr positiv, sehr konstruktiv. Ditz und Streicher haben dieses Programm als "außerordentlich ambitioniert" bezeichnet. Sie glauben, dass die Ziele insgesamt erreichbar sind. Sie sind, was Tempo und Zeitplan anlangt, selbstverständlich frei, es wird da keine politische Einflussnahme geben. Denn die Marktbedingungen und die Vertragssituation in den einzelnen Betrieben sind abzuwarten. Da dies außerdem ein Programm ist, das über mehrere Jahre laufen wird, bin ich sicher, dass dabei auch der jeweils günstigste Börsenkurs abgewartet werden wird. (Abg. Dr. Lichtenberger: ... werden wir länger warten jetzt!)

Im Übrigen sollte man sich durch momentane Entwicklungen nicht allzu sehr beeindrucken lassen. Die Wiener Börse hatte, wie ich als früherer Wirtschaftsminister oft leidvoll gesehen habe, in den vergangenen Monaten, lange bevor diese Regierung gebildet wurde, eine nicht gerade glänzende Performance. Aber ich bin sicher: Wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bekannt sind, wenn das Privatisierungsprogramm professionell erläutert wird, dann wird dies sicherlich funktionieren.

Zu den Fragen 5 und 6:

Was die Äußerungen Jörg Haiders oder anderer über die Beschäftigungspolitik des "Dritten Reiches", über die Waffen-SS, Rassismus, Antisemitismus, Hetze gegen Künstler und so weiter anlangt, sage ich Ihnen ganz offen: An meiner Linie gibt es keinerlei Zweifel! Niemals wird ein Mitglied meiner Regierung diese Dinge vertreten. Das wurde ja auch in der gemeinsamen Erklärung so festgelegt. Deswegen haben wir deren Wortlaut ja gemeinsam und sorgsam so gewählt, damit man tatsächlich einen Schlussstrich ziehen kann und auf einer gemeinsamen Wertebasis in eine europäische und eine, wie ich meine, auch österreichische Zukunft gehen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Leikam. )

Zur Frage "Verfassungsbogen":

Das ist so eine Sache. An sich ist das natürlich keine Frage der Vollziehung, das müsste unser Klubobmann irgendwann sagen. Aber er hat immer gesagt: Er wünscht sich, dass alle Parteien dieses Spektrums hier sozusagen im gemeinsamen "Verfassungsbogen" drinnen sind. (Abg. Grabner: ... Gründe, Innenminister zu werden!)

In diesem Zusammenhang habe ich noch sehr genau die Replik des Abgeordneten Wabl im Ohr, der damals sinngemäß meinte: Sie, Herr Kollege Khol, sollten den "Verfassungsbogen" weglegen; er gehört nicht mehr zu Ihrem Repertoire. Packen Sie ihn ein, tragen Sie ihn nach Tirol und vergraben Sie ihn dort, aber lassen Sie dieses Haus damit in Ruhe! – So sagte damals Herr Abgeordneter Wabl. (Abg. Schieder: Und Sie tun es! – Heiterkeit bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Ich meine, die Basis dieser gemeinsamen Erklärung ist eine vernünftige, und sie ist eine, die einen gesellschaftsübergreifenden Konsens ab diesem Zeitpunkt fixieren könnte. Das ist eine Chance, meine Damen und Herren! So sehe ich das jedenfalls. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zu den Fragen 7, 8 und 9:

Das sind die Fragen bezüglich der Warnungen und vor allem der Information. – Ich habe bereits in einer Vorbemerkung darauf hingewiesen: Mich hat am Montag, den 31. Jänner dieses Jahres, mein damaliger Amtskollege Jaime Gama offiziell über die Maßnahmen informiert.

Ich habe – das sei zu Ihrer Frage 10 gesagt – vorher nicht gewusst, dass die portugiesische Präsidentschaft einen Text hat. Wir haben gerüchteweise gehört, und zwar aus einer sehr vertraulichen Quelle, die ich nicht preisgeben kann – ich bitte Sie, das zu verstehen –, dass es auf Grund eines belgischen Ansuchens an die Präsidentschaft einen Brief der Belgier gab, der eine


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gemeinsame Aktion im Sinne von "observation", "monitoring" und eine Darstellung des österreichischen Programms fordern sollte.

Daraufhin haben wir in der portugiesischen Hauptstadt angefragt, ob es dazu schon eine Position der Präsidentschaft gibt. Den Inhalt der Erklärung der portugiesischen Präsidentschaft in Lissabon haben wir erst um 17 Uhr erfahren. Mündlich wurde ich schon um 13 Uhr direkt vom Außenminister davon in Kenntnis gesetzt.

Zur Frage 11:

Wie schon erwähnt: Wir hätten es nicht für möglich gehalten – und ich halte es auch nicht für richtig, um es sehr offen zu sagen –, dass eine Gruppe von Mitgliedstaaten Maßnahmen gegen einen Partner verhängt, ohne überhaupt offiziell mit diesem ein Gespräch zu suchen.

Weder die Vierzehn noch die Präsidentschaft haben vor Abgabe dieser Erklärung ein offizielles Gespräch mit Österreich gesucht, und dies steht meiner Meinung nach im klaren Widerspruch zu Artikel 11 des EU-Vertrags, demzufolge – wörtlich – die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, "um ihre gegenseitige politische Solidarität zu stärken und weiterzuentwickeln".

Es wurden auch einige der Mitgliedstaaten – ich habe das selbst in Gesprächen gehört – kaum konsultiert, was auch deren Erstaunen über diese Vorgangsweise – man liest es ja auch in internationalen Zeitungen sehr direkt – hervorgerufen hat.

Zur Frage 12 – welche Termine oder Treffen bisher abgesagt worden sind:

Bisher ist ein einziges Treffen offiziell abgesagt worden. Der für Anfang März anberaumte Staatsbesuch des portugiesischen Präsidenten Sampaio wurde in diesen Tagen abgesagt. Einige andere Termine, wie etwa der des SACEUR, wurden verschoben und werden zu späterer Zeit nachgeholt werden. (Abg. Öllinger: Wo machen Sie Ihre Antrittsbesuche?)

Zur Frage 13:

Die Maßnahmen der Vierzehn beziehen sich ausschließlich auf die bilateralen politischen Kontakte, die Kontaktmöglichkeiten österreichischer Botschafter auf der politischen Ebene sowie die Unterstützung von österreichischen Kandidaten.

Das Funktionieren der Europäischen Union, ihrer Organe und Gremien ist von diesen Maßnahmen nicht berührt. Interessant ist dabei die meiner Einschätzung nach sehr interessante und konstruktive Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 1. Februar 2000. Ich zitiere: Zu diesem Zeitpunkt ist die Arbeit der europäischen Institutionen nicht betroffen.

Ich habe auch in Brüssel rückgefragt. Es hat in den Tagen seit der Bildung der Regierung bereits eine Reihe von Sitzungen gegeben – das politische Komitee, die Rats-Arbeitsgruppe Erweiterung, selbstverständlich am heutigen Tag der Ausschuss der Ständigen Vertreter –, an denen österreichische Vertreter im vollen Umfang und ungehindert teilgenommen haben. Auch für die informellen Ministerräte im ersten Halbjahr ist aufgrund einer Demarche der österreichischen Außenministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner beim portugiesischen Ratsvorsitz klargestellt worden, dass eine volle und gleichberechtigte Teilnahme der österreichischen Regierungsvertreter gewährleistet ist.

Zur Frage 14:

Die Maßnahmen betreffen die offiziellen Kontakte auf politischer Ebene zwischen den Regierungen. Die Europäische Kommission ist – wie schon erwähnt – davon nicht betroffen. Ich habe auch ein ganz normales, offizielles Glückwunschschreiben des Präsidenten der Europäischen Kommission bekommen mit der Bitte um konstruktive Zusammenarbeit, die selbstverständlich seitens dieser österreichischen Regierung vollkommen außer Streit stehen wird.

Wir werden daher weiterhin die vielfältige Gesprächsbasis auf allen Ebenen nützen. Die Bundesregierung – besonders ich und die Außenministerin – ist bemüht, durch ein besonnenes und


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gemäßigtes Auftreten auch österreichischerseits zu einer Entspannung beizutragen. Die Außenministerin wurde eingeladen, im Rahmen des nächsten Allgemeinen Rats dieses Thema beim Mittagessen anzusprechen. Sie wird dazu die Gelegenheit haben.

Zur Frage 15, der Frage des abgesagten – besser: verschobenen – Besuchs des scheidenden Oberkommandierenden der NATO in Wien:

Der Supreme Allied Commander Europe, US-General Wesley Clark, hat seinen für 4. Februar geplanten fünfstündigen Besuch verschoben. Dieser Besuch wäre übrigens gar nicht möglich gewesen, weil zu dem Zeitpunkt, als er geplant war, die österreichische Bundesregierung angelobt wurde. General Clark hat einem österreichischen Teilnehmer der internationalen Konferenz über Sicherheitspolitik am vergangenen Wochenende in München zu verstehen gegeben, dass der Besuch von ihm oder seinem Nachfolger nachgeholt werden wird. (Abg. Schwemlein: Das ist eine diplomatische Floskel!)

Zur Frage 16, den OSZE-Vorsitz betreffend:

Selbstverständlich ist der OSZE-Vorsitz besonders wichtig und sowieso enorm schwierig, denn wir haben die Frage von 18 Wahlvorbereitungen in diesem Jahr – mit professioneller Überwachung –, die Frage der politischen Kontakte im Kosovo, die Frage der Lösung der Kaukasus-Probleme – Süd und Nord – und die Frage Zentralasien zu klären. Ich halte mich an die Erklärung der portugiesischen Präsidentschaft, die mir gegenüber – aber auch öffentlich – zum Ausdruck gebracht hat, dass es keine Beeinträchtigung der Tätigkeit der OSZE geben darf.

Meine Damen und Herren! Die OSZE ist eine im Interesse Europas wichtige und bedeutsame Organisation. Wer die Organisation und ihr unverzichtbares Potential zur Konfliktlösung und Krisenvorbeugung beschädigt, erweist sich selbst und Europa einen schlechten Dienst. (Abg. Schwemlein: Richtig! – Abg. Dr. Lichtenberger: So ist es! Klopft euch an die eigene Brust!) Österreich wurde von allen OSZE-Mitgliedstaaten einstimmig mit der Vorsitzführung im Jahr 2000 betraut. Wir haben uns gewissenhaft und intensiv vorbereitet, und wir werden diesen Vorsitz auch mit Initiative und Engagement ausüben. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wann?) Daran ändert sich nichts! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Die Außenministerin wird bereits am Donnerstag vor dem Permanent Council ihren Antrittsbesuch machen und ihre programmatische Rede formulieren. Wir beide haben in diesen Tagen gemeinsam sowohl mit Madeleine Albright – mehrfach – als auch mit dem russischen Außenminister Iwanow Kontakt gehabt. Denn jetzt gibt es in der Tschetschenien-Frage ein mögliches Fenster. Wir hoffen sehr, dass gerade jetzt eine Initiative möglich wäre, die eine internationale Präsenz in diesem Zusammenhang sicherstellen könnte.

Zur Frage der gesteuerten Kampagne und all den parteipolitischen Fragen:

Ich habe mich bei derartigen Bewertungen extrem zurückgehalten, und ich bin selbstverständlich nicht der Meinung, dass sich Jacques Chirac oder José María Aznar von der österreichischen Sozialdemokratie fernsteuern lassen. Ich habe auch den Stil der Angriffe auf Jacques Chirac oder die Kritik an der belgischen Regierung verurteilt und öffentlich zurückgewiesen. Denn die jetzige belgische Regierung ist ja gerade deswegen, weil es Probleme in Belgien gegeben hat, an die Macht gekommen und ist daher ganz sicher nicht verantwortlich zu machen. (Abg. Öllinger: Sagen Sie das Ihrem Koalitionspartner!)

Jeder soll daher bei sich selbst beginnen. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen und von der Opposition: Die Funktion des Bundeskanzlers ist keinerlei Schaden für Österreich wert. Ich werde dieses Amt so mit Besonnenheit und Bedacht ausüben, dass dieses Land keinen Schaden nimmt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

15.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für die Beantwortung der Dringlichen Anfrage.


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Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass in dieser Debatte keine Fraktion mehr als 25 Minuten lang reden darf und die Redezeit der einzelnen Abgeordneten 10 Minuten nicht überschreiten darf. (Unruhe auf der Galerie.)

Bevor ich Herrn Abgeordnetem Dr. Pilz das Wort erteile, bitte ich die Damen und Herren auf der Galerie sehr eindringlich, diese Demonstration zu unterlassen. Ich gebe Ihnen 3 Minuten Zeit. (Einige Personen in weißen T-Shirts verlassen die Galerie.)  – Danke.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

15.48

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine etwas gespenstische Situation, in der sich diese Bundesregierung ein erstes Mal vorstellt. Bundeskanzler Dr. Schüssel hat natürlich das Recht, darauf hinzuweisen, dass normalerweise eine Regierungserklärung und eine Vorstellung einer Bundesregierung erfolgt, dass dann diskutiert wird und die Opposition ihre Kritik äußert – ich betone: normalerweise! (Abg. Schwarzenberger: Aber das hat Van der Bellen abgelehnt!) Aber diese Bundesregierung, die alles andere als normal ist, hat sich bereits so hinlänglich in aller Welt vorgestellt, dass auch keine normale Debatte darüber mehr möglich ist. (Abg. Steibl: Das ist eine Beleidigung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zu dem Wort "normalerweise": Ich bin froh, dass die friedlichen Demonstranten in Wien (Abg. Jung: Ha! – Abg. Dr. Stummvoll: 50 Polizisten verletzt! – Weitere Zwischenrufe) sich angesichts dieser Stimmung auf der Straße nicht benehmen wie freiheitliche Abgeordnete, denn sonst hätten wir ein ernsthaftes Sicherheitsproblem auf den Wiener Straßen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Was ist das für eine Wortwahl, Herr Präsident? Wir Abgeordnete ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Am 3. Oktober ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Pilz! Herr Abgeordneter Pilz! Ich muss Ihnen etwas gestehen. Ich höre vielleicht bei Ihnen immer ein bisschen genauer hin. Aber jedes Mal muss ich von Ihnen Dinge hören, bei denen ich mir denke: Man kann doch in diesem Haus auch anders artikulieren.

Ich möchte Sie wirklich einladen, an einem Tag, an dem unser aller Nerven ein bisschen angespannt sind, dazu beizutragen, dass wir normal miteinander diskutieren können. Ich kann nicht zulassen, dass irgendeiner Fraktion vorgeworfen wird, sie sei auf der Straße ein Sicherheitsrisiko – egal, ob das die eine, die zweite, die dritte oder die vierte Fraktion ist. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. – Bitte setzen Sie fort.

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Sehr geehrter Herr Präsident! Vielleicht sind Sie in Zukunft überhaupt so freundlich, meine Reden an meiner Stelle zu halten. Dann kann mit Sicherheit nichts passieren. (Abg. Dr. Brinek: Das ist eine Missachtung! – Ruf: Ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe.)  – Jetzt zurück zum Thema. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie disqualifizieren sich für dieses Haus! – Ruf: Unglaublich! – Weitere Zwischenrufe.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich weiß nicht, ob Ihnen nicht aufgefallen ist, dass die vielen Öffnungen der politischen Kultur, die Sie mit der Wende, die jetzt stattfinden soll, diesem Land versprochen haben, gar nicht mehr möglich sind, weil Sie sich längst in einer Bunkersituation befinden. Diese Regierung agiert – ohne dass sie es wollte – de facto aus einem Regierungsbunker heraus und beschuldigt aus ihm heraus die ganze Welt, Österreich unfair zu behandeln.

Jetzt muss man an diesem Punkt eines feststellen: Mit Sicherheit werden die Probleme dieser Republik nicht in Brüssel, in Rom, in Paris oder in Berlin gelöst werden können. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Niemand von uns nimmt in Anspruch, dass die Europäische Union durch


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8. Sitzung / Seite 45

Sanktionen jedweder Art unsere Probleme löst. Selbstverständlich ist es unsere Aufgabe, Probleme zu lösen, die wir uns zum großen Teil auch selbst geschaffen haben.

Wir sind derzeit in einer innenpolitisch äußerst heiklen Situation, und ich kenne keine vergleichbare politische Krise der Zweiten Republik. Eine große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung spürt, dass es kein Zurück zu den alten Zuständen mehr gibt. Ich treffe eigentlich fast niemanden mehr, der sagt: Eigentlich war es wunderschön vor dem 3. Oktober, in einem Land des Proporzes und der Parteibuchwirtschaft! – Die Sehnsucht zurück gibt es nicht mehr.

Es gibt die Sehnsucht nach einem politischen Wechsel und nach Veränderung, aber plötzlich stellen die Menschen in dieser Republik fest: Dieser Wechsel hat binnen weniger Tage größten wirtschaftlichen Schaden verursacht, er hat Österreich außenpolitisch in eine vollkommene Isolation geführt und handlungsunfähig gemacht. Sie müssen das nicht uns als Opposition erklären, sondern Sie müssen den Beschäftigten bei Steyr-Daimler-Puch oder den Besitzerinnen und Besitzern kleiner und mittlerer Fremdenverkehrsbetriebe in Tirol erklären, warum diejenigen, die nichts für diese Regierungsbildung können, jetzt die Rechnung für diese Regierungsbildung zahlen müssen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

Herr Dr. Schüssel! Das einzige Argument, das Sie noch ins Treffen führen könnten, wäre: Ich hatte keine Ahnung, ich bin vollkommen überrascht, dass es so gekommen ist. Es tut mir fürchterlich Leid.

Auch wenn das stimmt, sage ich gleich dazu, müssten Sie hier und heute erklären – und Sie haben das bis jetzt nicht getan –, wie Österreich aus dieser Sackgasse herauskommen soll. Sie müssten erklären, warum gerade Sie und Ihre Außenministerin, die international in Europa unter Quarantäne stehen, in der Lage sein sollten, mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union über eine Aufhebung der Sanktionen zu verhandeln. Sie sind der Einzige, der das nicht kann, neben einigen anderen Regierungsmitgliedern und Jörg Haider. Sie sind die Einzigen, die das nicht können! Alle anderen haben zumindest theoretisch diese Chance.

Wenn Sie sagen, Sie werden mit allen reden, dann stelle ich mir diese Telefonate vor: Pariser Vorwahl, Büro Jacques Chirac: Ja, hier Wolfgang Schüssel, ich wollte mit Jacques geschwind diese Sanktionsgeschichte besprechen. – Bum, tut-tut-tut, keine Verbindung. (Heiterkeit.)  – Das ist die außenpolitische Zukunft dieser Bundesregierung!

Ich sage nicht, dass mir das gefällt. (Abg. Dr. Puttinger: Ein Wunsch! – Abg. Schwarzenberger: Aber Ihr Wunsch ist es!) Normalerweise könnte ich mich als Opposition hier herausstellen und sagen: Wunderbar, eine gemähte Wiese für uns! Aber für die Republik Österreich ist das zwar keine hoffnungslose, aber eine sehr, sehr ernste Situation. (Abg. Schwarzenberger: Der Pilz glaubt, er kann mit Benzin Feuer löschen!)

Herr Dr. Schüssel! Sie sind uns als Bundeskanzler eine Erklärung darüber schuldig, wie Sie da aus den eigenen Kräften der Bundesregierung herauskommen wollen. Sie verweisen darauf, dass Sie morgen ein Regierungsprogramm vorlegen werden. Glauben Sie, dass Gerhard Schröder dann anrufen und sagen wird: Herr Dr. Schüssel, das ist ein tolles Programm, Sie haben mich wirklich völlig überrascht, auf Basis dieses Programms müssen wir natürlich sofort die Sanktionen aufheben!?

Glauben Sie, dass es hier um ein Programm geht? – Hier geht es um eine einzige Frage. (Abg. Dr. Rasinger: Sollen wir jetzt ...?) Ein Politiker und Vorsitzender einer demokratischen Partei, die Teil eines Nachkriegs-Konsenses in Österreich ist, hat als Erster die Machtübernahme in Regierungsfunktionen durch eine rechtsextreme Partei in der Europäischen Union ermöglicht. Zu Recht sagen Staats- und Regierungschefs und Hunderttausende Menschen in Österreich – das ist ja keine Meinung des Auslands allein –: Da machen wir uns Sorgen, das wollten wir nicht, und das können wir so nicht akzeptieren! (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Präsident! – Abg. Ing. Westenthaler: Rechtsextrem?)


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Noch einmal: Dieses Problem werden wir hier lösen müssen. (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Präsident! Darf er das jetzt immer sagen, oder was?) Wir werden dieses Problem weder durch Sanktionen noch durch Demonstrationen lösen können. (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Präsident Fischer!) Sanktionen und Demonstrationen können uns nur auf etwas aufmerksam machen. Letzten Endes können nur die Wählerinnen und Wähler diesen Zustand korrigieren.

Ich sage Ihnen noch eines dazu: Wenn Sie Tag für Tag, Woche für Woche so weitermachen und einfach sagen: Es ist uns egal, welcher Schaden noch kommt!, dann werden wir einen Punkt erreichen, an dem das für eine große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung unerträglich wird. Wenn Sie, Herr Dr. Schüssel, uns keinen Ausweg aus diesem Dilemma und dieser Sackgasse bieten können – das werden wir morgen diskutieren –, dann wird es nur eine Alternative geben, nämlich den Österreicherinnen und Österreichern die Chance auf eine Entscheidung zu geben.

Sie sollen nicht das Gefühl haben, dass sie am 3. Oktober 1999 die schwarz-blaue Katze im Sack gekauft haben. Dieses Gefühl darf nicht entstehen. Diese Koalition, diese Regierung, diese Wende ist niemals zur Wahl gestanden. Ich wage heute keine Aussage darüber, wie die wahlberechtigten Menschen in Österreich über diese Frage abstimmen würden. (Abg. Mag. Schweitzer: 70 Prozent!) Ich fordere Sie auf: Beenden Sie möglichst bald eine Politik der Schadensmaximierung!

Weil ich nach der Beantwortung der heutigen Anfrage davon überzeugt bin, dass Sie dazu nicht in der Lage sind und nicht bereit sind, werden wir etwas tun, was auch unter die Kategorie "nicht normalerweise" fällt. Normalerweise gibt es keinen Misstrauensantrag vor einer Regierungserklärung, und weil "normalerweise" von Ihnen außer Kraft gesetzt worden ist, bringen wir – und wir sind uns des Außergewöhnlichen dieser Maßnahme durchaus bewusst – einen einfachen, kurzen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde

Der Nationalrat wolle beschließen:

Herrn Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel wird im Sinne des Artikel 74 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz das Vertrauen versagt.

*****

Meine Damen und Herren! ...

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ihre Redezeit ist beendet. – Danke vielmals.

Der Entschließungsantrag ist entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung. (Beifall bei den Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Pilz.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Schweitzer: Gibt’s da keinen Ordnungsruf?)

15.59

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind in einer traurigen Situation. Wir sind deswegen in einer traurigen Situation, weil an sich ... (Abg. Dr. Khol: Die SPÖ?)  – Nein, Österreich ist in einer traurigen Situation! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß, Sie neigen dazu, für das Schicksal dieses Landes nur Gelächter übrig zu haben. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Das ist im Übrigen der Kern! (Beifall bei der SPÖ.)


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Österreich ist in einer traurigen Situation, weil es nicht so wie in anderen Demokratien üblich einen Wechsel zwischen Regierung und Opposition geben kann, der reibungslos über die Bühne geht, weil leider – leider!  – in Österreich nicht alle Parteien über eine international zweifelsfreie demokratische Anerkennung verfügen. Und dies macht den demokratischen Machtwechsel in Österreich so schwierig.

Über die Freiheitliche Partei sagen nicht Sozialdemokraten, sondern Konservative oder Christdemokraten in Europa: Eine anständige christlich-demokratische und konservative Partei dürfe mit den rechten Schmuddelkindern um Haider nichts zu tun haben, wie das das CDU-Mitglied Arendts formuliert hat. Oder die Präsidentin des Europäischen Parlaments – im Übrigen eine europäische Konservative – sagt, die Partei von Jörg Haider transportiere eine Ideologie, die den Gegenpol der humanistischen Werte darstellt, die jeder demokratischen Gesellschaft zu Grunde liegen.

Wenn solche Auffassungen über eine der in Österreich im Parlament vertretenen Parteien in Europa bestehen, dann darf man sich nicht darüber wundern, dass ein Aufschrei durch Europa und die Welt geht, wenn eine solche Partei in Österreich an die Regierung kommt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Niemand in Österreich kann und darf sich über die Reaktionen der Europäischen Union und der internationalen Staatengemeinschaft freuen, denn diese Reaktionen werden natürlich für Österreich eine schwere Belastung darstellen. Aber die Frage ist doch die: Waren diese Reaktionen vorhersehbar und abwendbar?

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie uns erzählen wollen, Sie haben das nicht vorhergesehen, dann stelle ich die Frage: Was haben Ihnen die Gespräche am Rande der EU-Gipfel gesagt? Was haben Ihnen die verschiedenen Gespräche mit dem Herrn Bundespräsidenten gesagt über dessen Gespräche mit Aznar und Chirac? Was haben Ihnen die Gespräche mit dem deutschen Exbundeskanzler Kohl gesagt? Was haben Ihnen die Ankündigungen des deutschen Außenministers Fischer gesagt? Und so weiter und so fort. Sie können sich doch nicht ernsthaft hier im österreichischen Parlament herstellen, obwohl Sie über einen großen diplomatischen Apparat mit Botschaften in allen EU-Ländern verfügen und ständig mit europäischen Staatsmännern in Kontakt stehen, und sagen: Für mich war das alles überraschend. Ich habe das leider nicht vorhergesehen. – Es tut mir Leid, Herr Bundeskanzler, das ist nicht glaubwürdig! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Welches Bild geben wir in der Welt ab? Können wir uns darüber freuen, dass die gesamte zivilisierte Welt protestiert und andererseits Solidaritätskundgebungen in Rom stattfinden, organisiert von den italienischen Faschisten, in Frankreich stattfinden, organisiert von der rechtsradikalen Front Le Pens? Das ist die erste Reihe der Solidarität mit Österreich, während sich die zivilisierte Welt von uns abwendet. Können wir uns über ein solches Bild Österreichs freuen? Oder ist nicht, Herr Kollege Dr. Khol, Anlass zur Traurigkeit in diesem Land gegeben? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Für die SPÖ!)

Ich weiß nicht, mit wem Sie in der Wirtschaftskammer gesprochen haben, Herr Bundeskanzler, und ich weiß nicht, auf welcher empirischen Grundlage Ihnen Informationen gegeben werden, aber mir liegt zum Beispiel ein Fax einer amerikanischen Firma an die Wirtschaftskammer vor, in dem ein Nachfahre eines Holocaust-Opfers, der ein wichtiger Geschäftsmann ist, ankündigt, dass er seine Geschäfte mit Österreich einstellen und alle seine Kollegen auffordern wird, dasselbe zu tun, weil er es nicht für richtig hält, dass hier eine Partei mit antisemitischem Charakter an der Regierung ist. Angesichts dessen weiß ich nicht, wer Ihnen die Informationen in der Wirtschaftskammer gibt, wenn Sie taxfrei behaupten, es gäbe keinen wirtschaftlichen Schaden für Österreich. Das ist naiv, Herr Bundeskanzler, und das können Sie im Hohen Haus nicht behaupten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde unserem Land in der Tat großer Schaden zugefügt. Es wurde bereits darauf hingewiesen: Die Zeche zahlen nicht die Mitglieder der Bun


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desregierung, die Zeche zahlen jene Österreicherinnen und Österreicher, die ökonomischen Schaden erleiden werden. Letztendlich können Sie den Niedergang der Wiener Börse in den letzten Tagen als Reaktion auf die Bildung der Bundesregierung nicht schönreden. Sie können die Absagen nicht schönreden, die es bereits im Tourismusbereich gibt, und Sie können auch nicht die Entscheidungen strategischer Investoren schönreden, in Österreich nicht mehr zu investieren. Es ist traurig, aber leider wahr und durch Sie provoziert! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Vergangenen Freitag hat Andreas Koller in den "Salzburger Nachrichten" einen Kommentar geschrieben, den ich auszugsweise zitieren möchte:

"Realitätsverweigerung ist ein probates Mittel zum Schutz der eigenen Psyche, wenn die Welt allzu unwirtlich und grausam scheint. Jörg Haider und Wolfgang Schüssel finden sich derzeit in einer unwirtlichen und grausamen Welt wieder. Ihre Mentalsperre gegen die Wirklichkeit, die gestern offenkundig wurde, ist daher menschlich verständlich. In politischer Hinsicht dagegen ist diese Haltung fatal: Unserem Land blüht ..., seinen Status als zivilisiertes Land zu verlieren." (Abg. Schwarzenberger: Koller hat auch noch ganz etwas anderes geschrieben! – Abg. Großruck: Zitiere die "Zürcher Zeitung"!)

Herr Bundeskanzler! Diese Zusammenfassung bringt es in Wirklichkeit auf den Punkt. Die Kunst der Politik besteht letztendlich darin, unter gegebenen internationalen und nationalen Rahmenbedingungen das Beste für sein Land und sein Volk zu erreichen. Sie haben wissentlich einen Teil dieser Rahmenbedingungen ausgeblendet, weil Ihnen dieser Teil der Realität im Weg war auf dem Weg dorthin, was Sie erreichen wollten. Sie haben in Wirklichkeit das Ansehen und die Glaubwürdigkeit Österreichs auf dem Altar der politischen Macht geopfert. Nehmen Sie Ihre politische Verantwortung wahr! Treten Sie zurück! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte Abgeordneten Dr. Graf von der Freiheitlichen Partei, kurz zu mir zu kommen. Ist er im Sitzungssaal? (Abg. Dr. Martin Graf begibt sich zum Präsidium.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Paul Kiss. Gleiche Redezeit. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Oje!)

16.09

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vorurteile, Vorurteile sind es, die Sie tagtäglich bewegen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Mehr kann ich zu Ihren Eingangsäußerungen überhaupt nicht sagen! (Ruf bei der SPÖ: Wir kennen dich schon!)

Wie sich Peter Pilz die Außenpolitik vorstellt, das haben wir soeben miterleben dürfen. Ich bin froh, dass der Außenminister dieser Republik nicht Peter Pilz heißt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dass ein Peter Gusenbauer sich hier dazu versteigt (Abg. Haidlmayr: Alfred!), Österreich damit zu denunzieren, dass er sagt, wir stünden nicht im Ansehen der zivilisierten Welt, das richtet sich von selbst. Jener Gusenbauer übrigens, der in Moskau, als er aus dem Flugzeug gestiegen ist, den Boden geküsst und "Heimat!" gerufen hat, jener Gusenbauer ist das! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Endlich daheim, Herr Kollege Gusenbauer! Aber daheim sind Sie hier in Österreich. Daheim sind Sie hier unter anderem heute im Wiener Parlament. Daheim sind Sie da, wo Sie Ihren Bürgern gegenüber, den Wählerinnen und Wählern in einer rechtschaffenen und, wie ich glaube, zivilisierten Art und Weise Gerechtigkeit angedeihen lassen müssten, und nicht durch Denunziation. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen und der SPÖ.)


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Die Bürger dieses Landes können sich doch sowieso ein Bild davon machen. Ein untadeliger, glühender Europäer, Wolfgang Schüssel ist es, der hier von den Grünen und von den Sozialisten an den Pranger gestellt wird! Jener Wolfgang Schüssel, der zweifelsfrei gesagt hat: Ja, es hat Informationen über Besorgnisse gegeben, aber ich bin auch derjenige, der in einer eindeutigen Abfolge von zeitlichen und damit natürlich auch von informativen Überlegungen festgelegt hat: Ich habe es nicht gewusst bis zu jenem 31. Jänner 15 Uhr nachmittags. – Ich glaube ihm! Wir glauben ihm! Er hat unser Vertrauen. Das versteht sich ja von selbst! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was ein Gusenbauer natürlich geflissentlich verschwiegen hat, was natürlich auch ein Peter Pilz nicht sagen durfte: Wer ist jener portugiesische Ministerpräsident? In welcher Dreifachfunktion agiert er denn? Zugegebenermaßen als engagierter portugiesischer Ministerpräsident. Er ist auch Ratspräsident der EU. Aber er ist gleichzeitig auch der Vorsitzende der Sozialistischen Internationale. (Aha!- und Oho!-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das hat ein Gusenbauer verschwiegen, das hat selbstverständlich ein Pilz verschwiegen, und damit – so glaube ich – lichten sich ein wenig die Nebel, lichten sich jene Argumente, die die Sozialisten und die Grünen vortragen. Wir hören die Argumente, wir verstehen die Argumente, und wir verstehen vor allem die Absicht, die dahinter steht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wolfgang Schüssel hat gesagt, in dieser Situation ist es notwendig, auch Festigkeit zu beweisen. Jawohl! Nicht 14 EU-Staaten werden bestimmen und vor allem auch nicht die Sozialistische Internationale, wie in diesem Land Österreich die Bundesregierung gebildet wird – das bestimmt die Mehrheit in diesem Parlament! Das bestimmt die österreichische Bevölkerung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe mir die Artikel 6 und 7 des EU-Vertrages sehr wohl durchgelesen. Sie haben es hoffentlich auch getan, werte Kolleginnen und Kollegen. In diesen Artikeln 6 und 7 finde ich nichts von dem, was die Sanktionen gegen Österreich auch nur einigermaßen rechtfertigt. Diese Artikel 6 und 7 sagen klar und deutlich, für mich nachvollziehbar, dass die Sanktionen der 14 – und ich argumentiere dann anschließend noch, wer den grundlegenden Anstoß dafür gegeben hat, dass es zu dieser Aktion gekommen ist – gegen Österreich den Buchstaben, dem Geist und auch den Werten der Europäischen Union in eklatanter Weise widersprechen, werte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das hat sich Österreich nicht verdient. Das hat sich auch die neue Bundesregierung nicht verdient. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Pilz! Kollege Gusenbauer! Sie werden verstehen, dass die ÖVP diesem Misstrauensantrag nicht die Zustimmung geben kann. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Das werden Sie ja doch verstehen können! Aber Sie werden möglicherweise auch verstehen können, dass ich mich jetzt über eine Person in diesem Zusammenhang in sehr kritischer Form äußere – redlich, ordentlich, mit Stil und mit Anstand –, die ganz einfach heute hier fehlt. Es ist schon gesagt worden: Der Platz, auf dem der Bundeskanzler außer Dienst, Mag. Viktor Klima, sitzen sollte, ist leer. (Abg. Dr. Martin Graf: Wo ist er denn?) Mir wurde bedeutet, dass er sich Urlaub genommen hätte. Präsident Fischer hat ihn gestern in der Nacht in der "ZiB 2" damit entschuldigt, dass er offensichtlich von den vergangenen Tagen und von den Emotionen und von all dem, was er zu tragen hatte, so erschüttert ist. Sind Sie nicht auch alle erschüttert davon und trotzdem da, werte Kolleginnen und Kollegen? Ich bedauere die Absenz ... (Abg. Grabner: Ganz wie der Haider! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Jessas na, Kollege Grabner! Das war wieder ein lichtvoller Zwischenruf, wirklich wahr! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedauere die Absenz des Bundeskanzlers außer Dienst, Mag. Viktor Klima, denn hier in diesem Hohen Haus hätte er unter anderem die Chance gehabt, aufzuklären, hätte er unter anderem die einmalige Möglichkeit nützen können, Licht ins Dunkel zu bringen oder zumindest – sagen wir es einmal ganz fair – Licht in jene journalistischen Hinweise von internationalen Zeitungen zu bringen, die ich jetzt in aller Kürze zitieren möchte.

Herr Bundeskanzler außer Dienst Mag. Viktor Klima! Sie hören mich ja nicht, Sie sitzen ja nicht da, aber vielleicht lauschen Sie an irgendeinem Mikrophon. (Abg. Schwarzenberger: Vielleicht sieht er es ja im Fernsehen!) Herr Bundeskanzler außer Dienst Mag. Viktor Klima! Wie ist dieser


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Artikel im schwedischen "Aftonbladet" vom 27. Jänner 2000 zu verstehen, der am Tag nach der großen Holocaust-Konferenz in Stockholm erschienen ist, in dem unter anderem gesagt wird, Sie, Mag. Klima, seien der Einzige gewesen, der die Angelegenheit Regierungsbeteiligung der FPÖ zu einem Thema gemacht hätte?

Wie, Herr Bundeskanzler außer Dienst Mag. Viktor Klima, erklären Sie sich, dass der britische "Guardian" am 29. Jänner unter anderem vor den Ereignissen, die Wolfgang Schüssel präzise auch vom zeitlichen Ablauf her erläutert hat, publiziert, dass Viktor Klima derjenige gewesen sei, der europäische Premierminister und Ministerpräsidenten gebeten habe, in die österreichische Innenpolitik einzugreifen, um eine Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei unmöglich zu machen? (Abg. Schwarzenberger: Ungeheuerlich ist das! Der amtierende Bundeskanzler ersucht, uns zu schaden! – Zwischenrufe bei der SPÖ, den Freiheitlichen sowie bei der ÖVP und den Grünen.)

Wie, Herr Bundeskanzler außer Dienst Mag. Viktor Klima, erklären Sie sich beispielsweise dieses Titelblatt des dänischen "Ekstra Bladet", in dem unter anderem steht, dass Österreich um diesen Boykott gebeten hätte?

Ich könnte weitere Dokumente vorlegen. Herr Bundeskanzler außer Dienst Mag. Viktor Klima, schade, dass Sie in dieser Sache heute nicht die Möglichkeit genutzt haben, endlich Klarheit, endlich Aufklärung zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

An Ihren Reaktionen, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, kann ich ja nur eines ablesen: Offensichtlich geht wirklich früher ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass sich Sozialdemokraten mit Anstand und Stil von der Macht verabschieden! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir wissen das – und lachen Sie nicht! –, wir wissen es von den Ministern, die am Freitag ihre Ämter, ihre Büros besucht haben beziehungsweise in Beschlag nehmen wollten, wir wissen ganz genau, was da gelaufen ist.

Ich bin persönlich enttäuscht von einigen Ministern, die jetzt als Abgeordnetenkollegen hier sitzen, über die Art und Weise, nicht einmal eine geordnete Amtsübergabe zu ermöglichen, eine Politik der vernichteten Akten ... (Abg. Dr. Krüger: Michalek schon!) Michalek schon und natürlich auch Fasslabend gegenüber Herbert Scheibner, ja selbstverständlich, das geschah in einer Art und Weise, wie es sich gehört. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Eine Politik der vernichteten Akten! Reißwölfe glühten tagelang in Ihren Ministerien! Ich wiederhole: Reißwölfe glühten tagelang! Computer wurden heruntergefahren! Infrastruktur war nicht vorhanden! Ist das die Art und Weise, sich aus einer Funktion, aus einer Position, von der Macht zu verabschieden? Ich bin enttäuscht von Ihnen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein Letztes: Peter Pilz konnte ja nicht anders, als den ach so friedlichen Demonstranten seinen Respekt zu zollen. Nichts gegen friedliche Demonstranten! Gutes österreichisches Recht und Gepflogenheit, die auch in diesem Parlament erkämpft wurde.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Kiss! Heute ist der Tag der exakten Redezeiten. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Paul Kiss (fortsetzend): Aber alles gegen Randalierer, Krawallisierer, gegen Anarchisten. Ich sage ein Dankeschön ...

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist beendet! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Kiss.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Westenthaler. Ich erteile ihm das Wort.

16.20

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und


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Herren! Es war schon sehr interessant, zu beobachten, wie sich Herr Kollege Gusenbauer da hergestellt, einmal durchgeatmet und mit dem Brustton der Überzeugung festgestellt hat, dass Sie sich in einer traurigen Position befinden (Abg. Freund: Das ist richtig!) – das ist wirklich richtig, ich gebe Ihnen Recht –, und zwar in einer traurigen Position umso mehr, als ich, wenn ich mir Ihre Rede, Herr Kollege Gusenbauer, und jene Ihres Genossen Pilz anhöre, den Eindruck nicht los werde, dass Sie sich über all diese Vorgänge, die in den letzten Wochen im Ausland zu verfolgen waren, über all diese gerechtfertigten oder ungerechtfertigten Maßnahmen unglaublich freuen, und das zum Schaden der Republik Österreich. Und das muss man entschieden ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

So ist auch die Vorgangsweise zwischen Grün und SPÖ. Sie begeben sich in eine Fundamental-Opposition. In einer Zeit, in der Solidarität gefragt ist, auch gegenüber dem Ausland Solidarität gefragt ist, innerhalb des Landes, zwischen den Parteien, in der es zu Gewalt auf der Straße kommt, begeben Sie sich in Fundamental-Opposition!

Ich verweise allein auf die Tatsache, dass diese Sitzung heute in skurriler Art und Weise stattfindet, bevor sich eine Regierung noch erklären, eine Regierung sich hier im Parlament präsentieren kann. Sie haben bereits heute die Tür für diese Regierung hier im Parlament zusperren wollen, die noch gar nicht offen war und durch die diese Regierung noch gar nicht gegangen ist. Das ist die Wahrheit! Das wollten Sie erreichen, und das ist doch wirklich keine gute Diskussionskultur und auch kein guter politischer Diskurs, meine Damen und Herren. Das sollten Sie auch entsprechend bedenken! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie wollen überhaupt nicht über Inhalte diskutieren, Sie wollen Obstruktionspolitik und Destruktion betreiben. Ich sage Ihnen, das ist nicht gut für das Haus, das ist auch nicht gut für das Land. Sie sollten eher zu einer offenen und produktiven Politik zurückkehren. Herr Kollege Van der Bellen, wenn Sie hier herausgehen und Aussagen von früher zitieren, die angeblich dazu dienen sollten, das Land zu destabilisieren, dann muss ich dem entgegen halten, ich werde Ihnen jetzt ganz andere Dinge zitieren, weil Sie sagen, Sie haben mit den Demonstranten nichts zu tun und diese seien alle friedlich. Ich habe Ihnen schon am Vormittag gesagt, dass es 50 verletzte Polizistinnen und Polizisten gibt (Abg. Parnigoni: Gestern haben Sie von 14 gesprochen!), dass es Gewalt, Millionen an Sachschaden und Bilder der Eskalation gegeben hat, die quer durch die ganze Welt gegangen sind.

Es ist mir daher völlig unverständlich, dass Sie weiterhin die Parolen für diese Demonstrationen vorgeben, dass Sie weiterhin ganz konkret zum Widerstand, auch zum verstärkten Widerstand aufrufen, und zwar Spitzenpolitiker der SPÖ, und dass grüne Spitzenpolitiker – und jetzt komme ich zu einem ganz Besonderen, zu Herrn Voggenhuber – im Fernsehen einen demokratisch gewählten Politiker und Parteivorsitzenden einer demokratisch gewählten Partei, nämlich Jörg Haider, als Faschisten bezeichnen.

Wenn man dann in die Demonstrationschöre hineinhört, nämlich auch in jene, wo Gewalt herrscht, und dann dort genau dieser Satz des Herrn Abgeordneten Voggenhuber zu hören ist: Haider ist ein Faschist!, dann tragen Sie, so meine ich, die Verantwortung für diese Zuspitzung. Jawohl, Sie tragen auch die Verantwortung für eine Eskalation der Gewalt hier in Österreich. Das sage ich Ihnen ganz deutlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es kommt so weit, dass eine grüne Landtagsabgeordnete in Wien – ich nenne ihren Namen: Frau Landtagsabgeordnete Vassilakou – Folgendes am Rednerpult von sich gibt – ich zitiere sie hier wortwörtlich aus dem Protokoll der letzten Landtagssitzung –:

"Wir Grüne werden uns erlauben, weiterhin zu protestieren. So mancher von uns wie ich und einige andere Kolleginnen und Kollegen von mir werden sich auch erlauben, weiterhin zu demonstrieren, gemeinsam mit allen linken gewaltbereiten Terroristen." – Das sagt eine Abgeordnete der Grünen Alternative in Wien. (Abg. Haigermoser: Das ist ungeheuerlich! Genieren Sie sich! Wenn nicht, distanzieren Sie sich, Herr Öllinger!)


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Es ist noch nicht aus. Wenn man sich dieses Protokoll genauer anschaut, dann sieht man, dass sie auch dazu Stellung nimmt, dass die Bundesregierung auf Grund der gewaltsamen Proteste sozusagen einen Tunnel verwenden musste, um zur Angelobung zu gehen. Frau Vassilakou sagt unter dem Beifall der grünen Mandatare im Wiener Landtag zu dem Punkt, dass die Regierung also unter der Erde gehen musste: "Da gehört sie auch hin! Sie gehört nämlich unter die Erde, diese Bundesregierung." (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ja genieren Sie sich denn nicht für solche Aussagen? Wissen Sie denn nicht, dass solche Botschaften auf der Straße von gewaltbereiten Demonstranten in Steine umgemünzt werden? Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben. Das sollten Sie bedenken! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Oder: Was soll das, dass auf Ihren Internetseiten sogar die Demonstrationszeiten angegeben werden, wo man hingehen kann, nicht nur jene der friedlichen Demonstrationen, sondern auch jene, wo es zu Gewalt gekommen ist. Genau die Zeitpunkte, genau die Treffpunkte auf den Internetseiten der grünen Fraktion!

Oder: Soeben ist mir dieses Flugblatt von der Sozialistischen Jugend Wien in die Hand gefallen. Ein Demonstrationsaufruf für die nächsten Tage: Schwarz-Blau ist da, wir auch, auf der Straße. Zum Schluss heißt es: Wir von der Sozialistischen Jugend und der Zeitschrift "Der Funke" (Abg. Dr. Krüger: Funke!)  – heißt das bezeichnenderweise – werden in den nächsten Wochen und Monaten alles nur Denkbare tun, um am Aufbau einer solchen Bewegung gegen die Regierung mitzuhelfen. Schwarz-Blau kann gestürzt werden!, schreiben sie hinein. Also letztlich ein Aufruf zum Umsturz. Das ist zu kritisieren, und das wollen Sie entsprechend umsetzen. (Lebhafte Zwischenrufe.)

Ich sage Ihnen ganz konkret: Unterlassen Sie das! Distanzieren Sie sich von solchen Dingen! Distanzieren Sie sich von der Gewalt. Ich habe schon am Vormittag gesagt: Demonstrationen ja! Das Demonstrationsrecht ist ein Oppositionsrecht. Aber Sie haben als Oppositionsparteien die Pflicht, für Österreichs Stabilität zu sorgen und sich von Gewalt zu distanzieren. Das ist das Entscheidende, meine Damen und Herren von der Opposition. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn man zu den Auslandsreaktionen kommt, dann stellt man fest, dass es auch nicht so ist, wie es Professor Van der Bellen hier dargestellt hat, dass es nämlich eine durchgängige Kette von Reaktionen gäbe, die überhaupt keine differenzierte Äußerung zuließe. Ich habe hier Zitate, die mittlerweile quer durch Europa abzurufen sind.

Die angesehene britische "Financial Times" schreibt: "Auch in anderen EU-Staaten könnten sich die Bürger Sorgen machen, ob ihre demokratischen Entscheidungen von der EU ,overruled‘ werden könnten." – Kritik also am Beschluss der 14 EU-Staaten.

"The Daily Telegraph" in Großbritannien schreibt: "Eine Ächtung Österreichs ist nicht der richtige Weg."

Die angesehene "Times" in London schreibt: "Da Großbritannien und der Rest (der EU-Länder) nun ihre Trumpfkarte" – diesen Boykott – "ausgespielt und verloren haben, sollten sie sich eine neue Spieltaktik überlegen. In Europas eigenem Interesse müssen sie dringend einen Ausweg aus dieser absurd unpraktischen und rechtlich zweifelhaften Boykottsituation finden."

"La Repubblica" – auch eine bekannte Zeitung –: "Die Mehrheit der europäischen Kommentatoren ist sich einig" – die Mehrheit der europäischen Kommentatoren! –: "Die Entscheidung der 14 EU-Staaten, die bilateralen Beziehungen zu Österreich zu unterbrechen, war übertrieben. Übertrieben, weil Meinungen und nicht konkrete Taten verurteilt werden."

Und das ist dieses Gesamtmissverständnis, das ich sehe. Es wurden Meinungen verurteilt und vorverurteilt, ohne sich ein Urteil über Taten zu bilden. Und woher das dann kommt, woher diese Meinungen aus Österreich selbst ins Ausland befördert werden, das ist eigentlich die entscheidende Frage. Und hier muss man auch nach der politischen Verantwortung fragen. Da


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gibt es die Gerüchte – Kollege Kiss hat es bereits aufgelistet –, dass es höchste Staatsrepräsentanten gegeben hat, beim ehemaligen Bundeskanzler beginnend, die im Ausland sehr viel Wind gemacht haben, zumindest Wind gemacht haben, wenn nicht auch entsprechend hinausgetragen haben.

Aber es ist nicht nur diese Sache, sondern es ist schon so, wie auch der Befund des sehr angesehenen Korrespondenten in Österreich des Ersten Deutschen Fernsehens Kleinert ist, der sagt:

"Ich fürchte, dass die Vorwürfe, die jetzt vom Ausland kommen, nur das Echo sind der Vorwürfe, die hier in Österreich produziert worden sind, und zwar aus innenpolitischen Gründen. Man hat versucht, Haider und die FPÖ klein zu halten mit dem Vorwurf, rechtsradikal, Faschist und so weiter. ... Dies fällt jetzt auf Österreich zurück" – das sagt der ARD-Korrespondent –, "und zwar auf ganz Österreich und ich glaube, jetzt werden diejenigen, die diese Dinge in die Wege geleitet haben, wohl sehen, dass sie damit falsch gelegen haben." (Abg. Edlinger: "Beschäftigungspolitik" und "Straflager"!)

Ein sehr, sehr guter, sehr treffender Befund, der deutlich macht, dass eben jahrelang versucht worden ist, diese Freiheitliche Partei zu diffamieren, im Ausland schlecht zu machen, und jetzt der Fluch der bösen Tat auf Österreich zurückkommt. Das ist auch Ihre Mitverantwortung! Dem sollten Sie sich auch nicht entziehen!

Ich glaube daher, dass es notwendig ist, nach den differenzierten Äußerungen in ganz Europa zu einem optimistischeren Bild zu kommen. Es muss Schluss sein mit Destruktion und Obstruktion. Wir müssen doch zu einer optimistischen Aussicht für dieses Land kommen und dürfen nicht immer wieder beginnen, im In- und Ausland zu zündeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dieser Regierung sollte eine Chance gegeben werden. Es ist eine junge, eine neue Regierung. Optimismus ist angesagt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit zu beachten!

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (fortsetzend): Beurteilen Sie uns nach diesem Programm! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. – Bitte.

16.30

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Zuerst einmal gleich eine Bemerkung zu meinem Vorredner Westenthaler, dem neuen Herrn Klubobmann: Wir sind gerade beim Überprüfen. Ich denke, Ihre Zitierung der Frau Vassilakou kann ich hier so nicht stehen lassen. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist in der "Presse" gestanden!)

Im Unterschied zu Ihnen kenne ich Frau Vassilakou, und ich kann daher sagen: Sie hat Gewaltanwendung sicherlich nicht verteidigt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Vielleicht sollte ich dazusagen, dass es eines unserer Prinzipien ist, von Gewaltfreiheit und Gewaltlosigkeit auszugehen, und dass wir nie zur Gewalt aufgerufen haben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Der Pilz will etwas anderes!)

Wir werden aber – diese Freiheit haben wir in diesem Land immer noch – das Recht nutzen, gegen etwas zu demonstrieren, was wir nicht wollen. Dieses Recht haben wir Ihnen ja auch nie versagt. Wenn wir auf unserer Internetseite die Zeiten angeben, wann und wo demonstriert wird und Sie das in Zusammenhang damit bringen, dass wir deswegen zur Gewalt aufrufen, dann widerspricht sich das doch selbst. Sie wissen ja auch nicht vorher, wenn es wo kracht. Aber das möchte ich nicht: dass irgendjemand irgendjemandem in diesem Land das Recht auf De


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monstration, das Recht, auf die Straße zu gehen – friedlich, wohlgemerkt –, verwehrt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Aber Ministerien besetzen ist etwas anderes!)

Ich möchte auf das Hauptthema unserer Dringlichen Anfrage zurückkommen. Es hat in der ersten Rede nach unserer heutigen Anfrage geheißen, wir hätten – Sie waren das, Herr Kanzler (Abg. Schwarzenberger: Bundes kanzler!)  – die demokratischen Usancen gebrochen, indem wir eine Sondersitzung verlangt haben, bevor noch die neue Regierung angelobt wurde beziehungsweise ihre Regierungserklärung im Parlament abgeben konnte. – Mag schon sein, dass das nicht üblich ist. Aber was noch weniger üblich ist und was den demokratischen Grundsätzen dieses Landes widerspricht, ist, dass Sie, Herr Bundeskanzler, eine Partei in die Regierung geholt haben, die eindeutig in vielen Aussagen – diese sind heute schon ein paar Mal erwähnt worden – ihrer Spitzenleute und von einigen, die morgen auf der Regierungsbank sitzen werden, rassistisches Gedankengut im letzten Wahlkampf in Wien, aber nicht nur in Wien, vertreten hat. Das ist das Brechen einer Usance! Das ist der Grund, warum wir heute diese Anfrage stellen.

Damit komme ich auch zu einem gewissen – leider und anscheinend – sehr österreichischen Phänomen, zu jenem nämlich, dass Sie jetzt sagen, Sie hätten nichts gewusst. Sie hätten nicht gewusst, dass es von Seiten der Partner, der Freunde, wie Sie auch sagen – wir auch –, in den EU-Ländern Stimmen gibt, die sagen würden: Wenn Sie die FPÖ in die Regierung holen, dann wird das Konsequenzen haben. – Sie sagen jetzt, Sie hätten das nicht gewusst. (Ruf: Haben Sie nicht zugehört?) Herr Bundeskanzler, das ist bewiesen, und Sie haben ja auch gesagt, es hat Gespräche gegeben. Da muss ich aber schon sagen: Sie waren damals noch Außenminister. Ist es denn wirklich so, dass Sie als Außenminister solche Warnungen nicht ernst genommen haben, dass Sie nicht vielleicht mit Botschaftern auf diplomatischer Ebene, aber auch mit Ihren Kollegen und Kolleginnen in den anderen Ländern über solche Dinge gesprochen und gefragt haben: Habt ihr da etwas vor?

Oder anders: Wenn Sie als Außenminister solche Befürchtungen wahrnehmen, sollten Sie dann nicht auch selbst darangehen und mit den anderen Partnern in den anderen Ländern, mit den Regierungen Gespräche suchen und fragen, was diese vorhaben, wenn Sie schon wissen, dass es diesbezüglich Bedenken gibt? – Ich denke – das hat auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer in einem Gespräch gesagt –, Sie wären wohl ein schlechter Außenminister gewesen, wenn Sie nicht gewusst hätten, was da auf uns zukommt. Das heißt, im Vorfeld hätten Sie sehen sollen, was da passiert, und Sie hätten auch Dinge dagegen unternehmen müssen.

Jetzt zu sagen – wie das auch mein Vorredner gesagt hat –, das sei eine sozialistische – haben Sie noch dazu gesagt –, also eine sozialdemokratische Verschwörung: Glauben Sie denn wirklich, dass die anderen EU-Staaten den Aufruf aus Österreich brauchen, um zu sehen, was in diesem Land passiert? Glauben Sie denn nicht, dass die Botschafter der EU-Länder in Österreich sehr wohl beobachtet haben, was für eine Verhärtung, was für eine Hetze zum Teil in den letzten Jahren in diesem Land vor sich gegangen ist? Brauchen diese wirklich den Aufruf von hier, damit sich etwas ändert?

Noch dazu ist es ja nicht so, dass nur die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Einspruch erhoben beziehungsweise Sie gewarnt haben. Wie ist es denn mit Ihrem Kollegen in Spanien, dem Vorsitzenden der Partido Popular, der spanischen Volkspartei, die auch der EVP angehört, der Sie ebenfalls gewarnt hat? – Das ist kein Sozialist. Wie ist es mit der Präsidentin des Europarlaments, Frau Nicole Fontaine, die weit davon entfernt ist, eine Sozialdemokratin zu sein? Auch diese beiden haben Sie gewarnt. In der Europäischen Volkspartei wird überlegt, Sie auszuschließen. Ist das die sozialistische Verschwörung? – Das können Sie uns nicht weismachen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie haben – das ist der Hauptpunkt unserer Anfrage an Sie – versucht, das zu beantworten, doch leider fehlt da einiges. Wenn Sie sagen, Sie haben von keinem wirtschaftlichen Schaden gehört, muss ich Sie fragen, ob Ihnen noch nicht bekannt ist, dass bereits etwas eingetreten ist. Es wurden schon Kongresse abgesagt, zum Beispiel in Tirol ein Ärztekongress. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Es wurden Schikurse abgesagt. Der Börsekurs, der ATX-Index, ist gefal


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len. Das sind keine Phantasmen von irgendwelchen Leuten, die sich das ausdenken. Das ist die Realität.

Um vielleicht noch einmal auf das Image, den Schaden, diesen außenpolitischen Schaden für Österreich zurückzukommen: Es gibt eine Brillenerzeugerfirma in der Steiermark und in Kärnten, deren Chef bestürzt ist und sagt: Die negativen Reaktionen meiner Kunden – das sind großteils Chefs von Schmuckkonzernen aus den USA und aus Kanada – werden immer mehr. Einer hat schon klargestellt, dass die Sonnenbrillen dieser Firma nicht mehr den Stempel "Made in Austria" tragen dürfen. Wissen Sie, was das heißt? – Es wurde in den letzten Jahren zu Recht von der österreichischen Wirtschaft versucht, ein positives Bild aufzubauen. Gerade in Zeiten der Globalisierung, in denen man dafür sorgen muss, dass auch österreichische Unternehmen auf dem internationalen Markt bestehen, werden Unternehmer nun Angst haben müssen, das Label "Made in Austria" zu verwenden. – Das sind Vorzeichen und Anzeichen eines Imageschadens, den Sie mit Ihrem Verhalten – zuerst als Außenminister und jetzt mit dem Ansinnen als Bundeskanzler, diese Regierung mit Beteiligung der FPÖ zu bilden – mit verursacht haben. Dafür sind Sie verantwortlich, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen.)

Noch ein Punkt: Den OSZE-Vorsitz haben Sie schon erwähnt. Sie waren es, der unbedingt den Vorsitz dieser großen und wichtigen europäischen Organisation nach Österreich holen wollte. Sie haben es auch geschafft. Österreich hat sich darum beworben. Toll, wir haben den Vorsitz bekommen. Was passiert jedoch jetzt? – Natürlich, auf Beamten- und Diplomatenebene wird sehr bemüht gearbeitet, aber so ein Vorsitz braucht eine politische Führung. Die jetzige Außenministerin Benita Ferrero-Waldner musste gestern in einem "Kurier"-Interview zugeben, dass vieles in Scherben gegangen ist und dass es schwierig sein wird, diesbezüglich wieder die politische Führung zu übernehmen. – Das ist der Erfolg Ihrer Politik! Gerade in der OSZE, die gegen Rassismus eintritt, die Konfliktvermittlung betreibt, die für Minderheiten eintritt, wäre das wichtig. Und jetzt wollen Sie im Tschetschenienkrieg vermitteln? Ist es glaubwürdig, dass jemand, der sich als Partner eine Partei in die Regierung holt, die selbst gegen Minderheiten auftritt, die selbst rassistische Tendenzen hat, dann in Konflikten vermitteln will? – Das ist unglaubwürdig. (Beifall bei den Grünen.)

Dieses österreichische Phänomen des "Nichts-gewusst-Habens" trägt aber auch dazu bei, dass in diesem Land eine Stimmung der Angst wächst, dass viele Menschen Angst bekommen. Man denke nur an Aussagen wie jene des Zweiten Nationalratspräsidenten Prinzhorn, der heute nicht anwesend ist. Ich weiß auch nicht, warum er nicht da ist (Abg. Dr. Khol: Krank!); vielleicht will er nicht kommen, weil er Angst hat, dass ihm dann persönlich übermittelt wird, dass ihm sein Parteichef vorgestern gesagt hat, er werde ihn aus der Partei ausschließen. (Abg. Dr. Khol: Er hatte eine Kieferoperation!)

Diese Verrohung der Sprache, diese Gewalt, die in diesem Land auch in der Sprache weiter gediehen ist, macht den Menschen Angst. Und das fördern Sie. Das hat nichts mit Solidarität zu tun. Die Solidarität, die mein Vorredner angesprochen hat, hatte damit zu tun, dass Sie die FPÖ in die Regierung holen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit zu beachten, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (fortsetzend): Einen Satz noch. (Abg. Mag. Haupt: Nein! Nein! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist ein Schaden für diese Republik, und deswegen sprechen wir Ihnen das Misstrauen aus! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.41

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wer dieser Debatte zuhört, weil ihn die Frage bewegt, wie es mit Österreich weitergeht und was unser Land und seine Menschen zu erwarten


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haben, dem wird – so wie mir – nicht ganz klar geworden sein, welche Strategie die Regierung und die blau-schwarze Koalition nun anwenden wird. Will sie – so wie es manche andeuteten – gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um die drohenden politischen, wirtschaftlichen, touristischen und kulturellen Nachteile für unser Land zu minimieren, oder wird es so sein, wie es andere hier heute lautstark gesagt haben, wird es ein Festhalten an der gegenwärtigen Linie geben, die da lautet: Die Regierung war überrascht, die Regierung konnte nichts tun. Aber fürchtet euch nicht! Das Ausland meint es nicht so. Das ist nur eine von Klestil, Klima und der Sozialistischen Internationale gelenkte Aktion und nicht ernst zu nehmen.

Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, bei der Linie der Klestil-Klima-Verschwörung bleiben und Chirac, Aznar und andere Personen mehr oder weniger als Gefolgsleute ansehen, dann bitte befassen wir uns damit, untersuchen wir das sogar. Dann wird nämlich auch zu klären sein, ob Sie wirklich überrascht wurden und ob es rein zeitlich-technisch eine Ende-Jänner-2000-Verschwörung sein konnte, wenn Schüssel als Außenminister und Ferrero-Waldner als Staatssekretärin schon Mitte November – wie sich auch aus der Dokumentation des Herrn Bundespräsidenten ergibt –, ausgehend vom Gipfel in Istanbul, im Dezember in Helsinki und in Tampere von vielen ausländischen Staatsoberhäuptern, Regierungschefs, Außenministern und Diplomaten vor den Folgen einer Koalition mit der FPÖ gewarnt wurden.

Dann wird auch zu untersuchen sein, warum Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner geheim in Spanien war und bereits vor der EU-Erklärung in Madrid dort diesbezügliche Gespräche mit dem Außenminister, dem Staatssekretär für EU-Angelegenheiten und einem prominenten Vertreter des Parteiapparates der PP als Ihrer Schwesterpartei geführt hat. Und weiters wird die jetzige Außenministerin zu fragen sein, ob es nicht sogar während dieses Blitzbesuches in Madrid ein Geheimtreffen mit dem portugiesischen Staatssekretär gegeben hat. (Abg. Dr. Stummvoll: Das wissen aber alle! – Abg. Schwarzenberger: Was Sie wissen, kann ja nicht geheim sein! – Abg. Dr. Kostelka: Aber die Frau Ferrero-Waldner versucht, es geheim zu halten!)

Meine Damen und Herren! Falls Sie die Warnungen der EU und der Welt in den letzten drei Monaten wirklich unterschätzt haben, dann müssen wir darüber reden, wie diese Regierung fachlich zusammengesetzt ist. Oder Sie haben manche dieser Äußerungen bewusst verheimlicht oder verdrängt, um den Kanzlersessel für Schüssel nicht zu gefährden. Aber dann müssen wir politisch sehr ernst darüber reden.

Aber wenn Sie, meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, eine gemeinsame Aktion für Österreich zur Schadensminimierung wünschen, dann sollten Sie raschest mit allen oppositionellen Kräften reden und nicht jene Linie fortsetzen, die in der Weisung des Außenamtes, GZ 91301 vom 3. Februar 2000, eingeschlagen wurde, in der man als wesentliche Punkte nur das ansieht, dass man im Ausland alle Menschen des Wirtschaftslebens aufsuchen sollte, die einen österreichischen Orden haben, um sie mit Hinweis auf diesen Orden für eine positive Stellungnahme zu gewinnen, wobei man auch sagt, man sollte im Ausland alle Zeitungen finden, die rezeptiv für offizielle Einschaltungen in dieser Causa wären.

Wir sind bereit, meine Damen und Herren, im Interesse unseres Landes an der Schadensminimierung mitzuwirken, wenn es ernst gemeint und ehrlich ist und es uns weder Fußwaschung für die Regierung noch Reinwaschung von den bekannten furchtbaren Äußerungen abverlangt. Wir können uns parlamentarisch vorstellen, bei der nächsten COSAC-Sitzung in Portugal Schritte zu unternehmen. Wir können uns vorstellen, dass Österreich etwa im Europarat von sich aus ein Monitoring-Verfahren verlangt, damit sich alle genau anschauen können, was Regierung, Parlament und Gerichte in Österreich tun. Und wenn wir sagen, hier gibt es keine Angst, dann wird uns das auch in solch einem Verfahren bestätigt werden.

Wir sind dazu bereit, und falls Sie nicht dazu bereit sind, dann werden wir dennoch gegen die Isolierung Österreichs auftreten. Wir werden im Inland, meine Damen und Herren, mit allen demokratischen Mitteln gegen diese Regierung kämpfen, wir werden aber weiter Europa und die Welt ersuchen, dieses Land, seine Menschen, seine Wirtschaft und seine Kultur nicht pauschaliter für diese Regierung leiden zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.47


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8. Sitzung / Seite 57

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.47

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte zunächst bei den Ausführungen des Kollegen Schieder anschließen, den ich auch als aufrechten Europäer ansehe. Ich möchte jedoch auch Ihnen abringen, dass das, was passiert ist, Herr Kollege Schieder, ein europäischer Schauprozess ist, der kein Maß und kein Ziel mehr hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn man die Sanktionen, die Österreich gegenüber verhängt wurden, näher betrachtet, sieht man doch, dass das eine Einmischung in innere Angelegenheiten ist, die in der Art und Weise noch nicht stattgefunden hat: ein Urteil, ohne ein Programm gesehen zu haben, die Erklärung einer Präsidentschaft für 14, die es eigentlich nicht gibt – und eine Erklärung von Staats- und Regierungschefs ohne Einbindung der Außenminister.

Ich darf dazu festhalten: Auch Staats- und Regierungschefs sind nicht die Herren Europas, sondern nur die Vertreter von parlamentarischen Demokratien, die in der Europäischen Union beheimatet sind. Das dürfen wir aus prinzipiellen Gründen nicht hinnehmen und auch nicht einreißen lassen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! So wie dieser europäische Schauprozess gegen Österreich geführt wird, führen wir heute offensichtlich diesen Schauprozess im Inland. Ich möchte auch der grünen Fraktion, die oft für Grundsätze gekämpft hat – auch in der Vergangenheit –, die nicht immer angenehm waren, zu bedenken geben, dass das, was sie als hohe Ziele festgehalten hat, auch von ihr heute in ihren Beiträgen mit Füßen getreten wird.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es doch klar ist und klar sein muss, dass erstens die demokratische Willensbildung immer nur in dem Land stattfinden muss, in dem eine Regierung zu bilden ist, und diese nicht von außen oktroyiert werden kann. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Das steht hier nicht zur Debatte!) Ich habe kein Wort von Ihnen gehört, dass Sie diesem Grundsatz heute in irgendeiner Weise Rechnung getragen hätten. Das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte dabei auch an die Sozialdemokraten appellieren: Demokratie und das demokratiepolitische Verständnis von Politikern sind nicht vereinbar damit, dass man sagt, es gibt nur eine Regierung unter Beteiligung einer Partei. Das kann nicht sein! Auch wenn es schwer fällt, den Abschied von der Macht nach 30 Jahren im Bundeskanzleramt hinzunehmen: Haben Sie die Größe, dazu zu stehen und diese demokratische Willensbildung zur Kenntnis zu nehmen! Ich appelliere wirklich eindringlich an Sie!

Zweiter Punkt: Sie haben heute viel von Vorverurteilungen gehört. Es ist leider eine Tatsache: Sie haben eine Regierung vorverurteilt, die noch nicht einmal angelobt war. Sie haben einen Außenminister schon in das Parlament zitieren wollen, der noch gar nicht Bundeskanzler war, und Sie haben einen Misstrauensantrag angekündigt, bevor irgendeine Maßnahme, irgendein Programm der Öffentlichkeit vorgestellt worden war. Ich halte das unter den Gesichtspunkten, die Sie vertreten, dass man nämlich auch gegenüber einer neuen Regierung keine Vorurteile haben soll, für nicht vertretbar. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stoisits: Das sind ja leider keine Vorurteile!)

Dritter Punkt. Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zu einem wirklich interessanten Punkt, der Ihre Schuldzuweisung betrifft, und zwar die Schuldzuweisung, dass der frühere Außenminister und jetzige Bundeskanzler das Wissen gehabt hat, dass all das folgen wird. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ja wenn nicht, dann ...!) Meine Damen und Herren! Das Wissen um die Vorgänge, die auf uns zukommen – ich glaube, diesbezüglich sind Sie völlig fehl unterwegs.

Es liegt uns mittlerweile eine Information von einem Sitzungsteilnehmer dieses Forums über den Holocaust in Stockholm vor. Dieser Sitzungsteilnehmer hat uns Erschütterndes mitteilen


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müssen. Es gab an diesem Vormittag des 26. Jänner bei dieser Konferenz eine Sitzungsunterbrechung, es haben sich die Staats- und Regierungschefs unter Einschluss des Altbundeskanzlers Klima zu einer Beratung zurückgezogen. Am Nachmittag passierte dasselbe noch einmal, und am Abend des 26. Jänner – so berichtet uns ein Augen- und Ohrenzeuge – erfolgte beim Empfang im Stockholmer Rathaus eine Rede von Viktor Klima, in der er Jörg Haider nicht nur erwähnt hat, sondern ihn auch einer bestimmten Gesinnung geziehen hat. (Abg. Öllinger: Welcher?) Auf seine Rede haben alle anderen Bezug genommen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Zitieren bitte!) Danach gab es noch einmal eine Besprechung der Staats- und Regierungschefs.

Ich frage Sie anhand dieser Fakten: Glauben Sie denn im Ernst, dass dort kein Wort über Österreich und diese Entwicklung gesprochen wurde? – Es tut mir wirklich Leid, dass Herr Mag. Klima als Altbundeskanzler heute nicht anwesend ist und wir ihn dazu nicht befragen können. Aber ich muss Ihnen ankündigen, dass wir ihm diese Fragen nicht ersparen werden können. (Zwischenruf des Abg. Kiss, die Kopie eines Zeitungsartikels in die Höhe haltend. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn er es nicht einmal der Mühe wert gefunden hat, den Außenminister davon zu verständigen, meine Damen und Herren (Zwischenrufe der Abgeordneten Huber und Gradwohl ), dann, würde ich meinen, hat auch er seine Legitimation, vor die Österreicher hinzutreten und zu sagen, ich werde alles tun, um Schaden von Österreich abzuwenden, eigentlich verloren. (Beifall bei der ÖVP.) Ich würde mich dafür nicht rühmen, sondern auch dazu beitragen, hier rasch Aufklärung darüber, was dort gesprochen wurde, herbeizuführen.

Meine Damen und Herren! Mir scheint daher, dass dieser Schuldvorwurf, den Sie von der grünen Fraktion hier und heute gegenüber Bundeskanzler Schüssel dargelegt haben, ein gefährliches Spiel ist; ein gefährliches Spiel, das man im Strafrecht als aberratio ictus bezeichnet. Sie zielen zwar auf Wolfgang Schüssel, aber in Wahrheit treffen Sie Viktor Klima damit. (Zwischenruf des Abg. Leikam. ) Ich würde Ihnen raten, sich das gut zu überlegen, denn diese Aufklärung wird auch einem Altbundeskanzler nicht erspart bleiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich komme daher zu einem vierten Grundsatz, von dem ich dachte, dass ihn alle, die in diesem Haus vertreten sind, auf ihre Fahnen heften, dass nämlich dann, wenn Österreich unter solchen Bedingungen zu leiden hat, wie sie dieser europäische Schauprozess verursacht hat, alle an einem Strang ziehen, um Österreich wieder davon zu befreien. Ich meine daher, dass wir den heutigen Tag zum Anlass nehmen sollten, dass wir alle miteinander dafür sorgen, dass Österreich wieder aus dieser Isolation herauskommt, dass wir alle dafür sorgen, dass diese Sanktionen nach Möglichkeit möglichst rasch wieder zurückgenommen werden, und dass wir auch alle dazu beitragen, durch Mäßigung und Deeskalation wieder zu einem normalen Klima in Österreich beizutragen. Ich kenne niemanden, der Eskalation will. Ich unterstütze auch niemanden, der Ausschreitungen in der Art und Weise, wie sie manchmal auch in den letzten Tagen vorgekommen sind, gutheißt.

Meine Damen und Herren! In der ÖVP-Bundesparteizentrale hat vor wenigen Tagen eine Hausbesetzung stattgefunden, bei der eine Mitarbeiterin tätlich angegriffen wurde. Es kam auch zu Sachbeschädigungen. Ein Netzwerk namens "United" hat dazu aufgerufen. Diesem gehören leider auch die Sozialistische Jugend, die Kommunistische Jugend, die Österreichische Gewerkschaftsjugend und so weiter an, wie aus dem Internet zu entnehmen ist. Ich sehe das als ein eher trauriges Kapitel denn als einen Fortschritt für demokratische Kultur in Österreich.

Ich möchte Sie daher zum Schluss alle bitten und auffordern, zu versuchen, durch Mäßigung, die auch wir an den Tag legen, Österreich aus dieser Ecke Europas herauszuführen und es wieder ins Zentrum zu bringen! – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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8. Sitzung / Seite 59

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanzler. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

16.56

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich wollte kurz zu einigen Debattenbeiträgen Stellung nehmen, die mich direkt betroffen haben.

Die erste Frage hinsichtlich der Kontakte, der Informationen, hinsichtlich dessen, was bekannt war. Es ist vollkommen richtig – das habe ich aber auch in meiner ersten Wortmeldung gesagt –, dass viele immer wieder gefragt haben, wie es um die Regierungsbildung steht, wie die Lage ist, ob ohnedies wieder Sozialdemokraten und Christdemokraten gemeinsam regieren werden. Ich habe, nachdem wir ja bitte bis vor drei Wochen ein fix und fertiges Koalitionsabkommen ausverhandelt hatten, auch in diesem Sinne informiert. Es ist vollkommen richtig, dass immer wieder Sorge und Besorgnis geäußert wurde, damit es auch zu einem positiven Abschluss kommt. (Abg. Leikam: In welcher Richtung?) Aber das ist ein anderer Punkt.

Das wurde auch in der Präsidentschaftskanzlei so gesehen. Ich habe mir sehr genau angesehen, was der Herr Bundespräsident diesbezüglich ausgesendet hat und welcher Inhalt in den Kontakten mit Chirac, Aznar, Blair, Prodi und so weiter zum Ausdruck gebracht wurde. Das bestand aus allgemeiner Sorge; es gab keinerlei Ankündigung einer konkreten Sanktion. Ich habe ein Übriges getan und habe immer wieder versucht, Kollegen auch telefonisch anzusprechen.

Ich habe die damalige Frau Staatssekretärin Ende jener Woche – das war, glaube ich, am 27. oder 28. Jänner – gebeten, sie solle – das war keine geheime Reise, so etwas gibt es überhaupt nicht, sondern eine ganz normale, offiziell angemeldete Reise – Kontakt mit Spanien aufnehmen. Sie solle auch mit den Portugiesen Kontakt aufnehmen, um herauszufinden, wie die Reaktion auf den belgischen Wunsch sein werde, wie diese ausfallen werde.

Es wäre ja fahrlässig gewesen, hätten wir nicht sofort in diesem Sinne agiert und reagiert. Ich habe auch danach mit fast allen europäischen Premierministern, Vize-Premierministern oder Außenministern geredet, und es ist auch durchaus in mancher Beziehung eine Differenzierung eingetreten.

Daher auch die Frage, die hier gestellt wurde: Wie kann man aus dieser jetzigen Situation herauskommen? – Meine Antwort ist: durch Information, durch sachkundige Aufklärung und durch moderates Agieren. Es hat niemand etwas davon, wenn wir jetzt Öl ins Feuer gießen, wenn wir jetzt auf einmal sagen, auf die Verträge pochend, da haben wir die Möglichkeit, ein Veto einzulegen, niemand kann uns übergehen. – Das wäre absolut kontraproduktiv; wurde auch nicht gesagt, wurde vom Bundeskanzler, von der Außenministerin völlig klar gestellt. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Bitte, ich bin ja nicht mit allen Erklärungen glücklich, aber diese habe ich zufällig selbst gehört. Da muss man wirklich ein akribisches negatives Grundgefühl haben, wenn man das als die Ankündigung eines Vetos interpretiert. Ich bitte darum, man möge nicht alles von vornherein mit der schlimmstmöglichen Interpretation versehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was kann man also tun? – Mir hat es eigentlich sehr gefallen, als Peter Schieder – immerhin langjähriger Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses, Fraktionsführer im Europarat – die Hand gesehen hat, die ich versuche auszustrecken, und auch selbst seine Hand ausstreckt. Es geht dabei wirklich um Österreich. Es geht nicht um Rot, um Grün, um Blau, um Schwarz: Es geht um die Casa Austria, es geht um unsere Heimat. Es geht darum, dass wir klar zum Ausdruck bringen – wie dies übrigens der Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes Fritz Verzetnitsch hervorragend gemacht hat –, dass diese Vorgangsweise nicht korrekt gewesen ist, dass wir gemeinsam fest dastehen müssen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Wir werden dies auf allen Ebenen tun, wo wir nur können, etwa mit jenen, die zu Österreich einen Bezug haben. Das sind von mir aus auch Ordensträger – ja warum denn nicht? Sie haben mit Österreich entweder in wirtschaftlicher, kultureller oder politischer Hinsicht eine bestimmte persönliche Beziehung, und jetzt bitten wir sie, für uns einzustehen. Wir bitten aber auch die Parlamentarier, ihre Möglichkeiten zu nützen, wo immer sie sind, denn Europa sind nicht nur die


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Staats- und Regierungschefs und die Außenminister, sondern wir alle, die Parlamentarier, die Bevölkerung, die Medien. Meine Bitte ist, dass wir hier gemeinsam auftreten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als letzten Punkt zu den wirtschaftlichen Schädigungen. Sie, die anfragenden Abgeordneten, haben eine präzise Frage gestellt, nämlich: Welche Schäden sind bereits eingetreten? – Die Formulierung ist sehr präzise, und meine Antwort war auch sehr präzise. (Abg. Dr. Pilz: Was ist mit Steyr?) Es sind also nicht die Befürchtungen, die Sie wissen wollen – die gibt es natürlich –, sondern der bereits eingetretene Schaden, der kausal damit zusammenhängt, dass diese Regierung gebildet wurde. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )  – Frau Abgeordnete! Lassen Sie mich, ich habe das Mikrophon, ich bin sowieso stärker in diesem Zusammenhang. (Abg. Mag. Stoisits: Aber nur mit Mikrophon!) Anschließend sind ja wieder Sie dran.

Erlauben Sie mir, wenigstens das Argument vorzubringen. Nehmen Sie als Beispiel die Börse her – es sitzt ja eine Reihe von Profis, darunter ein Professor der Ökonomie, in diesem Saal –: Die Börse in Wien hat seit Jahresbeginn 11 oder 12 Prozent verloren. Sie hat in der letzten Woche seit der Verkündigung des Regierungsprogramms insgesamt 2,8 Prozent verloren und mit dem heutigen Tag insgesamt ungefähr 1,8 Prozent dazugewonnen. Manche Titel sind stärker gefallen, andere haben zugelegt. So hat etwa im Zeitraum vom 1. bis zum 8. Februar die VA Stahl um 2,5 Prozent, die VA Tech um 3 Prozent zugelegt; Böhler-Uddeholm ist stabil.

Ich bitte Sie daher: Wenn schon, dann schauen wir doch die Dinge etwas gelassener an. (Abg. Dr. Mertel: Nicht schon wieder "gelassen"!) Ja, es ist wahr, es gibt Sorge und Ängste! Aber es könnte doch ein gemeinsamer Versuch von uns unternommen werden, in den nächsten Tagen und Wochen gemeinsam diese Angst zu nehmen. Und wenn wir das zusammenbringen, dann bleibt noch immer genug an politischer Kritik, an sachlicher Auseinandersetzung. Das Wichtigste jedoch, nämlich der Geschäftsgegenstand Österreich, bleibt gewahrt – und um diesen geht es mir. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Bravo!)

17.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Gusenbauer gemeldet. Die Redezeit beträgt 2 Minuten. – Bitte.

17.03

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Spindelegger hat behauptet, dass der ehemalige Bundeskanzler Mag. Viktor Klima am Vormittag des 26. Jänner in Stockholm vielfältige Gespräche geführt haben soll, über deren Inhalt er dann gerätselt hat.

Wahr ist vielmehr, dass der ehemalige Bundeskanzler Mag. Viktor Klima überhaupt erst am 26. Jänner um 16 Uhr direkt bei der Konferenz eingetroffen ist und davor gar keine Gelegenheit hatte, irgendwelche Gespräche zu führen. (Abg. Scheibner: Spindelegger hat aus der Zeitung zitiert! – Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist er denn heute? – Oh!-Rufe bei der SPÖ.) So viel zu Ihrem Umgang mit der Wahrheit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

17.04

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Einen Satz zu den Ausführungen von Frau Kollegin Lunacek: Ich hoffe, dass Sie inzwischen Zeit hatten, die ungeheuerlichen Anmerkungen Ihrer Kollegin im Wiener Landtag – protokollarisch belegt! – zu recherchieren. Ich hoffe aber, Frau Kollegin, dass Sie nicht so tätig geworden sind wie Frau Kollegin Moser, die nach ihrer "Straflager"-Aussage das Protokoll verändern wollte, meine Damen und Herren. – Das zum einen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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8. Sitzung / Seite 61

Herr Kollege Gusenbauer! Sie sind sehr schnell in die Rolle des Generalsekretärs hineingeschlüpft. (Abg. Leikam: Sehr gut!) Nun, es soll so sein. Aber Sie wagen es, eine Bundesregierung anzuschütten, welche kaum noch im Amt ist (Zwischenrufe bei der SPÖ), Sie, der Sie einer Bundesregierung die Mauer gemacht haben, welche einen Schuldenberg ohnegleichen hinterlassen hat, Belastungspakete sonder Zahl geschnürt und den Wirtschaftsstandort nachhaltig geschädigt hat (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), welche uns, der neuen Bundesregierung, Lohnnebenkosten "weltmeisterlicher" Natur in Österreich überlassen hat, meine Damen und Herren (Abg. Dr. Kostelka: Das darf ja nicht wahr sein!), welche geplant hat, ein Mittelstandvernichtungskonzept zu schnüren?! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ.)

Sie wagen es, hier einen einzigen Satz der Kritik an dieser neuen Bundesregierung zu äußern?! (Rufe bei der SPÖ: Ja! Jawohl!) Jawohl, Ihre künstliche Aufregung zeigt, dass wir Sie mehrmals auf dem linken Fuß erwischt haben, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das tät’ euch gefallen: der Knecht als Ausmister!)  – Herr Bundesminister für Finanzen, Herr Schuldenberg-Bundesminister Edlinger, der Sie nicht einmal die Größe hatten, ein Büro zu übergeben! (Abg. Edlinger:  Das hat ja keiner von mir verlangt!) Das zeugt von Ihrem kleinlichen Geist, Herr Ex-Bundesminister! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Da hätte der Grasser anrufen müssen!)

Meine Damen und Herren! Wir sind bereit, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner diese Aufräumarbeit zu übernehmen.

Nun vielleicht noch einen Halbsatz zur Rolle des Herrn Mag. Viktor Klima, welcher heute urlaubend dieser Sitzung ferngeblieben ist. Ich zitiere aus der "Welt am Sonntag" vom 6. Februar 2000:

Ex-Kanzler Viktor Klima mobilisierte seinen Freund Gerhard Schröder und die elf Chefs der Sozialistischen Internationale betreffend die Connection, die wir heute besprochen haben. In Deutschland agierten Außenminister Joschka Fischer, von Beginn an treibende Kraft einer konzertierten Aktion gegen Wien, und Michael Steiner, der außenpolitische Berater Schröders. – Zitatende. (Abg. Leikam: Das ist ein Zeitungsartikel!)

Meine Damen und Herren! Das sind die Fakten gut informierter, der FPÖ nicht nahe stehender Medien, das heißt also, dass Sie nicht das Ansehen und die Interessen der Republik im Auge hatten, sondern nur Ihr Interesse die Sozialistische Internationale betreffend. Das ist nachgewiesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit Pilz möchte ich mich weiter nicht befassen. Um mir jetzt keinen Ordnungsruf einzuhandeln (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger ), sage ich: Man muss es sich schon sehr genau überlegen, um es nicht dem Volksmund gleichzutun: Peter Pilz ist Brandstifter und Biedermann zugleich, meinen die Menschen draußen, und gegen Peter Pilz ist St. Georgen an der Gusen eine Nasszelle. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Und du bist der Grisu!)

Meine Damen und Herren! Da heute so viel zitiert wurde, einige wörtliche Zitate aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" – ich zitiere –:

Noch nie haben die Mitglieder der Europäischen Union mit einer solchen diplomatischen Härte und Geschwindigkeit wie in diesen Tagen reagiert, nicht, als auf dem Balkan das Vertreiben und Morden begann, nicht wegen der Moskauer Vernichtungskriege in Tschetschenien und auch nicht wegen der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Der Beschluss von 14 Mitgliedern der EU, das 15. Mitglied diplomatisch zu isolieren, ist unangemessen und überzogen. Es ist ein Skandal ersten Ranges, dass eine stabile und reife Demokratie wie ein Entwicklungsland behandelt und gegängelt wird, als müsse man es vor dem Rückfall in eine gerade abgeschüttelte Diktatur bewahren. – Zitatende.

So weit, so gut! (Abg. Schwemlein: ... andere Meinungen ...!)  – Daher ist meiner Ansicht nach die Europäische Union gut beraten, nicht quasi die Brüssel-Doktrin herbeizurufen, sondern die Verträge einzuhalten.


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8. Sitzung / Seite 62

Meine Damen und Herren! Vielleicht auch noch einen Halbsatz zum Demonstrationsrecht. Wir bekennen uns dazu, aber wenn Sie von den Grün-Alternativen es mit keinem einzigen Wort der Mühe wert gefunden haben, die Gewalt, die geballte Gewalt, unter denen Polizistinnen und Polizisten zu leiden hatten, die Beschädigung von fremdem Eigentum zu verurteilen, sondern – im Gegenteil! – im Wiener Landtag noch zur Gewalt aufrufen, dann ist Ihnen einmal mehr die Maske vom Gesicht gefallen. (Abg. Öllinger: Haigermoser, distanzier dich von deinen SS-Freunden!) Der Schafspelz ist wohl der gelindeste Vorwurf, den wir bezüglich Ihres Klubobmannes zu Protokoll geben können. (Abg. Öllinger: Distanzier dich von der Waffen-SS!)

Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftsstandort Österreich wurde immer wieder ins Gespräch gebracht; Peter Pilz hat geradezu mit Wollust vom "Schaden für Österreich" gesprochen – so, als ob er ihn herbeireden würde. (Das rote Licht am Rednerpult beginnt zu leuchten. – Rufe bei der SPÖ: Redezeit! Redezeit!)

Ich hatte am vergangenen Wochenende Gelegenheit, mit vielen internationalen Importeuren und Exporteuren zu sprechen, meine Damen und Herren, nämlich in Köln. Niemand wird sich in Österreich wirtschaftlich nicht betätigen, weil Sie Österreich international unmöglich zu machen versuchen. (Anhaltende Rufe bei der SPÖ: Redezeit! Redezeit!) Diese Regierung wird den Österreichern zeigen, was ordentliches Handwerk bedeutet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner  – in Richtung SPÖ –: Wissen Sie nicht, was die freiwillige Redezeit ist?)

17.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Ich ersuche noch einmal, sich, der Würde des Hauses und auch dem Anlass entsprechend, bei der Sprache zu mäßigen.

Ich möchte Ihnen, sehr geehrter Herr Abgeordneter Haigermoser, sagen, dass auch der Ausdruck "Biedermann und Brandstifter" in Richtung des Abgeordneten Dr. Pilz nicht angemessen und geeignet ist, die Wogen zu glätten, sondern eher aufzuschaukeln. (Abg. Ing. Westenthaler: Da ist er empfindlich! Aber "Faschist" darf man sagen!)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Van der Bellen gemeldet. – Bitte.

17.11

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Die Abgeordneten Westenthaler und Haigermoser haben behauptet, aus einem Amtlichen Protokoll einer Gemeinderatssitzung zu zitieren. Ich habe hier ein unkorrigiertes Exemplar, meines Wissens liegt noch kein Amtliches Protokoll vor.

Sie haben die erste Hälfte des Satzes richtig zitiert, Herr Westenthaler, aber eben nur die eine Hälfte. (Abg. Ing. Westenthaler: Lesen Sie noch einmal vor!) Der Satz geht dann nämlich weiter. Ich werde den ganzen Satz noch einmal vorlesen und hoffe, der Präsident gibt mir die notwendigen Sekunden. (Abg. Scheibner: 3 Minuten haben Sie Zeit!) Ich zitiere:

Wir Grüne werden uns erlauben, weiterhin zu protestieren, so mancher von uns, wie ich und einige andere Kolleginnen und Kollegen von mir, werden sich auch erlauben, weiterhin zu demonstrieren, gemeinsam mit allen linken, gewaltbereiten Terroristen, ... (Abg. Ing. Westenthaler: Na also! Das ist der Punkt!)  – Und an dieser Stelle haben Sie aufgehört.

Ich zitiere weiter: ... denn es ist ja auch ein Zeichen für Demokratieverständnis (Abg. Schwarzenberger: Das ist eine tatsächliche Bestätigung, keine tatsächliche Berichtigung!), wenn Sie diejenigen (Zwischenruf), die dieser Tage auf die Straße gehen und ihren Unmut zeigen, wenn Sie diejenigen, alle diejenigen ganz einfach als linke Terroristen, linke Extremisten, Leute, die nicht der Rede wert sind, abtun, das zeigt auch, wie gesagt, wie viel Sie von Demokratie und von Bürgerrechten verstanden haben! – Zitatende. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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8. Sitzung / Seite 63

Das
war der ganze Satz! Und es ist klar, dass dieser Satz sarkastisch gemeint war. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ebenfalls zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser gemeldet. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung des Abg. Dr. Van der Bellen –: Sie machen sich rücktrittsreif, wenn Sie das verteidigen!)

17.13

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Damen und Herren! Beruhigen Sie sich, das sind Klarstellungen, tatsächliche Berichtigungen. Wenn Sie etwas zu korrigieren haben, dann melden Sie sich ordnungsgemäß zu Wort.

Ich berichtige tatsächlich: Kollege Haigermoser hat vorhin gemeint, ich hätte ein Protokoll – ich zitiere wörtlich – "verändern" wollen. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Ich stelle richtig: Ich habe kein einziges Wort in diesem Protokoll verändert, sondern habe in Gedankenstrichen etwas dazugefügt.  – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Moser: Ich habe kein Wort verändert! – Abg. Schwarzenberger: Eine Ergänzung ist keine Änderung des Protokolls?)

17.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grünewald. – Bitte.

17.14

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ich werde Fragen stellen, und zwar leise. Wenn man mitdenkt, wird man sie verstehen, und man kann auch leise darauf antworten.

Herr Bundeskanzler Schüssel, ich weiß, Sie sind nicht schreckhaft, aber ich frage mich – und viele andere fragen sich das auch –, ob eiserne Nerven, Unbeirrbarkeit und größtmögliche Negierung der Außenwelt zum prioritären Anforderungsprofil eines Kanzlers gehören oder ob sie nicht doch weiter hinten stehen sollten.

Sie haben kühl, stolz und selbstbewusst erklärt, dass Sie binnen 14 Tagen zwei Regierungsprogramme, nämlich eines mit der SPÖ und ein weiteres mit der FPÖ, erstellt haben. Und weil diese Programme einander so ähneln, postulieren Sie einen breiten gesellschaftlichen Konsens zwischen Blau, Schwarz und Rot. – Ich und viele andere kennen wiederum kein Anforderungsprofil, das diesen Zynismus, diesen makaberen, flotten, überheblichen Scherz als Weisheit verkauft.

Sie sagen mit einem Lächeln, Sie seien sich aller Probleme voll bewusst. – Bitte, sagen Sie mir und vielen anderen, was für Sie Bewusstsein heißt und ob ein volles Bewusstsein nicht auch heißen muss, volle Verantwortung zu tragen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Spielen Sie bitte nicht den Überraschten, auch nicht den voll Überraschten, denn es ließe wenig Hoffnung darüber aufkommen, wie Sie Bewusstsein definieren! Gehen wir nicht immer wieder den kleinlichen Dingen nach!, sagten Sie kürzlich vor der Kamera. Was sind für Sie die "kleinlichen Dinge"? Die, die wir jetzt täglich erleben müssen? – Es handelt sich nicht um "Kleinigkeiten", wenn die Reputation Österreichs noch nie so gefährdet war wie heute, wenn unser Land seit 50 Jahren noch nie so polarisiert wurde wie heute. Es dreht sich um die Kleinigkeit, dass Sie erstmals als dritter Mann – und das waren Sie – in die Hofburg gelangten, und das ist wahrlich kein überirdisches Ereignis! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Jung. )


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8. Sitzung / Seite 64

Was ist das für eine "Kleinigkeit", wenn unser Bundespräsident auf eine Präambel zur Regierungserklärung drängen muss, in der die Selbstverständlichkeiten des Humanismus und die Grundprinzipien politischer Redlichkeit wiederholt werden? Es gibt fortlaufende Peinlichkeiten, wenn Geschichte gedeutet wird. Das "Es ist mir nicht bewusst" schlägt sich mit dem Begriff des vollen Bewusstseins. So wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, denn als ein Wissender in die Geschichte einzugehen, und das ist wiederum kein überirdisches Ereignis.

Verschwörungstheorien treten an die Stelle von selbstkritischen Analysen, und all jene, die Ihnen applaudieren, stellen Sie in den sehr engen Rahmen zwischen – wir haben es heute mehrfach gehört – den verirrten Gutmenschen, jenen, die zu blöd sind, Sie zu kapieren, und Terroristenbünden. Ist das das neue Bündekonzept der ÖVP, mit dem sie ohnehin seit Jahren Schwierigkeiten hat? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man braucht nicht Wissenschaftssprecher zu sein, um festzustellen (Abg. Kiss: Sind Sie das?), dass sich die These der globalen Intelligenz und Gesinnungslosigkeit des politischen Gegners nicht verifizieren lässt, vorausgesetzt, man ist bei vollem Bewusstsein.

Ist es eine "Kleinigkeit", wenn sich der Bundespräsident bemüßigt fühlt, allen wichtigen Staatsoberhäuptern einen Brief zu schreiben (Abg. Kiss: Haben Sie das selbst verfasst?), wenn er erklärt, dass er in Österreich auf die Menschenrechte und Ihnen auf die Fingern schauen wird? – Herr Kollege Kiss, kluge Gedanken äußern sich oft im Stillen. Aus Ihrer Lautstärke kann ich Schlüsse ziehen. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kiss: Ich habe Sie ja nur gefragt, ob Sie so etwas selbst verfasst haben!)  – Ich habe so etwas selbst verfasst, ich lasse meine Reden nicht aufsetzen, Herr Kollege. (Abg. Edlinger: Sehr treffend!)

Sie werden sich fragen, Herr Bundeskanzler, wie gerecht eine Welt ist, in der sich solche Zufälle als Schicksalsschläge ereignen, und wie bösartig eine Gesellschaft ist, die hinter Ihren Handlungen keinen genialen Plan, wohl aber eine recht zweifelhafte Strategie entdeckt. Die Sätze "Das habe ich nicht gewusst und nicht geahnt und nicht geglaubt!" und "Wenn ich das nur gewusst hätte!" sind uns aus jüngster Vergangenheit bekannt. Ein Zurück- und Vorausdenken aber ist Teil des Pflichtenkataloges.

Die letzte "Kleinigkeit" noch: Wie können Sie erklären, dass Herr Präsident Prinzhorn zwar vom Herrn Bundespräsidenten aus triftigen Gründen als Minister abgelehnt wurde, jedoch mit den Stimmen Ihrer und – das muss ich fairerweise auch sagen – einer anderen Partei als qualifiziert genug für dieses Hohe Haus angesehen wird? (Abg. Dr. Martin Graf: Er wurde mit Mehrheit gewählt!) Wie beantworten Sie diese "absurde", mit akkordierter Tücke gestellte Frage, falls sich Ihre Kritiker im In- und Ausland das zu fragen überhaupt trauen?

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter, bitte um Ihren Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (fortsetzend): Herr Bundeskanzler, ich ersuche Sie eindringlich: Halten Sie uns nicht alle für dumm, unanständig und bösartig, die wir diesen Weg mit Ihnen nicht gehen wollen! Und seien Sie versichert: Ich und viele andere werden es Ihnen danken (Abg. Dr. Khol: Das ist schon der zweite Satz!), wenn der Schatten, den Sie werfen werden, kürzer wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kiss: Die Vorwürfe in den letzten Sätzen werden Ihnen nicht gerecht!)

17.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Elisabeth Pittermann. – Bitte.

17.20


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8. Sitzung / Seite 65

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann
(SPÖ): Herr Präsident! (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Kiss und Dr. Khol sowie Dr. Grünewald. )

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Am Wort ist jetzt Frau Abgeordnete Pittermann!

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (fortsetzend): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Nicht zu erkennen, dass eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu internationalen Reaktionen führt, zeigt, dass das Außenministerium seit Jahren von Politikern geleitet wird, die sich wenig um Außenpolitik gekümmert haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Mit der SPÖ hätte es niemanden gestört!)

Schon im Hauptausschuss war die Hilflosigkeit der jetzigen Frau Bundesministerin offensichtlich. Dass der frühere Bundesminister die laut formulierten Sorgen seiner Amtskollegen nicht verstand, beweist die Wunschvorstellung, dass derartige Proteste bestellbar sind.

Über APA-Meldungen verbreitete Äußerungen Israels zeigen uns, welches Entsetzen, welche Erinnerung diese Regierung hervorruft. Rassismus, Xenophobie und Antisemitismus führten zu den größten politischen Verbrechen, zum größten Leid, das je über Menschen gebracht wurde.

Von "F"-Seite wird verharmlost: Es sei Vergangenheit, man sei voller Unschuld. – Die Opfer und ihre Nachkommen sehen das jedoch anders. Für sie sind das Wecken derartiger Emotionen zur Stimmenmaximierung und zum Salonfähig-Machen von Rassismus eine tödliche Bedrohung, daher kann niemand diese FPÖ salonfähig machen.

Sosehr ich bedauere, dass Österreich international geächtet wird – und das nicht nur in politischer Hinsicht: laufend werden internationale medizinische Kongresse storniert und verlegt –, sosehr ich mich vor den wirtschaftlichen Folgen, die in erster Linie Ärmere und Schwächere treffen, fürchte, so sehr beruhigt es mich als eine von jenen, deren Familie durch die Shoah bitteres Leid widerfuhr, dass diesmal die Welt früher reagiert. Die Frage meiner Kindheit war nicht nur: Wieso können sich normale Menschen in derartige Mordbestien verwandeln, wie kann jedes Gefühl für Menschlichkeit und Recht abhanden kommen?, sondern auch: Warum wurde dem von der menschlichen Gemeinschaft nicht rechtzeitig Einhalt geboten?

Was einmal wirklich war, bleibt ewig möglich! – Das sagte ein Rabbiner nach der Vertreibung und Vernichtung spanischer Juden durch die Inquisition. Adorno äußerte Gleiches über die Shoah. Wachsamkeit ist angesagt, damit die Grundübel Rassismus, Xenophobie und Antisemitismus nie mehr toleriert werden!

Dass die ÖVP Antisemitismus bestens zu nutzen wusste, ist mir bekannt. (Abg. Kiss: Die SPÖ nicht?)  – Sie verbreitete, dass mein Vater Jude sei, um ihm zu schaden. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel. ) Erst kürzlich wurde ich gefragt, warum er nie dementierte. – Klaus hingegen war ein "echter Österreicher".

Der frühere österreichische Botschafter in Israel wurde als Affront des damaligen Außenministers gegen Israel empfunden.

Ein Aufarbeiten unserer Geschichte wäre reinigend. Man kann nicht gleichzeitig erstes Opfer gewesen sein, den Zweiten Weltkrieg verloren haben und von den Alliierten besetzt worden sein.

Die anrüchigen Aussagen des Obmannes der Freiheitlichen und seiner Mitkämpfer vermitteln das gleiche Bild. Um nur eine zu zitieren: Na ja, Vertreibung, Tod, menschenrechtswidriges Verhalten sollte ja wohl nicht von der ethnischen Zugehörigkeit abhängig sein. (Abg. Kiss: Jede Ihrer Reden lesen Sie herunter!) Jeder von uns weiß, was die Menschen jüdischer Abstammung durchgemacht haben, jeder weiß auch, was die Heimatvertriebenen durchgemacht haben – und da möchte ich nicht beurteilen, was schlimmer ist. – Zitatende.

Die bisherigen Demonstrationen verliefen zum Großteil friedlich. Pflastersteine und Tränengas gegen Menschen sowie der erste tote Freiheitskämpfer der Zweiten Republik waren im Jahre 1965 die Taten Rechtsextremer; ebenso gewalttätig waren die Südtirol-Terroristen. Die heutigen Demonstranten wollen friedlich vermitteln, dass es ein anderes Österreich gibt. (Zwischenruf des Abg. Jung. )


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8. Sitzung / Seite 66

Unerträgliche Äußerungen mit Einschränkungen abzuschwächen, ist wenig hilfreich. Österreichs mühselig aufgebautes Ansehen in der Welt wurde mit einem Schlag schwer geschädigt. Ein Außenminister, der so etwas nicht rechtzeitig erkennt, ist unfähig! Aber jemand, der – aus Gründen welcher Art auch immer – getrieben ist, um jeden – von anderen bezahlten – Preis Bundeskanzler zu werden, ist nicht ungefährlich! (Abg. Kiss:  ... so etwas von arrogant und präpotent!)

Vergessen wir nicht, dass der kleinwüchsige Mörder Dollfuß, dessen Bild heute noch Ihr Sitzungszimmer als Vorbild ziert (Abg. Schwarzenberger: Er wurde ermordet!), Österreich mit der Errichtung eines totalitären Regimes in Bürgerkrieg und Brudermord getrieben und so den begeisterten Empfang für Hitler vorbereitet hat. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und mit Santayana kann ich nur sagen: Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist verdammt, sie wieder zu erleben!

Die leidtragenden Opfer sowie deren Nachkommen haben Angst. Alles, was von Regierungsseite bisher gekommen ist, mindert sie nicht. (Das rote Licht am Rednerpult beginnt zu leuchten.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Bitte beenden Sie Ihre Rede mit einem Schlusssatz! (Abg. Schwarzenberger: Nein, sie hat 10 Minuten! Das ist die freiwillige Redezeitbeschränkung!)

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (fortsetzend): Das ist nicht die absolute Redezeit, ich habe eine Redezeit von 10 Minuten!

Es mindert sie aber das Gefühl, dass die Welt nicht unbeteiligt zu- oder wegschaut.

Ich wiederhole, was ich hier am 5. Mai 1995 zur freiheitlichen Fraktion gesagt habe – allerdings gilt es nun dieser Regierung (Abg. Jung: Das ist aber ein langer Schlusssatz!)  –: "Ich habe Angst, daß Sie weitermarschieren, bis alles in Scherben zerfällt!" (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Jung: Haben Sie sich vor Friedrich Peter auch so gefürchtet?)

17.26

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haupt. – Bitte.

17.26

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, dass aufgrund der Kampagne, die über Europa hinwegfegt und die Österreich in eine Isolation gebracht hat, wie wir sie vor einer Woche noch nicht für möglich gehalten haben, jüdische Mitbürger und Menschen, die in der Vergangenheit schweres Leid mitmachen mussten, heute vielleicht so reagieren wie Sie, Frau Abgeordnete Pittermann.

Festzustellen ist meiner Meinung nach – und ich sage das Herrn Abgeordneten Grünewald klar und deutlich –: Die Präambel zur Regierungserklärung war für uns Freiheitliche nicht eine vom Bundespräsidenten aufgezwungene Pflichtübung (Rufe bei der SPÖ: Aber geh!), sondern sie ist für uns Bestandteil unseres politischen Alltags. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wer in diesem Staate an Deeskalation und an fairen Verhältnissen interessiert ist, sollte diese fairen Verhältnisse auch so bewerten, wie sie tatsächlich zu bewerten sind. Und ich sage es klar und deutlich: Wenn man die Äußerungen von Dr. Jörg Haider aus dem Jahre 1990 verurteilt, so frage ich mich, warum man die Äußerungen des Staatspräsidenten Chirac aus dem Jahre 1991 nicht gleichermaßen verurteilt. Solche Ungeheuerlichkeiten, wie sie Chirac in seinem Wahlkampf 1991 von sich gegeben hat, hat in Österreich noch kein freiheitlicher Politiker von sich gegeben.

Ich möchte es mir ersparen, jetzt die damaligen Presseaussendungen – aus dem Jahre 1991 – zu zitieren. Ich lade Sie alle ein – Sie alle haben die medialen Möglichkeiten dazu –, sich davon


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8. Sitzung / Seite 67

in entsprechender Form zu überzeugen. Und vielleicht werden Sie dann auch zugeben, dass die eine oder andere – zugegebenermaßen überzogene und volkstümlich ausgefallene – Reaktion durch die persönliche Betroffenheit, von jemandem denunziert zu werden, der selbst im Glashaus sitzt, verständlich ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben Recht: Die Isolation trifft nicht die Freiheitlichen, sondern die Isolation trifft ganz Österreich. – Ganz Österreich hat sich das nicht verdient, und auch die Freiheitlichen haben sich das nicht verdient. Wie schwach muss diese Europäische Union sein, wenn sie mit ihren 385 Millionen Menschen von 1,2 Millionen Wählern in einer Demokratie, die seit 50 Jahren existiert, aus den Angeln gehoben wird, wenn Freunde von gestern die Europapartei ÖVP aus ihren Reihen ausschließen wollen (Abg. Jäger: In Jugoslawien ... und das Land ist zerfallen!), wenn der ehemalige Bundeskanzler anlässlich des Holocaust-Treffens nicht seine Pflichten als Bundeskanzler wahrnimmt, sondern offensichtlich im Interesse der Sozialistischen Internationale und der Machterhaltung reagiert?! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie von der linken Reichshälfte hier heute fragen, warum der Herr Bundeskanzler Österreich in die Isolation geführt hat, so frage ich Sie: Waren Ihnen – wenn Sie das alles gewusst haben – Herr Minister Edlinger und sein Sitz mehr wert als Österreich und die österreichische Zukunft? – Das, sehr geehrter Herr Kollege Schieder, sind die politischen Fragen, die wir uns hier zu stellen haben.

Ich sage Ihnen klar und deutlich: Diese Regierungsbildung war eine demokratische Regierungsbildung. Die Freiheitliche Partei ist eine demokratisch legitimierte Partei, und ich habe heute zur Kenntnis nehmen müssen, dass unter Herrn Präsidenten Fischer Herr Abgeordneter Pilz ein Zitat verwenden konnte – ungestraft, unaufgefordert –, in dem wir als neonazistisch, nationalsozialistisch und populistisch bezeichnet wurden, während der jetzt den Vorsitz führende Präsident den Ausspruch vom "Biedermann und den Brandstiftern" als solchen sofort gerügt hat. – Ich frage mich: Wo bleibt auch hier die Gleichbehandlung? Ein Zitat gegen das andere.

Wir werden nicht schweigen, wenn die Demokratie in Gefahr ist. Wir werden die Demokratie forttragen. (Ruf: Wohin?) Und ich sage es ganz klar und deutlich: Es wird in Europa auch andere Regierungen geben als sozialdemokratische und links-grüne. Und das, sehr geehrte Damen und Herren links von der Mitte, werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Pilz hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Von der Bank aus geht das nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

17.31

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es sehr kurz machen. Mein Vorredner hat behauptet, ich hätte die Freiheitlichen als neonazistisch und faschistisch bezeichnet. (Ruf bei den Freiheitlichen: Nationalsozialistisch!)  – Das stimmt nicht!

Ich berichtige: Ich habe die Freiheitlichen ausschließlich – und das war der einzige Begriff, den ich verwendet habe – als rechtsextrem bezeichnet. Und dazu stehe ich. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist aber jetzt an sich ein Ordnungsruf!)

17.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Pilz! Ich empfinde eine derartige tatsächliche Berichtigung nicht als einen mäßigenden Beitrag und als eine Richtigstellung im Sinne der Debatte. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Posch. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Grünen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Eine tatsächliche Berichtigung muss nicht mäßigend sein, sondern richtig stellend! – Weitere Zwischenrufe.) Herr Abgeordneter Posch ist jetzt am Wort!


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8. Sitzung / Seite 68

17.33

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Ich halte die Auslandsreaktionen aus einem Grund leider für innenpolitisch nicht hilfreich: weil sie weder Österreich noch jenen 73 Prozent, die die FPÖ nicht gewählt haben, noch der EU dienen und weil sie den Blick verstellen auf das eigentliche – unter Anführungszeichen – "Phänomen" Haider. All das macht ihn interessanter, als er es wert ist diskutiert zu werden, und es folgt einem ganz simplen psychologischen Muster, das seine Position einzementiert, das ihn in der Vergangenheit groß gemacht hat: Rebellentum, vorgespielt als Surrogat für die politische Mentalität des Radfahrens, in Wahrheit nach oben buckeln und nach unten treten, ständig provozieren und beleidigen, um sich die ungeteilte Aufmerksamkeit der Beleidigten und der Öffentlichkeit zu sichern. Es ist das erfolgreiche Muster zum Großwerden, Bassenastreit als Politikersatz, der kleine David gegen den großen Goliath, die ausgegrenzte FPÖ, das böse europäische Ausland, 14 : 1, verschwörerhaft ferngesteuert vom links-linken Thomas Klestil. (Ruf bei den Freiheitlichen: So groß sind Sie auch wieder nicht! – Abg. Dr. Petrovic: Machen Sie Anführungszeichen, sonst bekommen Sie einen Ordnungsruf!)

Herr Bundeskanzler! Ich vergönne Ihnen Ihren neuen Partner. Möglicherweise haben Sie in den Katakomben des Ballhausplatzes ein ganz klein wenig Beklemmungen gehabt; die Körpersprache Ihrer Frau Außenministerin hat ein ganz klein wenig von ihrer Befindlichkeit fühlen lassen. Ob das Kalkül aufgeht, das "Phänomen" – das so genannte Phänomen – mit dieser Regierungsbeteiligung zu entzaubern, es an der Realität scheitern zu lassen, an der eigenen Gewöhnlichkeit, darf bezweifelt werden. Fragen Sie Ihren ehemaligen Landeshauptmann Zernatto! Der hat da seine eigenen Erfahrungen, seine ganz reellen und realistischen Erfahrungen im Umgang mit Freiheitlichen und freiheitlicher Politik gemacht. (Abg. Dr. Ofner: Und was ist mit dem Arbeiter?)

Frau Rauch-Kallat wird im "profil" mit folgenden Worten zitiert: "Wenn die FPÖ eine Nazi-Partei wäre, wäre sie schon längst verboten."

Ich wundere mich über diese Hilflosigkeit, über die rechtliche Handhabung eines Problems. Die Frage, ob jemand ein Nazi ist oder nicht, blamiert sich nicht am Geburtsjahrgang, es ist nicht jemand deshalb kein Nazi, weil er nach 1945 geboren ist und angeblich die "Gnade der späten Geburt" hat. Die Frage, ob jemand ein Nazi oder nicht ein Nazi ist, blamiert sich auch nicht an der demokratischen Wählbarkeit – ich erinnere daran, dass Hitler demokratisch an die Macht gekommen ist, ohne Vergleiche anstellen zu wollen (Beifall bei der SPÖ – Abg. Dr. Ofner: Wann ist der Abgeordnete Arbeiter geboren? Vorher oder nachher?)  –, die Frage der Befindlichkeit blamiert sich nicht an dieser Frage, sondern am Denken, am Geist.

Die Zitate, die Handlungen, die Sprache, die Vorschläge sind Legende: das Zitat Prinzhorn, das Zitat Partik-Pablé, um nur einige zu nennen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das Zitat Arbeiter!)

"Die Schwarzafrikaner schauen nicht nur anders aus, sondern sie sind auch anders, und zwar sind sie ganz besonders aggressiv. Das liegt offenbar in der Natur dieser Menschen. Sie sind meist illegal da, sie sind meistens Drogendealer." – Zitat Partik-Pablé.

Die A-Card für Ausländer, der moderne Judenstern, die jahrelange Hetze gegen österreichische Künstler, die Vernaderung als "Staatskünstler", die Hetze gegen Cornelius Kolig. "Kein Fäkalkünstler im Kärntner Landtag!" "Es sei eine Art von Schweinerei", hat der damalige Herr Landeshauptmann gesagt. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie was über die Nazi-Sprüche des Herrn Arbeiter!)

Die FPÖ will ausschalten, verhindern, vernichten. – Kulturstaatssekretär Morak, 1998. (Abg. Dr. Ofner: Arbeiter 2000!) Die FPÖ will ausschalten, verhindern, vernichten. – Kulturstaatssekretär Morak, 1998.

Herr Klubobmann Andreas Khol, der Erfinder des "Verfassungsbogens" und mutige antifaschistische Widerstandskämpfer, weiß das natürlich, er weiß es ganz genau. Und er kennt auch jenes Haider-Zitat vom 1. Oktober 1999 – kein altes Zitat: 1. Oktober 1999 –, OTS: "Schüssel trägt


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8. Sitzung / Seite 69

seine Masche nicht um den Hals, sondern vor dem Hirn." – Herr Bundeskanzler, ich "gratuliere" Ihnen zu diesem Koalitionspartner! Sie sind wahrlich nicht zu beneiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie brauchen uns mit Ihrer Regierung nicht zu beschämen. Das alles ist nicht eine Frage des Programms, sondern der Symbolik. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Petrovic.  – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege Posch! Den Herrn Arbeiter mit seinem Goebbels-Zitat haben Sie vergessen!)

17.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Partik-Pablé. – Bitte.

17.37

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Posch, wenn Sie schon meinen, dass der Herr Bundeskanzler um die Freiheitliche Partei als Koalitionspartner nicht zu beneiden ist, dann, muss ich sagen, war die ÖVP um Sie als Koalitionspartner auch nicht zu beneiden (Beifall bei den Freiheitlichen), denn immerhin haben Sie in Ihren Reihen noch immer den Herrn Landtagsabgeordneten Arbeiter in Kärnten, der Goebbels zitiert und erst vor ein paar Wochen gesagt hat: "Da halte ich mich lieber an Goebbels, der gesagt hat, das Volk muss fühlen, wer das Sagen hat." (Abg. Ing. Westenthaler: Unglaublich!)

Und da wird Frau Kollegin Pittermann nicht schlecht, obwohl solche Leute in ihrer eigenen Partei sind. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Ing. Maderthaner. ) Wissen Sie, da gibt es das Bibelwort vom Balken im eigenen Auge, und das sollten Sie sich einmal anschauen. Das steht in der Bibel. (Abg. Scheibner: Der Arbeiter ist bis heute nicht zurückgetreten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Journalistin, die den Freiheitlichen durchaus nicht wohlgesinnt ist, hat vor ganz kurzer Zeit geschrieben – ich zitiere –:

Es wäre an der Zeit, dass sozialdemokratische Politiker bei aller Wut über den Machtverlust langsam wieder zu einer gewissen Haltung zurückfinden. Denn eines muss nachdenklich stimmen: die demonstrative Verachtung für einen demokratischen Vorgang, der dieses Mal zu Ungunsten der SPÖ verlaufen ist. – Zitatende.

Ich finde, diese Journalistin hat absolut recht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialistischen Partei! Ich sehe schon ein, dass es sehr schwer ist, Abschied zu nehmen. Nach 30 Jahren an der Regierung ist es schwer, der Macht Adieu zu sagen. Aber Sie bewältigen das Problem falsch, Sie sollten wirklich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Das ist empörend!) Statt nachzudenken, welche Fehler Sie gemacht haben, was dazu geführt hat, dass Sie sich selbst aus der Regierung hinauskatapultiert haben, diffamieren Sie eine Regierung, die nicht einmal noch im Amt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Ihre Rede ist widerlich und empörend! – Abg. Schieder: Skandalös!)

Diesen Ihren Frust verbrämen Sie noch mit der "Sorge um Österreich". Wenn Sie wirklich Sorge hätten um Österreich, dann würden Sie diese Bundesregierung arbeiten lassen, dann würden Sie deeskalierend einwirken auf die Demonstranten, wo doch ein Tag Demonstration rund 2 Millionen Schilling kostet.

Aber in Wirklichkeit sind Sie auch enttäuscht. Ihr wahres Gesicht zeigt sich ja, wenn der Herr Bundeskanzler sagt, es ist kein wirtschaftlicher Schaden entstanden. (Abg. Eder: Das stimmt leider nicht!) Jeder von Ihnen und auch von den Grünen kommt da enttäuscht heraus. Aber ich sage Ihnen ... (Abg. Eder: Was wir sagen, das stimmt leider! – Mehrere Abgeordnete der SPÖ halten Zeitungen in die Höhe.) Das stimmt nicht! Ich gebe Ihnen die neuesten Zahlen des ATX: plus 3,37! Jetzt um 17.10 Uhr. Sie können Ihr Papierl wieder runtergeben. (Bravorufe und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Der ATX ist stärker gestiegen als die Kurse an der Börse in Frankfurt, meine sehr geehrte Damen und Herren. – Also Ihre ganze


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Krankjammerei können Sie sich abschminken. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gestehen Sie sich doch die Fehler ein, die Sie gemacht haben! Zwei Sparpakete. Der ehemalige Finanzminister sitzt jetzt da. 20 Milliarden Schilling beträgt das Budgetloch, das er hinterlassen hat. (Abg. Edlinger: 20 Milliarden? – Danke schön!) Parteibuch, Proporzwirtschaft: Das haben Sie von der Sozialistischen Partei ja wirklich kultiviert. Und der verhängnisvollste Fehler, den Sie gemacht haben, war Ihre konsequente Ausgrenzungspolitik den Freiheitlichen gegenüber, einer Partei, die 1,2 Millionen Wähler hinter sich hat. Damit haben Sie sich nämlich auch einen potentiellen Koalitionspartner zunichte gemacht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und jetzt, da Sie das Opfer Ihrer eigenen Politik geworden sind, versuchen Sie mit allen Mitteln – und ich betone: mit allen Mitteln! –, dieser neuen Regierung das Arbeiten zu erschweren.

Da sagt Herr Kollege Kostelka: In fünf Tagen wurde etwas zerstört, was in 55 Jahren aufgebaut wurde. (Abg. Dietachmayr: Richtig!) Damit meinte er den Ruf Österreichs. – Es ist doch zur Genüge aufgezeigt worden, wer den Ruf im Ausland demoliert hat! Das ist ja zur Genüge bekannt! Herr Kollege Kiss hat es anhand von Zeitungsmeldungen eindeutig berichtet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Als Sie im Jahre 1983 die Freiheitlichen für die Regierung gebraucht haben, da waren Sie sich nicht zu fein, uns zu nehmen, sondern da waren wir die Superdemokraten. (Abg. Dr. Mertel: Das war eine andere FPÖ! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da haben Sie uns gebraucht, und da haben Sie uns auch geholt, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Die Leute, die Sie dann hinausgeworfen haben!) Herr Kostelka! Sie waren damals Klubsekretär. Damals haben Sie keine Berührungsängste gehabt. Und wir sind nach wie vor die Freiheitliche Partei, die wir auch damals waren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ.)

Als Sie die Unterstützung für Ihr beabsichtigtes Minderheitskabinett gebraucht haben, da haben Sie uns auch angefleht und gesagt, wir sollen mit Ihnen zusammenarbeiten. Da waren wir Ihnen aufrechte Demokraten genug! – Nur jetzt, da Ihnen die Felle der Regierungsbeteiligung davongeschwommen sind, sind wir es nicht mehr.

Lassen Sie die Regierung arbeiten! Und dann werden Sie schon sehen: Dieses Land wird sich erholen – nach einer Regierungsbeteiligung der Sozialisten durch 30 Jahre hindurch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (fortsetzend): Zu den Grünen – das ist schon der Schlusssatz –: Sie und Herr Abgeordneter Van der Bellen – ich weiß nicht, ob "Unehrlichkeit" jetzt einen Ordnungsruf bedeutet oder nicht –, Sie haben sich meiner Meinung nach unehrlich hingestellt und gefragt, wer nun eigentlich für die Kritik im Ausland verantwortlich ist. (Abg. Gradwohl : Redezeit! Redezeit!) Sie wissen es ganz genau: Ihr Abgeordneter Voggenhuber war nämlich der Rädelsführer, der dazu beigetragen hat, das Ansehen Österreichs niederzumachen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kukacka. Herr Abgeordneter, Ihnen steht eine Restredezeit von 7 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

17.44

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Der Stachel der Enttäuschung, nach 30 Jahren das Ruder der Macht verlassen zu müssen, sitzt tief im Fleisch der Sozialisten. (Abg. Dietachmayr: Sozial


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demokraten!) Das hat diese heutige Debatte auch wieder gezeigt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die heutige Debatte hat auch gezeigt, dass dieser frustrierende Abschied von der Machtausübung manche in diesem Hause – und da wende ich mich jetzt auch an Frau Dr. Pittermann – manche Tugend vergessen lässt, die eine Demokratie auszeichnen soll, nämlich Toleranz und Fairness auch dem politischen Gegner gegenüber. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die roten Fahnen, die ich vor einigen Tagen von der Pallas Athene wehen sah, meine Damen und Herren, haben für mich erschreckend dokumentiert, dass sich ein großer Teil der Linken – von den Kommunisten über die Sozialdemokraten bis zu den Grün-Alternativen – Demokratie in Österreich offensichtlich nur unter sozialistischer und sozialdemokratischer Vorherrschaft vorstellen kann. – Das ist aber sicher nicht unsere Position. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich erwarte mir deshalb, dass nach dem politisch organisierten Trommelwirbel und der völlig überzogenen Boykottdrohung der EU die neue Koalition eine faire Chance bekommt und dass die Einsicht Platz greift, dass es in Österreich auch erlaubt sein muss, eine Regierung ohne Sozialdemokraten zu bilden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die SPÖ ist ja deshalb so wütend, weil ihre FPÖ-Ausgrenzungsstrategie das erste Mal seit 15 Jahren nicht mehr gewirkt hat. Ihre Überlegung war immer einfach, aber wirksam: Solange die FPÖ nicht regierungsfähig ist, solange sie politisch "unberührbar" bleibt, so lange kann es keine Regierung ohne SPÖ geben (Abg. Gaál: Sie werden das noch bereuen!), denn nur mit ihr und unter ihrer Vorherrschaft ist dann eine Regierungsbildung möglich. (Abg. Gaál: Dr. Schüssel wird das noch bitter bereuen!)

Diese innerösterreichische Ausgrenzung ist dieses Mal misslungen, denn – das haben Sie sich aber selbst hinter die Ohren zu schreiben – die Koalitionsverhandlungen mit Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, sind in die Hosen gegangen. Aber schuld sind Sie selbst. Suchen Sie diese Schuld bei sich selbst! (Beifall bei der ÖVP.) Niemand anderem haben Sie das zuzuschreiben! Hätten Sie diesen Pakt unterschrieben, wären Sie als Gesamtpartei dazu gestanden, dann hätte es diese Koalition wahrscheinlich nicht gegeben. (Beifall bei der ÖVP. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Gaál: Sie haben nichts begriffen!)

Meine Damen und Herren! Jetzt haben Sie zu einer außerösterreichischen Ausgrenzungsstrategie gegriffen, und die Österreicher mussten in den letzten Tagen zur Kenntnis nehmen, dass die Sozialistische Internationale noch immer sehr gut funktioniert. (Abg. Binder: Das stört Sie!) Diese Ergebnisse haben allen Österreichern gezeigt: Da nach demokratischen Wahlen eine sozialdemokratische Regierungspartei in die Opposition geschickt wird, wehren sich die Sozialisten in europäischen Regierungsstellungen und lassen die Muskeln spielen: Eine Drohkampagne wird inszeniert, die Straße wird mobilisiert, die moralische Entrüstung entfacht, die europäische Wertegemeinschaft beschworen, selbst Skifahren in Österreich soll nicht mehr erlaubt sein. (Abg. Schwarzenberger: Das soll "unmoralisch" sein!)  – Da, meine Damen und Herren, spielen wir von der Österreichischen Volkspartei sicherlich nicht mit! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Was ist mit Fußballspielen?)

Meine Damen und Herren! Sie alle wissen, dass es Indizien dafür gibt, dass diese Kampagne von Österreich ausgegangen ist (Abg. Hostasch: Nein!)  – und ich bin ganz sicher, dass die ganze Wahrheit ans Tageslicht kommen wird; die internationalen Zeitungen sind ja voll davon –, und das Hauptmotiv dieser Aktion war, den Machtwechsel in Österreich zu verhindern. (Abg. Gaál: Machen Sie es sich nicht zu leicht!)

Meine Damen und Herren! Da nützen keine Dementis, wenn im O-Ton im Radio zu hören ist, was etwa Michael Steiner, der außenpolitische Berater des deutschen Bundeskanzlers Schröder, sagt:

Wir mussten – sagt Steiner im O-Ton, den jeder von uns hören konnte – klaren Wein einschenken, und deswegen haben wir ja auch auf österreichischen Wunsch hin deutlich


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gemacht, wo wir stehen. – Zitatende. Ja, meine Damen und Herren, damit haben Sie sich auch ganz klar entlarvt. (Abg. Gaál: Machen Sie es sich nicht zu leicht!)

Wir werden auch nicht zulassen, dass uns eine sozialdemokratisch regierte EU-Mehrheit vorschreibt, was wir unter "europäischer Wertegemeinschaft" zu verstehen haben! (Beifall bei der ÖVP.) Eine exklusiv sozialdemokratische Wertegemeinschaft jedenfalls werden wir nicht mittragen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Wir wollen nicht – so wie es eine Zeitung geschrieben hat – nach dem rosaroten oder grün-roten Katechismus leben, sondern als Christdemokraten wollen wir am ehesten schon nach einem christ-katholischen Katechismus leben. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber wir wollen, meine Damen und Herren, diesen Katechismus niemandem anderen aufzwingen – schon gar nicht einem anderen Land! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir treten für die pluralistische Mehrparteiendemokratie ein (Abg. Schieder: Anfangen!), für eine pluralistische Mehrparteiendemokratie, in der das ganze Parteienspektrum Platz haben muss, meine Damen und Herren.

Deshalb ist die EU für uns weder eine Sozialistische Internationale noch eine Organisation zur Rettung des christlichen Abendlandes, sondern ein Staatenbund, der sich zur pluralistischen Demokratie, zur Durchsetzung der Grund- und Freiheitsrechte, zur Charta der Vereinten Nationen und zu den Gründungsverträgen der EU bekennt und in dem alle Weltanschauungen Platz finden müssen, die sich zu Demokratie und zu Grund- und Menschenrechten bekennen, in dem alle diese Parteien auch die Möglichkeit haben müssen, Koalitionen zu bilden und Regierungen zu stellen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Zweite Republik ...

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter, bitte um Ihren Schlusssatz!

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (fortsetzend): Die Zweite Republik hat sich seit ihrer Gründung zu diesen Werten nicht nur immer wieder bekannt, sondern diese Zweite Republik hat diese Werte auch immer wieder gelebt. Wir brauchen diesbezüglich von niemandem Nachhilfeunterricht – nicht von der Sozialistischen Internationale und auch nicht von der Europäischen Union! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanzler. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

17.51

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zum Dialog dieses Hauses gehört es, dass ich auch noch einmal versuche, auf einige Punkte einzugehen, die angesprochen worden sind.

Mich haben – ich sage das sehr offen – die Ausführungen von Frau Abgeordneter Dr. Pittermann sehr betroffen gemacht, denn ich lege großen Wert darauf – und ich glaube, dass auch Kollege Haupt gut darauf eingegangen ist –, dass man schon die Möglichkeit ergreift und sie einander auch glaubt, dass es die Chance gibt, einen gemeinsamen Wertekanon zu finden und zu definieren. Das muss möglich sein. Bei aller politischen Verschiedenheit: Es muss möglich sein, dass sich dieses Haus, das aus demokratisch gewählten und demokratischen Parteien besteht, auf einen gemeinsamen Wertekanon versteht, der da lautet: Ja zur Demokratie, ja zur Toleranz, ein klares Nein zu Antisemitismus, ein Ja zur Aufarbeitung der Geschichte – egal, ob Holocaust, ob NS-Vergangenheit, Zwangsarbeit und so weiter. Und Sie werden sehen, Frau Abgeordnete, dass ich morgen in der Regierungserklärung auch ganz bewusst darauf eingehen werde.

Ich glaube nicht, dass man leichtfertig – und das hat mich betroffen gemacht – die Geschichte immer wieder aufwärmen soll. (Abg. Dr. Pittermann: O ja! Niemals vergessen!) Man soll sie nie vergessen, und man muss vor allem den Opfern ein viel höheres Maß an Erregung und an Be


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troffenheit zubilligen als allen anderen. (Abg. Dr. Pittermann: Ja!) Ich meine ja genau das, ich will ja eigentlich bewusst darauf eingehen. Man muss den Opfern jedes Maß an Betroffenheit zugestehen. Aber umgekehrt bitte ich auch darum, dass man zu verstehen versucht, dass andere, Jüngere oder auch klar Abgegrenzte in diesem Bereich – und das nehme ich schon auch für mich und meine Gemeinschaft in Anspruch – darauf Wert legen, dass man die Treffergenauigkeit und die Unterscheidung wählt. Das Jahr 2000 ist eben nicht das Jahr 1933 oder 1938. (Abg. Dr. Pittermann: Wehret den Anfängen!)

Natürlich: Wehret den Anfängen! Aber wenn ich den Anfängen wehren will, dann muss ich auch die historischen Unterschiede sehen, dann muss ich genau unterscheiden: Was ist ein Faschist? Was ist ein Neonazi? Was ist rechtsextrem? Was ist Terrorszene, gewaltbereite Szene? (Abg. Binder: Das wissen Sie genau!) Und das müssen wir, will ich meinen, am Ende einer solchen Debatte im Sinne einer guten, demokratischen Diskussion hier im Haus – und die Diskussion soll hier und nicht draußen auf der Straße stattfinden! –, im Sinne einer Treffergenauigkeit unterscheiden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sagt das eurem Herrn Arbeiter!)

Ich habe eigentlich gelernt – das hat mich auch sehr gestört bei vielen Pressekontakten der letzten Tage und Wochen –: Es wird eben nicht unterschieden zwischen Populismus und Rechtsradikalismus. Es wird nicht unterschieden, ob man bei der Frage der Erweiterung jetzt von vornherein sagt, ja, alles ist großartig, oder ob jemand eine klare Anti-Erweiterungshaltung einnimmt. Ich finde, es ist schon sehr wichtig, dass wir im Sinne eines richtigen, guten und notwendigen Diskurses uns selbst verordnen, da genau und präzise zu sein.

Das heißt überhaupt nicht, dass ich etwas verharmlosen will. Jeder soll uns dann auf Grundlage dieser gemeinsamen Deklaration oder auf Grund dessen, was wir sagen und was wir Ihnen morgen als Programm vorstellen – die Texte werden wir Ihnen heute Abend noch zur Verfügung stellen –, beim Wort nehmen; und nicht nur beim Wort, sondern auch bei der verwirklichten Tat. Aber man soll jetzt nicht so tun, als ob es belanglos sei, wenn jemand einmal einen Fehler gemacht und sich dann dafür entschuldigt hat, und das ununterbrochen immer weiter ziehen, als ob nichts geschehen wäre. Mir scheint auch die Bereitschaft, sich zu ändern, auf eine neue Situation anders zu reagieren, wichtig zu sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass wir bei aller Emotion – und da sind die Nerven natürlich manchmal wie die Saiten eines Instruments gespannt; das weiß ich, ich spüre das auch bei mir; es ist ja nicht so, dass das an irgendjemandem spurlos vorübergehen kann – doch den Gedanken aufgreifen sollten, der ja aus diesem Hause hier gekommen ist, wie man eine gemeinsame Strategie entwickeln kann. Ich werde die Frau Außenministerin bitten, dass sie in absehbarer Zeit, in sehr kurzer Zeit – im Außenpolitischen Ausschuss vielleicht – darüber informiert, was wir tun werden, und wir werden auch um Anregungen bitten, was wir gemeinsam tun können.

Ich bitte auch, dass man vielleicht versucht, mit den Organisatoren der Demonstrationen gemeinsam zu einem Dialog zu kommen, wie man die Diskussion von der Straße weg – auch wenn es friedlich ist – in ein Ambiente hereinholt, wo man das in konstruktive, positive Energie ummünzen kann. (Abg. Dr. Ofner: Ins Burgtheater!) Wenn uns das gelingt, dann wäre, so meine ich, tatsächlich etwas gewonnen, dann könnten wir – natürlich bei aller politischen Unterschiedlichkeit – die Krise, in der wir uns befinden, die nicht geleugnet werden darf, als Chance begreifen, dass da etwas Neues entsteht.

So ganz uninteressant wäre das ja nicht, jetzt ein neues Verhältnis zu finden: Wie könnte eine moderne Verfassung aussehen? Was wäre mit einem "runden Tisch", wo alle daran mitarbeiten, einen neuen Verfassungskonsens zu finden, um nicht mehr dieses Stückwerk einer heute völlig zersplitterten Verfassungslandschaft zu haben, die keiner mehr kennt und auf die daher eigentlich auch niemand mehr stolz sein kann? Die Anregung kommt von einem Robert Menasse, einem Konrad Paul Liessmann. Das sind schon interessante Gedanken.

Wenn das so ist, dann könnte man ja vielleicht wirklich einmal sehen, dass wir bereit sein, weit über alle "Schrebergärten" hinauszublicken, dieses Kompetenzwirrwarr zu ordnen und eine moderne staatliche Verwaltung mit einer klaren Kompetenzzuordnung zu entwickeln. Dann


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könnte man auch die Verantwortung wieder ins Parlament herein verlagern, weg von den Nebenregierungen und Nebenschauplätzen, und hier reden, was Sache ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als leidenschaftlicher und langjähriger Parlamentarier, der sich ja hier politisch seine allerersten Sporen verdient hat, sage ich Ihnen ganz offen: Ich glaube, dass das auch für das gesamte politische Klima und die Diskussion gut wäre, dass hier etwas Neues entsteht, dass es friedlich geschieht und dass wir es gemeinsam probieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pilz und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich dies ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nunmehr zur Durchführung einer kurzen Debatte. Diese betrifft den Antrag des Abgeordneten Dr. Kostelka, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 18/A der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird, eine Frist bis 1. Mai 2000 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Peter Kostelka. – Bitte.

18.00

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mich deshalb beeilt, so rasch hier zum Rednerpult zu kommen, weil ich eigentlich den Herrn Bundeskanzler bitten wollte, noch einige Minuten hier im Hause anwesend zu bleiben. (Abg. Dr. Papházy: Das Ergebnis Ihres Misstrauensantrages!)

Ich habe diese Bitte deswegen äußern wollen, weil es gegen jede parlamentarische Courtoisie ist, dass sich ein Bundeskanzler oder ein Regierungsmitglied, nachdem die Redezeit in der Debatte über die Dringliche Anfrage verbraucht ist, noch einmal zu Wort meldet (Abg. Dr. Fekter: Ein Regierungsmitglied kann sich immer zu Wort melden!), und weil er in seinen Ausführungen wesentliche Fragen angeschnitten hat, über die ich sehr gerne mit ihm diskutiert hätte. Ich akzeptiere aber, dass er diese Diskussion verweigert. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Das, was ich ihn in diesem Zusammenhang vor allem fragen wollte, meine sehr geehrten Damen und Herren, war, ob er als Parteiobmann und als Bundeskanzler wirklich ruhigen Mutes zuhören kann, wie einer seiner Parteifreunde hier in diesem Saale – in einer Propagandamaschinerie, wie ich das vorher kaum erlebt habe – die Europäische Union und die Sozialistische Internationale gleichsetzt. (Abg. Dr. Khol: Zur Sache!)

Meine Damen und Herren! Ich habe kein Problem damit, glaube aber, Sie dienen damit wirklich nicht der Sache. (Abg. Dr. Khol: Zur Sache! – Abg. Dr. Fekter: Zur Sache!) Daher, Herr Kollege Khol, bin ich durchaus dafür, dass sich ein Untersuchungsausschuss dieser Frage widmet. Bringen Sie doch den Antrag ein, den Sie angekündigt haben, dann werden wir auch untersuchen können, wie das Selbstverständnis der Österreichischen Volkspartei in diesem Zusammenhang ist. (Abg. Dr. Khol: Was hat das mit der Fristsetzung zu tun?) Ich sage Ihnen: Es ist erschreckend, in welchem Ausmaß die Ver-Haider-ung der ÖVP Platz greift. (Beifall bei der SPÖ.)

Es fällt Ihnen doch gar nicht auf, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, dass Sie genau dieselbe Argumentation aufnehmen, die sich die Freiheitlichen zueigen gemacht haben im Zusammenhang mit ihren Schwierigkeiten in der Frage Rosenstingl. Damals haben sie Troubles gehabt, und was war das Ergebnis? – Sie haben von angeblichen Mafia-Kontakten der Sozialdemokraten gesprochen, und es wurden in diesem Zusammenhang Verdächtigungen ausgesprochen, die nicht untersucht wurden, die aber auch Gegenstand eines Untersuchungsausschusses hätten sein können, da sie in keiner Weise begründbar waren. Ganz im Gegenteil: Mich hat man in derselben Sache bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Der Rechnungshof wird diesem Hause in wenigen Tagen oder Wochen einen abschließenden Bericht erstatten, dass das alles erstunken und erlogen war. (Abg. Mag. Haupt: Ordnungsruf für "erstunken und erlogen"!)

Meine Damen und Herren! Es ist dringend notwendig, dass wir ein Minderheitsrecht zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bekommen. Wir haben einen diesbezüglichen Antrag eingebracht, und zwar zu einer Zeit, als wir Regierungspartei waren und als auch viel dafür gesprochen hat, dass wir in Zukunft Regierungspartei sein werden. Wir fordern daher nicht mehr und nicht weniger ein, als dass das, was im letzten Geschäftsordnungskomitee besprochen worden ist, nämlich ein solches Minderheitsrecht zu schaffen, auch tatsächlich zügig umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Kollege Khol hat in diesem Zusammenhang eines seiner illustren Zitate gebracht: Wo alle lieben, kann Andreas nicht hassen!, und er hat sich dazu bereit gefunden, diesen Antrag auch mitzutragen. Das besonders Sensible in diesem Zusammenhang ist, dass es aber nur im Zuge einer Pressekonferenz eine derartige Bereitschaft der Koalition gibt; im Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien findet sich nichts dergleichen.

Wir haben daher einen Fristsetzungsantrag eingebracht, um sicherzustellen, dass in absehbarer Zeit – es ist keine überzogene Fristsetzung, es sind zwei Monate, die zur Verfügung stehen – eine Beschlussfassung erfolgen könnte. Ich lade Sie ein: Wenn Sie Ihre eigenen Zusagen ernst nehmen, dann machen Sie auch im Zusammenhang mit dieser Fristsetzung ernst!

Eine letzte Bemerkung, Herr Kollege Khol, für den Fall, dass Sie eine tatsächliche Berichtigung angemeldet haben (Abg. Dr. Khol: Es gibt keine!): "Andreas" ist natürlich eine durchaus auf Sie gemünzte Abänderung eines klassischen Zitates von Schiller. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Maria Theresia Fekter. – Bitte.

18.05

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Kostelka hat das Geschäftsordnungskomitee hier angesprochen, in dem festgestellt wurde – ich entnehme das der Zusammenfassung durch Herrn Präsidenten Fischer –: Es gibt Konsens in dieser Sache, dass intensiv weitergearbeitet wird.


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Herr Kollege Kostelka! Sie haben aber verheimlicht, dass das Geschäftsordnungskomitee damals auch beschlossen hat, internationale Rechtsvergleiche einzuholen, Unterlagen zu erbitten, und dass unmittelbar vor Weihnachten ein umfangreicher Fragenkatalog ausgearbeitet wurde, der verschiedenen europäischen Parlamenten zugesandt wurde, dass um Beantwortung der Fragen gebeten wurde, wie sie dieses Thema dort behandeln. – Erst ein Teil dieser Unterlagen ist jetzt eingelangt; es ist noch nicht alles vorhanden.

Präsident Fischer selbst hat in diesem Geschäftsordnungskomitee dann vorgeschlagen, dass nach Einlangen der Unterlagen geprüft werden soll, ob nicht auch noch Personen zu befreundeten Parlamenten fahren sollen, und zwar zum Zwecke des Erfahrungsaustausches bezüglich Untersuchungsausschüsse und Minderheitsrechte.

Jetzt plötzlich ist aber alles ganz anders. Das, was im Dezember noch Konsens war, wird jetzt ganz plötzlich nicht mehr so gesehen, sondern mit Fristsetzung bedacht, damit alles schnell, schnell geht.

Herr Kollege Kostelka! Unserer Überzeugung nach ist dieser Ihr Fristsetzungsantrag Aktionismus, denn in der Sache selbst ist schon vorher ein Fahrplan festgelegt worden, der aber jetzt nicht eingehalten werden soll. Geschäftsordnung schießt man nicht aus der Hüfte, denn da trifft man bekanntlich schlecht, und mit uns sind Geschäftsordnungsbeschlüsse, die nicht ausdiskutiert wurden und die im Hinblick auf Unterlagen nicht untermauert sind, nicht zu machen. (Abg. Dr. Kostelka: Die sind ja da!)

Das Regierungsübereinkommen enthält ein sehr breites Demokratiepaket, das auch Geschäftsordnungsmaterien miteinschließt. Anlässlich dieser Debatten werden wir selbstverständlich auch den einmal eingeschlagenen Weg bezüglich der Untersuchungsausschüsse weiter beraten und weiter verfolgen.

Diesem Fristsetzungsantrag stimmen wir nicht zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Martin Graf. – Bitte.

18.08

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist schon interessant, zu beobachten, wie sich Kollege Kostelka in wenigen Tagen verwandeln kann. (Abg. Dr. Khol: Ja, das kann man wirklich sagen!) Das ist wirklich unglaublich! Er braucht nicht einmal 14 Tage dazu, um auch seinen letzten Standpunkt zu verlassen. Angesichts seiner Rede über Minderheitsrechte, die er hier gehalten hat, insbesondere im Zusammenhang mit einem Untersuchungsausschuss, frage ich mich: Wer hier im Hohen Hause hat denn federführend gemeinsam mit den Grünen und damals noch dem Liberalen Forum die Geschäftsordnung des Nationalrates zum Nachteil der einzelnen Parlamentarier verändert? Wer hat die Rechte in Wirklichkeit beschnitten?

Herr Kollege Kostelka! Wenn Sie heute hier sagen, es sei gegen jede Courtoisie, dass ein Minister oder ein Kanzler als letzter Debattenredner zu einem Tagesordnungspunkt auftritt, dann frage ich mich: Wo waren Sie in den letzten vier Jahren? Waren Sie nicht hier in diesem Hause? Haben Sie nicht selbst miterlebt, dass sich gerade die sozialistischen Minister, die heute noch in Ihren Reihen sitzen, mehrmals als letzte Redner zu Wort gemeldet haben, etwa Finanzminister Edlinger als allerletzter? (Abg. Gradwohl: Das ist aber nicht vorgekommen!) Ich selbst habe mich einmal drei Mal zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet und gesagt: Das entspricht nicht der Courtoisie! Das war aber in einer Normaldebatte, zu einem "normalen" Tagesordnungspunkt und nicht im Rahmen einer Anfragebeantwortung, bei der die Abgeordneten an sich davon ausgehen können, dass ihre auch in der Debatte gestellten Fragen beantwortet werden.

Herr Kostelka! Das Misstrauen, das Sie heute dem neuen Bundeskanzler ausgesprochen haben, sprechen Sie nunmehr auch dem Ersten Präsidenten dieses Hauses aus, denn wenn


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Sie kein Vertrauen mehr darauf haben, dass der Präsident darüber wacht, dass eine eingesetzte Kommission ihren Fahrplan auch einhält, dann, muss ich sagen, ist das schon bezeichnend.

Sie ändern innerhalb von 14 Tagen Ihre Meinung! – Bis vor wenigen Tagen haben Sie noch den Standpunkt vertreten, man dürfe nicht davon ausgehen, dass die Mehrheit grundsätzlich Geschäftsordnungsregeln missbrauchen wolle. Dies sei zumindest medial kontraproduktiv und werde von der Mehrheit – seiner Meinung nach, Meinung Kostelka – ohnedies nicht in Betracht gezogen. (Abg. Dr. Kostelka: Habe ich dem widersprochen?)  – Das, was Sie heute hier gemacht haben, ist aber kontraproduktiv. (Abg. Dr. Kostelka: Wieso?)  – Sie verlangen nämlich in Wirklichkeit etwas, was sowieso auf die Schienen gelegt ist.

Es gibt Konsens in diesem Hause darüber, dass wir diesbezüglich eine Änderung vornehmen wollen. Aber wir wollen über mehrere Änderungen reden, nämlich über die Rechte der einzelnen Abgeordneten. Nur weil es Ihnen jetzt im Moment gerade in den Kram passt, einen Untersuchungsausschuss zu welchem Thema auch immer zu beantragen – vielleicht wollen Sie die Machenschaften oder die Vorgänge des Herrn Bundeskanzlers a. D. Viktor Klima untersuchen –, wollen Sie eine Änderung der Geschäftsordnung. (Abg. Dr. Kostelka: Dann untersuchen wir es! Stellen Sie doch den Antrag!) – Dann bringen Sie doch einen derartigen Antrag ein, und Sie werden sehen, von wem er unterstützt wird. Ich glaube, dass der Antrag, wenn Sie ihn einbringen, von uns sogar unterstützt wird und sich hier eine Mehrheit findet.

Aber es wird noch viel mehr zu untersuchen sein als das, was jetzt vielleicht die Sozialisten wollen. Es hat mich eigentlich betroffen gemacht, wie sich gerade im Zuge der vorangegangenen Debatte die Sozialistische Jugend verhalten hat, die ihre Flugblätter – es ist heute schon gezeigt worden – unter der Homepage "http://www.marxist.com/derfunke/" firmiert. Das ist schon eine Gesinnung, die dahinter steckt; ich sage, eine gewaltbereite Gesinnung, wie wir auch sehen, und das gehört schon untersucht in einem Untersuchungsausschuss.

Da dieses Pamphlet "Der Funke" heißt, sollte man ein wenig auf die Geschichte zurückblicken, welches Synonym das ist; es gab nämlich schon einmal eine solche Zeitung, allerdings vor der Oktober-Revolution; ein illegales Kommunistenblatt, das zu Hetze und zum Umsturz und letztlich zu Mord und Totschlag geführt hat, als die Romanows im Keller ermordet wurden; vielleicht wünscht uns die grüne Abgeordnete auch unter die Erde. (Abg. Edlinger: Sind Sie bei Trost?) Das wäre zu untersuchen. (Abg. Schieder: Das ist unfassbar!)

Diesen populistischen Antrag von Ihnen werden wir diesmal nicht mittragen. Wir vertrauen auf die Handlungsweise des Präsidenten des Nationalrates, dass er darauf achtet, dass der Fahrplan, den wir alle festgelegt haben, eingehalten wird, sodass wir zu einem guten Ergebnis in der Geschäftsordnungsdebatte kommen werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schieder: Schämen Sie sich ob dieser Äußerungen!)

18.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Madeleine Petrovic. (Abg. Edlinger  – in Richtung ÖVP –: "Klasse" Partner habt ihr euch da ausgesucht! – Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Edlinger.  – Ruf bei den Freiheitlichen: Bleiben Sie bei Ihren Würsten!)

Frau Abgeordnete Petrovic gelangt jetzt zu Wort! – Bitte.

18.13

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Ausführungen meines Vorredners haben sich nur teilweise mit der Frage der Geschäftsordnung befasst, daher auch zu der von ihm zuvor angesprochenen Frage von Stil und Vorwürfen – es ist mir wichtig, dass es im Protokoll lesbar, schwarz auf weiß drinsteht –: Ich empfand es als ungeheuerlich, als in der vorangegangenen Debatte von einer freiheitlichen Abgeordneten in Bezug auf Frau Dr. Pittermann empfohlen wurde, "professionelle Hilfe" in Anspruch zu nehmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt hören Sie doch auf! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind doch wirklich dumm! ...)  – Ich bitte, das alles zu protokollieren.


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8. Sitzung / Seite 78

Geschätzte Abgeordnete von der Österreichischen Volkspartei! Ich "gratuliere" Ihnen zu diesem Koalitionspartner und zu dieser "Deeskalation". (Abg. Ing. Westenthaler: Sie tun alleweil zündeln! – Zwischenruf des Abg. Amon. )  – Ich bitte, das alles zu protokollieren, es ist wirklich entlarvend für das Gesicht Ihres Koalitionspartners, Herr Amon. (Abg. Ing. Westenthaler: Alleweil zündeln!) – Wenn Sie das "Zündeln", um irgendjemandem Böses zu wünschen, einmal in Ihrer Fraktion hinterfragen, dann werden Sie genügend Zitate finden; da brauche ich gar nicht bis zur "Blausäure", oder was weiß ich wohin, zurückzugehen. Das hat Spuren in dieser Partei hinterlassen, und die werden Sie nicht mehr los! Das sind die Narben, die Sie tragen und die Sie in diese Regierung hineingebracht haben, und sie sind schrecklich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ihre linken Terroristen!)

Jedes Wort von Ihnen, Herr Westenthaler, macht die Situation nur noch schlimmer. Jede Ihrer Anschüttungen gegen das Ausland, gegen Abgeordnete dieses Hauses, jede Unterstellung, jede Beleidigung machen den Stil schlimmer und würdigen dieses Haus herab! (Rufe bei den Freiheitlichen: Und was machen Sie? – Abg. Böhacker: Mäßigen Sie sich!)

Zur Geschäftsordnungsreform. – Es tut Ihnen weh, und ich denke, die ÖVP ist jetzt zu Recht sehr leise geworden: Die Worte, die der neue Kanzler zuletzt gesagt hat, kann man, denke ich, nicht deutlicher verspotten, als wie wir das jetzt gerade hier erleben. (Abg. Ing. Westenthaler: Drahtzieher der Gewalt!) Ich nehme an, Sie diskutieren das in den eigenen Reihen, ich mische mich da auch nicht ein, aber das Bild, das hier geboten wird, sollte Ihnen, glaube ich, zu denken geben.

Zur Geschäftsordnungsreform, vor allem in die Richtung derjenigen, die immer am lautesten behauptet haben, es sei so viel zu untersuchen in dieser Republik. – Auch die Grünen sehen in vielen Fragen großen Aufklärungs- und Handlungsbedarf, etwa auch in der Frage: Wie kam es zur außenpolitischen Isolation Österreichs? Wenn es da nicht schon eine klare Vorverurteilung in Richtung des früheren Kanzlers Klima gäbe, dann, denke ich mir, könnte man durchaus darüber diskutieren, diese Frage der Verantwortung ohne vorhergehende Schuldzuweisung an eine bestimmte Person offen aufzuwerfen und zum Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu machen. Da werden dann Protokolle eingesehen, Termine geklärt werden, wann, wer wo angekommen ist und möglicherweise mit wem gesprochen hat. Das würde sehr interessant sein. Ich denke, wenn Sie so großes Aufklärungsinteresse haben, dann ist durchaus Eile geboten.

Ich erinnere Sie an die Diskussion im Geschäftsordnungskomitee: Abgeordneter Khol griff zurück auf Zitate aus der Literatur – damals waren drei Parteien sehr eindeutig für den Untersuchungsausschuss, und angesichts dieser deutlichen Mehrheit hat Khol gesagt –: Wo alles liebt, kann Franz allein’ nicht hassen!, und er hat damit auch den Untersuchungsausschuss als Minderheitsrecht unterstützt. Von Seiten der Freiheitlichen gab es entsprechende Anträge, Scheibner hat ganz deutlich gesagt ... (Abg. Dr. Khol: Frau Kollegin Petrovic! Das Zitat war jetzt korrekt! Sie sind besser dran in der Literatur als Kollege Kostelka!)  – Korrekte Zitate haben auch an sich, dass nicht nur der Wortlaut stimmt, sondern dass sie auch bis zum Ende des Satzes oder Satzteiles geführt werden, damit der ganze Sinn wiedergegeben wird, und das war in dem Fall wohl auch so.

Scheibner sagte in diesem Geschäftsordnungskomitee: "Die Freiheitlichen haben in der vergangenen Legislaturperiode mehrere Anträge in diese Richtung eingebracht." Und, so Scheibner weiters, die konkrete Ausgestaltung müsse noch diskutiert werden.

Ich denke, die Frist ist so gestellt, dass diese Ausgestaltung reiflich diskutiert werden kann, da sind sicherlich auch noch andere Anpassungen, wenn das erwünscht wird, möglich. Wir sind jederzeit zu einer Diskussion und zu Terminen bereit. Also widersetzen Sie sich nicht diesem Fristsetzungsantrag! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


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Stenographisches Protokoll
8. Sitzung / Seite 79

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Geschäftsordnungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 18/A betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geändert wird, eine Frist bis 1. Mai 2000 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 82/A bis 85/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 322/J bis 331/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage des Abgeordneten Paul Kiss an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Mittwoch, den 9. Feber 2000, 9 Uhr ein.

Die Tagesordnung ist der im Sitzungssaal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 18.20 Uhr