Stenographisches Protokoll

5. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 26. Feber 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier


Stenographisches Protokoll

5. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                  Mittwoch, 26. Feber 2003


Dauer der Sitzung

Mittwoch, 26. Feber 2003: 9.00 – 20.09 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 34/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stumm­voll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuer­ge­setz 1994 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert wer­den

2. Punkt: Bericht über den Antrag 35/A der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 39/A der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Dr. Erwin Rasinger, Manfred Lackner, Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behin­derten-Gleichstellungsgesetz (Beh-GStG) erlassen wird (14/A)

5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrs­ordnung 1960 (StVO) geändert wird (19/A)

6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 geändert wird (20/A)

7. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Ver­fas­sungsgesetz geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geän­dert wird (30/A)

8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ge­schäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (31/A)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 2

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ge­schäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (32/A)

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbe­ord­nung 1994 geändert wird (38/A)

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ............................................................................................... 17

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wortung 10/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ...................................................................................... 34

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäfts­ordnung                     143


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 3

Redner:

Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................... 143

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................... 145

Dr. Reinhold Mitterlehner ........................................................................ 147

Mag. Hans Moser .................................................................................... 149

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................ 150

Michaela Sburny ..................................................................................... 150

Antrag der Abgeordneten Michaela Sburny auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 10/AB – Ablehnung ............................................................................................  152, 152

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ........................................................................................... 34

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Werner Kogler in Bezug auf die Aus­führungen des Abgeordneten Mag. Eduard Mainoni in der Debatte über Tagesordnungspunkt 5 ........................ 99

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................... 122

Mitteilung des Präsidenten Dr. Andreas Khol betreffend Offenheit und Transparenz des Hauses auf der einen, Sicherheit auf der anderen Seite ............................................................ 123

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Josef Cap auf Grund einer von Abge­ord­netem Mag. Karl Schweitzer geäußerten Vermutung .................................................................................. 123

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Ein­setzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Beschaf­fung von Kampfflugzeugen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung ......................................................................................... 173

Bekanntgabe ................................................................................................. 139

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ......................................................................................... 139

Redner:

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................... 176

Werner Amon, MBA ............................................................................... 177

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................ 178

Dr. Reinhard Eugen Bösch .................................................................. ... 179

Mag. Werner Kogler ................................................................................ 179

Ablehnung des Antrages ................................................................................ 180

Aktuelle Stunde (1.)

Thema: „Österreich und die Europäische Union – Herausforderungen durch die Irak-Krise

Redner:

Dr. Michael Spindelegger ......................................................................... 17

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................... 19

Walter Murauer ......................................................................................... 21

Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................. 22

Herbert Scheibner ..................................................................................... 24

Mag. Ulrike Lunacek ................................................................................ 25

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ........................................... 26

Karl Donabauer ......................................................................................... 27

Dr. Caspar Einem ...................................................................................... 29

Dr. Reinhard Eugen Bösch ........................................................................ 30

Dr. Peter Pilz ............................................................................................. 31

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................  33, 87, 100, 159, 164, 167, 169, 173

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Erster Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses ............................................... 34

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend unnötige Belastung der ÖsterreicherInnen durch teure Kampfflugzeuge (122/J) ................. 100

Begründung: Dr. Josef Cap ............................................................................ 104

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ........................................................ 109

Debatte:

Dr. Alfred Gusenbauer ............................................................................ 116

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ..........................................................  118, 142

Mag. Karl Schweitzer .............................................................................. 120

Dr. Peter Pilz ........................................................................................... 123

Bundesminister Herbert Scheibner .......................................................... 126

Mag. Barbara Prammer ........................................................................... 128

Maria Rauch-Kallat .................................................................................. 130

Dr. Reinhard Eugen Bösch ...................................................................... 131

Mag. Werner Kogler ................................................................................ 133

Doris Bures ............................................................................................. 135

Walter Murauer ....................................................................................... 137

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ........................................................................... 138

Rudolf Nürnberger .................................................................................. 140

Dr. Michael Spindelegger ....................................................................... 141


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 34/A der Abge­ordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kol­legin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkom­mensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden (16 d. B.) ................................. 34

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................... 35

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................... 36

Mag. Werner Kogler ................................................................................. 38

Klaus Wittauer .......................................................................................... 41

Mag. Melitta Trunk ................................................................................... 42

Edeltraud Lentsch ..................................................................................... 43

Karl Öllinger ............................................................................................. 44

Dr. Ferdinand Maier .................................................................................. 46

Staatssekretär Dr. Alfred Finz ................................................................... 47

Mag. Hans Moser ...................................................................................... 48

Matthias Ellmauer ..................................................................................... 50

Michaela Sburny ...................................................................................... 51

Annahme ........................................................................................................ 52

2. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 35/A der Abge­ordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geän­dert wird (17 d. B.) .................................................................................... 52

Redner:

Fritz Neugebauer ...................................................................................... 52

Marianne Hagenhofer ............................................................................... 53

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................. 54

MMag. Dr. Madeleine Petrovic .................................................................. 55

Kai Jan Krainer ......................................................................................... 57

Maximilian Walch ..................................................................................... 58

Rainer Wimmer ........................................................................................ 60

Annahme ........................................................................................................ 61

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 39/A der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Dr. Erwin Rasinger, Manfred Lackner, Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (15 d. B.) ......... 61

Redner:

Dr. Erwin Rasinger .................................................................................... 61

Manfred Lackner ...................................................................................... 62

Barbara Rosenkranz ................................................................................. 63

Dr. Kurt Grünewald ............................................................................  65, 79

Ridi Steibl ................................................................................................ 68

Erika Scharer ........................................................................................... 69

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................. 69

Günter Kößl .............................................................................................. 71

Erwin Spindelberger ................................................................................. 72

Anna Höllerer ........................................................................................... 73

Bettina Stadlbauer .................................................................................... 74

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck .......................................................... 76

Heidrun Silhavy ........................................................................................ 77


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 5

Annahme ........................................................................................................ 80

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Allge­mei­nes Behinderten-Gleichstellungsgesetz (Beh-GStG) erlassen wird (14/A) ............................................................................................................. 80

Redner:

Theresia Haidlmayr ................................................................................... 80

Maria Rauch-Kallat ................................................................................... 81

Mag. Christine Lapp ................................................................................. 82

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................. 84

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck .......................................................... 85

Dr. Franz-Joseph Huainigg ....................................................................... 85

Dieter Brosz .............................................................................................. 86

Zuweisung des Antrages 14/A an den Verfassungsausschuss ............................. 87

5. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Stra­ßenverkehrsordnung 1960 (StVO) geändert wird (19/A)           ............................................................................................................. 87

Redner:

Dr. Evelin Lichtenberger ........................................................................... 88

Mag. Helmut Kukacka .............................................................................. 89

Dr. Evelin Lichtenberger (tatsächliche Berichtigung) ................................... 91

Kurt Eder .................................................................................................. 91

Klaus Wittauer .......................................................................................... 93

Mag. Karin Hakl ........................................................................................ 94

Gerhard Reheis ......................................................................................... 95

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................... 97

Hermann Gahr .......................................................................................... 98

Ing. Erwin Kaipel ...................................................................................... 99

Zuweisung des Antrages 19/A an den Verkehrsausschuss ................................ 100

6. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Frem­dengesetz 1997 geändert wird (20/A) ........ 152

Redner:

Mag. Terezija Stoisits .............................................................................. 152

Werner Miedl .......................................................................................... 153

Rudolf Parnigoni ..................................................................................... 154

Maximilian Walch ................................................................................... 156

Ing. Hermann Schultes ............................................................................ 156

Kai Jan Krainer ....................................................................................... 157

Mag. Eduard Mainoni ............................................................................. 158

Zuweisung des Antrages 20/A an den Ausschuss für innere Angelegen­hei­ten ..... 159

7. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Ge­schäfts­ordnungsgesetz 1975) geändert wird (30/A) ...................................................... 159


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 6

Redner:

Mag. Gisela Wurm .................................................................................. 159

Mag. Helmut Kukacka ............................................................................. 161

Dr. Peter Wittmann .................................................................................. 162

Herbert Scheibner ................................................................................... 163

Dieter Brosz ............................................................................................ 163

Zuweisung des Antrages 30/A an den Geschäftsordnungsausschuss ................. 164

8. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsge­setz 1975) geändert wird (31/A) ...................................... 164

Redner:

Dr. Josef Cap .......................................................................................... 164

Mag. Heribert Donnerbauer ..................................................................... 165

Mag. Gisela Wurm .................................................................................. 166

Dr. Eva Glawischnig ................................................................................ 167

Zuweisung des Antrages 31/A an den Geschäftsordnungsausschuss ................. 167

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsge­setz 1975) geändert wird (32/A) ...................................... 167

Redner:

Otto Pendl ............................................................................................... 168

Dieter Brosz ............................................................................................ 169

Zuweisung des Antrages 32/A an den Geschäftsordnungsausschuss ................. 169

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewer­beordnung 1994 geändert wird (38/A) ....... 169

Redner:

Mag. Johann Maier ................................................................................. 170

Dr. Reinhold Mitterlehner ........................................................................ 171

Josef Bucher ........................................................................................... 171

Dr. Gabriela Moser .................................................................................. 172

Zuweisung des Antrages 38/A an den Wirtschaftsausschuss ............................ 173

Eingebracht wurden

Petition ......................................................................................................... 33

Petition betreffend „Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für MotorradfahrerInnen“ (Ordnungsnummer 1) (überreicht von den Abgeord­ne­ten Dr. Johannes Jarolim und Kurt Eder)

Bürgerinitiative ............................................................................................. 33

Bürgerinitiative betreffend „Privatschulen verlangen ein gerechtes Schul­system“ (Ordnungsnummer 1)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 7

Regierungsvorlagen ..................................................................................... 32

5: Bundesverfassungsgesetz über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland im Grenzab­schnitt „Salzach“, in den Sektionen I und II des Grenzabschnitts „Scheibel­berg-Bodensee“ sowie in Teilen des Grenzabschnitts „Innwinkel“

6: Bundesverfassungsgesetz über Änderungen des Verlaufes der Staats­grenze zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik

7: Bundesverfassungsgesetz über Änderungen des Verlaufes der Staats­grenze zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn in den Unter­abschnitten C II und C IV (regulierte Pinka und regulierte Strem)

8: Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-ortho­doxen Kirchen in Österreich (Orientalisch-Orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG)

9: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Anerkennung von Dokumenten für die Mitnahme von Schusswaffen und Munition durch Angehörige traditioneller Schützenvereinigungen und Sportschützen

10: Gesetzliches Budgetprovisorium 2003

*****

Auf Grund eines Schreibens des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst gegenstandslos:

2: Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – SVÄG 2003

Berichte ........................................................................................................ 32

Vorlage 5 BA: Bericht über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2002; BM f. Finanzen

Vorlage 6 BA: Bericht betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundes­vermögen im Jahr 2002; BM f. Finanzen

Vorlage 7 BA: Bericht gemäß § 65 Absatz 5 des Bundeshaushaltsgesetzes über das Eingehen, die Prolongierung und die Konvertierung von Finanz­schulden und Währungstauschverträgen im Finanzjahr 2002; BM f. Finanzen

Vorlage 8 BA: Bericht über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahre 2002; BM f. Finanzen

Vorlage 9 BA: Bericht über die Genehmigung von überplanmäßigen Ausga­ben im 4. Quartal 2002; BM f. Finanzen

III-10: Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes im Jahr 2000; BM f. Wirtschaft und Arbeit

III-11: Bericht über die soziale Lage 2001-2002; BM f. soziale Sicherheit und Gene­rationen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 8

III-12: Bericht über den Gewässerschutzbericht 2002; BM f. Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

*****

Auf Grund eines Schreibens des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst gegenstandslos:

III-7: Bericht über die Lage der behinderten Menschen in Österreich; Bun­des­regierung

Anträge der Abgeordneten

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nichtzustimmung Öster­reichs zur Aufstockung des EURATOM-Kreditrahmens (43/A) (E)

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Anpassungen des Telekommunikationsrechts (44/A) (E)

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Peter Wittmann, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versöhnungsfonds-Gesetz geändert wird (45/A)

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Peter Wittmann, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (46/A)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Bundes­rahmengesetzes für die Fischerei durch den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (47/A) (E)

Mag. Herbert Haupt, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Theresia Haidlmayr, Mag. Chris­­tine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsetzung einer Arbeitsgruppe beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes zur Erarbeitung eines Behinderten-Gleichstellungsgesetzes unter Einbindung von selbst betroffe­nen Experten (48/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Telekommunikation (Telekommunikations­gesetz – TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 134/2002, geändert wird (49/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen für den Schutz von Tieren beim Transport (50/A) (E)

Heidemarie Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gleichstellung von Frauen und Männern im ländlichen Raum (51/A) (E)

Michaela Sburny, Kolleginnen und Kollegen betreffend österreichische Position zum GATS (52/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Magnetfeldtherapie­geräte – Vertriebsverordnung nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) (53/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Flankierende Maßnah­men zur Liberalisierung der Gewerbeordnung – Einsetzen einer Monitoring­kom­mission“ (54/A) (E)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 9

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Recht auf ein Giro­konto“ (55/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vereinheitlichung der Rücktrittsfristen für KonsumentInnen bei Konsumentengeschäften“ (56/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nahrungsergänzungs­mittel, die als Arzneimittel zu qualifizieren sind“ (57/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Stel­lung der Privatbeteiligten in der StPO (58/A) (E)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes auf die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Österreich (59/A) (E)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Maßnahmen­paket für den österreichischen Film (60/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Helmut Kukacka, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Installierung so genannter Geister­fahrerkrallen auf Österreichs Autobahnabfahrten (55/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abfrageberechtigte nach dem Meldegesetz (56/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 10

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend behinderungsbedingten Leistungsan­spruch für Hilfe, Pflege, Betreuung und persönliche Assistenz – vor Einführung des er­höhten Pflegegeldes (57/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend erhebliche Lücken in der Fleischkontrolle (58/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend erhebliche Lücken in der Fleischkontrolle (59/J)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Begnadigung von Opfern des § 209 StGB (60/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Frauenförderung in Wissenschaft und Forschung (61/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum: 1.7. bis 31.12.1993 (62/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum 1.1. bis 31.12.1994 (63/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum 1.1. bis 31.12.1995 (64/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum 1.1. bis 31.12.1996 (65/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum 1.1. bis 31.12.1997 (66/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum 1.1. bis 31.12.1998 (67/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum 1.1. bis 31.12.1999 (68/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum 1.1. bis 31.12.2000 (69/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum 1.1. bis 31.12.2001 (70/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung des erhöhten Pflegegeldes Zeitraum 1.1. bis 31.12.2002 (71/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht (72/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht (73/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht (74/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht (75/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht (76/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht (77/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Rech­nungs­hofes betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (78/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (79/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 11

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wär­tige Angelegenheiten betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (80/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (81/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (82/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (83/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (84/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (85/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffent­liche Leistung und Sport betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (86/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht (87/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht (88/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (89/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungs­pflicht (90/J)

Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend strafrechtliche Verfolgung homo- und bisexueller Männer (§ 209 StGB) (91/J)

Dr. Caspar Einem, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Vorbereitung auf die Vorlage erster Angebote im Be­reich der Dienstleistungsliberalisierung im Rahmen der GATS-Verhandlungen längstens zum 31. März 2003 (92/J)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Finanzierung von Beschäfti­gungs­projekten für Behinderte (93/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Unver­einbarkeit des „Gesetzlichen Budgetprovisoriums 2003“ mit einem Kärntner Landtagsbeschluss (94/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Unvereinbarkeit des „Gesetzlichen Bud­get­provisoriums 2003“ mit einem Kärntner Landtagsbeschluss (95/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 12

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Unvereinbarkeit des „Gesetzlichen Budgetprovisoriums 2003“ mit einem Kärntner Landtagsbeschluss (96/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Unvereinbarkeit des „Gesetzlichen Budgetprovisoriums 2003“ mit einem Kärntner Landtagsbeschluss (97/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Unvereinbarkeit des „Ge­setzlichen Budgetprovisoriums 2003“ mit einem Kärntner Landtagsbeschluss (98/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für öffentli­che Leistung und Sport betreffend Unvereinbarkeit des „Gesetzlichen Budget­pro­visoriums 2003“ mit einem Kärntner Landtagsbeschluss (99/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Unvereinbarkeit des „Gesetzlichen Bud­get­provisoriums 2003“ mit einem Kärntner Landtagsbeschluss (100/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Unvereinbarkeit des „Gesetzlichen Bud­getprovisoriums 2003“ mit einem Kärntner Landtagsbeschluss (101/J)

Mag. Melitta Trunk, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Unvereinbarkeit des „Gesetzlichen Budgetproviso­riums 2003“ mit einem Kärntner Landtagsbeschluss (102/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend dro­henden Irak-Krieg (103/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten betreffend drohenden Irak-Krieg (104/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Abänderung des Generalverkehrsplans auf Grund der Olympiabewerbung Salzburgs für die Spiele 2010 (105/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend österreichische Beteiligung beim Einsatz der EU-Truppe in Mazedonien (106/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für aus­wärtige Angelegenheiten betreffend österreichische Beteiligung beim Einsatz der EU-Truppe in Mazedonien (107/J)

Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend öster­reichische Beteiligung beim Einsatz der EU-Truppe in Mazedonien (108/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend „Angelobungsfeier am 7. Februar 2003 in Linz“ (109/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Angelobungsfeier am 7.2.2003 in Linz“ (110/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Verschiebung der Veröffentlichung eines Urteils gegen den niederösterreichi­schen FPÖ-Spitzenkandidaten Franz Marchat (111/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 13

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend bezahlte Zuhörer für Haupt-Vortrag (112/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Snowboard- und Skidiebstähle in Österreich“ (113/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend „Snowboard- und Skidiebstähle in Österreich“ (114/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend „Kontrolle der Ein- und Ausfuhr von Pyrotechnikmaterialien (Feuer­werkskörper)“ (115/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Herstellung von Feu­er­werkskörpern – Chemikalien“ (116/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend EU-Richtlinie Nahrungsergänzungsmittel – Gesundheitsbezogene Angaben/EuGH-Entscheidung – zukünftige LMG Novelle (117/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend „Bericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF und Österreich)“ (118/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend „Bericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF und Österreich)“ (119/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend „Transport und Kontrolle von Pyro­technikmaterialien (z. B. Feuerwerkskörper)“ (120/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend „Nachfrage nach der Beurteilung von Gutachten und Studien“ (121/J)

Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend unnö­tige Belastung der ÖsterreicherInnen durch teure Kampfflugzeuge (122/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Verpolitisierung der Universitäten durch die Bestellung der Mitglieder der Universitätsräte durch die schwarzblaue Übergangsregierung (123/J)

DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für so­ziale Sicherheit und Generationen betreffend „Finanzielle Absicherung für Fa­milienhospizkarenz“ (124/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­tref­fend Mehrjährigkeit von Förderverträgen (125/J)

Dr. Robert Rada, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend unterschiedliche Kanal­gebüh­ren in den Bundesländern (126/J)

Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Versorgungssicherheit mit Strom trotz Liberalisierung (127/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 14

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­tref­fend Fortbestand von Radio Agora und Radio dva (128/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­va­tion und Technologie betreffend Straßenausbau im Ennstal (129/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­va­tion und Technologie betreffend zweigleisigen Schienenausbau im Ennstal (130/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Sanierung der Klär­schlamm- und Hausmülldeponie in der Ursteiner Au (131/J)

Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Bestellung der Universitätsräte (132/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend EU-Kritik an der mangelnden Umsetzung von Tiertransportbestimmungen in Österreich (133/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend EU-Kritik an der mangelnden Um­setzung von EU-Richtlinien zum Schutz der Tiere zum Zeitpunkt der Schlach­tung sowie beim Transport (134/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Veräußerung von Bundesimmobilien (135/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Veräußerung von Bundesimmobilien (136/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zivildienerzuweisung Oktober 2002 (137/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zivildienerzuweisung Februar 2003 (138/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Gesundheitsgefährdung durch die Zulassung des Pflanzenschutzmittels Plantomycin (139/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Be­kämpfung des Feuerbrandes mit hochwirksamen Antibiotika (140/J)

Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend „Vorgänge bei der Bestellung eines Univer­sitätsrates der Kunstuniversität Linz“ (141/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Si­cher­heit und Generationen betreffend Rückstandsbelastung durch Pestizide und die Gefahr für Kinder durch Konsum von pestizidbelastetem Gemüse und Obst (142/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Si­cherheit und Generationen betreffend Pestizidbelastung von Obst und Gemüse und die Rolle der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (143/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 15

Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Maßnahmen gegen die steigende Arbeitslosigkeit (144/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Si­cherheit und Generationen betreffend die erheblichen Lücken in der heimischen Fleischkontrolle (145/J)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­tref­fend Aussperrung von KünstlerInnen bei der „langen Nacht des Hörspiels“ am 18.2.2003 (146/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­­neres betreffend „Bestellung eines neuen Bezirksgendarmeriekommandanten des BGK Mödling“ (147/J)

Marianne Hagenhofer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend zertifizierte Sprachkurse (148/J)

*****

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des National­rates betreffend Erfüllung der Behinderteneinstellungspflicht (1/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (1/AB zu 6/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (2/AB zu 3/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (3/AB zu 10/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (4/AB zu 4/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (5/AB zu 8/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (6/AB zu 1/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (7/AB zu 9/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (8/AB zu 11/J)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (9/AB zu 7/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen (10/AB zu 13/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (11/AB zu 5/J)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 16

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (12/AB zu 2/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (13/AB zu 15/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (14/AB zu 14/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (15/AB zu 12/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (1/ABPR zu 1/JPR)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 17

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter Prä­sident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.

*****


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich eröffne die 5. Sitzung des Nationalrates und begrüße Sie alle nach längerer Pause sehr herzlich an diesem Sitzungstag.

Die Amtlichen Protokolle der 3. und 4. Sitzung vom 23. Jänner 2003 sind in der Parlaments­direktion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Heinzl und Bayr.

Aktuelle Stunde


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Österreich und die Europäische Union – Herausforderungen durch die Irak-Krise“

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Ich mache darauf auf­merk­sam, dass die Redezeit nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung 10 Minuten be­trägt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.01


Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir als ÖVP haben dieses Thema für die Aktuelle Stunde ge­wählt, weil es im Augenblick nicht nur auf der Weltbühne das entscheidende Thema ist, sondern auch in breiten Kreisen der Bevölkerung in Österreich große Aufmerksamkeit genießt.

Viele Bürger in unserem Land befürchten, dass Folgen eines Irak-Krieges auch in Österreich zu spüren sein werden. Es ist eine dumpfe Vorahnung, was alles durch einen Krieg ausgelöst werden kann, die sicher viele Bürger in Österreich zu Recht beunruhigt.

Ich darf daher aus der Sicht der Volkspartei unsere Grundsätze in dieser schwierigen Phase festhalten:

Der erste Grundsatz ist, dass wir als ÖVP auch in diesem Land wollen, dass es eine friedliche Lösung gibt, dass es im Irak keinen Krieg gibt. Wir müssen alles dafür unternehmen – wie das in der Sicherheitsratsresolution 1441 auch als Weg aufgezeigt wird –, dass eine politische Lö­sung ohne militärische Gewalt zustande kommt.

Krieg im Irak würde nicht nur für viele Bürger, für viele Menschen Tod und Vernichtung bringen, sondern würde außerdem bedeuten, dass es in einer sehr sensiblen Region zu einem Krieg mit u­nabsehbaren Folgen kommen könnte. Viele von uns wissen, was es in dieser Region mit den anderen arabischen Staaten, mit dem Konflikt zwischen Israel und Palästina bereits alles auf sich hat. Niemand von uns kann daher wollen, dass in dieser Situation mit einem Krieg un­absehbare Folgen heraufbeschworen werden.

Ich darf unseren zweiten Grundsatz festhalten, der ebenso wichtig ist: Die Gefahr, die von Bagdad ausgeht, ist nicht zu unterschätzen. Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns daran, was in den letzten zehn, zwölf Jahren passiert ist: Waffen, die Massenvernichtungswaffen sind, biolo­gi­sche und chemische Waffen, Raketen mit einer Reichweite von mehreren Hundert Kilo­metern in der Hand eines Diktators sind eine permanente Gefahr. Erinnern wir uns daran, was


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 18

im Irak selbst passiert ist, nämlich daran, dass der Diktator Saddam Hussein mit einem Giftgas­einsatz große Teile der kurdischen Bevölkerung ausgerottet hat.

Meine Damen und Herren! Es ist solch eine Gefahr auch für die Weltgemeinschaft nicht zu un­ter­schätzen, daher müssen wir in unserer Politik diese Gefahr richtig einschätzen. Es ist daher erforderlich – und das ist unsere Forderung in diesem Zusammenhang –, dass es zu einer Ab­rüstung im Irak kommt, dass diese Waffen nicht nur gefunden, sondern auch unter Aufsicht ver­nichtet werden.

Ich darf unseren dritten Grundsatz in diesem Zusammenhang nennen: Die Vereinten Nationen sind die Drehscheibe für eine friedliche Lösung – sie müssen es auch bleiben. Die Vereinten Na­­tionen mit dem Sicherheitsrat als jenem Instrument, das da tätig wird, haben in den letzten Jah­ren an Bedeutung gewonnen. Seit es die Ost-West-Konfrontation mit dem automatischen Ve­to der jeweils anderen Seite nicht mehr gibt, hat der Sicherheitsrat neue Bedeutung erlangt. Ich meine, wir alle tun gut daran, diese Bemühungen, die es im Sicherheitsrat gibt, vollinhaltlich zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es muss dabei bleiben, meine Damen und Herren, dass die Vereinten Nationen die Dreh­schei­be für die Lösung eines solchen Konfliktes sind. In diesem Zusammenhang verhehle ich auch nicht, dass viele, und zwar zu Recht, Kritik daran üben, dass einzelne Staaten mei­nen, sie hätten die Macht und könnten damit auch das Recht für sich beanspruchen. Das gilt für alle in diesem Zusammenhang, auch für die Vereinigten Staaten von Amerika, die sich eben­so an diese Grundsätze der Vereinten Nationen zu halten haben.

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch darauf hinweisen, dass wir als Volkspartei einen billigen Antiamerikanismus, wie er da und dort auch in Österreich zum Vorschein kommt, ab­lehnen. Meine Damen und Herren! Darauf zu warten, dass auch Regierungsvertreter auf die Vereinigten Staaten von Amerika einhacken, ist nicht im Interesse Österreichs. Ganz im Ge­gen­teil! Das kann nicht unsere Außenpolitik sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Welche auch immer die dunklen Motive für einen solchen Antiamerikanismus sein mögen, wir ha­ben uns nach den Prinzipien der Vereinten Nationen zu richten. Dass das natürlich für alle gel­ten muss, ist ein Grundsatz. Wir müssen aber auch bedenken, dass es jemanden geben muss, der in der Lage ist, Beschlüsse umzusetzen. Wenn wir die letzten Jahre betrachten, se­hen wir, dass es keine andere Macht auf dieser Welt gibt, die in der Lage ist, dann, wenn die Ver­­einten Nationen Beschlüsse gefasst haben, diese in die Tat umzusetzen.

Ich verstehe daher auch nicht, dass es Kritik etwa von Seiten Dr. Einems an der Außenministe­rin, die gerade dieses Prinzip, dass die UNO die Bühne bleiben muss und der Sicherheitsrat das Instrument dafür ist, befolgt, gibt in die Richtung, Österreich würde da zu USA-freundlich agieren.

Meine Damen und Herren! Es kann nicht das Interesse Österreichs sein, sich da auf eine Extrem­position einzulassen; es gibt ja mehrere in diesem Zusammenhang. Ich glaube, wir müs­sen strikt bei dem Grundsatz bleiben, die Vereinten Nationen und den Sicherheitsrat ins Zentrum zu rücken und da nicht neuerlich Öl ins Feuer zu gießen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Ich komme damit zum vierten Grundsatz, der für uns wichtig ist: Die Europäische Union hat ge­rade in der Frage Irak in den letzten Wochen eine Diskussion vorgeführt, die wir nicht zur Politik der Europäischen Union erheben wollen. Wir wissen, dass die Europäische Union daran ar­bei­tet – wir unterstützen das –, eine gemeinsame Außenpolitik zu installieren; sie ist notwendiger denn je. Das Vorgehen, dass zwei Staaten meinen, sie hätten einen speziellen Vorschlag, an­de­re Europäer – ob jetzt Mitglieder der Union oder Länder, die kurz davor stehen, aufge­nom­men zu werden – in öffentlicher Art und Weise aber dagegen auftreten, kann nicht die Zukunft Europas sein! Es darf nicht sein, dass die Europäische Union mit verschiedenen Meinungen auf der Weltbühne auftritt, statt sich auf eine Richtung festzulegen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 19

Wir als ÖVP wollen, dass die Europäische Union in Zukunft zu einer Außenpolitik findet und die­se Außenpolitik Europas auf der Weltbühne entsprechendes Gewicht hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang darf ich festhalten, dass es uns nicht darum geht, Europa in Zukunft zu einer Weltmacht, zu einem europäischen Chauvinismus zu bringen. Uns geht es darum, dass die Europäische Union ihre Interessen auf der Weltbühne zu vertreten weiß – auf Grund ihrer Größe, auf Grund der vielen Menschen, die auf dem europäischen Kontinent wohnen, und auf Grund der wirtschaftlichen Interessen. Das ist die entscheidende Aufgabe! Wir können nicht zu­sehen, wie andere auf dieser Weltbühne agieren, wenn wir wissen, dass wir Europäer da eine Rolle haben, die uns zusteht, die wir aber derzeit nicht ausüben. Daran müssen wir alle ar­beiten, damit Europa die Interessen seiner Bevölkerung als „Welt-Player“ wirksam auf der Welt­bühne vertritt.

Diese Hoffnung gibt es. Nach dem letzten Gipfeltreffen der Europäischen Union am 17. Februar gab es durch die gemeinsame Linie auch ein klares Bekenntnis. Und siehe da: Die Vereinigten Staaten beginnen, sich wieder auf Europa einzulassen, mit uns in detaillierten Verhandlungen zu sprechen. Das sehe ich als ein positives Zeichen an.

Ich komme damit zu unserem fünften Grundsatz, zur Rolle Österreichs. In Österreich, meine Da­­men und Herren, will niemand den Krieg. Es wird sich auch kein österreichischer Soldat an einem Krieg beteiligen. Wir sind auch kein Aufmarschgebiet und kein Land, über das un­kontrollierte Überflüge durchgeführt werden können.

Wir verhalten uns nach den Grundsätzen der Vereinten Nationen und wollen, dass die Grund­la­gen, die in der Sicherheitsratsresolution 1441 festgehalten sind, auch in die Tat umgesetzt wer­den. Dazu ist es erforderlich, dass der Irak abrüstet, dass nachvollziehbar ist, dass die Massen­ver­nichtungswaffen tatsächlich vernichtet werden. Dazu müssen wir auf europäischer Ebene auch einen Beitrag leisten, sodass in Hinkunft eine gemeinsame europäische Außenpolitik eine neue Dimension erhält. Das ist unser österreichischer Weg, den wir als Österreichische Volks­partei vollinhaltlich unterstützen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.11


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel. Seine Redezeit soll 10 Minuten nicht übersteigen. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

9.11


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich danke den Antragstellern dafür, dieses Thema, das tatsächlich als das große Thema die Weltpolitik dieser Tage und Wochen beherrscht, für die Aktuelle Stunde gewählt zu haben und damit eine sinnvolle Debatte darüber im Hohen Haus zu führen.

Die Position Österreichs ist von Michael Spindelegger sehr klar beschrieben worden. Wir sehen in einer militärischen Auseinandersetzung in der Golfregion rund um den Irak eine möglicher­wei­se dramatische Gefährdung der internationalen wirtschaftlichen Situation, zugleich auch ein enor­mes politisches Risikopotential für den gesamten Nahostbereich. Österreich setzt sich daher auf allen Ebenen, in den Vereinten Nationen, in der Europäischen Union und bilateral, nach­drücklich für den Frieden ein. Diesbezüglich gibt es, glaube ich, keinen Unterschied – darf es keinen Unterschied zwischen den Fraktionen dieses Hohen Hauses geben. Das ist unser Prin­­zip in der österreichischen Außenpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Krieg kann und darf immer nur das allerletzte Mittel in einer Kette von politischen, diplomatischen, wirtschaftlichen, bilateralen oder multilateralen Bemühungen sein. Wir haben uns von Anfang an diesem Prinzip verpflichtet gefühlt.

Ziemlich genau vor einem Jahr fand auf Einladung der Außenministerin ein Treffen in Wien am Ball­hausplatz statt. Gemeinsam mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan war der Generalsekretär der Arabischen Liga Amre Moussa. bei uns zu Gast – ich war bei die-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 20

sem Mittagessen mit dabei. Damals ist die Idee der Wiederzulassung der Waffeninspektoren, die im Jahre 1998 von Saddam Hussein aus dem Land hinausgeworfen wurden, geboren wor­den, und das ist dann von Kofi Annan und vom Generalsekretär der Arabischen Liga auf allen Ebenen massiv betrieben worden. Ein halbes Jahr später ist es dann auch tatsächlich zur Wie­der­zulassung der UNO-Waffeninspektoren gekommen.

Ich glaube, dass diese Inspektoren bisher sehr gute Arbeit geleistet haben. Sie werden geführt von zwei sehr erfahrenen Diplomaten: von El Baradei, dem Chef der IAEO, der in Wien behei­ma­teten Atomenergieorganisation, und vom früheren Außenminister Blix, einem Schweden, übri­gens Vorgänger als Chef der IAEO, einem höchstrangigen Diplomaten, der die Härte und auch das Wissen hat, den Dingen wirklich gründlich nachzuspüren.

Ich glaube, dass die beiden Berichte von Blix und El Baradei, die bisher dem UNO-Welt­sicher­heitsrat gegeben wurden, eine klare Sprache sprechen: Es sind Fortschritte erzielt worden, zu­gleich aber lässt das irakische Regime bis heute eine umfassende, sofortige und transparente Ko­operation vermissen.

In diesem Zusammenhang ist das Interview sehr interessant, das Blix dieser Tage dem ameri­ka­­ni­schen Wochenmagazin „Time“ gegeben hat. Er sagte darin: Es ist wirklich seltsam, dann, wenn wir Unterlagen anfordern, die uns das irakische Regime geben will, ist es überhaupt kein Problem, diese Unterlagen zu bekommen; bei anderen Fragen, die für sie heikel sind, sagen sie, dass die Unterlagen zerstört sind, was für ein Regime – wörtlich –, das „zu den best­orga­ni­sierten Regimes in der arabischen Welt gehört“, geradezu einen preußischen Charakter hat, un­glaub­würdig ist. Er sagt, in Wirklichkeit gehe es um viele Dinge, die vielleicht weniger bedeut­sam sind, aber jene Dinge, die wirklich bedeutsam sind, könnte man sehr klar und sehr schnell auf den Punkt bringen: „... if you take anthrax, VX, the missiles and a few others, sarin“, dieses schwere Gift, „– there are a number of them.“ – Das ist es!

Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass man zuhört, was diese Waffeninspektoren und ihre Vor­sitzenden Blix und El Baradei sagen, nämlich dass hier unmittelbar und vollständig von Saddam Hussein Kooperation und die Zerstörung dieser Waffen, die zur Massenvernichtung ge­eignet sind, erforderlich sind.

Seit zwölf Jahren sind UNO-Sicherheitsratsbeschlüsse, die gefasst wurden, nicht umgesetzt. Das ist nach meiner Auffassung nicht tolerabel.

Ich denke daher, dass es ganz wesentlich ist, dass wir dem Frieden, den Inspektoren in diplo­ma­tischen, politischen Bemühungen eine Chance geben und dass wir von österreichischer und europäischer Seite her alles tun, um diesen Weg zu gehen.

Es wurde am 29. Jänner im Nationalen Sicherheitsrat mit überwältigender Mehrheit die Linie der Bun­desregierung gutgeheißen und unterstützt. Ich halte mich auch sehr präzise daran.

Erstens: Wir sollen uns für alle Maßnahmen einsetzen, die geeignet sind, den Frieden in der Re­gion zu wahren und zu stärken.

Zweitens: Der Rat empfiehlt der Bundesregierung, in diesem Zusammenhang die Positionen der Europäischen Union, insbesondere die Resolution 1441 umzusetzen und die vollständige Ab­rüstung der Massenvernichtungswaffen des Irak nachdrücklich zu vertreten.

Er empfiehlt der Bundesregierung, klarzustellen, dass Österreich eine ausdrückliche Er­mäch­tigung durch den Weltsicherheitsrat als Voraussetzung für eine eventuelle militärische Aktion be­trachtet.

Er empfiehlt der Bundesregierung, die österreichischen Staatsbürger zu schützen.

Er empfiehlt, an der Position festzuhalten, dass sich keine österreichischen Kräfte an eventuel­len Kampfhandlungen gegen den Irak beteiligen werden. – Kein Soldat Österreichs darf und wird an Kampfhandlungen gegen den Irak teilnehmen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 21

Er empfiehlt der Bundesregierung, zur Wahrung der österreichischen Souveränität auch ver­stärkte Anstrengungen zur Überwachung und zum Schutz des österreichischen Luftraumes zu unter­nehmen.

Zu diesem Beschluss wurde die Vertraulichkeit letztlich aufgehoben.

Das ist unsere Richtschnur, das ist ein breiter, parteiübergreifender Konsens. Ich bin ganz si­cher, dass wir damit auch im Mainstream mit der überwältigenden Mehrheit der Europäischen Union, vor allem aber der Bevölkerungen in der Europäischen Union handeln.

Die Demonstrationen für den Frieden, die vor einigen Tagen stattgefunden haben und die spek­ta­kulär, eindrucksvoll gewesen sind, die friedlich verlaufen sind und keinerlei Antiamerikanismus als Hauptthema gehabt haben, sondern eine Positivbotschaft für den Frieden und für die poli­tischen Bemühungen, sind aus meiner Sicht auch ein Weg und eine Hilfe dazu gewesen, dass sich die Europäische Union bei ihrer Sitzung vor einer Woche, am Montag, dem 17. Februar, endlich wieder auf eine gemeinsame Linie verständigt hat, die eindeutig heißt: Gebt dem Frie­den eine Chance! Seien wir aber zugleich wachsam, denn die Latte, die man Saddam Hussein legt, wird in Zukunft sicherlich auch gegenüber anderen Diktatoren angelegt werden müssen.

Ich halte das auch für richtig, und wir sollten daher vorsichtig sein bei allen Theorien, die quasi die Idee eines politischen Präventivschlages zu einer Doktrin erheben, weil das gerade die Auto­rität der UNO, der Vereinten Nationen, des Weltsicherheitsrates untergraben könnte, und das darf nicht unser Prinzip und nicht unser Bestreben sein.

Mich hat es sehr beeindruckt, als vergangenen Montag Kofi Annan vor den europäischen Staats- und Regierungschefs, die danach eine gemeinsame Erklärung abgeschlossen haben, seinen geradezu flehentlichen, eindringlichen Appell formuliert hat: Steht zusammen, Staa­ten­gemeinschaft, gebt dem Frieden eine Chance, gebt den Waffeninspektoren die von ihnen be­nötigte Zeit – und wie viel Zeit, das entscheidet der UNO-Sicherheitsrat –, hört auf, quasi, mit den verschiedenen internen Kommentaren, vereinigt euch hinter der Autorität der Vereinten Na­tionen, dann hat der Frieden eine Chance, gebt aber zugleich Saddam Hussein nicht die Chance, aus dem Streit der Europäer untereinander oder der Europäer mit den Amerikanern womöglich einen Nutzen zu ziehen!

Ich glaube, dass wir diese Botschaft beherzigen sollten, sie wird auch die Leitlinie der österrei­chi­schen Außenpolitik der nächsten Tage und Wochen sein. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

9.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Redner in der Aktuellen Stunde nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung 5 Minuten nicht überschreiten darf.

Wir beginnen jetzt mit dem Aufruf der Wortmeldungen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

9.20


Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Außen­minis­te­rin! Noch einmal sei wiederholt, was der Herr Bundeskanzler ganz deutlich in den Mittelpunkt seiner Rede gestellt hat: Österreich ist für den Frieden! Wir unternehmen alles, um einen Krieg zu verhindern! Und: Kein einziger österreichischer Soldat soll in etwaige Kriegshandlungen ver­wickelt oder zu einem Kriegsschauplatz entsendet werden.

Die Handlungskompetenz muss beim UN-Sicherheitsrat bleiben, und zwar gilt dieser Grundsatz für alle: für Österreich, für alle EU-Staaten, aber auch für Saddam Hussein und den Irak.

Folgendes, geschätzte Damen und Herren, muss uns allen klar sein: Jede Instabilität, jede Un­sicherheit, jede Katastrophe, jeder Konflikt oder Krieg hätte für Österreich – so wie für alle ande­ren Staaten – negative Konsequenzen, da es eben zu enormen Flüchtlingsströmen kommen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 22

wür­de. Man spricht in diesem Zusammenhang von 2 Millionen zu erwartenden Flüchtlingen. Wei­­­tere zu erwartende negative Konsequenzen: Hungersnot, illegale Transporte, Proliferation, Terroris­mus gegen bestimmte Staaten, auch gegen europäische, negative Auswirkungen an den Börsen, auf dem Energiesektor – bis hin zur Gefährdung von Arbeitsplätzen bei uns.

Noch einmal: Alle, auch wir hier in Österreich, wären von einem Krieg betroffen – das muss allen, auch hier in diesem Hohen Hause, klar sein!

Die Politik des Kabinetts Schüssel I sowie Schüssel II war beziehungsweise ist daher bestrebt, an Friedensmaßnahmen Österreichs sowie der Europäischen Union mitzuwirken. (Abg. Dr. Nie­der­wieser: Schüssel II gibt es noch nicht!) Stets ist unser Bemühen gegeben, danach zu trachten, dass Gespräche zur Vermeidung eines Krieges nicht aufhören, dass neu verhandelt und Zeit gewonnen wird, sodass eben alles noch einmal genau überlegt und besprochen wer­den kann, bevor es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommt.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang darf ich auch daran erinnern, dass Frau Bun­desminister Ferrero-Waldner im Auftrag der EU, im Auftrag der griechischen Präsi­dent­schaft, mit Vertretern der Maghreb-Staaten konferiert hat, um dort Verständnis dafür zu gewin­nen, dass eben auch diese Staaten intervenieren beziehungsweise einen Beitrag dazu leisten, dass Saddam Hussein vielleicht doch noch zur Räson gebracht werden kann.

Österreich hat ja immer einen Beitrag zur Friedenserhaltung geleistet, und Österreich ist bereits zum Zeitpunkt der Neutralitätserklärung, im Jahre 1955 eben, der UNO beigetreten. Weiters darf ich in diesem Zusammenhang verweisen auf den EU-Beitritt Österreichs im Jahre 1995 so­wie auf unser Bekenntnis zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, zu einer ge­mein­samen europäischen Vorgangsweise, eben auch zur Sicherheit unseres Landes.

Jedes Land ist jedoch primär selbst für seine eigene Sicherheit verantwortlich. Bei allen Ge­mein­samkeiten, bei allen gemeinsamen Wegen und Zielen wird es daher notwendig sein, dass eben Österreich selbst für seine eigene Sicherheit sorgt und diese garantiert – wir sind dafür verantwortlich –, und zwar Sicherheit zu Land und in der Luft. Das sei hier klar festgehalten.

Nur begrenztes Verständnis habe ich dafür, nein, ich bin verwundert darüber, dass es hier im Hohen Hause Politiker gibt, die einerseits der Bundesregierung den Vorwurf machen, dass Österreich nicht in der Lage sei, zu kontrollieren, was in unserem Luftraum passiert, welche und wie viele Flugzeuge aus welchem Land mit welchem Ziel in den österreichischen Luftraum ein­drin­gen, dass es aber dann genau dieselben Politiker sind, die es ablehnen, dass Taten gesetzt werden, sodass eben der österreichische Luftraum mit tauglichem Fluggerät, mit tauglichen Flugzeugtypen, mit tauglichen Abfangjägern kontrolliert und gesichert wird. Nur dann sind wir nicht nur in der Lage, zu zählen, wie viele Militärflugzeuge unseren Luftraum verletzen, sondern wissen wir auch, wer das tatsächlich womit gemacht hat!

Deshalb ersuche ich all diese Politiker, von ihrem Standpunkt eines strikten Njet, eines absolu­ten Nein in Bezug auf Abfangjäger und Luftraumüberwachung abzurücken – auch wenn mögli­cher­weise der eine oder andere von der Oppositionsbank aus zu dieser Angelegenheit nur schmunzelt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Für uns in Österreich, für unsere Bundesregierung gibt es in der An­ge­le­genheit Sicherheit nach wie vor zwei Schwerpunkte: erstens: alles zu tun, damit die Sicher­heit Österreichs auch weiterhin gewährleistet ist, und zweitens: sowohl im europäischen Ver­bund als auch im Rahmen von UNO und OSZE eine gemeinsame Sicherheitspolitik mit zu be­ein­flussen und mitzusteuern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.25


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

9.26


Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europa wäre von einem Krieg im Irak wahrscheinlich am allerstärksten betroffen,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 23

und zwar nicht nur wegen der rund 2 Millionen Flüchtlinge, mit denen man rechnen müsste, sondern man muss in diesem Zusammenhang natürlich auch die wirtschaftlichen Auswirkungen und die Abhängigkeit Europas vom Öl aus dem Nahen Osten berücksichtigen; zu bedenken sind auch die politischen Auswirkungen einer Destabilisierung des Nahen Ostens mit allen mög­lichen Konsequenzen. Daher ist es nur verständlich und richtig, dass die Völker Europas sagen: Wir wollen keinen Krieg! Diese Position sollten wir hier im österreichischen Parlament, und zwar ohne Wenn und Aber, unterstützen, und wir sollten keinerlei Zweifel daran aufkom­men lassen.

Dabei geht es auch klar darum, wen Österreich in seiner Außenpolitik unterstützt. Wir alle wol­len doch eine einheitliche europäische Position haben. Ja, die gibt es auf einem Sondergipfel – aber immer vor und nach einem solchen gibt es diese einheitliche europäische Position eben nicht. Seit mehreren Tagen unterstützt ja beispielsweise Großbritannien einen Vorschlag der USA im Weltsicherheitsrat, gleichzeitig aber unterbreiten Deutschland und Frankreich, mit der Un­ter­stützung Russlands und Chinas, einen anderen Vorschlag. Da muss einem natürlich völlig klar sein, dass diese beiden Vorschläge in unterschiedliche Richtungen gehen: Der amerika­nische Vorschlag geht in die Richtung, im Weltsicherheitsrat eine Grundlage dafür zu schaffen, dass es zu einem bewaffneten Einsatz im Irak kommen kann. Der deutsch-französische Vor­schlag hingegen geht in die Richtung, alles zu tun, um einen solchen kriegerischen Einsatz zu ver­hindern. Da geht es eben nicht um Nuancen, sondern da geht es darum, ob Krieg ver­hindert wird.

Ich erwarte mir von einer österreichischen Außenministerin und von einer österreichischen Außen­­politik, dass man in dieser Frage klar Position bezieht und sagt: Jawohl, wir stehen auf der Seite derjenigen, die den Krieg mit allen Mitteln verhindern wollen, und stehen in Europa daher auf der Seite Frankreichs und Deutschlands. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Lu­nacek.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es stellt sich auch die Frage der Zukunft der Welt­po­litik. Gesagt wurde ja – da teile ich die Auffassung des Herrn Bundeskanzlers –, dass man nicht den Fall einer politischen Vorab-Intervention im Irak schaffen dürfe, da ja bekannterweise die USA nicht nur die Abrüstung des Irak wollen – die wir im Übrigen alle unterstützen –, sondern dort auch einen Regimewechsel anstreben. Wenn man das nämlich durchgehen lässt, dann stellt sich schon die Frage: Wo wird das nächste Mal auf der Welt mit Waffengewalt ein Re­gime­wechsel herbeizuführen versucht, und wer entscheidet darüber, in welchen Staaten zu wel­chem Zeitpunkt mit welchem militärischen Aufwand ein Regimewechsel erreicht wird?

Da Sie, Frau Außenministerin, in einem „profil“-Interview gesagt haben, es würde das Chaos aus­brechen, wenn sich auch Nicht-Mitglieder des Sicherheitsrates in der internationalen Öffent­lichkeit positionieren, erwidere ich Ihnen ganz offen: Ich glaube, Chaos in der Weltpolitik würde dann ausbrechen, wenn in Zukunft auf Basis nicht nachvollziehbarer Fakten einzelne Staaten dar­über entscheiden könnten, in welchen anderen Staaten mit Waffengewalt ein Regime­wechsel herbeigeführt wird. Da würde tatsächlich Chaos in der Weltpolitik drohen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich auch die Frage der Vergleichbarkeit. Wenn man die letzten Tage beurteilt und sagt, es gebe einen Streit darüber, ob die irakischen Raketen 150 oder 180 Kilometer weit flie­gen, dann ist das insofern wichtig, als damit Erfordernisse des Weltsicherheitsrates nicht erfüllt wur­­den. Aber eine Frage stelle ich Ihnen: Beim Irak – ohne dass irgendjemand in diesem Haus irgend­­eine Sympathie für den Irak hätte – geht es meistens um Verdächtigungen, die die Inspek­toren nun untersuchen. Es gibt andere Länder der Erde, in denen es Diktaturen gibt und wo es hundertprozentige Gewissheit gibt, dass in diesen viel massivere Massenvernichtungs­waf­fen vorhanden sind, als man dem Irak überhaupt unterstellt. Es stellt sich für mich schon die Frage der Vergleichbarkeit: Wieso geht man gegen den Irak mit jener Vehemenz vor, die wir derzeit sehen, vor allem von Seiten der USA, und wieso geht man zum Beispiel mit Nordkorea in einer sehr viel anderen Art und Weise um?


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 24

Ich bin der Meinung, man muss in der Weltpolitik gleiche Maßstäbe anlegen, wenn die Welt­politik glaubwürdig sein soll, und Österreich kann in der Tat dazu auch als kleines Land einen Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

9.31


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Bundesminister Scheibner. Redezeit: 5 Minuten, wie alle.

9.32


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Da­men und Herren! Der Abgeordnete Gusenbauer hat gesagt: Wir wollen keinen Krieg! – Selbst­verständlich, ich glaube, darin sind wir uns einig! Wir müssen alle, es muss die gesamte de­mo­kratische Staatengemeinschaft das ihr Mögliche tun, um Kriege zu verhindern, wo immer sie auszubrechen drohen – auch im Irak. Wir müssen aber mit derselben Vehemenz – diese Ge­­­­wichtung geht mir manchmal in der Debatte ab –, wie wir sagen, dass wir keinen Krieg wol­len, auch klar sagen, dass wir keine Regime wollen, die Menschenrechte verletzen (Beifall bei den Freiheitlichen), dass wir keine Regime wollen, die Massenvernichtungswaffen illegal pro­du­zieren und möglicherweise anwenden, auch gegen die eigene Bevölkerung, und dass wir auch keine Regime wollen, die den internationalen Terrorismus unterstützen.

Wir müssen alles dafür tun, dass derartige Regime in die Schranken gewiesen werden. Da kann man militärische Mittel nicht von vornherein ausschließen, aber sie dürfen nur das letzte Mittel gegen derartige Unrechtsregime sein, wenn alle anderen politischen, diplomatischen und wirt­schaft­lichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.

Es ist auch klar, dass nicht ein Staat oder zwei Staaten alleine darüber entscheiden können, ob, wann, wo und wie militärische Maßnahmen zur Durchsetzung dieser positiven Ziele ange­wen­det werden können, sondern dass es da eine Legitimierung der Vertretung der Staatengemein­schaft, vor allem der Vereinten Nationen, geben muss.

Es ist auch klar, dass man eindeutige Beweise haben muss für die Vorwürfe, die man gegen­über einem Regime, gegenüber einem Land, jetzt konkret gegenüber dem Irak, vorbringt. Die all­einige Behauptung, dass es eine Bedrohung gibt, dass es Massenvernichtungswaffen gibt, reicht nicht aus! Aber auf der anderen Seite reicht auch die alleinige Behauptung des Regimes, dass es keine Massenvernichtungswaffen hat, ebenso nicht aus, um da Maßnahmen zu ver­hin­dern. Eines muss uns klar sein: Es wäre wohl verfehlt und gefährlich, auch für den Weltfrie­den und auch für unsere Sicherheit, wenn den einzigen Beweis, der für die Legitimierung von Maß­nahmen gegen ein derartiges Regime zulässig ist, der Bestätigung eines Verdachts, der Vollzug eines Terroraktes, der konkrete Vollzug einer Bedrohung, etwa durch Massenvernichtungs­waffen, darstellen würden.

Ich frage immer – und das sollte ein bisschen zum Nachdenken anregen, wenn man jetzt kate­gorisch meint, man wisse, was richtig ist und was notwendig ist –: Wie wäre die Diskussion in der Öffentlichkeit, in der Weltöffentlichkeit gewesen, wenn die Staatengemeinschaft im Jah­re 2001 nicht erst im Oktober eine militärische Maßnahme gegen das Regime der Taliban in Af­gha­nistan gestartet hätte, sondern schon im April oder Mai, weil man gesagt hat, man habe Be­weise, man habe Hinweise, dass ein Terrorakt geplant ist?

Ich glaube, dass man da nicht mit absoluter Gewissheit die reine Lehre vertreten kann, aber es muss da einen Gleichklang der Staatengemeinschaft geben. Man muss auch – da gebe ich Ihnen schon Recht – gleiche Maßstäbe anlegen, wenn es darum geht, UNO-Beschlüsse und Grund­sätze der demokratischen Staatengemeinschaft auch durchzusetzen. Es gibt ein schlech­tes Bild, und es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, wenn man im Falle Irak Soldaten schickt und im Falle Nordkorea Lebensmittel und Infrastrukturgüter, um das Regime zum Ein­lenken zu bewegen, wenn man auf der einen Seite auf die Einhaltung von UNO-Resolutionen drängt, in der anderen Richtung aber, etwa auch bei anderen Staaten im Nahen Osten, ge­flissentlich darauf vergisst, mit Nachdruck auf deren Einhaltung zu bestehen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 25

Es wäre auch gut und wichtig, wenn die Europäische Union deutlicher als bisher diese Einigkeit im politischen Bereich, und zwar nicht nur bei ihren Aussagen, sondern auch bei ihren Hand­lun­gen, zeigen würde. Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik darf es nicht nur auf dem Papier geben. Es ist notwendig, dass wir ein positives Krisenmanagement nicht nur in klei­ne­ren Einheiten, wie etwa in Mazedonien, zeigen, sondern dass auch bei den großen Krisen, die den Weltfrieden gefährden, Europa mit einer Stimme spricht, Europa mit einer Vertretung der europäischen Staaten, auch gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika, auch gegen­über der Weltöffentlichkeit, agiert.

Ich glaube, dass Österreich da eine klare Positionierung hat, auch eine klare Positionierung, was den Schutz und die Sicherung unserer Souveränität zu Lande und in der Luft anlangt, und ich hoffe, dass politische und diplomatische Mittel ausreichen werden, einen Krieg zu ver­hin­dern, aber auch eine Gefährdung mit Massenvernichtungswaffen durch den Irak hintanhalten zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.37


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Lunacek zu Wort. – Bitte.

9.38


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler! Frau Außenministerin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Vor rund zehn Tagen haben weltweit Millionen Menschen demonstriert, sind auf die Straße gegangen, um „Nein“ zu sagen zu diesem drohenden Krieg, der Leid und Not über viele Menschen bringen würde, „Nein“ zu einer Politik der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die versucht, die UNO dazu zu bewegen, ihre Politik durchzuführen und nicht zuerst alle diplomatischen und friedlichen Mittel auszuschöpfen.

Ich bin froh darüber, Herr Bundeskanzler, dass Sie heute Morgen auch betont haben, dass die­se Demonstrationen von Millionen Menschen in Europa, in den Vereinigten Staaten von Ame­rika und in vielen anderen Teilen der Welt dazu beigetragen haben, in der EU eine gemeinsame Position zu schaffen (Beifall bei den Grünen), in jener Europäischen Union, die leider nicht wirklich eine einheitliche Außenpolitik macht, die es leider noch nicht geschafft hat, immer geschlossen aufzutreten.

Natürlich ist es auch für uns Grüne keine Frage, dass das verbrecherische Regime des Saddam Hussein die UNO-Resolution 1441 umsetzen muss; keine Frage, das muss geschehen. Die Fra­ge ist nur: Ist die Zeit schon abgelaufen?, und da sagen wir eindeutig: Nein, die ist noch nicht abgelaufen, meine Damen und Herren! Da stehen wir zu dem, was UNO-General­se­kretär Kofi Annan und viele andere gesagt haben, auch die EU in ihrer gemeinsamen Erklä­rung vor wenigen Tagen: Die Inspektoren sollen weiter tätig sein können, und es braucht einfach noch Zeit, damit auch innerhalb der Vereinten Nationen gemeinsame Maßnahmen gesetzt wer­den können.

Aber was ich gerade in den letzten Tagen vermisst habe, meine Damen und Herren der Bun­des­regierung, ist, dass Sie sich eindeutig auf die Seite jener in der Europäischen Union stellen, die genau diese Position vertreten, nämlich auf die Seite Deutschlands und Frankreichs. Sie haben jetzt Ihre Position beschrieben, aber auf diese Seite haben Sie sich nicht gestellt. Sie haben nicht gesagt, dass Sie eindeutig jene Bemühungen von Deutschland und Frankreich un­ter­stützen, die in die Richtung gehen, weitere Zeit für die UNO-Inspektoren vorzusehen.

Ich habe heute auch noch kein Wort der Kritik gehört daran, dass zwei EU-Staaten, nämlich Groß­britannien – von den Briten wissen wir es schon –, aber auch Spanien, den Entwurf für die neue Sicherheitsratsresolution gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein­ge­bracht haben. Obwohl sich in Spanien, meine Damen und Herren und auch Frau Außen­ministerin – ich hoffe, dass Sie sich, da Sie ja nach mir reden werden, dazu äußern werden –, 90 Prozent der Bevölkerung gegen diesen Krieg aussprechen, sagt die spanische Regierung: Wir machen mit den Vereinigten Staaten von Amerika gemeinsame Sache! In diesem Entwurf steht: Die Zeit ist abgelaufen, jetzt freie Hand, um zuzuschlagen! – Nein, Frau Ministerin, nein, Herr Bundeskanzler, nein, meine Damen und Herren, dieser Krieg ist vermeidbar, dieser Krieg


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 26

ist noch zu verhindern! Wir brauchen auch von der österreichischen Bundesregierung hier eine eindeutige Positionierung in diese Richtung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich war froh, Herr Bundeskanzler, dass Sie erwähnt haben, dass ein Prä­ventivschlag nicht die richtige Vorgehensweise ist. Dieser muss verhindert werden!

Kollege Spindelegger hat gemeint, hier gebe es manchmal einen billigen Antiamerikanismus. (Abg. Dr. Spindelegger: Ganz richtig!) Um eines klarzustellen: Kritik an der Regierung Bush, die hier nicht einen gemeinsamen Weg mit der internationalen Staatengemeinschaft gehen will, die droht – heute in der „Presse“ nachzulesen –: Es ist schon alles beschlossen, entweder der Si­cherheitsrat und die UNO gehen mit, oder wir machen es alleine!, Kritik an der Politik dieser Re­gierung Bush, das, meine Damen und Herren, ist in demokratischen Systemen, in einer de­mo­kratisch gesinnten Weltgemeinschaft doch notwendig! Das ist richtig und legitim, und darum geht es und nicht um irgendeinen billigen Antiamerikanismus!

Dieser Krieg, meine Damen und Herren, ist vermeidbar, auch jetzt noch, und alle Anstren­gun­gen müssen in diese Richtung gehen. Ich fordere Sie, Frau Bundesministerin, Herr Bundes­kanz­ler, und auch alle anderen Minister und Ministerinnen dieser österreichischen Regierung auf: Stellen Sie das klar, sprechen Sie sich eindeutig für die Linie in der Europäischen Union aus, die Deutschland und Frankreich vertreten! Stellen Sie sich auf die Seite der Millionen Men­schen in der EU und auf dieser Welt, die „Nein“ zu diesem Krieg sagen! Erteilen Sie diesem Krieg eine Absage, sagen Sie „Nein“ dazu, und prägen Sie mit diesem Nein zu diesem Krieg die Ge­meinsame Außen- und Sicherheitspolitik Europas! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­ge­ordneten der SPÖ.)

9.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte.

9.43


Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Prä­sident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! In der Irak-Frage war ich von Anfang an an meine Ziel­setzung gebunden, und diese ist, absolut nichts unversucht zu lassen, um hier eine friedli­che Lösung zu ermöglichen, und zwar eine friedliche Lösung auf Basis der UN-Sicherheitsrats­resolution 1441, die uns zwar nur einen schmalen Grat, aber durchaus eine Möglichkeit bietet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, Österreich hat hier eine durchaus eigen­ständige Position auf der Basis dieser Sicherheitsratsresolution eingenommen, denn bedenken Sie eines: Frankreich und Großbritannien sind ja die einzigen permanenten Sicherheitsrats­mit­glieder, und diese beiden Staaten haben sich in der GASP, der Gemeinsamen Außen- und Si­cher­­heits­politik, sogar eine Ausnahme ausbedungen, und da heißt es, dass sie ihre nationa­len Positionen beibehalten können. Aus diesem Grund ist es auch schwierig, zu verhindern, dass der Konsens inner­halb der Europäischen Union, den wir beim Europäischen Rat errungen hatten, durch gewisse Ände­run­gen und Interpretationen immer wieder aufgelöst wird.

Aber es stellt sich die Frage: Was ist für uns wichtig? – Für uns ist wichtig, dass der Sicherheits­rat hier im Mittelpunkt steht – das haben viele schon gesagt –, und ich unterstütze da voll Kofi Annan, der gesagt hat, es sei ganz wichtig, dass der Sicherheitsrat da auch in Zukunft sozu­sagen der Meister ist, denn sonst – und das habe ich in meinem Interview im „profil“ gemeint – wür­de Chaos in der internationalen Staatengemeinschaft ausbrechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zur zweiten Resolution, die ich als wünschenswert bezeichnet habe, habe ich Folgendes ge­sagt: Am Ende eines Prozesses – denn selbstverständlich sind wir jetzt in einen Verhandlungs­proz­ess eingetreten, in den sehr wohl die Franzosen, aber auch die Deutschen, die ja nicht ein per­manentes Mitglied sind, ihre Position einbringen werden, genauso wie eben die USA, Groß­britannien und Spanien – wird es, so hoffe ich und gehe davon aus, eine Sicherheitsratsreso­lution geben, die dem entspricht, was auch die Waffeninspektoren wollen, und die wollen eben


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 27

eine bestimmte Zeit haben. Aber ich glaube, dass es noch zu früh ist, sich hier zu äußern, wenn man nicht selbst derzeit im Sicherheitsrat ist. Das habe ich gemeint!

Aber was haben wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, und was habe ich selbst ge­macht? – Von Anfang an habe ich die griechische Präsidentschaft darin unterstützt, eben diese minimale Chance einer friedlichen Lösung auszuloten. Deshalb habe ich meine Maghreb-Reise nach Marokko, Tunesien und Algerien unternommen, nämlich in Länder, in die der griechische Vorsitzende selbst nicht hinfahren konnte.

Was war das Wesentliche dieser Mission? – Das Wesentliche war, zu versuchen, sowohl die Araber als auch die Europäer zu einer gemeinsamen Position zu bringen, denn es hat schon an­deres Gewicht, wenn man Saddam Hussein von arabischer Seite sagt: Du hast jetzt alle die­se Dinge zu erfüllen, die in den Sicherheitsratsresolutionen vorgegeben sind! Du, Saddam, hast es in der Hand, dein Volk vor einem Krieg zu bewahren!

Das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Hintergrund dieser – ich gebe zu – mini­ma­len Chance, aber ich glaube, dass man diese Chance bis zur letzten Minute ausnützen muss. Deshalb ist auch dann der griechische Vorsitzende Papandreou zur Sitzung der Außen­minister der Arabischen Liga gefahren, deshalb war Amre Moussa dann in unserer letzten Sitzung anwesend, und deshalb wird es einen arabischen Gipfel geben, wo durchaus die Mög­lich­keit besteht – und das ist angedacht –, dass eine arabische Delegation, und zwar auch noch in der letzten Phase, während über die Sicherheitsratsresolution verhandelt wird, nach Bagdad fährt und Saddam noch einmal nachdrücklich auf seine eigene Verantwortung für sein Volk, aber auch für die arabischen Länder hinweist.

Ich glaube, Herr Abgeordneter Gusenbauer, Europa wird zwar betroffen sein, da gebe ich Ihnen Recht, aber noch viel mehr wird natürlich die gesamte Nahost-Region betroffen sein. Das wis­sen natürlich alle Araber, und deshalb versuchen sie, da gemeinsam mit uns zu einer Lösung zu kommen.

Ich sage auch, es ist richtig – und auch das wurde natürlich besprochen –, wenn gesagt wird, dass wir den Nahen Osten, vor allem im Hinblick auf den Konflikt Palästina – Israel, aber auch die Nordkorea-Krise nicht anders behandeln sollten. Deshalb war es zum Beispiel auch wichtig, dass wir gemeinsam in unsere EU-Erklärung diesen Passus aufgenommen haben, deshalb war es wichtig, dass von allen Seiten mit Bush geredet wurde. Er muss im Nahen Osten voran­gehen, und es muss endlich zur Umsetzung der Road-Map, der Wegskizze, kommen – zuerst muss sie freilich einmal veröffentlicht werden –, die wir gemeinsam im Quartett angedacht ha­ben.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, heißt auch, eine gemeinsame Linie zu verfolgen, eine Linie, die bis zum Schluss den Frieden immer noch bringen kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.49


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Frau Bundesminister.

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

9.49


Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundes­mi­nis­ter! Hohes Haus! In einer weltpolitisch äußerst schwierigen Situation findet heute und hier in unserem Parlament eine Grundsatzdiskussion zum Irak-Konflikt statt. Die Menschen sind auf der einen Seite tief besorgt, Politiker auf der anderen Seite ehrlich um Lösungen bemüht. Kei­ner weiß die wahren Auswirkungen eines möglichen Irak-Krieges einzuschätzen, sie wären je­den­falls dramatisch. Was aber jeder weiß, das ist die Tatsache, dass Krieg keine Probleme und keine Konflikte lösen kann, sondern durch ihn werden sie eher vermehrt, und daher sind natür­lich alle Mittel aufzubieten, um diese Gefahr abzuwenden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 28

Weil heute mehrmals unsere Bundesregierung angesprochen wurde, darf ich sagen: Ich glau­be, dass man sehr deutlich dokumentieren kann, dass diese unsere Regierung zeitgerecht ge­han­delt, Beratungen geführt und Entscheidungen getroffen hat, sich um eine friedliche Lösung die­ses Konfliktes, der eine große Bedrohung in sich birgt, bemüht hat, nicht zuletzt durch die Ein­berufung des Nationalen Sicherheitsrates am 29. Jänner, wo letzten Endes auch ein Be­schluss gefasst wurde.

Die Ursache dieses Konfliktes besteht im Wesentlichen darin, dass ein Diktator rücksichtslos seine Interessen verfolgt, dass er über Massenvernichtungswaffen und Raketen verfügt und – darauf kommt es an – dass er seiner Abrüstungsverpflichtung, die er nun bereits seit zwölf Jahren hat, bis heute nicht nachgekommen ist. Wenn heute namhafte österreichische Parla­mentarier sa­gen, dass seitens der Regierung zu wenig unternommen worden sei, um eine fried­liche Lösung dieses Konflikts zu erreichen, dann muss das entschieden zurückgewiesen wer­den. Sowohl der Herr Bundeskanzler als auch die Frau Außenminister verfolgen diesen Konflikt nicht nur mit tie­fer Sorge, sondern sind aktiv bemüht, im europäischen Gleichklang dahin gehend zu wirken, dass man diese Bedrohung abwendet. Dieser Gleichklang ist natürlich sehr schwer zu er­reichen, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass namhafte Regierungen – und mich be­drückt das sehr –, wie zum Beispiel jene des englischen Premierministers Tony Blair, bei die­sem Konflikt einen ganz anderen Weg gehen, sich eindeutig auf die Seite Amerikas stellen. (Abg. Mag. Lunacek: Aznar auch! Aznar auch!) Ich denke, dass es auch Aufgabe der Sozialis­tischen Internationale wird sein müssen, sich da entsprechend einzubringen. Es ist zu wenig, wenn wir hier rhetorisch Kritik üben – wir müssen mit Wort und Tat eingreifen.

Es geht darum, Friedenssicherung zu betreiben und sich auch selbst zu schützen. Aus dieser Sicht ist natürlich auch die Entscheidung der Bundesregierung, Truppentransporte über Öster­reich und natürlich auch durch Österreich zu untersagen, zu werten. Das zeigt nämlich sehr deut­lich, dass wir nicht nur den heutigen Neutralitätsstatus beansprucht haben, sondern auch die völkerrechtliche Souveränität wahrnehmen, aus der heraus jedes Land über die Nutzung sei­nes Territoriums selber und frei entscheiden kann, nein, viel mehr noch, frei entscheiden muss.

Ich war persönlich sehr beunruhigt, als der amerikanische Außenminister Rumsfeld die Haltung Ös­terreichs unverständlicherweise kritisiert hat und uns eine Blockade vorgeworfen hat. Diese Aus­­sage eines Außenministers einer angeblichen Friedensschutzmacht halte ich persönlich für äußerst unpassend. Vielmehr möchte ich das Engagement unserer Frau Außenministerin würdi­gen, die sich bereits vor einem Jahr darum bemüht hat, dass die Waffeninspektoren tatsächlich ein­gesetzt werden und ihre Arbeit aufnehmen können, die sich in weiterer Folge vor kurzem er­folgreich darum bemüht hat, auch die arabischen Staaten in diesen Beratungs- und Friedens­siche­rungsprozess einzubinden. Ich halte das nicht nur politisch, sondern auch emotional für sehr wichtig, weil ich glaube, dass man, wenn man diese Staaten in diesen Prozess mit ein­be­zieht, in dieser ganzen Entwicklung viel mehr bewegen kann.

Die Entscheidung war, glaube ich, richtig, und es ist heute auch sehr deutlich aus beiden Wort­meldungen herauszuhören gewesen, sowohl aus jener des Herrn Bundeskanzlers als auch aus je­ner der Frau Außenministerin, dass die Diskussion nun im Sicherheitsrat erfolgen muss. Dort muss entschieden werden! Jedenfalls ist alles zu unternehmen, damit wir da letzten Endes einen hoffentlich friedlichen und glücklichen Ausgang finden.

Diese krisenhafte Situation, die wir haben, ist aber für mich auch eine klare Botschaft an Europa, weil sie erkennen lässt, dass die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik endlich wahr­­genommen und umgesetzt werden muss, dass Europa seine Stärke nicht nur zeigen, son­dern auch dokumentieren muss, seine Wirtschaftskraft unter Beweis zu stellen hat und in wirk­li­cher Geschlossenheit an der Weltpolitik aktiv mitzuwirken hat, auch bei der Friedenssicherung – und das nicht zuletzt im Interesse der Menschen auf der ganzen Welt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

9.54



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 29

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte.

9.55


Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundes­mi­nis­terin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst, Kollegem Do­nabauer zu sagen: Herr Rumsfeld ist nicht der amerikanische Außenminister, sondern der amerikanische Verteidigungsminister, der hat das Problem gehabt – macht aber nichts. – Las­sen Sie mich im Wesentlichen auf die europäische Dimension der Frage, über die wir heute disku­tieren, zu sprechen kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis für die besondere Situa­tion der USA, die erstmals im September 2001 nach ihrer Wahrnehmung von außen angegriffen worden sind. Das ist dieser Nation, noch dazu der mächtigsten dieser Welt, noch nie passiert. Da­her reagiert diese Nation auch anders darauf. Das ist insoweit verständlich, aber das ist noch kein Grund, dass wir Europäer, die wir andere Erfahrungen gemacht haben, uns unbedingt gleich auf ihre Seite stellen.

Ich habe daher kein Verständnis für die umstandslose Unterstützung der USA in der Kriegs­orientie­rung der gegenwärtigen US-Administration. Wir sind Österreicher, wir sind Europäer, und wir müssen daher eine österreichische und eine europäische Politik betreiben. Das ist aber eine andere, zumindest eine in bestimmten Aspekten andere Politik als die der USA.

Was wir daher kritisieren, um es deutlich zu sagen, das ist der Umstand, dass Österreich, dass die Frau Außenministerin im Besonderen eben keine Position in dieser Frage hat und zuletzt ver­sucht hat, soweit öffentliche Aussagen dazu für sich sprechen, sich rasch noch auf die Seite der USA zu stellen. Das kritisieren wir!

Frau Bundesministerin! Was wir brauchen, das ist eine engagierte europäische Politik, und da sind wir der Auffassung, dass in diesem Zusammenhang vor allem die kleinen und mittleren Staaten eine ganz besondere Rolle haben können. Es ist für die kleinen und mittleren Staaten we­sentlich einfacher, auf den Anspruch zu verzichten, als Einzelstaat Weltpolitik zu machen. Es ist für Länder wie das Vereinigte Königreich, Frankreich oder auch Deutschland wesentlich schwie­riger, auf solch eine Position der Vergemeinschaftung europäischer Außen- und Sicher­heits­­politik einzusteigen und sich individueller nationalstaatlicher Politik zu enthalten. Was es braucht, das ist das Engagement der kleinen und mittleren Staaten in Europa, die dazu beitra­gen können, dass es eine europäische Position gibt, die dem Zweck dient, eine gemeinsame euro­päische und nicht primär transatlantische Außen- und Sicherheitspolitik zu betreiben.

Hohes Haus! Wir stimmen durchaus mit dem Abgeordneten Spindelegger darin überein, dass wir aktiv für eine gemeinsame, ja mehr noch, für eine vergemeinschaftete Außen- und Sicher­heits­politik, letztendlich bis hin zu einer gemeinsamen europäischen Verteidigung, eintreten sollen, und auch dafür braucht es das Engagement der kleinen und mittleren Staaten in Europa, weil es für die großen schwer ist, diesen Weg zu gehen. Dort braucht es unser Engagement. Das ist gut, das ist wichtig, das ist aber nicht genug.

Wir anerkennen – das sage ich auch – durchaus nicht nur die Bemühungen der griechischen Prä­sidentschaft der EU, zu einer gemeinsamen europäischen Position zu gelangen, sondern auch die Bemühungen der griechischen Präsidentschaft, alles irgend Mögliche zu tun, um zu erreichen, dass eine militärische Auseinandersetzung im Nahen Osten vermieden wird. Wir an­er­­kennen in diesem Zusammenhang auch, Frau Bundesministerin – auch das ist anzuer­ken­nen –, dass Sie sich zur Verfügung gestellt haben, in dieser Frage die griechische Präsident­schaft zu unterstützen und die entsprechenden Gespräche mit den Maghreb-Staaten zu führen.

Aber wobei wir bleiben, das ist, dass wir einen klaren europäischen Standpunkt vermissen, und zwar auch bei Ihnen, einen Standpunkt, der derzeit primär von Deutschland und Frankreich ver­treten wird – so Leid es uns tut oder Ihnen vielleicht, weil das große Staaten sind, aber das sind diejenigen, die versuchen, einen europäischen Kern zu bilden. Ich appelliere insofern an


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 30

Sie, als Sie es sind, Herr Bundeskanzler, Frau Bundesministerin, die dafür eingetreten sind, dass wir im europäischen Kern unsere europäische Politik gemeinsam entwickeln und dort dabei sind. Dann müssen wir aber auch in dieser Frage eine klare Position haben.

Frau Bundesministerin! Herr Bundeskanzler! Was wir wollen, das ist eine Politik, die dem Frie­denswunsch der Menschen in Österreich, die dem Friedenswunsch der Menschen in Europa und auf der Welt entspricht, und wir wollen eine europäische Friedenspolitik, die der geschicht­lichen Entwicklung der Europäischen Union entspricht. Dafür wollen wir von Ihnen eine klare Orientierung und eine klare Position im Namen Österreichs. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.00


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

10.00


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kampf gegen den Terror und gegen den Terrorismus ist, so glaube ich, eine Selbst­verständlichkeit und unumstritten. Wir haben daher im Hohen Haus nach dem 11. September die dementsprechenden Beschlüsse dazu gefasst.

Aber der Kampf gegen den Terror kann nicht gleich Krieg bedeuten; und vor allem kann das nicht einen Luftkrieg gegen zivile Ziele und gegen Wohngebiete in einem anderen Land be­deu­ten. Deshalb, meine Damen und Herren von der Opposition, sind Ihre Vorwürfe gegen diese Bun­des­regierung auch nicht haltbar.

Zum einen werfen Sie der Bundesregierung vor, sie würde sich auf die Seite der USA stellen. Das Gegenteil ist der Fall: Österreich hat gerade in diesem Konfliktfall eine eigenständige Po­sition bezogen und dies auch laut und deutlich gesagt. Zum anderen kritisieren Sie aber auch, dass sich Österreich nicht an die Seite von Frankreich und Deutschland gestellt habe. Auch da, glaube ich, hat diese Regierung den richtigen Schritt getan, denn die Europäische Union ist gera­de in diesem Konfliktfall, den wir jetzt erleben – so ist es in der „Presse“ gestanden –, ein Konkursfall gewesen. Ich unterstütze diese Beurteilung. Die Europäische Union war nicht in der Lage, diesbezüglich eine gemeinsame Linie zu finden.

Was ist geschehen? – Zwei größere Länder haben sich zusammengetan und haben eine eigen­ständige Position erarbeitet, ohne die Geduld zu haben und abzuwarten, dass sich alle anderen Mitgliedsländer der Union auch dazu positionieren können. – Herr Kollege Einem! Sie haben das auch im Konvent erlebt mit dem Vorschlag von Frankreich und Deutschland in Bezug auf die Doppelpräsidentschaft. Wenn sich zwei in einer Union zusammentun, dann schürt das das Misstrauen der anderen. Und das ist der Vorwurf an Frankreich und an Deutschland, dass sie ihre Interessen vertreten haben und nicht die Interessen der Europäischen Union.

Deshalb, meine Damen und Herren, muss es wichtig sein, dass die Europäische Union gerade jetzt, im Rahmen ihrer Erneuerung der Verfassung, Mechanismen einführt, die sie in die Lage versetzen, gegen solche Situationen auch Maßnahmen setzen zu können. Es kann nicht so sein, dass sich nur zwei Länder oder mehrere Länder zu Allianzen zusammentun und Po­sitionen beziehen. Das wäre ein Rückfall in die europäische Allianzpolitik des 19. und 20. Jahr­hunderts, und das kann wohl nicht die Entwicklung der Europäischen Union sein.

Diese neuen Mechanismen einzuführen wird die Aufgabe des Konvents sein, und ich hoffe, dass wir dort Mechanismen beschließen werden, die dann von den Regierungschefs akzeptiert wer­den. Bis dahin, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass sich vor allem ein mittel­großes Land wie Österreich bemüht, seine eigenständige Außenpolitik und seine eigenständige militärische Landesverteidigung aufrechtzuerhalten. Es muss das Ziel sein, nicht nur im Rah­men einer neuen Verfassung die Union in die Lage zu versetzen, außenpolitische Maßnahmen zu setzen, sondern parallel dazu auch souverän die Außenpolitik und die Landesverteidigung zu gestalten. Und dafür, meine Damen und Herren, ist diese Bundesregierung Garant. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.03



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 31

Präsident Dr. Andreas Khol: Als letzter Redner dazu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Ich erteile es ihm.

10.03


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Auf­marsch ist abgeschlossen; die Truppen sind rund um die irakischen Zielgebiete stationiert. Eine einzige Frage ist seltsamerweise bis heute unbeantwortet geblieben: Warum wollen die USA um jeden politischen und militärischen Preis der Welt einen Krieg gegen den Irak und das Re­gime von Saddam Hussein führen? – Darauf wird gesagt: Es ist dies wegen der Massenver­nich­tungs­waffen.

Meine Damen und Herren! Wer sich damit beschäftigt, weiß, dass das im Großen und Ganzen ein Schwindel ist. Es waren die USA, die die Chemiewaffenkonferenz gezwungen haben, die Un­ter­suchungen im Irak abzubrechen. Es waren die USA, die die Biowaffenkonferenz boy­kot­tiert und arbeitsunfähig gemacht haben. Und wenn es darum geht, mittels internationaler Ver­ein­barungen etwas gegen Massenvernichtungswaffen zu tun, haben Sie immer die gleiche Liste von Staaten, die sich weigern, zu kooperieren: Libyen, Irak, Iran und die USA.

Das zweite Argument lautet: Wir müssen das Regime von Saddam Hussein stürzen. – Jetzt ge­he ich gar nicht auf die Frage ein, was das für die Welt bedeutet, wenn jede Großmacht, die mi­li­tärisch dazu in der Lage ist, sagen kann, wir nehmen uns heute und morgen vor, dieses oder jenes Regime aus folgenden Gründen zu stürzen, sondern weise nur auf eines hin: Mit dem Inter­nationalen Strafgerichtshof, der eine massive Unterstützung der Europäischen Union hin­ter sich hat, gibt es endlich ein Instrument, um mit Potentaten und Diktatoren wie Saddam Hus­sein rechtsstaatlich umzugehen und, wenn es notwendig ist, dann, wenn der Gerichtshof ver­ur­teilt, diese Urteile über den Weltsicherheitsrat auch mit militärischen Mitteln durch­zu­setzen.

Die USA sagen: Nein, das ist nicht unser Weg; wir erkennen den Strafgerichtshof nicht an; wir sind das Weltgericht, und wir sind die Weltpolizei. Niemand kann uns dreinreden! Wir be­stim­men, wo Krieg geführt wird, und wir bestimmen, mit wem und mit welchen Zielen.

Es gibt also nur einen Punkt und nur eine Antwort: Die USA wollen Krieg führen im Irak mit den glei­c­hen Vorstellungen und mit den gleichen Motiven, mit denen sie Kriege gegen den Iran, ge­gen den Sudan und möglicherweise gegen andere Staaten vorbereiten. Dabei geht es um Öl, da­bei geht es um Wirtschaftsinteressen, dabei geht es um Interessen der globalen Vorherr­schaft, und dabei geht es um die Interessen einer Supermacht, die sagt, nichts bindet uns, nichts steht über uns, alle haben sich an uns zu orientieren.

Präsident Bush hat selbst gesagt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns! – Und das widerspricht nicht nur der europäischen Rechtskultur, nicht nur dem Geist der Vereinten Nationen, sondern allem, was sich zu Recht heute Weltgemeinschaft zu nennen beginnt. (Beifall bei den Grünen.)

Wie soll es jetzt weitergehen? – Krieg im Irak, vielleicht mit Großbritannien und den Letzten, die noch mittun? Was ist mit dem Iran, wo der Aufmarsch und die Vorbereitungen bereits in Pla­nung sind? Was ist mit dem Sudan, wo die Truppenstationierungen in Dschibuti und in Kenya lau­fen und die Kriegsvorbereitungen bereits offiziell sind? Soll das so weitergehen? Oder gibt es jemanden mit politischem Gewicht, der sich den USA in den Weg stellt?

Genau darin liegt die Rolle Europas. Da geht es jetzt darum, dass sich die Europäische Union eint und sagt: Ja, wir wollen einen anderen Weg; ja, in dieser Frage sind die USA nicht unsere Part­ner, sondern weltpolitisch schlicht und einfach unsere politischen Gegner. Da geht es dar­um, eine Sicherheitsgemeinschaft zu bilden, die sich den USA auch politisch in den Weg stel­len kann. Da geht es darum, zu mobilisieren, damit eine Politik, die von Rechtsstaatlichkeit glo­bal nichts hält, isoliert und geschwächt wird. Da geht es darum, zu sagen, Europa hat eine an­de­re sicherheitspolitische Zukunft. Die sicherheitspolitische Zukunft Europas liegt nicht in einem militärischen Block, der von den USA angeführt wird, sondern die sicherheitspolitische Zukunft Europas liegt in einer Sicherheitsgemeinschaft – Sicherheitsgemeinschaft statt NATO. Wir


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 32

brau­chen ein Europa ohne amerikanische Truppen und ein Europa, das zeigt, dass es einen globa­len Weg zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gibt.

Ich mache mir nicht die geringsten Sorgen darüber, dass ein Europa, das diese Positionen auch in den Vereinten Nationen durchsetzen kann, einen viel größeren Beitrag zur Stabilität im Na­hen Osten und auch zum Sturz von Regimes wie jenem von Saddam Hussein leisten kann, als es die USA durch eine Reihe von Weltkriegen tun.

Deshalb mein Appell auch an den Herrn Bundeskanzler und an die Frau Außenministerin: Be­teili­gen Sie sich nicht irgendwo, seien Sie nicht halbamerikanisch und halbeuropäisch, sondern setzen Sie sich mit an die Spitze einer europäischen Entwicklung, die nicht nur Europa, sondern die ganze Welt dringend braucht. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ord­neten der SPÖ.)

10.09


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungs­saal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 55/J bis 121/J.

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 1/JPR.

2. Anfragebeantwortungen: 1/AB bis 15/AB.

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 1/ABPR.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesverfassungsgesetz über den Verlauf der Staatsgrenze zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland im Grenzabschnitt „Salzach“, in den Sektionen I und II des Grenzabschnitts „Scheibelberg-Bodensee“ sowie in Teilen des Grenzabschnitts „Innwinkel“ (5 der Beilagen),

Bundesverfassungsgesetz über Änderungen des Verlaufes der Staatsgrenze zwischen der Re­publik Österreich und der Tschechischen Republik (6 der Beilagen),

Bundesverfassungsgesetz über Änderungen des Verlaufes der Staatsgrenze zwischen der Re­publik Österreich und der Republik Ungarn in den Unterabschnitten C II und C IV (regulierte Pin­ka und regulierte Strem) (7 der Beilagen),

Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Öster­reich (Orientalisch-Orthodoxes Kirchengesetz; OrientKG) (8 der Beilagen),

Gesetzliches Budgetprovisorium 2003 (10 der Beilagen).

4. Auf Grund eines Schreibens des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 29. Jän­ner 2003 gegenstandslos:

Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003 – SVÄG 2003 (2 der Beilagen),

Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich (III-7 der Beilagen).


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 33

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von Vorbelastungen für das 4. Quartal 2002 (Vorlage 5 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundes­vermögen im Jahr 2002 (Vorlage 6 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 65 Absatz 5 des Bundeshaushaltsgesetzes über das Eingehen, die Prolongierung und die Konvertierung von Finanzschulden und Wäh­rungs­tauschverträgen im Finanzjahr 2002 (Vorlage 7 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jah­re 2002 (Vorlage 8 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von überplanmäßigen Aus­gaben im 4. Quartal 2002 (Vorlage 9 BA);

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 1 betreffend „Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Motorrad­fahrerIn­nen“, überreicht von den Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Kurt Eder,

Bürgerinitiative Nr. 1 betreffend „Privatschulen verlangen ein gerechtes Schulsystem“.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die ge­gen­seitige Anerkennung von Dokumenten für die Mitnahme von Schusswaffen und Munition durch Angehörige traditioneller Schützenvereinigungen und Sportschützen (9 der Beilagen);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 42/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Schaffung eines Entwicklungs- und Sicherheitsraumes für eine gentechnikfreie, nach­haltige Landwirtschaft;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entschei­dung des Ausschusses):

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion auf dem Gebiet des Bundesbedienstetenschutzes im Jahr 2000 (III-10 der Beilagen),

Bericht des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die soziale La­ge 2001-2002 (III-11 der Beilagen);

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Gewässerschutzbericht 2002 (III-12 der Beilagen).

*****



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 34

Präsident Dr. Andreas Khol: Ich teile mit, dass der Erste Bericht des Unvereinbarkeitsaus­schusses vervielfältigt und an alle Abgeordneten verteilt wurde.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage der Ab­geordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler betreffend un­nö­tige Belastung der Österreicher und Österreicherinnen durch teure Kampfflugzeuge dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 10/AB


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsord­nung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 10/AB der An­frage 13/J der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend GATS-Ver­hand­lungen – öffentliche Information – Inhalt der Forderungslisten durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein, meine Damen und Herren.

Redezeitbeschränkung


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Gestaltung und Dauer der Debatten erzielt. Es wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 133, SPÖ 119, Freiheitliche und Grüne je 84 Minuten. Darüber entscheidet das Hohe Haus.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

1. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 34/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Gün­ter Stummvoll, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­­des­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden (16 der Bei­lagen)


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. Er wünscht, 8 Minuten zu spre­chen. Ich erteile ihm das Wort.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 35

10.13


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Jungfernreden haben den Vorteil, dass sie – abgesehen von einer gewissen Zurückhaltung bei den Zwischenrufen – den jungen Abgeordneten auch die Chance geben, ein bisschen etwas zum Grundsätzlichen zu sagen. Ich möchte die Gelegenheit nützen und darauf hinweisen, dass die heute zu behandelnde Materie, 16 der Beilagen, die Änderung eines Gesetzes ist, das dieses Haus in den letzten Stunden der letzten GP in einem Husch-Pfusch-Verfahren beschlossen hat.

Wir haben uns im Budgetausschuss bezüglich der Frage der Sicherung der Pensionen sehr grund­sätzlich darüber unterhalten, ob die öffentliche Diskussion über die erste Säule der Ver­sor­gung der Pensionen in unserem Land eine Diskussion ist, bei der wir darüber sprechen, ob jeder Einzelne auf seine Leistungen, auf die er in der Vergangenheit vertrauen konnte, in Zu­kunft noch Anspruch hat.

Wir haben bei dieser grundsätzlichen Diskussion die Frage behandelt, ob das der richtige Zeit­punkt ist, für Förderungen der dritten Säule öffentliche Mittel in größerem Umfang flüssig zu ma­chen. Ich habe bei dieser Gelegenheit darauf verwiesen, dass Österreich ein Land ist – ich be­ziehe mich da auf den Einkommensbericht des Rechnungshofes –, wo das durchschnittliche Nettoeinkommen eines unselbständigen Erwerbstätigen 2001 bei 15 420 € lag. Ich habe mir erlaubt, diesem Nettoeinkommen eine entsprechende Berechnung zu Grunde zu legen.

Meine Damen und Herren! Wir ziehen heute jemandem, der 1 510,43 € brutto monatlich ver­dient, nicht weniger als 425 € pro Monat ab. Gleichzeitig wird aber ein System geschaffen, bei dem ein Besserverdiener für das Aktiensparen eine steuerliche Prämie erhält, für deren voll­ständige Nutzung sein Sparvolumen im Jahr 1 800 € betragen muss.

Kollege Dr. Stummvoll hat mich gefragt, ob die SPÖ angesichts ihrer Nichtzustimmung zu die­sem Punkt von dem Bekenntnis, dass der Lebensstandard am Lebensabend erhalten werden müsse, abrückt. Ich habe die Frage schon im Budgetausschuss klar verneint. Das ist nicht der Punkt. Die Frage ist: Können wir es uns leisten? Haben wir eine budgetäre Situation, bei der wir bis zu 200 Millionen € an Prämie in dieses System einzahlen können, während wir gleichzeitig für das Einsparen von 640 Millionen € in der ersten Säule bis 2006 – beginnend mit 1. 1. 2004 – von der neuen Regierung eine Abschaffung der Frühpensionen in Schritten bis 2009 zu er­warten haben?

Ein Drittel jenes Volumens, das der heute amtierende Finanzminister im Jahr 2006 einsparen will, wird gleichzeitig als Förderung für ein Produkt verwendet, von dessen Sinnhaftigkeit wir selbst insofern nicht überzeugt sind, als wir bereits heute eine Berichtigung des damaligen Pro­zentsatzes von einem Mindestaktienanteil von 60 Prozent auf 40 Prozent vornehmen müssen.

Meine Fraktion hat daher eine gesonderte Abstimmung des Antrages beantragt. Genauso, wie wir damals am 20. September nicht zugestimmt haben, wird meine Fraktion diesem Antrag zum Artikel I nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme zu den anderen Punkten des Antrages. Wir stimmen Artikel II des Antrages zu. Wir begrüßen alle Schritte, die hinsichtlich des Umsatzsteuergesetzes zu einem Bürokratieabbau führen. Wir unterstützen die Möglichkeiten in den Grenzen der sechsten Richtlinie, das Steuer­auf­kommen für den Abgabengläubiger Republik Österreich möglichst zu bewahren. Wir unter­stützen das Bemühen des Finanzministeriums, zu verhindern, dass es zu Steuerabflüssen auf Grund von Konstruktionen über Auslandsleasing kommt.

Ich komme daher zum dritten Punkt des Antrages. Auch dieser Bereich gibt mir Gelegenheit, einige grundsätzliche Worte über die Budget- und Fiskalpolitik zu verlieren. Wir haben bei Arti­kel III eine Änderung, deren Grundlage die zweite Verschiebung des Einsetzens der Steuer­pflicht für Schenkungen von Sparbüchern ist.

Meine Damen und Herren! Ich möchte daran erinnern, dass die Steuerfreiheit der Schenkung von Spar­büchern eine Maßnahme zur Erleichterung des Überganges vom anonymen Überbrin-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 36

gers­parbuch zum legitimierten Sparbuch war. Uns allen war bewusst, dass wir in Österreich teil­weise unklare Besitzverhältnisse bei den Sparbüchern aus dem Umstand der Anonymität ha­ben. Längst von der Großmutter für das Enkerl gewidmete Sparbücher sind unter Umständen bei ihr verblieben, und man wollte in dieser Phase – das wurde auch von den Sozialdemokraten unterstützt – den Übergang erleichtern, damit die Bevölkerung in der Lage ist, die Legitimierung der Sparbücher ohne Schenkungssteuerbelastung vorzunehmen. Die ursprüngliche Frist endete am 30. Juni des Jahres 2002. Sie wurde einmal bis Ende des Jahres verlängert, und nun ste­hen wir vor einer nochmaligen Verlängerung.

Eines muss klar sein: Wir durchbrechen in diesem Bereich das System. Es macht einen Unter­schied in der Besteuerung, ob die Oma ins Geldbörsel greift und dem Enkerl das Bargeld gibt, oder ob sie so klug ist, am Morgen auf die Bank zu laufen, ein Sparbuch zu eröffnen und dieses Sparbuch weiterzugeben. Das ist keine sachlich gerechtfertigte Unterscheidung, und sie kann nicht dauerndes Recht werden.

Der Herr Staatssekretär hat im Budgetausschuss ausgeführt, dass die Erbschafts- und Schen­kungs­steuer eine Bagatellsteuer sei. – Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in Zeiten schwie­rigster Konsolidierungsbedürfnisse – auf Grund der Untätigkeit der letzten Regierung in vielen Bereichen, auf Grund der nur auf Oberflächlichkeit ausgerichteten Finanzpolitik.

Es besteht insgesamt ein Konsolidierungsbedarf von rund 16 Milliarden € in der Gesetzge­bungs­periode. Unter Einschluss der Steuerreform im Jahr 2005 werden allein für das Jahr 2006 8 Mil­li­arden € zur Konsolidierung benötigt.

Wir haben Abgabenarten, meine Damen und Herren, bei denen es nicht Notleidende trifft, bei de­nen die Besteuerung nicht etwas trifft, was aus eigenem Erwerbsleben stammt, aber derzeit ha­ben wir fast kein Aufkommen in diesem Bereich. Daher müssen wir uns in diesem Bereich, was die Steuerreform betrifft, neue Grundsätze überlegen. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

Wir werden in diesem Bereich nach dem Benchmark vorzugehen haben: Wie schaut die Nor­malität in Europa, in der OECD aus? – Wir werden trachten müssen, dass wir in diesem Bereich mehr Geld hereinbekommen, um für jene Menschen, die mit 400 € monatlich belastet werden, eine Reduktion erreichen zu können, denn diese Menschen schaffen Nachfrage! Das sind die Menschen, für die jeder Euro wichtig ist, um ihr tägliches Dasein fristen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht nicht um jene, die beim Steuerberater sitzen und ein optimales Modell suchen, wie sie im Falle der Erbschaft einen Vermögensübergang erreichen, damit möglichst keine Steuer an­fällt. Das kann nicht unsere vordringliche Schutzklientel sein! (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

Ich möchte noch eine abschließende Bemerkung machen, die mich auch zu den Beratungen im Bud­getausschuss zurückführt. Herr Staatssekretär Finz hat ausgeführt, dass die Schwierigkeit auch darin liegt, dass im Falle der Besteuerung der Aufwand der Verfolgung möglicher Steu­erhinterzieher und der Einbringlichmachung der Abgaben selbst in Relation zum möglichen Er­folg oft zu hoch ist. – Aber ein Bekenntnis muss auch klar sein in diesem Haus: Nur deswegen, weil ich den Täter nicht verfolgen kann oder weil es teuer ist, ihn zu verfolgen, kann ich nicht Abgabenhinterziehung oder -verkürzung zum Kavaliersdelikt machen, insbesondere dann nicht, wenn die Geldmittel ohnehin knapp sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stumm­voll. Auch er spricht wunschgemäß 8 Minuten lang. – Bitte.

10.22


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute dieses kleine Steuerpaket be­schließen, so ist dies zwar ein kleines Paket, es enthält aber doch drei sehr wichtige Schwer­punkte.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 37

Mein Vorredner ist bereits auf den ersten Schwerpunkt eingegangen. Der erste Schwerpunkt be­steht darin, dass wir im Rahmen des Einkommensteuergesetzes im Hinblick auf die ersten Praxiserfahrungen wesentliche Verbesserungen bei der Pensionsvorsorge, bei der Zukunfts­vorsorge beschließen wollen. Das sind lauter Anregungen, die aus der Praxis an den Gesetzge­ber herangetragen wurden, nämlich: erstens die Reduzierung des Aktienanteils von 60 auf 40 Pro­zent, zweitens eine Präzisierung des Produktkatalogs, drittens die ebenfalls aus der Praxis angeregte Änderung bei der Nachversteuerungspflicht – nicht 6 Prozent des Kapitals, son­dern 25 Prozent der Erträge –, und letztlich heben wir auch die zeitliche Befristung mit En­de 2004 für die Prämienzahlungen bei Pensionskassen auf, um eine Unbefristetheit zu haben.

Wir haben zweitens wichtige Maßnahmen im Bereich des Umsatzsteuerrechts gesetzt. Es hätte durch das europäische Recht, was das PKW-Leasing betrifft, eine Benachteiligung des Wirt­schafts­standortes Österreich gedroht. Wir stellen sicher, dass bis Ende 2005 eine steuerliche Gleichbehandlung besteht, egal, ob dieses PKW-Leasing im Ausland oder im Inland vorge­nommen wird.

Wir werden weiters einen Schritt zur weiteren Modernisierung des Finanzsystems insofern tref­fen, als es möglich sein wird, in Zukunft auf elektronischem Weg Umsatzsteuer-Voranmel­dun­gen abzugeben. Und letztlich geht es um die Frage der Erbschafts- beziehungsweise Schen­kungs­steuerpflicht bei Sparbüchern.

Kollege Matznetter hat das Beispiel gebracht – ich sage immer, jeder hat natürlich seine Beispie­le, die in die Argumentationslinie passen –, welchen Unterschied es macht, ob man ein Spar­buch oder Bargeld schenkt. – Ich kann genauso gut die Frage stellen: Muss ich zuerst ster­ben, damit ich ein Sparbuch steuerfrei übertragen kann, oder kann ich das als Lebender auch machen? – Jeder hat also seine Beispiele, meine Damen und Herren.

Ich möchte ganz kurz, da auch Kollege Matznetter sowohl im Ausschuss als auch hier ein biss­chen grundsätzlich und ordnungspolitisch auf das Thema Pensionsvorsorge, Zukunftsvorsorge, Pensionssicherung eingegangen ist – worüber ich froh bin –, auch ein paar Worte dazu sagen. Es ist gar keine Frage, Herr Kollege Matznetter, dass sich unsere Positionen in diesem Bereich un­ter­scheiden. Sie unterscheiden sich dadurch, dass Sie offensichtlich immer noch in hohem Maße Anhänger jener Philosophie sind, die ich aus den siebziger Jahren kenne, als etwa der da­malige Sozialminister Weißenberg wörtlich erklärt hat: Die staatliche Vorsorge muss so aus­reichend sein, dass der Einzelne keinerlei Rücklagen zur Risikosicherung zu bilden braucht.

Das ist die These von der Null-Eigenvorsorge. Er war damals – damals schon! – im Wider­spruch zum damaligen Vizekanzler Androsch, der seine „drei E“ gepredigt hat: Eigeninitiative, Eigenverantwortung, Eigenvorsorge. – Ich gebe zu, die diesbezügliche Position der SPÖ ist nicht einheitlich, aber es scheint zu überwiegen, dass man sagt: Wir wollen eigentlich, dass der Staat alles absichert, du brauchst dich um nichts zu kümmern, wir brauchen keine zweite und dritte Säule, oder wir haben kein Geld dafür oder wollen kein Geld dafür haben, Herr Kollege Matznetter.

Lassen Sie mich dazu etwas sagen: Wir vertreten eine andere Position. Wir sagen: Wir müssen Eigen­­verantwortung, Eigeninitiative, Eigenvorsorge fordern, wir wollen den eigenverantwortli­chen Menschen – egal, ob es die Altersvorsorge oder die Gesundheit betrifft. Wir haben uns ver­abschiedet von der Philosophie: Der Staat kümmert sich um alles. – Ich glaube, der Staat ist nicht mehr in der Lage, dieses Versprechen zu erfüllen, das stelle ich fest, wenn ich mir etwa auch die Perspektiven für die nächsten Jahre im Staatshaushalt anschaue.

Herr Kollege Matznetter, wir haben schon im Ausschuss darüber diskutiert: Ist es wirklich nur Auf­gabe des Gesetzgebers, des Steuergesetzgebers, darauf zu schauen – die Wichtigkeit ist un­bestritten! –, dass die Bezieher der kleinsten Einkommen eine entsprechende Altersvorsorge ha­ben? – Gar keine Frage, das ist eine wichtige Aufgabe! Wir sagen aber, es ist genauso Auf­gabe des Gesetzgebers und des Staates, in der Steuerpolitik darauf zu schauen, dass auch der Mittelstand und die Leistungsträger in einer Gesellschaft – ich betone: auch die Leistungs­träger in einer Gesellschaft! – Anreize erhalten, in Richtung dritter Säule etwas zu tun.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 38

Lassen Sie mich eines auch einmal sehr deutlich sagen, meine Damen und Herren: Ich höre im­mer: Die Reichen müssen selbst schauen, dass sie zu etwas kommen. – Es gibt Bevölkerungs­gruppen – meine Damen und Herren, das sollten wir nicht vergessen! –, bei denen der Pen­sions­versicherungsbeitrag fast ein Viertel des Bruttoeinkommens ausmacht, und vom Rest zah­len sie noch einmal 50 Prozent Steuern. Wenn man da sagt: Das sind Menschen, die zwar zur Solidarität unglaublich viel beitragen im Vergleich zu jenen 1,5 Millionen Steuerpflichtigen, die gar keine Steuern zahlen, aber das ist nicht unser Thema, wir kümmern uns nur um die Bezie­her von ganz kleinen Einkommen!, dann muss ich sagen: Hier unterscheiden sich unsere Posi­tio­nen, Herr Kollege Matznetter!

Wir sind dafür, auch den Leistungsträgern in unserer Gesellschaft (Beifall bei der ÖVP), also jenen, die mehr tun, als sie tun müssten, und von denen letztlich unsere Gesellschaft, unsere Wirt­schaft lebt, sehr wohl Anreize zu bieten, zusätzlich zur staatlichen Pension etwas für ihre Eigen­vorsorge zu tun. – Hier haben wir unterschiedliche Positionen, das ist gar keine Frage. Ich bin froh, dass Sie, Herr Kollege Matznetter, uns die Möglichkeit geben, diese unterschiedlichen ge­sellschaftspolitischen und ordnungspolitischen Positionen entsprechend zu deponieren.

Ich habe ein bisschen den Eindruck – und das soll jetzt keine Polemik sein –, dass Ihre Philo­so­phie nach dem Motto erfolgt: Vorwärts, Genossen, zurück in die Vergangenheit! – Es ist die Phi­lo­sophie, der Staat sorgt für alles vor, der Einzelne braucht sich um nichts zu kümmern, be­zie­hungsweise wir haben nicht den Mut, zu sagen: Jawohl, auch für jene, die das Fundament und die Leistungsträger unserer Bürgergesellschaft sind, sollen entsprechende Anreize geboten wer­den.

Ich frage immer: Was heißt Bürgergesellschaft? – Das ist ein spröder Ausdruck. Es ist aber ganz einfach. Bürgergesellschaft heißt, es gibt Menschen in diesem Land, die mehr tun, als sie tun müssten, und von denen lebt unsere Gesellschaft, von denen lebt unsere Wirtschaft, Herr Kolle­ge Matznetter. Diese Menschen zu bestrafen oder auszunehmen halte ich für nicht gerecht. Da haben wir beide ein anderes Gerechtigkeitsempfinden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe schon im Ausschuss gesagt: Kollege Matznetter ist neu im Bud­getausschuss, er wird neu im Finanzausschuss sein, aber ich kann heute schon sagen, er ist eine Bereicherung für diese Ausschüsse. Es werden zwar in Zukunft die Sitzungen viel län­ger dauern, weil er sich mit Abstand am häufigsten zu Wort meldet, aber dafür ist es immer sehr lustig. In diesem Sinne: auf eine gute Zusammenarbeit, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP.)

10.29


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Auch er möchte 8 Minuten lang sprechen. – Bitte.

10.29


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich möchte auf zwei Aspekte eingehen: Der erste Aspekt ist die Fra­ge der Steuerstruktur in Österreich. Nicht nur im Ausschuss, sondern auch in der Öffent­lich­keit wurde von einzelnen ÖVP-Vertretern ventiliert, es handle sich bei der Erbschafts- und Schen­kungssteuer um eine Bagatellsteuer. Das Zweite ist die Frage der künftigen Gestaltung unserer Pensionssysteme.

Zum Ersten: Es mag vielleicht hinsichtlich der Einnahmen eine Bagatelle sein, ob diese Frist, die wir jetzt noch ein Jahr verlängern – oder nicht –, zum Tragen kommt. Darüber diskutieren wir jetzt meiner Ansicht nach nicht mehr, darüber gibt es eine größere Übereinstimmung.

Man sollte sich eher darüber Gedanken machen, wieso – Kollege Matznetter hat es ange­spro­chen – in Zeiten der Budgetkonsolidierung, in Zeiten einer heftigen Debatte über die Steuer­struk­tur an sich, in Zeiten, in denen es immer um internationale Benchmarkings geht, in Öster­reich die Erbschafts- und Schenkungssteuer überhaupt eine Bagatellsteuer sein muss, denn auf dieser Basis kann man bald einmal sagen: Geben wir sie weg, weil sie ohnehin nichts mehr bringt. Das ist die Frage!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 39

Schauen wir uns kurz einmal die OECD-Steuerstatistik an! Siehe da – ich habe die Zahlen bis 2000; das ist keine parteipolitische Auseinandersetzung, denn wie die alten Regierungen zu­sam­mengesetzt waren, darf als bekannt vorausgesetzt werden –, der Anteil am Gesamtsteuer­auf­kommen aus dem Titel Erbschafts- und Schenkungssteuer liegt in Österreich bei 0,14 Pro­zent, in Deutschland bei 0,41 Prozent – drei Mal so hoch –, in Frankreich bei 1,20 Prozent – noch viel höher – und in der Schweiz ebenfalls viel höher, nämlich bei 1,13 Prozent. Von den USA will ich nicht sprechen, dort liegt dieser Wert noch höher, aber da muss man im Vergleich anerkennen, dass es dort insgesamt eine andere Steuersystematik gibt.

Aber es gibt vergleichbare Länder, und dort ist das Aufkommen um ein Vielfaches höher, so­dass die Frage umzudrehen ist, Herr Staatssekretär – von Ihnen stammt unter anderem auch die­ses Zitat –: Warum ist die Erbschafts- und Schenkungssteuer in Österreich tatsächlich eine Ba­gatelle?

Wollen wir jetzt konsolidieren und uns überlegen, wie wir die Steuerstruktur umgestalten, damit man tatsächlich von einer Steuerreform – und nicht von einer Senkung über alle Tarife und Be­mes­sungsgrundlagen, die nun einmal da sind – sprechen kann, dann wird man sich diese Frage stellen müssen. So einfach ist es.

Ich meine, es muss nicht bei 0,14 Prozent bleiben. Es besteht aber auch kein Anlass, die Sache über Nacht völlig zu verändern. Nur eines muss klar sein: Wenn wir bei allen möglichen ande­ren Steuern über OECD-Vergleiche sprechen, dann muss es auch hier möglich sein. Ich hielte das für sinnvoll! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Steuerstruktur, die wir im österreichischen Steueraufkommen haben, wird neben dieser Fra­ge – die sicher nicht die gravierendste ist; das sieht man alleine schon, wenn man die jetzigen Quantitäten betrachtet, was die Vermögenssteuer betrifft, das ist ganz klar – an anderer Stelle noch einmal unter die Lupe genommen werden müssen.

Wir haben im OECD-Vergleich viel zu hohe Belastungen – nämlich auch steuerliche und abga­benmäßige – der so genannten Arbeitskosten. Die ökologische Dimension ist relativ gering aus­geprägt. Was daraus folgt, ist als bekannt vorauszusetzen, deshalb gibt es die Vorschläge der Grünen in diesem Bereich.

Wenn wir eine Steuersenkung vornehmen würden, immer unter dem Diktat – das sage ich ganz be­wusst – eines relativ konsolidierten Budgetpfades, dann müsste auch eine solidarische Kom­ponente stark ausgeprägt sein, das heißt meinem Verständnis nach die Senkung der Steuer­belastungen auf die mittleren und unteren Einkommen überproportional ausfallen.

Wir brauchen eine F & E-fördernde, also eine forschungs- und entwicklungsfördernde Steuer­anreiz­systematik. Das ist nicht so leicht zu finden, ich gebe es zu, aber da wird Konsens herzu­stellen sein.

Wir brauchen letztlich auch, was den Standort betrifft, investitionsanreizende Elemente. Auch da kann, so glaube ich, Konsens erzielt werden. Ich möchte bei diesem Punkt an den Beitrag des Kollegen Stummvoll anknüpfen, der angedeutet hat, dass sich auf Grund der diversen Ver­handlungs- und Sondierungsvorgänge der letzten Wochen in gewisser Weise zumindest mehr gegen­seitiges Verständnis etabliert hat, und ich darf das an dieser Stelle zum Ausdruck brin­gen. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Stummvoll.)

Ich sehe also etliche gemeinsame Zielsetzungen, was eine tatsächliche Steuerreform betrifft. Ich sehe aber noch keine gemeinsame Maßnahmenbündelung dazu. Die Debatte der nächsten Wochen wird hoffentlich an das öffentliche Licht bringen, welche Fraktion welche Vorstellungen einzubringen hat.

Viel spannender ist, so glaube ich, die Annäherung beziehungsweise die nicht geglückte An­näherung zwischen den verschiedenen Fraktionen im Haus, was die zukünftige Systematik der Pensionen betrifft.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 40

Stellen wir uns einmal gemeinsam die Frage, warum alles, was die Absicherung der Pensionen betrifft, in Zukunft so „apokalyptisch“ sein soll. Diese Frage wird ja politisch und rhetorisch mas­siv in den Raum gestellt.

Wenn wir in den nächsten Jahren oder möglicherweise sogar in den nächsten Jahrzehnten ein Real­wachstum von jährlich mindestens 1 Prozent, eher an die 2 Prozent, haben werden und gleichzeitig die Bevölkerung relativ konstant bleibt, dann sehe ich für apokalyptische Visionen we­­nig Anlass. Die Frage, die tatsächlich daraus resultiert, ist doch in Wahrheit eine Um­ver­tei­lungs­frage, und zwar zunächst eine zwischen den Generationen, aber wie immer auch – das sage ich vereinfacht – zwischen Arm und Reich.

Das sind die relevanten Fragen, die gestellt werden müssen, wenn man Antworten darauf ge­ben will, welche Systemkomponenten die zukünftigen Pensionssysteme haben sollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daraus abgeleitet stellen sich weitere Fragen: Was soll der Staat tun? Soll er sich völlig zurück­ziehen? Soll er ein bestimmtes Element besonders fördern, oder soll er ein anderes fördern oder stützen?

Dass der Staat derzeit bestimmte Systeme unterstützt und Zuschüsse aus der Steuerleistung in die erste Säule gewährt, ist bekannt. Ich darf an dieser Stelle festhalten, dass es für die Grünen jedenfalls nicht so ist, dass das ohne Plafond so weitergehen kann. Ganz im Gegenteil: Es ist uns bewusst, dass der Budgetzuschuss zur Pensionsabsicherung seine Grenze finden muss – unserer Meinung nach hat er diese Grenze schon erreicht. Deshalb haben wir uns in mehreren Ge­sprächen darauf verständigt, dass auch bei den kurzfristigen Maßnahmen die Ausgaben­steigerung eingebremst werden muss.

Das resultiert aus dieser Erkenntnis. Die tatsächliche Frage ist aber, wie die Pensionssysteme in 30 Jahren ausschauen sollen, und die Entscheidungen dazu fallen heute. Noch einmal: Die Frage ist: Was soll der Staat begünstigen, und was soll er nicht begünstigen?

In der hier vorgesehenen Novelle wird in einem kleinen Teil eine Korrektur angebracht, im Übri­gen eine Maßnahme, die dazu führt, dass dieses System überhaupt einmal funktionieren kann, denn die erste diesbezügliche Vorlage war dermaßen verpfuscht, dass das gar nicht greifen konnte. Das ist zwar eine kleine Korrektur, aber die Grundintention dieser Gesetzesmaterie geht doch in die Richtung, dass die so genannte private Säule begünstigt werden soll.

Darüber kann man verschiedener Auffassung sein, Herr Kollege Stummvoll. Ich kenne Ihr Argu­ment, und ich kann es mittlerweile nachvollziehen. Es geht Ihnen darum, dass im Alter niemand unter jenen Lebensstandard fällt, den er sich vorher erworben hat. Das kann ich nachvollziehen, das hat etwas für sich, weil möglicherweise der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet ist, wenn größere Teile der Bevölkerung, vornehmlich jene der mittleren Einkommensstufen, im Al­ter ihren erworbenen Lebensstandard durch die erste Säule nicht mehr in der Form gesichert sehen.

Aber ich frage Sie: Ist es wirklich die Aufgabe des Staates, private Säulen zu stützen? Oder ist es die Aufgabe des Staates, zunächst dafür zu sorgen, dass es zunächst einmal eine Mindest­sicherung für alle gibt, eine Grundsockelung, von der auch jene profitieren (Beifall bei den Grü­nen), die sich in den mittleren Einkommensschichten befinden? (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist keine Frage „entweder-oder“, sondern „sowohl als auch“! Sowohl als auch!)

Im Ergebnis ist der einzige Unterschied der – das muss man einfach auf den Tisch legen –, dass es über die Umverteilungskomponenten zu anderen Ergebnissen führt. Ich will das gar nicht verschweigen, das folgt aus der plumpen Arithmetik. Das ist der Unterschied der Zugänge, und ich habe gesagt, wofür die Grünen eintreten. Sie haben etwas anderes vor Augen. Aber dann müssen Sie und wir das so auf den Tisch legen und schauen, ob es irgendwo einen Kom­promiss geben kann.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 41

Ich glaube, ein Kompromiss wird sehr schwer zu finden sein. In den kurzfristigen Maßnahmen ist er noch eher möglich, aber die langfristige Systematik muss unserer Meinung nach darauf abzielen, dass das Umlageverfahren erhalten bleibt, so dass alle davon leben können und nicht schon a priori in die private Säule abgedrängt oder darauf verwiesen werden, weil die erste Säule demoliert werden soll. Das ist der fundamentale Unterschied! Damit sollten wir uns noch länger auseinander setzen. – Die Zeit reicht jetzt nicht, ich habe schon überzogen.

Ich möchte abschließend noch die Meinung zum Ausdruck bringen, dass angesichts der Vor­stellung, dass die Frauenpensionen in 20, 30 Jahren nach Ihren Modellen um bis zu 20, 30 Pro­zent gekürzt werden sollen, außer einem wahrscheinlich niemand mehr nachvollziehen kann, warum zur gleichen Zeit die allerteuersten Abfangjäger, die überhaupt gekauft werden können, finanziert werden sollen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

10.40


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Wittauer. Wunsch­gemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte.

10.40


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Aufgabe der Anonymität, die über eine europäische Regelung eingeführt worden ist, trifft die Spar­buchbesitzer hart. Wir haben lange dagegen gekämpft. Natürlich ist es so, dass die Übergangs­regelungen, die geschaffen wurden, Sinn machen.

Wenn ich von Herrn Abgeordneten Matznetter höre, dass das reiche und vermögende Leute wä­ren, dann muss ich sagen, dass die Leute, die 20, 30 oder 40 Jahre lang gespart haben, klei­ne Sparer sind. Die meisten Sparer – wir haben eine hohe Sparkultur bei uns im Lande – wer­den sich bei Ihnen „bedanken“, wenn Sie das so salopp sagen.

Ich bin für die Sparer, und ich glaube, dass man sie unterstützen sollte. Mit gewissen Regelun­gen, die in diesem Gesetz enthalten sind, ist, so glaube ich, dafür gesorgt, dass es diejenigen, die vermögend sind, nicht trifft.

Meine Damen und Herren! Diese Entscheidung für die Sparer ist keine einfache. Ist es für sich selbst, für die anderen, ist es für die nächste Generation, ist es für den Ehepartner? – Dafür braucht es Übergangsregelungen, damit jeder Zeit hat, sich darüber Gedanken zu machen. Wir sind in einem Umbruch – auch bei den Pensionen. Ich glaube, es ist wichtig, dass diese Zeit gegeben wird.

Die Übergangsregelungen, die es davor gegeben hat, waren zeitlich zu kurz. Mit der Deckelung von 100 000 € bei der Steuerklasse V wird sichergestellt, dass Personen, die in diese Steuer­klasse fallen, nicht betroffen sind. Es wäre unfair, Menschen, die sich vieles vom Mund abspa­ren, zu bestrafen und ihnen nicht die Möglichkeit zu geben, eine Schenkung vorzubereiten oder in eine Vorsorge zu investieren.

Meine Damen und Herren! Deshalb ist dieser Antrag sehr begrüßenswert. Ein Jahr Verlänge­rung bedeutet 1,3 Promille Anteil am Gesamtaufkommen. Auf diese Bagatellsteuer kann man leicht verzichten. Der kürzlich von Ihnen angesprochene Steuerausfall, Herr Kollege Kogler, ist wirklich zu relativieren. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Grünen gewillt sind, den kleinen Sparer oder gerade die älteren Leute zu strafen, bei denen das Sparbuch eine Bedeutung hat und nicht nur eine Alters­vorsorge ist, sondern auch im Laufe ihres Lebens für Stabilität und Sicherheit gesorgt hat. Mei­ne Damen und Herren! Österreich ist ein Land, in dem das Sparbuch einen außerordentlich hohen Stellenwert besitzt. Durch die Anpassung an europäisches Recht wurde, wie Sie wissen, den Menschen die Möglichkeit zur Anonymität genommen. Lassen wir nicht zu, dass derjenige, der spart, auch noch dafür bezahlen muss!

Diese Menschen werden es nicht verstehen, wenn die Grünen und die Sozialdemokraten dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen. Ich als Abgeordneter der Freiheitlichen und alle meine Kolle-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 42

gen werden mit Freude dieser Vorlage zustimmen. Ich fordere Sie auf, das Gleiche zu tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.44


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Trunk. Wunsch­gemäß 6 Minuten. – Bitte.

10.44


Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Besonders begrüßen möchte ich den spärlich vorhandenen Anteil der derzeitigen Bundes­re­gie­rung und den wie sehr oft abwesenden oder schweigenden Bundeskanzler. (Widerspruch bei der ÖVP.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Begrüßen möchte ich eine Bundesregierung, die be­kanntlich am 8. September des Vorjahres nach den Turbulenzen innerhalb der FPÖ zurück­ge­treten ist, und zwar lautstark. Begrüßen möchte ich Teile einer Bundesregierung mit einem Bun­deskanzler Wolfgang Schüssel, der in der Folge Neuwahlen mit einem immensen Aufwand an Steuermitteln zu verantworten hat und auch zu verantworten haben wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Begrüßen möchte ich eine Bundesregierung, die sich – dafür muss man keine Auguren befra­gen – wahrscheinlich nächste Woche vollzählig in gleicher personeller Zusammensetzung an­ge­lo­ben lassen wird. (Abg. Amon: Das glaube ich nicht! Ich glaube nicht, dass nach der Wahl die Zusammensetzung die gleiche sein wird!) – Ihr Glaube bleibt und steht Ihnen frei. Wenn Sie uns mit einer anderen Bundesregierung überraschen wollen, die sozialdemokratisch und inter­na­tio­nal ist, dann soll sie uns herzlich willkommen sein. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Diese persönliche politische Begrüßung dieser alten der­zeitigen und kommenden Bundesregierung hat zutiefst mit der jetzt vorliegenden Gesetzes­materie zu tun. Es geht um die Pensionsvorsorge. Dieser Bundesregierung ist es gelungen, in den letzten knapp sechs Monaten tatsächlich etwas zu leisten, für sich zu leisten: erstens An­wart­schaften zu sichern, für sich, Monatsbezüge zu verlängern, für sich, und Machtpolitik zu be­treiben, anstatt Gelegenheiten, wie auch bei diesem Gesetz, zum Anlass zu nehmen, um echte und wichtige Reformen in Angriff zu nehmen und Reformen in Gesetzesmaterie zu gießen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf den ersten Blick klingt es ganz sympathisch, wenn Sie vorlegen, dass es im Bereich der pri­va­ten Pensionsvorsorge zu einer Gleichstellung von eheähnlichen Lebensgemeinschaften mit Ehepartnern kommt. Auf den ersten Blick klingt das gut. Beim ersten Hinhören klingt es auch ganz gut, wenn es um die Senkung der Aktienquote von 60 auf 40 Prozent geht. Tatsächlich aber – das wissen Sie – geht es um reine Makulatur. Jeder österreichische Schüler lernt heute im praxisorientierten Unterricht, dass im Jahr 2002 der amerikanische Pensionsfonds um 30 Pro­zent weniger ausgezahlt hat. Das weiß jeder Schüler der Republik Österreich. Die Mit­glieder dieser Bundesregierung wissen es offensichtlich nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Stummvoll hat heute, indem er Kollegen Dr. Matznetter lobte, eine Harmonie­be­dürf­tig­keit dokumentiert, die ich nicht teilen kann. In der Presseaussendung nach dem Budget­ausschuss der letzten Woche hat er von einem attraktiven Modell der Zukunftsvorsorge ge­sprochen. – Davon hat Kollege Stummvoll bei dieser Makulatur gesprochen! Da betreibt er wis­sent­lich oder unwissentlich Realitätsverweigerung, denn gerade Kollege Stummvoll als nieder­öster­reichischer Abgeordneter muss wissen, dass im letzten Jahr das Land Niederösterreich 210 Millionen € auf dem Aktienmarkt verloren, um nicht zu sagen, verspekuliert hat.

Ich habe zuviel Respekt vor Herrn Kollegen Stummvoll, um ihm einfach zu unterstellen, dass ihn die Materie nicht interessiert, weil er ad personam ohnehin einen Anspruch von zwei oder drei öffentlichen Pensionen hat: als Staatssekretär, Abgeordneter und Generalsekretär der Bun­deswirtschaftskammer. (Abg. Dr. Trinkl: Das ist unterstes Niveau!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 43

Das unterstelle ich ihm nicht, aber ich verlange auch von der ÖVP, dass sie zur Kenntnis nimmt, dass heute schon 500 Beschäftigte des ORF sowie Beschäftigte des Sparkassensektors ihre ehe­ma­ligen Arbeitgeber klagen, weil sie heute schon eine Kürzung ihrer Pension um 20 Pro­zent in Kauf nehmen müssen. Das ist auch in den Klagschriften nachzulesen. Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen, besonders von der ÖVP! Der Ihnen nicht unbekannte Horst Friedrich Mayer ist ein veritabler Kron- und Zeitzeuge, der Sie über diese Sache informieren wird.

Es geht heute darum, dass sich bereits 350 000 Menschen in Österreich auf diese Vorsorge ein­gelassen haben und heute mit Pensionskürzungen konfrontiert werden. Daher frage ich Sie, ob es nicht gescheit und intelligent wäre, wie es Kollege Matznetter und auch Kollege Kogler vorhin ausgeführt haben, darüber nachzudenken, die staatlichen Pensionen tatsächlich für die Zu­kunft zu sichern. Die SPÖ hat nicht nur bei den Sondierungsgesprächen ein Reformkonzept zur Verfügung gestellt, sondern es steht Ihnen – auch wenn wir Oppositionspartei sind – auch weiter­hin zur Verfügung.

Die ÖVP ignoriert es nicht einmal, ebenso wie der Herr Bundeskanzler. Dafür will er die Früh­pen­sionen ersatzlos streichen. Ich finde das ziemlich phantasielos.

Man sollte annehmen können, dass wir aus der Erfahrung gelernt haben, dass es nicht sozial und gerecht ist, dass wir mit Steuermitteln zusätzlich Risikospiel-Pensionsvorsorgen unter­stützen, sondern dass wir besser die staatliche Pensionsvorsorge auch für die Jugend sichern sollten. Das ist aber ganz offensichtlich nach den Ausführungen des Kollegen Stummvoll jeden­falls in der ÖVP nicht der Fall.

Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen haben aus diesen Erfahrungen gelernt. Wir stehen nicht ein für Konzepte, die die Ungerechtigkeit vermehren, weil im Gegensatz zu man­chen in der ÖVP – nicht zu allen, ausgenommen sind etwa der Katholische Familienverband, die Caritas und dergleichen – bei uns jeder Mensch zählt und nicht nur der, der es sich leisten kann, auf dem Kapitalmarkt spekulieren zu lassen. – Danke für die geteilte Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei der SPÖ.)

10.51


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Lentsch. Wunschgemäß stelle ich ihr die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte.

10.51


Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kollegin Strunk! Sie haben sich mordsmäßig aufgeregt, weil unser Bundeskanzler nicht auf der ... (Rufe bei der SPÖ: Trunk! Trunk!) – Gut, Strunk! (Ru­fe bei der SPÖ: Trunk!)

Sie ist neu, daher kennt sie auch die Gegebenheiten nicht, und wir noch nicht ihren Namen. (Abg. Binder: Aber lesen werden Sie ja können, oder? Aber lesen werden Sie ja können, oder?)

Sie hat sich mordsmäßig aufgeregt, weil unser Bundeskanzler nicht auf der Regierungsbank sitzt. Das Thema gehört zum Ressort des Finanzministeriums, daher sitzt der Staatssekretär auf der Regierungsbank. (Abg. Jakob Auer: Das weiß sie noch nicht!) – Das weiß sie noch nicht, und in der Zwischenzeit ist auch unser Bundeskanzler eingelangt. Ich frage mich nur, wo Gusenbauer ist. Die SPÖ ist wieder einmal führungslos, und er hätte bei ihrer Rede anwesend sein müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei und die Freiheitliche Partei Österreichs haben gemeinsam einen Antrag zur Änderung gewisser Steuergesetze eingebracht und damit zweierlei bewiesen: zum einen, dass man mit der Freiheitlichen Partei nach wie vor gut zusammenarbeiten kann, und zum anderen, dass wir noch sehr viel tun müssen, um unser Steuersystem zu modernisieren. (Abg. Gradwohl: Frau Kollegin! Und warum haben wir dann gewählt?)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 44

Mit dem vorliegenden Antrag bauen wir jedenfalls ... (Abg. Gradwohl: Warum war dann die Wahl notwendig?) – Jetzt spreche ich, ich bin am Wort, und Sie können sich dann melden. (Abg. Gradwohl: Wozu haben wir gewählt? Beantworten Sie mir doch diese Frage!) – Schauen Sie in den Saal, dann wissen Sie, warum wir gewählt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grad­wohl: Warum habt ihr nicht weiter gearbeitet?)

Im vorliegenden Antrag bauen wir jedenfalls die private Pensionsvorsorge als dritte Stufe weiter aus, denn einerseits werden die Vorsorgeprodukte durch die Senkung der Aktienquote von 60 auf 40 Prozent noch attraktiver gemacht, und zum anderen sollen künftig nicht nur Ehepartner und Kinder von der privaten Pensionsvorsorge profitieren. Es werden vielmehr auch alle, die ohne Trauschein zusammenleben oder zusammengelebt haben, dieselben Ansprüche haben wie Verheiratete.

Diese Maßnahmen sind sehr gerecht und auch sehr sinnvoll, wie ich meine, und bieten sicher einen noch größeren Anreiz für alle unsere Bürgerinnen und Bürger. Jedoch sollte auch die zweite Säule, also die betriebliche Vorsorge, nicht vernachlässigt werden beziehungsweise unbedingt erhalten bleiben. Ich bin allerdings sicher, dass die Oppositionsparteien – sowohl die Grünen als auch die SPÖ – diese Gleichstellung von Ehe und Lebensgemeinschaften wieder nicht honorieren werden. Man wird uns weiterhin vorwerfen, dass wir die Nichtverheirateten diskriminieren wollen. Die Realität ist eine andere, wie man hier und heute unschwer erkennen kann.

Geschätzte Damen und Herren! Wir werden in dieser Frage noch an einzelnen Schrauben und Einstellungen drehen müssen, aber ich bin sicher, wir werden auch die private Vorsorge Schritt für Schritt perfekter machen, denn eines ist klar, ohne private Säule wird es schon sehr bald für viele Pensionistinnen und Pensionisten schwieriger werden, ihren gewohnten Lebensstandard zu halten. Dass es uns die schwankenden Aktienkurse momentan nicht besonders leicht ma­chen, darf uns auch nicht irritieren, denn der Weg ist klar, nämlich privat für die Pension vor­zu­sor­gen, und auch das Ziel ist klar, nämlich im Alter weniger von der Politik beziehungsweise vom Staat abhängig zu sein. Das wird allen Bürgerinnen und Bürgern deutlich mehr Sicherheit geben.

Geschätzte Damen und Herren! Abschließend noch ein Wort zur Änderung der Schenkungs­steuer. Ich freue mich natürlich für alle Sparbuchbesitzer, dass sie ihre Sparbücher nunmehr bis Ende 2003 steuerfrei weiterschenken können. Viele Kinder beziehungsweise viele Enkelkinder werden sich darüber freuen. Ich würde mir aber auch in diesem Bereich längerfristige Sicher­heiten wünschen, denn oft geht es wirklich um die Ersparnisse eines ganzen Menschenlebens. Ge­schätzte Damen und Herren! Da sollten die Menschen nicht von Jahr zu Jahr Änderungen befürchten müssen. Längerfristige Regelungen wären hier durchaus angebracht und sinnvoll. (Beifall bei der ÖVP.)

10.56


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Öllinger. Ich stelle ihm die Uhr wunschgemäß auf 8 Minuten ein. – Bitte.

10.56


Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Guten Tag, Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die Reparatur eines Gesetzes, das sich damals sehr euphemistisch „Zukunftsvorsorge“ genannt hat, in der letzten Sitzung des alten Nationalrates eingebracht wurde und bei dem wir damals schon gesagt haben: Sie wer­den noch Ihre Schwierigkeiten mit den Vorgaben haben, die Sie im Rahmen dieser Zukunfts­vorsorge als Gesetzgeber getätigt haben.

Aber es geht nicht um die Herabsetzung der Mindestdeckung von 60 auf 40 Prozent durch Ak­tien. Das ist der eine Punkt, und wir haben damals schon Kritik daran geäußert. Der andere und wesentliche Punkt ist, wohin Sie unsere Altersvorsorge führen wollen, meine sehr geehrten Da­men und Herren, vor allem von der Österreichischen Volkspartei. Wohin soll die Reise gehen? – Ich nehme nur zum Beispiel das „profil“ vom Dezember 2002 her, in dem eine Schlagzeile laute-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 45

te: „Pension mit Risiko – Zukunftsvorsorge, Kursstürze, leere Kassen und eine andauernde Bör­sen­baisse – Vorsorgemodelle mit Aktienanteilen sind riskanter denn je.“

Ich kann Ihnen auch Zitate quer durch die Welt bringen. In der „Neuen Zürcher Zeitung“ beispiels­weise vom 16. Jänner 2003 hieß es: „Bei US-Pensionskassen tickt eine Zeitbombe. Un­realis­tische Bewertung des Deckungsgrades.“ – Welche Auswirkungen das für die Firmen derzeit hat, können Sie in einem entsprechenden Artikel lesen.

Die „Presse“ vom 16. November 2002 schreibt über die Niederlande, die ihre Altersvorsorge weit­gehend auf das Kapitaldeckungsverfahren umgestellt haben: „Arbeitgeber und Arbeit­neh­mer müssen bluten. Eine drastische Erhöhung ihrer Pensionszahlungen droht den Nieder­län­dern.“

Die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 28. 1. 2003 schreibt über Großbritannien: „Krise der Betriebs­renten in Großbritannien, Defizite durch Börsenbaisse.“

In der „Presse“ vom 10. Feber 2003 hieß es: „Altersvorsorge frisst immer stärker die Gewinne glo­baler Spitzenwerte. Die Defizite in den Rentenfonds europäischer Unternehmen haben sich innerhalb eines Jahres verdreifacht.“

Weiters steht in der „Presse“ vom 20. 2. dieses Jahres: „Pensionskassen“ – und jetzt sind die öster­reichischen gemeint – „spätestens 2004 in der Bredouille“.

Meine Damen und Herren! Was heißt das? Und Sie preisen uns diese so genannte Zukunfts­vorsorge als die Zukunft der Altersversorgung an?! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was heißt das, meine sehr geehrten Damen und Herren? Ist es wirklich sinnvoll, wenn wir das, was wir als das private Risiko jedes Einzelnen betrachten und auch durchaus für sinnvoll halten, über eine Existenzsicherung hinaus, wenn wir das, was der private Wunsch möglicherweise eines jeden sein kann, der das Geld dafür hat, aus staatlichen Mitteln fördern? Oder sollten wir nicht lieber unsere staatliche Altersversorgung überprüfen und danach ausrichten, dass sie tatsächlich eine Existenzsicherung gewährleistet? (Abg. Dr. Spindelegger: Sowohl als auch!) – Nicht sowohl als auch, Herr Kollege Spindelegger! Sie wissen genau so gut wie ich, dass die staat­liche Altersversorgung für viele Menschen in diesem Land eine nicht ausreichende Exis­tenz­sicherung bedeutet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir hilft es nicht, wenn Kollege Stummvoll das Prinzip der Sicherung des Lebensstandards am Beispiel seiner eigenen Person einfordert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn es um die Gehälter und die Einkommen von Politikern geht – das haben wir in den Ver­hand­­lungen mit der ÖVP auch erlebt –, dann wird die ÖVP sehr empfindlich, dann wird es schwie­­rig, mit Ihnen darüber zu reden, dass nicht mehr all das, was in der Vergangenheit üblich war (Abg. Dr. Spindelegger: Haben Sie eine alte Pension oder sind Sie ins neue System ge­gangen?), für die Zukunft fortgeschrieben werden soll. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich eine Alterspension in der Höhe von 200 000 S oder 250 000 S hätte, würde ich mit dem Begriff „Leistungsträger“ sehr vorsichtig um­gehen. Ich denke nicht, dass es Aufgabe eines öffentlichen Pensionssystems ist, derartige Pen­sionen abzusichern. Einen derart hohen Lebensstandard müssen öffentliche Pensions­systeme nicht absichern, aber existenzsichernd müssen sie sein. – Eben in diese Richtung muss die Debatte gehen: Wir können nicht den Lebensstandard von Politikern oder Bank­direkto­ren – um ein anderes Beispiel herzunehmen, das auch geläufig ist – für die Zukunft absi­chern wollen. Das wird nicht möglich sein, vor allem nicht aus öffentlichen oder halböffentlichen Mitteln. Aber wenn Sie mit uns darin übereinstimmen, dass es um die Existenzsicherung geht, dann müssen Sie alles dazu tun, dass diese Möglichkeit tatsächlich hergestellt wird.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 46

70 Prozent der in einem sozialen Pensionssystem Versicherten haben eine Alterspension von weniger als 1 000 €. – Ist das viel? 1 000 € für die Alterssicherung? Dennoch, meine Da­men und Herren, haben Sie uns Vorschläge unterbreitet, bis zum Jahr 2020 noch um 20 bis 30 Prozent herunterzufahren! Pech für die Menschen, vor allem für die Frauen, wenn sie dann unter den Ausgleichszulagenrichtsatz fallen, schließlich bekommen sie dann ja ohnedies die Aus­gleichszulage. – Diesen Zynismus muss man auf der Zunge zergehen lassen! Das ist nicht unsere Antwort und kann nicht unsere Antwort auf die Probleme der Alterssicherung sein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Wir geben Ihnen schon Recht, wir haben für die Zu­kunft ein Problem. Es werden mehr Pensionisten werden. Ganz egal, wann sie in Pension ge­hen, ob mit 60 oder 65 oder 67 Jahren: Es werden mehr werden. – Gott sei Dank ist es so, dass die Menschen älter werden. Aber es kann nicht so sein, dass die private Zusatzvorsorge auf der Ri­si­ko­basis durch den Staat gefördert wird und das öffentliche Altersversorgungssystem herun­tergefahren wird. Das ist die falsche Antwort! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.03


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.04


Abgeordneter Dr. Ferdinand Maier (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da das jetzt meine erste Rede hier im Nationalrat ist, möchte ich mich kurz vorstellen:

Ferry Maier, ich komme aus dem Wahlkreis Wien-Nord, einem Wahlkreis mit 280 000 Ein­woh­nern, zwei Bezirken – Floridsdorf und Donaustadt – und Stadtteilen wie Kaisermühlen und die Groß­feldsiedlung; manche kennen diese wahrscheinlich durch Fernsehberichte, aber darauf möchte ich nicht eingehen. Er ist einer der größten Wahlkreise Österreichs und, wie ich meine, sicherlich der modernste Wahlkreis. Er ist vertreten durch sieben Abgeordnete, nämlich durch sechs Kollegen von den Sozialdemokraten und durch mich.

Ich möchte sagen, insbesondere auf Grund des Verhaltens des Herrn Bürgermeisters, der ge­legentlich auch über Gepäckstücke, die man zum Reisen braucht, spricht, ist die Gefahr, dass sich Wien in die Isolation begibt, insbesondere in Anliegen meines Wahlkreises, sehr groß. Ich verstehe mich daher als Mittelsmann zwischen dem Wahlkreis Wien-Nord und der Bundes­regierung. Ich habe auch schon mit den beiden Bezirksvorstehern über all jene Anliegen, die in Richtung Bundesregierung gehen, gesprochen.

Kollege Matznetter hat mit Recht gesagt, man kann, wenn man die erste Rede hält, ein wenig grund­sätzlich werden, und das will ich auch tun. Mir gefällt die Debatte vor allem im Zusam­men­hang mit dieser Zukunftsvorsorge deshalb so gut, weil sie so klassisch die unterschiedliche ideologische Positionierung darstellt: auf der einen Seite, Herr Kollege Verzetnitsch, diese Zwangs­beglückung, das Glück vom Staat einfach verordnet (Abg. Verzetnitsch: Wer ist denn der Staat?), und auf der anderen Seite die Frage der Förderung der Eigeninitiative. Da scheiden sich unsere Geister. Mir ist schon klar, weshalb man in den diversen Verhandlungen der letzten Zeit keinen gemeinsamen Nenner finden konnte.

Unabhängig von diesen ideologischen Diskrepanzen sollte man aber doch auch den einen oder anderen Bericht heranziehen; so etwa den letzten, vor wenigen Wochen publizierten OECD-Be­richt, der darauf hinweist, dass es in Europa, was die Frage der Altersversorgung anlangt, eine fehlende Symmetrie gibt – nicht nur in Österreich, sondern in anderen Ländern auch –, und dar­legt, welch explosionsartige Kosten drohen. Ich meine, das sollte man sich ein wenig zu Herzen nehmen.

Man hat sehr lange versucht, versicherungsmathematische Ansätze wegzuschieben, als ob es sie nicht gäbe. Das holt einen irgendwann einmal ein. Die Versicherungsmathematik kann man nicht beiseite lassen, das sollten wir uns vor Augen führen. Schweden zum Beispiel – Schwe­den war ja sozialdemokratisch geprägt – hat davon gelernt und ist auch rechtzeitig auf eine an-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 47

dere Art der Altersversorgung umgestiegen. Schweden hat mit 2003, wenn Sie so wollen, eine neue Art der Rentenvorsorge gewählt, die durchaus vergleichbar ist mit jenem Säulensystem, das wir heute diskutieren.

Das ist ja international gesehen auch nichts Neues mehr, daher verstehe ich die Sorgen der Kol­le­gen von der grünen Fraktion nicht. In welchen Ländern Europas gibt es denn schon ein Drei-Säulen-System? – In der Schweiz, den Niederlanden, in Schweden, Dänemark, Finnland (Abg. Öllinger: Die haben alle Probleme!), in Schweden in abgewandelter Form.

Dankenswerterweise gibt es auch einen Hans Sallmutter – wenn es ihn nicht gäbe, man müsste ihn erfinden –, der gestern eine Erklärung abgegeben und gemeint hat, die Regierung betreibe da­mit die schleichende Privatisierung der öffentlichen Pensionsvorsorge. Ich zitiere dazu aus einem Grünbuch der EU aus dem Jahre 1997 – über die Mehrheitsverhältnisse in Europa in die­ser Zeit möchte ich gar nicht reden –, in dem darauf hingewiesen wird, dass man einen noch viel stärkeren Einsatz der kapitalgedeckten Verfahren mit dem Ziel, die explodierenden Staats­zuschüsse einzudämmen, inflationären Tendenzen entgegenzuwirken, die Stabilität des Euros zu sichern und den europäischen Kapitalmarkt zu beleben, forcieren muss. (Abg. Jakob Auer: Wer hat das geschrieben?) Das alles steht im Grünbuch der EU aus dem Jahre 1997; über die damaligen Mehrheitsverhältnisse in Europa möchte ich, wie gesagt, gar nicht reden.

An dieser Stelle sollte man auch ganz kurz die Analysten zu Wort kommen lassen. Wenn man sich die Weltmärkte, die Aktienmärkte, die Entwicklung des ATX aus den Jahren 2001, 2002 und die Prognosen anschaut, dann wird man sehen, dass wir verglichen mit den anderen Märk­ten eine durchaus positive Entwicklung durchgemacht haben. Die Analysten – und ich weise dar­­auf hin, dass es mehrere hier in diesem Land gibt, die das meinen – sagen, dass erstens – das ist auch witzig, das muss man einmal betonen – die soliden Bilanzierungspraktiken in Ös­ter­­­reich ein Grund dafür sind. Es ist traurig, dass man das sagen muss – ich blicke da in andere Län­­der. Weiters geben eine attraktive Marktbewertung und die günstige Bewertung der Zu­kunftsvorsorge Anlass zu Optimismus für diese Entwicklung.

Das ist der ideologische Unterschied zwischen Ihrem Ansatz und jenem Ansatz, der dieser Zu­kunfts­vorsorge zugrunde liegt. Eigentlich stand dies ja am 24. November 2002 auch auf dem Prüf­stand – die Antwort hat ohnehin der Wähler gegeben. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

11.09


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf Herrn Staatssekretär Dr. Finz das Wort erteilen. – Bitte, Herr Staatssekretär.

11.09


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrter Herr Prä­si­dent! Hohes Haus! Wir verbessern heute das System der Zukunftsvorsorge, das von der Be­völ­kerung bereits angenommen wird. In der kurzen Zeit, seit es diese Zukunftsvorsorge gibt, gibt es bereits rund 15 000 Verträge. Im Endausbau rechnen wir mit zirka 500 000 Verträgen.

Wenn man jetzt den Wert dieser Ergänzung zum bestehenden Pensionssystem misst, das heißt: Was kostet diese Zusatzpension für jene Leute, die durch private Vorsorgemaßnahmen ihren Lebensstandard auch in der Pension halten wollen, was kostet das im Vergleich zur ersten Säule?, dann spricht der Vergleich für sich. Diese Prämien kosten den Staat im Endaus­bau mit 500 000 Verträgen rund 100 Millionen € im Jahr; dazu kommt ein KESt-Aus­­fall in der Höhe von ungefähr 110 Millionen €. Das heißt, das kostet den Staat 210 Mil­lionen €.

Der Bundeszuschuss zur ASVG-Pension beträgt pro Jahr – derzeit mit stark steigender Ten­denz, deshalb brauchen wir Maßnahmen – 5,8 Milliarden €. Rechnet man die Beamten dazu, bedeutet das nochmals einen jährlichen Zuschuss von 5,8 Milliarden €.

Allein anhand dieser Zahlen sehen wir, dass die erste Säule natürlich weiterhin eine tragende Funktion hat, dass es aber auf Grund der Kostenentwicklung bei der ersten Säule dringendst not­wendig ist – dass es schon längst notwendig war! –, die zweite und dritte Säule auszubauen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 48

Mein Vorredner hat soeben darauf hingewiesen, dass das eine ständige EU-Empfehlung ist und dass wir im Vergleich zum EU-Raum diesbezüglich Nachholbedarf haben.

Verwiesen wurde jetzt auf die fallenden Aktienkurse und darauf, dass die kapitalgedeckten Pen­sionsverfahren einen wesentlichen Nachteil hätten, weil das Kapital quasi in den Händen zer­rin­ne. Nicht erwähnt wurde, dass wir bei diesem Produkt Vorsorge getroffen haben. Es wurde lei­der vergessen, zu erwähnen, dass es bei diesem System eine Kapitalgarantie, und zwar auch ein­­schließlich der Prämien, gibt, was eine wesentliche Besserung gegenüber allen anderen Syste­men darstellt.

Diese Zukunftsvorsorge ist gerade für den „kleinen Mann“ gedacht. Sie ist dem System der Bauspar­kasse nach­gebildet; die Bausparkasse war als Sparsystem gedacht und wurde vom „kleinen Mann“ auch angenommen. Man kann in diesem System die Beträge individuell bestimmen, und es ist nach oben gedeckelt. Es ist somit keine Sparform für die Reichen, sondern mit dem Betrag von 1 851 € pro Jahr nach oben gedeckelt.

Zum Zweiten komme ich auf die Schenkungssteuer zu sprechen. Als Begleitverfahren für die Ab­schaffung des anonymen Sparbuches wurde sinnvollerweise die Befreiung von der Schen­kungssteuer eingeführt, wodurch sichergestellt wurde, dass das anonyme Sparbuch in ein be­kanntes Sparbuch übergeführt werden kann und es zu keinen wesentlichen Kapitalabflüssen kommt. Diese Befreiung noch um ein weiteres Jahr zu verlängern war Wunsch vor allem der Pensionistenverbände.

Es hat jetzt zwei Jahre lang eine völlige Befreiung gegeben. Wir haben ein jährliches Gesamt­steu­eraufkommen – Werte aus dem Jahr 2002 – von 54,9 Milliarden €. Die Erbschafts- und Schen­­kungssteuer hat im Jahr 2002 150 Millionen € ausgemacht. Nimmt man davon die Hälfte für die Schenkungssteuer, ergibt das einen Ertrag von 1,3 Promille an Schenkungssteuer im Verhältnis zum Gesamtsteueraufkommen. Jetzt soll es allerdings ab der Steuerklasse V bei einer Schenkung von über 100 000 € die steuerli­che Verpflichtung geben. – Man spricht immer von Deregulierung, aber damit erlegt man der Fi­nanz­verwaltung eine Verpflichtung auf, wofür der Aufwand wesentlich höher ist als der mögliche Ertrag.

Dass man über die Erbschafts- und Schenkungssteuer im Rahmen einer Steuerreform reden kann und reden soll, steht auf einem anderen Blatt. Aber jetzt für ein paar Monate, bis zum Jah­resende, für die Beamten der Finanzverwaltung eine derartige Verpflichtung einzuführen, liegt nicht im Sinne einer Verwaltungsreform. Mir persönlich beziehungsweise der Finanzverwaltung wäre es lieber gewesen, wenn diese Regelung, so wie bisher im Rechtsbestand, um ein Jahr, nämlich bis zum Ende des heurigen Jahres verlängert worden wäre. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.15


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Moser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

11.16


Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Als Newcomer in diesem Haus habe ich mit großer Verwunderung vernommen, wie hier von unterschiedlichen Positionen über diese Thematik gesprochen wurde.

Wenn Herr Stummvoll als Vorsitzender des Budgetausschusses hier ausführt, dass es eine Sym­metrie in der Altersvorsorge geben soll, dann vermisse ich aber die Diskussion über die finanziellen Einkommen im Alter. Eine Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstitutes zeigt näm­lich, dass die Lohnquote dramatisch gesunken ist und dass die größte Zunahme bei den Einkommen aus Zinsen, Immobilien und Vermietung resultiert.

Das heißt, jene Gruppierungen, die einkommensmäßig höher gestellt sind, beziehen neben den Ren­tenerträgen oder der Pension, die sie entweder aus der Pensionskasse oder aus dem Um­lage­verfahren erhalten, ohnehin Vermögens- und Besitzeinkommen. Daher würde ich diese drit-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 49

te Säule, auf die ich mich vor allem konzentrieren möchte, staatlich nicht besonders fördern wol­len.

Mein erster Punkt: Ich musste mich wundern, dass in diesem Fall schon nach so kurzer Zeit eine Gesetzesanpassung notwendig war. Warum ist das so? Es wurde hier von meinen Vor­red­nern schon mehrfach angesprochen: Es gab keine Vorbereitung beziehungsweise eine schlech­te Vorbereitung! Mir wurde berichtet, dass einmal ein Gesprächstermin für die Sozialpartner mit dem Finanzminister festgelegt war, der Finanzminister aber ein so wichtiges Gespräch empfan­gen hatte, dass er sie wieder unverrichteter Dinge nach Hause geschickt hat. – Das war die Ein­bindung der Sozialpartner in die Vorbereitung.

Das erklärt auch, dass jetzt nach so kurzer Zeit schon dieser Anpassungs-, dieser Korrektur­be­darf besteht. Das bringt letztlich auch das Ausmaß an Kompetenz der Regierung zum Aus­druck, wenn nach so kurzer Zeit schon ein Anpassungsbedarf besteht.

Aber – und das wurde schon gesagt – auch die jetzige Anpassung führt zu suboptimalen Ver­hältnissen; zum einen deshalb, weil als Anlagemöglichkeit nur mehr die Wiener Börse zur Ver­fü­gung steht, und zum anderen deshalb, weil es innerhalb der Veranlagungsformen durch die Förderung dieser speziellen Form zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt.

Kommen wir auf den österreichischen Kapitalmarkt zu sprechen – auch ein wesentliches Ziel; einer meiner Vorredner, Herr Abgeordneter Maier, hat ein paar Zahlen genannt –: Ich bin auch dafür, dass wir in Österreich einen funktionierenden Kapitalmarkt haben, weil dieser sowohl bei der Finanzierung der wachsenden Unternehmen als auch bei der Standortsicherung eine we­sentli­che Rolle spielt. Aber die Realität zeigt etwas anderes.

Ich habe mir die Zahlen sehr genau angeschaut: Die Wiener Börse hat mit 14 Prozent die ge­ringste Börsenkapitalisierung innerhalb der EU-Staaten. Ich habe mir auch die Unternehmen an­ge­schaut, die neu gelistet und delistet wurden: Vom Jahr 2000 bis heute wurden 35 Unter­nehmen von der Börse genommen, sei es auf Grund von Privatisierungen, sei es auf Grund von Konkursen, sei es aber auch deshalb, weil viele Leute eine Chance darin sehen, bei dem niedri­gen Kursniveau ihre Aktienanteile sehr billig zurückzukaufen. Diesen 35 delisteten Unterneh­men stehen nur 17 neue gegenüber. Das heißt, wir haben einen Negativsaldo von 18 Unter­nehmen.

Da der österreichische ATX hier so gelobt wurde, muss ich sagen, das stimmt zwar im inter­nationa­len Vergleich, aber real gemessen hat er vom Jahr 2000 bis heute auch 10 Prozent­punkte eingebüßt.

In dieser unsicheren Situation wird beschlossen, wird den Leuten eingeredet, man möge diese dritte Säule der Altersvorsorge benutzen.

Wieder eine Zahl: Wenn diese Zukunftsvorsorge bis jetzt 15 000 Menschen in Anspruch genom­men haben und sie schlussendlich 500 000 in Anspruch nehmen sollen, dann sind das 12 Prozent aller Österreicher. Die Zahl der Bausparverträge dazu im Vergleich – dieser wurde hier auch angestellt –: 5,2 Millionen Österreicher nehmen diese Möglichkeit in Anspruch.

Aber worin liegt jetzt eigentlich die wirtschaftspolitische Sinnhaftigkeit? Wohin soll die Alters­vor­sor­ge gehen? – Wir stehen dafür, dass wir kein Verzetteln unserer staatlich geförderten Pen­sions­systeme in Kauf nehmen, sondern uns auf das bewährte Umlageverfahren auf der einen Seite, aber auch auf die zweite Säule, auf die Mitarbeitervorsorge und die Pensions­kas­sen, konzentrieren sollten. Auch in diesen Bereichen gibt es genügend Leute. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind für sichere und gerechte Pensionen. Das ist unser Ziel, damit alle Menschen dieses Lan­des mit großer Stabilität einen gesicherten Lebensabend erwarten können. Unser Ziel ist nicht der von der ÖVP und den Freiheitlichen eingeleitete Kurs, wonach hölzerne Säulen, Aktien­säulen steuerlich unterstützt werden sollen und somit jene Menschen, die dieses System in Anspruch nehmen, auf eine sehr riskante Hochschaubahn geführt werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.21



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

11.22


Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Bezug auf meinen Vorredner möchte ich sagen, ich hatte den Eindruck: Vorwärts, Genossen, wir müssen zurück! – zurück in die staatliche Vor­sorge, der Staat ist allein selig machend, und der Bürger hat nichts zu tun! – Die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren, sieht anders aus!

Durch das neue staatliche Vorsorgemodell, das schon in den ersten Tagen seines Bestehens mit mehr als 15 000 Abschlüssen sehr erfolgreich ist, wurde ein wichtiger Beitrag dazu geleistet, den Lebensstandard für künftig in Pension gehende Mitbürger zu sichern. Durch die im Antrag ent­hal­tene Absenkung der gesetzlich vorgesehenen Aktienquote von 60 auf 40 Prozent wird die Attraktivität weiter gesteigert und der Kapitalmarkt stimuliert. In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem auf das finnische Beispiel verweisen. Durch die Einführung eines ähnli­chen Modells konnte sich der finnische Kapitalmarkt wesentlich verbessern. Uns allen ist klar, dass die Wiener Börse eine Stimulanz sehr gut gebrauchen kann, und ich hoffe, dass durch dieses Modell der heimische Kapitalmarkt die nötigen Impulse bekommt.

Neben der staatlichen Pensionsvorsorge ist auch die zweite Säule, die betriebliche Mitar­beiter­vorsorge sehr wichtig. Da gebe ich Ihnen Recht, Herr Kollege Moser! Deshalb haben wir durch die Wiedereröffnung der Prämienbegünstigung für maximal 1 000 € pro Jahr für Einzahlungen in Pensionskassen versucht, die Attraktivität zu erhalten beziehungsweise den Erfolg zu si­chern.

Die Drei-Säulen-Architektur der Pensionsvorsorge ist für Österreich besonders wichtig. In die drit­te Säule solle zirka ein Drittel des Kapitals fließen, so der Pensionsexperte Rürup im Jahr 1997, und Herr Rürup ist sicherlich nicht unserer Gesinnungsgemeinschaft zuzuordnen. Wir wissen aber aus Umfragen, dass die Österreicher mehrheitlich nur mehr an das staatliche Pen­sionssystem als Grundversorgung glauben. Die Bevölkerung verlangt aber Sicherheit und konkrete Aktionen. Deshalb hat die Bundesregierung unter Bundeskanzler Dr. Schüssel mit dem Modell der Zukunftsvorsorge bewiesen, dass sie fähig und willens ist, dieses große zu­künfti­ge soziale Problem anzugehen.

Die nachhaltige Sicherung des Lebensstandards ist eines der Hauptziele der Volkspartei. Vor allem die junge Generation soll dazu angehalten werden, schon früh an die eigene Alters­vor­sorge zu denken. Aus diesem Grund wurden die Prämien zum Einstieg in die Zukunftsvorsorge besonders niedrig gehalten. Ab 20 € pro Monat ist ein Einstieg möglich. Vor allem aber müssen sich die Institute dazu verpflichten, die Risikofreiheit des eingesetzten Kapitals und der Prämien zu garantieren. – Herr Kollege Moser, weil Sie das Risiko auf dem Kapitalmarkt angesprochen ha­ben: Kapital und Prämie sind eindeutig garantiert!

Wie erfolgreich das neue Produkt der Zukunftsvorsorge ist, beweist die Tatsache, dass – wie uns die sechs anbietenden Institute melden – mehr als 15 000 Mitbürger bereits jetzt einen Vor­sor­gevertrag abgeschlossen haben. Einer der Gründe für die Attraktivität dieser staatlich ge­för­derten Zukunftsvorsorge ist natürlich die 9,5-prozentige Prämie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die Möglichkeit, in Zukunft seine Steuer­er­klä­rung über das Internet abgeben zu können, bedeutet eine wichtige Verwaltungsvereinfachung für Behörden und Bürger. Besonders in der öffentlichen Verwaltung soll die Kundennähe immer mehr in den Vordergrund gerückt werden. – Eine wesentliche, positive Entwicklung, dich ich ausdrücklich begrüße.

Ein weiterer wichtiger Punkt dieser Novelle ist die Verlängerung der Steuerfreistellung bei Spar­buchschenkungen. Dies wird im gesamten Jahr 2003 möglich sein, ausgenommen die Steuer­klasse V, wo es einen Freibetrag von 100 000 € gibt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 51

Zuletzt möchte ich auf den Tatbestand des Eigenverbrauchs im Rahmen des Kfz-Leasings hinweisen. Dieser wurde mit einer Befristung bis zum Jahr 2005 vorgesehen, dann soll nach einer EU-Richtlinie eine endgültige Lösung getroffen werden. Ohne eine Verlängerung würden eine massive Verlagerung des Inlandleasings und des Inlandkaufs in das Ausland stattfinden und somit Einnahmenausfälle für den Bund entstehen.

Vor allem im Hinblick auf die zukunftsträchtige Entscheidung im Bereich der Pensionsvorsorge geben ich und meine Fraktion diesem Gesetzesantrag gerne die Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.27


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sburny. – Bitte.

11.27


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir dis­ku­tieren jetzt die Reparatur eines Gesetzes, das die letzte Regierung, die noch immer im Amt befindlich ist, beschlossen hat – mit dem Ziel eines völligen Umbaus der Pensionen.

Im Zusammenhang mit einer solch großen Änderung stellt sich immer die Frage nach dem War­um. Wer profitiert davon, wer verliert, wohin soll es gehen? Ich rede hier nicht von den 210 Millionen, die der Herr Staatssekretär vorhin für das Jahr 2003 an Prämienzahlungen und Steu­er­nachlässen genannt hat, sondern ich rede von einem langfristigen Umbau des Pensions­systems, der die staatliche Pension zurückdrängen und die private Vorsorge stützen soll.

Wer profitiert also davon? Was verändert sich? Das alte System, das Umlagesystem, hat im We­sentlichen einen großen Vorteil, nämlich die solidarischen Aspekte, die darin enthalten sind. Das heißt, es gibt im Wesentlichen eine Umverteilung zwischen Armen und Reichen und auch zwischen Männern und Frauen, was meistens auf Grund der Arbeitsmarktsituation eng mit­einander verbunden ist. Das Umlagesystem hat also auch von Männern zu Frauen umverteilt.

Dieses System soll nun gekürzt, gekappt werden, und die staatliche Eigenvorsorge soll gestärkt werden. Wem nützt diese im Vergleich zum alten System? Sie nützt – kurz gesagt – jenen, die es sich leisten können, den so genannten Leistungsträgern, wie sie Herr Dr. Stummvoll zu nennen beliebt, nämlich jenen, die genug verdienen und sich pro Jahr 1 851 € für diese private Pensionsvorsorge leisten können. Alle anderen, die so wenig verdienen, dass sie sich das nicht leis­ten können, fallen offensichtlich nicht unter die Leistungsträger, vor allem nicht unter die Leis­tungsträgerinnen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich möchte Sie auffordern, sich das durchschnittliche Einkommen von Frauen und Männern ein­mal näher anzusehen. Das durchschnittliche Einkommen der Frauen betrug 2001 nicht ganz 15 000 € pro Jahr – und da hätte ich schon gerne gehört, wie Sie diesen Frauen erklären wol­len, dass sie nicht zu den Leistungsträgern gehören, weil sie sich keine 1 851 € im Jahr leis­ten können. (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt, wenn man diese Pensionsreform, diesen gesamten Pensionsumbau betrachtet, dann sieht man, es geht dabei nicht um eine kurzfristige Investition.

Die Regierung hat für diese Pensionsreform im Wesentlichen zwei Ziele formuliert. Das eine ist die Belebung des Kapitalmarktes, auch im Hinblick auf „Basel II“, was ihr möglicherweise ge­lin­gen wird, vielleicht auch nicht, wenn die Wiener Börse dazu zu klein ist. Und sie hat als zweites Ziel die Stärkung der privaten Vorsorge formuliert, und zwar als Ergänzung, wie sie behauptet. Tatsächlich ist dies keine Ergänzung, weil nämlich die staatliche Pension auf mittlere Sicht nicht mehr ausreichen wird und nach dem Willen der Regierung auch gar nicht ausreichen muss, weil sie der Meinung ist, dass jeder und jede sich selbst darum kümmern kann, dass die Pension für den Lebensstandard – wie auch immer dieser dann aussehen wird – reicht.

Das heißt, wenn Sie das an einem Beispiel noch illustriert haben möchten, um nicht die sprich­wört­liche ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, ich weiß, dass Sie das ungern hören, denn bei Ihrem Einkommen spielt das alles keine Rolle. Aber bei Einkommen zwischen 900 und 1 200 €


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 52

im Monat spielt es eben schon eine Rolle, ob man monatlich noch 150 € für die Eigenvorsorge zah­len muss. (Beifall bei den Grünen.)

Dass Sie von der ÖVP meine Beispiele nicht hören wollen, kann ich verstehen, aber Sie werden sich trotzdem daran gewöhnen müssen. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

11.32


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich die Debatte.

Ein Schlusswort seitens des Berichterstatters wird nicht gewünscht.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar stim­men wir ab über den Gesetzentwurf in 16 der Beilagen.

Herr Abgeordneter Dr. Matznetter hat das Verlangen gestellt, betreffend Artikel I getrennt abzu­stimmen. Diesem Verlangen ist stattzugeben.

Ich werde daher zunächst über den von diesem Verlangen betroffenen Teil und dann über die rest­lichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen also in getrennter Abstimmung zu Artikel I des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Artikel I ihre Zustimmung erteilen, um ein Zei­chen. – Das ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Nächstes stimmen wir ab über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzent­wurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die den restlichen Teilen der Vorlage zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen. Die zweite Lesung ist damit beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

2. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 35/A der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé, Fritz Neugebauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 geändert wird (17 der Beilagen)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Kollege Ellmauer verzichtet auf die einleitende Berichterstattung. Wir gehen daher in die Red­nerliste ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Neugebauer. Die Uhr ist wunschgemäß auf 6 Minuten ein­ge­stellt. – Bitte.

11.34


Abgeordneter Fritz Neugebauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine ge­schätz­ten Damen und Herren! Die wirtschaftliche Entwicklung, der österreichische Wohlfahrtsstaat und die politischen Regelungsmechanismen haben neben anderen Parametern dazu beige-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 53

tragen, dass die gesellschaftlichen und finanziellen Teilhabemöglichkeiten für einen Großteil der Bevölkerung wesentlich verbessert werden konnten. Armut ist heute kein Massenphänomen. Dennoch – trotz der generellen Wohlstandssteigerung in den letzten Jahren und der deutlichen Verbesserung der Lebenssituation – muss der Armutsbekämpfung weiterhin eine zentrale Rolle in unserer Politik zukommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, ausgehend vom Rat von Nizza des Jahres 2000, werden für alle EU-Staaten so genannte Raten der Armutsgefährdung errechnet.

Ich wiederhole nicht den Inhalt der Debatte, die wir zum selben Thema in der Jänner-Sitzung ge­führt haben, als es darum ging, die entsprechenden Richtsätze für Ehepaare anzuheben. Das, was heute vorliegt, ist der Nachvollzug der Anpassung im Sozialversicherungsrecht für die Kol­le­ginnen und Kollegen RuhestandsbeamtInnen, also für jene Kollegen, die ein Dienstver­hält­nis mit dem Bund hatten.

Es ist ohne Zweifel ein anderes System, und die Ergänzungszulagen nach der Systematik des Pen­sions­rechtes für die öffentlich Bediensteten haben dieselbe Funktion wie die Ausgleichs­zulagen in der Sozialversicherung, nämlich die Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes.

Mit dem Hinweis, dass wir im Jänner für den Sozialversicherungsbereich diese Anhebung ein­stim­mig beschlossen haben und dass im Budgetausschuss der vorliegende Gesetzentwurf ebenfalls einstimmig beschlossen worden ist, lade ich Sie ein, dem vorliegenden Gesetzentwurf ebenso einstimmig beizutreten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.36


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

11.37


Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den eigentlichen Tagesordnungspunkt, die Re­paratur des Pensionsgesetzes, eingehe, möchte ich gerne über etwas berichten, was mir an­lässlich verschiedener Ehrungen von deutschen Touristen mitgegeben wurde. Erstens möchte ich ihre Bitte erfüllen, und zweitens denke ich, dass Sie alle auch wissen sollten, was deutsche Tou­risten über unseren Wahlkampf sagen und wie betroffen sie reagiert haben. (Ironische Hei­terkeit und Zwischenrufe des Abg. Mag. Mainoni.)

Es gab etwa die Aussage – die ich so wiedergebe, wie sie gekommen ist –, dass sie von Öster­reich sehr betroffen und negativ beeindruckt sind, weil sie wichtige Themen im Wahlkampf ver­misst haben, sehr wohl aber zur Kenntnis nehmen mussten, dass das einzige Thema, das im Wahlkampf hochgespielt wurde, darin bestand, die Angst vor Rot und Grün zu schüren. (Abg. Mag. Mainoni: Wegen der deutschen Regierung!)

Ich denke, das sollten Sie wissen. Wir wollen den Tourismus als wichtigsten Wirtschaftszweig in Ös­terreich auch weiter ausbauen und erhalten. Aber wir sollten uns in Zukunft auch darüber Ge­danken machen, wie Wahlkämpfe zu führen sind. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Frei­heit­li­chen.)

Es ist mir auch mitgegeben worden, Ihnen zu sagen, dass Sie nicht vergleichen können, welche Pro­­bleme Deutschland mit den neuen Bundesländern hat und welche Probleme wir in Öster­reich haben. Es sollte uns schon zu denken geben, wenn dort quasi die Hälfte eines Landes neu aufgebaut werden muss, was enorm hohe Kosten verschlingt. Egal, welche Regierung es gibt, ob Schwarz-Blau oder welche Farbe auch immer, man hätte dieselben Probleme gehabt. Die Deutschen sehen nicht ein, dass ihr Land von uns quasi immer wieder gedemütigt wird, im Sinne dessen, was Sie sonst mangels Themen verfehlt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie an jeder Bahnhofsecke, an jeder Straßenecke in Wien – aber nicht nur in Wien, sondern in ganz Österreich – Zeitschriften, Illustrierte aufliegen sehen, in denen es heißt: „Chaos in Schwarz-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 54

Blau“. (Die Rednerin hält eine Ausgabe der Zeitschrift „profil“ mit dem Aufmacher „Chaos in Schwarz-Blau, 2. Teil“ in die Höhe.)

Es wird auch gefragt: Warum wurde gewählt? – Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das fra­ge ich mich auch, und die Menschen draußen fragen sich auch, warum gewählt wurde und ob man das nicht billiger hätte haben können. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ja, wir wissen schon, dass Sie keine Wahlen mehr wollen. Aber Sie müssen auch wissen, dass die Menschen sehr klar sehen können, was da vollzogen wird. Vor rund acht Monaten hat sich die Regierung sozusagen selbst aufgelöst, aber es sind noch immer dieselben Personen in der Regierung – und nebenbei werden, so titelt zumindest der „Kurier“, die Reichen immer reicher.

Es gibt Vergleiche der EU, wonach Österreich bei der Reallohnentwicklung mit 0,2 Prozent an letzter Stelle von 15 EU-Ländern liegt (Abg. Mag. Schweitzer: Wo liegen wir?), während zu­gleich – auch das ist im „Kurier“ nachzulesen – die Insolvenzstatistik auf 50 Prozent der Privat­insolvenzen ...


Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollegin Hagenhofer, ich hoffe, das waren deutsche Pensionis­ten, damit wir jetzt wieder die Kurve zum Pensionsgesetz nehmen. (Allgemeine Heiterkeit. – Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)


Abgeordnete Marianne Hagenhofer (fortsetzend): Herr Präsident, ich komme schon auf das Pensionsgesetz zu sprechen. Und selbstverständlich steht das, was der „Kurier“ da geschrieben hat, in einem Zusammenhang mit dem Pensionsgesetz: Es geht nämlich heute hier um eine Reparatur des Pensionsgesetzes, und auch dahin gehend wird natürlich Druck gemacht, dass es endlich eine Regierung gibt. Wenn nämlich ordentlich gearbeitet werden kann und entspre­chende Vorsorge getroffen wird, dann passieren solche Dinge nicht, dass beim Anheben des Ausgleichszulagenrichtsatzes auf 100 000 Menschen – darum geht es bei diesem Gesetz näm­lich – schlicht und einfach vergessen wird.

Das Gehaltspaket für BeamtInnen und Pensionisten haben wir im Jänner beschlossen, es wur­de im Dezember eingebracht, und jetzt im Februar müssen wir die verheirateten Pensionisten nachziehen. – Meine Damen und Herren! Wenn das nicht nach Wirbel und Chaos riecht, dann weiß ich nicht. Ich kann nur wieder das „profil“ zitieren und frage Sie, was das Ganze soll. (Abg. Mag. Schweitzer: Sie sollten sich mit der Tagesordnung beschäftigen, dann hätten Sie das Problem nicht!)

Ich würde darum bitten, dass in Österreich so bald wie möglich wieder ordentlich gearbeitet werden kann, ohne dass wir immer einen Monat im Nachhinein eine Reparatur eines Gesetzes beschließen müssen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Das war nicht so gut!)

11.42


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. Die Uhr ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte.

11.42


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem sehr geehrte Frau Hagenhofer! Ihr privates G’schichterl von den deut­schen Touristen war nicht nur eine Themenverfehlung – der Herr Präsident hätte Sie eigentlich schon viel früher zum Thema rufen sollen –, sondern es war ganz einfach lächerlich. Es war vor allem auch deshalb lächerlich, weil Sie uns die Meinung deutscher Touristen über unsere In­nen­politik in Österreich vorhalten, wo die Deutschen doch selbst bis zum Hals im Wasser ste­hen und nicht wissen, wie sie ihre politischen Verhältnisse gestalten sollen. (Beifall bei den Frei­heitlichen.)

Im Übrigen: Ich glaube, mindestens 30 oder 40 Prozent der Rot-Grün-Wähler haben es schon bitterst bereut, diesen beiden Parteien die Stimme gegeben zu haben.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 55

Frau Hagenhofer, wenn Sie samt Ihren privaten Freunden aus der Bundesrepublik Deutschland schon am Wahlkampf etwas auszusetzen haben, dann richten Sie doch den Appell an Ihre eigene Partei! Herr Abgeordneter Cap hat sich in diesem Wahlkampf Untergriffe geleistet, die die Deutschen, Ihre Freunde, eigentlich auch beeindrucken sollten. Er hat zum Beispiel erklärt, Schüssel sei der „Hietzinger Napoleon“. – Und daran haben sich Ihre deutschen Freunde nicht gestoßen?

Und Herr Häupl hat gesagt, die Bildung einer blau-schwarzen Koalition sei „primitiv.“ – Bitte hal­ten Sie einmal das Ihren deutschen Freunden vor – und gleichzeitig auch Ihren sozialdemo­kra­ti­schen Parteifreunden. Ihre moralische Messlatte sollten Sie an Ihre eigene Partei anlegen, sehr geehrte Frau Hagenhofer. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Aber ich wende mich schon unserem heutigen Thema zu. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Kum­­­merer.) – Sie können mir das dann später sagen, Herr Kollege, ich verstehe nämlich kein Wort von Ihrem Schreien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Jahren, nämlich zwischen 1994 und 2000, hat es keine Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes gegeben. Es zeigt das hohe soziale Verantwortungsbewusstsein dieser blau-schwarzen Bundesregierung, dass trotz des enor­men Sparbedürfnisses die Ausgleichszulagenrichtsätze jetzt erhöht wurden be­ziehungs­weise dass heute da nachgezogen wird. Damit wird ein wesentlicher Schritt zur Armutsbe­kämpfung unternommen. (Abg. Hagenhofer: Warum nicht schon im Jänner?)

Rechnen Sie doch jetzt nicht mit den paar Tagen herum! Sie von der SPÖ haben zehn Jahre lang Zeit gehabt, die Ausgleichszulagenrichtsätze zu erhöhen, aber Sie haben es nicht getan. Und jetzt halten Sie uns vor, dass wir das für die Beamten zwanzig Tage später tun als für die Angestellten?

In der letzten Sitzung, in der dieses Thema auch behandelt worden ist, hat die sozialdemokra­tische Abgeordnete, Frau Mag. Christine Lapp – Sozialsprecherin ist sie sogar, glaube ich –, zugeben müssen, dass Österreich bei der Armutsbekämpfung gut liegt. Bei uns sind es nämlich „nur“ – unter Anführungszeichen – 13 Prozent der Bevölkerung, die armutsgefährdet sind, wäh­rend in den EU-Staaten die Armutsgrenze bei weitem höher liegt, beispielsweise in Portugal: Dort sind 23 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht. Daran sieht man, dass diesbezüglich in Österreich sehr viel getan worden ist, insbesondere unter dieser Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und heute wird ein weiterer Schritt getan, um zu verhindern, dass Menschen in die Armutsnähe kommen.

In der Öffentlichkeit wird immer wieder der Eindruck erweckt, dass es den Beamten ungeheuer gut geht – egal, ob sie in Pension sind oder im Erwerbsleben stehen. Der Durchschnitt der Be­amtenpensionen zeigt auch, dass diese Pensionen ziemlich hoch sind. Aber es wird immer wieder darauf vergessen, dass es eine hohe Zahl von Beamten gibt, die schon während ihres Ar­beitslebens wenig verdienen und dann selbstverständlich auch eine sehr geringe Pension haben. Daher ist es notwendig, dass wir diese Ausgleichszulagenbereinigung vornehmen, da­mit jene Beamten, die eine sehr geringe Pension haben, nicht unter die Räder kommen.

Ich bin sehr froh, dass uns das noch gelungen ist. Ich finde, wir sollten jetzt nicht daran herum­nörgeln, den Zeitpunkt in Frage stellen und alles schlecht finden, sondern ich schlage Ihnen vor: Stimmen Sie gemeinsam mit uns der Vorlage zu und seien Sie froh, dass wir damit einen weiteren Schritt setzen, um Menschen, die ein ganzes Leben lang brav gearbeitet haben, den Ruhestand zu erleichtern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.47


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

11.48


Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Eine kurze Vorbemerkung: Es ist schon erhellend, wenn es zwar angeblich noch keine Koalitionsvereinbarung gibt und auch ganz wichtige Punkte wie etwa die Frage der


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 56

Beiträge der Versicherten für den Besuch von Ärztinnen und Ärzten – da sind ja horrende Sum­men in Diskussion – angeblich noch offen sind, aber hier ganz offensichtlich schon die Har­monie und der blau-schwarze Gleichklang praktiziert werden.

Offensichtlich ist Ihnen also die Frage 5 € oder 10 € pro Arztbesuch ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wer sagt das?) – Das nehmen Sie halt in Kauf, das stört ja nicht den gemeinsamen Antrag. – Wir nehmen das zur Kenntnis. Es ist ja erhellend. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ihre Vorwürfe sind erhellend, wie immer!)

Meine Damen und Herren! Aus dem Antrag geht auch hervor, wie wenig all das, was ja immer wieder von der Regierungsseite kam – nicht von der Opposition –, nämlich das Schlechtmachen des öffentlichen Dienstes, der Vorwurf bezüglich der Leute mit den Supergagen und den Privile­gien, tatsächlich zutrifft, denn die Ausgleichszulage bekommen ja nicht jene mit den Super­gagen.

In diesem Zusammenhang ist es mir auch wichtig, hervorzuheben, dass natürlich mit jeder die­ser kleinen und in diesem Fall sicher notwendigen Anpassungen und Veränderungen eine Chance vertan wird, das System grundsätzlich zu ändern.

Zu der Ausgleichszulage für Ehepaare: Abgesehen von der Schwerfälligkeit dieses Begriffes birgt die Einrichtung auch ihre Tücken in sich. Es ist keine echte Mindestpension. Die Aus­gleichs­zulage wird sofort wieder kassiert, wenn irgendwo vielleicht kleine Einkünfte erzielt werden. Das bedeutet viel Bürokratie, und das bedeutet natürlich auch Grausamkeiten für Menschen, die ohnehin nicht auf die Butterseite gefallen sind. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: „für Ehepaare“. – Es ist nach wie vor so, dass weite Teile des Pensionssystems darauf basieren, dass die Sicherheit – insbesondere für Frauen – nur über die Institution der Ehe erzielbar ist. Es gibt nach wie vor Hunderttausende Frauen, die überhaupt keine eigene Pen­sion haben.

Die Ausgleichszulage für Ehepaare ist deutlich niedriger als für zwei einzelne Personen. Und beide Pfeiler unseres Pensionssystems, nämlich die durchgehende – ich füge hier an: männli­che – Erwerbstätigkeit und die Ehe, sind als generelles Prinzip einer modernen sozialen Pen­sions­absicherung von morgen untauglich geworden. (Beifall bei den Grünen.)

Was wir brauchen, ist eine eigenständige Absicherung für alle älteren Menschen, für Frauen und Männer, und zwar unabhängig von den Zufälligkeiten, von den Schicksalen, die es wäh­rend des Erwerbslebens oder während des Familienlebens gab. Und diese eigenständige Alters­sicherung für Frauen und Männer wird natürlich mit jeder dieser kleinen und kleinsten Reparaturen des alten Systems auf die lange Bank geschoben.

Die Grünen urgieren seit langem eine Grundsicherung im Alter. Das wäre ein gerechtes System, es wäre auch ein stabiles und finanzierbares System, aber es setzt natürlich die Bereit­schaft zu einer grundlegenden Änderung voraus. Diese wäre insbesondere für die Situation der Frauen in Österreich dringend und überdringend notwendig. (Beifall bei den Grünen.)

Ich befürchte, es wird schon bald mehr Ausgleichszulagenbezieherinnen und -bezieher geben, denn das, was von Ihnen durch die Pensionsreformkommission vorgelegt wurde und offen­sichtlich derzeit in Regierungsverhandlungen steht, verheißt nichts Gutes – etwa für die Frauen über den Daumen gepeilt im Durchschnitt minus 20 oder minus 30 Prozent bei den Pensionen. Das muss man sich einmal vor Augen führen! (Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Das steht in den Papieren drinnen, das schreibt die Kommission selbst! Sie müssen die Papiere eben lesen, das ist schon eine Voraussetzung.

In dem Kapitel „Eigenständige Alterssicherung der Frau“ – das ganze Papier ist natürlich nicht gegendert, entgegen den Verpflichtungen der Regierung – wird als Anhang auf sieben Seiten in einem dicken Wälzer die eigenständige Altersabsicherung von Frauen abgehandelt, und zwar lediglich unter dem Aspekt der verstärkten Kinderanrechnung, nicht unter dem Aspekt, dass es in der Regel auch sonst jede Menge Diskriminierungen für Frauen gibt. (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 57

Ich habe jede Bereitschaft vermisst, hier wirklich einmal etwas zu bewegen. Das wird schwer wer­­den, und ich gebe schon zu, dass das kein kleiner Wurf ist, aber wenn man nie damit anfängt, dann wird man auch nie zur dringend notwendigen Grundsicherung im Alter kommen.

Ein Allerletztes, ein Wort zum Neo-Kollegen Neugebauer. – Herr Neugebauer! Wenige Tage vor der Wahl hat der öffentliche Dienst, haben die Bediensteten im Staatsdienst einen Brief von Ihnen bekommen, erstaunlicherweise auf dem Papier der gesamten Gewerkschaft öffentlicher Dienst, an die „liebe Kollegin“ und den „lieben Kollegen“ gerichtet, von Fritz Neugebauer unter­schrieben. Und Fritz Neugebauer hat in diesem Brief auf GÖD-Papier geschrieben – ich zi­tiere –:

„Die ÖVP legt als einzige Partei in ihrem Programm ein nachhaltiges Bekenntnis zum Öffentli­chen Dienst ab. Im Gegensatz dazu stehen unausgereifte rot-grüne Vorstellungen, wie z.B. die Ab­senkung der Bürokratiekosten um 25 %, wovon jeder 4. öffentlich Bedienstete betroffen wäre!! Ich sage aus Überzeugung, dass jede Stimme für die ÖVP im Sinne moderner öffentli­cher Dienste und zukunftssicherer Arbeitsplätze ist.“ – Zitatende.

Herr Kollege Neugebauer! Sagen Sie das vielleicht den 35 000 Kolleginnen und Kollegen, die jetzt abgebaut werden sollen! (Beifall bei den Grünen.)

11.54


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Krainer. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

11.55


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Da wir vorhin über Deutschland diskutiert haben, muss man der Ehrlichkeit halber hinzufügen: Wenn Deutschland ebenso ungeniert, wie das die der­zei­tige österreichische Bundesregierung tut, in die Geldbörsen seiner Staatsbürger greifen wür­de, dann gäbe es in Deutschland kein Defizit, nicht einmal ein einprozentiges, sondern ein gro­ßes Plus. Dort gibt es nämlich eine Steuerquote von weit unter 40 Prozent, im Gegensatz zu dem, was wir hier in Österreich haben, nämlich über 44 Prozent. (Beifall bei der SPÖ.)

Vor etwa vier Wochen haben wir hier die Ausgleichszulagenrichtsätze für verheiratete Bezieher auf das Eineinhalbfache von unverheirateten Beziehern angehoben. Damals hat man offen­sicht­lich auf die Beamten vergessen. Das reparieren wir heute, und es ist gut so, dass wir das repa­rieren. Und es ist auch gut, wenn die unterschiedlichen Pensionssysteme harmonisiert werden. Doch das Problem ist, dass die Unterschiede zwischen diesen Pensionssystemen wei­ter­hin gravierend groß sind. Gerade bei jungen Menschen ist das Vertrauen in das Pensions­system erschüttert – nicht zuletzt dank der Politik, die die Bundesregierung in den letzten drei Jahren gemacht hat.

Aktuellen Umfragen zufolge glaubt nur noch zirka jeder fünfte junge Mensch in diesem Land, dass er selbst einmal eine Pension bekommen wird. Mich wundert das nicht rasend, denn vor einer Nationalratswahl ist das Pensionssystem kaum ein Thema – es ist alles gesichert, es muss nicht viel verändert werden.

Unmittelbar nach einer Wahl stellt sich dann allerdings für die ÖVP und die FPÖ die Unfinan­zier­barkeit des Systems heraus. Es werden Kommissionen einberufen, Arbeitsgruppen tagen, Pa­piere werden geschrieben, und dann treten der Finanzminister und der Bundeskanzler vor den Vorhang und verkünden eine Jahrhundertreform und beruhigen wieder alle. Alle Pensio­nisten, alle alten Menschen können wieder ruhig schlafen, aber nicht nur sie, sondern auch die jungen Menschen können wieder gut und ruhig schlafen, denn es ist ja eine Jahrhundertreform beschlossen worden, und die Pensionen sind auf die nächsten Jahrzehnte hinaus gesichert.

Und nach der nächsten Wahl beginnt das Ganze wieder von vorne. Es sind wieder die Pensio­nen nicht gesichert, und es werden wiederum einschneidende Maßnahmen verlangt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 58

Ich bin der Meinung, dass mit diesem Spiel, das da getrieben wird, endlich Schluss gemacht wer­den muss. Wenn wir die Pensionen langfristig sichern wollen, dann müssen wir auch eine lang­fristige Politik machen, und dazu gehört, dass die vielen Ungerechtigkeiten, die momentan zwi­schen den Pensionssystemen und teilweise auch innerhalb von Pensionssystemen be­stehen, beseitigt werden.

Ein paar Beispiele dazu. Es kann zum Beispiel eine Arbeiterin für jeden Euro, den sie in das System einbezahlt, unter Umständen nur 90 Cent herausbekommen, während andererseits zum Beispiel ein Beamter für jeden Euro, den er einzahlt, bis zu 2 € herausbekommt.

Eine weitere Ungerechtigkeit ist, dass die derzeitige Bundesregierung – und wenn man den Auguren von Andreas Khol glauben darf, auch die zukünftige Bundesregierung – die Arbeiter 45, 46, 47 oder gar 50 Jahre lang arbeiten lassen will, aber gleichzeitig Beamte nach 30 oder 40 Jahren in den Ruhestand schickt.

Es ist auch eine Ungerechtigkeit, wenn immer wieder nur über den ASVG-Bereich und von den Pensionen der Arbeiter und Angestellten gesprochen wird, wo der Bundeszuschuss zu diesem Bereich ja nicht einmal 20 Prozent beträgt, wohingegen über die Pensionen der Bauern, der Gewerbetreibenden und der Beamten kaum gesprochen wird, wo der Bundeszuschuss 50, 60 oder fast 70 Prozent beträgt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ hat in diese Diskussion einen neuen Vorschlag eingebracht, einen Reformvorschlag, der auch wirklich den Namen „Reform“ verdient, nämlich ein einheitliches System für alle, die unter 35 Jahre alt sind. Allerdings will das die Bundesregierung nicht, denn das wäre eine echte Reform.

Diese Bundesregierung macht nur eine Politik des schnellen Geldes, der Belastungspolitik und des Abwälzens von Budgetproblemen auf wenige Jahrgänge. Genau jenen, denen man vor we­nigen Jahren noch gesagt hat, ihr könnt erst eineinhalb Jahre später in Pension gehen, denen man noch vor wenigen Monaten im Wahlkampf gesagt hat, es sei überhaupt nicht daran gedacht, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen, genau diesen Menschen sagt man jetzt: Ihr habt leider Pech gehabt, ihr müsst doch drei, vier oder fünf Jahre länger arbeiten.

Das muten Sie den Menschen zu, während Sie es nicht zumutbar finden, dass jene, die eine hohe Pension genießen, einen kleinen Solidarbeitrag leisten und damit die Pensionen finanzie­ren helfen.

Eines müssen Sie mir erst erklären – aber nicht nur mir, sondern vor allem den Menschen drau­ßen oder auch hier im Saal –, nämlich wieso der Bezieher einer kleinen Pension von morgen sehr wohl einen Beitrag zur Sicherung des Pensionssystems leisten kann, während anderer­seits der Bezieher einer großen Pension von heute keinen Beitrag leisten kann. Das ist mir ein Rät­sel. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch kleine Schritte der Harmonisierung sind wichtige Schritte, aber ich finde es schade, dass wir uns immer nur mit kleinen Schritten begnügen und nicht darangehen, große und echte Refor­men zu setzen und gerade im Pensionsbereich wirklich einmal eine große Reform durch­zu­führen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Dr. Petrovic. – Abg. Dona­bau­er: Da müssen Sie mitgehen!)

12.00


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. Freiwillige Rede­zeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.00


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Ich möchte zu Herrn Kollegen Krainer von der SPÖ – er ist, so wie ich, neu hier im Haus – Folgendes sagen: Frage einmal deine Kollegen, was sie in den letzten 30 Jahren ge­macht haben! Da hätte die SPÖ Zeit genug gehabt, genau jene Reparaturen vorzunehmen, die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 59

wir jetzt durchführen müssen! (Abg. Eder: Den Schmäh kannst du dir in die Haare schmieren! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es verwundert mich schon ein bisschen, dass sich Kollegin Hagenhofer hier herausstellt und die be­leidigte Leberwurst spielt ... (He-Rufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glocken­zeichen.) – Ihr kommt ja dann ohnedies zu Wort! Seid doch Demokraten! Ihr nennt euch zwar immer so, aber anscheinend seid ihr keine. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Kollegin Hagenhofer stellt sich also hier heraus und zieht einen Vergleich zwischen Deutsch­land und Österreich. – Ich glaube, die Österreicherinnen und Österreicher wollen sicher keine deutsche Regierung und schon gar kein solches System wie in Deutschland, denn wenn ich mir an­sehe, wie es dort ausschaut, kann ich wirklich nur sagen: Gute Nacht, Österreich! (Zwi­schen­ruf der Abg. Hagenhofer.)

Wenn ich mir die jetzige Regierung anschaue und hören muss, wie Kollegin Petrovic sagt, die ÖVP gehe schon wieder sozusagen wie ein Bruder mit der FPÖ – beziehungsweise die FPÖ mit der ÖVP –, dann darf ich Sie schon darauf hinweisen: Frau Kollegin Petrovic, wir sind eben noch eine Koalition! (Abg. Eder: Eine unfähige!) Ich weiß nicht, ob Sie das vergessen haben, aber die FPÖ und die ÖVP befinden sich nach wie vor in einer Koalition. (Ruf bei der SPÖ: Wie­so haben wir dann eigentlich gewählt?)

Wenn ich dann von Selbstbehalten und vielen anderen Dingen höre, von denen in den Medien geschrieben wird, dann muss ich sagen – ich bin Arbeitnehmervertreter und seit über 30 Jahren in der Privatwirtschaft beschäftigt und dort als Betriebsrat tätig –: Wenn man, anstatt zeitgerecht und ständig zu schauen, wo man entsprechende Reformen durchführen kann, 30 Jahre lang nichts tut, dann müssen diese Reformen eben nachher in Angriff genommen und natürlich ein­schneidende Maßnahmen gesetzt werden! Aber ich kann euch sagen: Überlegt genau und schaut, was in den Medien geschrieben wird und was dann im Nachhinein herauskommt! (Abg. Mag. Prammer: Da können Sie Gift drauf nehmen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetz, das heute zur Beschlussfassung vorliegt, sind wir auf dem richtigen Weg. Diese Regierung traut sich wenigstens, etwas in Angriff zu neh­men, und sie setzt selbst in Zeiten wie diesen, in denen Schulden in Milliardenhöhe vorhanden sind, so positive Maßnahmen wie diese!

Besonders stolz bin ich als Freiheitlicher darauf (Abg. Gaál: ... schrecklich!), dass wir einen freiheitli­chen Sozialminister haben, der in den vergangenen Jahren wirklich gezeigt hat, was „Soziales“ bedeutet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo habt denn ihr von der SPÖ in den letzten 30 Jahren eine Angleichung von Arbeitern und An­ge­stellten durchgeführt? – Geredet wurde viel davon, aber gemacht wurde gar nichts! Ihr habt immer angekündigt, bei der Abfertigung etwas zu machen. Geredet wurde viel, aber ge­macht wurde nichts! Wo habt ihr eine entsprechende Familienpolitik gemacht? – Im Gegenteil: Ihr habt das Kindergeld von zwei auf eineinhalb Jahre reduziert. – Unter unserem Sozialminister wurde es verdoppelt! Es gibt jetzt das Kinderbetreuungsgeld, es gibt Zeiten, die für die Pension an­ge­rechnet werden, es gibt Zuverdienstmöglichkeiten! – Ihr habt die Frauen an den Herd zurück­geschickt (lebhafte ironische Heiterkeit bei der SPÖ), und wir haben ihnen wieder die Mög­lichkeit gegeben, wieder in den Beruf einzusteigen und etwas dazuzuverdienen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich muss euch ja einmal die Wahrheit sagen, denn sonst vergesst ihr ja immer, was ihr in den letzten 30 Jahren beschlossen habt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Bures und Gaál.)

Durch unseren Minister wurden also all diese positiven Maßnahmen gesetzt. Eigentlich müsstet ja ihr, wenn es wieder zu einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ kommt, hier einen Antrag stel­len, in dem es heißt: Haupt muss wieder Minister werden, denn er hat für die arbeitenden Men­schen wirklich etwas getan. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 60

Daher muss ich sagen: Ich bin froh darüber, dass heute dieses Gesetz verabschiedet wird, denn es dient der Armutsbekämpfung. Das heißt Sozialpolitik in Österreich! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.05


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

12.05


Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr ge­schätz­ten Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Max Walch, als Arbeitnehmervertreter der Freiheitlichen werden in diesem Haus natürlich harte Zeiten auf dich zukommen, aber ich bin überzeugt davon, dass du auch das irgendwie über die Runden brin­gen wirst – du hast es ja bereits in Oberösterreich auf schreckliche Art bewiesen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Natürlich werden wir dieser Vorlage zustimmen. Wir Sozialdemokraten standen und stehen immer an der Seite der Schwächeren, und daher ist es ganz klar, dass wir dieser Vorlage zustimmen werden. Es ist aber schon ein bisschen eigen­artig, dass diese Vorlage nicht schon beim letzten Mal bei der Gehaltsnovelle verabschiedet wurde – dort wäre das Thema noch besser untergebracht gewesen als heute –; offensichtlich wurde aber auf eine kleine Gruppe von ehemaligen Beamtinnen und Beamten vergessen. Das ist nichts Neues: Es war in den letzten zweieinhalb Jahren ja sehr oft so, dass die ÖVP und die FPÖ auf die Menschen vergessen haben, meine sehr geschätzten Damen und Herren.

Ich meine daher, heute gibt es Anlass zur Freude, wir sollten uns diesen Tag merken, denn heu­te gibt es einen Antrag von ÖVP und FPÖ, mit dem für die Menschen, für die Beamtinnen und Beamten im Ruhestand – auch wenn es nur eine kleine Gruppe ist – eingetreten wird. Wir sind von Ihnen ja anderes gewöhnt – ich nenne nur zwei Beispiele: erstens die unsoziale, un­menschliche Unfallrentenbesteuerung und zweitens die wahnwitzige Ambulanzgebühr, die wir in den letzten zweieinhalb Jahren hinnehmen mussten.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Kollege Murauer hat heute hier die Diktion „Schüs­sel I“ und „Schüssel II“ eingebracht. Ich kann mich noch sehr gut an „Schüssel I“ erinnern. Er sagte damals, wir haben ausgabenseitige Einsparungen zu tätigen, das Budget werde vor­wie­gend ausgabenseitig geregelt und saniert. – Wir wissen heute, dass das ausschließlich über Be­las­tun­gen und über Einnahmen erfolgte. Die Liste wäre zu lang, wenn ich all die Maß­nah­men, die damals gesetzt wurden, aufzählen würde.

Ich höre auch seit einigen Tagen „Schüssel II“, der sagt, wir müssen die Ausgaben dämpfen. – Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Es steht noch nicht einmal eine neue Regierung, aber die Be­las­tungswelle rollt bereits – zumindest die Ideen dafür stehen. Wenn ich höre und lese und mir vor Augen halte, dass die Mineralölsteuer erhöht werden soll, dann muss ich die Frage stellen: Nun, wen wird diese Maßnahme treffen? – Natürlich in erster Linie jene Kolleginnen und Kolle­gen, die auf das Auto nicht verzichten können.

Es werden auch die allgemeinen Selbstbehalte, an die gedacht wird, die kleinsten Einkommen am stärksten belasten. Das, meine Damen und Herren, wird die zukünftige klassische Kran­ken­steuer werden: 5 € für einen Besuch beim praktischen Arzt, 10 € für einen Besuch beim Fach­arzt und – man geht noch einen Schritt weiter – eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge der Pen­sionis­ten um 1 Prozent. Auch hier wird es so sein, wie wir es bereits in den letzten zweiein­halb Jahren gewohnt waren: Es wird ausschließlich die Bezieher der kleinsten Einkommen be­treffen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Angesichts so vieler Grauslichkeiten, die uns bevor­stehen und die zu erwarten sind, tut es gut, diesen heute vorliegenden Antrag als sozialdemo­kra­ti­sche Fraktion mittragen zu können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.09


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Daher schließe ich die Debatte.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 61

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 17 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf in zweiter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Vorlage auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig ange­nommen.

Damit ist der 2. Punkt der Tagesordnung erledigt.

3. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 39/A der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Dr. Erwin Rasinger, Manfred Lackner, Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird (15 der Beilagen)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung liegt nicht vor.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

12.10


Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir reden bei diesem Tagesordnungspunkt über das Arzneimittel­gesetz. Dieses Gesetz hat sehr viel mit Risikovorsorge und mit dem drohenden Konflikt im Irak zu tun.

Worum geht es dabei? – Es geht um die mögliche Verseuchung mit Pockenviren, und diese Pocken­viren sind natürlich sehr, sehr gefährlich. Amerika hat 200 Millionen Impfdosen ge­kauft – übrigens bei einer österreichischen Firma –, Deutschland kauft 100 Millionen Impfdosen. Damit Österreich mithalten kann, musste ein neuer Impfstoff gekauft werden. Warum ein neuer Impfstoff? – Der alte Impfstoff hatte Nebenwirkungen.

Laut WHO gibt es die Pocken seit 1977 offiziell nicht mehr. Die Pockenimpfungen, die vor 1977 durchgeführt wurden, hatten auf eine Million geimpfte Dosen eine Nebenwirkungsrate von zirka fünf Todesfällen – es war also, muss man sagen, eine enorm gefährliche Impfung – und 50 Fäl­len von Hirnhautentzündung. Es handelte sich dabei eigentlich um eine Impfung, bei der man das in Nebenwirkungen bestehende Risiko schon sehr wohl abwägen musste.

Gott sei Dank ist die Welt heute pockenfrei, aber es gibt an noch existierenden Virenstämmen einen in Amerika und einen in Russland. Das heißt: Sollte es dem Irak gelungen sein – dafür spricht wenig, aber es wäre theoretisch doch möglich –, an Viren zu gelangen, dann wür­de das natürlich eine eminente Gefahr darstellen, denn die Bevölkerung ist überhaupt nicht durch­geimpft.

Das Risiko ist sehr schwer einzuschätzen, aber es ist natürlich nicht gleich null. Wer wäre haupt­sächlich betroffen? – Das wären wahrscheinlich Menschen im Nahbereich von Flughäfen oder öffentlichen Einrichtungen wie Bahnhöfen. Und da muss man natürlich sehr wohl ein­schreiten. Nach sieben bis zehn Tagen, die eher wie bei einem grippeähnlichen Syndrom – mit Glie­derschmerzen, Fieber und so weiter – ablaufen, würde es die berühmten Pockenpusteln


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 62

geben. Die Mortalität dieser Viruserkrankung wäre sehr, sehr hoch: 20 bis 50 Prozent der Men­schen würden daran sterben.

Um dieses Restrisiko, das durch eine Art von Biowaffenattentat in Österreich oder in irgend­einem Teil der Welt entstehen würde, auszuschalten, muss eine verantwortungsbewusste Ge­sund­heitspolitik entsprechend reagieren. Ich hoffe, der Fall wird nicht eintreten, aber man muss die Menschen sehr wohl darauf aufmerksam machen.

Man muss erstens Panik vermeiden – das ist ganz wichtig. Man muss den Menschen sagen, dass das Risiko sehr, sehr gering ist. Es hat überhaupt keinen Sinn, wenn man sich in einem Bergbauerndorf prophylaktisch impfen lässt.

Zweitens: Man soll nicht voreilig impfen. Das macht überhaupt keinen Sinn, denn man weiß auch beim neuen Impfstoff, der wesentlich nebenwirkungsärmer ist, nicht ganz genau, ob er völlig risikofrei ist.

Drittens – und das ist ganz wesentlich –: Eine gute Gesundheitsverwaltung muss vorbereitet sein. Deshalb hat die österreichische Regierung, vor allem das Gesundheitsministerium, schon im Dezember gekauft, und zwar nicht den alten Impfstoff, sondern eben einen neuen, noch nicht zugelassenen Impfstoff. Und deshalb müssen wir heute das Gesetz beschließen, sodass man im Katastrophenfall rasch und adäquat und mit dem geringsten Übel, also dem Mittel mit den geringsten Nebenwirkungen, einschreiten kann. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, die österreichische Gesundheitspolitik, vor allem das Ministerium, hat hier sehr gut reagiert: Die Ärzte sind geschult, es wurde Panik vermieden, es ist ausreichend Impfstoff vor­han­den. Meiner Meinung nach ist das ein klassischer Fall, an dem sich zeigt, wie man mit einem Problemfall – der hoffentlich nicht eintritt! – vernünftig und adäquat umgeht. Ich hoffe, dass dieses Gesetz beispielgebend für alle anderen Aktionen ist, die das Gesund­heits­ministe­rium in Zukunft setzen wird.

Dieses Gesetz wird auch einstimmig beschlossen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.14


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.

12.14


Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wenn wir heute mit diesem Vier-Parteien-Initiativantrag zur Novelle des Arz­nei­mittelgesetzes auf die Bedrohungs- und Gefährdungsszenarien nach dem 11. September Be­dacht nehmen, wird dieser Antrag natürlich auch von meiner Fraktion unterstützt.

Auch die darin vorgesehene Verwendung noch nicht zugelassener Arzneimittelspezialitäten, wenn zugelassene nicht in ausreichender Art und Weise zur Verfügung stehen, wird unsere Zu­stimmung finden.

Es sei jedoch ausdrücklich festgehalten, dass hier § 3 Arzneimittelgesetz schlagend wird, wo­nach es verboten ist, Arzneimittel in Verkehr zu bringen, bei denen es nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und nach den praktischen Erfahrungen nicht als ge­sichert erscheint, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine schädliche Wirkung ha­ben.

Geschätzte Damen und Herren! Bei aller Problematik, bei allen möglichen Bedrohungsszena­rien sollten wir – und das möchte ich hier feststellen – uns nicht von jener Hysterie leiten lassen, die jetzt in so manchen Ländern Platz greift, denn gerade die Pocken, die Anlass zu dieser Ge­setzesänderung waren, haben zumindest den Vorteil, dass es eben Impfungen dagegen gibt.

Geschätzte Damen und Herren! Da jene Partner, welche sich im September letzten Jahres we­gen unüberbrückbarer Differenzen zur Trennung entschlossen haben und damit Anlass zu Neu­wah­len gaben, nach kurzem, aber heftigem Liebeswerben offensichtlich wieder zueinander fin-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 63

den, zeichnen sich bereits die ersten Konturen neuerlicher Belastungen in so ziemlich allen Be­reichen der Politik ab.

Auch der Bereich der Gesundheitspolitik bleibt naturgemäß davon nicht ausgenommen. Sie blei­ben auch hier, so die heutigen Schlagzeilen in den Medien stimmen sollten – und ich zweifle keine Sekunde daran –, ihren schlechten Vorsätzen treu. Kranke Menschen sollen zahlen! – So lau­tet offensichtlich die Devise der möglichen neuen Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ so­wie des Abg. Dr. Grünewald.)

Weg von der Solidarität, hin zur Almosen- und Belastungspolitik konservativer Prägung!

Was, meine Damen und Herren, kommt auf uns zu? Was ist bisher zu erkennen? – 5 € für den Arzt­besuch im niedergelassenen Bereich und 10 € für den Besuch eines Facharztes, und zum Drü­berstreuen sollen auch für die Pensionisten die Beiträge erhöht werden. – So die Schlag­zeilen in den heutigen Medien.

Das ist interessant, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: Sie haben vor zwei Jahren in der abgelaufenen Gesetzgebungsperiode die chaotische Ambulanzgebühr mit der Begründung eingeführt, dass Sie die Patientenströme in den niedergelassenen Bereich len­ken wollen, weil das eben kostengünstiger sei. Nachdem Sie damit – und das ist ganz klar – jäm­mer­lich gescheitert sind, sollen nun Selbstbehalte beim Arztbesuch eingeführt werden.

Es stellt sich jetzt für mich natürlich die Frage: Wohin wollen Sie diesmal lenken? Oder sollen kran­ke Menschen vom Arztbesuch abgehalten werden?

Wenn ich mir die Berichterstattung in den heutigen Medien anschaue und auch eine Presse­mitteilung der Ärztekammer Wien, in der es heißt: „VP-FP-Neuauflage wird zum Totengräber der österreichischen Gesundheitspolitik“, dann kann ich mich dem nur vollinhaltlich anschließen (Be­ifall bei der SPÖ), denn genau diese Arztgebühr beziehungsweise dieser Selbstbehalt wird natürlich – und so wird es auch befürchtet – viele Menschen vom Arztbesuch abhalten. Was dann passieren wird, ist klar: Die Reparaturmedizin, die dann anschließend folgen muss, wird wesentlich teurer sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube – und das ist für mich schon sicher –, dass es sich hier wiederum nur um ein billiges, we­nig intelligentes Abkassieren bei den Kranken und den Schwächsten unserer Gesellschaft han­delt. Das zeigt einmal mehr auf, meine Damen und Herren, wie Ihre inhaltlichen und inno­vativen Defizite gerade in der Gesundheitspolitik offenbar werden.

Zum Schluss soll noch einmal daran erinnert werden, dass sich Kollege Rasinger in einer Mel­dung aus dem Januar dieses Jahres zuerst so vehement für die Einführung von Selbstbehalten ausgesprochen und wenige Tage später diese vehement in Abrede gestellt hat. Ich könnte jetzt sagen, Kollege Rasinger ist ein „doppelter Rasinger“, er hat eine so genannte Win-win-Situation geschaffen, in der er – so hat er jedenfalls geglaubt – in jedem Fall nur gewinnen kann.

Ich hoffe jedoch, dass sich Kollege Rasinger – er ist jetzt im Saal – dann doch auf seine letzte Mel­dung besinnen wird. Ich hoffe, Kollege Rasinger, dass wir in dir einen kräftigen Mitstreiter haben werden, wenn es darum geht, Selbstbehalte beim Arztbesuch zu verhindern. Oder doch nicht, Kollege Rasinger?

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

12.20


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Die Uhr ist auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

12.20


Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mein Vorredner hat es schon angeschnitten: Es ist die weltpolitische Lage, die ja auch ein Thema der heutigen Aktuellen Stunde war, die uns zwingt, hier Vorkehrungen und Sicher-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 64

heits­maßnahmen für die österreichische Bevölkerung und auch für jene österreichischen Solda­ten, die sich im Auslandseinsatz befinden, zu treffen. Es ist die mögliche Bedrohung durch bio­terroristische Angriffe, die uns dazu veranlasst, gesetzliche Maßnahmen zu treffen, damit jene Vor­kehrungen, die dankenswerterweise der Herr Gesundheitsminister und der Herr Staatsse­kretär bereits in die Wege geleitet haben, auch ihre gesetzliche Deckung finden. Es ist dies ein vorbildliches Vorgehen, das Hysterie ausschließt, weil eben rechtzeitig gehandelt wird und das Problem in Ruhe und mit Sachlichkeit angegangen worden ist.

Der konkrete Anlass – auch das ist schon erwähnt worden – ist das Problem eines Angriffes mit Pockenviren. Wir wissen, dass es zurzeit keinen zugelassenen Impfstoff gibt, der verfügbar wäre und der nach dem Stand der Wissenschaft den Erfolg erzielt, den ein Impfstoff erzielen kann, der die Zulassungsbestimmungen noch nicht vollkommen verifiziert hat.

Diese Gesetzesänderung ermöglicht nun, dass in einer Gefahrensituation, die durch Katastro­phen, durch bioterroristische Angriffe oder auch durch kriegerische Auseinandersetzung ent­stehen kann, auch ein Arzneimittel zur Anwendung kommt, das die Zulassungsbestim­mun­gen noch nicht erfüllt hat, wenn kein anderes zugelassenes Arzneimittel verfügbar ist, das dem Stand der Wissenschaft entsprechend diesen Erfolg sicherstellt. Bei dem Antrag handelt es sich um einen Vier-Parteien-Antrag, und damit ist ja auch klargestellt, dass es keinen Zweifel darüber geben kann, dass diese Gesetzesänderung notwendig ist.

Hohes Haus! Ich habe das erste Mal die Ehre, hier vor Ihnen zu sprechen, und ich darf, zumal es auch meine Zeit erlaubt, noch einige grundsätzliche Anmerkungen zur Gesundheitspolitik machen. Es wird Sie vielleicht auch ein bisschen interessieren, da ich – und dafür bedanke ich mich ausdrücklich – zur Obfrau des Gesundheitsausschusses gewählt wurde.

Das Gesundheitswesen in Österreich ist ein hoch entwickeltes, es ist leistungsfähig und es ist weit­gehend auch sehr gut organisiert. Dennoch weist es einen ständig steigenden Finanzbedarf auf. Das ist eigentlich nicht wirklich ein Widerspruch, sondern man kann bei näherer Betrach­tung feststellen, dass es auch gut ist, dass das System einen steigenden Finanzbedarf hat, denn – überspitzt formuliert – je besser ein Gesundheitssystem funktioniert, je höher der Stand der Wissenschaft und Technik ist, je diffiziler die Behandlungsmethoden sind – wir haben Be­­handlungsmethoden,  von denen frühere Generationen nicht einmal träumen hätten kön­nen –, desto teurer wird das System und desto höher ist auch die Lebenserwartung der Men­schen – erfreulicherweise –, was wiederum das System verteuert. Der ständig steigende Fi­nanz­bedarf ist also eine Tatsache, der wir entsprechen müssen, die aber per se nichts Schlech­tes ist.

Wie haben wir nun den Finanzbedarf zu organisieren? – Das eine ist: Die vorhandenen Mittel müssen vollkommen diszipliniert und sachpolitisch bezogen eingesetzt werden. Gerade als je­mand, der aus Niederösterreich kommt und dort ein sehr stark verankertes Proporzsystem be­mer­ken kann, kann ich feststellen, dass parteipolitisch motivierte Interessenkonflikte zwi­schen den einzelnen Finanziers und Verantwortungsträgern immer etwas sind, was auf dem Rücken der Patienten ausgetragen wird und was auf jeden Fall in Hinkunft zu unterlassen ist. Jede Strukturreform muss auch darauf Bedacht nehmen, dass der Anreiz, sich zu solchen Interessenkonflikten hinreißen zu lassen, sinkt.

Das Zweite – auch das werden Sie alle kennen –: Es gibt immer wieder einen Interes­sen­konflikt zwi­schen Kommunalpolitik und Gesundheitspolitik. Auch da muss man unterstützende Maß­nah­men treffen, damit vor allem Kommunalpolitiker, die sehr oft als Träger von Kranken­anstal­ten unter Sachzwängen stehen, davon entlastet werden, etwas zu tun, was sie eigentlich gesund­heitspolitisch so gar nicht wünschen könnten.

Das sind Dinge, die durch Strukturreformen sicher zu verbessern und zu vermeiden sind.

Es geht weiters darum, Kosten zu vermeiden. Da wird es notwendig sein – der Herr Staatsse­kre­tär hat es auch bereits angekündigt –, die Präventivmedizin, die Vorsorgemedizin vom Rand des Geschehens, an dem sie bisher ein wenig gestanden ist, ins Zentrum zu rücken. Jeder Euro, den wir in Vorsorgemedizin investieren, wird uns viele Euros in der kurativen Medizin


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 65

ersparen. Wir haben in Österreich bereits ein sehr erfolgreiches Projekt verwirklicht, den Mutter-Kind-Pass, und dieses ist auch evaluiert worden. Man weiß, wie viel erspart worden ist, indem man die relativ geringe Investition des Mutter-Kind-Passes riskiert hat.

Das Dritte ist, dass Reformen – auch eines guten Systems – immer gemacht werden müssen. Ich würde meinen Vorredner, Abgeordneten Lackner, doch bitten, nicht so sehr den Zeitungs­schlag­zeilen zu vertrauen. Ich wundere mich schon etwas, wenn jemand sagt: Dieses oder jenes steht in der Zeitung, und ich habe überhaupt keine Zweifel daran, dass das stimmt. – Ich bitte vielmehr, die Verhandlungen abzuwarten und das Vorgelegte dann zu diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Es steht in der Zeitung!)

Ja, es steht in der Zeitung – da wissen Sie mehr als ich! Es hat in vielen Punkten noch keinen Ab­schluss gegeben. (Abg. Gradwohl: Die Journalisten erfinden das einfach, oder wie?)

Diese Reformen müssen sich an einigen Grundsätzen orientieren. Das eine ist sicher: Die Eigen­verantwortung des potentiellen Patienten für seinen Gesundheitszustand muss immer wie­der angemahnt und gestärkt werden. Zu guter Letzt ist es denn doch so, dass man für seinen eigenen Gesundheitszustand sehr große Verantwortung trägt und dass man ihn sehr stark beeinflussen kann. Es ist durchaus so, wie es auch einmal gesagt wurde: Es ist der Kopf, der sich den Körper baut. Man kann also durch eine gute Einstellung, durch eine vernünftige Le­bensführung sicherlich von vornherein vieles ausschließen.

Natürlich aber nicht alles – und da kommt doch das Prinzip der Solidarität ganz stark zum Tra­gen: das Prinzip der Solidarität zwischen denen, die das Gesundheitswesen brauchen, und denen, die es nicht brauchen. Oder ich könnte auch sagen: denen, die es aktuell brauchen, und denen, die es aktuell nicht brauchen, denn wir wissen, dass vor allem am Anfang des Lebens, in den Kinderjahren, und dann natürlich am Ende des Lebens, in den Jahren des Alters, des hohen Alters, das Gesundheitswesen beansprucht wird. – No na! Das ist banal. – Solidarität ist so­zusagen auch ein vernünftiges Prinzip, denn es wird ja hoffentlich jeder einmal alt werden oder sehr alt sein und dann wird er diese Solidarität, die er vorher – und das ist gerecht – üben soll, auch brauchen.

Das Nächste ist das Prinzip der Gerechtigkeit. – Der hohe Standard unseres Gesundheits­we­sens ist ein Ergebnis unserer guten Ausbildung, unserer guten Universitäten, unserer guten Schu­­len. Dies ist ein Ergebnis, das alle österreichischen Steuerzahler mitverantworten. Der hohe Standard unseres Gesundheitswesens ist eine gesamtgesellschaftliche Leistung. Des­we­gen darf es nie und nimmer – und dafür verbürge ich mich auch im Namen meiner Partei – zu Rationierungen kommen, wenn es darum geht, die von allen erbrachte Leistung dann auch ab­zurufen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es muss so sein, dass jeder, ohne dass seine finanzielle Potenz ausschlaggebend ist, das, was alle zusammen garantieren, auch zu seinem Vorteil nutzen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.28


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

12.28


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatsse­kretär! Hohes Haus! Anscheinend sind die Mehrheiten der Regierungsparteien momentan auf Gesundheitsuntersuchung. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni: Das wird alles stenographisch festgehalten!) Trotzdem möchte ich zum Thema noch einige Worte sagen.

Dieses Gesetz, das per Antrag von vier Parteien beschlossen werden soll, sollten wir einmal in Relation zu den wirklichen Bedrohungspotentialen setzen. Meines Wissens – und so ist es – ist Gott sei Dank noch niemand Opfer eines Pocken- oder Bioterroranschlags auf Österreich ge­worden. Das heißt, das Risikopotential ist Gott sei Dank relativ gering.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 66

Viel größer ist das Risiko in jenem Bereich, in dem sich nun die Debatten über gesund­heits­politische Koalitionen zwischen den beiden Parteien FPÖ und ÖVP bewegen. Da tragen immer­hin 8 Millionen ÖsterreicherInnen ein Risiko – nicht jenes, an Pocken zu erkranken, sondern jenes, eventuell schlechter, ungerechter, unfairer versorgt zu sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber bleiben wir bei den Pocken. Ich glaube, es kann sich keine Partei guten Gewissens der Aufgabe entziehen, auch für gewisse Eventualitäten Vorsorge zu tragen. Das haben wir getan. Es bestehen nun manche Ängste dahin gehend, dass durch dieses Gesetz, in dem es heißt, in Krisen, Katastrophen und kriegerischen Fällen der Auseinandersetzung kann man auch zu Medikamenten greifen, die noch nicht zugelassen sind, ein Tor aufgestoßen würde, dass es dadurch überhaupt einmal gang und gäbe werden könnte, Medikamente einzusetzen, die nicht erprobt sind.

Dazu muss ich etwas sagen. Im Entwurf dieses Gesetzes ist klar festgehalten, dass das eben nur bei terroristischen und kriegerischen Auseinandersetzungen möglich ist und nur dann, wenn keine Medikamente mit wissenschaftlich erwiesener Wirksamkeit am Markt erhältlich sind. Das heißt, man muss das Nutzen-Risiko-Potential abwägen: Schadet man mit diesen Medikamenten mehr oder hilft man mehr?

Eine kurze Bemerkung dazu: Bei Pockenbefall muss man mit 30 Prozent an Todesfällen der infizierten Personen rechnen. Beim bisherigen Impfstoff, der mehr oder weniger von Groß­britannien und den USA aufgekauft wurde, hat man errechnet, das zwei bis drei Todesfälle pro eine Million Impfungen – unabhängig von anderen Nebenwirkungen, die sich im 10-Prozent­be­reich bewegen können – vorkommen.

Das klingt jetzt natürlich sehr viel, aber ich sage Ihnen – und das ist kein Sarkasmus –, dass auch bei Zahnextraktionen unter Lokalanästhesie mehr als drei Todesfälle jährlich in Österreich auftreten – und das ist die Wahrheit und ausschließlich die Wahrheit.

Ich habe von Staatssekretär Waneck keine Antwort auf meine Frage bekommen, ob Bushs Impfung Anlassfall war, das hier zu aktualisieren, und auch keine Antwort darauf bekommen, ob bei Bush Nebenwirkungen dieser Impfung festgestellt wurden. Ich wurde gerügt, man könnte da in diplomatische Verwicklungen kommen; daher stelle ich richtig: Ich habe gefragt, ob bei ihm Nebenwirkungen aufgetreten sind, ich habe es nicht behauptet. Das wäre erst noch zu klären.

Ich komme betreffend dieses Gesetz schon noch zu einer Frage an Herrn Staatssekretär Waneck: Wie verhält es sich mit anderen Bedrohungspotentialen wie Anthrax, Botulismus, Cholera, Pest oder Gelbfieber? Hat man da ähnliche Vorsorge getroffen, oder schweigen wir darüber?

Nun zum Kollegen Rasinger, der auch schon bei der Gesundheitsuntersuchung ist. (Abg. Steibl: Nein! Er ist da!) – Ist er noch da? Ah, da ist er. Er ist gesund, Gott sei Dank! Ich wün­sche es ihm auch. Er hat sich wohlweislich nur auf das Gesetz beschränkt und hat nicht über seinen Eiertanz – wenn Sie mir diesen Ausdruck erlauben – bei den Selbstbehalten gespro­chen.

Von der Bundesregierung – oder von der ÖVP, wenn Sie so wollen – wird ein Einsparungs­po­tential von 1 Milliarde € im Gesundheitssystem verlangt. Da bewegt sich die Debatte zwischen dem apokalyptischen Szenario von Kassendefiziten und Privatoffenbarungen des Christdemo­kraten Schüssel, aber ich glaube, Privatoffenbarungen müssen schon auch in einem Parlament wissenschaftlich oder ethisch hinterfragt werden können.

Die Bundesregierung hat eine Studie über die Wirkung von Selbstbehalten in Auftrag gegeben, in der acht Nationen der EU untersucht wurden, unter anderem auch Österreich. Diese wurde vom Industriewissenschaftlichen Institut, das sicher kein Instrument der Grünen und auch kei­nes der Sozialdemokraten ist, und vom ÖBIG durchgeführt. Diese sagen, der Effekt sei null bis marginal. Da sind mir Studien wichtiger als Privatoffenbarungen von Schüssel, vor allem dann,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 67

wenn er an ihnen wie an einem Dogma festhält und diese in die Regierungsverhandlungen einbringt.

1 Milliarde durch vier zu dividieren und zu sagen, ein Viertel Strukturmaßnahmen, ein Viertel Me­dikamentenkosten, ein Viertel Selbstbehalte und ein Viertel Beitragserhöhungen, das ist zwar eine simple Volksschulrechnung – dividiert durch vier bei einer runden Zahl von 1 Milliarde ist nicht ungeheuer schwierig –, aber trotzdem wird das Ganze nicht klüger, weil die ÖVP und ihre Landeshauptleute in ihrem Sektor bezüglich Strukturmaßnahmen, die in den Ländern statt­finden müssen – bei zehn unterschiedlichen Gesetzen in Österreich ist das ein Auswuchs an Föderalismus, muss ich ernsthaft und mit Nachdruck sagen –, dafür Sorge tragen werden, dass sich dieser Einsparungseffekt nicht in dieser Legislaturperiode zu Buche schlagen wird. Dafür spre­chen die Finanzausgleichsverhandlungen und die Staatvertragsbestimmungen mit den Artikel-15a-Vereinbarungen. Da hat sich die ÖVP zurückgelehnt und gesagt: Die Grünen müs­sen das tragen, die Sozialdemokraten müssen das tragen, wir würden zwar gerne et cetera. – Und so war es bei vielen Punkten.

Schüssel hat auch übersehen, dass wir an dritter Stelle in der Welt liegen, was die private Fi­nan­zierung des Gesundheitssystems betrifft. Nach den USA mit über 55 Prozent und den Nie­derlanden mit 32 Prozent liegt Österreich bereits bei über 30 Prozent an dritter Stelle in der Welt. Und dass dann eine Wirtschaftspartei, die Rosstäuscherei betreibt, ohne zu erröten – die­se Farbe würden Sie gar nicht im Gesicht zu tragen wagen – von Steuerentlastungen spricht, aber von den Leuten Geld anderswo abkassiert und sagt, ich, Staat, bin dazu nicht fähig, mich geht das nichts an, wer krank ist, ist selbst schuld, ist kühn.

Zu meiner Vorrednerin. Die Eigenverantwortung soll nicht so weit gehen, dass Leute, die ohne ihre Schuld krank werden, zum Beispiel bei Pockenbefall, zur Kasse gebeten werden. Krankheit tritt oft schicksalhaft auf. Ich bin dafür, ein möglichst dichtes Recht für Gesundheit und Schutz vor Krankheit zu verankern, aber die Pflicht zur Gesundheit wäre meiner Meinung nach etwas zu exerzierplatzmäßig. Das wünsche ich mir nicht, da fehlt mir allerhand an Solidarität.

Ganz zum Schluss, weil es Kollege Stummvoll „sehr gerne“ hört – das war jetzt zynisch – oder eben nicht so gerne hört: Das Kassendefizit ist aus folgenden Gründen entstanden: Das Brutto­inlands­produkt ist stärker gewachsen als Löhne und Gehälter. Aus Löhnen und Gehältern resultieren natürlich die Einnahmen der Kassen. Die Ausgaben der Kassen haben sich in etwa wie das Brutto­inlandsprodukt nach oben bewegt, also wie die Gewinne aus Wirtschaft, Kapital, Grund, Boden, Besitz, Sparbüchern und was Sie sonst noch anführen wollen.

Und wer ist für das Lohnniveau verantwortlich? Sind es wirklich die Kranken, die darüber befin­den können ... (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht die Regierung!) – Nicht die Regierung, aber die Wirt­schaft vielleicht ein bisschen, oder? (Abg. Dr. Stummvoll: Einen Vertrag machen immer zwei! Gewerkschaften und Arbeitgeber!) – Und die Gewerkschaften wollen weniger, und Sie bieten mehr. Also das ist eine neue Verhandlungstaktik von Ihnen, aber bitte, wenn Sie das glauben!

Dann sind den Krankenkassen 2,5 Milliarden Schilling zusätzlich von der Regierung aufge­bür­det worden. Das wissen Sie. Arbeitgebern werden die Zahlungen gestundet, sie müssen später zahlen, Arbeitgeberbeiträge werden gesenkt, Krankenkassen müssen auch private Kranken­an­stalten finanzieren, übernehmen die Bundeszuschüsse im stationären Bereich, übernehmen die Bundeszuschüsse bei der Bauernkrankenkasse. Stimmt das nicht? Das stimmt schon! (Abg. Dr. Stumm­voll: Das ist ein Teil der Wahrheit!)

Ein Teil der Wahrheit, aber ich glaube, dieser Teil der Wahrheit genügt, damit Sie Ihre Verant­wor­tung mit übernehmen müssen. Ich hoffe wirklich, Kollege Rasinger, dass es diesmal keine Kehrt­wendung gibt. Ich würde sogar Schüssel darum ersuchen, dich einmal in das Verhand­lungsteam aufzunehmen, sodass auch ein Gesundheitssprecher für die ÖVP verhandelt. Das wäre vielleicht kein übles Zeichen. (Abg. Dr. Rasinger: Wir wollten lauter Tiroler verhandeln las­sen!)

Vielen Dank für das Kompliment an Tirol. – Damit ende ich. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

12.38



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 68

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte.

12.38


Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf kurz auf die Ausführungen meines Vorredners eingehen und zu dem Tagesordnungspunkt, bei dem es um eine Änderung des Arzneimittelgesetzes geht, zu­rückkommen. Ich möchte sagen, dass wir uns dessen bewusst sein müssen und auch be­wusst sein können, dass Österreich ein seit langem leistungsfähiges Gesundheitssystem hat, welches einen internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht. (Rufe bei der SPÖ: Noch!) Das sollte man hier auch einmal laut sagen und nicht nur immer Ängste schüren.

Es gilt, dieses Gesundheitssystem auch in schweren Zeiten zu erhalten. So zeigt eine Umfrage von Eurostat – ich muss anscheinend den Nagel auf den Kopf getroffen haben, sonst würden Sie nicht widersprechen (Abg. Gradwohl: Sie arbeiten heftig daran, dass sich das ändert!) –, dass nahezu 72 Prozent der österreichischen Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung sehr zu­frieden beziehungsweise zufrieden sind. (Abg. Silhavy: Noch!) Ich glaube, dass man Um­fra­gen, die die SPÖ auch manchmal zitiert, schon ernst nehmen soll. Damit liegt Österreich in der EU auf einer Zufriedenheitsskala nach Finnland an der zweiten Stelle. (Abg. Gradwohl: Noch, Frau Kollegin!) – Warten Sie ab! Sie von der SPÖ sind ja nicht eingestiegen. Sie haben nicht mit­getan, wir werden das Beste daraus machen.

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne müssen wir mit allen Mitteln versuchen, diesen Wert auch in einem Katastrophenfall, von dem wir hoffen, dass er nicht eintritt, zu halten. Wir ha­ben die moralische Verpflichtung, die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher auch in den angesprochenen Situationen zu gewährleisten, denn die Bevölkerung schenkte zu­min­dest uns von der ÖVP großes Vertrauen. (Beifall bei der ÖVP.)

Mein Kollege Rasinger hat schon angeschnitten, dass realistischer Weise der Ernstfall nie ein­treten wird, dass wir aber im Hinterkopf haben müssen, dass es offiziell noch zwei Labora­torien gibt, eines in Atlanta und eines in Russland, in denen es die erwähnten Viren gibt. Wir brauchen uns wahrscheinlich vor den Amerika­nern und vor den Russen nicht zu fürchten. Die Amerikaner werden ihre Pocken­virenbe­stände nicht vor den Russen vernichten und umgekehrt. Wir müssen aber bedenken, dass es Pro­bleme viel­mehr bezüglich kleiner Staaten und terroristischer Organisationen gibt, die eventuell über Ressour­cen dieses Virus verfügen. Jedenfalls sagen das die Geheimdienste, wenn man nach­liest.

Die Hemmschwelle, ein biologisches Kampfmittel in Umlauf zu bringen, ist bei diesen Organi­sa­tionen deutlich niedriger als bei den USA oder Russland. Dass der alte Impfstoff zu viele und zu schwere Nebenwirkungen hatte, haben wir auch schon gehört. Dieser Impfstoff wurde auch schon für die Ausrottung der Krankheit verwendet und ist dementsprechend älterer Herkunft. Das heißt, dass man seit dem 11. September 2001 erst jetzt wieder an Prophylaxen arbeitet. Auch wir müssen daran denken, dass wir diesbezüglich einiges umsetzen müssen.

Meine Damen und Herren! Es darf jedoch keine Hysterie unter der Bevölkerung verbreitet wer­den. Jeder soll wissen, dass Österreich ausgezeichnet auf den Ernstfall vorbereitet ist. Ich möch­­te noch einmal erwähnen: In ein bis zwei Wochen werden mobile Ärzte- und Sanitäts­teams in allen Bundesländern zur Verfügung stehen, die im Bereich Verdachtsdiagnostik ge­schult werden.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass wir nun einen Impfstoff zur Verfügung haben, der qualitativ viel fortschrittlicher ist als der frühere. Die heutige Beschlussfassung kann als kleiner, aber wichtiger Schritt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, als eine respektive Vor­sorge gesehen werden. Dass diesmal alle vier Parteien zustimmen, ist, so denke ich, ein positi­ves Signal und ich hoffe, dass das in Zukunft mit einer neuen Regierung auch öfter passieren wird. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 69

12.43


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Scharer. – Bitte.

12.43


Abgeordnete Erika Scharer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Der vorliegende Vier-Parteien-Antrag, mit dem das Arzneimittelgesetz vor dem Hintergrund der derzeitigen weltpolitischen Lage abgeändert werden soll, macht bewusst, wie wichtig die Absicherung der Gesundheitsvorsorge und Krankenversorgung, und zwar unab­hängig vom Einkommen, der Österreicherinnen und Österreicher ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns Sozialdemokraten hat sowohl die finanzielle und politische Absicherung als auch die Weiter­entwicklung des – Frau Abgeordnete Ridi Steibl! – noch hoch entwickelten österrei­chi­schen Gesundheitssystems oberste Priorität. Strukturreformen sind eindeutig notwendig. Es muss zu einer besseren Vernetzung der Leistungsangebote kommen, um vor allem Kosten sen­kende Synergieeffekte erzielen zu können.

Meine Damen und Herren! Hohes Einsparungspotential sehen wir natürlich auch zum Beispiel bei den Medikamentenkosten, aber vor allem durch gezielte Präventivmaßnahmen in der Ge­sund­heitspolitik. Welche Einflüsse gefährden die Gesundheit? Sehr geehrte Abgeordnete der ÖVP! Ich weiß, dass ich Sie jetzt möglicherweise mit dem Thema Arbeitslosigkeit langweilen könnte, das Sie als „Mickeymouse-Thema“ bezeichnet haben, aber ich möchte Sie darauf auf­merk­sam machen, welche Folgen daraus entstehen. Derzeit sind 304 000 Österreicherinnen und Österreicher arbeitslos, davon 47 100 Jugendliche und 90 000 Ältere, das heißt, Leute über 45 Jahre.

Meine Damen und Herren! Die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt macht Menschen, die arbeitslos sind oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind, Angst. (Ruf bei der ÖVP: Angst macht die SPÖ!) Wenn wir der Jugend keine Perspektiven auf Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäfti­gungs­möglichkeiten geben, endet dies in Orientierungslosigkeit und viel zu oft in Suchtabhän­gig­keiten.

Armut schafft mögliche Barrieren im Gesundheitssystem. Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Auf „nur“ 13 Prozent von Armut Betroffene können wir keinesfalls stolz sein. Vergessen Sie nicht die Dunkelziffer! (Beifall bei der SPÖ.)

Immer mehr Beschäftigte werden gemobbt, immer mehr nehmen aus Angst vor Verlust ihres Arbeitsplatzes den Krankenstand nicht mehr in Anspruch. Der Anteil jener Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die krankheitsbedingt in Pension geschickt werden, steigt permanent. Des­halb ist es unumgänglich, dass die Bedingungen an den gesundheitsunfreundlichen Arbeits­plätzen verbessert werden. Dies kann besonders auch durch eine bessere betriebsinterne me­di­zi­ni­sche Vorsorge erzielt werden. Allein die Ausgaben für Pensionen aus dem Versiche­rungs­fall der geminderten Arbeitsfähigkeit kosten ein Vermögen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angst, Orientierungslosigkeit, Mobbing und Armut sowie gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen machen krank und verursachen hohe Kos­ten. Arbeitsplatzsicherung, Jugendbeschäftigungsmaßnahmen, Armutsbekämpfung und ge­sunde Arbeitsbedingungen tragen dazu bei, Versorgungskosten erst gar nicht entstehen zu las­sen. Bei einer Reform ist es unter anderem daher sehr wichtig, besonderes Augenmerk auf eine qua­litativ hochwertige Gesundheitsvorsorge zu legen. Der Weg, den die ÖVP heute in den „Salz­burger Nachrichten“ beschreibt und vorschlägt, ist alles andere als sozial. (Anhaltender Bei­fall bei der SPÖ.)

12.48


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Frei­willi­ge Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.48


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Kollegen der SPÖ etwas weni­ger Zeitung lesen und sich mehr mit den Problemen des Staates auseinander setzen würden, dann könnten wir uns hier viele dieser Diskussionen ersparen. (Beifall bei den Freiheitlichen. –


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 70

Abg. Reheis: Schauen Sie in Ihre eigenen Reihen!) – Schreien ist eine Stärke, das stimmt, Furcht eine Schwäche.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im letzten Gesundheitsausschuss mittels Vier-Parteien-Antrag darüber abgestimmt, auch die Freigabe von nicht zugelassenen Arzneimitteln im Extremfall durchzusetzen. Ich möchte hier erwähnen, dass bereits im Arzneimittelgesetz der letzten Legislaturperiode festgestellt wurde, dass diese Freigabe im Einsatzfall für Soldaten ge­startet wird, und ich bin davon überzeugt, dass es deshalb jetzt zu einer Verbesserung kommen wird, weil es auch die österreichische Bevölkerung verdient geschützt zu werden, sobald irgend­eine Gefahr oder eine Bedrohung besteht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte noch einmal erwähnen, dass es hier nicht nur um ein Mittel gegen Pocken geht. Nein! Es geht hier sehr wohl auch um Mittel gegen jegliche Bedrohungen. Es geht hier sehr wohl auch um die Freigabe von Arzneimitteln in den verschiedensten Bereichen.

Ich muss aber auch sagen, dass ich sehr positiv – ich betone das: sehr positiv! – überrascht bin, wie konstruktiv die SPÖ und die Grünen bei diesen Anträgen mitgewirkt haben. Es sind dies die­se politischen Sternstunden, in denen alle hier im Nationalrat vertretenen Parteien bereit sind, für die Sache und für die Menschen zu arbeiten. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Liebe Kollegin! Wenn Sie reden wollen, dann kommen Sie bitte heraus, dann spreche ich gerne mit Ihnen darüber. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Es ist nur so, liebe Kollegin: Diese Sternstunden sind leider meistens nur Sternschnuppen, denn leider – das hat sich in der vergangenen Legislaturperiode sehr oft gezeigt –, wann immer es um sachpolitische Themen geht, ist die SPÖ ... (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Frau Kollegin Trunk ist auch wieder hier. (Abg. Mag. Trunk: Immer!) Das freut mich! Das freut mich besonders! Ich sehe sie sehr oft hier. (Abg. Mag. Schweitzer: ... auf der Intensivstation! – Ge­genrufe bei der SPÖ.) – Vielleicht darf ich fortfahren, ihr könnt euch alle später noch zu Wort melden.

Das ist dann sicherlich, wie Herr Kollege Lackner bewiesen hat, eben nur eine Sternschnuppe, weil sofort wieder zu dieser Parteipolemik übergegangen wird. Anstatt über Gesundheit zu spre­chen, wird über Arbeitsplätze gesprochen. Mich wundert es wirklich, dass nicht bereits wieder über Abfangjäger und Regierungsbeteiligungen gesprochen wurde. Aber das werden wir ja am Nachmittag erleben.

Ich möchte an dieser Stelle an alle appellieren, dass die Gesundheitsthematik Vorbildwirkung ha­ben soll. Die Gesundheitsthematik soll und muss Vorbildwirkung für alle hier im Nationalrat ver­tretenen Parteien haben. Wenn wir bei wichtigen Themen nicht das Wohl des Volkes vor unsere Privatinteressen und vor unsere Parteiinteressen stellen, dann wird die Bevölkerung nicht nur über die eine oder andere Partei lachen, dann wird sie über alle Parteien lachen. Das möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben, weil ich davon überzeugt bin, dass wir es in der jetzigen Zeit brauchen könnten, Einigkeit in wichtigen Fragen zu zeigen.

Da bin ich schon ein wenig verwundert, denn im Jänner bin ich hier gesessen und alle haben gemunkelt: Schwarz und Grün werden in eine Regierung gehen. Es hat sich eine breite Front dagegen aufgetan. Jetzt wird gemunkelt: Schwarz und Blau werden in eine Regierung gehen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie doch einmal die Verhandlungen zu Ende gehen! Kaffeesud lesen und Knochen werfen sind hier nicht gefragt! (Beifall bei den Frei­heitlichen.) Nur mit konstruktiven Verhandlungen wird es ein Ergebnis geben.

Ich als kleiner Vertreter meiner Fraktion wage noch nicht zu behaupten, wie es ausgehen wird. Sie scheinen es ja zu wissen. Entweder haben Sie gute Informanten oder Sie sind nur traurig dar­über, dass Sie aus dem Rennen sind.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 71

Abschließend, werte Kolleginnen und Kollegen, möchte ich die Zeit auch nutzen, um noch ein­mal zum Thema Gesundheit zurückzukommen. Das ist nämlich das Thema der momentanen Dis­kussion. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja! Genau! Sie haben es erkannt! Super!)

Ich glaube, es ist an der Zeit, dass auch einmal jemand hier das Wort für unseren Minister er­greift, denn Gesundheitsminister Herbert Haupt war es, der in den letzten Jahren, egal, wie kom­pliziert die Sache war, egal, wie dringend und vordringlich die Probleme in der Republik wa­ren, immer einen kühlen Kopf bewiesen hat. Minister Haupt war es, der immer zur Stelle war, wenn es Probleme gegeben hat – sei es die BSE-Problematik oder seien es anderen Dinge. (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich deponiere abschließend einen Wunsch: Egal, wie die Re­gie­rungsbildung ausgehen wird, und egal, wer in Zukunft die Geschicke dieses Landes leiten wird, ich hoffe, dass Herr Minister Haupt dort eine tragende Rolle spielen und weiterhin dafür sorgen wird, dass unser Gesundheitssystem auch in Zukunft machbar, leistbar und finanzierbar bleibt. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol.)

12.54


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

12.54


Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Vorweg möchte ich ein paar Worte zu den Ausführungen der Vorredner anbringen. Ich glaube, wir haben in Österreich eine Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass wir auch weiterhin dieses hohe Niveau in der Gesundheitsversorgung halten können, aber das muss auch finanzierbar sein.

Es hat keinen Sinn, dass man von dieser Stelle aus Zeitungsberichte dementiert, bringt und wie­der dementiert, sondern ich glaube, dass es vorwiegend an uns liegt, dass wir im Gesund­heits­ausschuss konstruktiv zusammenarbeiten, damit wir dieses hohe Gesundheitsniveau in Österreich auch künftig halten können.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Die heute zur Beschlussfassung vorliegende Gesetzes­änderung ist auf Grund der derzeitigen angespannten weltpolitischen Situation, aber auch auf Grund der zunehmenden terroristischen Bedrohungsszenarien auf verschiedene Art und Weise von großer Wichtigkeit.

Dass dieser Gesetzesantrag von allen vier Parteien unterstützt und getragen wird, zeigt, dass in diesem Hohen Haus mit großer politischer Verantwortung zum Schutz der Bevölkerung gear­beitet und agiert wird. Man kann zwar sagen, dass die tatsächliche Bedrohung – kriege­rische und terroristische Bedrohung – für unser Land als gering einzuschätzen ist, aber sie ist nicht aus­geschlossen und kann nicht ausgeschlossen werden. Es muss uns aber auch bewusst sein, dass bakteriologische und chemische Waffen keine Landesgrenzen kennen. Im Zuge des ho­hen Reiseaufkommens, das es weltweit gibt, ist es nicht ausgeschlossen, dass, auch wenn die­se Waffen woanders eingesetzt werden, diese auch Auswirkungen auf unser Land haben.

Der jetzige Anlassfall, nämlich die Möglichkeit einer breiten Pockeninfektion, war ausschlagge­bend für diese Gesetzesänderung. Das zuständige Ministerium und die Bundesregierung haben die­sem Risiko sofort Rechnung getragen und durch die Anschaffung von Impfstoffen Vorsorge getroffen. Seit über 20 Jahren gibt es in Österreich keine Pockenimpfungen mehr, und daher war es auch notwendig, Impfstoffe in dieser Menge einzulagern. Tatsächlich wären die Impf­stof­fe, auch wenn sie gelagert gewesen wären, schon lange veraltet und eine optimale medizi­ni­sche Versorgung wäre sicherlich nicht gewährleistet.

Was beinhaltet diese Gesetzesänderung? – Erstens: dass in Notsituationen und in Katastro­phen­fällen Arzneimittel und Impfstoffe angewandt werden können, die in Österreich nicht oder noch nicht zugelassen sind, in anderen Ländern aber erprobt sind und deren Anwendung als un­be­denklich einzustufen ist. Voraussetzung ist aber, dass in Österreich zugelassene Medika­mente oder Impfstoffe nicht oder in nicht ausreichender Menge zur Verfügung stehen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 72

Zweitens: Die Ausweitung des Direktbezuges von Arzneimitteln durch Gebietskörperschaften vom Hersteller oder Großhändler auch bei Katastrophen, Krisen und Kriegssituationen und die Entge­gennahme von Schenkungen bei derartigen Notsituationen sind eine vernünftige und unbürokratische Vorgangsweise.

Es geht bei dieser Gesetzesnovelle um einen zentralen Bestandteil politischer Verantwortung, näm­lich um die zivile Landesverteidigung und den Zivilschutz. Der Zivilschutz greift aber nur dann, wenn in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür vorhanden ist und schon vor einem mög­lichen Ereignis die entsprechenden Maßnahmen geplant und geübt werden. Der politischen Verantwortung wurde hier Rechnung getragen, und die Sicherheit der Menschen in diesem Lande muss auch jederzeit in unserem Gesamtinteresse stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.59


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Spindelberger. – Bitte.

12.59


Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte eingangs gleich auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Scheuch eingehen, weil ich glaube, dass nicht immer nur die lauteren Argumente die besseren sind, sondern wir sollten uns schon an Ta­ten messen. (Abg. Mag. Mainoni: Manche können lauter reden!)

Ich freue mich, dass gerade bei meiner ersten Rede im Plenum ein wichtiger Schritt passiert, nämlich eine Vier-Parteien-Einigung, bei der es darum geht, die Versorgung mit Pockenimpf­stoff zu gewährleisten. Das ist für die österreichische Bevölkerung wichtig.

Aber wenn ich jetzt auf das Gesundheitsthema eingehe, dann erlauben Sie mir ein Zitat, das lautet: Gleichgültigkeit jeder Art ist verwerflich, sogar die Gleichgültigkeit gegen uns selbst. – Es stammt von niemand Geringerem als von Marie von Ebner-Eschenbach. (Abg. Mag. Schweit­zer: Das heißt: von keinem Geringeren!)

Genauso habe ich die Politik, die Gesundheitspolitik der letzten drei Jahre erlebt. Das muss ich sagen, wenn es darum geht, Ihre Leistungen jetzt wirklich einmal zu messen.

Und wenn es heißt „Furcht ist Schwäche“, dann, muss ich sagen, bin ich schwach, denn ich fürch­te mich, wenn dieser Kurs der letzten drei Jahre, dieser Stil der sozialen Kälte in der Form fort­gesetzt wird, dass man ausschließlich darangeht, die Krankenkassen auszuhungern und den Versicherten mit so genannten neuen Reformen immer mehr in die Tasche zu greifen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Kein Deut war in der abgelaufenen Legislaturperiode bemerkbar, dass man wirklich die Absicht hat, mit Kompetenz daranzugehen, das bestehende Pflichtversicherungssystem zu stärken und auf gesunde finanzielle Beine zu stellen. Hätten Sie sich wirklich intensiv mit der Materie der So­zialversicherung, ja mit dem gesamten Gesundheitswesen auseinander gesetzt, dann wür­den wir nicht heute tagtäglich in den Medien lesen, wie ruinös die Krankenkassen zum Beispiel sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Ihr Verschulden, nicht unseres!) Anstatt stolz zu sein, dass Österreich eines der besten, effizientesten und billigsten Gesund­heitssyste­me hat – aus einer Studie der WHO, in deren Rahmen 1 991 Staaten überprüft wurden, geht hervor, dass Österreich an hervorragender neunter Stelle liegt –, machen Sie immer wieder mit einseitiger Polemik eine Politik, in der Sie gegen die Pflichtversicherung auftreten, und führen tagtäglich unnötige Diskussionen über Selbstbehalte. Wenn es auch heißt, man darf nicht alles glauben, was in den Zeitungen steht (Abg. Steibl: Was ist Ihnen in der steirischen Gebietskrankenkasse passiert?), es stimmt nicht alles, was in den Zeitungen steht, dann meine ich aber doch, dass sie gut informiert sind, wenn sie darüber berichten, dass die Versicherten in Zukunft für den Be­such beim Praktiker 5 € und beim Facharzt 10 € bezahlen sollen, unter dem Motto „Darf es für die Kranken ein bisserl mehr sein?“. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn über­nimmt den Vorsitz.)

Was heute gefragt wäre, wäre meiner Ansicht nach nicht täglich ein Spiel mit den Ängsten der Kran­ken, sondern etwas anderes: Wir brauchen einen sozialen Frieden und einen möglichst


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 73

fairen und chancengleichen Zugang zu unserem Gesundheitswesen. Denn immerhin reden wir über das wichtigste Gut des Menschen, und das ist nun einmal die Gesundheit. Die Politik der letzten drei Jahre war für mich katastrophal, was das anlangt. (Zwischenruf der Abg. Steibl.) Allein durch Maßnahmen der Bundesregierung – es wäre gut gewesen, hätten Sie auch dem Ab­ge­ordneten Grünewald zugehört – ist den Kassen ein Abgang von 185 Millionen € entstan­den, und zusätzlich, weil das noch zu wenig ist, wurden Belastungen für die Versicherten im Aus­maß von 120 Millionen € beschlossen. Das ist eine Politik, die Sie nicht wahrhaben wollen, und, um auf Marie von Ebner-Eschenbach zurückzukommen, eine Politik der Gleichgültigkeit, wenn es um das Gesundheitswesen und die kranken Menschen geht. (Beifall bei der SPÖ. – Neu­erlicher Zwischenruf der Abg. Steibl.)

Gehen Sie endlich einmal daran, das bestehende gute System nicht finanziell krank zu reden, sondern finanziell zu konsolidieren und den Anforderungen der Gegenwart und der Zukunft an­zu­passen! Wir haben genug Vorschläge, die nicht einseitige Klientelpolitik, die nicht einseitige Parteipolitik sind, auf den Tisch gelegt. Zeigen Sie, dass Sie Reformwillen haben! Senken Sie den Preis von Arzneimitteln zum Beispiel auf EU-Niveau! Verstärken Sie durch Maßnahmen das Projekt „Arzneidialog“, begrenzen Sie aber auch die Ausgaben im Bereich der Ärzte! Da gibt es viele Punkte, zum Beispiel Preiskontrollen bei Medikamenten auf EU-Ebene.

Bekennen Sie sich auch zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in Österreich, denn allein dadurch könnten schon Milliarden eingenommen werden! Allein durch diese Maßnahme wären 540 Milli­onen € zu lukrieren. Wir bräuchten nicht jeden Tag den Leuten ins Taschel zu greifen, so wie Sie es derzeit tun.

Spielen Sie nicht Problemverursacher, sondern packen Sie endlich die Probleme an!

Damit ich keinen Ordnungsruf bekomme, Herr Präsident, zitiere ich jetzt eine APA-Aussendung des Wiener Ärztekammerpräsidenten von heute, die mir gerade zugekommen ist. „Der Wiener Ärztekammerchef fordert die zukünftige Regierung auf, eine konstruktive Gesundheitspolitik“ im Sinne des Solidargedankens anstatt ideenlose Geldeintreibungsaktionen auf Kosten kranker Menschen „zu machen“.

Dorner weiter: „Wenn das alles ist, was der neuen Regierung in Sachen Gesundheitspolitik ein­fällt, und möglicherweise noch Ähnliches dazukommt, dann erkläre ich sie jetzt schon für krank.“ (Beifall bei der SPÖ.)

13.05


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Höllerer. – Bitte.

13.06


Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, dass ich auch gleich am Anfang auf die Diskussion des öster­reichischen Gesundheitssystems eingehe.

Österreich hat ein sehr leistungsfähiges Gesundheitssystem – das wurde auch von all meinen Vor­rednern entsprechend betont –, das auch im internationalen Vergleich sehr gut abschneidet. Selbstverständlich ist die Finanzierbarkeit in Diskussion, und die ÖVP scheut sich nicht, dieses heiße Eisen anzugreifen. Wir wissen, dass Reformen notwendig sind, um die Absicherung des so gut funktionierenden Gesundheitssystems auch für künftige Generationen gewährleisten zu kön­nen. Es sind Reformen notwendig, da darf es keine Tabuthemen geben. Man muss überall nach­fragen und nachforschen, wo man mit Reformen ansetzen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren der anderen Fraktionen! Sie werden in diesem Haus noch Zeit genug haben, dieses Thema eingehend zu diskutieren.

Zum heutigen Thema, zum Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz geändert wird. Heim­­­­tücki­sche Terrorangriffe mit Pockenviren – das ist ein Horrorszenario, vor dem derzeit welt­­­weit viele Menschen Angst haben. Wir wissen, dass wir dieses Risikopotenzial nicht als ge-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 74

ring einschätzen dürfen, dass aber Panikstimmung selbstverständlich nicht angesagt ist. Es ist der Konflikt zwischen den USA und dem Irak, der sich zuspitzt und der natürlich eine umfas­sen­de Anpassung des Arzneimittelgesetzes auch in Österreich angesichts der derzeitigen welt­politischen Situation als dringend notwendig erscheinen lässt.

Viele europäische Länder haben bereits für diesen Ernstfall, der eventuell passieren könnte, Vor­­sorge getroffen. Bioterror – das ist das Schlagwort, das eine Zeit lang unsere Zeitungstitel be­­herrscht hat. Wir reden hier bei dieser Gesetzesänderung von Pockenimpfstoff, der von der Bundesregierung unter Bundeskanzler Schüssel in der ersten Tranche bereits im Dezember 2002 angeschafft wurde. Es werden noch weitere Tranchen folgen. Es ist ein Pockenimpfstoff der modernen, der neuen Generation, der wesentlich weniger Nebenwirkungen aufweist als der alt­bekannte Pockenimpfstoff, der zurzeit auch gar nicht erhältlich wäre, da er als ausverkauft gilt.

Auch wenn hier angeschnitten wurde, dass Pocken lediglich eine Variante von Biowaffen sind, die eventuell zum Einsatz kommen könnten, so muss ich doch darauf hinweisen, dass die Pocken­erkrankung eine Erkrankung ist, die in sehr kurzer Zeit einen sehr großen Personenkreis erwischen könnte, da Pocken sehr stark ansteckend sind. Es ist daher notwendig, dass Öster­reich in einem Ernstfall sehr rasch und flexibel reagieren kann.

Zu den Nebenwirkungen und zu der Tatsache, dass der Impfstoff, der jetzt angekauft wird, noch nicht zugelassen und endgültig erprobt ist, möchte ich nur sagen, dass die Nebenwirkungen bei dem altbekannten Impfstoff sehr gewaltig waren. Vielleicht darf ich auf Grund eigener Be­trof­fenheit hier reden. Mein Sohn, der 1974 geboren wurde, wurde im Alter von zwei Jahren gegen Pocken pflichtgeimpft. Es kam zu einer sehr sensiblen Überreaktion. Nach Fieberschüben bilde­ten sich Blasen auf der Zunge und in der Mundhöhle und in weiterer Folge auch auf anderen Körperteilen. Er musste eineinhalb Wochen im Krankenhaus St. Pölten stationär aufgenommen wer­den und war dort in einem sehr abgeschirmten Raum weitab von anderen Stationen in einem Gitterbett mit Lederriemchen, so wie sie auch zur Sicherung der Kinder in Kinderwagen ge­braucht werden, festgemacht. Seine Hände waren mit engmaschigen Netzen umwickelt, da­mit er sich nicht selbst kratzen und sich am Körper verletzen konnte.

Die Kleidungsstücke mussten verbrannt werden, Spielzeug musste entsorgt werden, die Familie musste gegen Pocken neuerlich geimpft werden. Für mich als junge Mutter war das eine sehr schwie­rige Situation, da auch Folgeschäden zu dieser Zeit noch nicht ausgeschlossen waren. Mein Sohn hat diese Erkrankung ohne weitere Folgen bestens überstanden. Er war damals eine von 1 000 geimpften Personen, die so empfindlich auf diesen Impfstoff reagiert haben.

Seit 1977 gibt es keine Pocken-Impfpflicht in Österreich. Pockenviren gelten weltweit als aus­ge­rottet. Umso bedenklicher ist es natürlich jetzt, dass wir auf Grund der Terror- und Kriegs­bedro­hungen in Europa wieder dafür gerüstet sein müssen, dass eventuell Pockenviren wieder in unser Land und nach Europa gebracht werden könnten.

Ich persönlich begrüße den Ankauf dieses modernen Medikamentes, das wesentlich weniger Nebenwirkungen aufweist als der herkömmliche Impfstoff. Ich hoffe natürlich, dass es eine Vor­sor­gemaßnahme bleiben kann, dass dieser Impfstoff nie zum Einsatz kommen möge und dass es nicht notwendig wird, auf einen eventuellen Terroranschlag zu reagieren.

Dieser Vierparteienantrag wird hier im Parlament sicherlich beschlossen werden. Von ÖVP-Seite her ist selbstverständlich die Zustimmung gewährleistet. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

13.11


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Stadlbauer. – Bitte.

13.12


Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mit diesem Gesetz treffen wir Vorkehrungen, die Bevölkerung unter anderem im Falle von terroristi-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 75

schen Anschlägen beziehungsweise kriegerischen Auseinandersetzungen zu schützen. Das ist durchaus löblich. Und es ist natürlich unsere Pflicht, die österreichische Bevölkerung im Krisen­fall zu schützen. Das ist auch der Grund, warum die SPÖ gemeinsam mit den anderen drei Parla­mentsparteien diesen Antrag beschließen wird.

Aber – und das ist ein ganz großes Aber – ist es nicht noch viel wichtiger, dass sich die österrei­chische Bundesregierung, falls es jetzt bald endlich wieder einmal eine neue gibt, denn – zur Erin­nerung – wir haben vor ungefähr hundert Tagen gewählt und es ist noch immer die alte im Amt (Beifall bei der SPÖ), dafür einsetzt, dass es zu keinen kriegerischen Auseinandersetzun­gen kommt? Gerade jetzt wäre die Nagelprobe, und ich freue mich wirklich sehr, Frau Außen­ministerin, dass Sie wieder hier sind, weil ich doch einige Fragen an Sie habe und ich schon be­fürchten musste, dass Sie möglicherweise nicht die Gelegenheit haben, diese auch zu be­antworten.

Jetzt, während der Irak-Krise, wäre die Nagelprobe gegeben. Mir kommt es zurzeit eher so vor, als ob die maßgeblichen Personen wie die Kaninchen vor der Schlange säßen und sich nicht po­sitionierten. Das haben wir auch heute wieder in der Aktuellen Stunde gesehen und gehört. In aller Eile, fünf Minuten vor zwölf, quasi fünf Minuten vor einem möglichen Kriegsbeginn, wird noch schnell eine Aktuelle Stunde abgehalten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Präsident Bush wird auf Ös­terreichs Ratschläge warten! Ich bin ganz überzeugt davon!) Ich denke, dass das nur deshalb war, damit das Gewissen der Regierung beruhigt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber die österreichische Tradition einer Außenpolitik, die aktive Friedenspolitik einbringt, dieser Weg ist verlassen worden. Diesen Weg kann ich leider nicht mehr sehen. (Abg. Dr. Ferrero-Wald­ner: Sie haben nicht zugehört!)

Meine Damen und Herren! Wenn dieser Krieg stattfindet, werden wie bei allen Kriegen Men­schen sterben, Menschen verletzt werden, Menschen ihre Angehörigen verlieren und für ihr wei­te­res Leben traumatisiert sein. Kurz: Menschen werden unendliches Leid erleben. In erster Linie werden es Frauen und Kinder sein, aber auch die Männer, egal, ob als Angehörige der Mili­tärs oder als Zivilpersonen. Krieg ist kein taugliches Instrument, Konflikte zu lösen. – Das ist es, was die Bevölkerung, auch die österreichische Bevölkerung von uns und von der Bun­des­regierung hören will. Aber da bleibt die Regierung stumm. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Was?) Die Botschaft der heutigen Aktuellen Stunde war: Ja, Krieg ist etwas Schreckliches, aber das können wir nicht verhindern, und dieses Aber war leider auch sehr groß geschrieben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erinnere nur an die Aussage des Herrn Verteidigungsministers. Er hat gesagt, militärische Ein­sätze können nicht verhindert werden. Und ich erinnere daran, dass die Frau Außen­minis­terin sich wieder einmal nicht positioniert hat und wieder einmal abwartet, was die anderen ma­chen. Sie ziehen sich aus der Verantwortung, und Sie beantworten nicht unsere Fragen: Wo sind Ihre Aktivitäten, um diesen Krieg zu stoppen? Wo sind Ihre Initiativen? Was haben Sie im Rah­men der EU gemacht, und vor allem was sind die Ergebnisse Ihrer Reisen, außer den Spe­sen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag geben wir der Bevölkerung wieder ein Sig­nal, das sagt, wir sorgen vor, dass wir im Krisenfall gerüstet sind. Wenn etwas passiert, dann ha­ben wir vorgesorgt. Das finde ich auch wichtig, das trägt sicherlich auch zur Beruhigung der Bevölkerung bei, und das sind wir den Menschen auch schuldig. Aber wo bleibt Ihr Signal, wo bleibt das Signal, wir unternehmen alles, um kriegerische Auseinandersetzungen zu verhin­dern? In demselben Tempo, mit dem dieser Antrag eingebracht und beschlossen wurde, sollten alle Anstrengungen unternommen werden, diesen Krieg zu verhindern, weil es an der Zeit ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stelle nochmals ausdrücklich fest, dass es sich bei diesem Antrag um einen Vierparteienantrag handelt. Das bedeutet, wir sind uns in diesem Fall einig. Für mich ist dieser Antrag ein Symbol, und zwar dafür, dass wir als SPÖ wieder einmal be­wei­sen, dass wir nicht, so wie es ÖVP und FPÖ so gerne darstellen, stur auf Oppositionskurs sind


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 76

und grundsätzlich alles ablehnen. Nein, mit diesem Antrag beweisen wir wieder, dass wir auch in der Opposition verantwortungsbewusst mitgestalten wollen und mitgestalten werden. Wir über­nehmen Verantwortung für dieses Land und vor allem für die Menschen, die hier leben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Wa­neck. – Bitte, Herr Staatssekretär.

13.17


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Rein­hart Waneck: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich halte es nicht für sehr zweckmäßig, zu einem Tagesordnungspunkt, wo sich alle vier Parlamentsparteien ihrer demokratischen Verantwortung für die österreichische Bevöl­ke­rung bewusst wurden, also zu einem gemeinsamen Antrag, eine Gesundheitsdebatte abzu­führen. Ich kann aber nicht umhin, einige Zahlen, die offensichtlich hier im Raum beliebig oder nach Beliebigkeit verwendet werden, ein wenig zu korrigieren beziehungsweise einige Argu­men­te, die, wie ich meine, aus früheren Legislaturperioden stammen, doch etwas richtig zu stellen.

Es wurde von Selbstbehalten im Ausmaß von 30 Prozent im österreichischen Gesundheits­we­sen gesprochen. Das ist natürlich ein Unsinn. Der Anteil an persönlichen Zahlungen für Ge­sund­heits­leistungen oder -einrichtungen beträgt 30 Prozent. Jener im Bereich der Kranken­kassen beträgt 11 Prozent und wird zum Teil von den so genannten kleinen Krankenkassen mit bis zu zwischen 14 und 20 Prozent getragen, und dies seit 25 Jahren! Alles andere ist in die­sem Zusammenhang unrichtig.

Es ist auch unrichtig, dass die Krankenkassen ausgezehrt sind oder unter konkretem Finanz­mangel leiden. Das ist auch aus der vergangenen Zeit! Und wie wurde dem in den vergangenen 30 Jah­ren unter sozialdemokratischer Verantwortung begegnet? – Durch Einführung von 16 Selbst­behalten! Ich sage noch einmal: Mit 16 Selbstbehalten wurde versucht, das Gesund­heits­system zu sanieren, und trotzdem ist es am Ende des Jahres 1999 vor einem Scherben­haufen gestanden.

Was aber hat diese Regierung zuwege gebracht? Es ist heute auch schon die ständig aufge­hen­de Schere zwischen Bruttoinlandsprodukt und den Einnahmen für die Krankenkassen ange­klungen. Genau diese Entwicklung haben wir gedreht. Im Jahre 2001 betrugen die Einnahmen der Krankenkassen 4,7 Prozent, aber die Ausgabensteigerung nur 3,6 Prozent. Das nenne ich eine Effizienzsteigerung. Außerdem haben die Krankenkassen – Sie können es drehen und inter­pretieren, wie Sie wollen – ausgeglichen bilanziert.

Ich erinnere: Noch im vergangenen Jahr wurde durch einen Ihrer Altpräsidenten ein Abgang von über 650 Millionen € prognostiziert. Tatsächlich waren es 38 Millionen.

Und ich stehe auch dazu, dass diese Regierung soziale Kälte bewiesen hat, und zwar im Zu­rück­drängen von ausschließlich politisch motivierten Funktionären in den Gesundheits­einrich­tungen dieses Landes. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Gaugg! Gaugg!)

Auch besteht offensichtlich ein großer Irrtum, was den Bereich der Medikamente betrifft. Alles, was hier gefordert wurde, ist, bitte, umgesetzt! Wir haben im Jahre 2000 eine Steigerung bei den Medikamenten von 4,7 Prozent gehabt, im Jahre 2001 von 5,6 Prozent und im vergan­genen Jahr von 7,2 Prozent. Wenn alle Krankenkassen Österreichs sich an dem Modell, das wir erarbeitet haben, beteiligt hätten, wären es auch da nur 5,6 Prozent gewesen. Im Vergleich zu Europa liegt der Schnitt deutlich jenseits der 10 Prozent. Also zu glauben, dass da große Effekte zu erzielen sind, gehört auch in den Bereich der Märchen.

Nun zum in Diskussion stehenden Gesetz. Ich wurde gefragt, was noch zusätzlich geschehen ist. Ich kann hiezu feststellen, dass sich die österreichische Bundesregierung und mein Ressort


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 77

nach dem 11. September vom ersten Tag an der großen potenziellen Gefahr und Verant­wor­tung bewusst waren und von Anfang an federführend in allen Bereichen – vor allem auch inner­halb der EU – mitgewirkt haben.

Aus diesem Grunde ist es auch gelungen, in sämtlichen mehr als 600 Verdachtsfällen von Anthrax entsprechend vorzugehen. Und Sie alle wissen, dass die überwiegende Zahl dieser Fäl­le außerhalb des öffentlichen Interesses wie vorgesehen mit Einsätzen entsprechend ge­managt wurde.

Es ist auch in den anderen Bereichen Vorsorge getroffen: Gegen Cholera/Typhus ist ausrei­chend Impfstoff in Österreich vorhanden, sollte es zu einer Epidemie kommen.

Es ist ja auch dieses Gesetz nicht ausschließlich ausgerichtet auf die Pocken, es ist lediglich der Anlassfall hiefür, sondern es ist dazu gedacht, dass eben bei künftiger Bedrohung welcher Art auch immer – und das muss nicht der Bioterrorismus sein, es ist zu hoffen, dass es nicht der Bioterrorismus ist – Vorsorge getroffen ist, dass entsprechend reagiert werden kann. Es ist ja nichts Neues. Auch bisher konnte ein einzelner Arzt jedes in Österreich nicht zugelassene Me­dikament über eine so genannte Klinikanforderung, wenn er es als notwendig erachtet hat, zur Behandlung seiner Patienten auch aus dem Ausland anfordern. Das ist jetzt im Katastrophenfall beziehungsweise bei entsprechender Bedrohung auch den Körperschaften möglich. Da war eine Lücke zu schließen.

Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang noch feststellen, dass es in den vergangenen drei Jah­ren gelungen ist, das österreichische Gesundheitssystem auf einem sehr niedrigen finan­ziel­len Niveau bestens zu erhalten, Fehler zu beseitigen, Dinge zu verbessern – ich denke nur an jene Diskussion, die wir hier dazu geführt haben –, etwa was die fehlenden Strahlentherapie­plätze, die Dialyse, die Cochla-Implantationen, Thyrogen und feuchte Maculadegenerationen be­trifft. Das waren krasse Fehlentwicklungen innerhalb des Systems; wir konnten sie alle be­seitigen.

Wenn Sie jetzt zum Schluss noch vom Impfen reden, dann muss ich darauf verweisen, auch da ist es uns gelungen – im Jahre 2001 erfolgte der Beschluss, und er ist auch im Hauptverband ent­sprechend budgetiert –, dass sämtliche Säuglinge beziehungsweise Kleinkinder bis zum zwei­ten Lebensjahr eine kostenlose Impfung erhalten.

Ich glaube, das sind alles Maßnahmen, die gezeigt haben, dass wir besonnen und richtig reagie­ren und richtig vorbereiten.

Ein letztes Wort zum Pockenimpfstoff. Auch hier ist wie bei jeder Versicherung immer das Risi­ko abzuschätzen beziehungsweise auch verantwortungsvoll zu handeln. In Österreich haben wir ein Gremium, das von Experten besetzt ist, nämlich den Obersten Sanitätsrat mit seinem Impf­ausschuss, der entsprechende Richtlinien erstellt. Auf genauen Grundlagen basierend ist eine stufenweise Anschaffung dieses Impfstoffes vorgesehen, der zur Vollsicherung führt be­zie­hungsweise im Katastrophenfall diesen auch in einem Ballungsraum sofort beherrschbar macht. Das führt dazu, dass wir eine abgestufte, gesicherte Versorgung haben, die auch über einen längeren Zeitraum als fünf Jahre hinausgeht, und zwar anders als in manchen Ländern, wo ein­fach meiner Ansicht nach gedankenlos in einer gewissen Panikreaktion drauflos bestellt wur­de. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

13.24


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Ab­geordnete Silhavy. – Bitte.

13.24


Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kolle­ge Rasinger hat im Zusammenhang mit der Änderung des Arzneimittelgesetzes von Risikovor­sor­ge gesprochen. Für diese Vier-Parteien-Initiative, Herr Kollege Rasinger, stimmt das, für das österreichische Gesundheitssystem allerdings nicht. Wir wollen mit diesem Vier-Parteien-Antrag


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 78

die österreichische Bevölkerung schützen. Und es ist auch unser Ziel, die österreichische Be­völ­kerung vor der Politik zu schützen, die Sie in der vergangenen Legislaturperiode betrieben ha­ben und die Sie offensichtlich in unserem Gesundheitssystem weiter betreiben wollen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Sie, meine Damen und Herren, scheuen Reformen! Sie wollen dieses System gar nicht erneu­ern! Ein Schuldenkarussell, Herr Staatssekretär, das haben Sie in Gang gesetzt; von Sanierung überhaupt keine Rede! Weshalb mussten denn Rücklagen aufgelöst werden? Warum drohen Ihnen nun die betroffenen Versicherungsanstalten mit der Beschreitung des Rechtsweges? Kön­nen Sie uns das hier erklären, wenn Sie hier so großartig Töne schwingen von Reformen, die angeblich gemacht worden sind? (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Antworten auf die Probleme des österreichischen Gesundheitssystems, meine Damen und Herren, sind, neue Zugangsbarrieren zu schaffen: 5 € für den niedergelassenen Arzt, 10 € für den Facharzt. Was sagt die Ärztekammer dazu? – Katastrophal, Signal in die falsche Richtung, Strafgebühr und so weiter, lauten die Kommentare.

Frau Abgeordnete Rosenkranz, ich habe Ihnen zugehört, Sie haben von Solidarität gesprochen. Wie steht es denn mit der Absicht, den Krankenversicherungsbeitrag für Pensionisten auf 5 Prozent anzuheben? Haben Sie da Anleihe genommen bei Herrn Frad, der gesagt hat: Die Me­dikamentenkosten steigen auch deshalb, weil ältere Menschen in den letzten Jahren beson­ders viel brauchen? Vom Ökonomischen her wäre es gescheiter, die Maschine abzudrehen. Die Gesellschaft muss sich klar werden, was sie will.

Und wissen Sie, was jemand aus dem Publikum gesagt hat? – In Österreich darf man nicht ster­ben! So weit sind wir schon, so weit gehen die Befürchtungen der Menschen bei der Art, wie Sie in diesem Gesundheitssystem Politik machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Besonders interessant finde ich auch die geplante Zerschlagung der Allgemeinen Unfallversi­che­rungs­anstalt, wenn wir vom Gesundheitssystem reden. Sie planen die Zerschlagung, um im Gegen­zug von allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen so genannten Freizeitunfall­ver­si­che­rungsbeitrag einzuheben. Sie wollen die AUVA zerschlagen, obwohl Sie auf der an­de­ren Seite sagen, die Menschen müssen in Zukunft länger arbeiten. Neben vorhandenen Arbeits­plätzen wird es dazu wohl auch notwendig sein, dass die Menschen gesund arbeiten können. Und eine Einrichtung, die dafür Sorge trägt, ist die AUVA mit ihren Diensten, die sie in der Prävention hat. Diese wollen Sie nun zerschlagen, um weiterhin Ihren Weg zu gehen.

Sie steuern in der Gesundheitspolitik denselben Weg wie im Pensionssystem: Leistungskürzun­gen statt Modernisierung, Eigenrisiko durch Privatvorsorge. Die 30 Prozent Eigenkosten, die wir heute schon zahlen, Herr Staatssekretär, sind ja genau ein Beweis dafür, welchen Weg Sie steu­ern. Und Sie wollen sich immer weiter vom solidarischen Umlageprinzip entfernen. Sie, meine Damen und Herren, marschieren schon schnurstracks auf den vom Kollegen Grünewald zitierten Exerzierplatz zu. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Dr. Partik-Pablé hat heute im Zusammenhang mit der Behandlung des vorangegangenen Tagesordnungspunktes, nämlich der Gesetzesreparatur bei der Ausgleichszulage für Ehepaare, von Armutsbekämpfung gesprochen. Sie wollen aber nun eine Milliarde € in der Gesund­heits­politik nicht einsparen, sondern einkassieren, meine Damen und Herren! Und das ist schon inter­essant, da geht es um Einkassieren von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, da geht es um Einkassieren bei der österreichischen Bevölkerung. Vom Sparen dort, wo Sie selbst gefragt und gefordert sind, nämlich in der Regierung selbst, davon hört man nichts.

Kollege Scheuch, ich spreche gerne auch die Bundesminister an. In dieser Bundesregierung gibt es eine Vizekanzlerin und zwei Minister, die im September des vergangenen Jahres zu­rück­getreten sind. Sie amtieren heute noch, und es kostet uns alle miteinander 233 000 €. Ich denke mir, dort hätten Sie beweisen können, dass Sie tatsächlich Sparwillen haben! (Beifall bei der SPÖ.)

13.29



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 79

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

13.29


Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Staatssekretär Waneck hat sich zu Wort gemeldet und gemeint, es sei hier mit falschen Zahlen operiert worden, die er berichtigen wolle. Ich stelle einmal fest: Niemand hat gesagt, dass Selbst­behalte die Größenordnung von 30 Prozent erreicht haben. Gesagt wurde vielmehr, dass Öster­reich an dritter Stelle der Welt liegt, was private Zuzahlungen oder überhaupt Zahlungen in das Gesundheitssystem betrifft. Der öffentliche Anteil an den Gesundheitskosten ist damit von ursprünglich 80 Prozent auf 70 Prozent zurückgegangen. Das zur Wahrheit.

Interessant ist auch, dass Staatssekretär Waneck gemeint hat, bei den Medikamentenkosten seien die Einsparungspotenziale eher schon ausgelotet und ausgereizt, alles andere wären Mär­chen.

Ich hatte nicht den Eindruck, dass in den Gesprächen mit der ÖVP Märchen erzählt wurden. Aber ich habe auch keine Angst vor Märchen, die teilweise auch etwas Grausames in sich ha­ben, aber sie lassen einen doch noch ruhig schlafen. Angst habe ich vielmehr gehabt – und das wiederhole ich nochmals – vor Privatoffenbarungen einzelner maßgeblicher Personen innerhalb der ÖVP, die gemeint hätten, Selbstbehalte in der Größenordnung von 250 Millionen € wären ein taugliches Mittel für eine Sanierung des Gesundheitssystems. (Abg. Silhavy: Wie viel?) 250 Millionen €! (Abg. Silhavy: Das ist ein Skandal!)

Die Forderung lautete, 1 Milliarde sei einzusparen – das stand in der Zeitung, ich verrate keine Ge­heimnisse aus den Koalitionsgesprächen –, und man müsste diese apokalyptische Summe ganz einfach nur durch vier dividieren, und dann käme heraus, was in den unterschiedlichen vier Bereichen einzusparen wäre.

Ich habe gemeint, dass es nicht besonders intelligent sei, wenn man predigt, das österreichi­sche Volk sollte von Steuern entlastet werden, und sich dann zurücklehnt und sagt: Liebe Freun­de, ich habe euch Steuern nachgelassen, aber dafür zahlt ihr das selber und jenes selber, und da kommt noch etwas dazu! Ich sage: Dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin ist es ziemlich „Powidl“, wohin 100 € fließen, ob sie zum Staat als Steuern gehen und man das dann zu­rückbekommt oder ob man das selber an den Arzt bezahlt, etwa an die Physiotherapeuten, an die Logopädin, oder an die Universität in Form von Studiengebühren, was auch immer. Das hat schon ein bisschen etwas – ich spreche für den ländlichen Raum – mit Rosstäuscherei zu tun.

Die Hälfte dieses Einsparungspotentials wäre einnahmenseitig. Es war für Sie immer wieder tabu, einnahmenseitige Maßnahmen zu beschließen. Da möchte ich gern den Widerspruch hö­ren, den Sie ausloten. Steuern sind immer noch gerechter, weil sie einkommensabhängig alle betreffen. Selbstbehalte treffen diejenigen, die ohnehin schon durch Krankheit geschädigt sind. Das ist ein Riesenunterschied! Ich habe Ihnen schon mehrfach erklären müssen, dass ärmere und bildungsfernere Bevölkerungsschichten häufiger krank sind und früher sterben. Es trifft da­her eben jene, die durch das Leben „lackiert“ und geschlagen sind, und daher finde ich das nicht sehr gerecht.

In Ihrem Bereich, zu dem Sie gemeint haben, man könnte bei den Ländern durch überregionale Pla­nung – Leistungsangebotsplanung, Vereinheitlichung von Systemen – Strukturmaßnahmen setzen, haben Sie sich zurückgelehnt und gesagt: Das wird vor 2005 und 2006 nicht gehen, denn da gibt es den Finanzausgleich, den Föderalismus, die schwarzen Landeshäuptlinge und -innen. Das war eine ziemlich einseitige Debatte, muss ich sagen.

Nun zum Schluss: Was nie debattiert wurde, ist der Umstand, dass auch im Gesundheitssystem An­schubfinanzierungen eine Rendite bringen können. 20 Prozent der Invaliditätspensionen gibt es auf Grund psychiatrischer Diagnosen. Aber bei Psychotherapie auf Krankenschein heißt es: Na gut, Konsens, aber zahlen, das geht jetzt nicht!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 80

Über 50 Prozent der Krankenstände – das wird die Wirtschaft interessieren – sind auf Erkran­kun­gen des Bewegungs- und Stützapparates zurückzuführen. Anstatt da Maßnahmen zu setzen, zu investieren und die Rendite dann für Arbeitnehmer und Arbeitgeber und den Staat zu sehen, heißt es: Konsens, ja, aber zahlen, das wissen wir nicht, ob das geht! Ich finde das ein biss­chen dürr. Damit komme ich zum Ende meiner Ausführungen und gebe der Hoffnung Aus­druck, dass diese Dürrezeit einmal ein Ende hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.34


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 15 der Beila­gen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls Einstimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

4. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behinderten-Gleichstellungs­ge­setz (Beh-GStG) erlassen wird (14/A)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Haidlmayr. Ihre Redezeit ist wunsch­gemäß auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

(Alle Debattenbeiträge zu diesem Tagesordnungspunkt werden von einander abwechselnden Dolmetschern, die neben dem Rednerpult Aufstellung nehmen, in die Gebärdensprache über­setzt.)

13.36


Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1995, 1999 und wieder am 20. Dezember 2002 haben die Grünen einen Initiativantrag zur Schaffung eines Behinderten-Gleichstellungsgesetzes eingebracht. Bis jetzt standen wir allein da mit der Forderung, dass Menschen mit Behinderung nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens gleichgestellt werden müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber ich habe es geschafft – und darauf bin ich wirklich stolz –, dass heute ein Vier-Parteien-Antrag, nämlich der Antrag der Abgeordneten Haidlmayr, Huainigg, Haupt und Lapp, einge­bracht wird, in dem wir gemeinsam das Ziel anstreben, ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz in Österreich zu schaffen. Aber wir wollen es nicht irgendwann, sondern es steht ganz konkret in diesem Antrag, dass es bis Jahresende dem Parlament als Regierungsvorlage vorgelegt werden soll. Ich glaube, dass das das wichtigste Zeichen ist, das wir hier in diesem Hohen Haus im „Europäischen Jahr der Behinderten“ setzen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 81

Ich bin wirklich unheimlich stolz darauf, denn das war mein vordringlichstes Ziel, seitdem ich im Parlament bin, und dieses Ziel dürfte, wenn nicht noch vorher jemand aussteigt, mit Jahresende erreicht sein. Damit wird die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ein Stück mehr Realität werden, und die Diskriminierungen werden dann hoffentlich aufhören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Behinderten-Gleichstellungsgesetz ist deshalb so wichtig, weil darin auch steht, dass Dis­kri­minierung unter Strafe gestellt wird, denn das gibt Menschen mit Behinderung endlich das Recht zu klagen, wenn sie diskriminiert werden. Menschen, die Rechte haben, sind Menschen, die bessere Chancen im Leben haben und die nicht mehr vom gesellschaftlichen Leben ausge­schlossen sind.

Ich wünsche mir, dass wir dann nicht mehr diskutieren müssen, ob Kinder mit Behinderung in die Regelschule gehen dürfen. Ich wünsche mir, dass wir dann nicht mehr darüber zu disku­tieren brauchen, dass gehörlose Menschen ein Recht darauf haben sollen, dass die Gebärden­sprache als Sprache anerkannt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir behinderte Menschen wollen dann nicht mehr dankbar sein müssen, dass wir in einem öffent­lichen Verkehrsmittel mitfahren können, sondern da geht es um ein ganz klares Recht: Auch wir sind TeilnehmerInnen dieser Gesellschaft, und diese Teilnahme werden wir leben. Für diese Teilnahme haben wir Jahrzehnte gekämpft, und unsere Rechte werden wir einfordern. Wir werden eine neue Lebensqualität erhalten, nämlich die Qualität, dass wir nicht mehr von Haus aus Menschen zweiter Klasse sind, sondern Menschen, die sich in der Gesellschaft ihren Platz suchen und ihn auch finden. Die Nichtbehinderten müssen einfach anerkennen, dass es uns gibt und dass wir ein Teil der Gesellschaft sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP und der SPÖ.)

Für mich ist das wirklich etwas ganz Besonderes, und ich habe eine Gänsehaut bis zu den Oh­ren, denn wenn man für so etwas so lange kämpft und nie zu kämpfen aufgehört hat, weil es um Rechte geht, um unsere Rechte, um die Rechte behinderter Menschen, dann freue ich mich, wenn ich spüre, dass da Bewegung ist, und wenn ich sehe, dass ich Überzeugungsarbeit ge­leistet habe, dass es in vielen Bereichen Konsens gibt. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das beweist, dass ich die Kraft habe, Dinge, die mir wichtig sind, durchzusetzen.

Ich möchte mich auch bei Frau Rauch-Kallat bedanken und erwähnen, dass wir in den Ver­handlungen wirklich Produktives geleistet haben. Ich bin mir sicher, dass die Behindertenpolitik in diesem Hohen Haus in Zukunft auf jeden Fall eine grüne Handschrift tragen wird. Ich glau­be, dass ich das durchgesetzt habe, und darauf bin ich sehr, sehr stolz. Ich weiß: Wir wer­den im Behindertenbereich gemeinsam etwas weiterbringen.

Diesen Schub, den wir heute machen, dürfen wir nicht mehr rückgängig machen, sondern die­sen Schub müssen wir im Interesse der behinderten Menschen beibehalten, weil Gleichstellung ganz einfach ein Menschenrecht ist, und Menschenrechte gelten selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderung. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

13.41


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Rauch-Kallat. – Bitte.

13.42


Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Kollegin Haidlmayr, herzlichen Dank für Ihren Dank, den ich retournieren möch­te für die gute Zusammenarbeit, die nicht nur wir in den letzten Wochen über Partei­grenzen hinweg für Behinderte erreichen konnten, sondern die Gott sei Dank in diesem Hohen Haus und in dieser Republik seit vielen Jahren in Behindertenfragen Usus ist.

Ich muss sagen – und ich bin jetzt schon seit 20 Jahren in der Politik –, es ist uns gelungen – eigent­lich schon in den achtziger Jahren und vor allem mit der „Aktion Mensch“ in den späten


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 82

achtziger Jahren, die nicht bei allen unumstritten war –, über Parteigrenzen hinweg Einigkeit zu finden, wenn es darum ging, die Situation behinderter Menschen in Österreich zu verbessern.

Es gibt Diskriminierung, das ist einfach unbestreitbar, und es hat vieler harter Arbeit vieler enga­gierter, selbst betroffener Menschen und ihrer Eltern bedurft, um Diskriminierungen abzubauen, aber es ist uns bisher noch nicht gelungen, sie alle zu eliminieren.

Man kann vom Gesetz her vieles tun, aber das Gesetz kann nicht alles tun. Es muss uns über die gesetzlichen Regelungen hinaus gelingen, die Barrieren in den Köpfen und vor allem in den Herzen der Menschen abzubauen – oft sind es ja nur Bretter vor dem Kopf, und sehr oft ist es auch Unwissen.

Ich bin sehr froh, dass es uns in Österreich gelungen ist, mit einer umfassenden Integrations­bewe­gung die Integration behinderter Kinder vom Kindergartenalter an über die Schule bis hin zum Beruf – da gibt es noch eine Menge zu tun – mehr oder weniger möglich zu machen. Es gibt auch da immer wieder noch Barrieren, aber wir sind dabei – und alle damit Befassten sind guten Willens –, da eine optimale Situation für jedes Kind zu finden. Ich weiß, wovon ich rede, weil ich eine jener war, die sehr intensiv um diese Integration des eigenen Kindes kämpfen mussten.

Vieles hat sich seither verändert, aber vieles ist noch immer zu tun. Daher bin ich sehr froh, dass wir mit diesem Beschluss zu einem Behinderten-Gleichstellungsgesetz in diesem Jahr 2003, dem „Europäischen Jahr der Behinderten“, einen ganz wichtigen Schritt setzen werden, den sich die Behindertenorganisationen seit vielen Jahren gewünscht haben.

Es ist richtig, Theresia Haidlmayr ist die Vorkämpferin hier im Parlament, aber ich erinnere mich, dass Franz-Joseph Huainigg, der nach mir als Abgeordneter der Österreichischen Volks­partei hier noch sprechen wird, mich schon im Jahre 1993/94 – ich war damals als Jugend- und Fa­mi­lienministerin dafür zuständig – im wahrsten Sinne des Wortes gequält hat, um durchzu­setzen, dass in das Regierungsprogramm 1994 eine ähnliche Passage hineinkommt, was dann auch geschah.

Ich meine, dass dieser Schritt, den wir jetzt setzen, ein ganz wichtiger ist. Wir haben einen ersten Schritt 1997 mit der Verankerung eines Antidiskriminierungsparagraphen im Artikel 7 der Ver­fassung gesetzt. Es hat sich in weiterer Folge dann eine Arbeitsgruppe betroffener Men­schen im Bundeskanzleramt gemeinsam mit Verfassungsexperten der mühevollen Arbeit unter­zo­gen, alle österreichischen Gesetzesmaterien zu durchforsten. Wir haben in einem ersten Schritt mit einem Bündelgesetz gravierende Diskriminierungen schon beseitigen können, und wir wollen jetzt den zweiten und wichtigen Schritt setzen. Und in diesem Sinne bin ich sehr froh darüber, dass es auch heute wieder gelungen ist – trotz der Aufregungen der letzten Tage –, zu einem gemeinsamen Vier-Parteien-Antrag zu kommen, den Franz-Joseph Huainigg dann einbringen wird. – Danke sehr. (Allgemeiner Beifall.)

13.47


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Mag. Lapp. Ihre Uhr ist wunschgemäß auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

13.47


Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Das Jahr 2003 ist das „Europäische Jahr der Behinderten“, und wir müssen auch in Österreich im Bereich der Behinderten Chancen ergreifen. Wir dürfen nicht nur darin verharren, in die Köpfe der Menschen mehr Bewusstsein und in ihre Herzen mehr Sensibilität in Bezug auf den Umgang mit behinderten Menschen zu bringen, sondern wir müssen auch danach trachten, dass ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz in Österreich Wirklichkeit wird. Deshalb halte ich es für wesentlich und wichtig, dass wir uns auf einen Entschließungsantrag einigen konnten, der vor­sieht, dass eine Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt gemeinsam mit Expertinnen und Ex­perten aus der Behindertenbewegung ein Gleichstellungsgesetz erarbeiten soll, das wir dann im Nationalrat zu beschließen haben werden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 83

Es sind 800 000 Menschen in Österreich, die vom Rand der Gesellschaft in die Mitte der Ge­sell­schaft kommen müssen, die vom Rand der Gesellschaft in unsere Alltagswelt kommen müssen, und diese heutige Diskussion ist dazu ein wichtiger Beitrag.

Wir haben uns im heurigen Jahr in diesem Bereich viel vorgenommen. Es liegt bereits ein Be­richt über die Lage der behinderten Menschen in Österreich vor – ich weiß nicht, ob er dem Hohen Haus wieder zugegangen ist, er wurde nämlich zurückgezogen –, dennoch ist es we­sent­lich und wichtig, sich anzuschauen, wie behinderte Menschen in unserer Gesellschaft le­ben.

Das Motto des „Europäischen Jahres der Behinderten“ lautet „Get on board!“ – Steigen Sie ein! –, und ich möchte Sie bitten, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus, dass Sie auch auf dieses Thema einsteigen. Ich möchte Ihnen Beispiele aus dem Leben von behinderten Menschen, von Menschen, die in ihrem Familienumfeld behinderte Menschen als Angehörige haben, erzählen, und dann werden Sie verstehen, warum es so wesentlich und wichtig ist, dass es ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz gibt, um diesen Menschen Sanktionsmöglichkeiten in die Hand zu geben, damit sie in unserer Gesellschaft mit uns leben können.

Es gab in einem Bundesland den Fall, dass ein Kind eine Aufnahmeprüfung für den Kinder­garten machen musste – der Bub hatte Down-Syndrom. Doch das war nicht vor 20 Jahren oder vor 30 Jahren, sondern das war vor zwei Jahren!

Manchen Kindern ergeht es so, dass ihren Eltern geraten wird, sie nicht in die Schule zu ge­ben – also der Schulbesuch ist unpassend –, sondern ihnen das Wissen durch einen Pri­vat­lehrer oder durch einen Hauslehrer zu vermitteln. Auch das ist nicht vor 20 oder 30 Jahren gewesen, sondern in der jüngsten Vergangenheit.

Im Zuge meiner Recherchen bin ich draufgekommen, dass das Schulgesetz, das die Integration ermöglichen sollte, nicht einheitlich in ganz Österreich vollzogen wird. So wurde zum Beispiel einer Mutter eines entwicklungsverzögerten Kindes geraten, weil die sonderpädagogische Betreuung in der Schule darin bestand, dass dem Kind für zwei Stunden eine Lehrerin zur Seite gestellt wurde und diese Lehrerin dann mit dem Kind gespielt hat und mit ihm spazieren gegangen ist und nicht darauf geachtet hat, dass das Kind unterstützt und gefördert wird, das Kind in ein Internat in einem anderen Bundesland zu geben.

Ich denke, all das sind Dinge, die wir im Auge behalten müssen. Es darf nicht so sein, dass wir diese Kinder, diese Jugendlichen an den Rand der Gesellschaft drängen. Auch da wird ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz eine wichtige Handhabe bieten.

Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf sehr viele Angehörige und vor allem sehr viele Mütter gestoßen, die sich als die wahren Power-Frauen in unserer Gesellschaft darstellen. Auch da ist meiner Meinung nach eine Unterstützung der Angehörigen dringend notwendig. Die Ange­hörigen müssen auch Urlaub von der Pflege nehmen können, sie brauchen Informationen und Tipps und auch die Möglichkeit, dass sie sich mit Gleichgesinnten treffen, und sie brauchen auch Unterstützung. Ihre Probleme sollen nicht ein Randthema sein, sondern sollen ins Zent­rum unseres Bewusstseins rücken. Daher ist es auch sehr wesentlich und wichtig, dass das Pflegegeld valorisiert wird.

Wenn man die Hürden des Schulsystems überwunden hat, kommen die Hürden der Berufs­aus­bil­dung, und da ist – meine Vorrednerin, Frau Rauch-Kallat, hat das schon angesprochen – noch sehr viel zu tun. Es müssen Ausbildungsplätze geschaffen werden, und es muss berufli­che Möglichkeiten geben, dass diese jungen Menschen in den Arbeitsprozess eintreten und sich da beweisen können.

An dieser Stelle muss ich eine Kritik anbringen: Im Rahmen der Beschäftigungsoffensive hat sich die vergangene Bundesregierung mit der Behinderten-Milliarde, die eigentlich eine halbe war, ein sehr großes Ziel gesetzt, doch dieses Ziel hat sie leider nicht erreicht, denn wir haben der­zeit in Österreich 34 000 arbeitslose behinderte Menschen. Es reichen die Be­schäfti­gungs-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 84

maßnahmen, die für diese Menschen gesetzt wurden, nicht aus, und auch da ist eine Evaluie­rung durchzuführen, damit das Geld effizienter eingesetzt werden kann.

Wenn man dann im Beruf ist und es geschafft hat, dann kann es so sein, wie es einer blinden Juristin in der Steiermark oder in Kärnten ergangen ist: Sie wurde nicht zur Richteramtsanwär­ter­prüfung zugelassen, weil sie blind ist. Sie wissen, die Göttin Justitia hat verbundene Augen, um gerecht zu urteilen. Es ist wesentlich und notwendig, dass wir ein Behinderten-Gleich­stellungs­gesetz beschließen, damit sich solche Diskriminierungen aufhören. In Deutschland gibt es blinde Juristen und Juristinnen auf allen Ebenen. Dort wurde bereits im vergangenen Jahr ein Gleichstellungsgesetz beschlossen. Das soll auch für uns Ansporn und Anspruch gleicher­maßen sein.

Sehr geehrtes Hohes Haus! Lippenbekenntnisse sind zu wenig. Bewegung ist angesagt – Be­wegung für Gleichstellung. „Get on board!“ – 2003 ist der richtige Zeitpunkt dafür, steigen Sie ein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.53


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

13.54


Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einmal muss ich Sie, Frau Kollegin Haidlmayr, schon korrigieren. Sie haben Folgendes gesagt: Bis jetzt waren wir die Einzigen – damit haben Sie die Grünen gemeint –, die die Gleichstellung angestrebt haben. Das kann ich wirklich nicht gelten lassen, denn alle Parteien, die hier im Na­tionalrat sitzen, haben die Gleichstellung und die Antidiskriminierung ganz groß auf ihre Fahnen ge­schrieben und immer dafür gekämpft.

Alle Personen, die hier mit Behindertenfragen zu tun haben, sind sich dessen bewusst, dass es Diskriminierungen gibt und dass wir diese dringendst beseitigen müssen. Ich selbst habe in der Ver­gangenheit immer wieder im Parlament mit sehr signifikanten Beispielen darauf hinge­wie­sen, wie Behinderte noch immer diskriminiert werden. Ein weiterer Beweis, dass das ein Anlie­gen aller ist, ist auch der Umstand, dass es seit 1998 eine im Bundeskanzleramt angesiedelte Arbeitsgruppe gibt, die die verschiedenen Gesetzesmaterien nach gesetzlichen Bestimmungen, die Behinderte diskriminieren, durchleuchtet.

Natürlich ist es als großer Erfolg zu werten, dass wir heute einen gemeinsamen Antrag ein­bringen können, der eine eingehende Diskussion und dann auch die Schaffung eines Anti­diskri­minie­rungsgesetzes zum Inhalt hat. Ich freue mich auch, dass das gerade im „Europäischen Jahr der Behinderten“ geschehen soll. Wie notwendig es ist, hier eine Rechtsvorschrift zur Anti­diskriminierung zu schaffen, das weiß jeder, der mit Behinderten zu tun hat.

Frau Kollegin Lapp hat schon einige Beispiele angeführt. Ich selbst bin Mutter einer behinderten Tochter, die im Rollstuhl sitzt, und glauben Sie mir, jeder Ausgang, jedes Freizeitvergnügen oder was auch immer wird zu einem Spießrutenlauf, weil man nicht weiß, ob man mit jeman­dem, der in einem Rollstuhl sitzt, hineinkommen oder nicht hineinkommen kann, ob man in einem Kino willkommen ist oder nicht willkommen ist.

Ich erzähle Ihnen auch ein Beispiel: Als ich mit meinem Kind in einem Wiener Kino war – wir konn­ten ebenerdig in den Kinosaal hineingehen –, ist der Billeteur gekommen und hat gesagt: Sie haben Glück, dass Sie heute kommen, denn morgen ist ein anderer Kollege hier und der lässt einen Rollstuhlfahrer überhaupt nicht in das Kino hinein!

Mit diesen und ähnlichen Problemen ist jemand, der behindert ist, auch heute noch konfrontiert. Es sind gerade die Länder diejenigen, die im Veranstaltungsbereich viel dazu beitragen könn­ten, um diese Diskriminierungen zu beseitigen. Aber die baulichen Barrieren, die es gibt, setzen sich fort bei einem ganz normalen Spaziergang, setzen sich fort im Flugzeug, im Theater und so weiter. Auf Schritt und Tritt – das muss man wirklich sagen – ist ein behinderter Mensch durch bauliche Barrieren behindert.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 85

Auf die Behinderungen, die im Berufsleben und im Bildungsleben existieren, möchte ich jetzt gar nicht eingehen, denn das hat Frau Kollegin Lapp schon angeschnitten. Aber ich glaube, dass es wirklich dringend notwendig ist, dass wir uns ernsthaft mit dieser Materie befassen, um zu einem guten Abschluss zu kommen.

Neben den gesetzlichen Aktivitäten, die wir hier setzen, ist es natürlich auch notwendig, dass die Bevölkerung sensibilisiert wird. Gesetze sind das eine – ich glaube, Frau Rauch-Kallat hat es gesagt –, aber das Bewusstsein der Bevölkerung, dass behinderte Menschen in verschie­de­nen Bereichen besonderer Hilfe bedürfen, das ist genauso wichtig.

Es soll auch das „Europäische Jahr der Behinderten“ dazu beitragen, diese Sensibilisierung zu heben, und ich freue mich auch, dass es eine ganze Reihe von Aktivitäten gibt, die den nicht be­hinderten Menschen vor Augen führen, inwieweit sie den behinderten Menschen helfen kön­nen, ihr Leben leichter zu bewältigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.58


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Staatssekre­tär Dr. Waneck. – Bitte.

13.58


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Rein­hart Waneck: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist dem Gesagten nicht viel hinzuzufügen: Man soll Feste feiern, wie sie fallen, und heute ist, glaube ich, solch ein Tag, hier ein Fest zu feiern, auch wenn, wie richtig erwähnt wurde, schon lange darüber diskutiert wird und auch Initiativen dahin gehend gesetzt wurden, und zwar von allen Parteien, die hier im Parlament vertreten sind.

Der ursprüngliche Entwurf stammt ja nahezu aus dem vorigen Jahrtausend, er wäre zu wenig um­fang­reich für die heutigen Bedürfnisse, und daher gibt es auch bereits entsprechende Arbei­ten, und zwar auch im BMSG. Es gibt die österreichische Arbeitsgruppe für Rehabilitation, die unter Einbindung der behinderten Menschen selbst und deren Vertretungsorganisationen an einem Gesetzentwurf arbeitet.

Ich halte es für einen sehr glücklichen Entschluss, auf Grund der Querschnittsmaterie den An­trag zu stellen, die Arbeitsgruppe beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes einzu­richten.

Lassen Sie mich zum Schluss als Arzt allen, die Sie hier sitzen und nicht behindert sind oder sich als normal fühlen, Folgendes sagen: Den normalen Menschen gibt es nicht, den gibt es nur im Lehrbuch! Selbst wenn Sie eine Blutprobe machen und Sie Ihre Normalwerte zusammen­zählen, kommen Sie höchstens auf 80 oder 120 Prozent, aber nie auf 100 Prozent. Jeder Mensch hat irgendwo eine kleine Behinderung, die meisten merken sie selbst nicht, oft die anderen nicht, bei einem ist sie weniger, beim anderen mehr. Aus meiner beruflichen und aus meiner privaten Erfahrung weiß ich, dass man nicht nur angeborene Behinderungen hat, son­dern in kürzester Zeit ein selbst Betroffener sein kann, und das sollte Sie auch in all Ihren Hand­lun­gen leiten. Ich beglückwünsche Sie zu diesem Entschluss! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.00


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Huainigg. – Bitte.

14.00


Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Ich hoffe, dass ich laut genug sprechen kann, denn ich habe auf Grund meines Gesundheitszustandes eine etwas leise Stimme, die ja Gott sei Dank durch einen Gebärdendolmetscher verstärkt wird.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 86

Freunde von mir sagen, dass ich das „Europäische Jahr behinderter Menschen“ etwas zu ernst neh­me und an meiner Behinderung „bastle“, damit sie noch mehr werde – was gar nicht not­wendig sei.

Es ist das meine Jungfernrede. Ich freue mich, dass ich hier sein kann, dass ich von der ÖVP, von Wolfgang Schüssel und Maria Rauch-Kallat eingeladen worden bin, als Abgeordneter für die ÖVP tätig zu sein. Ich freue mich auf diese neue Aufgabe und fühle auch die Verant­wor­tung, die man übertragen bekommt, wenn man als selbst betroffener Mensch eingeladen wird, an der Gesetzwerdung und an der Gestaltung der Rahmenbedingungen mitzuwirken. Ich freue mich auf diese Aufgabe. (Allgemeiner Beifall.)

Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um das neue Behinderten-Gleichstellungsgesetz. Die­ser Antrag von Theresia Haidlmayr ist schon etwas veraltet, und deswegen ist es sehr gut, dass eine Arbeitsgruppe im Bundeskanzleramt unter Einbeziehung von selbst betroffenen ExpertIn­nen eingesetzt wird, in der ein Gesetzentwurf ausgearbeitet werden soll. Es ist ein wichtiger Schritt, dass alle vier Parteien dafür sind und das mittragen.

Ich möchte Resi (in Richtung der Abg. Haidlmayr) auch dafür danken, dass sie als Mit­streiterin in all den Jahren landauf, landab gerollt ist und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz gefordert hat. (Allgemeiner Beifall.)

Jetzt im „Europäischen Jahr behinderter Menschen“ wird dieses Gesetz kommen, und es sollte „barrierefreies Bauen“ beinhalten, wobei man sagen muss, dass barrierefreies Bauen auch men­schengerechtes Bauen heißt, also sowohl gerecht für Eltern behinderter Kinder als auch für Eltern von Kindern im Allgemeinen, gerecht auch für ältere Menschen. Es geht auch darum, die Mo­bi­lität in Sachen Verkehrsmittel neu zu regeln, berufliche Zugänge zu schaffen, damit es nicht mehr passiert, dass zum Beispiel diese blinde Juristin aus Kärnten nicht Richterin werden darf.

Für blinde Menschen ist sehr viel zu tun. Sie dürfen zum Beispiel nach der derzeitigen Rechts­la­ge keine Verträge unterschreiben, Blindenhunde sind teilweise in Museen und anderen öf­fentli­chen Gebäuden nicht erlaubt – im Parlament inzwischen sehr wohl. Auch der Internet-Zu­gang, accessibility im Internet ist sehr wichtig.

Was mir ebenso sehr wichtig ist, ist die Anerkennung der Gebärdensprache. Die Gebärdenspra­che ist wirklich eine tolle Sprache, eine dreidimensionale Sprache. Man kann alles ausdrücken, angefangen von einfachen Worten wie „ich liebe dich“ bis zu komplizierteren Worten wie „Son­die­­rungsgespräche“. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall.) Und es gibt auch einen gewissen Wort­witz, wenn man zum Beispiel Namen hernimmt wie etwa „Nationalratspräsident Khol“ (der Ge­bär­dendolmetscher macht entsprechende Handbewegungen – allgemeine Heiterkeit) oder „Na­tionalratspräsident Fischer“ (der Gebärdendolmetscher macht die Bewegung eines Fischs – allge­meine Heiterkeit) oder Pilz (der Gebärdendolmetscher deutet einen Pilz an – allgemeine Heiter­keit). – Da weiß man nicht genau, ist es ein Eierschwammerl oder ein Fliegenpilz. (Neu­erliche allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Mein Name ist Franz-Joseph – und es hat mich sehr gefreut! (Allgemeiner Beifall und allge­meine Heiterkeit.)

14.06


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Brosz. – Bitte.

14.06


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht leicht, am Ende dieser ersten Lesung noch etwas zu sagen, da mich aber Theresia Haidlmayr ersucht hat, auch noch zur Behinderten-Integration an den Schulen speziell etwas zu sagen, tue ich es dennoch.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 87

Ich glaube, dass wir diesbezüglich in Österreich eine gesetzliche Lage haben, insbesondere bis zur achten Schulstufe, die durchaus befriedigend ist, wobei man aber in der Praxis immer wie­der darauf schauen muss, ob das, was an Anspruch vorgegeben wird, in der Realität auch ein­gehalten werden kann. Wir wissen aber auch, dass wir bei der Weiterführung der Integration, ins­besondere in der neunten Schulstufe, wo diese bislang eben nur im Polytechnikum möglich ist, und darüber hinaus, einen Bedarf haben, Änderungen vorzunehmen. Auch in den Gesprä­chen mit Ministerin Gehrer ist mir vorgekommen, dass wir uns schon angenähert haben im Ver­ständ­nis dessen, was möglich gemacht werden sollte. In der Praxis bestehen nach wie vor Probleme.

Beispielsweise ist es natürlich für Politiker interessant, woher die Finanzierung für Modelle kommt, die hier weiterführende Maßnahmen möglich machen; für die betroffenen Personen ist das nicht wirklich relevant, diese wollen, dass es diese Angebote gibt. Wenn dann beispiels­wei­se Projekte wie in der landwirtschaftlichen Fachschule in Weyregg so nicht mehr möglich sind, weil die Finanzierungsquellen nicht vorhanden sind, dann ist das nach wie vor als ein massives Pro­blem anzusehen.

Es geht bei der Weiterführung von Behinderten-Integration absolut nicht darum, wie oft be­haup­tet wird, dass jeder und jede alle Abschlüsse bis zur Matura, bis zu Studiengängen machen kön­­nen soll, aber es geht darum, dass jeder und jede die bestmögliche persönlich individuelle Chance bekommt. Daran gilt es zu arbeiten. Hier ist es uns auch in unseren Gesprächen nicht ganz gelungen, das einzulösen, was wir wollten, aber es gibt, so glaube ich, auch da Fort­schrit­te.

Wir alle wissen, dass es auch für die Körper- und Sinnesbehinderten in der Praxis nach wie vor räumliche Barrieren gibt, dass Schulen nach wie vor nicht so ausgestattet sind, dass für alle dieser Zugang gewährleistet werden kann. Weil wir hier gerade die Gebärdensprache sehen: Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Betroffenen, wie schwierig es ist, den Anspruch auf schuli­schen Unterricht in der Gebärdensprache durchzusetzen. Auch darüber haben wir gesprochen. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen, insbesondere auf Seiten derer, die hörend sind und Ge­hörlose unterrichten und das für nicht so notwendig erachten. Dabei wissen wir aber von den Betroffenen ganz genau, wie notwendig das ist und welche Diskriminierung es darstellt, wenn man diesen Anspruch auf Unterricht in der Gebärdensprache nicht durchsetzen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte mich zum Abschluss auch dafür bedanken, dass es möglich war, die gesamte De­batte mit einem Dolmetsch auch in der Gebärdensprache zu führen. – Herr Norbert Pauser, dan­ke für Ihre Arbeit! (Allgemeiner Beifall.)

Da wir heute so schnell waren und es ziemlich schwierig war, dass sich das zeitlich noch aus­geht, hat Kurt Grünewald dazu beigetragen, die fünf Minuten zu überbrücken, bis der Gebär­den­dolmetsch eingetroffen ist, indem er schnell noch einmal zum Thema Gesundheit gespro­chen hat. Da das von Ihnen niemand gemerkt hat, war offenbar die Rede des Kollegen Grüne­wald nicht so schlecht. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

14.10


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 14/A dem Verfassungsausschuss zu.

5. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) geändert wird (19/A)


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 88

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. Die Redezeit ist wunschgemäß auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

14.10


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Es ist heute nicht das erste Mal, dass ich über ein LKW-Nachtfahrverbot ohne Ausnahmen für lärm­arme LKW spreche. Es ist nicht das erste Mal, so befürchte ich, dass ich bei ÖVP und vor allem Freiheitlichen mit dieser Forderung auf Ablehnung stoße, aber ich kann Ihnen nur Folgendes sa­gen: Wenn Sie die Entwicklung der wissenschaftlichen Daten zu diesem Thema beachten, müs­sen Sie leider feststellen, dass die Situation heute dramatischer ist, als sie es vor fünf Jah­ren war, als sie es vor zehn Jahren war, als sie es vor 15 Jahren war, als diese Forderung von den Tiroler Verkehrsinitiativen das erste Mal erhoben wurde.

Meine Damen und Herren! Die Schadstoffsituation vor allem in den alpinen Tälern – und das ist kein rein österreichisches Problem, sondern das betrifft den gesamten Alpenbogen –, aber auch in den städtischen Großräumen droht zu entgleisen und ist zum Teil schon entgleist. Nach un­se­ren Messungen über das Messstellennetz, das das Land Tirol und der Bund einrichten, ist fest­­zu­stellen, dass in den alpinen Tälern Schadstoffüberschreitungen stattfinden, die uns an die ver­rufensten europäischen Städte – verrufen im Hinblick auf die Schadstoffsituation – an­nähern. Und das in einem Gebiet, das nicht städtische Qualität hat, das letzten Endes ländlicher Raum ist und das zu einem nicht unwesentlichen Teil vom Tourismus lebt und wo, so wie es jetzt im Inntal schon geschieht, bei Firmenerweiterungen oder -neuansiedelungen die Dis­kus­sion im Verfahren schon entbrennt, ob ihre Emissionen in diesem Tal noch tragbar sein werden.

Das heißt, hier geht es nicht gegen die Wirtschaft, hier steht ein extrem anwachsender und aus meiner Sicht sehr unproduktiv anwachsender Wirtschaftszweig gegen alle anderen. Und die Argu­mente, dass man die Wirtschaft nicht beschränken möge, kann man in diesem Fall in Bezug auf das Nachtfahrverbot schon längst nicht mehr gelten lassen.

Warum ich nun ein Nachtfahrverbot für LKW fordere, wird auch durch die Messreihen der letz­ten Jahre noch einmal deutlich belegt. Die neuesten Ergebnisse zeigen, dass die Schadstoffbe­las­tung durch die spezifische Meteorologie, aber auch durch die gesamte Dynamik, die sich da ent­wickelt, in der Nacht achtmal höher ist und sich achtmal stärker zu Buche schlägt, als das untertags der Fall ist.

Das Problem Lärm muss immer wieder angesprochen werden. Wir haben „verlärmte“ Täler, wir hö­ren auf 1 500 Metern Höhe noch die Autobahn – und das in einem Tourismusgebiet! Meine Da­men und Herren, das müssen Sie beachten, wenn Sie wieder gegen meinen Antrag argu­mentieren wollen!

Dazu kommt – und das ist eine weitere Verschärfung der Situation, und sie ist sehr aktuell –, dass die existierenden Beschränkungen für den Schwerverkehr schwächer werden und ge­schwächt werden. Der so genannte Kompromiss von Kopenhagen in Bezug auf die Transit­rege­lung wird uns ein starkes Anwachsen des Schwerverkehrs bringen. Es wird eine sehr massive Verlagerung des Verkehrs aus der Schweiz wieder nach Österreich geben.

Die Brenner-Maut ist bedroht. Es gibt immer wieder, sogar aus unserer eigenen österrei­chi­schen Wirtschaft, Kläger und Klagende, die diese Beschränkung aufheben wollen und alles da­für tun, mit Unterstützung von teuer bezahlten Anwälten.

Die neue Wegekostenrichtlinie, die derzeit auf europäischer Ebene in Beratung ist, wird uns nicht vor einem massiven Anwachsen des Verkehrs retten. Die Kostenschere geht weiter auf! Noch heute tragen die LKW nur 17 Prozent der Kosten, die sie verursachen.

Und wenn man schon über die Preisfrage spricht, muss man auch über die nächsten Perspektiven reden: Eine Er­höhung der Dieselpreise ist natürlich auch für den Schwerverkehr relevant. Wenn man jetzt schon wieder Töne dahin gehend hört, dass den Frächtern diese


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 89

Mehrkosten durch zusätzliche Steuergeschenke abgegolten werden sollen, dann lässt das jedem, der im Inntal wohnt, die Haare zu Berge stehen.

Meine Damen und Herren! Anstatt die Kostenschere zu schließen und hier wirklich deutlich einzu­greifen, ist der neue Plan jetzt offensichtlich wieder der, nur stärker auf die PKW zuzu­grei­fen und für die LKW einen schönen und eleganten Ausweg zu finden. Meine Damen und Her­ren, ich warne Sie: Wenn Sie das tun, verursachen Sie ein weiteres Anwachsen des Schwer­verkehrs! (Beifall bei den Grünen.)

Das Nachtfahrverbot ohne Ausnahme für lärmarme LKW bringt große Erleichterung. Das Beispiel der Schweiz belegt, dass es dabei zu keinen wirtschaftlichen Katastrophen kommt. Die Schwei­zer haben das bereits seit 70 Jahren und leben mit effizienterer Logistik im Schwer­verkehr eigentlich trotzdem recht gut.

Wenn Sie nun einwenden wollen, wir realisieren die Fahrverbote für LKW erst über das Immis­sions­schutzgesetz-Luft, also dann, wenn die Schadstoffgrenzen überschritten werden, dann muss ich Ihnen schon sagen: Erstens hat das ganze Gesetz zwei Jahre Vorlaufzeit. Also zuerst einmal müssen die Schadstoffgrenzen überschritten werden, dann dauert es zwei Jahre, bis Maß­nahmen gesetzt werden. Das ist viel zu lang. Und zweitens fühle ich mich als Politikerin dem Vorsorgeprinzip verpflichtet: Nicht warten, bis etwas passiert, sondern zuerst handeln!

Alle Programme aller hier im Parlament vertretenen Parteien beinhalten – ich könnte sie Ihnen jetzt noch eine halbe Stunde lang vorlesen – Passagen zur Reduzierung des Schwerverkehrs. Meine Damen und Herren! Diese innerstaatlichen Maßnahmen sind dringend geboten, da wir auf europäischer Ebene so unter Druck geraten sind und weil wir unsere Glaubwürdigkeit wie­der­herstellen müssen.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss lese ich Ihnen die Passage aus dem Gesetz vor, die uns ermächtigt, solch ein Nachtfahrverbot zu erlassen. Es handelt sich um den § 43 Abs. 2 des Ge­setzes – ich glaube, für die weitere Debatte sollte diese Passage entscheidend sein –:

„Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schad­stoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung

a) für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen“ – siehe sektorales Fahrverbot! – „dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen, ...“

Ich weise noch einmal darauf hin, dass das Gesetz hier von „hat zu erlassen“ spricht – und nicht davon, dass wir dann, wenn vielleicht alle unsere Frächter damit einverstanden sind, die eine oder andere Kleinmaßnahme setzen sollen, die uns nicht retten wird.

Meine Damen und Herren! Ich appelliere hier noch einmal an Sie: Unterstützen Sie diese For­derung! Wir brauchen ein Maßnahmenpaket gegen den Transit, und das Nachtfahrverbot ist ein zentraler und wichtiger Punkt dafür. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.19


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

14.19


Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lichtenberger, es ist richtig, es ist nicht das erste Mal, dass Sie diesen Antrag einbringen, sondern er ist zumindest schon vier- oder fünfmal eingebracht worden: von Ihnen, von Frau Kollegin Moser, von Frau Kollegin Petrovic, nur: Die Argumente sind nicht besser geworden. Vor allem muss man dazu sagen: Sie tragen nicht wirklich etwas dazu bei, das Problem zu lösen. Das ist ja das Problem, dass Sie glauben, mit einer solchen punktuellen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 90

Maß­nahme irgendwelche Probleme des Transitverkehrs lösen zu können. Sie lösen sie leider nicht in diesem Zusammenhang.

Halten wir fest, dass zwar die Belastung durch den Verkehr nach wie vor hoch ist, aber halten wir auch fest, dass in der Europäischen Union ständig verschärfende Maßnahmen getroffen wer­den, um LKW entsprechend lärm- und schadstoffärmer zu machen. Aber erst im Jänner 2005 wird mit dem Euro-5-LKW eine neue Generation lärm- und schadstoffärmerer LKW kom­men.

Was würde denn, meine Damen und Herren, ein generelles Nachtfahrverbot bedeuten? – Eine völlige Verkehrsüberlastung morgens und abends, und zwar dann, wenn der Berufs- und Pend­ler­verkehr ohnehin am größten ist! Und es hätte das auch eine noch stärkere Belastung wäh­rend des gesamten Tages zur Folge – und dadurch käme es auch nicht zu weniger Schad­stoffen aus dem Verkehr insgesamt.

Vertreter der Tiroler Wirtschaft haben daher erst vor kurzem gesagt, dass sich das jetzt in den Wintermonaten verhängte LKW-Nachtfahrverbot auf einigen Teilen der Autobahn, bei Wörgl etwa, als totaler Flop erwiesen hat (Zwischenrufe der Abg. Mag. Wurm), dass die Zahl der durch Tirol transitierenden LKW nicht verringert werden konnte, ebenso wenig die Schad­stoff­belastung. Meine Damen und Herren, das müssen wir auch zur Kenntnis nehmen.

Gezeigt hat sich weiters, dass das Argument „Lärmminderung durch Nachtfahrverbot“ nicht stich­haltig ist, denn wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass ein mit 110 km/h fahren­der PKW dieselbe Lärmentwicklung wie ein mit 60 km/h fahrender LKW hat; ein Tempo­limit also, wie es derzeit auf der Inntal Autobahn vorgeschrieben ist. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das stimmt so nicht!)

Und das, meine Damen und Herren, hat ja auch der Verfassungsgerichtshof klargelegt und so beispielsweise bei der Aufhebung des Nachtfahrverbotes an der Loferer Bundesstraße genau damit argumentiert, dass das verfassungswidrig ist, weil eben ein PKW bei 100 oder 110 km/h ge­nau denselben Lärm entwickelt wie ein LKW bei 60 km/h. (Abg. Mag. Wurm: Das Problem ist die Schadstoffbelastung ...!)

An diesen Fakten kommen wir nun einmal nicht vorbei, meine Damen und Herren! Diese gel­ten. – Alles andere wäre, würden wir Ihrem Vorschlag folgen, sowohl verfassungswidrig als auch ein entsprechender verkehrspolitischer Pfusch und eine völlig unrealistische Verkehrs­po­litik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das, was wir brauchen, ist eine gemeinsame Lösung. Das, was wir brau­chen, ist auch ein nationaler Schulterschluss in der Transitfrage. Eine gegenseitige Schuld­zuweisung bringt doch überhaupt nichts! Ich würde von Ihnen von der SPÖ und den Grü­nen sowie auch von Ihren Parteiführern erwarten: Pilgern Sie nach Berlin, gehen Sie zum deut­schen Umweltminister Trittin, zu Außenminister Fischer, auch zu Bundeskanzler Schröder und sagen Sie diesem, dass er endlich, und zwar sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene, die Position Österreichs unterstützen soll! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Trittin, Fischer und auch Schröder sollen endlich Verständnis zeigen für unser Anliegen und alles dazu tun, damit es tatsächlich zu einer guten und richtigen Transitregelung, um die sich Ös­ter­reich seit Jahren bemüht, kommt! (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Diese Parteien und diese rot-grüne Regierung waren doch jene, die sich in dieser Frage immer gegen Österreich gestellt haben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Neuerliche Zwi­schenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Deshalb, meine Damen und Herren, schlage ich vor, dass wir uns hier wirklich zu einem natio­nalen Konsens bekennen, dass wir gemeinsam vorgehen und im Europäischen Parlament ge­mein­sam die entsprechenden Schritte setzen: so, wie das dort die Kollegen Rack und Swoboda sehr verdienstvoll gemacht haben, ebenso die Grünen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 91

Lassen wir doch das kleinliche Hickhack in dieser Frage hinter uns! (Abg. Dr. Lichtenberger: Ja, dann fangen Sie aber gleich an damit!) Es geht hier um ein nationales Anliegen – und nicht um kleinkarierte politische Haxlbeißerei! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.25


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.25


Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Meine tatsächliche Berichtigung: Herr Kollege Kukacka hat behauptet, dass es vor allem der deutsche Minister Joschka Fischer gewesen sei, der sich gegen die österreichischen Transitregelung ausgesprochen habe.

Ich berichtige tatsächlich: In der Schlussphase der Verhandlungen war es in erster Linie der italienische Verkehrsminister Lunardi, der Lösungen blockiert hat – und dies nach wie vor tut!

Herr Kollege Kukacka, wenn Sie davon reden, keine kleinlichen Streitereien vom Zaun zu bre­chen, kann ich Ihnen nur antworten: Fangen Sie doch bitte endlich einmal bei sich selbst an! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.26


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Eder. – Bitte.

14.26


Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Da beim Kolle­gen Kukacka vorhin das Wort „Pfusch“ gefallen ist, erlaube ich mir, festzustellen, dass die gesamte Transitpolitik dieser Regierung ein Pfusch war. (Beifall bei der SPÖ.)

Derzeit erleben wir doch einen Super-GAU für Österreich in der Transitpolitik, Herr Kollege Ku­kacka! (Abg. Mag. Mainoni: Wer hat denn den Transitvertrag 1990 ausverhandelt?) Und jetzt, nachdem der Beschluss des Europäischen Parlaments gefasst wurde, droht Österreich eine Ver­kehrslawine von über 80 Prozent an Durchfahrten! (Abg. Donabauer: Wer hat denn das aus­­verhandelt? Jetzt putzen Sie sich ab!) Laut diesem Beschluss gibt es keinerlei Ein­schrän­kun­­gen mehr. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Da haben Sie von der SPÖ einiges verabsäumt! – Gegenrufe bei der SPÖ.) Die Frau Außenministerin werde ich noch später zitieren, die sich da auch eingemischt und letztendlich Terrain für Österreich aufge­ge­ben hat! (Abg. Dr. Ferrero-Waldner: Das stimmt doch überhaupt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dieses Desaster um die Verlängerung des Transitvertrags ist das Ergebnis jahrelanger Unfähigkeit dieser ÖVP/FPÖ-Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Wissen Sie, was Sie daherreden ...? – Ruf bei den Freiheitlichen: Gedächtnis­schwund ...!)

Meine Damen und Herren! Immerhin ist seit Jahren bekannt, dass der Transitvertrag mit 1. Jän­ner 2004 abläuft und daher dringendst Verhandlungen über diesen Vertrag zu führen gewesen wären. Aber was hat diese Bundesregierung getan? – Sie hat es verabsäumt – in diesem Zu­sammenhang nenne ich Bundesminister Schmid, Bundesministerin Forstinger, ja diese ganze Regierung –, rechtzeitig Verhandlungen zu diesem Thema aufzunehmen. Und dann haben Sie begonnen, ausschließlich mit der EU-Kommission zu verhandeln. Mit den einzelnen Länder-Vertretern ist überhaupt nicht gesprochen worden. Anstatt bei allen anderen Mitgliedstaaten Lobbying zu betreiben, sind Frau Außenministerin Ferrero-Waldner, Frau Vizekanzlerin Riess-Passer und Frau Verkehrsministerin Forstinger bei der EU-Kommission bereits vor eineinhalb Jah­ren vorstellig geworden. Und was geschah dort? – Es wurde auf jegliche Obergrenze im Tran­si­tvertrag völlig verzichtet! Diese drei Regierungsmitglieder haben einfach verzichtet und offensichtlich geglaubt, dadurch für Österreich eine bessere Position ausverhandeln zu kön­nen. – Das war also der erste grobe Fehler.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 92

Sie von der Koalitionsregierung haben aber auch völlig falsche Signale, und zwar laufend, an Brüs­sel, an die Mitgliedstaaten und an das EU-Parlament gesandt, als Österreich bei Über­schrei­tung der Höchstgrenze für Transitfahrten zwar den Europäischen Gerichtshof angerufen, aber keine aufschiebende Wirkung gegen die weitere Ausgabe von Transitfahrten und Öko­punkten beantragt hat. – Das war Augenauswischerei – und Täuschung der österreichischen Be­völ­kerung, meine Damen und Herren!

Völlig glücklos war auch Bundesminister Reichhold, wenngleich er sich wenigstens bemüht hat, den Schaden irgendwie einzudämmen, aber im Sommer letzten Jahres ließ er plötzlich und ohne jeglichen Grund die Brenner-Maut senken, wobei er trotz seines scheinbaren Einlenkens auch keinerlei Zugeständnisse für die Verlängerung des Transitvertrages herausholen konnte.

Meine Damen und Herren! Diese sich noch im Amt befindliche Bundesregierung, die laut Schüs­sel ja angeblich arbeitsfähig ist, war aber auch unfähig, als sie vor mehr als einem Jahr von EU-Kommissarin de Palacio und dann vom EU-Ministerrat aufgefordert wurde, ein öster­reichisches Modell für den Transitvertrag in nicht diskriminierender Weise vorzulegen. Der „Höhe­punkt“ war dann: Diese Bundesregierung musste gegenüber der EU-Kommission und den Mit­gliedstaaten eingestehen, unzureichende Statistiken zur Berechnung der Transitfahrten ver­wendet zu haben. – Also, auf gut Wienerisch: eine Blamage für die österreichische Politik!

Als unmöglich muss Ihr Verhalten auch in der Schlussphase der Verhandlungen bezeichnet wer­den: Zuerst forderte der EU-Verkehrsministerrat Österreich auf, gemeinsam mit Italien und Deutschland nach einer Lösung zu suchen. Dann verhandelte Bundesminister Reichhold im Zu­ge eines Besuchs des österreichischen Bundespräsidenten in Italien plötzlich allein mit seinem italienischen Amtskollegen Lunardi; das ist ja heute schon erwähnt worden. Von einem „Durch­bruch“ war danach die Rede, wobei nie ein schriftliches Protokoll erstellt wurde. Deutschland wurde völlig vor den Kopf gestoßen. Es gab keinerlei Gespräche auf Ministerebene!

Kollege Kukacka, die Abgeordneten nach Deutschland zu schicken, um zu intervenieren, ist auch nicht das Wahre! Das ist schon Regierungsaufgabe! Es stellt schon ein Armutszeugnis für die Regierung dar, zu sagen: Wärt ihr doch hingerannt und hättet mitgeholfen!

Wir alle versuchen, eine gute Lösung für Österreich zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Das war einmal!) Zu diesem Zeitpunkt, meine Damen und Herren, als Bundes­minis­ter Reichhold gemeint hat, er habe einen „Durchbruch“ geschafft, ist diese österreichische Bundesregierung bereits in Richtung Wahlkampf marschiert und faktisch handlungsunfähig gewe­sen – und das bis heute geblieben! Auch in dieser Frage wird diese Bundesregierung in der EU also kaum ernst genommen.

Aus heutiger Sicht stellt der dänische Kompromiss, der das Fallen der 108-Prozent-Obergrenze vorsieht, aber eine Verlängerung des Ökopunktesystems bis maximal 2006 beinhaltet, einen durch­aus positiven Ansatz dar. Dass besonders schadstoffarme LKW, Euro-4-Klasse zum Beispiel, oder auch die von Ihnen, Herr Kollege Kukacka, zitierte Euro-5-Klasse ab 2005 von der Ökopunktepflicht befreit werden, darüber kann man reden, nur: Das ist alles viel zu spät ge­kommen.

Es droht aber auch, dass dieser Transitvertrag nicht für ganz Österreich gilt. Die SPÖ drängt seit Jahren darauf, dass entsprechend dem EU-Weißbuch endlich auch sensible Zonen für ganz Österreich ausverhandelt werden – und dass nicht nur die Alpenregion, sondern auch die Ostregion, die durch die EU-Erweiterung sehr betroffen sein wird und verkehrsmäßig an den Osten absolut nicht angebunden ist, mit in diese Überlegungen hineingehören.

Die Nordost-Umfahrung Wiens muss dringend gebaut werden, ebenso dringend die Nord-Auto­bahn. Dringend müssen vor allem aber auch Bahnstrecken ausgebaut werden. Um das finan­zieren zu können, ist es dringendst notwendig, dass entsprechend sensible Zonen definiert wer­den, für die man eine höhere Maut einheben kann; dringend müsste es eine Quersub­ven­­tionierung in Richtung Bahn geben. Die Bewältigung des Güterverkehrszuwachses von 80 Pro­zent in den nächsten Jahren – das ist ja zu erwarten – ist sicherlich nicht über den LKW-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 93

Verkehr auf der Straße zu schaffen, sondern über die Bahn. Ansonsten würde es ja zu einem totalen Verkehrs-Crash im Osten Österreichs kommen.

Ich darf darum ersuchen – wer immer in Zukunft in der Regierung sitzen wird –, in Zusammen­arbeit mit allen hier im Parlament befindlichen Parteien möglichst eine für Österreich gute Lösung in all diesen Fragen zu erarbeiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.32


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Wittauer. – Bitte.

14.32


Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Eder, es ist schon eigenartig, wofür Sie diese Bundesregierung verantwortlich machen (Zwischenruf des Abg. Eder) und sich schlussendlich aus der Verantwortung, die Sie von der SPÖ damals hatten, herauszuwursteln versuchen. (Rufe bei der SPÖ: „Verschüsselt“ ist das worden!)

Das, was Sie hier versucht haben, ist wirklich nicht hilfreich. Wir Freiheitliche wollen Maßnah­men, die in diesen Bereichen tatsächlich greifen.

Herr Kollege Kukacka, zum Nachtfahrverbot, das bei uns in Tirol durchgeführt wurde und das nur 2 Prozent an Verringerung bringt, weil es so viele Ausnahmegenehmigungen gibt, muss ich Ihnen sagen: Darüber sollten Sie doch einiges nachlesen, denn dazu gab es bei uns in Tirol einen Vier-Parteien-Antrag. – Dieser wurde jedoch von Herrn Landeshauptmann van Staa nicht umgesetzt.

Ich als Tiroler Abgeordneter begrüße die Initiative der Grünen und bin auch für ein generelles Nacht­fahrverbot. Ich glaube, es ist unbestritten, dass wir mit Frau Abgeordneter Lichtenberger in dieser Frage konform gehen. (Abg. Mag. Kogler: Bravo!)

Meine Damen und Herren! Alle Maßnahmen, die zur Verbesserung oder zum Schutz der Ge­sund­heit unserer leidtragenden Bevölkerung dienen, sind ernst zu nehmen. Meine persönliche Ein­stellung zu einem generellen Nachtfahrverbot ist zwar positiv, doch ist mir der gegen­ständliche Antrag doch ein bisschen zu einseitig.

Wir Freiheitlichen wünschen uns Maßnahmen, die dann wirksam werden, wenn sie notwendig sind. Lärmschutzmaßnahmen sind eine Sache, die auch geregelt gehört, wichtiger ist meiner Über­zeugung nach jedoch die Reduktion der Schadstoffbelastung, der die Bevölkerung tagtäg­lich ausgesetzt ist.

Die Belastung durch Luftschadstoffe wird in Tirol ständig gemessen. Wegen der regelmäßigen Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid sind Maßnahmen dringend erforderlich. Jüngste Untersuchungen haben gezeigt, dass vor allem Kinder und Jugendliche gesund­heitli­che Schäden davontragen und dass es auch in gewissen Bereichen ein erhöhtes Krebsrisiko gibt.

Das Immissionsschutzgesetz-Luft, kurz IG-L genannt, sieht unter anderem vor, dass bestimmte Luftschadstoffe ständig gemessen werden. Im Falle der Überschreitung eines dort festgelegten Grenzwertes haben die Ursachen für die Überschreitung festgestellt zu werden. Weiters sind Maßnahmen zu setzen, die die Schadstoffkonzentration in der Luft verringern helfen. Im IG-L ist auch die rechtliche Grundlage des Nachtfahrverbotes als immissionsmindernde Maßnahme ent­halten.

Meine Damen und Herren! Ziel muss es sein, all das flächendeckend und in ganz Österreich in sensiblen Zonen umzusetzen. Gleichzeitig bedarf es einer Gesetzesnovellierung, die dazu führt, dass es nicht nur zu einer Effizienzsteigerung, sondern auch zu einer Verfahrensbeschleu­ni­gung kommt. Es braucht eine gesetzliche Regelung, wenn die Bevölkerung Österreichs gefähr-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 94

det ist. Das bedeutet, dass, wenn der festgelegte Grenzwert überschritten wird, Sofortmaßnah­men zu ergreifen sind.

Ein generelles beziehungsweise sektorales Nachtfahrverbot wäre in diesem Zusammenhang nur ein kurzfristig wirkendes Instrument. Langfristig gesehen müssen wir es schaffen, die Ver­kehrs­belastung durch zusätzliche Maßnahmen zu senken.

Unser Minister Reichhold ist dafür genau der richtige Mann. Auch in der Vergangenheit hat er im­mer wieder gezeigt, dass er auch in dieser Frage stets auf der Seite der leidtragenden Be­völkerung steht. Und weiters: Es gibt eine Vielzahl von Entschließungsanträgen im Tiroler Land­tag, die das gleiche Ziel verfolgen.

Auch wir Freiheitlichen haben, und zwar durch unseren Abgeordneten Wilfried Tilg, im Landtag eine Ausdehnung des Nachtfahrverbotes im Oktober 2002 beziehungsweise auch eine Vermin­derung der Ausnahmegenehmigungen gefordert.

Da das Nachtfahrverbot in Tirol nicht effizient genug ist und zu viele Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, muss es zu einer anderen Regelung kommen. Die Landesregierung in Tirol ist nicht in der Lage, den Schutz unserer Bevölkerung zu gewährleisten. Deshalb ist es notwendig, auf Bundesebene Initiativen zu starten und Sofortmaßnahmen zu setzen.

Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass die diesbezügliche Erfahrung in der Schweiz po­sitiv ist. In der Schweiz besteht das Nachtfahrverbot seit 60 Jahren; die Wirtschaft hat sich diesen Anforderungen angepasst. – Es kann doch nicht so sein, dass freier Warenverkehr auf dem Rücken der Tiroler Bevölkerung ausgetragen wird.

Niemand von uns wünscht sich die Vernichtung von Arbeitsplätzen – oder dass der Wirt­schafts­standort Tirol oder in anderen sensiblen Zonen gefährdet wäre. Das Thema Transit und die daraus resultierende Belastung stellt jedoch das Thema in der Tiroler Bevölkerung dar. Umfra­gen in Tirol haben gezeigt, dass über 70 Prozent der Tiroler Bevölkerung das als besonders wichti­ges Thema erachten.

Deshalb, meine Damen und Herren, trete ich für eine effiziente Lösung ein, für eine Lösung, die jedenfalls sehr schnell umsetzbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.37


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.

14.37


Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben all diese Fragen schon sehr oft hier diskutiert, und ich gebe zu, dass auch ich sehr betrübt darüber bin, dass wir in dieser Sache noch nicht wirklich sehr viel weitergekommen sind.

Einige Dinge darf ich aber korrigieren. Zum einen, Frau Kollegin Lichtenberger, Herr Kollege Eder, möchte ich daran erinnern, dass es nicht die ÖVP/FPÖ-Regierung war, die diesen Tran­sit­vertrag abgeschlossen hat, einen Transitvertrag mit, wie die Geschichte bereits gezeigt hat, völlig falschen Zahlen. (Abg. Mag. Wurm: Und jetzt tun wir daher nichts, außer ...!) Diesem Tran­sitvertrag ist es auch zu verdanken, dass das wirklich lange nicht gegriffen hat. Und als das endlich zu greifen begann, wurde dieser Vertrag von unseren Partnern in der Europäischen Union gebrochen. Das mussten wir mit großem Bedauern und großem Befremden zur Kenntnis nehmen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)

Seit diesem Zeitpunkt sind die Bemühungen, diesen Vertrag entsprechend der Präambel dieses Vertrages zu verlängern, auf allen Ebenen innerhalb Österreichs in Gang. Dass das alles aber nicht einfach ist, erkennen wir schon aus dem Umstand heraus, dass der Vertrag zuerst gebro­chen werden musste, damit es überhaupt zu solchen Verhandlungen kommen konnte.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 95

Ich glaube, dass wir auf einem recht guten Weg sind, und ich gehe davon aus, dass eine bes­sere Lösung, als sie im Europäischen Parlament abgestimmt wurde, in der Frage der Öko­punkte für unsere Verhandler erreichbar ist, und ich bin überzeugt davon, dass sich alle mit aller Kraft um eine solche Lösung bemühen, wobei ich mich in diesem Zusammenhang für die Be­mü­hun­gen der Frau Außenministerin im Besonderen, ebenso für die des Herrn Bundeskanzlers ganz herzlich bedanken möchte. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen uns aber auch dessen bewusst sein, dass die Ökopunkte-Regelung, dass auch deren Verlängerung maximal bis zum Jahre 2006 dauern wird und dass wir eben eine wirklich dauerhafte Lösung finden müssen.

Jetzt liegt der Antrag vor, ein generelles Nachtfahrverbot zu verhängen, wobei ich dazu sagen möch­te: Nachtfahrverbote sind durchaus zu überlegen, und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen deshalb, da Emissionen, die während der Nacht bei Inversionswetterlage ent­stehen – eine Wetterlage, die ja in fast allen Nächten in Tirol vorherrscht –, die drei- bis zehn­fache Immissionswirkung wie die gleichen Emissionen am Tage erzeugen.

Das bedeutet, dass, auch wenn am Tag alle LKW, die in der Nacht nicht gefahren sind, fahren wür­den, die Immission, also das, was unsere Kinder, was alle Menschen bei uns in Tirol einatmen, trotzdem geringer werden würde.

Aus diesem Grund wurden auch auf der einen Seite bereits sektorale Nachtfahrverbote erlas­sen, Frau Kollegin, denen aber auf der anderen Seite wieder Ausnahmen gegenüberstehen – Ausnahmen in jenen Bereichen, in denen es darum geht, die Güter des täglichen Bedarfes, die jeder Einzelne von uns konsumiert, in den Geschäften zum Verkauf zur Verfügung zu stellen, aber auch Güter, die in unseren Nachbarländern gebraucht werden. Die Ausnahmen betreffen auch Unternehmen, die es in unserer entlegenen Region zum Teil sehr schwer haben zu über­leben; ihnen wird damit das Überleben gesichert.

Ich gehe davon aus, dass wir zunächst – das ist auch unsere Verpflichtung gegenüber unseren europäischen Nachbarn – die gelinderen Mittel wählen müssen, wenn sie auch zum Erfolg füh­ren. Und ich bin dafür, dass die sektoralen Nachtfahrverbote, die bereits erlassen sind, noch einmal überprüft und unter Umständen auch ausgeweitet werden. Ich bin allerdings dagegen, ein ge­nerelles Nachtfahrverbot für LKW über 7,5 Tonnen zu erlassen, weil ich glaube, dass das nicht alle Erfordernisse im ausreichenden Ausmaß berücksichtigt.

Viel wichtiger erscheint mir aber, dass wir – und ich würde mir wünschen, dass wir das ge­meinsam tun – an einer Nachfolgeregelung für den Transitvertrag arbeiten müssen. Herr Kolle­ge Eder, der Transit­ver­trag gilt jetzt in ganz Österreich. Tirol hat die Hausaufgaben gemacht, um zu argumentieren, warum Tirol ein sensibler Korridor ist. Es liegt auf der Hand. Ich glaube, es wäre auch wichtig, dass die anderen Regionen in Österreich sachlich nachvollziehbare Argumente liefern, mit de­nen wir in der EU sachlich gerechtfertigt Ausnahmen vom EU-Normalrecht fordern können. Ich rufe daher – ich weiß, dass es mehrere solche Gebiete gibt – die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern dazu auf, so schnell wie möglich sachlich rechtfertigbare Argu­mente zu liefern. Dies ist bis jetzt eben nur im Alpenbogen der Fall.

Des Weiteren hoffe ich, dass mit der neuen Wegekostenrichtlinie und insbesondere mit dem Aus­bau der Bahn im Unterinntal und dem unverzüglichen Bau des Brenner-Basistunnels das ge­lingen kann, was es der Schweiz ermöglicht, generelle Fahrverbote in der Nacht zu ver­hängen, nämlich einen wesentlich größeren Anteil des Schwerverkehrs endlich auf die Schiene zu bekommen! Wenn wir dann begleitende Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung brauchen, so­bald wir endlich die ent­spre­­chenden Schienenkapazitäten haben, dann werden wir diese sicher auch gemeinsam set­zen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.43


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Reheis. – Bitte.

14.43


Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Wenn wir heute hier stehen und hören, was die ÖVP zum Transit zu sagen hat, dann muss man


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 96

dem nur eines dagegenhalten: Wir stehen heute – das muss man leider sagen – vor einem verkehrspolitischen Scherbenhaufen, den Blau-Schwarz verursacht hat. Bundeskanzler Schüs­sel an der Spitze, Außenministerin Ferrero-Waldner und Verkehrsminister Reichhold haben dies zu verantworten! (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka.) Es ist nämlich weit und breit, Herr Kolle­ge Kukacka, keine Nachfolgeregelung zum Transitvertrag in Sicht.

Die LKW-Lobby hat freie Fahrt durch unser Land, belastet immer stärker die Bevölkerung, unse­re Umwelt und ganz besonders die sensible Alpenregion. Man kann durchaus von einem De­sas­ter rund um die Transitvertragsverlängerung sprechen. Das ist ein Ergebnis Ihrer jahrelan­gen Unfähigkeit, das muss man sagen. Sie waren jetzt verantwortlich für diese Politik, und wir stehen hier heute vor dem Scheitern dieser Politik, und der Verkehr rollt weiter! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! 15 europäische Staaten haben sich mit uns im Protokoll Nummer 9 aus dem EU-Beitrittsvertrag dazu verpflichtet, sich für eine dauerhafte und nachhaltige Re­duktion der NO-Emissionen um 60 Prozent aus dem LKW-Transit durch das Staatsgebiet der Re­publik Österreich bis zum Jahr 2003 einzusetzen. Wir haben jetzt 2003, und die NO-Emis­sionen sind seit 1999 um 18 Prozent gestiegen. Die Stickstoffdioxidwerte, Smog- und Ozon­werte erreichen Rekordhöhe. Erst in den vergangenen Tagen haben jüngste Messungen an der Messstelle Vomp an der A 12 mehrmalig eine Überschreitung des Grenzwertes an NO2-Emis­sionen ergeben. Das ist der Beweis dafür, dass diese Übereinkommen und dieses Versprechen nicht gegriffen haben und vernachlässigt wurden.

Diese Rekordwerte bei den so genannten Stickoxiden geben wirklich zu größter Sorge Anlass. Seit Jahren, meine Damen und Herren, sind keine so hohen Werte gemessen worden, und die Ex­perten sehen eindeutig den LKW-Verkehr als einen der Hauptverursacher dafür. Der LKW-Verkehr ist dort als Stickstoffoxidemittent verantwortlich.

Zu den bestehenden Lenkungsinstrumenten sind weitere dazugekommen, etwa sektorale Fahr­verbote, und als wichtigste Forderung ist die Verlagerung des LKW-Verkehrs auf die Schiene zu nennen. Aber um dies umsetzen zu können, meine Damen und Herren, brauchen wir ent­schlossene Verkehrspolitiker und engagierte Manager, aber engagierte Manager sind dieser Bun­desregierung ebenfalls ein Dorn im Auge.

Ich denke da an Hans Lindenberger – der Manager schlechthin –, der zum Beispiel die Unter­inn­­taltrasse gegen härteste politische Widerstände, insbesondere von blauen Verkehrs­ministern, durchgesetzt hat, der Bürgerinitiativen ernst genommen hat und dieses Paradeprojekt der Un­ter­inntaltrasse als Herzstück der Bahn zwischen München und Verona durchgesetzt und zur Baureife gebracht hat. Er wurde aus dem Amt gemobbt, meine Damen und Herren! Acht Jahre lang leitete Lindenberger die BEG allein, und nun wurde ihm vom blauen Verkehrs­minister ein der FPÖ nahe stehender Co-Geschäftsführer in der Person von Alexander Luschin. zur Seite gestellt. Ohne Luschins Ja sollte der langjährige Alleingeschäftsführer Lindenberger kaum noch etwas entscheiden dürfen. Das ist Politmobbing erster Klasse, meine Damen und Herren, und das gegen einen hervorragenden Manager, dessen Professionalität, dessen Durch­setzungs­ver­mögen, dessen Sachkenntnis und dessen Einsatz für den Ausbau der Eisen­bahnachse Brenner wohl unbestritten sind.

Was hat dieser von Bundesminister Reichhold eingesetzte Luschin zu bieten? – FP-Nähe und zahlreiche Nebenjobs. Alexander Luschin ist in mehreren Aufsichtsräten, an der Wirtschaftsuni Wien, im Eisenbahncluster der ÖBB, in einem Softwareunternehmen und im Investmentbanking tätig. Seine Anwesenheit, meine Damen und Herren, so berichtete die „Tiroler Tageszeitung“ in der Ausgabe vom 20. Februar, sei lückenhaft gewesen. – Kein Wunder bei so vielen Neben­jobs! Aber auf jeden Fall wird der Abgang von Hans Lindenberger, der eine exzellente Arbeit für den Bahnausbau in Tirol geleistet hat, eine große und von Ihnen zu verantwortende Lücke hinter­lassen.

Es ist zu befürchten, dass sich das Projekt, LKW von der Straße auf die Schiene zu bringen, in Tirol um Jahre verzögern wird. Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Das ist


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 97

Ihre schwarz-blaue Verkehrs- und Personalpolitik. Es ist zum Schämen! Deswegen können Sie sich wahrscheinlich nicht mehr in den Spiegel schauen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

14.49


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bemühe mich natürlich, diesen Antrag ernst zu nehmen, weil das Thema Transit für uns Österreicherinnen und Österreicher ein sehr wichtiges Thema ist. Gerade als Salzburger weiß ich wie Sie als Tirolerin und Sie als Tiroler sehr wohl, was es für die ansässige Bevöl­ke­rung bedeutet, diese Transitwelle zu haben.

Aber dieser Antrag geht meines Erachtens erstens, was das Transitproblem betrifft, ins Leere, und zum Zweiten ist das ein Antrag, der für ganz Österreich gilt. Meine Damen und Herren! Ich mache schon darauf aufmerksam, dass eine Änderung der Straßenverkehrsordnung noch einiges mehr bedeutet. Eine Änderung der Straßenverkehrsordnung hinsichtlich eines Fahr­verbots für LKW über 7,5 Tonnen bedeutet zum Beispiel, dass ganze Logistikketten zerschla­gen werden und dass es auf den Märkten keine Frischware mehr gibt. Das bedeutet das LKW-Fahrverbot in der Nacht! Darauf muss man auch aufmerksam machen. (Abg. Dr. Lichten­berger: Waren Sie schon einmal in der Schweiz?)

Man muss auch darauf aufmerksam machen, dass der morgendliche Pendlerverkehr und der zusätzliche LKW-Verkehr, der in der Früh beginnen würde, zu einem totalen Chaos führen wür­den. Frau Kollegin! Dieser Antrag ist von Ihnen vielleicht gut gemeint, er geht aber völlig ins Lee­re. (Abg. Dr. Lichtenberger: Waren Sie schon einmal in der Schweiz?) Wissen Sie, was passiert, wenn in der Früh zu dem Pendlerverkehr, zu dem Berufsverkehr noch der LKW-Verkehr kommen würde? – Das wäre eine Katastrophe! Wissen Sie auch, dass der ökologische Ansatz dabei völlig falsch ist? – Er ist völlig falsch.

Beim morgendlichen Stau entsteht eine wesentlich höhere Abgaskonzentration und Umwelt­belastung. Sie denken immer nur an das Transitthema. Das ist mir völlig klar, und die ganze Dis­kussion ist bis jetzt in diese Richtung gegangen. Ich möchte es aber doch versachlichen, weil die Straßenverkehrsordnung bekanntlich für ganz Österreich gilt und nicht nur für die Tran­sit­routen.

Wenn Sie in Ihre Begründung auch noch schreiben: „flächendeckende Sicherung der Nachtruhe der Bevölkerung“, dann muss ich Ihnen sagen, diese wünsche ich mir auch, aber dann müssten wir auch über die Eisenbahn sprechen, sehr geehrte Frau Lichtenberger, weil der Eisenbahn­verkehr insbesondere in den Alpentälern zu einer immensen Belastung führt. Kein Mensch diskutiert in diesem Zusammenhang über ein Fahrverbot für Züge in der Nacht – natürlich nicht. Verkehr ist eben Realität. Die flächendeckende Sicherung der Nachtruhe können wir nicht mehr gewährleisten, wir haben das zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn ich jetzt ganz zynisch wäre, dann würde ich sagen, eigentlich müsste man auch über die Schanigarten-Regelung reden. Wenn es nur um die Nachtruhe der Bevölkerung ginge, dann gä­be es viele Dinge, über die wir diskutieren könnten. – Damit will ich Ihnen nichts anderes sagen, als dass Ihr Antrag zwar sehr lieb und sehr nett gemeint ist, aber einfach an der Realität völlig vorbeigeht.

Meine Damen und Herren! Oder das Thema Lärmerregung durch Abroll- und Luftwiderstands­geräusche: Gerade die Eisenbahn erzeugt nur solche Geräusche. Diese Argumentation würde ich also an Ihrer Stelle nicht dazu nehmen, ein LKW-Nachtfahrverbot zu fordern.

Dieser Antrag ist meines Erachtens aus den von mir erwähnten Gründen einseitig. Er betrifft nur Bereiche, die wir leider Gottes mit dieser Maßnahme nicht regeln werden können, Stichwort Transit. Er ist kurzsichtig, und er ist letztendlich auch im Sinne der Wirtschaft undurchführbar.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 98

Aber, Frau Lichtenberger, ich empfehle den Grünen, insbesondere Ihren Kollegen Öllinger und Pilz, sich vielleicht mit einigen Dingen zu beschäftigen, von denen sie mehr verstehen. Dazu haben Sie morgen eine ganz gute Möglichkeit: Morgen findet der Opernball mitsamt der inzwi­schen zur Institution gewordenen Demonstration statt. Ich empfehle den Grünen – da haben Sie ja eine hohe Kompetenz –, morgen Ihre Möglichkeit der Kompetenz auszuspielen: mit Ihren Freunden, die inzwischen Aufmarschpläne zeichnen, die Pflastersteine suchen. Die kennen sich da aus. Und Herr Öllinger wird auch wieder mit dabei sein, ebenso Herr Pilz.

Ich bin neugierig darauf, wo diese Herrschaften morgen mitmarschieren werden, denn es gibt die Friedensmarschierer, es gibt die Randalierer gegen Schwarz-Blau – und da habe ich den schwe­ren Verdacht, dass Sie dort mitlaufen werden –, und es gibt auch die Opernball-De­monstrierer.

Ich empfehle Ihnen, dort tätig zu werden, wovon Sie etwas verstehen, und das ist zum Beispiel bei diesen Demonstrationen – aber bitte nicht in wichtigen Bereichen, die die gesamte Wirt­schaft betreffen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Das war ein unglaublicher Blöd­sinn!)

14.53


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Gahr. Die Uhr ist wunschgemäß auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.

14.53


Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es ist unsere Pflicht, im Dienste der Bürger Schutz und Vorsorge vor Umwelt­ein­flüssen zu treffen, welche durch Lärm und Abgase entstehen. Es ist heute im Vorfeld schon viel gesagt worden, aber es ist natürlich so, dass es bezüglich dieses Themas mangelnde Solida­rität in Europa gibt, vor allem wenn man den Transitvertrag vom Jahre 1994 bis heute betrach­tet. Ich wünsche mir, dass da mehr Verlässlichkeit mittels internationaler Vorgaben möglich wäre.

Wie man sehen kann, ist das fast ein Tiroler Thema, angefangen bei der Antragstellerin bis hin zur Rednerliste, auf der fast nur Tiroler stehen. Daher dürfen wir Tiroler auch auf ein wenig Erfah­rung hinweisen. Tirol hatte den Mut, ein sektorales Nachtfahrverbot über die Wintermonate einzuführen, und dessen Auswirkungen habe ich bei Betriebsbesuchen erlebt. Ich darf hier nur einen kleinen Auszug daraus bringen.

Die Reduzierung der Schadstoffe ist nicht in dem Maße gelungen, wie wir uns das gewünscht hätten. Es gibt natürlich im Frühverkehr auf dem Weg zu den Arbeitsstätten Staus, und auch der Fließverkehr gerade auf der rechten Spur ist davon betroffen. Viele Firmen haben gejam­mert, vor allem bezüglich der Logistik. Man kann sehr wohl etwas einführen, aber natürlich ist das mit Kosten verbunden. Nimmt man einen Drei-Schicht-Betrieb her, dann hat dieser natürlich wieder Nachteile, so ist das eben; es gibt da und dort Nachteile, was zusätzliche Aufwendungen durch das sektorale Nachtfahrverbot bedeuten.

Eine Lösung für diese Problematik müssen wir gemeinsam finden. Wir können auch keine ge­gen­seitigen Schuldzuweisungen machen, weil diese dieses Problem nicht lösen werden, und ein Blick in die Vergangenheit ist nur dann dienlich, wenn er der Zukunft hilft.

Österreich als Land im Zentrum Europas ist ein Wirtschaftsraum, der wettbewerbsfähig ist, der so bleiben muss. Die heimische Wirtschaft ist der Garant dafür, dass wir Arbeitsplätze haben; der Vergleich in der Arbeitsplatzstatistik europaweit macht uns dabei sicher. Wir müssen also eine Strategie entwickeln und nicht ein Nachtfahrverbot für das ganze Land erlassen, denn das löst das Problem nicht.

Wir sind ein Land, in dem Wirtschaft, Tourismus und die Bürger eine Einheit bilden. Wir dürfen das Land nicht schlechter machen, so wie es manche machen. Ein Nachtfahrverbot im Winter ist in Tirol eine Erfahrung. Man wird aber auch in die Zukunft blicken und wird daraus Erkenntnisse gewinnen. Der Vergleich mit der Schweiz ist vielleicht ein bisschen weit hergeholt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 99

Die Schweiz hat in den letzten zehn, fünfzehn Jahren sehr viel Geld in den Schieneninfra­struktur­aus­bau investiert und ist heute in der Lage, 80 Prozent der Güter auf der Schiene und 20 Pro­zent auf der Straße zu transportieren, und in Österreich ist es umgekehrt.

Wir brauchen also ein Bündel an Maßnahmen: Wir müssen den Schwerverkehr auf die Schiene bringen, wir brauchen in Tirol den raschen Bau und das Vorantreiben des Baus der Unterinn­taltrasse und den Beschluss und die Realisierung des Brenner-Basistunnels. Wir brauchen aber auch eine Bahn, welche bereit ist, moderne Logistik umzusetzen. Wir brauchen einen verpflich­tenden Einbau von Dieselfiltern sowohl für LKW als auch für PKW. Und wir brauchen insgesamt eine Reduzierung der Schadstoffe, angefangen beim Hausbrand bis hin zu allen anderen Berei­chen. Sektorale Fahrverbote für sensible Zonen sind ein Teil, werden da und dort eine Möglich­keit sein, aber sind insgesamt nicht die komplette Problemlösung.

Wir brauchen also keine Panikmache, sondern wir brauchen wahren Lobbyismus von der Basis, von den Gemeinden, vom Land, vom Bund und von der EU. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Wir allein können das nicht lösen, Herr Kollege Wittauer! Wir Tiroler werden hier Vorbild und Vorreiter in Europa sein und damit einen Teil zur Problemlösung beitragen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.57


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.57


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte anregen, dass Sie sich das Stenographische Protokoll über die Ausführungen des Kollegen Mainoni kommen lassen. Er hat meiner Meinung nach, indem er den RednerInnen der Grü­nen die Kompetenz abgesprochen hat, zum Verkehrsbereich zu sprechen, unter dem Hin­weis, dass wir uns in der Nähe von gewaltbereiten Pflastersteinwerfern kompetenzmäßig bes­ser aufgehoben fühlen sollten, einen eindeutig verbalen Übergriff begangen. Ich bitte, das auf Ordnungsrufwürdigkeit zu prüfen.

14.58


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Das werde ich gerne tun.

Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

14.58


Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist insoferne zu unterstützen, als gesundheitliche Auswir­kungen bei Lärmbelastung beziehungsweise bei Belastung durch den Transitverkehr insgesamt belegt sind. Daher sind wir gefordert, rasch wirksame Maßnahmen gegen die Transitbelastung zu setzen. Allerdings gibt es zwei Probleme dabei: zum einen eine handlungsunfähige Bundes­re­gierung und zum anderen einen Bundeskanzler, der ausschließlich mit egoistischen Macht­fragen beschäftigt ist. Das ist auch der Grund dafür, dass nunmehr seit sechs Monaten in Öster­reich Stillstand herrscht. Und das ist auch der Grund dafür, dass der österreichische Einfluss in Europa zunehmend schwindet. Als aktueller Beweis dazu dient die Niederlage in der Frage Transitvertrag und Ökopunkte. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wir unterstützen natürlich alle Bemühungen zur Verbesserung des Nord-Süd-Transits. Sie gestatten aber den Hinweis, dass die europäische Erweiterung in der Ost-Region stattfindet, also in einer Region, die in den letzten zehn Jahren eine mehr als Ver­fünf­fachung des LKW-Verkehrs hinnehmen musste und die bis 2010 mit einem weiter verstärk­ten Verkehrsaufkommen rechnen wird müssen. Eine Prognose für die Ost-Autobahn spricht von einer Verdreifachung.

In Anbetracht dieser Entwicklung und Prognosen fürchte ich, dass die Bundesregierung diesen Tatsachen nicht ausreichend Rechnung trägt, und das ist der betroffenen Bevölkerung nicht zu­mutbar. Im Vergleich dazu hat das Burgenland seine verkehrspolitischen Hausaufgaben erle-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 100

digt. Der Straßenausbau, der Schienenausbau wurde unter Landeshauptmann Niessl forciert wie nie zuvor. Allein in den beiden letzten Jahren wurden die Mittel für den öffentlichen Ver­kehr verdoppelt.

Zum Generalverkehrsplan darf ich festhalten, dass wichtige burgenländische Forderungen erfüllt sind. Bei zentralen Schienenprojekten sind allerdings Notwendigkeit und Finanzierung in keiner Weise abgestimmt.

Die Lösung des Verkehrsproblems wird zweifellos nur dann gelingen ...


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Es ist 15 Uhr. Entweder Schlusssatz, oder ich unterbreche Sie, und Sie können nach der Debatte über die Dringliche Anfrage und der An­fragebesprechung weitersprechen. Das liegt bei Ihnen.


Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (fortsetzend): Ich komme zum Schluss: Die Lösung gelingt nur dann, wenn wir die Güter auf die Schiene bringen und auch die Finanzierung dafür sicherstellen. Dafür werden zweifellos auch Mauteinnahmen notwendig sein.

Die Zusammenarbeit von Niederösterreich, Burgenland und Wien verhindert, dass eine Transit­verlagerung passiert und ein Auseinanderdividieren der Regionen passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

15.01


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Kollege, Sie haben uns einen Schlusssatz versprochen!

Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 19/A dem Verkehrsausschuss zu.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend unnötige Belastung der ÖsterreicherInnen durch teure Kampfflugzeuge (122/J)


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 122/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Seit mehr als drei Monaten ist der von Bundespräsident Klestil mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragte Bundeskanzler Schüssel nicht in der Lage, diesen Auftrag zu erfüllen. Begründet wird diese lange Dauer der Regierungsbildung durch den Bundeskanzler damit, dass es so schwierig ist, einen (Regierungs)Partner zu finden, der bereit sei, gemeinsam mit der ÖVP jenen ungeheuren Reformstau, vor dem Österreich stehe, aufzulösen. Ein Reformstau, der, glaubt man den Worten des Bundeskanzlers, praktisch jeden wichtigen Politikbereich be­trifft. Es bedürfe, so Schüssel, schmerzhafter Sanierungsmaßnahmen, um die angeschlagenen Staatsfinanzen zu retten, tiefgreifender Einschnitte ins Pensionssystem, um dessen Finan­zierung zu gewährleisten, einer grundlegenden Reform des Gesundheitssystems, um dessen Funktionieren aufrecht zu erhalten, wesentlicher Änderungen im Bildungssystem, um konkur­renzfähig zu bleiben, einer an die Grundfesten gehenden Reform der staatlichen Verwaltung, um diese effizienter und billiger zu machen, und selbst die katastrophale Lage am Arbeitsmarkt wird nicht mehr negiert, sondern als Reformauftrag angegeben.

Nun ist dies aber nicht die erste Regierung, die Schüssel bildet. Im Februar 2000 trat „Schwarz/Blau I“ an und verhieß eine Wende zum Besseren. „Der Staat muss schlanker, die Verwaltung effizienter werden“; „die Maßnahmen (zur Budgetkonsolidierung, Anm.) werden


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 101

größtenteils durch Einsparungen erfolgen, und wir fangen bei uns selbst an“; „das Budget wird nachhaltig entlastet. Jeder 15. Posten im Bundesdienst wird eingespart“; „die neue Bundes­regierung wird die Arbeitslosigkeit konsequent bekämpfen“ – um nur einige der Ankündigungen aus der damaligen Regierungserklärung Schüssels zu zitieren.

Mehr als 3 Jahre nach dieser „Wende“ steht Österreich nicht besser, sondern schlechter als damals da. Die wichtigsten Indikatoren der Wirtschaftspolitik zeigen zweifelsfrei, dass diese Wende eindeutig eine zum Schlechteren gewesen ist.

Mit 7 % hat Österreich heuer eine extrem hohe Arbeitslosenrate.

Das Wirtschaftswachstum Österreichs, das in den neunziger Jahren stets über dem euro­päischen Durchschnitt lag, ist in den letzten Jahren hinter diesem zurück geblieben.

Die Einkommen der Arbeitnehmer (der durchschnittliche Nettoreallohn pro Beschäftigten) lag im Jahr 2002 unter dem Wert des Jahres 2000.

Die unteren Einkommensschichten wurden durch eine Welle von Steuer- und Gebühren­er­höhungen überdurchschnittlich stark belastet.

Auch bei den Investitionen, beim Wachstum und damit bei der Wohlstandssteigerung hat Österreich die Überholspur verlassen.

Beim Wachstum lag Österreich im EU-Vergleich im Jahr 2001 knapp vor Deutschland auf dem vorletzten Platz.

Trotz der höchsten Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte Österreichs wurde keine nachhaltige Budgetsanierung erreicht. Die Gesamteinnahmen des Staates erreichten in Öster­reich 2001 mit 52,0 % des BIP einen Höchststand. Zum Vergleich betrugen sie in Deutschland 45,5 % und im EU Durchschnitt 46,3 % des BIP.

Die dämpfenden Effekte dieser restriktiven Politik führen zu weniger Wachstum, weniger In­vestitionen, weniger Einkommen, mehr Arbeitslosen, weniger Steuereinnahmen und zusätz­lichen Ausgaben für Arbeitslosigkeit und Pensionen.

Nach den Angaben von Finanzminister Grasser besteht ein budgetärer Konsolidierungsbedarf von rund 8 Mrd Euro über die Legislaturperiode, das ist deutlich mehr als im Jahr 2000. Nimmt man die Regierung beim Wort und unterstellt, dass sowohl Steuersenkungen als auch das „Nulldefizit“ bis 2006 erreicht werden sollen, beträgt der Konsolidierungsbedarf mehr als 13 Mrd Euro in den Jahren 2003 bis 2006.

Das heißt, dass es in keinem der Bereiche, in denen Bundeskanzler Schüssel heute einen „Reformstau“ konstatiert, der schwarz-blauen Regierung gelungen ist, ihre Versprechen einzulösen. Im Gegenteil, so richtig „gestaut“, um in der Terminologie des Bundeskanzlers zu bleiben, hat es sich – wie alle Daten zeigen – erst in den letzten drei Jahren.

Verschärft wurde diese Entwicklung noch durch den de facto-Stillstand jeglicher Regierungs­aktivität ab jenem Zeitpunk vor einem halben Jahr, als Bundeskanzler Schüssel vorgeblich we­gen der Instabilität der FPÖ Neuwahlen vom Zaun brach. In diesen Zeitraum fällt unter anderem das völlige Scheitern der Regierung in der für Österreich so wichtigen Transitfrage, teils wahl­kampfbedingt, teils durch Inkompetenz, teils als Folge eines generellen Versagens der EU-Po­litik dieser Regierung.

Schwarz-blau ist also inhaltlich gescheitert – wie Schüssel mit seiner Reformstau-Aussage indirekt bestätigt. Schwarz-blau ist auch an der Instabilität der FPÖ gescheitert – wie von Schüssel direkt bestätigt, als er diese Instabilität im September 2002 als Ursache für Neu­wahlen nannte. Trotzdem ist es nur mehr eine Frage von wenigen Tagen, bis Schüssel wiede­rum eine Regierung mit genau jener FPÖ bilden wird, der er vor einem knappen halben Jahr noch die Regierungsfähigkeit absprach. Einer FPÖ, die heute um nichts stabiler ist als damals, die im Gegenteil – soweit möglich – noch unberechenbarer und instabiler geworden ist.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 102

Dafür gibt es zwei Erklärungen. Die eine ist die, dass es Schüssel darum geht, eine Regierung zu bilden, die der ÖVP möglichst billig kommt, in der die ÖVP die wenigsten Zugeständnisse inhaltlicher und personeller Natur machen muss. Die zweite ist, dass es um jeden Preis zum Ankauf der Eurofighter für das Bundesheer kommen muss. In Wahrheit werden beide Erklä­rungen zutreffen.

Alleine der Zustand des Budgets macht es absolut unverständlich, dass Bundeskanzler Schüssel offensichtlich um jeden Preis am Ankauf von Kampfflugzeugen festzuhalten gedenkt. Und zwar an der absolut teuersten Variante, dem Eurofighter des EADS-Konsortiums. Die ÖVP war in den Sondierungsgesprächen mit der SPÖ in Sachen Kampfflugzeuge/Eurofighter nicht bereit, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Ein „unbedingtes Ja“ zu dieser Anschaffung war für die ÖVP offensichtlich die wichtigste Bedingung bei ihrer Entscheidung für einen Koalitionspartner.

Die Unbeweglichkeit der ÖVP in diesem Punkt wirft die Frage auf, warum für sie die An­schaffung der Eurofighter eine unverzichtbare Bedingung für eine künftige Regierung darstellt. Die militärische Notwendigkeit von Kampfflugzeugen ist umstritten, die Entscheidung für die teuerste Variante, die nur als Prototyp existiert, zusätzlich fragwürdig, die budgetäre Situation erlaubt derartige Ausgaben (noch dazu in Verbindung mit den dann zu erwartenden Folge­kosten) nicht und die österreichische Bevölkerung ist mit großer Mehrheit gegen den Ankauf von Kampfflugzeugen. Daran ändern die in Aussicht gestellten zweifelhaften Gegengeschäfte ebenso wenig wie der Versuch, über die Installierung einer „Wirtschaftsplattform“ vorzugaukeln, Österreich bekomme diese Kampfflugzeuge eigentlich ohnehin von freundlichen Unternehmern geschenkt.

In letzter Zeit tauchten daher Vermutungen auf, dass es der Republik aufgrund der von der Bundesregierung getroffenen Vereinbarungen mit EADS gar nicht mehr möglich ist, aus dem Eurofighter-Deal ohne großen finanziellen Schaden auszusteigen. Dass also sowohl der von der SPÖ verlangte völlige Verzicht auf Kampfflugzeuge, als auch der von anderer Seite ver­langte Umstieg auf kostengünstigere Varianten nicht machbar ist, weil damit große Entschä­digungszahlungen an EADS verbunden wären.

Die ÖVP spricht von der „Reformunwilligkeit“ der SPÖ als Grund für die Nichtaufnahme von Koali­tionsverhandlungen. Es stellt sich die Frage, inwieweit damit nicht eine „Eurofighter­unwilligkeit“ gemeint war und ist. Und es stellt sich ebenso die Frage, wenn es bereits eine vertragliche Bindung Österreichs geben sollte, wieso Bundeskanzler Schüssel angekündigt hat, die Frage Kampfflugzeuge aus dem Wahlkampf herauszuhalten, indem er die Entscheidung auf nach den Wahltag verschob, und wieso er überhaupt Neuwahlen vom Zaun gebrochen hat, wenn klar war, dass es danach nur einen Koalitionspartner geben kann, nämlich jene Partei, die die Eurofighter mitbeschlossen hat.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundeskanzler folgende

Anfrage:

1. Welche Eckdaten bzw. Annahmen über die Konjunkturentwicklung, die Defizitentwicklung und die Entwicklung der wichtigsten Ausgabenblöcke bis 2006 liegen Ihnen als Bundeskanzler vor?

2. Welcher Konsolidierungsbedarf ergibt sich daraus in den Jahren 2003, 2004, 2005 und 2006?

3. Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung Ihre Konsolidierungsziele erreichen?

4. Wann hat die Bundesregierung die endgültige Kaufentscheidung für Kampfflugzeuge ge­troffen, bzw. wann wird sie dies tun?


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 103

5. Wie viele Kampfflugzeuge wird die Bundesregierung kaufen?

6. Welcher Anschaffungspreis (ohne Finanzierungsvarianten) wurde der Bundesregierung für „Eurofighter Typhoon“ Flugzeuge pro Stück / und in Summe im Vergabeverfahren angeboten?

7. Welcher Anschaffungspreis (ohne Finanzierungsvarianten) wurde der Bundesregierung für „F-16 Fighting Falcon“ Flugzeuge pro Stück / und in Summe im Vergabeverfahren angeboten?

8. Welcher Anschaffungspreis (ohne Finanzierungsvarianten) wurde der Bundesregierung für „JAS 39 Gripen“ Flugzeuge pro Stück / und in Summe im Vergabeverfahren angeboten?

9. Wie hoch werden seitens der Bundesregierung die Betriebskosten (inklusive Wartungs­kosten) für den „Eurofighter Typhoon“ pro Stück / und in Summe pro Budgetjahr geschätzt?

10. Wie hoch werden seitens der Bundesregierung die Betriebskosten (inklusive Wartungs­kosten) für die „F-16 Fighting Falcon“ pro Stück / und in Summe pro Budgetjahr geschätzt?

11. Wie hoch werden seitens der Bundesregierung die Betriebskosten (inklusive Wartungs­kosten) für die „JAS 39 Gripen“ pro Stück / und in Summe pro Budgetjahr geschätzt?

12. Wie hoch sind gegenwärtig die Betriebskosten (inklusive Wartungskosten) für die „Draken“ pro Stück / und in Summe pro Budgetjahr?

13. Aus welchem Budgetansatz wird die Beschaffung von 24 bzw. 18 Kampfflugzeugen in welchen Budgetjahren bedeckt werden?

14. Ist Ihnen bekannt, warum das BMLV bei diesem Beschaffungsvorgang gegen die ressor­tinternen „Richtlinien für zentrale Beschaffung“ des BMLV, die unter anderem das Erfordernis einer finanziellen Bedeckung vorsehen, verstoßen hat, und wie beurteilen Sie als Bundes­kanzler dieser Regierung diesen Sachverhalt?

15. Welche Zwischenlösung – für den Zeitraum nach Einstellung des Draken-Regelbetriebes bis zum Abschluss der Implementierung von 24 (bzw. 18) Kampfflugzeugen des Typs „Eurofighter Typhoon“ – wurde der Bundesregierung / dem BMLV durch das EADS – Konsortium im Zuge des Ausschreibungsverfahrens angeboten?

16. Ist Ihnen als Bundeskanzler bekannt, dass die Entscheidung von Verteidigungsminister Scheibner und Finanzminister Grasser entgegen einer Einsichtsbemerkung des Leiters der Gruppe Feldzeug-/Luftzeugwesen im BMLV vom 25. Juni 2002 erfolgte, die das Produkt Gripen von SAAB/Bae, insbesondere „wegen der festgestellten annähernden Gleichwertigkeit der Angebote und der gegebenen Erfüllung der Anforderungen für die Luftraumüberwachung in Österreich“ und wegen dessen „geringeren Anschaffungs- und Betriebskosten“ im Vergleich mit den anderen Anbietern, den Vorzug gab, und wie beurteilen Sie als Bundeskanzler diesen Sachverhalt?

17. Hat sich die Republik Österreich, vertreten durch die betroffenen Ressortminister, bereits gegenüber dem EADS – Konsortium zum Ankauf von Kampfflugzeugen verpflichtet bzw. in welchem Rechtsstadium befindet sich das Ausschreibungsverfahren nach Ansicht der Bundes­regierung derzeit?

18. Sollte durch die Republik Österreich bereits ein Vorvertrag mit dem EADS – Konsortium abgeschlossen bzw. entstanden sein, ist nach Rechtsansicht der Bundesregierung ein scha­den­ersatzfreier Ausstieg aus dem gegenständlichen Beschaffungsvorgang überhaupt möglich?

Wenn nein, welche Schadenersatzpflichten entstehen der Republik Österreich bei Ausstieg aus den bestehenden Vertragsverhältnissen mit den Anbietern im Rahmen der Beschaffung von Kampfflugzeugen, insbesondere im Hinblick auf Investitionen, die von den Anbietern bereits in diesem Zusammenhang getätigt wurden (z.B. Umstellung des Produktionsablaufes bei einem Anbieter [Vorreihung] abgestimmt auf österreichische Bedürfnisse)?


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 104

19. Ist die von Ihnen als Bundeskanzler initiierte Form der Finanzierung sowie die angedachte Lösung des Ankaufes über eine Wirtschaftsplattform in die Ausschreibung dieses Beschaf­fungsvorganges eingeflossen?

Wenn nein, was werden Sie als Bundeskanzler unternehmen, um die von Ihnen in den Wahlkampf eingebrachte Idee zur Finanzierung des Ankaufes von Kampfflugzeugen rechts­konform umzusetzen und welche Rechtswirkungen entfaltet Ihr Finanzierungsmodell auf die laufende Ausschreibung?

20. Von welchen österreichischen Unternehmen hat die Bundesregierung rechtsgültige Zusa­gen für die Beteiligung an der Finanzierung des Ankaufes von Kampfflugzeugen über die Wirt­schaftsplattform?

21. Beabsichtigen Sie, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die ermöglicht, dass Kriegsgerät – wie 24 bzw. 18 Kampfflugzeuge – im Eigentum eines privaten Konsortiums steht und von diesem an die Republik Österreich verleast werden kann?

Wenn nein, wie soll nach Ansicht der Bundesregierung die Finanzierung über eine Wirt­schaftsplattform realisiert werden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu be­handeln.

*****


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich erteile dem Anfragesteller, Herrn Abgeordnetem Dr. Cap, zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort – gemäß § 93 nicht länger als 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! (Abg. Lentsch: Herr Bundeskanzler!) – Ja, Herr Bundeskanzler! Das ist nämlich die Hauptperson. Diese und seine Handlungsweise gilt es auch zu diskutieren, seit er an die Öffentlichkeit getreten ist und mitge­teilt hat, dass die schwarz-blaue Regierung auseinander geht und dass es Neuwahlen durchzu­führen gilt.

Es gilt, ein wenig zu hinterfragen, was da die Hintergründe sind, und es gilt, ein wenig den Stillstand in der Republik seit dem 24. November zu hinterfragen – eigentlich seit September, muss man sagen, und das sind jetzt gut sechs Monate. Daher will ich begründen, warum es so dringlich ist – uns ist es nämlich dringlich, denn uns geht es um die Republik, uns geht es um Österreich, uns geht es um die Bevölkerung, und wir haben nicht so viel Zeit wie der Herr Bundeskanzler, der eine Ehrenrunde nach der anderen drehen kann, bevor er vielleicht geneigt ist, eine Regierung einmal mittels einer Erklärung dem Hohen Haus vorzustellen. Wir haben da ein anderes Verständnis. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wissen Sie, es gibt eine Frage, die sich in letzter Zeit immer öfter stellt – Frau Thurnher hat sie in der „ZiB 2“ auch Bundeskanzler Dr. Schüssel gestellt –, nämlich die Frage: Warum haben wir eigentlich gewählt? In einer dieser seltenen offenen Momente, die auch dem Herrn Bundes­kanzler eigen sind, hat er gesagt: Na ja, wenn Sie den neuen Nationalrat ansehen, dann sehen Sie schon den Unterschied zur vorigen Legislaturperiode!

Das ist eigentlich eine dürftige Antwort. Dass Herr Fasslabend vom ÖAAB das versteht, dass man die Österreich-Interessen hintanstellt und dort, wo es eine Machtverschiebung für die ÖVP gibt, auch einmal in Kauf nimmt, dass man sechs Monate lang keine Regierung hat, das ver­stehe ich schon, Herr Abgeordneter Fasslabend! Das ist mir schon klar! Das ist die Denkweise, mit der Sie an die Sache herangehen. Das verstehe ich, klar! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ein ganz kurzer Blick zurück lohnt sich doch. Ich erinnere an die Auseinandersetzung in der schwarz-blauen Regierung I zum Beispiel um die Frage einer Steuersenkung oder einer


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 105

Steuer­reform. Als sich das immer mehr zwischen der FPÖ und der ÖVP zugespitzt hat, kam es zu „Knittelfeld“. Ich behaupte heute im Rückblick: Eigentlich waren die Ereignisse von Knittel­feld vom Herrn Bundeskanzler herbeiprovoziert. Eigentlich waren sie herbeiprovoziert. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)

Findige Berater in seiner Umgebung werden damals zu dem Schluss gekommen sein: Na ja, wenn es jetzt eine Auseinandersetzung gibt und wenn wir dann Neuwahlen durchführen, dann kann das durchaus dazu führen, weniger Blau und mehr Schwarz! – Das ist ihm im Ohr hängen geblieben. Für mehr Schwarz hat er natürlich eine Schwäche, das werden vor allem die Hinterbänkler begrüßen, denn sie sitzen deswegen in diesem Moment gerade hier herinnen, aber sie sollten besonders sensibel sein, denn wenn seine Taktiererei einmal danebengeht, dann werden die Hinterbänkler kein Bankerl mehr haben, um da hinten sitzen zu können. Sie sollten sich ein bisserl in den Diskussionsprozess einbringen, wenn es um die weitere Politik in der ÖVP geht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer setzt zu einem Zwischenruf an.)

Herr Klubobmann Schweitzer, teilen Sie sich die wenigen Zwischenrufe noch ein, denn wenn die Entwicklung so weitergeht, ist es gar nicht mehr sicher, ob Sie über 4,5 Prozent sein werden bei einer allfälligen Neuwahl, die – wie immer – nicht ausgeschlossen wird bei dem, was sich hier im Moment abspielt! (Abg. Mag. Schweitzer: Ich frage mich, wo nimmst du um diese Zeit den Sonnenstich her?)

Also das wurde herbeiprovoziert, damit diese Regierung ihr Arbeiten bisweilen einstellen kann. Es scheint so zu sein. Es drängt sich dieser Gedanke auf.

Daher drängt sich auch der Gedanke auf, was denn jetzt letztendlich im Mittelpunkt des Wollens steht, wenn man wirklich vorgibt, für Österreich arbeiten zu wollen. Da muss ich dann daran denken, dass es nach dem Wahltag Sondierungsgespräche, auch Verhandlungsrunden ge­geben hat, dass man aber eigentlich nicht erkennen konnte, dass wirklich der Wille vorhanden war, möglichst rasch eine funktionsfähige Regierung für Österreich zu finden.

Ja, ich gehe sogar noch weiter: Es war eigentlich gar nicht das Bestreben da, eine stabile Regierung, eine handlungsfähige Regierung, eine reformfähige Regierung und, Frau Außen­ministerin, vor allem eine Regierung mit Gewicht in der Europäischen Union herbeizuführen. Ihnen macht das nichts. Sie sagen, es ändere sich ohnehin nichts, wenn Sie dort sind. Ich sage Ihnen: Es ist nicht gleichgültig! Es ist wichtig, ob es eine Regierung mit Gewicht in der Euro­päischen Union gibt, die dort tatsächlich auftreten kann. (Abg. Steibl: Na, das ist ein Niveau!)

Wenn ich mir diese Gespräche ansehe, die hier geführt wurden, dann muss ich sagen: Sie wurden nicht mit Ernst geführt. Dazu muss ich sagen: Verhandlungen hat es überhaupt nur mit den Grünen und mit den Blauen gegeben! Mit der SPÖ hat es keine Verhandlungen gegeben, das waren Sondierungsgespräche. Als wir dann beschlossen haben, dass wir jetzt nach den Son­dierungen bereit wären, auch Verhandlungen durchzuführen, kam dann plötzlich die Notbremse des Bundeskanzlers, der dann in einer Pressekonferenz nach dem letzten Sondie­rungsgespräch gesagt hat – wie hat es Andreas Koller von den „Salzburger Nachrichten“ vom 23. Jänner 2003 damals bezeichnet? Er bezeichnete diesen Satz als „bonapartistischen Satz“. –: Uns stellt man keine Bedingungen! – Nachdem er vorher schon zehn Punkte als Be­dingungen präsentiert hatte und eigentlich die sechs Fragen auch sechs Bedingungen waren.

Es hieß also: Uns stellt man keine Bedingungen! – Wer so vorgeht, der will nicht ernsthaft sprechen und will keine Regierung – in diesem Fall mit den Sozialdemokraten. Das sei hier einmal in aller Deutlichkeit festgestellt.

Dann kamen die Gespräche von Schwarz-Grün. Ich sehe heute noch ermüdete Gesichter bei den Grünen. (Allgemeine Heiterkeit.) Aber es sind nicht unzufriedene Gesichter, ich weiß nicht, warum, aber das werden Sie selbst begründen können.

Dann war eigentlich der Lack ab. Jetzt sollten Sie von der ÖVP sich das Lachen ein bisserl einteilen, denn dann war der Lack ab, denn dann kam plötzlich in den Medien eine Kom­mentierung der Situation, die das plötzlich anders gezeigt hat.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 106

Gerfried Sperl schreibt im „Standard“ am 22. Februar: „Wolfgang Schüssel scheint immer noch benommen vom Weihrauch, der rund um ihn aufgestiegen ist.“

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat! Weihrauch ist Ihr Fachgebiet, da werden Sie sich besser auskennen. (Beifall bei der SPÖ.) Aber wissen Sie, wenn der Weihrauch aufsteigt, Herr Bun­deskanzler, dann bekommt man nicht nur Atembeschwerden, sondern dann sieht man auch nicht mehr so genau, weil diese Weihrauchschwaden auch so Manches verdecken, der Bezug zur Wirklichkeit wird dann ein zunehmend schwieriger. Aber das ist Ihr Problem, wenn der Weihrauch aufsteigt. Wenn es zu wenig wird, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, dann müssen Sie halt ein bisserl nachgeben, damit wieder mehr Weihrauch da ist, es ist ja Ihre Aufgabe als Generalsekretärin, dafür zu sorgen.

Weitere Kommentare – Sie lesen sicherlich gerne die Tageszeitungen – lauteten: Rabl, „Kurier“ vom 26. Jänner: „Kann es nicht sein, dass Schüssel in dieser Lage eher das Problem als die Lösung ist?“ (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Das ist übrigens eine sehr interessante Frage, die man einmal eingehend diskutieren sollte. Das sollten Sie auch einmal für sich diskutieren, ob Sie, Herr Bundeskanzler, nicht auch für sich selbst ein Problem sind.

Dann schreibt Herr Rabl auch noch folgenden Satz – ich kann das alles gar nicht zitieren, mir fehlt die Zeit –: „Diese Koalition“ – er meint „Schwarz-Blau I“ – „war Haiders Schöpfung, nicht Schüssels Strategie.“ – Ein großer Satz, gelassen „ausgeschrieben“. Ich wiederhole: „Haiders Schöpfung“!

Daher, sehr verehrte Abgeordnete von der FPÖ, gibt es immer wieder Grüße aus Klagenfurt, um auch ihn der politischen Endlichkeit zu erinnern. Jetzt wieder, sehr produktiv eingebracht in den jetzigen Gesprächen, wahrscheinlich dienlich, besser vorher als nachher, oder noch besser vorher und nachher, würde ich sagen. Ja, das bringt erst so richtig Dynamik hinein. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Dann schreibt Rabl weiter – ich muss aus dem Kommentar mehr Text als bloß einen Satz vorlesen –: „Der Kanzler und Wahlsieger wurde vom Bundespräsidenten mit der Regierungs­bildung beauftragt.“ – Das sollte man hin und wieder wiederholen, damit es nicht in Verges­senheit gerät, denn es sind jetzt schon über drei Monate her, das muss man sagen, das ist schon eine lange Zeit. Das ist aber auch ein klarer Arbeitsauftrag. Bis jetzt hat Wolfgang Schüs­sel diese Anforderung nicht annähernd erfüllt. Schwerpunkt annähernd, nicht annähernd, so Rabl vom „Kurier“. Nicht ich, weil Sie mich so böse anschauen: Rabl vom „Kurier“.

Norbert Stanzel, er ist ein bisschen fixiert auf die FPÖ, schreibt dann am 19. Februar, und zwar wieder im „Kurier“ – man kann sich gar nicht satt lesen am „Kurier“ –: „Jetzt droht das blaue Grauen zurückzukehren.“

Ich wiederhole: „Jetzt droht das blaue Grauen zurückzukehren.“ – Ich zitiere weiter:

„Das heißt: Unberechenbarkeit, speziell bei der Europa-Politik. Große Ankündigungen, denen keine Taten folgen. Eine zerstrittene Funktionärsschicht, der die besten politischen Talente ... ab­handen gekommen sind. Vorhersehbare Niederlagen bei den nächsten Landtagswahlen, die der Führungs- und Richtungsdebatte neue Nahrung geben werden.“

So geht das weiter und weiter, wie ein Bericht aus der Geisterbahn. Es gruselt einem, wenn man das liest, aber das ist die Meinung gewesen. Es ist die Meinung gewesen, die hier ge­äußert wurde. (Abg. Mag. Schweitzer: Hast du selbst auch etwas zu sagen? Zeitung lesen tun wir eh selbst! Josef! Zeitung lesen tun wir eh selbst!)

Herr Klubobmann Schweitzer, ich habe hier extra für Sie eine Karikatur, es ist natürlich schwer, Karikaturen in Wort wiederzugeben; es ist übrigens wieder der „Kurier“. Es ist ein Wahnsinn! Herr Pammesberger schildert da ein Gespräch in vier Karikaturbildern zwischen Bundeskanzler Schüssel und Herbert Haupt. Schüssel sitzt imperial, kaiserähnlich oder papstähnlich ist – ich weiß nicht, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, was Ihnen lieber ist.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 107

Aber jedenfalls erste Frage, bei der Haupt kniet – das scheint die Gesprächsebene zu sein; ich schildere nur, was da steht –: „Steuerreform? Temelin? Beneš?“ Antwort von Herbert Haupt: „Nie gehört!“

Zweite Frage – das sind die Prüfungsfragen, bevor es Verhandlungen gibt –: „Haider, die Knittelfelder?“ Antwort von Herbert Haupt: „Kenn ich nicht.“ – Das ist auch gut.

Dritte Frage – nicht uneitel, Schüssel stellt die Frage –: „Der weltbeste Kanzler, Kicker, Cello-Spieler?“ Antwort von Herbert Haupt: „Wolfgang Schüssel!“ – Bei dieser Antwort trägt Haupt eine Tafel auf der Brust mit der Aufschrift „Schüssel Superstar“. Bei der ersten Antwort steht auf der Tafel „Nimm uns!“, und bei der zweiten Antwort steht auf der Tafel „Super ÖVP“. – Ich muss sagen: Ein guter Koalitionspartner, gut abgerichtet!

Letzte Frage: „Der beste Finanzminister?“ – Haupt: „Karl-Heinz Grasser.“ Das sagt Haupt aus tiefster Überzeugung.

Das ist die Beschreibung eines Karikaturisten. Seien Sie mir nicht böse, das muss man ein­bringen, das ist eine der größten Tageszeitungen, die das im Wesentlichen hier auch be­schreibt. (Rufe bei der ÖVP: Peinlich! Peinlich!)

Wissen Sie, was peinlich ist? – Das kann ich Ihnen jetzt sagen: dass wir jetzt nach diesem Stillstand eine Arbeitslosenrate in der Höhe von 7 Prozent haben, dass wir in Österreich ein Wirtschaftswachstum haben, das so schlecht wie schon lange nicht mehr ist. Peinlich ist, dass die Einkommen der Arbeitnehmer im Jahre 2002 unter dem Wert des Jahres 2000 liegen. Peinlich ist, dass die unteren Einkommensschichten durch eine Welle von Steuer- und Gebühren­er­höhungen überdurchschnittlich stark belastet wurden. Peinlich ist, dass bei den Investitionen, beim Wachstum und damit bei der Wohlstandssteigerung Österreich die Überholspur verlassen hat. – Das kann ich Ihnen aufzählen!

Peinlich ist auch, dass wir momentan nach wie vor die höchste Steuer- und Abgabenquote in der Geschichte Österreichs haben und trotzdem keine nachhaltige Budgetsanierung erreicht wurde. Peinlich ist ... (Abg. Prinz: Billig ist ... !) – Nicht billig, teuer ist das in Wahrheit, was sich da abspielt – teuer für die Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass diese dämpfenden Effekte dieser restriktiven Politik zu weniger Wachstum, weniger In­vestitionen, weniger Einkommen, mehr Arbeitslosen, weniger Steuereinnahmen und zusätz­lichen Ausgaben für Arbeitslosigkeit und Pensionen führen, das ist die Wahrheit, für die Sie jetzt zu stehen haben.

Ich frage mich: Wo ist da Ihr Verantwortungsgefühl, einer Partei, die übrigens seit dem Jahr 1945 eine Gründerpartei ist und dieses Land mit geprägt hat, wenn wir sechs Monate Stillstand haben, drei Monate mit Gesprächen und mit Kosmetik verbracht wird, und am Schluss kommt ohnehin „Schwarz-Blau II“ heraus? Wie ernst haben Sie dann eigentlich die Gespräche mit den Grünen und mit den Sozialdemokraten geführt?

Dann wollen Sie auch noch den Österreicherinnen und Österreichern erklären, wir wollten nicht, sie wollten nicht. Wer trägt die schuld daran? – Nur mehr die Frau Generalsekretärin glaubt, dass Schüssel nicht schuld daran ist, dass es keine Regierung gibt und dass nicht längst schon Blau-Schwarz geplant war.

Das ist doch die Frage! Das muss doch in Wahrheit der Plan gewesen sein – weil das anscheinend der billigere Partner ist, weil man das, was die 100-prozentige ÖVP-Politik ist, die Sie umsetzen wollen, anscheinend so zum Nulltarif fortsetzen kann!

In aller Selbstbescheidenheit, die Sie prägt: Stellen Sie sich in der Öffentlichkeit hin und sagen Sie: Reformwilligkeit, na klar! Reformwille ist, zu 100 Prozent die ÖVP-Vorstellungen umzu­setzen! 95 Prozent, das ist schon gedämpfte Reformwilligkeit, unter 90 Prozent, oje, das ist reform­unwillig, total reformunwillig. Wahr ist das, was das Generalsekretariat der ÖVP sagt, alles andere ist nicht wahr. Das gilt nicht! Nein! Wir haben die Wahrheit und Weisheit zu


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 108

100 Prozent gepachtet. Nur wir wissen, wie der einzig selig machende Weg für die österreichische Be­völkerung aussieht. Wer sich dem nicht beugt, der ist für uns kein Koalitions- und Regie­rungs­partner. Da ist das Wort „Partnerschaft“ bei dieser Geisteshaltung in Wahrheit fehl am Platz. – Das müssen Sie sich jetzt endlich einmal sagen lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt geht es weiter. Jetzt empfehle ich einmal zur Abwechslung die „Kronen Zeitung“ vom 26.2.2003. Ich zitiere: „Post, Bahn, Benzin – alles teurer!“ Darüber steht noch – das ist wichtig! –: „Kaum sind die Wahlen vorbei“. Und dann steht, wie gesagt: „Post, Bahn, Benzin – alles teurer!“

Also munter weiter in die Taschen der Österreicherinnen und Österreicher hineingreifen – das ist Ihre Politik!

Was ich aus den Verhandlungsgesprächen gehört habe, huschen aber im Landwirt­schafts­bereich, wo eure eigene Klientel ist, schnell die Milliarden irgendwo über die Seiten. Wo ist denn da eigentlich Ihre Reformbereitschaft? Wo ist denn zum Beispiel auch im Agrarbereich Ihre Reformbereitschaft oder im Bereich der Staats- und Verwaltungsreform? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das Interessante ist: Sie reden von einem Reformstau, haben jetzt seit drei Jahren die Verantwortung, sechs Monate herrschte jetzt absoluter Stillstand, und dann kommen Sie immer noch mit dem Schmäh – das war so herrlich, als wir in der Fernseh-Diskussion gesessen sind – mit Bruno Kreisky, und der Moderator hat darauf gesagt: Entschuldigung, das ist schon 35 Jahre her! Da kann ich nur sagen: Kommen Sie überhaupt gleich mit Marc Aurel, das ist noch einfacher, das war vor 2000 Jahren! (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Dr. Cap, Sie haben jetzt 17 Minuten Ihrer Redezeit gesprochen und noch kein einziges Wort zum Thema Ihrer Dringlichen Anfrage betreffend „unnötige Belastung der Österreicher und Österreicherinnen durch teure Kampfflug­zeuge“ gesagt.

Ich erteile Ihnen nicht den Ruf zur Sache, lade Sie aber ein, der Geschäftsordnung nach­zukommen und Ihre Dringliche Anfrage zu begründen. – Sie sind am Wort. (Beifall bei der ÖVP. – Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Abgeordneter Dr. Josef Cap (fortsetzend): Das mache ich mit großer Freude, denn nach Finanzminister Grasser besteht jetzt ein Konsolidierungsbedarf in der Höhe von 8 Mil­liarden €. Man stelle sich vor: Sie wollen das Nulldefizit anpeilen, trotzdem irgendwann eine kleine Steuersenkung unterbringen – sollte das wirklich zustande kommen, sind es 13 Milliarden € –, und dennoch, vor diesem Hintergrund, wollen Sie noch immer die Eurofighter kaufen, und zwar auf jeden Fall die Eurofighter, nur das teuerste Kampfflugzeug. Das kostet natürlich 2 Milliarden €. Das wird natürlich die Belastungen für die Österreicherinnen und Österreicher verschärfen.

Daher stellen wir uns die Frage: Weshalb lassen Sie in Wahrheit genau an dieser Thematik betreffend Anschaffung der Eurofighter die Gespräche mit den Sozialdemokraten und die Ge­spräche mit den Grünen scheitern? Was ist da der Hintergrund?

Nächster Punkt: Weshalb wehren Sie sich dagegen, wenn wir sagen, dass wir hier im Parlament ein Minderheitsrecht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen wollen? – Da­mit kann man unter anderem den Ankauf der Eurofighter untersuchen.

Weshalb wollen Sie das eigentlich nicht? Was ist da los? Wieso sind Sie da so hartnäckig? – Das kann nicht eine bloße Fixierung sein, da muss es ein bisschen mehr sein.

In dieser unserer Dringlichen Anfrage stellen wir daher diese Fragen, die uns so bewegen, nämlich sowohl die Frage nach dem Konsolidierungsbedarf als auch die Frage nach den Hintergründen, warum Sie so hartnäckig diesen Ankauf der Eurofighter betreiben und wollen. Gibt es schon Vorverträge? Gibt es diese schon? Gibt es dann, wenn man davon abrücken


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 109

sollte, eventuell Schadenersatzansprüche? Was ist da los? Wieso wehren Sie sich so dagegen, dass da Licht ins Dunkel kommt?

Wissen Sie, was uns besonders interessieren würde? – Diese berühmte Wirtschaftsplattform, diese netten, freundlichen Unternehmer, die so wahnsinnig gern privat Kampfflugzeuge kaufen, um sie dann an die Bundesregierung zu vermieten oder zu leasen. Ich möchte sie gerne kennen lernen. Wo sind diese altruistischen Unternehmer, die das gerne machen?

Ich will aber auch gleich wissen – und deshalb haben wir diese Fragen gestellt –, welcher Rechtsnatur das dann ist, wie das funktionieren soll. Ich erwarte mir dazu wirklich eine ergiebige Antwort, denn ich glaube, Sie haben versucht, die Wählerinnen und Wähler ein bisschen an der Nase herumzuführen, als Sie gesagt haben: Diese Eurofighter werden gar nichts kosten!

Woher kommen die 2 Milliarden? Kommen sie herbeigeflogen, werden sie vom Christkind gebracht? Woher kommen sie? Natürlich wird das etwas kosten. Es wird der Erhalt etwas kosten, die Infrastruktur, die Flugplätze, die Ausbildung der Piloten – all das wird etwas kosten. Aber Sie versuchen, den Menschen einzureden, das Ganze gehe zum Nulltarif. – Natürlich nicht zum Nulltarif, und da muss etwas sein, das wir wissen wollen!

Ich sage Ihnen: Wenn Ihre Antworten nicht wirklich ergiebig und überzeugend sind, werden wir wieder einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellen. Wir wollen, dass das endlich untersucht wird! Es kann nicht so weitergehen, dass Regierungsbildungen davon abhängig gemacht werden, dass man ja sagt zu einem 2-Milliarden-Verschwendungsprojekt, zum Ankauf von Eurofightern, die Kampfflugzeuge sind, die Kriegsflugzeuge sind.

Gerade angesichts der momentanen außenpolitischen Situation müssen wir dagegen vehement Position beziehen! Daher können Sie davon ausgehen, dass wir, wenn wir heute diese Anfrage stellen, im höchsten Maße daran interessiert sind, dass Sie darauf auch eine ausreichende Antwort geben. Dazu sind Sie verpflichtet als Bundeskanzler – sei es auch dieser „Schrumpf­regierung“, die seit Monaten im Stillstand verharrt! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

15.22


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Schüssel zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht über­schrei­ten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.23


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bin sehr froh, Herr Abgeordneter und Klubobmann Josef Cap, dass Sie mir die Gelegenheit geben, öffentlich zu Ihren Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ich hoffe, dass jetzt sehr viele Menschen zuschauen und sich somit selbst, aus erster Hand – Sie verlangen ja auch die Öffentlichkeit der Ausschüsse –, ein Bild davon machen können, wie es eigentlich um das Klima zwischen den Fraktionen steht.

Hat tatsächlich irgendjemand das Gefühl gehabt, dass hier der Klubobmann einer staats­tragenden Partei spricht (Rufe bei der ÖVP: Nein, niemand!), die wirklich eine Partnerschaft mit uns eingehen wollte? – Ich glaube nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Mag. Posch.)

Offen gestanden, Herr Kollege, Ihre Rede war entlarvend! Für diejenigen, die sich fragen, wie solche Koalitionsgespräche ablaufen, sei hinzugefügt: Josef Cap hat in den Verhandlungen immer so – genau so! – geredet wie hier, und das ist eigentlich in dieser Situation ein bisschen be­drückend.

Ich muss ganz offen sagen: Ich habe in den letzten Monaten und Wochen sehr gute und sachliche Gespräche mit den Vertretern aller Parteien geführt. Das war auch der Wählerauftrag nach dem 24. November: drei mögliche Kooperationsmöglichkeiten auszuloten, mit jedem poli­tisch möglichen Partner intensive und ernste Gespräche zu führen, um zu sehen: Wie weit kommen wir? Gibt es so viel Gemeinsamkeit, dass sich eine stabile, ernsthafte, lösungs­orientierte Regierung darauf aufbauen lässt? 


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 110

Ich habe das Gefühl gehabt – und es herrschte wirklich ein anderer Ton –, in den Verhandlungen mit den Vorsitzenden Professor Van der Bellen, Dr. Alfred Gusenbauer oder Herbert Haupt war ein anderer, lösungsorientierter Ansatz. Ich muss ganz offen sagen: Diese Polemik verdient eigentlich nicht den Raum des Hohen Hauses, denn wir sollten uns doch gemeinsam darum bemühen, ernsthaft um die bestmöglichen Lösungen zu ringen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Geben Sie uns bitte Noten!)

Nun sehr offen zu Ihren Aussagen einige Wahrheiten aus meiner Sicht, subjektive Wahr­heiten. – Sie fragen mich, warum es so lange gedauert hat!? Haben Sie wirklich verges­sen, dass die Sozialdemokraten zwei Monate gebraucht haben, um sich durchzuringen, überhaupt in Verhandlungen einzutreten? Die Grünen haben bis zum 7. Februar gebraucht. Ich habe das respektiert. Ich glaube nicht, dass es darauf ankommt, Tempo, Tempo zu machen, die Ge­schwindigkeit über alles zu stellen. Nein! Wer mit anderen in einen ernsten Dialog treten will, der muss sich Zeit nehmen. Genau das habe ich gemacht. Man muss Geduld haben, auf­einander zugehen.

Ich persönlich glaube – das war ja auch das Interessante dabei –, dass die Zeit nicht verloren war, denn wir haben für 80 oder vielleicht sogar mehr Prozent in der Analyse heute einen weitaus parteiübergreifenden Konsens, ob das jetzt die Frage der Europa-, der Außenpolitik oder die Frage stabiler Staatsfinanzen betrifft. Letzteres ist übrigens kein Thema, das man ver­blödeln kann, es ist wichtig für die nächsten Generationen. Man kann auf Dauer weder in einer Familie noch in einem Staat mehr ausgeben, als man einnimmt. Dieses Grundprinzip ist und bleibt wichtig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es kann in einer schwierigen Situation, konjunkturbedingt schwierigen Situation natürlich zeitweise außer Kraft gesetzt werden. Das ist ganz klar, das haben wir auch getan, aber als Prinzip bleibt es wichtig und richtig.

Auch die Frage der Notwendigkeit einer Pensionssicherungsreform scheint mir in der Analyse unbestritten, in der Frage nach dem Weg dorthin waren wir in vielen Bereichen unterschied­licher Meinung. Aber das kann man ehrlich und auch ohne Polemik austragen.

Ich denke, es gehört zum politisch-kulturellen Stil, dass man diese Auseinandersetzung etwas anders austrägt und auf den sachlichen Punkt zuspitzt. Ich habe nichts gegen Sie, und Sie brauchen jetzt auch nicht mich zum Feindbild hochzustilisieren, dazu bin ich nicht groß genug und nicht wichtig genug. Ich bin ein ganz normaler demokratischer Politiker, genauso wie jeder andere hier. Wir sollten uns angewöhnen, ein bisschen weniger in Feindbildern zu denken und zu reden, als Sie das jetzt hier gemacht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben in der Analyse darin übereingestimmt, dass das Gesundheitssystem Österreichs – eines der besten der Welt – nachhaltig saniert werden muss, und zwar vor allem deshalb, weil wir auf Grund der längeren Lebenserwartung und auch der Notwendigkeit, die ich bejahe, dass jeder einzelne – auch der ältere Mensch, der ärmere Mensch – Zugang zu den Spitzen­leistungen der Medizin haben soll, einfach Sparpotentiale brauchen: in Medikamentenpreisen, in Strukturreformen, die längst überfällig sind, und natürlich in einer Mischung von Beitrags- oder Selbstbehaltselementen.

Diesbezüglich waren wir in den Gesprächen schon einiger – wenngleich wir noch keinen Konsens erreichen konnten –, als das heute in der Parlamentssitzung wiederum mit dem Dreschflegel oder mit dem Holzhammer zum Ausdruck gekommen ist. Bleiben wir bei dem sachlichen Stil, der die Verhandlungen meiner Meinung nach durchaus ausgezeichnet hat! Das würde ich mir jedenfalls wünschen.

Ähnliches gilt auch für die österreichische Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren! Sie, die Opposition, haben den Nationalen Sicherheitsrat eingeladen, haben beantragt, ihn einzuladen. Ich habe es gemacht, und Sie haben Recht damit gehabt: Die Irak-Krise ist eine der schwersten außenpolitischen Krisen, die es derzeit global zu behandeln gilt, die Europa und damit auch Österreich betrifft. Aber wie Ernst ist Ihnen das Anliegen, dass Sie mich oder den Vertei-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 111

digungsminister oder die Außenministerin befragen, was wir denn alles tun, was wir getan haben, um etwa Truppentransporte auf dem Landweg durch Österreich zu behindern, oder wie weit wir in der Lage sind, die Kontrolle über den österreichischen Luftraum wahrzunehmen, wenn Sie dann nicht gleichzeitig auch B sagen und bereit sind, den österreichischen Luftraum zu schützen? – Das ist eine ernste Frage, die nichts mit Populismus oder mit Wahlkampf zu tun hat, da geht es um Staatspolitik, Herr Dr. Cap! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mir ist Folgendes aufgefallen: Immer dann, wenn es zwischen SPÖ und ÖVP hätte interessant werden können, ist geradezu wie auf Knopfdruck ein griechisch-antiker Chor von warnenden Stimmen eingeschaltet worden. Besonders krass war ja, dass der oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Erich Haider zuerst massiv die eigene Partei und Alfred Gusenbauer kritisiert hat, dass er überhaupt mit uns verhandelt, um dann blitzartig den Schalter umzulegen und genauso massiv „Skandal!“ zu rufen, dass die ÖVP etwa mit den Freiheitlichen verhandelt. – Was, bitte, ist jetzt die logische Position? Was soll denn überhaupt möglich sein?

Ich sage es ganz offen: Meiner Meinung nach sollte jemand, der A sagt, auch B sagen. Ich habe das Gefühl, Alfred Gusenbauer wollte ebenso verhandeln wie Professor Van der Bellen beziehungsweise die anderen Teammitglieder, die ihn begleitet haben, oder die Freiheitlichen, die mit uns ja noch verhandeln, aber die zweite und dritte Reihe oder mächtige Landesgruppen oder Landesorganisationen haben vieles dazu beigetragen, dass es ja nicht zu solch einer Zusammenarbeit kommt.

Ich muss sagen – und auch das gehört hier, wenn man schon eine ehrliche Bilanz zieht, offen ausgesprochen –: In Wahrheit verhandeln wir – und das ist eine Antwort auf Ihre Frage – noch nicht sehr lange. Wir verhandeln seit einem Monat, und in diesem einen Monat haben wir gründlich ausgelotet, wie weit wir mit den Grünen, wie weit wir mit den Sozialdemokraten oder wie weit wir mit den Freiheitlichen kommen können. Es ist ganz klar, dass es bei den Erstgenannten einige massive Dissenspunkte gegeben hat, und die respektiere ich auch. Ich sage das ganz offen. Da gehören keine bad feelings dazu, das soll man offen aussprechen.

Wir haben uns eben in manchen Punkten nicht einigen können, etwa über den Termin, wann wir mit der Abschaffung oder der Anhebung des Frühpensionsalters beginnen. Wir haben uns nicht auf den SPÖ-Vorschlag einigen können, der heute auch in den „Salzburger Nachrichten“ nachzulesen ist; ich hätte ihn sonst nicht öffentlich gemacht. Sie haben vorgeschlagen, in bestehende Pensionen massiv, und zwar bis zu 10 Prozent, einzugreifen. (Abg. Mag. Wurm: Ab welcher Höhe?) Darüber kann man diskutieren, ich denke nur, dass dies verfas­sungsrechtlich mit dem Vertrauensschutz einfach nicht vereinbar ist. Zu diesem Thema gab es einen klaren Dissens, und dieser gehört ausgesprochen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Bereich öffentlicher Dienst – Sie nennen das Klientelpolitik, Josef Cap; das stimmt nicht – möchte ich sagen: Ich habe großen Respekt vor den Leistungen der österreichischen Beamten, und ich möchte behutsam in diesem Bereich vorgehen. Ja, ich bekenne mich zu den Einsparzielen, ich denke aber, dass die 25 Prozent, die der SPÖ-Vorsitzende einst erwähnt hat, bei weitem zu hoch gegriffen sind. Das ist ohne Qualitätsverlust für die österreichischen Bürgerinnen und Bürger unrealistisch und nicht erfüllbar. Aber ich glaube, dass wir hier gemeinsam durch Strukturreformen sehr viel erreichen können. Der Österreich-Konvent, der die Aufgaben, die neue Verfassung überprüfen soll, könnte hier einen ganz wichtigen Beitrag leisten, der nach meiner Überzeugung einen ganz großen Wurf – hoffentlich partei­über­greifend – bedeuten könnte.

Dritter Punkt: Sie behaupten in der Dringlichen Anfrage – das hier auszusprechen haben Sie nicht gewagt –, Österreich stehe heute schlechter da als vor drei Jahren. Dazu, Josef Cap als Anfragebegründer – aber dazu sind Sie ja nicht mehr gekommen –, möchte ich Ihnen ganz schlicht einige Fakten vorhalten, und dann können wir über die Fakten diskutieren, darüber, ob Österreich heute, nach drei Jahren einer von mir, einer von uns geführten Regierung, besser oder schlechter dasteht.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 112

Hier die Fakten:

Das Bruttoinlandsprodukt im Jahre 1999 betrug 197 Milliarden €, heute sind es 216 Milliarden €; das ist ein Plus von fast 10 Prozent. Besser oder schlechter? – Besser, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Arbeitsplätze: Wir haben im Jahr 1999 3,1 Millionen Arbeitsplätze gehabt, heute 50 000 mehr. Besser oder schlechter? – Besser natürlich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben die Einkommensentwicklung angeführt. Ich zeige den Vergleich mit Rot-Grün in Deutschland auf. Die deutsche Bruttolohnentwicklung von 1999 bis 2002 weist ein Plus von 0,3 Prozent aus, jene in Österreich ein Plus von 1,3 Prozent. Der Vergleich lässt sich sehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Beispiel Armutsbekämpfung. Die Mindestpension für Ehepaare betrug im Jahre 1999 841 €, heute 966 €; das ist ein Plus von 15 Prozent. Besser oder schlechter? – Die Antwort darauf kennen Sie, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nächstes Beispiel: Abgabenquote, die Sie immer wieder im Mund führen. Ja, es ist wahr, im Jahr 2001 war sie hoch. Im vorigen Jahr war sie bereits fast auf dem Niveau des Wertes unter der Ministerschaft des letzten SPÖ-Finanzministers. Heuer liegt sie bereits zwei Zehntel darunter. Wir liegen daher auch da besser als im Jahr 1999, und es ist auch wichtig, dies festzuhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum ersten Mal seit 1945 gab es im vorigen Jahr einen Handelsbilanzüberschuss. Ist das besser oder schlechter, Josef Cap? – Ich meine, das ist ein großer Erfolg für die heimischen Exporteure! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Börseentwicklung – denken Sie an all die Börsencrashs international! –: Die kleine öster­reichische Börse hat sich unter den besten der Welt exzellent behauptet. Besser oder schlechter? – Wir liegen gut im internationalen Vergleich! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Oder: das Ranking, das beliebte Ranking – man kann darüber schmunzeln, aber es ist natürlich irgendwo auch eine internationale Standortbestimmung –: Österreich hat sich in den letzten drei Jahren um 11 Plätze verbessert und hat Deutschland überholt – laut World Economic Report, den Sie hoffentlich kennen; Sie haben schon einige Male daraus zitiert. Ich nenne die Global­zahl, und die ist absolut beruhigend für uns. Sie ist besser, nicht schlechter, liebe Freunde! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In der Produktivitätsentwicklung der letzten zehn Jahre ist Österreich mit 62 Prozent Plus das beste Land überhaupt, weit vor Japan mit 17 Prozent, den USA mit 43 Prozent, Deutschland mit 51 Prozent.

Überlebensquote von Jungunternehmern: Da ist der Kammer, dem Wirtschaftsministerium und allen Beteiligten wirklich etwas gelungen: Die Überlebensquote von Jungunternehmern nach fünf Jahren liegt bei 72 Prozent. Österreich liegt damit weltweit an der Spitze, weit vor Deutsch­land mit 63 Prozent, Schweden mit 59 Prozent, den USA mit 50 Prozent. Wir liegen da nicht nur besser, wir liegen am besten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Ich zitiere weiter. Investitionen in die Bildung: Im OECD-Ranking erreichte Österreich mit einem Durchschnittswert von 6,4 Platz 1, Frankreich Platz 2, dann kommen die USA und so weiter.

Also wenn Sie hier wirklich das Märchen erzählen wollen, Österreich stehe heute schlechter da als vor drei Jahren, dann überprüfen Sie das, bitte, anhand der Fakten!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 113

Wir sind in vielen Bereichen nicht perfekt, daher wollen wir ja bewusst gegensteuern: noch mehr in Forschung und Entwicklung, mehr in die Infrastruktur, noch mehr in die Bildung hinein, aber jedenfalls mit gewogener Berechtigung und mit einer ausbalancierten Meinung. Wir wissen ganz genau, dass wir im Staatsbereich, in der Verwaltung schlanker, stärker, bürgerorientierter werden müssen. Aber ich ganz persönlich meine, dass wir insgesamt, alles in allem eine exzellente Performance haben, und zwar nicht erst in den letzten drei Jahren, sondern Gott sei Dank in den letzten Jahrzehnten seit 1945. Das hat Österreich stark gemacht, und wir haben das in den letzten drei Jahren sogar noch etwas verbessern können.

Sie behaupten, dass es einen Stillstand in den letzten sechs Monaten gab. – Josef Cap, die Wahrheit ist, dass wir in dieser Zeit die schweren Folgen der größten Hochwasserkatastrophe seit Menschengedenken haben bewältigen müssen. Wir haben darüber hinaus – übrigens mit der Hilfe der Sozialpartner, denen ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich dafür danken möchte – ein Konjunkturpaket mit dem Volumen von 1,1 Milliarden € geschnürt, womit wir den Jungen, den Auszubildenden, aber natürlich auch den Hochwasseropfern geholfen haben. Wir haben in diesem Zusammenhang auf EU-Ebene – wo wir doch ach so isoliert sind, Josef Cap – immerhin zum ersten Mal in der Geschichte der EU überhaupt 134 Millionen € für die Hoch­wasseropfer in Österreich lockermachen können, durchsetzen können.

Diese Regierung hat nicht gezögert, sie hat nicht Urlaub gemacht – sie hat gehandelt, sie hat regiert und hat für Österreich dabei sehr viel Positives weitergebracht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben die Uni-Reform umgesetzt. Gerade in diesen Tagen werden die Uni-Räte in ganz Österreich konstituiert.

Wir haben im Transit-Kapitel – auch das sei hier erwähnt – im Europäischen Rat in Kopenhagen eine einstimmige Entschließung für eine Verlängerung des Ökopunkteregimes erreichen können. Wir haben es zustande gebracht – und dazu möchte ich Mathias Reichhold gratu­lie­ren –, dass sich der Verkehrsministerrat am Silvestertag damit auseinander gesetzt und immer­hin die Hoffnung auf einen Verkehrsministerrats-Kompromiss bereits sichtbar gemacht hat. Es wird noch ein hartes Stück Arbeit sein, das weiß ich, aber wir werden kämpfen – die Über­gangs- und die neue Regierung wird dies tun.

Genauso war es bei der Erweiterung. In die Zeit der provisorischen Regierung fiel der Euro­päische Rat von Kopenhagen. Dort haben wir die EU-Erweiterung fixiert, gemeinsam alles außer Streit gestellt, und wir haben darüber hinaus noch den Finanzrahmen für die gesamte Periode fixiert und die Zukunft des ländlichen Raumes und der Bauern bis zum Jahr 2013 gesichert.

Wenn Ihnen das alles gleichgültig ist, Josef Cap, wie ich Ihrem Minenspiel entnehme, dann ist das Ihre Sache – uns ist es nicht gleichgültig, das sage ich Ihnen sehr deutlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun erlauben Sie, dass ich zu den einzelnen Fragen, die Sie an mich gerichtet haben, Stellung beziehe.

Die erste Frage bezieht sich auf die Zahlen, die Ihnen der Finanzminister bereits im Dezember 2002 vorgelegt hat, und zwar im Rahmen eines umfangreichen Berichtes über die Entwicklung der Bundesfinanzen in den Jahren 2003 bis 2006.

In diesem Bericht, der allen Parteien – insbesondere dem Antragsteller dieser Dringlichen An­frage – zugekommen ist, werden die Ausgangssituationen, die Annahmen für die Prognose dar­gelegt, und es wird darin die Entwicklung der quantitativ wichtigsten Ausgabenblöcke um­fassend dargestellt.

Dort finden Sie eine ausführliche Darstellung der Aktivitätsausgaben, inklusive jener für den Bereich Landeslehrer, und der Pensionen für die Jahre 2003 und 2006 unter der Annahme,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 114

dass die gegenwärtige Rechtslage unverändert bleibt und keine Reformmaßnahmen gesetzt wer­den.

Familienlastenausgleich, Finanzausgleich, Finanzschuld, die budgetären Probleme der Arbeits­losenversicherung werden dort aufgezeigt und die budgetrelevanten Budgetsalden ausge­wiesen. Auch die Probleme in den Bereichen ÖBB und betreffend SchiG finden Sie dort, sowie den Liquiditätsbedarf des Siedlungswasserwirtschaftsfonds in den Jahren bis 2008.

Im Einzelnen geht die Budgetrechnung von ganz konkreten Eckdaten aus: Wachstum und, und, und. Ich glaube, ich brauche das jetzt nicht zu wiederholen, denn Sie haben diesen Bericht schriftlich vorliegen. Es würde auch viel zu lange dauern, und ich kann es in der mir gegebenen Zeit nicht unterbringen.

Gemäß diesem Bericht würde das gesamtstaatliche Maastricht-Defizit 2003 auf rund 1,6 Pro­zent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Wenn also keine substantiellen Reform­maß­nahmen be­schlossen würden, würde das Maastricht-Defizit in den Folgejahren noch weiter steigen.

Der Konsolidierungsbedarf – das ist die Antwort auf die Fragen 2 und 3 – ergibt sich natürlich aus dem Defizitziel der einzelnen Jahre und aus dem Arbeitsprogramm der neuen Bundes­regierung. Darüber laufen ja bekanntlich gerade Koalitionsverhandlungen. Ich bin sicher, dass wir Ihnen in wenigen Tagen hier auch unsere Vereinbarungen vorstellen können.

Nun zu der Frage der Abfangjäger. Wann hat die Bundesregierung die endgültige Kaufent­scheidung getroffen? – Die Bundesregierung – ich komme damit zu den Fragen 4 und 5 – hat den Bundesminister für Landesverteidigung am 2. Juli 2002 ermächtigt, im Rahmen des laufen­den Vergabeverfahrens die weiteren Schritte zur Auftragserteilung einzuleiten und über die konkreten Modalitäten, die Optionen, die Stückzahl, die Finanzierungsvarianten und die Liefer­be­dingungen in Vertragsverhandlungen einzutreten.

Seitens des Landesverteidigungsministeriums sind alle Vorbereitungen für den Abschluss eines Kaufvertrages getroffen. Wir haben aber bewusst diese Entscheidung hinausgezögert, damit die neue Bundesregierung beziehungsweise das neue Parlament hier die Entscheidungshoheit selbstverständlich behält.

Was die Stückzahl betrifft, so haben wir im Lichte der Hochwasserkatastrophe die Zahl der Flieger reduziert. Wir sind auf 18 – mit einer Option auf weitere sechs Flieger – zurück­ge­gangen.

Zu den Fragen 6 bis 11:

Da gibt es ganz konkrete Zahlen, die im Hinblick auf das noch offene Beschaffungsverfahren und im Interesse der Bieter nicht bekannt gegeben werden. Das wissen auch Sie, das ist im Landesverteidigungsrat ja intensiv diskutiert worden. Die Betriebskosten sind auch nicht in die Kosten-Nutzen-Analyse eingeflossen, weil es sich lediglich um Angaben der Anbieter handelt, die erst während des Betriebs der Flugzeuge nachvollziehbar sind. Außerdem ist das keine Frage an mich. Die Vollzugskompetenz liegt diesbezüglich mit Sicherheit beim Verteidi­gungs­minister.

Zur Frage 12: Wie hoch sind die Betriebskosten für die Draken?

Das kann ich Ihnen gerne, obwohl nicht zuständig, beantworten: Für 1 400 Flugstunden pro Jahr ergab sich zuletzt ein durchschnittlicher Aufwand von 12 Millionen € inklusive Mehrwert­steuer.

Zur Frage 13:

Haushaltsrechtlich ist das ein mehrere Finanzjahre belastendes Vorhaben. Dafür braucht es eine eigene bundesgesetzliche Ermächtigung.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 115

Zur Frage 14:

Im Regierungsprogramm vom Februar 2000 – das ist ein ganz interessanter Vergleich – ist zwischen SPÖ und ÖVP folgendes festgehalten – ich lese Ihnen aus dem damals ausverhan­delten Koalitionsabkommen gerne vor –:

„Die Nachbeschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge wird möglichst kostengünstig durch­geführt. Die Bundesminister für Landesverteidigung und Finanzen werden gemeinsam die Voraussetzungen entwickeln, dass der Ankauf rechtzeitig in dieser Legislaturperiode“ – also in der jetzt abgelaufenen – „erfolgen kann, im Rahmen der Möglichkeiten des Gesamtbudgets, aber ohne zusätzliche Belastung für das Bundesministerium für Landesverteidigung.“

Das ist deswegen ganz interessant, weil damit ja in Wahrheit auch Ihre Argumentation entlarvt wird. Sie waren immer für die Abfangjäger, solange Sie in der Regierung gewesen sind. Kaum sind Sie in der Opposition, haben Sie Ihre Position um 180 Grad gedreht. – So viel zu dieser Frage.

Erlauben Sie, dass ich nun zur Frage 15 Stellung nehme:

Nach meinen Informationen ist dem Landesverteidigungsminister keine Zwischenlösung ange­boten worden. Andere Informationen liegen mir jedenfalls nicht vor.

Zur Frage 16 ist Folgendes zu sagen:

Es gibt und gab eine Bewertungskommission im Verteidigungsministerium, die alle zuständigen Fachabteilungen einbindet. Diese Bewertungskommission hat sich mit überwältigender Mehr­heit für den Eurofighter ausgesprochen.

Richtig ist, dass der Gruppenleiter außerhalb des Beschaffungsvorgangs eine persönliche Meinung abgegeben hat. Weil die Gripen etwas billiger in der Anschaffung sind, hat er gesagt, im Hinblick auf die geringen Budgetmittel des Verteidi­gungs­ministeriums wäre dies zu prä­fe­rieren, ohne dabei die Offset-Geschäfte und die Ge­samt­betrachtung zu sehen. – Aber die Bewertungskommission, die fachlich zuständig ist, hat ganz eindeutig dem Eurofighter immer den Vorrang gegeben.

Zur Frage 17:

Die Republik Österreich hat derzeit keinen Kaufvertrag mit der EADS zum Ankauf abge­schlossen. Es gab Vertragsverhandlungen, aber keinen Abschluss.

Zur Frage 18:

Bei einem Ausstieg aus dem Beschaffungsvorhaben ohne zwingenden Grund besteht für alle am Verfahren beteiligten Bieter grundsätzlich die Möglichkeit, Schadenersatzforderungen nach den Regeln der culpa in contrahendo geltend zu machen. Danach ist grundsätzlich das ne­gative Vertragsinteresse, also der gesamte Aufwand der Bieter im Zusammenhang mit der An­gebotslegung zu ersetzen.

Zu den Fragen 19 bis 21 ist Folgendes zu sagen:

Die Möglichkeit verschiedener Finanzierungsvarianten wird natürlich erstens im Zuge des Beschaffungsvorgangs geprüft und zweitens dann, wenn die neue Regierung steht, denn dann sind klarerweise die Ressortkompetenzen, die Personen zugeordnet, und dann kann die Arbeit angegangen werden.

Erlauben Sie, dass ich zum Schluss aber doch noch einige wenige Bemerkungen mache, die meine Vorgänger betreffen.

Bruno Kreisky hat am 7. September 1981 wörtlich erklärt – zitiert aus den „Salzburger Nach­richten“ –: „Abfangjäger sind eine echte Neutralitätsschutzmaßnahme.“


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 116

Oder: Vranitzky – das ist immerhin Ihr ehemaliger Parteivorsitzender – hat im „Abendjournal“ am 7. Juni 1988 Folgendes erklärt:

„Ich bin wirklich nicht dafür bekannt, ein glühender Militarist oder ein eisenfressender Kommiss­kopf zu sein, aber wir können nicht in einer Umgebung, in der alle Länder die Landesver­teidigung ernst nehmen, diese auf das Niveau eines regionalpolitischen Geplänkels herunter­drängen, weil die einzige wirkliche Folge dessen wäre, dass wir dann als Staat mit unserer Landesverteidigung in ganz Europa nicht ernst genommen würden, und dafür stehe ich nicht zur Verfügung.“ – Zitat Franz Vranitzky. – Dem ist wenig hinzuzufügen.

Wissen Sie, was mich beeindruckt hat? – Dass im Jahre 1984 der damalige SPÖ-Vorsitzende und Bundeskanzler Alfred Sinowatz die Abfangjäger in einer Koalition mit der FPÖ beschlossen hat. Wenige Monate später kam es zu einer großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP. Sie müssen wissen, dass damals die ÖVP gegen den Draken war, weil wir ein moderneres und besser ausgerüstetes Flugzeug für unsere Sicherheit haben wollten. Trotzdem stand es völlig außer Streit, dass Alois Mock als Vizekanzler und Verteidigungsminister Robert Lichal selbst­verständlich die Vorgaben und die völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Verpflichtungen früherer Regierungen mit umgesetzt haben.

Ein bisschen etwas von diesem staatspolitischen Geist jenseits des parteipolitischen Ge­plänkels wünsche ich mir in ernsten Fragen – gerade jetzt, wo wir am Vorabend einer mög­licherweise kriegerischen Auseinandersetzung um den Irak stehen. Die Sicherheit des Landes und unserer Bürger ist zu ernst, um daraus ein Kabarett zu machen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.49


Präsident Dr. Andreas Khol: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.49


Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich nun in aller Ruhe diese Anfragebeantwortung des Herrn Bundes­kanzlers angehört hat, dann musste man feststellen, dass es zu den kon­kreten Fragen wenig Antworten gegeben hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Das entspricht nicht dem Stil, wie man im Hohen Haus mit Anfragen von Abgeordneten umgeht. Ich sage das vor allem deswegen, Herr Bundeskanzler, weil Sie damit begonnen haben, zu fragen: Was verdient denn dieses Hohe Haus? – Ich kann Ihnen sagen, was dieses Haus auf jeden Fall verdient (Abg. Mag. Kukacka: Eine bessere Opposition!), nämlich eine Bundes­regierung, die zumindest imstande ist, Fragen von Abgeordneten korrekt und präzise zu be­antworten, und die hier keine Maßregelungen vornimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Wenn man sich Ihre so genannte Erfolgsbilanz der letzten Jahre angehört hat, Herr Bundeskanzler – Sie haben aufgezählt, was alles besser geworden ist –, dann stellt man sich die Frage: Weshalb werden die gesamten Regierungsgespräche oder -verhandlungen eigentlich derzeit von einem Kernsatz begleitet, und der lautet überall: Es sind große Reformen erforderlich, es ist notwendig, dass man Österreich reformiert!?

Ich stelle die Frage: Wieso ergibt sich diese Reformnotwendigkeit, wenn alles so wunderbar gewesen ist, wie Sie es darstellen? Wieso brauchen wir heute eine Gesundheitsreform zur Sicherstellung der Finanzierung? (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fassl­abend: 30 Jahre Sozialismus! – Abg. Rauch-Kallat: 30 Jahre Sozialismus! – Weitere Zwi­schen­rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Ich kann es Ihnen sagen, Herr Abgeordneter Fasslabend.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 117

Hier im Hohen Haus haben Sie gesagt, das Personal des Hauptverbandes gehöre aus­getauscht, denn das seien lauter Reformbremser, und da müsse es neue Leute geben, die Ge­sundheitsreformen machen. Diese Gesundheitsreformen haben die Österreicherinnen und Ös­ter­reicher gesehen. Das Einzige, was Sie zusammengebracht haben, ist eine Ambulanz­gebühr, die als Gesund­heits­reform gescheitert ist, und genau aus diesen Gründen stehen wir vor der Notwendigkeit großer Reformen, weil eben nicht alles so wunderbar gewesen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie über die Situation auf dem Bildungssektor reden und sich mit Recht Sorgen darüber machen, wie wir einzelne Dinge finanzieren können – und ich halte das für eine berechtigte Sorge –, dann muss ich Ihnen sagen: Es ist doch bedenklich, dass wir zwar zu jenen Ländern gehören, die, wie es auch die OECD bestätigt, die höchsten Ausgaben im Bildungsbereich haben, dass wir aber nach der einzigen internationalen Vergleichbarkeitsstudie, nämlich der PISA-Studie, zur Überraschung aller nicht auf Platz eins liegen, sondern auf Platz zehn. Das heißt, es gibt eine enorme Reformnotwendigkeit im Bildungsbereich und keinen Grund für Selbst­zufriedenheit am Beginn dieser neuen Legislaturperiode. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir sprechen darüber, wo überall Reformen notwendig sind. Ein Punkt, wieso im Pensions­bereich Reformen notwendig sind, liegt auch im folgenden Umstand: In der letzten Legis­laturperiode haben Sie immer eine Milliarde € von der Arbeitslosenversicherung an die Pen­sionsversicherung überwiesen. Da die Kassen der Arbeitslosenversicherung ausgeräumt sind, ergibt sich noch ein zusätzlicher Konsolidierungsbedarf bei den Pensionen. Der ist aber nicht erst heute entstanden, sondern das ist die Folge der Untätigkeit der letzten drei Jahre.

Deswegen ist die Situation so dramatisch, und daher besteht ein innerer Widerspruch zwischen Ihren Darstellungen, dass alles so wunderbar gewesen ist, und der Notwendigkeit, dass wir heute in Österreich dringend Reformen brauchen. Diese Wahrheit ist allemal zumutbar, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben gesagt – und ich habe genau zugehört –: Vergleichen wir die Bruttolohnentwicklung zwischen Deutschland und Österreich! – Sie haben dabei die Wahrheit gesagt: Die Bruttolöhne sind in Österreich tatsächlich stärker gewachsen, und zwar auch auf Grund der guten Ver­handlungen, die die Arbeitnehmervertreter mit den Unternehmern geführt haben, und das war natürlich auch das Ergebnis der großen Produktivitätssteigerung, auf die Sie verwiesen haben.

Aber das, was für die Österreicherinnen und Österreicher zählt, nämlich das, was netto im Geldbörsel bleibt, ist leider nicht gestiegen, weil durch Ihre Belastungspolitik, die Sie jetzt weiter ungehindert fortsetzen wollen, von all dem, was brutto erwirtschaftet wurde, den öster­reichischen Arbeitnehmern netto nichts übrig geblieben ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie können die 320 000 Menschen in Österreich fragen, die heute arbeitslos sind, ob es ihnen besser geht. Aber fragen Sie nicht nur die 320 000 Arbeitslosen, sondern fragen Sie auch diejenigen, die in Arbeit stehen, ob es ihnen heute besser geht. – Die große Mehrheit wird Ihnen sagen: Es stimmt, dass wir heute mehr arbeiten müssen, es stimmt, dass wir bedeutend produktiver geworden sind, aber leider bleibt uns dafür nicht unser gerechter Anteil, weil die Belastungspolitik der Bundesregierung uns das wegnimmt.

Daher sage ich Ihnen: Wir alle wollen, dass es den Österreicherinnen und Österreichern besser geht, aber das muss anders funktionieren als in den letzten drei Jahren, denn Ihre Politik hat dazu nicht beigetragen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben Recht, dass wir in der Analyse der Probleme vielfältige Übereinstimmung erzielt haben. Das ist für mich unbestreitbar. Es gibt allerdings, wenn man ein Problem analysiert, unterschiedliche Antworten, und diese Antworten geben dann Auskunft darüber, wer einen größeren oder einen kleineren Beitrag zu leisten hat.

Wenn wir uns dazu entschließen, in Österreich eine Pensionsreform durchzuführen, die nicht nur so wie die letzte Reform drei Jahre halten soll, sondern die auch für die heute unter


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 118

Dreißigjährigen garantiert, dass sie in Zukunft faire Pensionen bekommen, dann bin ich der Meinung, dass es absolut nicht unfair ist, zu sagen, dass all jene, die heute besonders hohe Pensionen erhalten – nämlich mehr als 33 000 S im Monat oder rund 2 600 € –, einen Solida­ritätsbeitrag leisten sollen.

Wenn heute jemand pensionierter Minister oder Bundeskanzler ist, dann wird ihm doch kein Stein aus der Krone fallen, wenn er einen maximal zehnprozentigen Solidaritätsbeitrag für die Zukunftssicherung der Pensionen in unserem Land zu leisten hat, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Öllinger und Brosz.)

Ich bin in diesem Zusammenhang für Fairness. Erinnern wir uns daran: Bei der Unfall­rentenbesteuerung wurde Menschen, die zwischen 1 000 und 1 300 € im Monat erhalten haben, bis zu 25 Prozent ihres Einkommens weggenommen. Ich betone: 25 Prozent! Darüber sind keine Tränen vergossen worden, aber wenn diejenigen, die heute Höchstpensionen be­ziehen, einen zehnprozentigen Beitrag leisten sollen, damit in Zukunft die Pensionen gesichert sind, dann kommt man auf einmal mit dem Verfassungsgesetz?!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antworten auf die Herausforderungen ent­scheiden darüber, ob man den Maßstab der Gerechtigkeit anlegt oder ob es nur um den Schutz einzelner Interessengruppen geht. – Wir von der SPÖ stehen für Gerechtigkeit in diesem Hohen Haus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Argumentation betreffend Abfangjäger: Es tut mir Leid, es hat mich gestern nicht überzeugt, als Frau Minister Gehrer gesagt hat, dass dann, wenn jetzt der Irak-Krieg kommt, die Österreicher schon sehen werden, wie wichtig es ist, dass wir die Eurofighter kaufen. Ich weiß nicht, Frau Minister Gehrer, ob im Falle von nicht genehmigten Überflügen das alleinige Her­zeigen des Kaufvertrages besonders beeindruckend sein würde und ob das bei den Öster­reicherinnen und Österreichern ein anderes Sicherheitsgefühl erzeugen würde.

Aber ich kann Ihnen sagen, was mich beeindrucken würde: Wenn nämlich Österreich als ein Land im Zentrum Europas sich dazu entschließen könnte, an einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mitzuwirken, und wenn die Verteidigungsaufwendungen in Europa so verteilt würden, dass sie der Zweckmäßigkeit entsprechen und dass nicht jedes einzelne Land, egal, wie klein oder groß es ist, eine kleine Kopie eines großen Heeres dar­stellen muss.

Wir sollten in Europa und auch in Österreich davon ausgehen, dass die Mittel, die die Menschen bereit sind, der Politik zur Gestaltung des Gemeinwesens zur Verfügung zu stellen, begrenzt sind und dass wir mit diesen Mitteln nach der Kategorie der maximalen Effizienz umgehen müssen. Das gilt nicht nur für den Bildungsbereich und nicht nur für den Gesundheits- und den Bürokratiebereich, sondern das gilt auch für den Bereich der Sicherheit. Eine gemein­same europäische Sicherheit, auch mit einer Aufteilung von Ausrüstungsaufgaben, ist allemal günstiger als die Kopien von Heeren im nationalen Maßstab. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

16.00


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stumm­voll. Die Uhr ist auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte.

16.01


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner kurzen Rede zunächst auf eine Frage des Kollegen Gusenbauer eingehen. Kollege Gusenbauer hat hier die sehr plausible Frage gestellt: Wozu redet ihr dauernd von Reformnotwendigkeiten, wenn in den letzten drei Jahren ohnehin alles so gut gelaufen ist?

Diese Fragestellung scheint zunächst sehr plausibel. Herr Parteiobmann Gusenbauer! Es gibt darauf eine dreifache Antwort:


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 119

Erstens: Der Bundeskanzler hat – menschlich sehr sympathisch – zugegeben: Auch wir sind nicht perfekt. (Abg. Gaál: Echt sympathisch! – Abg. Dr. Jarolim: ... eine sehr unehrliche Rede! Eine außerordentlich unehrliche Rede!)

Zweitens: Jedermann sieht ein, dass strukturelle Schwächen, die über drei Jahrzehnte eintreten, nicht in drei Jahren beseitigt werden können.

Und drittens – das sage ich jetzt, bitte, weil Sie diese Frage gestellt haben und weil auch die neuen Abgeordneten wissen sollen, wie sich manche Vorgänge früher vollzogen haben –: Ich beantworte Ihre Frage am Beispiel der so heiklen Pensionsreform. Wir würden keine Pensionsreform brauchen, wenn die Reform 1997 nicht jenes Schlussszenario gehabt hätte, das ich im Folgenden hier schildern darf:

Meine Damen und Herren! Die Pensionsreform 1997 war in der Schlussphase hier im Parlament, und es tagten gleichzeitig der Finanzausschuss und der Sozialausschuss. Während der laufenden Ausschusssitzung kommt der damalige Klubobmann Peter Kostelka und sagt: Liebe Freunde! Egal, was vereinbart ist: Der SPÖ-Klub kann nur zustimmen, wenn auch der ÖGB zustimmt. – Wir mussten daraufhin für drei Stunden beide Ausschüsse unterbrechen. Es tagte der ÖGB-Bundesvorstand drei Stunden lang. Dann kam der Fraktionsführer der SPÖ-Gewerkschaft und sagte: Okay, der ÖGB stimmt zu, wenn ihr auf die Punkte eins, zwei, drei und vier verzichtet!

Das ist die Wahrheit! Sie wissen es genau, Herr Kollege Verzetnitsch (Abg. Verzetnitsch: Was waren das für Punkte? Sagen Sie die Punkte!), und ich sage Ihnen ganz offen – ich bekenne das –: Ab diesem Zeitpunkt, wo die Parlamentsmehrheit in Geiselhaft der sozialdemokratischen Gewerkschafter war, war ich kein Anhänger der großen Koalition mehr, Herr Präsident Verzetnitsch! Das werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen. (Abg. Verzetnitsch: Fragen Sie einmal den Kollegen Neugebauer!) Es tut mir Leid, aber ich möchte das als Parlamentarier nie mehr erleben, dass sich eine Parlamentsmehrheit in Geiselhaft sozialdemokratischer Gewerkschafter befindet, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaál: ... Geiselhaft der Wirtschaftskammer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber nun zu Ihrem zentralen Vorwurf in der Dringlichen Anfrage. Im Titel stehen zwar die Abfangjäger, aber der zentrale Vorwurf lautet: Schwarz-Blau ist an den Inhalten gescheitert, und jetzt wird Schwarz-Blau gemacht, weil die FPÖ der billigste Partner ist. (Abg. Gaál: Das ist wirtschaftskapitalistisches Denken!)

Dazu kam noch die Frage des Kollegen Cap – ich würde, Herr Präsident, jetzt an sich einen bestimmten Ausdruck verwenden, verwende ihn aber bewusst nicht, weil ich sonst einen Ordnungsruf bekäme; ich verwende also nicht die Formulierung „Es wurde die dumme Frage gestellt“, sondern ich sage: Es wurde die absurde Frage gestellt –: Wozu haben wir dann gewählt?

Bitte, in der jüngsten Geschichte unseres Landes, seit 1990, ist es bereits dreimal passiert! 1990: Vorher Rot-Schwarz – nachher Rot-Schwarz! 1994: Vor der Wahl Rot-Schwarz – nach der Wahl Rot-Schwarz! 1995: Vor der Wahl Rot-Schwarz – nach der Wahl Rot-Schwarz! (Abg. Gaál: ... Schüssel! ... Schüssel! – Abg. Eder: Die Blauen gibt es ja nicht mehr! Die sind ja zerbröselt!)

Meine Damen und Herren! Wieso stellen Sie diese absurden Fragen heute? Damals haben Sie diese Fragen nicht gestellt, Herr Kollege Eder! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf Ihnen auch Folgendes sagen: Die Regierung Schwarz-Blau ist nicht an den Inhalten gescheitert, sondern sie ist daran gescheitert, dass ein Regierungspartner plötzlich inner­parteiliche Turbulenzen hatte. (Abg. Dr. Wittmann: Sie haben neu gewählt!)

Meine Damen und Herren! Das Wahlergebnis hat eine klare Aussage enthalten. (Abg. Gaál: Sie haben neu gewählt!) Die ÖVP hätte nie so klar gewinnen können, wenn der Kurs nicht richtig gewesen wäre. Aber der Kurs war richtig (die Abgeordneten Dr. Wittmann und Dipl.-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 120

Ing. Kummerer: Sie wollten mit der FPÖ nicht mehr!): der Kurs für Stabilität im Staatshaushalt, der Kurs für Wachstum und Wirtschaftsstandort und der Kurs für Sicherheit – innere, äußere und soziale Sicherheit! Der Kurs war richtig, meine Damen und Herren, und der Wähler hat das auch honoriert.

Und jetzt geht es wieder darum: Mit welcher Partei können wir die für das Land notwendigen Reformen durchführen? (Abg. Gaál: Sie wollten mit der FPÖ! Das ist nicht der Wählerwille!) Herr Kollege Wittmann, ich gebe zu: Bei Ihnen stand die Frage im Vordergrund: Was tut der Partei gut? – Ich konnte ständig lesen: Die SPÖ überlegt, ist es für die SPÖ taktisch besser, in Opposition zu bleiben oder in die Regierung zu gehen. (Abg. Gaál: Das ist ihre Sache!) – Für uns war das nie eine Frage. Für uns war immer klar: Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen und auch unpopuläre Probleme zu lösen. (Abg. Dr. Wittmann: Zuerst wollten Sie mit der FPÖ nicht mehr; jetzt wollen Sie wieder!)

Sie von der SPÖ haben sich gesagt: Lieber in Opposition bleiben – Opposition heißt Zwischenrufe machen, Opposition heißt gescheit reden, Opposition heißt kritisieren, Opposition heißt protestieren. – Und die Rede Caps hat gezeigt: Opposition heißt offensichtlich auch Kabarett und Karikatur. – Das ist das Gegenteil vom Tragen von Regierungsverantwortung!

Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, und ein Kabinett „Schüssel II“ wird diesen Kurs weitergehen, den Kurs von Stabilität im Staatshaushalt (Ruf bei der SPÖ: Sie wollten mit der FPÖ ...!), den Kurs der Sicherung von Wachstum und Wirtschaftsstandort und den Kurs von innerer, äußerer und sozialer Sicherheit! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Mainoni.)

16.06


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. Er möchte 10 Minuten sprechen. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Parnigoni – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Schweitzer –: Na, Karli, welche Flieger kaufst du jetzt? Bei welchen kriegst du eine Provision?)

Herr Abgeordneter Parnigoni, ich habe sehr genau gehört, was Sie hier gesagt haben. Ich würde vorschlagen, Sie entschuldigen sich dafür. (Abg. Parnigoni: Ich habe nur eine Frage gestellt!) – Sie wissen genau, was ich meine. (Abg. Parnigoni: Ich habe eine Frage gestellt, und der Redner kann sie beantworten!)

Am Wort ist der Redner!

16.07


Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Verteidigungsminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Stenographischen Protokoll wird am Ende der Rede von Josef Cap womöglich vermerkt sein: Lang anhaltender Applaus bei der SPÖ und bei den Grünen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem werte neue Kollegen bei der SPÖ! Warum und wofür hat Josef Cap diesen womöglich im Protokoll vermerkten lang anhaltenden Applaus bekommen? – Er hat aus alten Zeitungen vorgelesen. Er hat Karikaturen, die wir auch gesehen haben, mehr schlecht als recht beschrieben, und vor allem hat er sowohl in seiner schriftlichen Begründung der Anfrage als auch in seinen mündlichen Ausführungen mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten agiert. (Abg. Dr. Wittmann: ... der Westenthaler! – Abg. Eder: Der Westenthaler war besser!)

Ich glaube, dass es nicht gut ist, Herr Kollege Cap, wenn du als Klubobmann mit schlechtem Beispiel vorangehst, wenn es hier so viele neue Abgeordnete gibt, und mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten agierst. Deshalb ist es mir wichtig, das zu sagen, was Faktum ist, was Wahrheit ist. Kollege Cap! Ich glaube, dass es deine Aufmerksamkeit schon verdient, wenn deine Unwahrheiten widerlegt werden.

Zum Teil ist dies durch den Bundeskanzler bereits erfolgt, aber ich glaube, eine Wiederholung der Wahrheit zu hören ist besser, als die Schauermärchen des Josef Cap als Wahrheit mit nach


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 121

Hause zu nehmen. Deshalb ersuche ich insbesondere die neuen Abgeordneten, sich mit den Fakten auseinander zu setzen.

Josef Cap behauptet in seiner Begründung der Anfrage, dass die Einkommen der Arbeitnehmer im Jahre 2002 unter dem Wert des Jahres 2000 liegen. – Kollege Cap! Die Realeinkommen von 1999 bis 2002 sind um 14,1 Prozent angestiegen, und damit liegt Österreich im EU-Vergleich hervorragend – obwohl, was die Spitze der Einkommen betrifft, Österreich im EU-Vergleich ganz besonders gut liegt.

Österreich hat in den letzten 20 Jahren einmal eine negative Einkommensentwicklung zu verzeichnen gehabt, Herr Kollege Eder, und zwar im Jahr 1996 – und wenn ich mich zurück­erinnere, muss ich feststellen, dass es damals eine sozialdemokratisch geführte Regierung gab. Damals gab es eine negative Einkommensentwicklung von 0,9 Prozent.

Zum Zweiten hat Kollege Cap behauptet, dass Österreich mit 7 Prozent eine extrem hohe Arbeitslosigkeit zu verzeichnen habe. – Tatsache ist, dass die Arbeitslosigkeit im Jahr 2000 im Schnitt unter 7 Prozent gelegen ist und dass gleichzeitig im Juli 2002 mit 3 248 055 Be­schäftigten der höchste Beschäftigungsstand der Zweiten Republik erreicht wurde. Im Gegen­satz dazu ist die durchschnittliche Arbeitslosigkeit im Zeitraum 1995 bis 1998 – in Zeiten einer Hochkonjunktursituation, Kollege Cap – um 22 000 gestiegen. Bei einem Bruttoinlandsprodukt-Zuwachs von 8,8 Prozent hat es damals eine von der SPÖ dominierte Regierung geschafft, die Arbeitslosigkeit zu steigern!

Ich glaube, das zeigt, dass Sie in jener Zeit, als Sie Regierungsverantwortung getragen haben, vom Wirtschaften in Wahrheit überhaupt keine Ahnung gehabt haben. Die Zahlen sind einfach der Beweis dafür, dass Sie keine Berechtigung haben, hier im Land den Anspruch auf Wirtschaftskompetenz und Führungskompetenz zu erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbst die Zahlen in den letzten Jahren, in denen Sie noch Regierungsverantwortung getragen haben – zum Beispiel 1998 bei einem Bruttoin­landsprodukt von 3,5 Prozent –, liegen höher als die Zahlen im Jahr 2002.

Seit den Wahlen gibt es bei der SPÖ die großen Wirtschaftsexperten Kubitschek und Marter­bauer. Sie haben in ihrer Veröffentlichung „Netzwerk Innovation“ im Juni 2002 Folgendes geschrieben – ich hoffe, Herr Marterbauer und Frau Kubitschek sind auch im Saal anwesend –:

„Als Daumenregel kann gelten, dass das Wirtschaftswachstum mehr als 1,8 % pro Jahr betragen muss, um die Beschäftigung zu erhöhen und mehr als 2,3 %, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.“ – Zitatende.

Dieser Bundesregierung ist es bei weitaus schlechteren Wirtschaftsdaten gelungen, die Zahl der Beschäftigten zu erhöhen. Gott sei Dank gibt es eine FPÖ/ÖVP-Regierung, denn diese kann mit schlechteren Daten etwas zustande bringen, was Ihre Experten, wie sie in ihren Büchern selbst schreiben, niemals zustande bringen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das einzige Problem, das wir im Zusammenhang mit den Daten des Arbeitsmarktes haben, heißt Wien, Herr Kollege Parnigoni! Während österreichweit die Gesamtbeschäftigung im Jahresschnitt auch 2002 gegenüber 2001 zunahm, war Wien als einziges Bundesland in der Statistik wieder mit einer negativen Entwicklung zu finden. Das sollten wir uns auch einmal anhand von Zahlen, Daten und Fakten ansehen (Abg. Gaál: Das sind die Einsparungen der Bundesregierung!) – aber nicht anhand von Zahlen, die aus dem SPÖ-Klub kommen! (Abg. Gaál: Das waren Bundesdienststellen! Einsparungen bei den Ministerien!)

Ich habe die Zahlen von ÖSTAT und von EUROSTAT, und da sehe ich durchaus sehr stolze Zunahmen der Beschäftigung in allen Bundesländern. Und dann schaue ich mir Wien an – und da sehe ich eine extrem ansteigende Arbeitslosigkeit und auch einen Rückgang der Be­schäftigtenzahlen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 122

Ich denke mir einmal: Dort, wo die SPÖ mit absoluter Mehrheit regiert, da schaut es eben anders aus, weil Sie auch hier, wo Sie noch Regierungsverantwortung haben, Ihre Unfähigkeit einmal mehr unter Beweis gestellt haben. (Abg. Gaál: Einsparungen in den Bundesdienst­stellen! ... im Innenministerium!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Wir haben auch den Bundes­länder­vergleich – den Bundesländervergleich insgesamt und den Bundesländervergleich bei Männern und bei Frauen: Wien schneidet überall schlecht ab! Dieser Kollege Häupl, der Gott sei Dank auf Bundesebene weiterhin nichts mitzureden hat, hätte in Wien genug zu tun. Ich glaube, es ist Zeit, dass auch hier die Herrschaft der SPÖ etwas zurückgedrängt wird. Dann wird es den Wienern besser gehen, meine lieben Freunde von der SPÖ! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Gaál: Bundesdienststellen! – Ein Mann nähert sich vom hinteren Saaleingang zwischen den Bankreihen der Saalmitte und ruft: Diese Regierung hat kein Recht, mit Rechtsextremen eine neue Regierung zu bilden! ...! Sie brauchen sich nur die Menschenrechte anzuschauen!) – Wer ist denn der Gestörte?

Herr Präsident! Wer ist denn der? (Der unbekannte Mann setzt, zwischen den vorderen Bankreihen stehend, fort: Das bringt in Israel auch keinen Frieden ...!)


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche die Sitzung. – Wer ist das? Wo sind unsere Ordnungskräfte?

Die Sitzung ist unterbrochen, bis dieser Ruhestörer entfernt ist.

(Die Sitzung wird für kurze Zeit unterbrochen. – Der Ruhestörer setzt, sich dem Rednerpult nähernd, seine Rufe fort: Das ist nicht europareif! ...! – Abg. Mag. Schweitzer: Wer sind Sie denn? – Der Ruhestörer: Verschwinden Sie endlich! Das geht so nicht weiter! Sie können das so nicht machen! – Rufe bei der ÖVP: Schafft den endlich hinaus! – Der Ruhestörer: Sie sind hier am Ende! Sie können so über das Volk nicht regieren! Das ist keines Rechtsstaates würdig! ...! – Abg. Nürnberger: Gibt es da keinen Präsidenten? Wer ist denn das überhaupt? – Der Ruhestörer geht auf den beim Rednerpult stehenden Abg. Mag. Schweitzer zu und wird schließ­lich von mehreren Parlamentsbediensteten überwältigt aus dem Sitzungssaal geführt. – Abg. Nürn­berger: Das ist ein Skandal, Herr Präsident! Wer ist denn das? – Abg. Mag. Schweitzer: Na, einer von euch wird es sein! – Abg. Reheis: Das ist ein Skandal! Das ist ein Skandal, was Herr Schweitzer sagt! Das ist ungeheuerlich! – Rufe bei der SPÖ: Das ist ungeheuerlich! – Weitere Rufe der Empörung bei der SPÖ.)


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. – Es scheint dies ein Hausfremder zu sein. Da wir ein offenes Haus sind, ist also einmal mehr deutlich geworden, wie wichtig es ist, dass wir unsere Sicherheitsvorkehrungen überprüfen. Der Mann ist nicht aus unserem Haus. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Zur Geschäftsordnung!)

Ich habe Ihre Wortmeldung gesehen, aber am Wort ist der Redner. Danach können Sie zur Ge­schäftsordnung sprechen.


Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass dieser Mann offensichtlich nicht irgendetwas mit FPÖ oder ÖVP zu tun haben kann, hat er durch seine Wortmeldung zum Ausdruck gebracht. Es kann also durchaus sein, dass es einer aus den Reihen der SPÖ oder der Grünen ist (lebhafter Widerspruch und Rufe der Empörung bei der SPÖ und den Grünen), denn mit denen hat er offensichtlich sympathisiert. Diese Ver­mutung wird man wohl äußern dürfen. (Weitere anhaltende Rufe der Empörung bei der SPÖ und den Grünen.)


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer, ich würde Sie bitten, diese Verdächtigungen zurückzunehmen!


Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (fortsetzend): Es war eine Vermutung, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, und ich gehe ... (Abg. Reheis: Eine Unterstellung ist das, keine Vermutung! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 123

Herr Präsident! Ich habe kein Problem damit, meine Vermutung als gegenstandslos zu be­trachten (Abg. Reheis: Ihre Unterstellungen!), und ersuche auch die sich so emotional auf­führenden Kollegen von der SPÖ höflich darum, meine Vermutung als gegenstandslos zu be­trachten. Aber die Toleranz der Toleranten ist eine, vor der man sich hüten sollte, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Erfahrung habe ich schon öfter gemacht.

Ich erlaube mir, im Folgenden ganz kurz noch einige geschichtliche Ausführungen in meiner Re­de anzubringen – auch für die neuen Kollegen in der SPÖ –: Herr Präsident Fischer, Herr Kollege Schieder, Sie haben in diesem Haus schon Abfangjägerdebatten geführt, als ich noch nicht da war. Meine sehr verehrten jungen Kollegen von der SPÖ! Diese hier noch immer fe­derführenden Sozialdemokraten haben sich in unzähligen Wortmeldungen für die An­schaf­fung der Luftraumüberwachungsgeräte ausgesprochen. Und auch Kollege Van der Bellen hat einmal gemeint: Wenn die Verfassungsrechtler der Meinung sind, dass wir das brauchen, dann werden wir wohl in den sauren Apfel beißen müssen.

Es gibt, Herr Kollege Van der Bellen – das wissen Sie, das weiß ich, die jungen Kollegen viel­leicht noch nicht –, eine beeindruckende Liste von Persönlichkeiten, die sich inzwischen in Form von Gutachten zu dieser Frage geäußert haben, von Professor Ermacora über Herrn Öhlinger bis hin zu Ihrem Freund Heinz Mayer. Sie alle haben gesagt, die verfassungsmäßige Lage er­fordert eine Luftraumüberwachung mit Luftraumüberwachungsflugzeugen.

Dies nur als kleine Anmerkung am Ende meiner Ausführungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.19


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Der Störer ist entfernt. Dieser Vorfall zeigt einmal mehr, dass wir sehr sorgfältig sein müssen. Es kennt noch nicht jeder jeden – wir haben ein neu gewähltes Haus. Ich werde das Sicherheitskomitee, das wir gerade gestern konstituiert haben, mit dieser Frage befassen. Wir sind hier immer wieder im Konflikt zwischen maximaler Offenheit und Transparenz auf der einen Seite, aber auch Sicherheit für die Abge­ordneten und die Mitarbeiter des Hauses auf der anderen.

Herr Abgeordneter Cap! Sie haben sich zur Geschäftsbehandlung gemeldet. – Bitte.

16.20


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! In einem Punkt stimme ich Ihnen selbstverständlich zu, nämlich dass es notwendig ist, dass wir hier eine Klärung finden, was die Sicherheitsfrage betrifft.

Das Zweite ist aber, dass der Hinweis von Klubobmann Schweitzer, dass seine Vermutung ge­genstandslos sei, zu wenig ist. Ich bin der Auffassung, er muss sich dafür entschuldigen, denn es kann nicht sein, dass, wenn hier jemand einfach in den Sitzungssaal kommt, dieser einer Fraktion zugeordnet wird. Das ist eine Beleidigung dieser Fraktion. (Ruf bei den Freiheit­lichen: ... hat unflätige Ausdrücke verwendet!)

Im Übrigen fordere ich eine Stehpräsidiale. Ich glaube, es wäre notwendig, dass wir darüber im Rahmen dieser Stehpräsidiale noch sprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.21


Präsident Dr. Andreas Khol: Wünscht sonst noch jemand das Wort dazu?

Herr Abgeordneter Schweitzer hat seine Vermutung zurückgenommen. Wir werden in der nächsten Präsidiale darüber reden. (Abg. Bures: Sie sind nicht mehr ÖVP-Klubobmann, sondern Präsident!)

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

16.21


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mir jeden Gegenvorwurf ersparen, Herr Abgeordneter Schweitzer, ich möchte nur auf Folgen­des hinweisen: Zwischenfälle wie diese betreffen nicht eine Fraktion, nicht zwei Fraktionen,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 124

nicht eine Regierung, nicht eine Opposition, sondern dieses Haus als Gesamtes, und manch­mal sollten wir dazu in der Lage sein, uns als der österreichische Nationalrat zu verhalten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Ist das Zufall?)

Meine Damen und Herren! Ich bin ursprünglich davon ausgegangen, dass wir heute über Abfangjäger diskutieren. Es ist auch am Rande über Abfangjäger diskutiert worden; ich werde selbstverständlich auf das Thema zurückkommen, weil das nicht nur die Geschäftsordnung, sondern auch die Erwartung vieler Zuhörerinnen und Zuhörer gebietet, aber ich möchte trotz­dem auf einige Punkte der Generaldebatte eingehen.

Wenn ich die Abgeordneten der Regierungsparteien richtig verstanden habe, dann haben sie hier und heute angekündigt, den Weg von Knittelfeld fortzuführen. Die Frage ist: Wohin soll dieser Weg führen? Wohin soll dieser Weg mit einer Freiheitlichen Partei führen, die offen­sichtlich in Knittelfeld an ihrem politischen Ziel angelangt ist? Warum mussten wir wählen und drei Monate lang verhandeln, wenn wir am Schluss draufkommen, dass möglicherweise das Ziel der vergangenen Koalitionsverhandlungen die letzte Wiederbelebung dieser Koalition war?

Wir Grüne haben von vornherein gesagt: Wenn wir Regierungsverhandlungen führen, dann führen wir diese Regierungsverhandlungen ernsthaft. Dann führen wir sie ernsthaft mit einem einzigen Ziel, nämlich möglichst gemeinsam eine Regierung zu bilden.

Vieles in den Verhandlungen mit der ÖVP hat für uns darauf hingedeutet, dass es in großen Teilen der ÖVP eine Bereitschaft dazu gibt, ein neues politisches Projekt zu überlegen, vor­zubereiten und – wenn es genug an Gemeinsamkeiten gibt – auch umzusetzen, weil wir eben nicht wieder eine Freiheitliche Partei in der Regierung wollten, weil wir nicht dieses Maß an Instabilität, an Unberechenbarkeit, aber auch an Inhalten, die uns an den rechten Rand Euro­pas drängen, noch eine weitere Legislaturperiode haben wollten.

Deswegen haben wir gesagt – und das war eines unserer Hauptmotive –: Okay, setzen wir uns zusammen und verhandeln wir. Verhandeln wir ein erstes Mal jenseits traditioneller politischer Lager und nehmen wir zur Kenntnis, dass es neben der SPÖ für die Grünen noch eine zweite Partei gibt, mit der es sich zumindest zu verhandeln lohnt! Und es hat sich eine Woche lang gelohnt.

Ich halte auch hier im Nationalrat fest, beim Integrations- und Asylpaket, das wir gemeinsam hätten beschließen können, wäre mehr drinnen gewesen, als es bis heute je mit den Sozial­demokraten möglich war. Es wäre auch in der Ökologie einiges möglich gewesen, es wäre auch in der Europapolitik und auch – zur Überraschung mancher von uns – in der Sicherheitspolitik einiges drinnen gewesen.

Dann ist die letzte lange Nacht gekommen, über die so viel öffentlich berichtet worden ist. Es gibt politische Inhalte, die nicht nur für einzelne Parteien, sondern für die gesamte Be­völke­rung – zu Recht oder zu Unrecht – Symbole sind. Eines dieser Symbole ist: abschieben, wenn man nicht ordentlich Deutsch lernt, Zwangsabschiebungen für Menschen, die ihre Deutschkurse nicht absolvieren.

Nicht nur ich war überrascht, dass der Bundeskanzler uns Grünen in dieser langen Nacht zuge­mutet hat, permanente Menschenrechtsverletzungen der schlimmsten Art zu unterschreiben und dann in einer Regierung umzusetzen. Niemand in der ÖVP konnte ernsthaft annehmen, dass wir Grüne das unterschreiben können, Abschiebungen dulden, wenn die freiheitliche Auf­forderung „Lernt ordentlich Deutsch!“ in Einzelfällen nicht befolgt wird. Wenn die Leute nicht gleich in einen Deutschkurs laufen und es freiheitliche Drohungen mit Strafe gibt, dann sollen wir Grüne sagen, okay, abschieben? (Abg. Dr. Strasser: Das ist keine Abschiebung! Abschie­bung gibt es in diesem Fall nicht!)

Das geht nicht, Herr Dr. Schüssel! Das wissen Sie, und Sie wussten ganz genau, dass es voll­kommen unmöglich ist, dass es dafür eine Zustimmung von den Grünen gibt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 125

Dann kam die große Frage Eurofighter. Wir haben Sie nicht erst in dieser langen Nacht ernst­haft gefragt: Wie soll das gehen? Wie soll das in einer Zeit gehen, in der es immer heißt Stu­diengebühren, Selbstbehalte, Pensionskürzungen, in einer Zeit, in der Frauen an die Armuts­grenze kommen? Da kam einige Male die Antwort: Das geht dann schon irgendwie mit der Aus­gleichszulage.

Ausgleichszulagen als immer breitere Basis eines so genannten neuen Pensionsmodells – und gleichzeitig sagen Sie, die Grünen sollen unterschreiben, dass 2 Milliarden € für Euro­fighter verschwendet werden? – Ich habe im Laufe dieser Verhandlungen immer mehr das Ge­fühl bekommen, da geht es nicht nur um die Abfangjäger, sondern da geht es um das konkrete Projekt Eurofighter. Da steckt mehr dahinter. Da steckt die Geschichte des – ich formuliere es jetzt ganz vorsichtig – schwer wiegenden Verdachts einer Schiebung bei der Typenent­schei­dung mit allen Konsequenzen dahinter. (Abg. Murauer: Gibt es einen Fall, wo der Pilz keinen Verdacht hat?)

Herr Bundeskanzler! Sie haben berichtet, ein Abteilungsleiter hätte seine Privatmeinung ge­äußert und erklärt, er sei für den Gripen, alle anderen seien für den Eurofighter gewesen.

Herr Bundeskanzler! Das, was ich hier in Händen halte, ist keine Privatmeinung. Das ist der offizielle Akt des Bundesministeriums für Landesverteidigung. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Ich habe den nicht!) Die „Privatmeinung“, von der Sie reden, ist die offizielle Stellungnahme des zuständigen Abteilungsleiters, des Divisionärs Spinka. Darüber steht ein zweiter Name, die Meinung des zuständigen Sektionschefs, des Generals Corrieri: gegen Eurofighter, für Gripen. Und darüber steht die nächste Unterschrift, wieder keine Privatmeinung, sondern die Meinung des zuständigen Generaltruppeninspektors Horst Pleiner. – Herr Bundeskanzler! Das sind alles Privatmeinungen? Die höchsten Beamten des Landesverteidigungsministeriums schieben Sie quasi aus dem Akt und sagen, bloße Privatmeinungen, hat uns nicht zu interessieren?

Wenn jemand beginnt, als Regierungschef derart mit Akten umzugehen (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Ich habe ihn nicht!), dann darf man sich nicht wundern, wenn am Ende Euro­fighter und der Verdacht auf bewusste Schiebung des Ausschreibungsverfahrens heraus­kommen. (Abg. Dr. Strasser: Das ist eine ganz böse Unterstellung, die Sie im Schutze Ihrer Immunität machen!) An diesem Punkt sind wir jetzt. Deswegen brauchen wir keine Unterschrift unter einen Kaufvertrag, sondern einen Untersuchungsausschuss! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss, in dem wir Punkt für Punkt klären, was beim ersten Versuch – beim gescheiterten Versuch – des Verteidigungsministers, das im Ministerrat vor­zutragen, was beim zweiten Versuch und was dann bei der Eurofighter-Überraschung passiert ist. Wir vom Grünen Klub werden in den nächsten Tagen einiges dokumentieren, weil wir uns seit Sonntag fragen, was da passiert ist.

Meine Damen und Herren! Ich erspare mir die ganze Finanzierungsplattform. Ich erspare mir die ganzen Rechenkunststücke, wie man gönnerhafte Unternehmen dazu verführt, 40 Milliarden an Umsätzen zu machen, nur um dem österreichischen Bundesheer Kampfflugzeuge schenken zu können. Ich erspare mir den Versuch des Finanzministers, der erklärt hat, wir finanzieren das nicht aus dem Budget, sondern wir schenken den Anbietern und den Kompensierern schlicht und einfach so lange die Steuern, bis es sich ausgeht. Und ich erspare Ihnen die Debatte darüber, wie die österreichische Bevölkerung es aufnimmt, wenn Sie sagen: Nein, wir finan­zieren das nicht aus dem Budget, sondern wir finanzieren das dadurch, dass wir auf Staats­einnahmen verzichten. – Für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist das völlig egal. (Beifall bei den Grünen.)

Weil ich es nicht glauben kann und weil ich es mir nicht vorstellen kann, dass eine Bundes­regierung an so etwas scheitert, äußere ich hier, so glaube ich, eine – im Gegensatz zur Ver­mutung des Abgeordneten Schweitzer – gut fundierte Vermutung.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 126

Herr Bundeskanzler! Ich habe immer mehr den Eindruck, dass Sie Verhandlungen mit der SPÖ und den Grünen persönlich gebraucht haben, um öffentlich erklären zu können, Sie mussten zum Schluss wieder zu den Freiheitlichen zurück, denn sonst hätten Sie uns am Schluss der Koalitionsverhandlungen nicht mit unerfüllbaren Forderungen konfrontiert. (Abg. Dr. Strasser: Das ist eine böse Unterstellung!) Wenn es stimmt, dass für Sie – nicht für viele Verhandlerinnen und Verhandler der ÖVP, die ich in diesen Wochen schätzen gelernt habe – vieles davon ein politisches Spiel war (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen) und Sie die großen Themen der Republik wie Jetons behandeln, dann ersuche ich Sie, Herr Bundeskanzler, möglichst bald die Ebene des Spiels zu verlassen. Die Regierung, die Sie jetzt bilden wollen ...


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte kommen Sie zum Schlusssatz, Herr Abgeordneter!


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Ich komme zum Schlusssatz. Diese Regierung, die Sie jetzt mit den Freiheitlichen bilden wollen, die alles andere als regierungsfähig sind, von denen Sie wissen, dass sie mit einer Instabilität beginnen, die ungefähr jener von Knittelfeld gleicht, Herr Bundeskanzler, hat keine Zukunft. Und Sie werden ...

16.32


Präsident Dr. Andreas Khol: Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Abgeordneter Pilz. Der Schluss­satz war sehr lange.

(Beifall bei den Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Pilz.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Scheibner. Er hat ebenfalls eine Rede­zeit von 10 Minuten. – Bitte.

16.32


Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe hier in den letzten drei Jahren schon eine ganze Reihe – man könnte fast sagen, eine Menge – von Abfangjägerdiskussionen miterlebt, auch eine ganze Reihe von Dring­lichen Anfragen und Dringlichen Anträgen zu diesem Thema, aber noch nie eine Dringliche Anfrage zur Abfangjägerbeschaffung, in der so wenig über die Abfangjäger diskutiert und ge­sprochen worden ist.

Diese Debatte und dieses sicherlich wichtige Projekt wurden heute als Aufhänger für eine ganz andere Debatte genommen. Das ist, so glaube ich, ein wenig symptomatisch dafür, wie hier in Österreich auf der politischen Ebene über ein so wichtiges Projekt diskutiert wird, wie damit umgegangen wird, nämlich wenn es darum geht, ob Österreich auch in Zukunft in der Lage sein wird, dem verfassungsrechtlichen Auftrag nachzukommen, die Souveränität des Landes nicht nur zu Lande, sondern auch in der Luft zu schützen.

Da Herr Klubobmann Gusenbauer gefragt hat, was das Hohe Haus verdient, und da er die Regierung kritisiert hat, frage ich mich schon: Was verdient, ja, was braucht Österreich? – Ich glaube, wir sollten uns einig darüber sein, dass Österreich Politiker braucht, die sich vorbe­haltlos zur Sicherheit dieses Landes und seiner Bevölkerung bekennen, und zwar mit allen Facetten, auch dann, wenn es vielleicht vordergründig unpopulär ist. Wir sollten uns davor hüten, und zwar Politiker aller Fraktionen, dass wir auf dem Rücken der Sicherheit dieses Lan­des Parteipolitik machen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Das aber haben Sie in den letzten drei Jahren mit der Thematik Abfangjäger gemacht. Ich bedauere das, weil Sie damit diesen nationalen Konsens in der Sicherheitspolitik auch in dieser Frage nicht zugelassen haben. Ich weiß, dass es in allen Fraktionen – auch bei Ihnen, bei den Sozialdemokraten – eine ganze Reihe von Politikern, vor allem Wehrpolitiker gibt, die das auch so sehen wie ich, die diesen nationalen Konsens gerne hätten, weil sie wissen, wie die Realität ist. Diese müssen sich aber leider diesem partei­politischen Diktat auch in ihren eigenen Fraktionen beugen. Schade, meine Damen und Herren, wirklich schade! Sie erweisen unserem Land, der Sicherheit unseres Landes wirklich einen schlechten Dienst.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 127

Meine Damen und Herren! Es ist notwendig, diese Nachbeschaffung zu tätigen. Ich habe Ihnen immer zugestanden, dass man verschiedener Meinung darüber sein kann, ob jetzt die eine oder die andere Type die bessere oder die schlechtere ist oder in welches System man geht, aber den Grundsatz sollte man außer Streit stellen, dass es auch in Zukunft notwendig sein wird, den Luftraum mit Abfangjägern zu überwachen und auch zu sichern. Das sollte außer Streit gestellt sein. Ich verstehe nicht, warum das mit der jetzigen Opposition nicht möglich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie, Herr Klubobmann Gusenbauer, haben eine Alternative dargestellt: Sie haben gesagt, man sollte auf diese Abfangjäger verzichten und doch in ein europäisches Sicherheitssystem hinein­gehen und sich dort aufgabenteilig um diese Dinge kümmern. – Herr Klubobmann Gusenbauer, wo ist dieses System? Wo ist dieses gemeinsame Verteidigungssystem der Europäischen Union, wo das möglich ist? Wo sind diese Stufen? (Abg. Dr. Gusenbauer: Aufbauen! – Abg. Mag. Wurm: Sie sind in der Regierung!)

Gerade Sie haben doch auch zu Recht kritisiert, dass es nach wie vor angesichts der Irak-Krise nicht möglich ist, einen gemeinsamen politischen Willen zu zeigen. Wo ist denn die Bereitschaft, auf die nationale Souveränität in der Verteidigungspolitik zu verzichten, eine, wie Sie wollen, gemeinsame Europa-Armee zu bilden, in der diese Aufgaben der Verteidigung gemeinsam durchgeführt werden? Das ist doch auf die nächsten 20, 30 Jahre nicht erkennbar.

Ich sage Ihnen Folgendes, Herr Abgeordneter Gusenbauer: Ich möchte dieses System auch nicht. Und ich wundere mich, dass Sie das wollen – Sie, der Sie immer so für die Neutralität eintreten, Sie, der Sie so gegen den NATO-Beitritt sind. Die Verpflichtungen Österreichs in solch einem gemeinsamen, vergemeinschafteten Sicherheits- und Verteidigungssystem würden bei weitem über das hinausgehen, was NATO-Mitglieder jetzt in diesem Verteidigungsbündnis leisten und durchführen müssen. Das verstehe ich nicht. Das ist ein Widerspruch, ein weiterer Widerspruch in Ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Ich möchte nicht – ich unterstütze kein derartiges Konzept –, dass es eine von Brüssel ge­steuerte Europa-Armee gibt, wobei Brüssel darüber entscheidet, wohin österreichische Soldaten entsendet werden, und dass wir in Brüssel anfragen müssen, wenn es darum geht, etwa in einer Hochwasserkatastrophe für unsere eigene Sicherheit die notwendigen Kapazitä­ten zu be­sorgen. Das muss Kompetenz Österreichs bleiben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Deshalb wird es auch auf absehbare Zeit notwendig sein, diese Souveränität, diesen Souve­ränitätsschutz in der Luft aus eigenen Stücken und aus eigenen Kräften zu bewerkstelligen. Sie verlangen das ja auch. Sie verlangen das auch von mir als Verteidigungsminister, gerade jetzt!

Herr Klubobmann Cap! Ich habe daher auch Ihren Vergleich nicht verstanden, als Sie gesagt haben, gerade jetzt seien Sie gegen diesen Ankauf. – Gerade jetzt zeigt sich doch, dass es notwendig ist, Abfangjäger zu haben! Natürlich hilft uns jetzt der Kaufvertrag noch nichts, aber wir haben Gott sei Dank noch die Draken, die bei all den Grenzen, die gegeben sind, die Auf­gabe der Luftraumüberwachung erfüllen.

Sie verlangen von mir, dass ich überprüfe, ob die genehmigten Überflüge auch wirklich dem ent­sprechen, was angefragt worden ist, und ob es da nicht völkerrechtswidrige – oder wie Sie sagen: neutralitätswidrige – Überflüge zur Vorbereitung des Irak-Krieges gibt.

Wie soll man das denn überprüfen, wenn man nicht die Möglichkeit hat, sich vor Ort diese Flugzeuge anzusehen? – Ich habe vorhin einen Zwischenruf gehört: Das Radar funktioniert ja noch. – Wissen Sie, dass auf einem Radarschirm nur ein Punkt erkennbar ist? Es ist nicht erkennbar, wie viele Flugzeuge wirklich über Österreich fliegen und welche Flugzeuge das sind! – Auch das ist eine Widersprüchlichkeit, meine Damen und Herren.

Die österreichische Bundesregierung und auch die Freiheitliche Partei haben nie, auch nicht, als wir in Opposition gewesen sind, dieses Spiel auf dem Rücken der Sicherheit Österreichs ge­spielt. (Abg. Mag. Kogler: Nur plakatiert!) Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kogler


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 128

und vor allem Herr Abgeordneter Pilz! (Abg. Mag. Kogler: Herr Kollege Haider hat plakatiert: Eurofighter gestoppt!)

Herr Abgeordneter Pilz! Sie haben gesagt, es gebe einen schwer wiegenden Verdacht der Schiebung. Ich sage Ihnen als verantwortlicher Ressortminister: Diesen Vorwurf weise ich mit aller Deutlichkeit zurück, mit aller Deutlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Die Staatsanwaltschaft hat anonyme Anzeigen überprüft und keine Verdachtsmomente ge-funden. Der Rechnungshof hat den ersten Teil überprüft und das Beschaffungsverfahren gelobt. Der zweite Teil wird auf meine Initiative hin geprüft. Sehen Sie sich diese Rechnungshofprüfung an!

Sie haben – und Sie sind ja sehr gut informiert – hier das Verfahren angesprochen. Es ist klar: Die Bewertungskommission in meinem Ressort hat eine eindeutige Entscheidung getroffen, und es wurden die technischen Kriterien des Eurofighters überprüft. Die verantwortlichen Beamten der Gruppe und der Sektion haben aber auch die budgetären Rahmenbedingungen des Res­sorts zu überprüfen und haben deshalb diese Empfehlung, die Sie angesprochen haben, vor­gebracht.

Die Bundesregierung hat das Gesamtpaket zu beurteilen, auch die wirtschaftlichen und tech­nologischen Bereiche, und hat auch Vorsorge zu betreiben, wenn es um die budgetäre Ab­sicherung geht.

In der Ministerratsvorlage – das wissen Sie – ist eindeutig festgehalten, dass alle zusätzlichen Aufwendungen, die durch diese Beschaffung und auch durch die Typenentscheidung beim Bun­desheer anfallen, zusätzlich dem Verteidigungsbudget zugemittelt werden müssen. – Also eine nachvollziehbare Argumentationskette, ein nachvollziehbares Verfahren. (Abg. Mag. Kogler: Sagen Sie etwas zu den Betriebskosten!)

Ich sage hier noch einmal deutlich: Als Neuwahlen fixiert waren, als klar war, dass ich dieses Verfahren nicht mehr abschließen kann, dass ich den Vertrag nicht unterschreiben kann, habe ich die Vertragsverhandlungen gestoppt. Sie sind das bis zum heutigen Tage.

Die künftige Bundesregierung wird das Beschaffungsverfahren nach der dann vorliegenden Gestion fortzuführen haben. Und ich sage Ihnen, es ist notwendig, dieses Verfahren fortzu­führen, weil wir ansonsten in wenigen Jahren das nicht mehr können, was auch Sie von uns und von mir als Verteidigungsminister verlangt haben: den Luftraum gegen illegale Überflüge schützen und damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit unseres Landes leisten. Dem fühlen wir uns verpflichtet, und das wird auch in Zukunft so sein.

Ich hoffe, dass Sie in dieser wichtigen Frage der Sicherheits- und Verteidigungspolitik irgend­wann doch auf den nationalen Konsens zurückkommen können. Es ist schade, dass es mir nicht gelungen ist, obwohl ich in den letzten drei Jahren oft versucht habe, Sie auf diesen richtigen Pfad in der Sicherheitspolitik zu bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.42


Präsident Dr. Andreas Khol: Bevor ich das Wort an Frau Abgeordnete Mag. Prammer erteile, möchte ich die Mitglieder des Sicherheitskomitees einladen, zu einer Sitzung ins Lokal III zu gehen, und zwar nach Punkt 6, also nach der Durchführung der Dringlichen, der Anfrage­besprechung und der Ersten Lesung des Fremdengesetzes.

Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Prammer. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

16.43


Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bun­desminister! Herr Bundesminister, ich habe vernommen, Sie haben den Vertrag nicht unter­schrieben. Umso besser, kann ich da nur sagen, denn dann haben Sie jetzt noch jede Möglich­keit der Welt, vor Ihre Wählerinnen und Wähler hinzutreten, um sich dafür zu rechtfertigen, dass


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 129

Sie gerade dabei sind, ein Wahlversprechen zu brechen. (Bundesminister Scheibner: Was ha­be ich versprochen?)

Sie haben in der Wahlauseinandersetzung plakatiert, Ihr Landeshauptmann in Kärnten hat plaka­tiert, dass Haider die Abfangjäger stoppen wird, dass Haider den Ankauf von Abfang­jägern stoppen wird. Sie werden sich irgendwann einmal entscheiden müssen: Gehört nun der Landeshauptmann von Kärnten Ihrer Partei an oder nicht? Ich glaube, auch dafür werden die Wählerinnen und Wähler Ihrer Partei ein gewisses Interesse haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Mainoni: Gehört der Häupl Ihrer Partei an oder nicht?)

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Es hat sich in den letzten drei Jahren in diesem Haus tatsächlich sehr vieles verändert. Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, in der es ein ungeschriebenes Gesetz dieses Hauses war, dass es keine Polemik von der Regierungsbank gibt. Sie stellen sich aber hier her und zensurieren, bewerten, benoten Ausführungen von Abgeordneten. Herr Bundeskanzler, das steht Ihnen ganz einfach nicht zu! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Souverän dieses Hauses ist der Nationalrat. Sie haben uns natürlich Ihre Meinung hier mit­zuteilen, aber nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass wir unsere Meinungen haben und diese auch in Zukunft unzensuriert hier artikulieren werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht ganz so, wie Sie das gerne darstellen möchten, es sei überhaupt nicht umsonst gewesen, am 24. November gewählt zu haben. Herr Bundeskanzler! Die Wählerinnen und Wähler werden ungeduldig. Sie kennen wahrscheinlich die Umfragewerte genau so gut, wie wir sie kennen, und mittlerweile haben Sie mehr als die absolute Mehrheit unter den Wählerinnen und Wählern, nämlich in der Frage: Wer ist schuld daran, dass es noch keine neue Regierung gibt? Die Schuld daran wird eindeutig Ihnen zugeschrieben, sie heißt Wolfgang Schüssel.

Während Sie noch eine große Sympathie auch in der Konstellation nach dem 24. November hatten, hat sich diese Sympathie doch stark von Ihnen abgewandt, Herr Bundeskanzler. Umso wichtiger wäre es, dass Sie nicht vom hohen Ross auf die Abgeordneten herunter argu­mentieren, sondern doch eher auch in den Dialog eintreten. Das würde ich mir von Ihnen ganz einfach erwarten. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber es ist ja sehr eindeutig gewesen, was Sie vorhaben – das ist auch schon mehrfach gesagt worden –: Schwarz-Blau soll fortgesetzt werden. Ich verstehe allerdings die Freiheitliche Partei nicht mehr, die Freiheitliche Partei, die offensichtlich die Spiegel im frei­heitlichen Klub schon längst abmontiert haben muss, denn hineinschauen können Sie von den Freiheitlichen sicher nicht mehr.

Ich frage mich, wie Sie das Ihren Wählerinnen und Wählern erklären wollen, wenn Sie da plötzlich die Zustimmung geben, auch durchaus, was diesen Abfangjägerankauf betrifft, denn auch da – ich habe es ja schon gesagt – gab es andere Ansagen vor der Wahl. Aber vor allen Dingen auch, was die Gesundheitspolitik betrifft, frage ich Sie: Wie erklären Sie die Selbstbe­halte bei den Kranken? Wie erklären Sie plötzlich, dass es in Österreich eine eindeutige Bei­trags­erhöhung zur Krankenversicherung geben soll, aber eine sehr einseitige Beitrags­er­höhung, denn die Beiträge sollen in Zukunft nicht mehr die Solidargemeinschaft, sondern die Kranken in diesem Land zahlen? Dagegen werden wir uns jetzt und auch in Zukunft wehren. Die Rechnung, meine Damen und Herren gerade von den Freiheitlichen, wird Ihnen ganz sicher noch einmal präsentiert werden.

Auch was die Pensionen betrifft: Herr Abgeordneter Walch ist nicht im Haus oder nicht im Saal, aber ich werde ihm sehr neugierig zuhören, wie er denn argumentieren wird, wenn er vor seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hintritt und erklärt, dass es plötzlich keine Frühpensionen mehr gibt.

Das sind die wahren Herausforderungen, die wir in der nächsten Zeit zu bewältigen haben. Wir wissen, dass wir ein faires, ein neues Pensionsrecht brauchen. Aber das, was Sie hier vorschlagen, ist auf der einen Seite zutiefst unsozial, auch unkreativ, und es bringt vor allen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 130

Dingen die Beträge ja gar nicht herein, die Sie hier immer angekündigt haben. Das heißt, da haben Sie offensichtlich vor, Klientelpolitik zu betreiben. Dagegen hat sich die Sozialdemokratie zu Recht gewehrt, und sie wird sich auch in Zukunft dagegen zur Wehr setzen. (Abg. Dr. Spindelegger: Ihr Vorschlag, in bestehende Pensionen einzugreifen, ist sozial, oder?)

Von der Frauenpolitik mag ich gar nicht mehr reden, die findet ja bei Ihnen ohnehin nicht statt. Wir haben ja nur ein „großes Glück“, dass nächste Woche der Frauentag stattfindet. Einmal im Jahr dürfen die Frauen in Österreich jubeln, da finden sie auch Zustimmung und Interesse bei den Regierungsparteien. Also können wir uns schon heute auch darauf vorbereiten und einstellen. – Tatsache ist, dass Sie gerade in der Frauenpolitik mehr als versagt haben. Die Situation der Frauen ist eine sehr schlechte geworden. Sie sind dabei, aus dem Erwerbs­pro­zess hinausgedrängt zu werden. Das Ganze ist eine Negativliste, die wir Ihnen ganz einfach vor­rechnen müssen.

Das alles wird Ihnen offensichtlich in Zukunft zum Nulltarif von Seiten der Freiheitlichen zur Verfügung gestellt. Ich warte darauf, wie lange es hält. Vier Jahre werden es nicht sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

16.49


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Sie hat sich 6 Minuten Redezeit erbeten. – Bitte.

16.49


Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Ich bin jetzt seit ungefähr 20 Jahren in den verschiedensten Funktionen hier im Hohen Haus, und ich habe bis heute geglaubt, dass eine Partei, die mit mehr als 36 Prozent der Stimmen der Wählerinnen und Wähler zu Recht den Anspruch auf staatstragend stellen kann, Dringliche Anfragen auch ernst nimmt.

Ich bin immer davon ausgegangen, dass eine Dringliche Anfrage die Behandlung einer dring­lichen Angelegenheit ist. Heute wurde ich eines Besseren belehrt, denn wenn eine staats­tragende Partei nicht nur die Präsentation einer Dringlichen Anfrage im kabarettistischen Stil zulässt, sondern auch mit schallendem Gelächter und Beifall quittiert, dann frage ich: Mit welchem Recht stellen Sie weiter den Anspruch auf staatstragend, und wie erklären Sie das Ihren Wählern? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wie erklären Sie das Ihren Wählern? Sie behaupten in Ihrer An­frage, dass in Österreich alles schlechter geworden ist; Frau Abgeordnete Prammer hat soeben erklärt, auch im sozialen Bereich.

Sie haben heute schon zur Kenntnis nehmen müssen, dass dieser Vorwurf den wirtschaftlichen Bereich betreffend nicht stimmt. Ich werde Ihnen noch einige Daten nennen, die beweisen, dass Ihre Behauptung, auch im sozialen Bereich sei alles schlechter geworden, nicht stimmt. (Abg. Gradwohl: Wir hören!)

Diese Regierung hat Schluss gemacht mit dem Schuldenmachen und erstmals sichergestellt, dass weniger Zinsen jährlich in die Schuldenpolitik, die die SPÖ 30 Jahre zu verantworten hatte, fließen. Damit haben wir die Voraussetzungen geschaffen, dass wir auch mit einem ersten Schritt der Pensionsreform von vor drei Jahren, der notwendig und richtig war, sichergestellt haben, dass die Pensionen auch für die Jüngeren noch sicher bleiben. Und wir werden mit einer weiteren Pensionsreform folgen müssen, denn wie erklären Sie, Frau Prammer, Ihren Wählerinnen und Wählern, und zwar Ihren jungen Wählerinnen und Wählern, dass sie vielleicht in 30 Jahren keine Pensionen mehr bekommen, weil Sie mit einer Reform nicht dafür gesorgt haben, dass das System sicher ist?

Dieses Regierung hat darüber hinaus zum Beispiel mit der Angleichung von Arbeitern und An­gestellten für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt, als das die sozialistische Partei in 30 Jahren unter sozialistischen Bundeskanzlern getan hat. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.) Das ist nicht unsere typische Klientel gewesen, sondern das ist Ihre typische Klientel.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 131

Wir haben mit der Abfertigung-Neu einen sozialpolitischen Meilenstein gesetzt, Frau Abge­ordnete Prammer, der sicherstellt, dass mit dem Ausbau der zweiten und einer Attraktivierung der dritten Säule die Pensionen in Zukunft dem Erwerbseinkommen eher entsprechen.

Wir haben mit dem Kinderbetreuungsgeld für alle einen sozialpolitischen Meilenstein gesetzt, der eines der größten Armutsbekämpfungsprogramme der Republik ist, insbesondere, was die Frauen anbelangt, Frau Prammer, und insbesondere, was allein erziehende Frauen anbelangt. (Abg. Gradwohl: Wo leben Sie, Frau Rauch-Kallat?) Gott sei Dank in Österreich, und ich bin auch sehr zufrieden damit.

Wir haben zum Beispiel mit Themen wie der Familienhospizkarenz ganz wichtige sozial­politische Fragen gelöst. Die OECD bestätigt uns, dass wir Gott sei Dank in der Sicherheit das Land Nummer eins sind. Es ist gelungen, dass nicht nur der Kampf gegen Drogen und gegen Kindesmissbrauch, sondern auch gegen illegale Einwanderung und gegen organisierte Krimi­nalität besser funktioniert.

Insbesondere Herrn Abgeordnetem Pilz – er ist doch noch im Saal – möchte ich sagen: Sie haben vieles gesagt, was wahr ist. Aber, Herr Abgeordneter Pilz, bleiben Sie bei der ganzen Wahrheit. Es ging nie um Abschieben, sondern es ging um die Nichtverlängerung der Aufent­haltsbewilligung, und das ist ein wesentlicher Unterschied.

Meine Damen und Herren! Wir werden sicher nicht zulassen, dass man die soziale Sicherheit gegen die allgemeine Sicherheit ausspielt. Ich denke, dass es in einem Land wie Österreich zwar wichtig ist, dass die soziale Sicherheit stimmt, aber es muss auch die Sicherheit für die Österreicherinnen und Österreicher bestmöglich gewährleistet sein. Und wenn wir es uns leisten, meine Damen und Herren, jährlich 4 Milliarden Schilling Zuschuss an die Bundes­bahnen zu zahlen, dann muss es uns die Sicherheit unseres Landes auch wert sein, unserem Bundesheer einmalig einen Betrag von 2 Milliarden Schilling zur Verfügung zu stellen, um die notwendigen Geräte für die Luftraumüberwachung zu haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir lassen nicht das eine gegen das andere ausspielen, denn in Anlehnung an einen Spruch von der Gesundheit möchte ich sagen: Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheit­lichen.)

16.55


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Bösch. Er hat ein Limit von 10 Minuten. – Bitte.

16.55


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Prammer, um die Glaubwürdigkeit der FPÖ sollten Sie sich keine Sorgen machen, denn diese Bundesregierung wird, wenn die FPÖ in sie eintreten wird, jene Reformpolitik weiterführen, die erst durch unseren Eintritt in die Bundesregierung im Jahre 2000 möglich war und damals begonnen hat.

Aber zurück zum Thema, zu dieser Dringlichen Anfrage von Seiten der SPÖ. Herr Kollege Cap! Im Gegensatz zu einigen Vorrednern habe ich Ihren Vortrag hier durchaus nicht als peinlich erachtet, zumindest nicht solange Sie kabarettistisch waren, denn darin haben Sie ein gewisses Talent. Peinlich, Herr Kollege Cap, ist der Auftritt erst geworden, als Sie versucht haben, sachlich zu werden, und zu diesem Thema, über das wir hier heute ernsthaft reden sollten, eigentlich keine neuen Argumente auf den Tisch gelegt haben.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Es ist wirklich unglaublich, jetzt sind Sie schon in der zweiten Legislaturperiode in Opposition, aber Ihre Dringlichen Anfragen werden noch immer nicht besser. Ich glaube, wir sollten Ihnen da oder dort einmal einen kleinen Tipp geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 132

Entweder haben Sie hier am Rednerpult das Thema verfehlt – oder jene, die Ihnen diese Dringliche Anfrage geschrieben haben, denn ganz war das, was hier geschrieben steht und was Sie hier zum Besten gegeben haben, meine Damen und Herren, nicht kompatibel.

Wir können es aber relativ kurz machen, weil wir dieses Thema schon in verschiedenen Debatten hier behandelt haben. Sie haben Ihre Redezeit im Wesentlichen dafür verwendet, Krokodilstränen in Bezug auf die Regierungsverhandlungen zu vergießen. Ich war bass er­staunt, dass das nicht nur Kollege Cap und Kollege Gusenbauer getan haben, sondern auch Peter Pilz eigentlich nahtlos weiter geheult hat. Das war für mich eher überraschend.

Meine Damen und Herren! Der Beschaffungsvorgang – Bundesminister Herbert Scheibner ist darauf eingegangen – in Bezug auf die Abfangjäger fand in bestmöglicher Transparenz statt. Der Beschaffungsvorgang war klar und deutlich in allen Gremien des Parlaments nach­vollziehbar. Wir haben darüber debattiert. Die Bundesregierung hat geprüft. Verteidigungs­minister, Finanzminister, Wirtschaftsminister, die Bundesregierung haben Beschlüsse gefasst, und die Entscheidungen sind gefällt worden.

Auch die politische Entscheidung rundherum war eine klare und deutliche auf Grund der Dis­kus­sionen, die damals republikweit stattgefunden haben. Ich erinnere Sie nur an ein Volksbe­gehren, das sich mit diesem Thema befasst hat. Diese Bundesregierung hat im Wesent­lichen die öffentliche Debatte transparent und nach meinem Dafürhalten auch klar geführt.

Als es dann zu Unstimmigkeiten und zu den bekannten Ereignissen im Wahlkampf gekommen ist, wurde der Beschaffungsvorgang gestoppt. Die neue Bundesregierung wird all diese Vorgänge neu prüfen und wird überlegen, wie die Vorgangsweise in den nächsten Monaten in Bezug auf diese Frage sein wird. Bundesminister Scheibner ist darauf eingegangen.

Der Forderung des Herrn Kollegen Pilz nach einem Untersuchungsausschuss kann auch heute wieder mit dem klaren Argument begegnet werden, dass ja der Vergabevorgang von Seiten des Rechnungshofes bereits geprüft worden ist. Diese Prüfung liegt der Öffentlichkeit vor. Wir haben eine zweite Prüfung des Rechnungshofes in Bezug auf den Beschaffungsvorgang und die Entscheidungen, die dort gefällt worden sind, in Bearbeitung. Diesen Bericht werden wir in Bälde vorliegen haben, und wir werden dann darüber diskutieren. Herr Kollege Kogler! Sie werden das – darüber mache ich mir keine Sorgen – federführend tun.

Meine Damen und Herren! Sie haben heute wieder Ihre üblichen unglaubwürdigen Argumente gegen die Anschaffung von Abfangjägern vorgetragen. Sie haben nach wie vor der Öffentlich­keit nicht erklären können, warum Sie auf der einen Seite die Beibehaltung der Neutralität wollen und auf der anderen Seite diesen wichtigen Bereich der Souveränität, nämlich die Luftraumüberwachung, eigentlich preisgeben wollen.

Die Vorstellung des Herrn Kollegen Gusenbauer in Richtung einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsstruktur kann man im Lichte der gegenwärtigen Lage und auch im Lichte der jüngsten Ereignisse nur als naiv bezeichnen. Wir haben gerade von Seiten der Europäischen Union ein Musterbeispiel vorgeführt bekommen, wie eine Union in außen- und sicherheits­politischen Fragen hinkünftig nicht funktionieren kann. Das ist aber – und darüber müssen wir uns im Klaren sein – der Status, mit dem wir uns politisch in der Realität, in der Gegenwart europaweit auseinander zu setzen haben.

Meine Damen und Herren! Es ist deshalb klar, dass auch die Sicherstellung der Luftraumüber­wachung eine klare Priorität dieser Bundesregierung ist. Auch im Lichte der Lage, in der sich die Europäische Union und in der Union auch die Republik Österreich befindet, ist es gut, dass wir eine Bundesregierung haben, die auf eine eigenständige Landesverteidigung Wert legt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.00

Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Seine Redezeit ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 133

17.01


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bun­des­minister! Geschätzte KollegInnen! Die Dringliche Anfrage der SPÖ ist in der Tat in zwei Teile gegliedert: Die Begründung zielt eher auf die Makro-Daten der Entwicklung in Österreich ab, und die Fragestellung bezieht sich dann im Detail auf den Beschaffungsvorgang, speziell auf das Produkt „Eurofighter“. Ich werde in meinem Redebeitrag kurz zu beiden Teilen Stellung nehmen.

Zu den gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen haben Sie, Herr Bundeskanzler, ausgeführt, dass im Vergleich zu 1999 das BIP an sich gewachsen wäre. – Na ja, es wäre wirklich eine Kunst, würde man es schaffen, dass eine Bundesregierung – noch dazu in einer kleinen offenen Volks­wirtschaft – so weit kommen könnte, durch eigenes Handeln das BIP-Wachstum ins Negative zu treiben. Das kann es wohl nicht sein! Vielleicht haben Sie das auch nicht gemeint, vielleicht haben Sie gemeint, dass das Realwachstum verglichen werden müsste. Dann tun wir das doch! Es stellt sich aber heraus, dass wir in der Veränderung des Realwachstums relativ weit nach hinten gerutscht sind. – Das sollte man der Ordnung halber festhalten. Das ist so!

Sie haben weiters die Beschäftigtenzahl erwähnt. – Die hat zugenommen, das ist richtig, aber interessanter ist natürlich die Frage, wie sich die Arbeitslosenquote entwickelt hat. Die ist immer noch sehr gut in Österreich – zugegeben, das ist so, das ist das Verdienst einer bestimmten Politik über viele Jahre –, aber ob es ausreichen kann, den Erfolg der letzten drei Jahre daran zu messen, ob die Arbeitslosenquote am selben Niveau verblieben ist oder doch vielleicht eine Er­höhung erfahren hat, ist eine andere Frage. Auch da würde ich empfehlen, die Veränderung der Arbeitslosenquote zu betrachten, und da stellt sich heraus, dass wir im Schlechterwerden, also beim Ansteigen der Arbeitslosenquote, leider im Spitzenfeld Europas liegen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Auch bei den Innovationsindikatoren verhält es sich nicht anders – das sind ja die wirklich zukunftsträchtigen Dinge, die in solch einem Ranking verglichen werden sollten –, da sind wir im letzten Drittel angesiedelt. – Sei’s drum.

Nun zur Feststellung der Kollegin Rauch-Kallat, dass ohne Sicherheit alles nichts sei. – Stellen wir die gemeinsame Herangehensweise auf diese Basis und fragen wir uns auch, ob die Ver­fassung bestimmte Typen von Flugzeugen zur Erlangung dieser Sicherheit vorschreibt. So wie argumentiert wurde – auch von Bundesminister Scheibner –, klingt es fast schon so, als ob in der Verfassung normiert werden würde, dass 2 Milliarden € an eine bestimmte Firma mit Sitz in Baden-Württemberg überwiesen werden müssten. Das kann nicht sein, Herr Bundesminister! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Scheibner.)

Herr Bundesminister, Sie haben sich ausdrücklich auf die Verfassung berufen, und Sie haben wieder auf Kollegen Van der Bellen verwiesen. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundes­minister Scheibner.) Ich sage Ihnen: Die Bundesverfassung sagt nichts über die Typenwahl aus.

Jetzt möchte ich auf die Typenentscheidung eingehen, denn die wurde im Speziellen abgefragt.

Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Wieso ist es möglich, dass das in allen Abfinanzie­rungs­varianten – ich betone: in allen Abfinanzierungsvarianten! – teuerste Produkt zum Zug kommt? – Das kann doch nur damit begründet sein, dass eine militärisch-technische Bewertung einen besonderen – ich unterstreiche: einen besonderen! – Vorsprung für dieses Produkt aus­weist, das Sie offensichtlich zu bevorzugen gedenken.

Nach all dem, was wir wissen, ist es aber überhaupt nicht so! Die militärischen Bewertungs­kommissionen haben – und das ist auch in der Öffentlichkeit schon bekannt geworden – eine relative Gleichwertigkeit der beiden Angebote festgestellt.

Jetzt ergeht die Frage an Sie, wieso Sie eine Preisdifferenz von immerhin 200 Milliarden € im Falle Bezahlung ab Lieferung in Kauf nehmen? – Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, die Zahlen ... (Abg. Dr. Spindelegger: 200 Milliarden €?!) 200 Millionen €! Danke für die Korrektur!


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 134

Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, er kenne die Zahlen nicht, aber vielleicht will er sie hier nicht sagen. – Ich könnte sie ihm nachliefern, aber ich tue es hier nicht, ich sage Ihnen nur so viel: Wir kennen die Zahlen, und ich kann Ihnen die Differenz genau vorrechnen. In dem einen Fall wäre es immerhin die erkleckliche Summe von 200 Millionen €. Es ist für mich nicht nach­vollziehbar, warum ausgerechnet das teuerste Produkt gekauft werden muss. Die Antwort auf diese Frage sind Sie schuldig geblieben. – Jetzt ist der Herr Bundeskanzler leider nicht im Saal, aber er wurde genau das und nichts anderes gefragt, und ich finde es eigenartig, dass man sich da derart über den Dingen schwebend fühlen muss und über den Gehalt dieser Dringlichen An­frage so drübergeht – auch wenn sie zweigeteilt war. Das muss nicht sein.

Die Frage der vergaberechtlichen Zuwiderhandlungen bei diesem Beschaffungsvorgang ist eine eigene. Dazu sagt der Rechnungshof, Herr Kollege Scheibner und Herr Kollege Bösch, über­haupt noch nichts, denn der Rechnungshof hat bis jetzt lediglich geprüft, ob die Ausschreibung überhaupt korrekt zustande gekommen ist, und sonst gar nichts. Den nächsten Bericht werden wir nicht übermorgen vorliegen haben, wie Parteiobmann Haupt suggerierte, sondern erst in ein paar Monaten und nicht vorher. Da werden Sie Ihre Koalitionsverhandlungen noch ein bisschen in die Länge ziehen müssen, wenn das ein Kriterium sein soll.

Warum aber – zurückkommend – vergaberechtliche Zuwiderhandlungen? – Wenn ein Anbieter die Möglichkeit bekommt, sein Angebot von 24 auf 18 Stück zu reduzieren, dann muss diese Möglichkeit auch dem potentiellen Mitbieter eröffnet werden, auch wenn vorher schon eine Typenentscheidung gefallen ist. Das ist doch ganz klar! Da verstehe ich nicht, warum Sie sich dieser Logik so widersetzen. In Wahrheit müsste ein Vergleichsangebot von „Gripen“ eingeholt werden – wie ich weiß, hat „Gripen“ eines vorgelegt –, und das müsste neu bewertet werden. Doch Sie weigern sich, das zu tun, wir wissen das. Erklären Sie das einmal! Das werden Sie in der Öffentlichkeit noch erklären müssen! Sie haben da mehrere vergaberechtliche Fehler be­gan­gen, die in Wirklichkeit auf einen vergaberechtlichen Mega-GAU hinweisen.

Das ist jetzt der Punkt: Ich diskutiere an dieser Stelle nicht die Frage: Abfangjäger: ja oder nein?, sondern die Frage: Warum „Eurofighter“? – Genau so lautete die Anfrage, und die haben Sie nicht beantwortet.

Wenn Sie hier die Gegengeschäfte als nächstes Argument ins Treffen führen wollen, dann wird zu fragen sein, ob die so toll sind oder nicht. – Bis jetzt ist überhaupt nichts an sinnvollen Gegengeschäfts-Vereinbarungen bekannt. Im Gegenteil, es wird versucht, Geschäfte, die ohne „Eurofighter“-Kauf zustande gekommen sind, hier hineinzureklamieren. Das gute alte Spiel! Eine ganze Latte von Fehlern, die da passieren, sind 1 : 1 aus der Chronologie der Thomson-Beschaffung übernommen. Dass es damals nicht ganz korrekt zugegangen ist, das wissen wir auch alle. Es wird die gleiche Regie geführt: Am Schluss müssen die Gegengeschäfte her­halten, um andere Kriterien noch einmal in Frage zu stellen.

Wir werden in Zukunft den Beweis antreten – es ist heute noch nicht die Zeit dazu, es ist noch zu früh –, und es ist mir jetzt wichtig, Ihnen zu sagen: Sie haben diese entscheidenden Fragen nicht beantwortet! – Würden Sie das bitte, Herr Bundesminister, stellvertretend für den Herrn Bundeskanzler entgegennehmen wollen.

Selbiger Bundeskanzler hat uns beim Wahlkampfauftakt seiner Partei erklärt: Das Ganze wird jetzt aus dem Wahlkampf herausgehalten, der Beschaffungsakt ist auf Eis gelegt. Es werde an einer Wirtschaftsplattform gebastelt, wo das Ganze besonders günstig abfinanziert wird! – Der Koordinator dieser Wirtschaftsplattform ist ein gewisser Kollege Farnleitner, und zwar Kollege aus der Sicht des Herrn Bundeskanzlers.

Wenn man Herrn „Kollegen“ Farnleitner dazu befragt, dann sagt er, er sei kein Koordinator für irgendetwas in dieser Sache, er habe nur einmal den Tipp abgegeben, dass man vielleicht ein Lease-and-lease-back-Verfahren andenken könnte. – So schaut das aus!

Das erinnert ja 1 : 1 an die Vorgangsweise bei der unseligen „Euroteam“-Affäre: Da sind auch immer irgendwelche Koordinatoren für irgendwelche Vorgänge und Plattformen genannt wor-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 135

den, die von ihrem „Glück“ nicht einmal etwas gewusst haben. – Also, reden wir einmal mit Herrn Farnleitner, ob er sich als Koordinator für eine solche Wirtschaftsplattform versteht.

Herr Farnleitner tut gut daran, sich nicht als solcher zu verstehen, denn da gibt es nichts zu gewinnen, da gibt es auf Grund dieser eigenartigen Herangehensweise, die Sie da pflegen, nur etwas zu verlieren. Alle Unternehmen, von denen bis jetzt gesagt wurde, dass sie in diese Wirtschaftsplattform eintreten würden, weil sie angeblich Gegengeschäftsnutznießer wären, haben das nämlich brüsk zurückgewiesen – und auch die tun gut daran, das zu tun, denn es gibt keine Gegengeschäfte in der behaupteten Form, und sollte es sie jemals geben, werden sie keinen Euro dazu beitragen, dass die Abfinanzierung des „Eurofighter“ billiger wird.

Es bleibt am Schluss die so genannte Finanzierungsplattform, ein Konstrukt, das helfen soll, dass man diese Kosten aus den Budgetzahlen der Jahre 2003 bis 2006 herausbekommt. Da sage ich: Toi, toi, toi! Billiger wird dadurch aber gar nichts! Wer glaubt denn tatsächlich, dass die Kampfflugzeuge dann, wenn die Finanzierung immer mehr in die Zukunft verschoben wird, billiger werden? Es steigen selbstverständlich die Kreditkosten. Glauben Sie, dass irgendeine Leasing-Plattform das Geld gratis bereitstellt? Das alles ist doch widersinnig! Es geht da lediglich um den Versuch, die enormen Budgetbelastungen für diesen Ankauf in die nächsten Legislaturperioden zu verschieben.

Sie belasten mit diesem überteuerten Ankauf die nächsten Generationen (Zwischenruf des Abg. Großruck), und das passt, Herr Kollege, mit der von Ihnen ausgegebenen Parole: Keine neuen Schulden!, überhaupt nicht zusammen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident: Ich war heute wirklich gutwillig und habe versucht, zu hinterfragen, ob die Antworten wirklich nicht gegeben werden konnten. Sie machen es einem wirklich schwer. (Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Ich fürchte, ein Unter­suchungsausschuss bleibt unumgänglich. (Beifall bei den Grünen sowie der Abge­ordneten Dr. Cap und Dr. Einem.)

17.11


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.11


Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, dass die Debatte in den letzten zwei Stunden gezeigt hat, dass es sehr wichtig ist, dass wir uns damit auseinander setzen, was eigentlich die Beweggründe dafür sind, dass diese Bundesregierung – allen voran Wolfgang Schüssel – in Wirklichkeit nicht in der Lage ist, von dem unnötigen Ankauf von Abfangjägern abzugehen.

Das, was sich vor allem in seiner persönlichen Beantwortung gezeigt hat, ist die Tatsache, dass er Meister in drei Dingen ist: Wolfgang Schüssel ist Meister im Abschieben von Verantwortung, Wolfgang Schüssel ist Meister im Schönreden und Wegschauen, und Wolfgang Schüssel ist Meister in politischer Unglaubwürdigkeit. Ich möchte diese drei Punkte auch mit Beispielen bele­gen. (Abg. Großruck: Meister im Gewinnen von Wahlen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute haben die Österreicherinnen und Österreicher in eigentlich jeder Tageszeitung lesen können, dass eine Belastungswelle über sie hinwegrollen wird. Man konnte erfahren, dass eine vermutlich neue schwarz-blaue Bundesregierung der Bevölkerung wieder massive Belastungen zumutet – ob es Belastungen für kranke Menschen sind, Belastungen für Pendler, Belastungen für Autofahrer oder massive zusätzliche Belastun­gen für junge Menschen, nämlich Studierende.

Genau in solch einer Situation findet diese Bundesregierung, findet Wolfgang Schüssel überhaupt nichts dabei, milliardenteure Abfangjäger anzukaufen – milliardenteure Abfangjäger, die Österreich nicht braucht und die in Österreich auch kein Mensch haben möchte. (Abg. Murauer: Nicht einmal Applaus kommt von Ihrer Partei!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 136

Das ist Unglaubwürdigkeit, wenn man auf der einen Seite Belastungen einführt und auf der anderen Seite massive Ausgaben tätigt.

Wissen Sie, was noch Unglaubwürdigkeit in der Politik ist? – Wolfgang Schüssel hat im September gesagt: Nehmen wir das Thema Abfangjäger aus dem Wahlkampf!, und er hat damit den Menschen vorgegaukelt, dass er bereit ist, über den Ankauf der Abfangjäger zu disku­tieren.

Es hat nicht lange gedauert, gleich nach der Wahl hat er festgelegt: Ohne Wenn und Aber, koste es, was es wolle, diese Abfangjäger sollen angekauft werden! – Das ist politische Un­glaub­würdigkeit, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben die Aufgabe, Menschen, die es finanziell nicht so leicht haben, die es finanziell schwer haben, zu erklären, dass Sie, die ÖVP, zwar 2 Milliarden € für Kampfflugzeuge aus­geben wollen, gleichzeitig aber Selbstbehalte für den Arztbesuch einführen möchten.

Sie müssen den jungen Menschen erklären, dass Sie bereit sind, 2 Milliarden € für Abfangjäger auszugeben, und gleichzeitig die Festsetzung der Höhe der Studiengebühren, wie ich gelesen habe, freizugeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich ist dem Kommentar von Dr. Wailand, den dieser in der „Kronen Zeitung“ schreibt, nichts hinzuzufügen. Die Politik, die Sie machen, heißt, wie es auch Herr Wailand schreibt: „Statt reformiert wird abkassiert“. – Das ist eine Politik, die Österreich nicht verdient hat und die nicht dem Wohle Österreichs dient! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Generalsekretärin der ÖVP hat sich, was politische Unglaubwürdigkeit betrifft, gleich nahtlos dem Bundeskanzler angeschlossen. Sie hat sich hier hergestellt und hat gesagt: Wir haben Schluss gemacht mit dem Schuldenmachen!

Wissen Sie, wie es mit dem Schuldenmachen aussieht? – Nach Angaben des Finanzministers, weil die Sozialdemokratische Partei zu Recht einen Kassasturz eingefordert hat, wird das Budget­defizit 1,3 Prozent betragen. Das bedeutet für das Jahr 2002 Staatsschulden im Ausmaß von 2,8 Milliarden €. Das bedeutet 7,3 Millionen € Neuverschuldung. Das ist die Wahrheit! Streuen Sie der Bevölkerung nicht Sand in die Augen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Appell an Sie lautet: mehr Ehrlichkeit in der Politik! Daran mangelt es vor allem in der ÖVP.

Was Schönreden und Wegschauen betrifft: Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik. In ganz Europa nimmt die Arbeitslosigkeit ab, in Österreich steigt sie. (Abg. Großruck: Was ist bei Ihrem Genossen Schröder?) Herr Bundeskanzler! Ist das besser oder schlechter? – Ich sage Ihnen: Das ist für jene Menschen, die keine Arbeit haben, verdammt schlecht, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hatten in Österreich in der Vergangenheit eine Reallohnentwicklung, die immer weit über dem EU-Durchschnitt lag. Wie sieht sie jetzt aus? Wir sind damit in Europa Schlusslicht. Und das bedeutet leider für viele Österreicher eine Verschlechterung, Herr Bundeskanzler!

Eine Bemerkung noch, was die Frage des Abschiebens der Verantwortung betrifft: Der Herr Bundeskanzler ist Meister im Abschieben von Verantwortung, und daher möchte ich ihm Folgendes ins Stammbuch schreiben: Herr Bundeskanzler! Sie tragen die Verantwortung für eine unsoziale Politik, Sie tragen die Verantwortung dafür, dass es keine Reformen, sondern nur Abkassieren gibt, und Sie werden voraussichtlich in Zukunft die Verantwortung für eine sehr instabile schwarz-blaue Regierung zu tragen haben! Diese Verantwortung wird Ihnen niemand abnehmen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neugebauer: Wahlkampf ist vorbei!)

17.17



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 137

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte. (Abg. Großruck – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Murauer –: Herr Kollege, bitte bringen Sie wieder mehr Seriosität ein!)

17.17


Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wieder etwas mehr Seriosität – das ist sicher passend nach der Rede von Frau Bures!

Meine Damen und Herren! Kollege Cap hat gemeint, es sei ihm einiges peinlich. Dazu darf ich bemerken: Herr Dr. Cap! Es ist peinlich, dass Sie seit dem 4. Februar 2000 aus partei­politi­schen Gründen, aus populistischen Überlegungen einfach sagen: Diese schlimmen Flugzeuge, diese Abfangjäger, dieses Kriegsmaterial brauchen wir nicht!

Frau Bures hat uns soeben erklärt, was alles sie um das Geld, das für die „schlimmen“ Ab­fangjäger ausgegeben werden soll, kaufen würde, und sprach von Kindergärten, von den Stu­diengebühren und von der Ausgleichszulage im Vergleich mit der Sicherheitspolitik. (Zwischen­ruf der Abg. Mag. Prammer.)

Frau Prammer! Haben Sie vergessen, was wir den Österreichischen Bundesbahnen zu­schießen? Dazu haben Sie nichts gesagt. Um den Betrag des Defizits der Österreichischen Bundesbahnen könnten wir jährlich zweimal die Flieger kaufen. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) – Zu dir komme ich noch, Parnigoni.

Warum brauchen wir Abfangjäger? Warum brauchen wir die Luftraumkontrolle, meine Damen und Herren? (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.) – Frau Kollegin Prammer! Es wäre gut, wenn Sie aufpassen würden, denn dann könnten auch Sie zu der Überlegung kom­men, dass Sie vor dem 4. Februar Recht gehabt haben und jetzt Unrecht haben. Sie miss­brauchen die Sicherheitspolitik für Ihre parteipolitischen Interessen. Ich hätte Sie eigentlich für seriöser gehalten.

Nun noch einmal zur Frage: Wozu Abfangjäger? – Ich möchte Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, daran erinnern, dass es nur in Österreich die Diskussion über die Frage gibt, wozu wir den Luftraum sichern sollen. Parnigoni, frag deinen Kollegen Gaál, warum! Er weiß es, er hat sich damit auseinander gesetzt, nur: Er darf das, was er weiß, im Moment nicht sagen. Früher hat er es schon sagen dürfen.

Parnigoni, dein Vorschlag, dass wir ohnedies die Radaranlagen, die „Goldhaube“, haben – aber keine Flugzeuge – und dass das genügt, das kommt mir so vor, wie wenn man eine Brandmeldeanlage, aber keine Feuerwehr hat. So geht das sicher nicht! Diese Vorschläge sollten wir, glaube ich, nicht umsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es kommen von Ihnen Vorschläge dahin gehend, dass, obwohl wir noch das Neutralitätsgesetz haben, ein anderes Land und andere Militärs in unserem Luftraum unsere Sicherheit garan­tieren sollten. Natürlich können die das, natürlich haben alle anderen Länder Über­wachungs­flugzeuge, Abfangjäger für ihre Sicherheit. Nur wir in Österreich diskutieren darüber, ob wir diese überhaupt brauchen!

Heute ist in der „Neuen Zürcher Zeitung“ zu lesen, dass die neutrale Schweiz auf Grund ihrer schwierigen finanziellen Situation Einsparungen bei ihrem Heer vornimmt, aber in der Luftraum­überwachung einen Schwerpunkt sieht und diesen auch durchsetzt, weil sie sagt, dass die zukünftigen Gefahren, die zukünftigen Probleme im Luftraum liegen. Die Schweiz setzt daher da einen Schwerpunkt. – Bei uns, meine Damen und Herren, wird diskutiert, ob wir diese brauchen!

Die österreichische Bundesregierung steht – wie die Österreichische Volkspartei – zur Sicher­heits­politik in diesem Lande und will auch entsprechende Luftraumüberwachungsflugzeuge beschaffen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 138

Meine Damen und Herren! Zur Wiederholung aus der Diskussion von heute Vormittag: Sollen wir unsere Sicherheit nicht mehr zu unserer eigenen, nationalen Angelegenheit machen? Der Vorwurf der „Sicherheitsexperten“ Pilz und Cap lautet, dass wir unseren Luftraum nicht mehr kontrollieren können, die Zahl derjenigen nicht kennen, die unseren Luftraum frequentieren, und auch nicht wissen, wer das ist. Aber dann zu der Antwort darauf, dass wir dazu entsprechende Geräte brauchen, nein zu sagen, meine Damen und Herren, das grenzt meines Erachtens an Bewusstseinsspaltung!

Wenn wir tatsächlich keine Flieger brauchten, dann könnten wir auch die „Draken“ sofort zurückgeben und den Betrieb einstellen.

Wir wollen das auf keinen Fall! Wir wollen den Luftraum unseres Landes gerade in einer Zeit, die instabiler wird, in einer Zeit, in der mehr Risken zu erkennen sind, mit entsprechenden Flugzeugen absichern.

Letzter Satz: Meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien, von der Sozialdemokratie und den Grünen! Es wäre angebracht, dass Sie in Sachen Sicherheitspolitik ab nun Ihre parteipolitischen Interessen zurückstellen und die Sicherheit unseres Landes in den Vorder­grund rücken. Das wäre dringend notwendig! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.23


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. – Bitte.

17.23


Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Meine geschätzten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Minister! Herr Bundeskanzler! Die Thematik Abfangjäger ist sicher eine sehr interessante und eine vor allem in den letzten Monaten sehr intensiv geführte. Erlauben Sie mir aber zu Beginn, auf eine Frage der SPÖ zurückzukommen, die heute schon öfters gestellt worden ist: Warum wurde gewählt? Darauf möchte ich als jemand, der neu hier steht, folgende Antwort geben: Warum haben Sie zugestimmt? – Sie selbst haben doch diese Neu­wahlen beschlossen und ihnen zugestimmt! Folglich sollten Sie diese Frage in Ihren eigenen Gremien stellen, und anschließend werden auch wir uns damit beschäftigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist immer wieder schade für mich: Ich bereite mich vor und denke daran, was ich alles von mir geben möchte, aber meine Vorredner liefern eine derartige Fülle an Thematik, dass ich selten dazu komme, das zu sagen, was ich sagen wollte.

Wenn Frau Kollegin Prammer ein Plakat mitbringt, auf dem Jörg Haider abgebildet ist, dann freut es mich zwar, dass die SPÖ immer noch Plakate von Jörg Haider sammelt, aber ich möchte doch, meine lieben Freunde, Folgendes zu bedenken geben: Wenn wir alle SPÖ-Wahlplakate aufhängen würden, auf denen von Wahlversprechen die Rede ist, welche nicht gehalten wurden, dann müssten wir wahrscheinlich den Plenarsaal in die Messehalle übersiedeln, damit Platz dafür wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber nun zum Thema Verteidigungspolitik – ich sehe diese Anfrage über die Beschaffung von Abfangjägern als eine Frage der Verteidigungspolitik. Ich selbst werde heute Abend im Verteidi­gungsausschuss angelobt werden und diesem Ausschuss angehören, daher kann ich heute hier stehen und sagen: Ich werde sicherlich angelobt werden, um dafür zu sorgen, dass eine umfassende Landesverteidigung in Österreich gewährleistet ist. Und die Landesverteidigung hat nach den momentanen Voraussetzungen zu Lande und in der Luft zu erfolgen. Das ist wichtig, und ich bin davon überzeugt, dass das Verständnis der Menschen dafür vorhanden ist, sofern die Voraussetzungen dafür gegeben sind.

Ich muss sagen: Ich zweifle in keiner Weise und nicht im Geringsten an der Rechtmäßigkeit der entsprechenden Beschaffungsprozesse; sie werden von so vielen Gremien geprüft, dass es fast schon kindisch ist, hier auch noch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu fordern.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 139

Wofür haben wir denn Gremien wie den Rechnungshof, Gremien, wie wir sie hier in diesem Haus vorfinden? – Was diesen Untersuchungsausschuss betrifft: Wenn der Rechnungshof das für richtig hält, wird es sicherlich dazu kommen. In der Zwischenzeit zweifle ich nicht an der Entscheidung, die von unseren Herren hier getroffen wird. (Abg. Mag. Wurm: Herr Haider hat schon gesagt ...!) – Wenn Sie einen solch guten Kontakt zum Landeshauptmann haben, dann werde ich Sie noch fragen, was er zur Regierungsbildung gesagt hat.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! In Wirklichkeit müssten Sie Herrn Minister Scheibner dankbar dafür sein, dass er Ihnen so viel Stoff für derartige Anfragen, Untersuchungsausschüsse und immer wieder gestellte Fragen gibt, denn sonst hätten Sie wahr­scheinlich wenig einzubringen. Ich bin relativ neu in diesem Haus und vermisse die Konstruktivität der Gespräche. Ich vermisse es, dass man über Dinge spricht, die noch nicht „gegessen“ sind.

Wenn die Abfangjägerbeschaffung in der letzten Legislaturperiode beschlossen wurde – rechtmäßig beschlossen wurde, davon gehe ich aus –, dann brauche ich darüber nicht mehr zu sprechen. Unterhalten wir uns doch über Problematiken, die für die Zukunft wirklich wichtig sind, Problematiken, die heute zwar das eine oder andere Mal angeklungen sind, die aber noch einer Lösung zuzuführen sein werden. (Abg. Mag. Wurm: Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit!) Ja, oder ein Sohn, das kann man nicht so festlegen – oder darf ich das nicht sagen? (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Hier heraußen ist es viel lustiger als drinnen, das muss ich ehrlich sagen.

Abschließend möchte ich kurz einen Gedanken dazu vorbringen, wie sich auch die Damen und Herren von der SPÖ und den Grünen aktiv in diese Diskussion einbringen können. Vielleicht sollten Sie Ihre äußerst guten Kanäle zu dieser tollen, hoch gelobten deutschen Regierung nutzen. Ich glaube, dort haben sie Hunderte Abfangjäger – von Roten und von Grünen gekauft. Vielleicht sollte man diese Kanäle nutzen, um von dort aus die Landesverteidigung sicherzustellen. (Abg. Mag. Wurm: ... von Kohl!)

In der Zwischenzeit – das kann ich Ihnen garantieren – und solange wir Verantwortung haben, werden wir diese Verantwortung auch ausüben. Und solange der Wähler uns das Mandat dazu gibt, so lange werden wir es machen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Euch hat er es nicht gegeben! 16 Prozent weniger!)

17.28

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich dem nächsten Redner, Herrn Abgeordnetem Nürn­berger, das Wort erteile, darf ich bekannt geben, dass die Abgeordneten Dr. Cap und Fraktion nach § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Beschaffung von Kampfflugzeugen einzusetzen.

Außerdem liegt das von fünf Abgeordneten nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine Debatte über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durchzu­führen.

Da in der heutigen Sitzung eine Dringliche Anfrage verhandelt worden ist, finden die Debatte und die Abstimmung darüber nach Erledigung der Tagesordnung statt.

Ich bitte um Kenntnisnahme.

Der schriftliche Antrag wird an alle Mitglieder des Hauses verteilt werden.

*****

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Nürnberger. Die Uhr ist auf „zirka“ 5 Minuten gestellt. – Bitte.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 140

17.29


Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat von der Regierungsbank herunter mit uns ein Frage-Antwort-Spiel gemacht: „Besser oder schlechter?“ – Herr Bundes­kanzler, dieses Spielchen können wir fortsetzen: Arbeitslose am 1. Jänner 2000: 278 657; Jänner 2003: 303 676. Herr Bundeskanzler, besser oder schlechter? – Schlechter! (Beifall bei der SPÖ.)

Arbeitslosenrate 2000: 5,8; 2001: 6,1; 2002: 6,9. Herr Bundeskanzler, besser oder schlechter? – Schlechter, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

Jene Fragen, die die Menschen betreffen, haben Sie wohlweislich ausgeklammert.

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat hat ein ähnliches Beispiel gebracht: Sie hat zum Abgeordneten Pilz gesagt, er möge doch bei der Wahrheit bleiben. Ich darf das retour geben: Frau Abgeordnete Maria Rauch-Kallat, bleiben Sie bitte bei der Wahrheit! Sie haben sich wieder gerühmt mit der berühmten Angleichung von Arbeitern und Angestellten. Jetzt stelle ich mir dazu eine Frage: Es gibt eine Jubel-Broschüre der Bundeswirtschaftskammer – Reingewinn der Arbeitgeber: rund 3 Milliarden österreichische Schilling. Frage: Ist es für die Arbeitnehmer in diesem Lande besser oder schlechter, wenn die Arbeitgeber 3 Milliarden an Reingewinn haben? – Schlechter, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: ... habt ihr zugestimmt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nun zu Herrn Abgeordnetem Stummvoll: Herr Abgeordneter! Ich darf Ihrem Langzeit­ge­dächt­nis – ich habe immer geglaubt, Sie verfügen über ein gutes Gedächtnis – ein bisschen nach­helfen. Die Erklärung, die Sie hier gegeben haben: Sie wollen nie wieder in diesem Hause in der Geiselhaft der sozialdemokratischen Gewerkschafter sein, wie das 1997 der Fall war ... (Abg. Dr. Stummvoll: Ja!) Dann zur Wahrheit! (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist die Wahrheit!) Nein, das ist nicht die Wahrheit! Ich werde Ihnen als einer der Betroffenen die Wahrheit sagen. (Abg. Dr. Stummvoll: Sie wissen ...!)

Es gab Probleme im Zusammenhang mit der Pensionsreform. Es stimmt, dass hier gesprochen werden musste, bis es eine Einigung gab, eine Einigung zwischen dem damaligen Vizekanzler Schüssel und Klubobmann Khol – im Büro des damaligen Klubobmannes Khol –, dem Klub­obmann Kostelka und mir. Wissen Sie, worum es gegangen ist? Es ist im Zuge der großen Pensionsreform um die Verlängerung der Bemessungsgrundlage für alle gegangen.

Aber die Beamtengewerkschaft ... – Da ist mein lieber, geschätzter Kollege Neugebauer, wenn er genügend Zivilcourage hat, und die unterstelle ich ihm, wird er zugeben, dass er in der Hohenstaufengasse gesessen ist und wir leider aus Solidarität – das war vielleicht ein Fehler von mir – auch die „Kastanien“ des ÖAAB und der Christgewerkschafter verhandelt haben. Damals ging es – und das war letzten Endes der Kompromiss – um eine Deckelung bei der Bemessungsgrundlage für die Beamten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Es haben also die sozialdemokratischen Gewerkschafter, Herr Abge­ordneter Stummvoll, die Regierung vor der Geiselhaft des ÖAAB und der Christgewerkschafter bewahrt! Das ist die Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Wieso?) Weil Sie sich bei Ihrem Beamtengewerkschafter, bei Ihrem ÖAABler nicht durchsetzen konnten!

Jetzt ein paar Bemerkungen grundsätzlich zur Pension. Es hat ja zwei Voraussetzungen dafür gegeben, dass man mit uns überhaupt in Koalitionsverhandlungen eintritt: den Abfangjägern von Haus aus zuzustimmen und auch zur Kenntnis zu nehmen, dass die Frühpensionsregelung abgeschafft wird.

Weil immer wieder das Märchen aufgetischt wird, gegen jede Pensionsreform wehren sich in erster Linie die Gewerkschafter, sie mauern ab und sind nicht verhandlungsbereit, sage ich Ihnen – das kann ich nachweisen, weil es die entsprechenden Beschlüsse gibt –: Seit ein­einhalb Jahrzehnten verlangen wir eine umfassende Pensionsreform! Aber dazu haben Sie sich nie durchringen können. Und zu den Vorschlägen, die unser Parteivorsitzender zur Pensions-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 141

reform gemacht hat, haben Sie sich auch nicht durchringen können, weil Sie wieder Angst gehabt haben, dass Sie mit Ihrer Klientel nicht zu Rande kommen.

Für eine reine Geldbeschaffungsaktion, wie Sie sie vorhaben, indem Sie immer nur an zwei Schrauben drehen, wenn es um eine Pensionsreform geht – nämlich länger zu arbeiten und das Pensionsantrittsalter hinaufzusetzen sowie weniger Pension zu bekommen –, für solch eine Pensionsreform stehen wir Ihnen auch als Gewerkschafter nicht zur Verfügung, sehr geehrte Damen und Herren von der Regierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir stehen Ihnen zur Verfügung – und dieses Angebot gilt, auch in Opposition stehen wir Ihnen als Gewerkschafter zur Verfügung –, wenn Sie eine umfassende Reform machen, eine um­fassende Reform, die zu mehr Gerechtigkeit in unserem Pensionssystem führt. Das beginnt bei den Beiträgen: Es soll jeder den gleichen Beitrag bezahlen, und dann soll jeder das Gleiche heraus­bekommen. Aber wieder nur an der Schraube des ASVG zu drehen, wobei die ASVG-Versicherten den geringsten Bundeszuschuss brauchen, nämlich nur 14 Prozent, weil sie 86 Prozent selbst bezahlen, ist nicht richtig. Dann müssen wir gerechterweise auch über die Selbstän­digen reden, die nur 46 Prozent beitragen, und die Bauern, bei denen es nur 28 Prozent sind. Es geht auch darum, dass wir zu einer gleichen Bemessungsgrundlage kommen und nicht bei dem einen den Durchrechnungszeitraum über das ganze Leben haben, hingegen der andere womöglich mit 80 Prozent des letzten Bezugs in Pension geht. Für eine umfassende Reform werden wir Ihnen zur Verfügung stehen.

Das Ergebnis Ihrer letzten Reform hat es ja gezeigt: Wir hatten ein rasches Ansteigen, nachdem man das Frühpensionsalter um nur eineinhalb Jahre hinaufgesetzt hatte. Die Zahl der arbeitslosen Frauen über 55 Jahre ist explosionsartig, um 80 Prozent, angestiegen, und bei den Männern waren es 117 Prozent. Vielleicht haben Sie es nicht registriert, aber die Hälfte jener Menschen, die heute in Pension gehen, gehen nicht aus dem aktiven Berufsleben heraus in Pension, sondern sie gehen aus der Notstandshilfe oder aus der Arbeitslosigkeit heraus in Pension.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für eine derartige Politik stehen wir nicht zur Ver­fügung! Wenn Sie mit uns über vernünftige Reformen reden wollen, dann sind wir ge­sprächsbereit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.35


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

17.36


Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Succus dieser Dringlichen Anfrage ist ein interessanter: Heute hat die SPÖ beklagt und bejammert, dass sie in dieser Regierungskonstellation der Zukunft nicht vertreten sein wird. Das war der Succus. Aber, meine Damen und Herren von der SPÖ, es ist in dieser Debatte auch zutage getreten, wo Ihre Defizite liegen. Auf diese möchte ich ein wenig eingehen.

Das erste große Defizit bei Ihnen, meine Damen und Herren von der SPÖ, ist die Frage der Führung. Während Ihr Vorsitzender, Herr Dr. Gusenbauer, noch im Wahlkampf erklärt hat: Beim zweiten Platz die Opposition, das ist so!, hat sich nach der Wahl alles geändert. (Abg. Verzetnitsch: Wie war das bei Ihnen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Warten Sie, Kollegen von den Sozialdemokraten! Das möchte ich ihm zugute halten, dass er nach der Wahl ein Einsehen gehabt hat, dass man verhandeln muss. Aber während er verhandelt hat, hat die zweite Reihe schon den Oppositionsmarsch geblasen, meine Damen und Herren. Das war das Interessante, das offenbar auf die Führungsstruktur Ihrer Partei große Schlüsse zulässt. (Abg. Mag. Mainoni: Chaotisch!)

Wenn ich heute in der APA schon lese, was Frau Burgstaller morgen in „NEWS“ sagen wird, nämlich dass sie sich schon wieder neue Gesichter in der SPÖ-Parteizentrale wünscht, dann kann ich nur sagen: Meine Damen und Herren, das ist der Zustand der SPÖ! Ganz offenbar gibt


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 142

es hier ein Führungsproblem. – Das ist Ihr erstes großes Defizit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das zweite große Defizit – das haben Sie heute auch offen an den Tag gelegt, meine Damen und Herren – ist Ihre Lösungskompetenz. (Zwischenruf der Abg. Binder.) Sie haben uns, wie jetzt Kollege Nürnberger, erfreulicherweise angeboten, dass man über vernünftige Reformen mit Ihnen reden kann. Aber das, was Sie bisher an den Tag gelegt haben, gerade bei der Sicherung der ersten Säule der Pension, um die wir uns bemühen, ist reichlich wenig.

Ich darf es noch einmal in Erinnerung rufen: Im Wahlkampf hat SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer in einer Fernsehdiskussion erklärt, dass die ÖVP in bestehende Pensionen eingreifen möchte. Jedem Pensionisten hat er diesbezüglich einen Brief geschrieben – um nach der Wahl als Erstes vorzuschlagen, dass man eigentlich in bestehende Pensionen eingreifen muss!

Meine Damen und Herren! Ich darf noch dazu in Erinnerung rufen, dass ein Eingriff in bestehende Rechte der Bruch eines Grundsatzes in unserer Republik wäre und dass das, was Sie an Maßnahmen vorgeschlagen haben, ein „Peanut“ wäre und nicht die erste Säule sichern kann. – Meine geschätzten Damen und Herren von der SPÖ, Lösungskompetenz müssen Sie erst beweisen. Das ist ein großes Defizit bei Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf ein drittes großes Defizit erwähnen, das heute auch wieder zutage getreten ist Sie wollen gerne mitregieren, aber Ihnen fehlt es an staatspolitischer Verantwortung. Sie selbst haben die Fragen der Abfangjäger-Nachbeschaffung mitbeschlossen: 1999 im Landesver­teidi­gungsrat, 2000 in einem dann nicht zustande gekommenen Regierungsübereinkommen mit uns, worin diese Frage außer Streit gestellt war. Aber ab dem 4. Februar 2000 waren Sie plötzlich dagegen, und zwar vehement dagegen, bis zum heutigen Tag. Und ich prophezeie: Wären Sie in die Regierung eingetreten, dann wäre es wieder kein Problem gewesen!

Meine Damen und Herren! Staatstragende Elemente, die eine Partei von der Größe der SPÖ haben muss, darf man eben in keiner Weise in Frage stellen, egal, ob man Applaus dafür bekommt oder ob einem der Wind ins Gesicht bläst. Da haben Sie ein großes Defizit, geschätzte Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, und das disqualifiziert Sie auch für Regierungsverhandlungen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte daher mein Resümee aus der heutigen Debatte der Dringlichen Anfrage ziehen: Sie haben beklagt – zumindest habe ich das aus den Worten Ihres Vorsitzenden Alfred Gusen­bauer herausgehört –, dass Sie nicht mit der ÖVP an einem Regierungstisch sitzen werden. Andere in Ihrer Partei mögen das anders sehen. Aber, meine Damen und Herren von der SPÖ, bevor Sie nicht die Führungsfrage eindeutig geklärt haben, bevor Sie nicht Lösungskompetenz beweisen und bevor Sie nicht zu staatstragenden Elementen zurückfinden, werden Sie sich für eine Regierungszusammenarbeit auf Dauer disqualifizieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es tut mir Leid, das heute feststellen zu müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.40



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 143

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stumm­voll. Es ist dies seine zweite Wortmeldung. Die Gesamtredezeit darf 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

17.40


Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren auf der Regierungsbank! Ich möchte zur Rede des Kollegen Nürnberger und auch zu dem, was Herr Kollege Verzetnitsch gesagt hat, Stellung nehmen: Es hat sich herausgestellt, dass meine Wortwahl, bei der Schlussphase der Pensionsreform 1997 habe sich die Parlamentsmehrheit in Geiselhaft der sozialdemokratischen Gewerkschaft befunden, insofern nicht korrekt war, als wir uns in Geiselhaft des ÖGB befunden haben. – Aber auch das möchte ich in Zukunft nicht haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Das ist ja Ihr Problem als freier Abgeordneter!)

17.41


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Anträge wurden keine gestellt, daher können wir gleich zum nächsten Verhandlungsgegenstand übergehen.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 10/AB


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Verhandlungsgegenstand ist eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit mit der Ordnungszahl 10/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist im Sitzungssaal verteilt worden, daher erübrigt sich eine Verlesung durch einen Schriftführer.

Wir gehen in die Debatte ein.

Sie alle kennen die Geschäftsordnung: Kein Redner länger als 5 Minuten, der Erstredner 10 Minuten, eine allfällige Stellungnahme eines Regierungsmitglieds soll ebenfalls nicht länger als 10 Minuten dauern.

Als Erstrednerin erhält Frau Abgeordnete Mag. Lunacek für maximal 10 Minuten das Wort. – Bitte.

17.42


Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Wir ließen heute eine Besprechung der Anfrage an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die GATS-Verhandlungen, die dies­bezügliche Information der Öffentlichkeit und den Inhalt der Forderungslisten sozusagen auf die Tagesordnung stellen, um gerade auf die aktuellen GATS-Verhandlungen näher einzugehen.

Meines Wissens ist es das erste Mal, dass wir dieses Thema hier im Parlamentsplenum besprechen. Es gab einmal eine Diskussion im Unterausschuss des EU-Hauptausschusses, die auch von uns verlangt worden war, aber sonst fände dieses wichtige internationale Abkommen, das derzeit verhandelt wird, in diesem Parlament nicht wirklich einen Widerhall, wenn wir nicht ständig darauf drängten.

Lassen Sie mich zuerst kurz darauf eingehen, was dieses GATS überhaupt ist und was hinter dieser Abkürzung steht. Für die, die sich noch nicht so genau damit befasst haben, ist es vielleicht schwierig zu verstehen, worum es hier eigentlich geht: Es geht um das allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, das im Rahmen der WTO-Gründung 1995 als Rahmenabkommen mitbegründet wurde, und nicht von ungefähr, denn mittlerweile machen Dienstleistungen an die 60 Prozent des globalen Bruttosozialproduktes aus, wobei ein be­trächtlicher Unterschied zwischen Dienstleistungen und deren Anteil am BSP in den OECD-Ländern – ungefähr 65 Prozent – und in Ländern mit niedrigen Einkommen – nur etwa 38 Prozent – besteht. Dienstleistungen beeinflussen das Bruttosozialprodukt also unterschiedlich stark.

Insgesamt machen Dienstleistungen aber erst etwa 20 bis 25 Prozent des gesamten Welt­handels aus. Mit GATS wurde also sozusagen eine Liberalisierungsoffensive gestartet, um das schlummernde Potential dieses Sektors freizusetzen. Sie können den Daten, die ich zuerst genannt habe, dass nämlich in der OECD schon zu 65 Prozent mit Dienstleistungen gehandelt wird, entnehmen, dass vor allem die Industrieländer großen Nutzen daraus ziehen sollen und werden, da, wie bekannt ist, dort die meisten Konzerne verankert sind und diese weitere Märkte suchen.

Einige werden fragen, was denn das Problem dabei sei. – Es gibt mehrere Gründe, und einige davon möchte ich Ihnen hier nennen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 144

Erstens erfüllen einige Dienstleistungen vor allem eine volkswirtschaftliche Querschnittsfunktion und stellen die Basis für mehrere Branchen dar, zum Beispiel Telekommunikation, Internet, elektronischer Handel et cetera.

Sie haben aber auch eine ganz wichtige gesellschaftspolitische Bedeutung im Sinne der Sicherstellung der Daseinsvorsorge, also eine gesellschaftspolitische Bedeutung, die über die ökonomische Funktion hinausgeht, zum Beispiel im Bildungsbereich und im Gesund­heits­bereich, aber auch in den Bereichen der Wasserver- und -entsorgung, Müllentsorgung et cetera.

Ein dritter Punkt, der den Handel mit Dienstleistungen so besonders relevant für die Gesell­schaft macht, ist, dass hier eine besondere Personennähe gegeben ist. Das ist ganz anders als bei Gütern, mit denen gehandelt wird. Bei den Dienstleistungen sind die Menschen, die daran beteiligt sind, so notwendig, und es geht auch um die Menschen, die es dann betrifft, ob sie den Zugang zum Spital, zum Arzt/zur Ärztin, zum Bildungssystem haben, ob die Wasserversorgung funktioniert oder nicht, wenn sie weit entfernt leben und vielleicht nicht so viel Geld haben, es sich leisten zu können.

Dies sind einige Gründe dafür, dass der Handel mit den Dienstleistungen in vielen Ländern, vor allem in Europa, aber auch in einigen Entwicklungsländern, stärker innerstaatlich reguliert ist als der Handel mit Gütern. Und das ist zu Recht so, denn damit wird sozusagen festgehalten, dass der Staat mitbestimmt, dass diese Daseinsvorsorge für alle Menschen in diesem Staat gewährleistet werden kann, dass nicht nur die Interessen einzelner Konzerne, die vor allem gewinnorientiert und nicht vorsorgungsorientiert arbeiten, beachtet werden. (Beifall bei den Grünen.)

Das Problem beim GATS ist auch, dass die Liberalisierungen, die einmal in Kraft getreten sind, nicht mehr – oder fast nicht mehr – rückgängig gemacht werden können. Wenn ein Land draufkommt, dass zu viel liberalisiert wurde, ist eine Umkehr nur mehr möglich, wenn hohe Kompensationszahlungen geleistet werden und gleichzeitig ein anderer Bereich angeboten wird. – Das ist also in der Realität äußerst schwer möglich.

Warum haben wir jetzt die Besprechung dieser Anfragebeantwortung verlangt? – In der Anfragebeantwortung ging es vor allem um die öffentliche Information, um die Information des Parlaments. Es stimmt, was in der Anfragebeantwortung erwähnt wurde, dass mittlerweile einiges an Informationen auch in den Klubs eingelangt ist, aber erst, so behaupte ich, nachdem wir und auch zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen großen Druck gemacht haben, damit eine etwas offenere und öffentlichere Debatte darüber stattfindet, was Österreich und die Euro­päische Union zur Liberalisierung anbieten werden und in welchen Bereichen andere Staaten von uns – von Österreich und von der EU – sozusagen die Öffnung des Dienstleistungssektors wollen.

Herr Minister Bartenstein! In der Sitzung des EU-Unterausschusses am 27. Jänner haben Sie – ich zitiere aus Ihrer eigenen Aussendung von damals – gesagt, für betroffene Ressorts und Sozialpartner fänden regelmäßig Koordinierungssitzungen im Wirtschaftsministerium statt, eben­so regelmäßig würden Informationsveranstaltungen sowohl für die Parlamentsklubs als auch für NGOs veranstaltet. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Herr Minister! Genau da sehen wir schon das große Problem: Für die Ressorts und sogar für die Sozialpartner gibt es Koordinierungssitzungen, mit dem Parlament gibt es Informations­veranstaltungen  –  Sektionschef Mayer ist sehr bemüht, auch die Abgeordneten zu informieren –, aber im Parlament die Inhalte zu debattieren und im demokratisch gewählten Nationalrat darüber zu entscheiden, was Österreich anbieten soll und was die österreichische Bundes­regierung in der Europäischen Kommission vertreten soll, was die EU anbieten oder eben nicht anbieten soll, das ist bisher nicht geschehen. Herr Minister! Wir fordern diese Debatte ein. (Bei­fall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 145

Sie schreiben in Ihrer Anfragebeantwortung auch, dass die Forderungslisten von der Euro­päischen Kommission auf Basis ihrer Kontakte zur Öffentlichkeit, zur europäischen Dienst­leistungsindustrie und so weiter, konzipiert wurden. Wissen Sie, wie diese „Kontakte zur Öf­fentlichkeit“ ausgesehen haben? – Kommissar Lamy hat im November oder Dezember dazu aufgerufen, dass Anregungen per Mail oder per Post an die Kommission geschickt werden sollen, und danach hat die Kommission entschieden, was in die Forderungslisten aufgenommen wird und was nicht.

Die Einbindung der Öffentlichkeit stelle ich mir aber etwas anders vor, als dass einfach Mails geschickt werden und dann entschieden wird, was hineinkommt und was nicht. Das ist nicht die Art und Weise, wie öffentlich informiert werden soll, Herr Minister!

Sie geben in Ihrer Anfragebeantwortung auch bekannt, Sie hätten durchgesetzt, dass die EU den Zugang zu der Ressource Wasser, die Privatisierung der Wasserversorgung, den grenz­überschreitenden Transport von Wasser, explizit ausnehmen soll, dass das auch tatsächlich so sein wird.  Das mag stimmen, aber wissen Sie, was andererseits mittlerweile passiert ist? – Die EU hat zwar gesagt, für den eigenen Bereich werde sie das nicht anbieten, sie möchte aber ihrerseits diese Liberalisierung von den Entwicklungsländern, die sollen liberalisieren.

Im britischen „Guardian“ stand erst vor wenigen Tagen, die EU verlange zum Beispiel, dass Bolivien ausländische Wasserfirmen und -konzerne ins Land lassen soll – ein Land, in dessen größter Stadt es erst vor kurzem einen öffentlichen Aufruhr und Widerstand gegeben hat, da dort die Wasserpreise um 200 Prozent gestiegen sind, weil dort schon eine ausländische Firma war; eines der ärmsten Länder der Welt, Herr Minister!

Das verlangt die EU jetzt von zahlreichen Ländern! Und da sagen Sie uns, Sie wollen das nicht im Parlament diskutieren und Sie schließen sich allem an, was die Europäische Kommission vorhat?

Herr Minister! Sie bekommen diesbezüglich nicht nur von Seiten der Grünen Kritik. Sie erhalten sie auch in Ihren eigenen Reihen. Erst letzte Woche stand in der Wiener Stadtzeitung „Falter“ ein langer Artikel über Engerwitzdorf in Oberösterreich, wo der ÖVP-Bürgermeister dieses Ortes den Aufruf der „Stoppt GATS“-Kampagne mit unterzeichnet und an Sie geschickt hat. Er sagt nämlich: Wir Gemeindepolitiker haben eben das Ohr dort, wo man hört, was die Bürger denken.

Herr Minister! Sie und andere sagen immer: Keine Panikmache, es ist alles in Ordnung, wir tun eh nichts, was die Daseinsvorsorge irgendwie in Gefahr bringen könnte! – Herr Minister! Wenn es tatsächlich so ist, dann machen Sie es öffentlich! Diskutieren Sie öffentlich hier im Parla­ment darüber! Dann sollen die Entscheidungen hier getroffen werden und nicht einfach von der Europäischen Kommission ohne Einbindung der Parlamente. Diese Entscheidungen haben hier stattzufinden, denn sie betreffen die Menschen in diesem Land, in der EU und auch in anderen Ländern der Welt. Diese Einbindung fordern wir! (Beifall bei den Grünen.)

17.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

17.53


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Lunacek, Ihre einleitenden Sätze waren aus meiner Sicht in vielem eine klare Befürwortung von GATS und dem Interesse Österreichs, aber auch dem Interesse der Entwicklungsländer, Dienstleistungen weiter zu liberalisieren. (Abg. Mag. Lunacek: Das interpretieren aber Sie!)

Sie haben gesagt, dass in den OECD-Ländern – und Österreich liegt diesbezüglich ziemlich genau im Schnitt – 65 Prozent des Bruttoinlandsproduktes mit Dienstleistungen erwirtschaftet werden, in den Entwicklungsländern aber erst 38 Prozent. Es ist natürlich die Liberalisierung von Dienst­leistungen im Sinne von GATS auch ein Weg, den Dienstleistungsanteil und damit die Wert­schöpfung in Entwicklungsländern zu erhöhen. Genau das ist ja ein Grund dafür, dass


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 146

durch GATS weiter liberalisiert werden soll, dass es eine zweite Stufe geben soll und dass das im Rahmen der Entwicklungsrunde von Doha, der Doha Development Round, im Rahmen der zweiten WTO-Runde geschehen soll.

Sie sagen selbst, es gibt ein schlummerndes Potential. Wir wollen das heben, im Interesse der Österreicher, aber auch im Interesse der Entwicklungsländer, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Lunacek: Doch nicht in der öffentlichen Daseinsvorsorge!)

Lassen Sie mich zuerst zum Interesse Österreichs etwas sagen: 65 Prozent Dienstleistungs­anteil am Bruttoinlandsprodukt. Wir sind einer der weltweit führenden Dienstleistungsexpor­teure, haben einen Weltmarktanteil von 2,1 Prozent und liegen an 13. Stelle. Obwohl wir ein sehr erfolgreiches Exportland sind, haben wir im Warengüterexport lediglich 1 Prozent Markt­anteil und sind hier an 24. Stelle. Im Dienstleistungsbereich wird bereits ein Volumen von 37 Milliarden € abgewickelt, und das ist stark im Steigen begriffen, wie Sie, Frau Abgeordnete Lunacek, auch indirekt konzediert haben.

Ich sage es ganz deutlich: Es ist in unserem eigenen Interesse, GATS zu betreiben, nein zu „Stopp GATS“ zu sagen und diese Liberalisierung voranzubringen, so, wie es auch im Interesse der Entwicklungsländer ist. (Abg. Mag. Lunacek: Das ist vielleicht in Ihrem Interesse, aber nicht im Interesse ...!)

Die Kompetenzverteilung innerhalb der Europäischen Union zu hinterfragen, ist legitim, aber nicht sehr dienlich, weil die Kommission in Außenhandelsfragen und damit auch in GATS-Fragen kompetent und damit federführend ist. Österreich ist, so wie alle anderen Mitglied­staaten, im Wege des Artikel-133-Ausschusses voll eingebunden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich nehmen wir unsere Interessen wahr. Wir legen Wert darauf, dass es keine Angebote seitens Österreichs oder seitens der Europäischen Union im Bereich Bildung, Gesundheit, Audio oder Video gibt. Auch was die Wasserversorgung anlangt, gibt es kein GATS-Angebot im Rahmen der zuletzt gemachten Angebote der Euro­päischen Union, offiziell per Ende März in Genf auf den Tisch gelegt, inoffiziell über NGOs schon längst im Licht der Internet-Öffentlichkeit.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Lunacek! Dass Sie die Wasserversorgung in einem Atemzug mit der Abwasserentsorgung nennen und sagen, auch bei der Abwasserentsorgung und bei der Müllentsorgung dürfe es nichts geben, verstehe ich nicht. Ich denke, das ist ein Bereich, in dem in Österreich vieles auch auf Grund von Deregulierungsmaßnahmen relativ günstig ist und gut funktioniert. Im Regelfall sind es in Österreich inländische und keine ausländischen Unter­nehmen, die hier zum Einsatz kommen, aber das wäre wohl auch nicht das Problem. (Zwi­schenruf des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber.)

GATS ist kein Abkommen, das ausdrücklich auf Reziprozität abstellt. GATS ist kein Abkommen, das Deregulierung oder gar Privatisierung fordert, sondern lediglich Inländer-Gleichbehandlung und den Marktzugang und dessen Öffnung. Transparenz und Nicht-Diskriminierung sind die Prinzipien von GATS.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Lunacek! Es waren wohl auch deswegen vier Parteien, die vor knapp einem Jahrzehnt GATS hier im Hohen Hause die Zustimmung gegeben haben. (Abg. Mag. Lunacek: Welche? Nicht die Grünen!)

Zur Transparenz meines Hauses kann ich Ihnen versichern, dass wir das EU-Mitgliedsland sind, das die gegebenen Möglichkeiten im Sinne der Informationsweitergabe an das Parlament, an NGOs weitestgehend ausnützt. Dass es hier eine Abstufung zwischen einer interministe­riellen Koordination und der Information der Bürgergesellschaft gibt, ist selbstverständlich und nicht nur auf GATS beschränkt.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es hat nicht erst, seitdem irgendjemand Druck ausgeübt hat, Informationsveranstaltungen des von Ihnen ja auch geschätzten Sektionschefs Mayer gegeben, sondern seit Oktober 2001 gab es insgesamt sechs informative Veranstaltungen, zu denen


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 147

Abgeordnete oder Parlamentsklubs eingeladen wurden. (Abg. Mag. Lunacek: Es geht um die Mitentscheidung des Parlaments!) Ich darf der grünen Fraktion konzedieren, dass sie diejenige war, die diese Einladungen am öftesten wahrgenommen hat.

Ich darf weiters anführen, dass das Parlament in hohem Ausmaß informiert wurde, im wahrsten Sinne des Wortes, weil die Stapel der übermittelten Papiere erhebliche Höhen erreicht haben. (Abg. Öllinger: Entscheiden können wir nicht!) Ich weiß das, aber so ist das mit viel Papier.

Es sind die Forderungslisten der Europäischen Union an nicht weniger als 109 WTO-Mitglied­staaten am 20. Juni 2002 dem Parlament übermittelt worden, die endgültigen Forde­rungslisten dann am 20. Juli des Jahres 2002. (Abg. Mag. Lunacek: Herr Minister! Es geht um die Mitent­scheidung!)

Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es wurden die Forderungslisten der WTO-Mitgliedstaaten an die Europäische Union dem Parlament in fünf Sendungen übermittelt. Bislang liegen Forde­rungen von 26 WTO-Mitgliedsländern vor.

Was den Entwurf des Angebotes der Europäischen Union anlangt – das war die Diskussion der letzten Wochen –, wurde uns diese Entwurfsliste von der Europäischen Kommission am 6. Februar dieses Jahres übermittelt. Wir haben sie bereits am 7. Februar weitergeleitet. – Schneller geht es fürwahr nicht!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus meiner Sicht erfolgte also die maximal mögliche Einbindung des Parlaments und der NGOs in diesem Lande, die Ausnutzung aller Möglich­keiten, die die Vertraulichkeitsgebote zulassen – Vertraulichkeitsgebote, die letztlich auch dazu dienen, dass die Europäische Union auf der Ebene der WTO geschlossen auftreten kann. Da braucht es zuerst eine interne Koordination (Abg. Öllinger: Nicht die Vertraulichkeit!), bevor die Europäische Union in Genf oder in Doha oder dann in Cancún nach außen mit einer Stimme auftreten kann und damit das Maximum für sich und ihre Mitgliedstaaten, ihre Bürger heraus­holen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich schließe mit der Feststellung: GATS – nämlich  GATS richtig gemacht – ist im Interes­se dieses Landes, GATS ist im Interesse seiner Bürger, sei­ner Wirtschaft, seiner Arbeitsplätze. Das heißt, wir wollen jene Bereiche, in denen es nicht not­wendig ist, in denen es das nicht braucht, nicht öffnen. Ich warne aber davor, GATS zu einem Fetisch hochzustilisieren. Ich warne davor, dass all diejenigen, die in Wirklichkeit kontra Privatisierung, kontra Globa­lisierung sind, jetzt GATS dafür heranziehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren – und da blicke ich vor allem nach links! Tun wir nicht so, als ob Bildung, als ob Gesundheit in diesem Land ausschließlich öffentlich bereitgestellt wür­den. Nein! Gott sei Dank gibt es private Bildungsinstitutionen, Gott sei Dank gibt es private Gesundheitsinstitutionen, und das Nebeneinander von privat und öffentlich funktioniert in diesem Bereich sehr gut, und so soll es bleiben. – Danke, Herr Präsident.

18.01


Präsident Dr. Heinz Fischer (wieder den Vorsitz übernehmend): Bitte, Herr Minister! – Und danke.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

18.01


Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt auch in diesem Jahr ein neues Wort, das dazu herhalten muss, um Diskussionen bis in die Klassen an den Schulen zu tragen, und dieses Wort heißt GATS. Im Vorjahr haben wir Basel II mit wesentlich mehr Inhalt und mit wesentlich mehr Be­rechtigung diskutiert. Jetzt wird dieses Wort „GATS“ dazu verwendet, eine Fetischdiskussion herbeizuführen, die meines Erachtens nicht berechtigt ist, wenn man den Prozess anschaut, der eingeleitet wurde. (Abg. Dr. Lichtenberger: Für Sie ist das ein Fetisch!)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 148

Frau Lunacek! Wenn Sie sagen, das Ganze sei hauptsächlich im Interesse der großen Kon­zerne, die Gewinne maximieren wollten, dann vergessen Sie, dass das bei der 4. WTO-Kon­ferenz – Sie haben die Ministerkonferenz in Doha ja erwähnt – von 145 Staaten beschlossen worden ist und dass zwei Drittel der Teilnehmer aus Entwicklungsländern kamen. Es ist selbst­verständlich, dass die Möglichkeit, zu liberalisieren, den Entwicklungsländern eigentlich Nutzen bringen sollte, wie das auch eine Studie der Weltbank darstellt. (Abg. Öllinger: Sollte!) Denn wenn nichts getan wird, wenn es dort keine Chancengleichheit gibt, dann werden diese Länder niemals in Richtung jenes Standards im Dienstleistungsbereich aufholen, den andere Länder bereits erreicht haben. Daher war es durchaus im Interesse der Entwicklungsstaaten, dass diese Verhandlungen aufgenommen wurden.

An sich ist das Thema sicherlich ein sensibles Thema, und demgemäß sollte eigentlich auch vor­gegangen werden. Stattdessen können wir im Internet und sogar in diversen Schulklassen beobachten, dass behauptet wird, dies sei der falsche Ansatz, es handle sich dabei um eine Gefährdung der Demokratie, und die gesamte Daseinsvorsorge wäre in Gefahr, weil Ge­sundheit, Pensionen, Bildung, Wasserversorgung, Post und Strom liberalisiert oder, wie auch noch gesagt wird, privatisiert würden.

In den GATS-Verhandlungen kommt Privatisierung jedoch gar nicht vor. Es gibt nämlich die Mög­lichkeit, das eigene Angebot so zu erstellen, dass all diese sensiblen Bereiche aus­genommen werden, und genau das ist auch geschehen. Es besteht zudem auch überhaupt keine Verpflichtung zur Privatisierung in diesen Bereichen. Und weil es eben nicht reziprok konzipiert ist, hat man im nationalen Bereich alle Möglichkeiten zu Auflagen auf dem Gebiet der Tarife, der Preise und der Versorgungsqualität einzufordern, und das ist dann auch so abzu­wickeln. Das heißt: Sie haben hier im innerstaatlichen Bereich all diese Möglichkeiten, niemand kann Ihnen etwas dringend empfehlen oder gar oktroyieren.

Es hätte also sehr wohl Möglichkeiten der Einflussnahme gegeben. Daher verstehe ich auch nicht, dass diesbezüglich sehr überzogen vorgegangen wird und dass der Eindruck erweckt wird – Herr Präsident Verzetnitsch, auch Sie spreche ich an! –, dass man GATS jetzt noch stoppen könnte. Die Gewerkschaft beteiligt sich so wie viele andere an der Kampagne „Stopp GATS!“. Man sollte sich wirklich fragen, was denn dahinter steht, wenn man das fordert.

Ein laufender Prozess, von dem 145 Länder der Meinung waren, dass im Großen und Ganzen etwas Positives dabei herauskommen würde, sollte doch eigentlich nicht gestört und nicht unter­­brochen werden. Außerdem würden wir uns innerhalb der EU unsolidarisch verhalten, würden wir uns als einzelnes Land ausklinken, und das noch dazu, ohne dass überhaupt schon Ergebnisse vorliegen. Man muss nämlich auch sehen, dass das, was bisher war, eigent­lich nur Vorverhandlungen waren. Bis zum 31. März wird die endgültige Angebotsliste erstellt werden. Es besteht also auch noch die Möglichkeit, dass sich das österreichische Parlament einschaltet.

In der Anfragebeantwortung seitens des Ministeriums ist dokumentiert, wie das gelaufen ist, dass es verschiedenste Möglichkeiten gegeben hätte – und sie sind teilweise auch wahrge­nommen worden –, sich einzubringen. Im Endeffekt haben die Sozialpartner wie bei anderen Artikel-133-Verfahren diese Möglichkeit auch genutzt und entsprechende Stellungnahmen abgegeben. Es ist das etwas ganz Normales und nichts Ungewöhnliches. Daher verstehe ich auch überhaupt nicht, warum man jetzt, bevor der Abschluss der ganzen Angelegenheit erreicht ist, auf einmal „Stopp GATS!“ als Parole ausgibt.

Im Übrigen ist die Transparenz eines Prozesses nicht mit der öffentlichen Resonanz gleich­zusetzen. Meine Position ist: Dieser Prozess ist hervorragend dokumentiert, wie das auch jetzt gerade in der Anfragebeantwortung vorgetragen wurde, und transparent und offen abgelaufen. Er hat nicht die Öffentlichkeit gehabt, die Sie sich gewünscht haben.

Meine Damen und Herren! Ich meine, man kann das auch jetzt noch in der Öffentlichkeit durch­aus seriös diskutieren. Ich halte aber absolut nichts davon, wenn man Gespenster, Angst­pa­rolen oder Sonstiges an die Wand malt. Das haben Schulklassen, das hat die Katholische Jung-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 149

schar und wer auch immer nicht verdient. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Sollen jetzt alle aus der ÖVP austreten, die in der Katholischen Jungschar sind?)

18.06


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Moser. – Bitte.

18.06


Abgeordneter Mag. Hans Moser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf die Ausführungen meines Vorredners eingehen. Es war kein Zufall, dass in den letzten beiden Jahren zwei Themen die Diskussion be­stimmt haben: Basel II und GATS. Es gibt hiebei nämlich auch ein fundamentales Demo­kratieproblem: Auf der einen Seite gibt es Weltregeln, an deren Zustandekommen sich viele Länder beteiligen, und auf der anderen Seite gibt es die ganz konkrete regionale und nationale Betroffenheit. Das umschreibt ein Spannungsfeld, dass zu Unsicherheiten führt.

Nun aber generell zum GATS: Warum ist GATS für uns so wichtig? Die Zahlen wurden bereits genannt: Gerade in Österreich ist der Anteil des Dienstleistungsbereichs am BIP sehr hoch, wozu der Fremdenverkehr wesentlich beiträgt. Zudem wächst dieser Bereich und ist damit auch für die Zukunft des Landes ein Faktor von zunehmender Bedeutung.

Die Zeitachse wurde zuvor bereits angesprochen: Die EU muss die Angebotsliste bis 31. März dieses Jahres fertig stellen. Es gibt jetzt also noch die Chance, Punkte hineinzubringen, und diese sollten wir auch nützen. Dies ist besonders wichtig, weil es äußerst schwierig sein wird, die Liberalisierung einmal liberalisierter Bereiche wieder zurückzunehmen. Gerade weil dieser Prozess so komplex ist, weil eine so große Betroffenheit vieler Sektoren gegeben ist, weil die Ergebnisse der Verhandlungen ungewiss sind und weil die Auswirkungen der Verhand­lungs­ergebnisse auf unser Land nicht bekannt sind, kann die Transparenz nicht groß genug sein. Transparenz kann auch Ängste nehmen, denn wenn die Leute gut informiert werden, wenn sie bereits im Vorfeld gut eingebunden werden, dann können viele Ängste ausgeräumt wer­den, und dadurch kann man den Prozess auch besser durchbringen. Diese Transparenz war zumindest nicht überall so gegeben, wie es hier geschildert wurde. Es gibt in dieser Hinsicht Nach­holbedarf, und dies obwohl – das muss ich zugeben – die ministeriellen Auskünfte sehr gut sind: Man ist sehr kulant und man bekommt sehr gute Informationen zugeschickt.

Es ist aber auch deshalb so wichtig, im Parlament, in diesem Haus diese Frage intensiv zu dis­kutieren, weil dann der Verhandlungsführende der österreichischen Bundesregierung gestärkt in die Verhandlung gehen kann, da er den Großteil der Leute hinter sich weiß. Aus der jetzt vor­liegenden Liste ist zu entnehmen, dass die Bereiche Gesundheit, Soziales, Wasserversorgung, Bildungsdienstleistung, audiovisuelle Dienstleistung und der „mode 4“-Bereich zum Teil heraus­genommen worden sind. Wir wissen aber auch, dass es viele EU-Länder wie zum Beispiel Frankreich gibt, das massiv darauf drängt, dass die Wasserversorgung wieder in die Liste kommt. Ähnliches gilt für den Bereich Bildung, den England und Holland wieder in die Liste hineinzureklamieren versuchen.

Daher ist es sehr wichtig, unseren Verhandlungsführenden aufzufordern, genau in diesen Punkten sehr hart zu bleiben. Das Gleiche gilt für den Bereich Daseinsvorsorge. Auch hier, wo wir einen horizontalen Vorbehalt an public utilities formuliert haben, gilt es, dafür zu sorgen, dass dieser Vorbehalt aufrecht bleibt, denn nur so wird dieser große Bereich, der viele Tausen­de Beschäftigte umfasst, entsprechend berücksichtigt. Es stellt sich hier gar nicht die Frage, ob das privat oder nicht privat sein soll.

Ganz wichtig ist auch noch der „mode 4“-Bereich: Man muss sehr aufpassen beim grenz­über­schrei­tenden Personenverkehr. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Aufpassen auf die Inter­es­sen der Entwicklungsländer! Das wollen sie nämlich!) Hier droht die Gefahr, dass durch Gründung von Scheinfirmen sozialrechtliche, arbeitsrechtliche und andere Verpflichtungen, die in Öster­reich gelten, unterlaufen werden.

Von unserer Regierung und insbesondere vom Herrn Minister möchte ich in diesem Zusam­menhang wissenschaftliche Grundlagen einfordern. Ich kenne keine Studien über Auswirkun-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 150

gen der bisherigen Liberalisierungsschritte. Ich meine, dass das für die Wissensvermittlung, aber auch für die Aufklärung wesentlich wäre, sodass wir weniger Angst haben müssen. Wenn wir auch Studien über Zukunftsszenarien vergeben würden, dann könnten wir wesentlich aggres­si­ver und offensiver an die Problemlösung herangehen. Ich fordere Sie daher auf, solche Stu­dien zu initiieren und dann auch für Transparenz zu sorgen, damit Angst erst gar nicht entsteht und nicht so viel Nacharbeit zur Klärung von Fragen notwendig wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.12


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

18.12


Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich stelle fest, dass diese An­fragebesprechung nicht wirklich die mittlerweile ja beantworteten Fragen betroffen hat. Es ist also nicht so, dass die Fragen, die an den Herrn Bundesminister gerichtet worden waren, unzu­reichend beantwortet worden wären, zumindest schließe ich das aus den Ausführungen der Kol­le­­gin Lunacek so, die halt ihre Bedenken angemeldet und ihre Sichtweise dargelegt hat. Ich stelle weiters fest, dass die Informationen, die es zu GATS gab, meiner Meinung nach im Rahmen der Möglichkeiten Transparenz durchaus hergestellt haben. Ich stelle auch fest, dass es Informationen seitens des Ministeriums an die Parlamentsklubs gegeben hat und dass das Ministerium auch auf kritische Fragen, die gestellt wurden, keine Antwort schuldig geblieben ist. Zugegebenermaßen gibt es aber Ängste in den verschiedensten Bereichen.

Festzuhalten bleibt, dass es seitens der Republik Österreich im Rahmen des Informations­verfahrens der Europäischen Union keine Forderungen gegeben hat. Ich bin sehr froh darüber, dass es gerade in sensiblen Bereichen wie der Wasserversorgung im Hinblick auf den Zugang zu den Ressourcen, die Frage der Privatisierung der Wasserversorgung und auch, was den grenzüberschreitenden Transport von Wasser anbelangt, die ganz klare Ansage gibt, dass das explizit ausgenommen bleibt. Zwar lässt sich der Vergleich mit der Liberalisierung im Bereich Strom beziehungsweise Elektrizitätswirtschaft durchaus anstellen, aber die Dienstleistung als solche ist eben nicht vergleichbar, weil es bei elektrischen Leitungen keine Kontaminationen oder Ausbreitung von Verunreinigungen geben kann und Unzulänglichkeiten in der Versorgung technisch beherrschbar sind. Das ist bei der Wasserversorgung sicherlich anders.

Wesentlich erscheint mir die Angebotsliste. Und hier gibt es von Seiten Österreichs – so mein Informationsstand – keine Angebote, wohl aber eine Liste von Angeboten, die uns mittlerweile übermittelt wurde. Es stellt sich die Frage, ob hievon sensible Bereiche wie Wasser, Gesund­heit, Bildung oder öffentlicher Nahverkehr betroffen sind. Meines Wissens ist das nicht der Fall. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, die Frage an den Herrn Bundesminister zu stellen, ob bis zu den Verhandlungen oder im Zuge des weiteren Verfahrens diese Angebotsliste noch eine Erweiterung erfahren kann, ob das praktisch oder zumindest theoretisch möglich wäre.

Ich darf mich an dieser Stelle ausdrücklich für die – ich bezeichne es einmal so – freiwilligen Informationen, die seitens des Wirtschaftsministeriums durch Herrn Sektionschef Mayer gege­ben wurden, bedanken. Als Teilnehmer derartiger Informationsveranstaltungen weiß ich, dass sich Sektionschef Mayer nicht davor gedrückt hat, Informationen weiterzugeben, und ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass er in irgendeiner Form Informationen an die Parlaments­klubs schuldig geblieben wäre. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.16


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste und letzte Rednerin dazu gelangt Frau Abgeordnete Sburny zu Wort. – Bitte.

18.16


Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die Antwort von Herrn Minister Bartenstein auf die Anfrage der Grünen betreffend die


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 151

öffentliche Information zu den GATS-Verhandlungen ist aus meiner Sicht symptomatisch für den Umgang mit Informationen zu diesem Thema insgesamt.

Herr Bundesminister! Sie haben uns mitgeteilt, wann Sie welche Informationen an das Parla­ment weitergeleitet haben und wo wir uns im Internet informieren können. Wir haben das gefun­den, wir haben das auch getan. Faktum ist aber, dass es sich bei all diesen Infor­mationen selbst­verständlich nur um diejenigen handelt, die uns von der EU-Kommission sozu­sagen zugestanden werden. Das heißt, es handelt sich nur um einen Teil der Informationen.

Ich möchte an drei Beispielen aufzeigen, was an dieser Geheimhaltungspolitik problematisch ist: So sind uns zwar die Forderungen der WTO-Mitgliedstaaten an die EU mittlerweile bekannt, allerdings mit zwei bedeutsamen Ausnahmen, nämlich USA und Australien. Die Forderungen dieser beiden Staaten sind so geheim, dass sie nicht einmal die ParlamentarierInnen sehen dürfen. Das heißt, niemand von uns weiß, welche Forderungen diese zwei Länder an die EU gestellt haben.

Zweitens: Die Informationen, die wir erhalten, so auch die letzte vom 7. Februar, also die vor­läufige Angebotsliste, sind streng geheim, sind vertraulich. Das bedeutet aber auch, dass wir sie eigentlich nicht weitergeben dürfen. Wie soll dann aber die Öffentlichkeit über diese Vorgänge informiert werden, wenn wir im Parlament nur vertrauliche Unterlagen bekommen?

Drittens: So richtig vertrauensbildend ist auch diese Angelegenheit rund um die EU-Kommission und den Wasserliberalisierungsforderungen an die Entwicklungsländer nicht. Es war nämlich so, dass die EU-Kommission noch im Herbst behauptet hat, dass sie keine Liberalisierungsfor­derun­gen an Entwicklungsländer stellen wird. Mittlerweile ist durch eine Indiskretion bekannt geworden, dass es doch Liberalisierungsforderungen gibt. Das heißt, die Frage nach den Grün­den für diese Geheimhaltungspolitik ist berechtigt. Was soll damit verhindert werden? Welche Diskus­sion soll damit verhindert werden? Unserer Meinung nach hat die Bevölkerung ein Recht, darüber informiert zu werden und auch darüber zu diskutieren, welche Liberalisie­rungs­schritte von Österreich und der EU getan werden sollen.

Warum sich das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in Österreich nicht besonders dafür einsetzt, dass auch innerhalb der EU diese Geheimhaltung aufgehoben wird, haben wir heute vom Herrn Bundesminister teilweise schon gehört. Er ist nämlich der Meinung, dass diese GATS-Liberalisierungsschritte für Österreich absolut positiv wären. Er hat in einer Anfrage­be­ant­wortung bereits einmal festgestellt, dass es sich beim GATS prinzipiell um ein „ausge­wo­genes Abkommen“ handelt, „das den unterschiedlichen sozialen, rechtlichen und wirtschaft­li­chen Gegebenheiten in den einzelnen Staaten Rechnung trägt“. Ebenso hat der Herr Bundes­minister in dieser Anfragebeantwortung festgestellt, dass ja niemand die Mitgliedstaaten zur Liberalisierung zwingen könne. Das ist ein rein formeller beziehungsweise formalrechtlicher Stand­punkt, der sozusagen die momentanen rechtlichen Gegebenheiten widerspiegelt. Faktum ist aber auch, dass dieser Standpunkt jegliche Interessenungleichheit, jegliche Dynamik in den Verhandlungen völlig ignoriert.

Wir wissen nach wie vor nicht, was in Cancún im Herbst verhandelt werden wird. Wir haben jetzt zumindest einen Teil der Angebote. Wir wissen aber zum Beispiel noch überhaupt nicht, wie das in anderen Ländern ausschaut, was dort gewünscht wird oder nicht.

Wenn das österreichische Parlament gewisse Bereiche selbst ratifizieren muss, was zum Teil notwendig sein wird, etwa im Bereich der Gesundheit und der Bildung, dann sollte die öffent­liche Diskussion darüber meiner Meinung nach vorher stattfinden. (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt, bei einer derartigen Anfragebeantwortung sind nicht Teilantworten und Hinweise darauf, wo man sich allenfalls auch noch informieren könnte, von Interesse, sondern voll­ständige Informationen, welche in der Öffentlichkeit auch diskutiert werden können, um zu einer demokratischen Entscheidung zu kommen. Das beinhaltet unter Umständen auch, dass man sich auf EU-Ebene dafür einsetzt, dass diese Geheimhaltungspolitik endlich beendet wird.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 152

In diesem Sinn sind die Antworten des Herrn Bundesministers aus unserer Sicht unzureichend, und ich beantrage die Nichtzurkenntnisnahme der Anfragebeantwortung. (Beifall bei den Grünen.)

18.22


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Es wurde der Antrag gestellt, die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

6. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 geändert wird (20/A)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir setzen nun in der Tagesordnung fort und gelangen zum 6. Punkt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.

18.23


Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! – Es ist kein Minister zu begrüßen. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe namens der grünen Fraktion in der ersten Sitzung des Nationalrates im Dezember einen Initiativantrag eingebracht, der, in einem Satz zusammengefasst, zum Inhalt hat, dass die so genannte Integrationsvereinbarung, welche die blau-schwarze Bundesregierung letztes Jahr beschlossen hat und die mit 1. Jänner dieses Jahres in Kraft getreten ist, hinsichtlich ihrer besonders negativen Auswirkungen wieder zurückgenommen wird.

Diese so genannte Integrationsvereinbarung weist mehrere Merkmale eines unsinnigen, weil zutiefst falschen Weges integrationspolitischer Maßnahmen in Österreich auf. Ein Beispiel dafür ist die Frage der Zwangsverpflichtung zum Erlernen der deutschen Sprache und von Staats­bürgerkunde. Daran knüpfen Sanktionen an, die in ihrer Drastik nicht mehr zu überbieten sind, wie etwa die Ausweisung von ImmigrantInnen aus dem Land. – Diese drastischsten Teile der Änderung des Fremdengesetzes des letzten Jahres wollen wir korrigiert wissen.

Meine Damen und Herren! In dem Antrag ist nicht nur die Streichung von bestimmten Paragraphen vorgesehen, sondern er beinhaltet in erster Linie eine echte Richtungsänderung im Zusammenhang mit Integrationspolitik in Österreich. Wir halten in diesem Antrag dezidiert fest:

„Ausländische Staatsangehörige, die sich auf Dauer in Österreich niederlassen, werden von Bund und Ländern durch das Angebot von freiwilligen Deutschsprachkursen bei ihrer sprach­lichen und gesellschaftlichen Integration unterstützt.“

Unser Grundverständnis von integrationspolitischen Maßnahmen ist, dass Bund und Länder Angebote in ausreichendem Maß und zu Konditionen zur Verfügung stellen, die es Zuwan­derinnen und Zuwanderern ermöglichen, sie auch wirklich in Anspruch zu nehmen – also kosten­günstige Angebote.

Deshalb beinhaltet dieser Antrag Maßnahmen in die Richtung – ich fasse das kurz zusam­men –, dass es Anreiz statt Sanktion geben soll, wenn es um Angebote zur Integration geht.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 153

Bei dem so genannten Integrationsvertrag beziehungsweise der Integrationsvereinbarung, welche jetzt schon seit fast zwei Monaten gilt, handelt es sich um ein Diktat zur vermeintlichen gesellschaftlichen Integration, dem Neuzuwanderer ausgesetzt sind. Für uns geht jedoch ge­sellschaftliche Integration weit über Spracherwerb hinaus. Wenn eine Zuwanderergesellschaft – und wir sind eine solche – tatsächlich Interesse daran hat, dass sich die Zuwanderinnen und Zuwanderer in unserem Land integrieren, dann bedeutet Integration eine Integration in den Arbeitsmarkt, rechtliche und soziale Gleichstellung von Zuwanderinnen und Zuwanderern sowie gesellschaftliche Partizipation und vor allem politische Mitbestimmungsrechte. All das muss natürlich gesetzliche Grundlagen haben, damit es dann auch in die Realität umgesetzt werden kann.

Bedauerlicherweise und völlig kontraproduktiv für das Ansinnen der Integration von Zuwande­rinnen und Zuwanderern wurde in Österreich der Weg des Zwangs, des Diktats, der Des­integration gewählt. Ich hoffe, dass es im Innenausschuss des Nationalrates schon sehr bald Ge­legenheit geben wird, über diesen Initiativantrag zu diskutieren, vor allem auch über die ersten Erfahrungen, die es mit den vorgesehenen Maßnahmen schon gibt. Unser Antrag baut auf die Freiwilligkeit bei der sprachlichen und gesellschaftlichen Integration bei ausreichenden und günstigen Angeboten für Deutschkurse auf. Es ist uns dabei wichtig, festzustellen, dass es uns darum geht, dass diese Sanktionen gegen künftige Zuwanderinnen und Zu­wanderer, vor allem aber gegen jene, die schon hier sind – denn diese Sanktionen und Drohun­gen wenden sich in erster Linie gegen Zuwanderinnen und Zuwanderer, die bereits im Land sind und ihren Lebensmittelpunkt bereits nach Österreich verlegt haben, weshalb die drohen­den Auswirkun­gen dieses Gesetzes auch so sehr und so drastisch in das Leben jedes Einzelnen, in das Familienleben und das gesellschaftliche Leben eingreifen –, schlicht und einfach aus dem österrei­chischen Fremdengesetz eliminiert werden müssen!

Mit der Einbringung dieses Initiativantrages haben die Grünen bereits in der ersten Sitzung des Nationalrates einen ersten Schritt in diese Richtung gesetzt, und ich hoffe, dass dieser Antrag nach der Diskussion im Innenausschuss auch Ihre Zustimmung finden wird! Ich hoffe das nicht nur, sondern ich bin überzeugt davon, denn das ist eine Frage von Vernunft, von logischem Denken und von gutem Willen im Sinne einer gesellschaftlichen Situation in Österreich, in welcher integrierend mit Zuwanderern umgegangen wird und diese nicht ausgegrenzt werden, so wie das die Politik der schwarz-blauen Regierung in der Vergangenheit war und – und da droht ja Böses! – auch zu werden scheint. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

18.29


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. Die Uhr ist auf 6 Minuten gestellt. – Bitte.

18.29


Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Liebe Kollegin Stoisits, ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen im Innen­ausschuss, weil ich in Wirklichkeit Ihre Argumentation und vor allem die Argu­mentation der Grünen nicht verstehe.

Frau Kollegin Stoisits, seit mindestens 20 Jahren reden und diskutieren wir über die Integration von niederlassungswilligen Fremden in Österreich. Bisher wurde allerdings nur diskutiert, es wurde aber nichts unternommen.

Die Regierung „Schüssel I“ war die erste, die gesagt hat: Wir wollen die Integration nicht nur theoretisch diskutieren, sondern wir wollen in der Praxis ansetzen, wir wollen etwas tun! Und ich glaube, wir sind uns einig darüber, dass die Sprache eine der wichtigsten Voraus­setzungen für die spätere Integration ist! – Frau Kollegin Stoisits hört mir heute nicht zu. Es gelingt mir nicht, sie dazu herauszufordern, mir zuzuhören. – Frau Kollegin Stoisits! Warum leihen Sie mir nicht Ihr Ohr?

Ohne die Sprache wird Integration nicht funktionieren. Wir haben nun per Gesetz beschlossen, dass der Bund ein Angebot an ausländische Bürger, die sich in Österreich niederlassen wollen,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 154

richtet, was bedeutet, dass eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung gestellt und ein gut Teil dieses Sprachkurses bezahlt wird. Ich denke, dass wir uns da mit den Grünen und der SPÖ durchaus treffen können. Es wird niemanden hier im Hause geben, der da wirklich dagegen sein kann!

Die Republik Österreich zahlt 50 Prozent der Kurse und richtet eine Infrastruktur ein, und wir können uns als Gegenleistung von den Bürgern, für die das eingerichtet wird, wohl erwarten, dass sie diese Einrichtung und dieses Angebot auch annehmen. Dann ist es wohl auch nicht zu viel verlangt, wenn man sagt, dass jemand, der sich nicht daran hält, die vereinbarten Spiel­regeln verletzt, was in einer bestimmten Form Konsequenzen nach sich zieht.

Frau Kollegin Stoisits, ich kann Ihnen nicht helfen: Das, was Sie vorhin diskutiert haben, mag vielleicht einen Teil des grünen Klubs interessieren, es interessiert aber schon längst keinen niederlassungswilligen Ausländer mehr, der bei uns lebt. Letztere sagen vielmehr: Gott sei Dank gibt es ein Angebot! Gott sei Dank können wir einen Deutschkurs absolvieren! (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Stoisits.)

Frau Kollegin Stoisits! Ich nenne Ihnen das Beispiel einer 40-jährigen türkischen Ehefrau, die seit mehr als vier Jahren in Graz lebt und bisher kaum die Wohnung verlassen konnte be­ziehungsweise durfte. – Wir wissen, wie sich das mit dieser Kultur und dem Umgang der türkischen Männer mit Frauen verhält! – Die besagte Frau lebt seit vier Jahren in Österreich und spricht bisher keine einzige Silbe Deutsch. Diese Frau muss möglicherweise zum Arzt, vielleicht sogar zum Frauenarzt gehen und muss sich dann von ihrem achtjährigen Sohn übersetzen lassen, was ihr der Arzt mitteilt! Sie können sich vermutlich vorstellen, was das für diese Frau bedeutet! (Zwischenruf des Abg. Reheis.)

Setzen wir nun den Fall, dass diese 40-jährige türkische Frau morgen von ihrem Mann verlassen wird. Was wird diese Frau Ihrer Meinung nach erleben? – Sie kennt sich weder aus, noch ist sie der deutschen Sprache mächtig. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) – Frau Kollegin! Ich würde mit Ihnen darüber gerne intensiver diskutieren, denn das lässt sich nicht mit ober­flächlichen Wortmeldungen und Zwischenrufen behandeln! (Abg. Silhavy: Eben!) Frau Kollegin! Ich möchte, dass Integration gelebt und nicht nur gefordert wird! Und die ÖVP mit der Regie­rung „Schüssel I“ war die Erste, die wirklich zur Tat geschritten ist! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf bei den Grünen.)

Währenddessen haben die SPÖ und ihre Innenminister nur von Integration geredet, aber nichts dafür getan! Kollegin Stoisits! Wir reden von dieser 40-jährigen türkischen Frau. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Ich rede auch gerne davon! Ich möchte diese 40-jährige Frau gerne fragen, ob sie das Angebot annimmt oder nicht. (Abg. Mag. Kogler: Das Angebot ist eh super!) Was wird sie mir Ihrer Meinung nach antworten?

Welche theoretische Diskussion führt das Parlament hier im Hause ab, und wen vertreten in diesem Zusammenhang die Grünen? – Ich glaube, dass die Partei der Grünen durchaus ihre Ver­dienste im Ringen um Integration hat! Ich glaube, dass euch da viel gelungen ist, und ich glau­be, dass in diesem Zusammenhang auch fordernde Anträge immer wieder ihren Sinn haben. Ich meine aber, dass es nicht gut und gescheit ist, dass man Dinge, die längst akzeptiert sind, immer wieder hinterfragt, weil man damit in Wirklichkeit nicht nur nichts erreicht, sondern gute Dinge schlecht macht.

Davor warne ich, und es tut mir wirklich Leid, dass die grüne Fraktion den wirklich positiven Ansatz der Integration von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern dermaßen miss­inter­pretiert und schlecht macht. Ich bin stolz und froh, dass uns in diesem Bereich so viel gelungen ist! (Beifall bei der ÖVP.)

18.34


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

18.34


Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren einen Antrag der Grünen, der auf eine Änderung des Fremdengesetzes abzielt, wo-


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 155

bei es darum geht, dass man die Zwangsbestimmung betreffend die Einführung von Deutsch­kursen in die Richtung abändert, dass diese Kurse auf freiwilliger Basis angeboten werden.

Das gibt mir Gelegenheit, grundsätzlich einige Sätze dazu zu sagen. Meine Damen und Herren! Wir bekennen uns zur Integrationspolitik, diese ist notwendig, und wir brauchen sie. Und es ist auch richtig, dass Menschen, die in unser Land kommen, die Möglichkeit haben müssen, unse­re Sprache zu erlernen. Wir meinen aber, dass dies in Form einer Zwangsmaßnahme eher kontraproduktiv ist.

Es wäre wesentlich gescheiter – und wir werden im Innenausschuss sicherlich die Möglichkeit haben, über diese Frage zu diskutieren –, diesbezüglich Anreize zu schaffen und diese Integra­tionsvereinbarung zu einer echten Vereinbarung zu machen. Derzeit ist sie nämlich ein Diktat: Es wird vom Ausländer verlangt, dass er Deutsch zu lernen hat, und angedroht, dass er, wenn er es nicht tut, bestraft oder abgeschoben wird. Andererseits hat er in Wirklichkeit keine Rechte, Herr Abgeordneter beziehungsweise Herr Bundesminister Strasser! (Abg. Dr. Strasser: Das ist die Unwahrheit!)

Ich meine, dass man in Wirklichkeit zweifellos bei vielen Menschen, die in unser Land kommen, mit Motivation sehr viel erreichen könnte, denn viele wollen die Sprache erlernen. Motivierend könnte zum Beispiel eine Belohnung dafür, dass jemand rasch einen solchen Deutschkurs ab­solviert, in der Form sein, dass derjenige dann eben früher als innerhalb von fünf Jahren seine Niederlassungsbewilligung bekommt. Statt Zwang sollte es einen entsprechenden Anreiz geben!

Kollege Miedl! Als Zweites wollte ich sagen, dass das Angebot in weiten Bereichen fehlt. Eine besondere Ausnahme ist die Stadt Wien, wo der Integrationsfonds schon im Jahr 2001, also vor dieser gesetzlichen Maßnahme, sehr gute Arbeit geleistet und mehr als 2 500 Menschen in über 170 Kursen eine entsprechende Möglichkeit geboten hat.

Herr Bundesminister! Wir müssen auch darangehen, das Problem zu lösen, dass es derzeit eine Reihe von Anbietern gibt, die nicht die notwendige Qualität bieten, nämlich das verlangte A-Niveau. Die Folge davon ist, dass es Ausländer gibt, die einen Deutschkurs absolvieren, der nicht anerkannt wird. (Abg. Dr. Strasser: Es gibt 500 Anbieter!) Das ist noch nicht deutlich genug geworden, wir werden jedoch im Ausschuss noch Gelegenheit haben, darüber zu reden.

Kollege Miedl! Ein Problem sollten wir auch sehen, nämlich die Frage: Was werden wir mit je­nen Frauen tun, die als Analphabetinnen nach Österreich kommen, ihre eigene Muttersprache de facto zwar sprechen, aber nicht schreiben können und nicht in der Lage sind ... (Abg. Dr. Stra­sser: Sie sind von den Bestimmungen ausgenommen!) Es wird aber immer eine Frage bleiben, wie man das nachweist!

Herr Bundesminister! Ich meine, das sollte man sich sehr genau anschauen! (Abg. Dr. Stras­ser: Als Redner sollte man auch ein bisserl etwas wissen!) – Eine sehr lustige Bemerkung, Herr Bundesminister! Wir werden im Ausschuss ja sehen, was Sie dazu zu sagen haben und in welcher Art und Weise Sie bereit sind, auf diese Probleme einzugehen.

Wir bekennen uns zur Integrationspolitik. Uns geht es auch um die Menschen, die in unser Land kommen. Ich habe nur die Sorge, dass die Politik, die Sie bis jetzt betrieben haben, nämlich dass man versucht, die Menschen in ein Korsett zu zwingen, und zwar nach der berühmten Methode von Schwarz-Blau in das Korsett von Law and Order, ganz einfach nicht die Möglichkeiten bietet, welche die Menschen brauchen, um sich in unserem Land wohl zu fühlen und Bürger dieses Landes zu werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 156

18.39


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Walch. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

18.39


Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Kollegin Stoisits, hinsichtlich der Änderung des Fremdengesetzes wundere ich mich schon ein bisschen! Ich bin Betriebsrat in einer Baufirma, bei der zirka 50 Gastarbeiter be­schäftigt sind, und ich kann Ihnen sagen: Ich habe von keinem Einzigen Kritik gehört! Es ist sogar das Gegenteil der Fall! Ich möchte nur wissen, wo beziehungsweise von wem auf eurer Seite Kritik geübt wird! Bei uns sagt nämlich jeder, dass er froh darüber ist, entsprechende Möglich­keiten geboten zu bekommen und dafür auch finanzielle Unterstützung zu erhalten und dass in Zukunft jene, die in Österreich eine Beschäftigung haben wollen, auch die Chance haben, eine solche zu bekommen.

Kein einziger Gastarbeiter, der nach Österreich kommt und der deutschen Sprache nicht mächtig ist, wird eine Beschäftigung bekommen. Wenn ein Arbeitgeber ihn doch aufnimmt, dann wird er eine mindere Beschäftigung bekommen, weil er sich nicht ausdrücken kann. Das Angebot von Sprachkursen ist sowohl für den Gastarbeiter als auch für den Betriebsinhaber eine gute Sache. Der Gastarbeiter befindet sich dann in einer positiven Situation.

Ich glaube, dass die derzeitige Situation ein bisschen von Polemik geprägt ist, und ich freue mich auch schon auf die Diskussion im Ausschuss, denn ich kann nur sagen: Wenn Gast­arbeiter nach Österreich kommen, kommen sie nicht für drei Wochen auf Urlaub nach Öster­reich – da brauchen sie dieser Sprache nicht mächtig zu sein –; wenn sie aber in Österreich arbeiten wollen, dann müssen sie auch unsere Sprache verstehen – zum Vorteil von beiden Seiten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.41


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

18.41


Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die geltende Rechtslage in Österreich ist: Wer eine Niederlassungsbewilligung bekommt, ver­pflichtet sich in einer Integrationsvereinbarung, Deutsch zu lernen. – Wir erwarten das auch von Menschen, die in den letzten fünf Jahren zugewandert sind. So ist es.

Wir zahlen zu den Kurskosten dazu. Wer einen Kurs braucht, bekommt einen Zuschuss von 182 €. Das ist so viel, dass das Rote Kreuz, dem dafür sehr gedankt werden muss, sogar bereit ist, für Kursteilnehmer, die den Rest der Kurskosten nicht aufbringen können, mit diesen 182 € das Auslangen zu finden.

Wer keinen Kurs braucht und nur eine Prüfung, um feststellen zu lassen, dass er die A1-Qualifikation erfüllt, bekommt einen Zuschuss von 22 €. Das ist also eine gute Sache.

Es ist ganz einfach: Wer nach Österreich kommt und hier bleiben will, der braucht die Sprache; wer nicht bleiben will, der braucht vielleicht nicht die Sprache, der braucht vielleicht keine Kenntnisse, aber er braucht ganz sicher auch keine Niederlassungsbewilligung. Wozu dann das Theater? – Das ist so logisch, das ist so richtig und so einfach! Jeder versteht es, und ich verstehe nicht, warum gerade hier ein großes Problem auftauchen soll.

Heute ist der Zuzug aus Drittländern streng begrenzt. Wer hier lebt, soll auch arbeiten können. Die erste Qualifikationshürde ist – der Vorredner hat es gesagt – die Sprache. Es ist überhaupt keine Frage: Man muss sich ausdrücken können, um eine Arbeit ordentlich ausführen zu können.

Bisher zeigte sich, dass viele Probleme entstanden sind, weil die Kenntnis der Sprache fehlt. In der Nähe meines Wohnortes gibt es in einem Ort einen Kindergarten mit vier Kindergarten­gruppen auf drei Betriebsstätten. In einem Teil gibt es einen hohen Anteil türkischstämmiger Kinder, es gibt auch einige Bosnier und Slowaken. Leider sind viele der Mütter nicht sprach­kundig – bei uns in Niederösterreich ist der Kindergarten ja kostenfrei, daher sind auch viele türkische Kinder im Kindergarten, weil sich das auch Leute leisten können, die eben ein schmales Einkommen haben –, und wenn man mit der Kindergartentante spricht, dann erfährt


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 157

man, dass sich für sie oft die Frage stellt: Was mache ich, wenn das Kind krank ist, wenn das Kind erbricht, wenn das Kind Symptome zeigt, angesichts derer dringend die Eltern gefragt werden müssen, was da los ist? – Sie ruft zu Hause an und kann sich nicht verständigen. Was macht die Mutter, wenn sie dem Kind Mitteilungen mitzugeben hat oder wenn dem Kind schriftliche Mitteilungen an die Eltern mitgegeben werden müssen? – Es geht nicht.

Das Problem fängt schon bei der Anmeldung zum Kindergartenbesuch an. Bei uns hat man jetzt schon vorgefertigte Formulare in türkischer Sprache, damit man überhaupt in Kom­munikation treten kann. Um das Problem zu lösen, hat man eine Türkisch sprechende Hilfskraft eingestellt, mit dem Ergebnis, dass die Kinder jetzt nicht mehr Deutsch lernen und das Problem im Kindergarten nur noch größer wird. Viele Eltern sagen: Wenn ich es mir aussuchen kann, schicke ich meine Kinder in einen Kindergarten, wo auch der Förderunterricht in deutscher Sprache möglich ist.

Wenn wir in der Integration die Zeit versäumen und das dringend Notwendige – wenn es sein muss, auch mit etwas Nachdruck – nicht erreichen, dann gibt es Probleme, die sich zu großen Problemen auswachsen.

Wir wissen, dass viele Frauen aus Anatolien nicht Deutsch lernen dürfen. Wir sehen das, weil auch nach langem Aufenthalt so manche Frau nur sehr, sehr wenig Deutsch spricht. Wenn man nachfragt, dann weiß man sehr rasch, dass die Männer es einfach nicht wollen, dass ihre Frauen Deutsch lernen, dass sie eine gewisse Selbständigkeit entwickeln, vielleicht sogar noch selbst einkaufen können, vielleicht sogar in einen normalen Supermarkt gehen oder Angebote sehen, die sie nicht sehen sollen.

Es ist höchste Zeit, dem gegenzusteuern, und es ist absolut richtig, den Frauen die Chance zu geben – die Chance zu geben! –, einen Kurs zu besuchen, den sie – unter Anführungs­zeichen – „besuchen müssen“, weil sonst allfällige Konsequenzen drohen.

Nicht reden zu können, das ist eine soziale Schwäche, die behoben werden kann. Die Verpflichtung zum Sprachkurs öffnet vielen Menschen, die schon hier sind, unser Land. Der Sprachkurs gibt die Möglichkeit, wirklich teilzunehmen an dem, was bei uns geschieht. Die Verpflichtung hilft über die erste Hürde hinweg. Schon Seneca hat gesagt: Wer will, der kann, wer nicht will, muss. – Das Zusammenleben wird positiv gefördert, die Integration wird erleichtert. Und das ist gut so.

Dieses Gesetz wird im Ausschuss diskutiert werden, und sicherlich wird auch die Frage gestellt werden müssen, warum nur die Zuwanderer der letzten fünf Jahre die Chance auf einen geförderten Deutschkurs haben sollen. Der Zeitraum sollte verlängert werden. Die Diskussion darüber wird sicher interessant. (Beifall bei der ÖVP.)

18.46


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.

18.46


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag wird vorgeschlagen, Teile des Fremdenrechtes zu ändern, und zwar vor allem jene Teile, die in den letzten Monaten oder Jahren erst geändert wurden.

Ich möchte Ihnen an einem Fall zeigen, zu welchen Konsequenzen die Novellierung des Fremdenrechtes 2002 geführt hat.

Ein Mann lernt eine Frau kennen. Er ist Wiener, sie kommt aus der Ukraine. Sie verlieben sich ineinander, aus der anfänglichen Fernbeziehung wird mehr. Sie heiraten, sie zieht mit ihrem mittlerweile neunjährigen Sohn nach Wien.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 158

Sie lernt Deutsch und kann es mittlerweile perfekt, ihr Sohn auch – ganz ohne Zwang, ganz ohne Strafandrohung. Er besucht die Volksschule, ist Klassenbester, sie ist eine Verkäuferin im Kaufhaus Steffl.

Nach vier Jahren Ehe meint der Mann, sie sollte sich doch um die Staatsbürgerschaft be­werben. Das tut sie. Alle Voraussetzungen sind erfüllt, sie bekommt den Zusicherungs­be­scheid. Nachdem sie den Zusicherungsbescheid bekommen hat, geht sie auf die ukrainische Botschaft, weil sie ja ihre alte Staatsbürgerschaft zurücklegen muss und auch die Staatsbürger­schaft ihres Sohnes. So etwas dauert Monate oder Jahre. So auch in diesem Fall.

Wenige Tage, bevor sie die Bestätigung von der ukrainischen Botschaft bekommt, dass sie aus der ukrainischen Staatsbürgerschaft entlassen ist, wird ihr Mann krank. Am Donnerstag geht er zum Arzt, am Freitag kommt er ins Spital und am Samstag stirbt er; mit 59 Jahren. – So weit, so schlimm. Aber es kommt noch schlimmer.

Mit der Bestätigung geht sie jetzt ins Rathaus und will sich die neue Staatsbürgerschaft abholen. Doch die bekommt sie nicht, weil die Voraussetzungen für die Verleihung der Staats­bürgerschaft nicht mehr vorliegen, weil sie ja nicht mehr mit einem Österreicher verheiratet ist. Jetzt ist sie staatenlos und kann die österreichische Staatsbürgerschaft frühestens in zwei Jahren bekommen, die ukrainische frühestens erst wieder in drei Jahren. – So weit, so schlimm. Aber es kommt noch schlimmer.

Sie will nämlich einerseits ihre kranke Mutter, die mittlerweile 72 Jahre alt ist, besuchen und andererseits, wie sie das jedes Jahr macht, am Todestag ihres Vaters dessen Grab, wo sich die ganze Familie trifft. Sie würde auch einen Pass bekommen, ein Reisedokument für Staatenlose, das für alle Länder dieser Erde gilt, nur für die Ukraine nicht, weil nämlich vor einem halben Jahr in diesem Haus das Fremdenrecht novelliert wurde und der § 80 Abs. 2 dahin gehend adaptiert wurde, dass sie in alle Länder dieser Erde reisen kann, nur nicht in dieses.

Ich lade Sie alle ein, bei der Novellierung des Fremdenrechtes nicht nur für diesen Fall, für diese Frau, eine Lösung zu finden, sondern auch für die vielen anderen Fälle, die es gibt. Ich lade insbesondere Minister Strasser – der jetzt leider nicht im Saal ist – dazu ein, das zu tun, sich solche Fälle anzuschauen und das Gesetz auch dahin gehend zu entschärfen. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.49


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

18.50


Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Stoisits unternimmt wieder einmal einen Anlauf in Angelegenheit ihres Lieblingsthemas: Aus­länder. – Frau Stoisits, ich würde mir wünschen, dass Sie auch nur einmal, ein einziges Mal hier herauskommen und sich nur halb so engagiert für die Anliegen der Österreicherinnen und Österreicher stark machen. (Abg. Mag. Kogler: Das ist unerhört!) Nein! Es sind immer die Ausländer, es ist permanent das Ausländerthema. (Abg. Öllinger: Kommen Sie mit einer neuen Regierung heraus!)

Sie sprechen in Ihrer Begründung von einem Diktat für Neuzuwanderer, doch die Sache ist ganz einfach. Punkt eins: Das Scheunentor ist einfach nicht mehr sperrangelweit offen. Dem­ent­sprechend folgt Punkt zwei: Unser Ziel ist in erster Linie Integration vor Neuzuwanderung. Und die Integration hat bis jetzt nur mangelhaft funktioniert. Das wird in den Ausführungen von Frau Mag. Stoisits ja ohnehin auch dargelegt.

Jetzt haben wir eine Neuregelung getroffen, weil wir gesehen haben, dass diese Integration bis jetzt eben nicht zielführend, sondern nur mangelhaft war. Ja, wir wollen nämlich innerhalb von drei Jahren wissen, ob jemand willens und bereit ist, sich zu integrieren oder nicht. (Abg. Mag. Kogler: Das wollen Sie wissen?) Das wollen wir wissen. Integration kann, bitte, nur über eine Sprache erfolgen. Das wissen Sie genauso gut wie wir alle hier. Und die Integration war


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 159

eben bis jetzt nur mangelhaft. Wir dürfen vor diesen Dingen einfach die Augen nicht ver­schließen.

Was ist denn hier eigentlich ein Diktat? Wer sich nicht integrieren will, dem darf man nach drei Jahren wohl die Frage stellen, warum er denn überhaupt im Lande ist, wenn er sich nicht integrieren will. Im Gesetzestext heißt es ausdrücklich: Wer nicht bereit ist, „die Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu erwerben“, der bekommt eben seinen Bescheid. Da steht es klar und deutlich drinnen.

Es geht sogar so weit, meine Damen und Herren, dass der Leiter des Wiener Integrationsfonds zugegeben hat, dass viele türkische Frauen keinen Deutschkurs besuchen dürfen, weil ihre Männer es ihnen verbieten, das Haus zu verlassen. Mit diesem Gesetz haben wir also immerhin schon etwas sehr Positives geschaffen: dass nämlich die türkischen Frauen nunmehr sehr wohl Deutschkurse, die auch sie für die Integration brauchen, besuchen dürfen.

Es ist doch wichtig, dass wir bei der Integration genau in diesem Bereich der Einführung in die Sprachkenntnisse ansetzen. Dass es nicht funktioniert, das auf freiwilliger Ebene zu tun, hat sich ja erwiesen. Der Anreiz allein genügt sicher nicht.

Und eines ist auch Faktum, und das wissen alle, die sich mit der Materie beschäftigen: Der Großteil der arbeitslosen Ausländer ist deshalb nicht vermittelbar, weil sie die deutsche Sprache nicht sprechen. Max Walch hat das sehr praxisnahe und sehr brillant geschildert, wie es sich in der Realität abspielt. Deshalb ist dieser Antrag praxisfremd, nicht zielführend, und er hilft vor allem dem Gastarbeiter nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.52


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Daher schließe ich die Debatte.

Ich weise den Antrag, über den wir jetzt die erste Lesung durchgeführt haben, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zu.

Damit haben wir auch den 6. Punkt der Tagesordnung erledigt.

7. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz ge­ändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäfts­ordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (30/A)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Mag. Wurm, erhält das Wort. Freiwillige Redezeitbe­schränkung: zirka 5 Minuten. – Bitte.

18.54


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir heute wieder in erster Lesung über diesen Antrag diskutieren, so ist die Verzögerung nicht meine Schuld, sondern der Parlamentsalltag hat nicht so funktioniert, wie es sich viele Bürger und Bürgerinnen wünschten.

Dieser Antrag wurde schon im Dezember 2001 eingebracht, eine erste Lesung erfolgte im ersten Halbjahr letzten Jahres, und jetzt ist immerhin schon über ein Jahr ins Land gegangen, und wir haben hier wieder eine erste Lesung.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 160

In diesem Fall, sehr geehrte Damen und Herren – und das ist bedauerlich, denn hier geht es unter anderem um die Ausweitung der Bürgerinnen- und Bürgerrechte –, ist die Losung des da­maligen Klubobmannes der ÖVP „speed kills“ nicht aufgegangen. Bei der Ausweitung der Rechte der Bürger und Bürgerinnen hat man es offensichtlich nicht so eilig gehabt.

Doch nun zum Antrag im Speziellen. Was beinhaltet dieser Antrag? – Bei diesem Antrag geht es unter anderem darum, dass Bürgerinitiativen hier in dieses Parlament auch von jungen Men­schen eingebracht werden können sollen, also nicht erst wenn sie 19 Jahre alt sind, sondern schon ab 16 Jahren.

Ich glaube, es wäre notwendig, dass man dieses Gesetz schafft. In einigen Ländern kann man zum Beispiel bei den Kommunalwahlen schon mit 16 wählen, die Strafrechtsfähigkeit, die Deliktfähigkeit ist schon ab 14 gegeben, viele Rechtsgeschäfte können auch mit 16 Jahren abge­schlossen werden. Warum also soll es nicht die Möglichkeit geben, dass junge Menschen ab dem 16. Lebensjahr ihre Anliegen auch in Form einer Bürgerinitiative zu uns ins Parlament bringen können? Ich glaube, das ist eine Änderung, die längst fällig wäre, und hoffe in diesem Fall auf Ihre Zustimmung.

Ein weiterer Punkt, den dieser Antrag enthält, ist die Regelung, dass die so genannten §-27-Anträge auch von unserem Ausschuss, also vom Ausschuss für Petitionen und Bürger­initiativen, gestellt werden können. Die Diskriminierung, die hier existiert, gehört abgestellt. Es ist notwendig, dass auch unser Ausschuss, der ja die Anliegen der Bürger und Bürgerinnen vertritt, die Möglichkeit hat, Selbständige Anträge zu stellen.

Der dritte große Punkt, den ich erwähnen möchte, sieht vor, dass die Berichte der Volks­anwaltschaft – und auch diese Anregung erfolgt in Absprache mit der Volksanwaltschaft, und so ist diese Verfassungsänderung in diesem Fall auch zu verstehen – dem Ausschuss für Peti­tionen und Bürgerinitiativen zugewiesen werden. Das ist der Ausschuss, der sich im Parlament in direktem Kontakt mit den Bürgern und Bürgerinnen befindet. Dass man den Anliegen der Bürger und Bürgerinnen sozusagen zum Recht verhilft, ist auch das Anliegen der Volksan­waltschaft. Daher glaube ich, dass unser Ausschuss, der Ausschuss für Petitionen und Bürger­initiativen, die richtige Anlaufstelle für die Berichte der Volksanwaltschaft wäre.

Nun möchte ich für all jene Kollegen und Kolleginnen, die in der vergangenen Legislaturperiode noch nicht hier im Hause waren, ganz kurz erläutern, warum der nächste Punkt, der in diesem Antrag nachzulesen ist, auch einer Gesetzesänderung bedarf.

Es war bisher so, dass die Volksanwaltschaft jährlich nur einen Bericht an das Parlament abliefern konnte. Nun haben die drei Volksanwälte – bei Amtsantritt voller Schwung und sehr engagiert – in einem bestimmten Einzelbereich besonders viele Beschwerden der Bevölkerung ent­gegengenommen. Auf Grund dieser Tatsache und auf Grund der Mängel, die bei der Ge­setzwerdung damals entstanden sind und die die Bürger daher zu den Volksanwälten gebracht haben, hat man einen Sonderbericht zu einer bestimmten Maßnahme erstellt. Da hat es dann hier im Parlament große Debatten gegeben, ob dieser Sonderbericht überhaupt zugewiesen werden kann und wie er behandelt werden soll.

Daher ist es, so glaube ich, notwendig, wichtig und richtig, dass die Volksanwaltschaft die Mög­lichkeit erhält, nicht nur einmal jährlich einen Bericht zu verfassen, sondern bei Bedarf, wenn es besondere Vorkommnisse gibt, auch einen weiteren Bericht, einen Sonderbericht zu gestalten.

Lassen Sie mich einen Brief verlesen, den ich von den Volksanwälten erhalten habe! Das ist, glaube ich, etwas sehr Wichtiges, denn in die Verlegenheit, Sonderberichte verfassen zu kön­nen, werden die Volksanwälte in Zukunft nicht mehr kommen, weil sie nämlich an Arbeits­über­las­tung leiden.

Ich möchte Ihnen die wesentlichen Punkte aus diesem Brief vorlesen. Er lautet wie folgt:

„Aus Anlass der Beratung und Beschlussfassung eines Gesetzlichen Budgetprovisoriums 2003 treten die Volksanwälte an Sie, sehr geehrte Frau Abgeordnete“ – ich mache es Ihnen jetzt


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 161

bekannt – „und Ihre Nationalratsfraktion heran, die Volksanwaltschaft bei der Wahrnehmung ihres verfassungsgesetzlichen Auftrages“ – bitte, es ist ein Auftrag – „zu unterstützen. In der derzeitigen durch das Budgetprovisorium hervorgerufenen Situation verweist die Volksan­walt­schaft darauf, dass ein regulärer Dienstbetrieb für absehbare Zeit in Folge der äußerst ange­spannten budgetären Mittel nicht mehr gewährleistet werden kann.

Sollte eine Bedeckung für die Mehraufwendungen weder im provisorischen Bundesfinanzgesetz noch im endgültigen Bundesfinanzgesetz 2003 möglich sein, sieht sich die Volksanwaltschaft außer Stande, ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung“ – also wir sind der Bundes­ge­setzgeber, wir haben das sozusagen beauftragt – „gegenüber den Bürgern und dem Parlament in akzeptabler Weise nachzukommen.

Der Volksanwaltschaft ist es im Gegensatz zum Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, die Behandlung bestimmter Beschwerden abzulehnen. Gemäß Artikel 148a B-VG be­steht vielmehr die verfassungsrechtliche Verpflichtung, jedes Beschwerdevorbringen zu prüfen und den Beschwerdeführern das Ergebnis derselben mitzuteilen, was naturgemäß direkten Kontakt mit den Rechtsuchenden und den Behörden notwendig macht. Da eine dem Rech­nungshof vergleichbare Möglichkeit zur Erstellung eines Prüfungsplanes, bei dem vorweg auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen Bedacht genommen werden könnte, diesem unein­geschränkten Kontrollauftrag entgegensteht, ist die Inanspruchnahme der Volksanwaltschaft weder steuer- noch einschränkbar.

Der Anteil der verpflichtend einzuleitenden Prüfverfahren ist von 4 977 im Jahre 2001 auf 7 798 im Jahre 2002 angestiegen, was einer Mehrbelastung von 57 Prozent entspricht und die Be­arbeitung von rund 22 000 Eingängen (Bürger und Behörden)“ – diese müssen ja dann immer wieder befragt werden – „nach sich zog. Von Anbeginn der laufenden Amtsperiode im Juli 2001 steigerte sich das Aktenaufkommen sogar um 84 Prozent ... Die daraus resultierenden Belastungen für den Amtsbetrieb erfordern jetzt für 2003 entsprechende Budgetvorkehrungen.“

Ich habe das vorgelesen, weil die Volksanwaltschaft wirklich sehr viel mehr Anträge behandelt, sehr viel mehr Beschwerden zu behandeln hat und so mit den Personalressourcen schlicht und einfach nicht mehr auskommt. Hier muss also Abhilfe geschaffen werden. Wir können nicht als Bundesgesetzgeber Aufträge erteilen, deren Erledigung mit den vorhandenen Ressourcen nicht geleistet werden kann.

In diesem Sinne hoffe ich, dass dieser Brief Beachtung findet. Ich habe ihn jetzt mit Rücksicht auf die Zeit nicht ganz vorgelesen (Abg. Öllinger: Schade!), aber vielleicht gibt es dazu noch einmal die Gelegenheit. Unterschrieben wurde dieser Brief von der Volksanwältin Bauer, vom Volksanwalt Mag. Stadler und auch vom Volksanwalt Dr. Kostelka. Es ist offensichtlich, dass dieses Problem in der Volksanwaltschaft einheitlich so gesehen wird. Daher gehe ich davon aus, dass die Parteien bei den Budgetverhandlungen darauf Rücksicht nehmen, dass eine ent­sprechende Dotierung erfolgt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.03


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Er hat das Wort.

19.03


Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Wurm, ich glaube, dass die Klagen wegen der Zeitverzögerung nicht unbedingt notwendig und angebracht sind. Wir haben schon morgen den Geschäftsordnungsausschuss und werden uns morgen als einer der ersten Ausschüsse, der überhaupt tätig wird, auch mit diesen Anträgen beschäftigen. Es geht daher alles seinen ordnungsgemäßen Gang. (Abg. Gradwohl: ... da hat der Budgetausschuss schon schwer gearbeitet!) Herr Kollege, es geht hier alles seinen ordnungsgemäßen Gang.

Wir pflichten grundsätzlich der Begründung Ihres Antrages bei, dass die verfassungsrechtliche Situation der Volksanwaltschaft überprüft und einer entsprechenden Diskussion unterzogen werden muss. Die Volksanwaltschaft ist für uns eine wichtige Institution, auch als Hilfsorgan des


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 162

Nationalrates, dem wir natürlich entsprechende Aufmerksamkeit und Bedeutung zumessen. In diesem Sinne werden wir uns ganz selbstverständlich auch mit dem Brief und mit dem An­liegen, das die Volksanwaltschaft hier geäußert hat, beschäftigen.

Wir sind aber der Meinung, dass insbesondere die bisherigen Schritte der Verwaltungsreform und die weiteren Reformen, die diese Regierung hinsichtlich der Verwaltungsreform vorhat, zu einer Adaption der Verwaltungskontrolle und deshalb auch zu einer Verbesserung der Mög­lichkeiten der Volksanwaltschaft führen müssen. Deshalb glauben wir auch, Frau Kollegin, dass Ihr Antrag ein bisschen zu kurz greift. Eine wirkliche Basis für eine parlamentarische Diskussion ist er noch nicht, denn die Volksanwaltschaft selbst hat in der Vergangenheit bereits viel umfangreichere Wünsche an das Hohe Haus geäußert.

Ich erinnere daran, dass die Volksanwaltschaft gefordert hat, sie möge eine Kompetenz für die Prüfung ausgegliederter Rechtsträger bekommen. Es heißt hier in ihrem Bericht:

„Das derzeitige Kollegium hält fest, dass es aus heutiger Sicht mehr denn je geboten ist, eine Gleich­stellung der Prüfzuständigkeit der Volksanwaltschaft mit der des Rechnungshofes herbeizuführen“ – im Hinblick auf die großen Ausgliederungen, die hier stattgefunden haben. Die Volksanwaltschaft spricht sich dafür aus, dass ihr die Möglichkeit einer Amtsbeschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts eingeräumt wird. Die Volksanwaltschaft möchte, dass ihr die Ermächtigung eingeräumt wird, sowohl Bundes- als auch Landesgesetze hin­sichtlich ihrer Verfassungswidrigkeit anzufechten. Und die Volksanwaltschaft möchte auch bei Verfahren, in denen Beschwerdeführer Rechtsansprüche geltend machen können, eine Hem­mung von Verjährungsfristen normieren können.

Das sind nicht alle Vorschläge und Forderungen, die gekommen sind, es liegt hier ein ganzer Katalog vor. Wir werden uns selbstverständlich damit beschäftigen. Über diese Fragen müssen wir gemeinsam beraten, und wir wollen einen entsprechenden politischen Konsens erzielen.

Es muss aber natürlich auch die Sinnhaftigkeit geklärt werden, ob Berichte der Volksan­waltschaft tatsächlich im Petitionsausschuss und nicht, wie bisher, im Verfassungsausschuss behandelt werden sollen. Letzteres war bisher der Fall und hat sich auch bewährt. Diesbe­züglich haben wir daher eine gewisse Skepsis, was Ihren Vorschlag betrifft. Denn gegen diese beantragte Aus­schussübertragung spricht auch die Tatsache, dass es sich bei den Berichten der Volks­anwaltschaft um die Prüfung möglicher Missstände in der Vollziehung des Bundes han­delt. Diese gehören unserer Meinung nach in den Verfassungsausschuss. Bei Petitionen und Bürgerinitiativen handelt es sich um ganz unterschiedliche, um ganz verschiedene Anliegen und Initiativen von Bürgern (Abg. Mag. Wurm: Angelegenheiten des Bundes!), die unserer Meinung nach einen anderen Stellenwert haben und durchaus dort bleiben sollen, wo sie jetzt behandelt werden.

Sie sehen also eine ganze Latte von offenen Problemen, von Anregungen und Wünschen, die wir haben. Wir werden morgen im Geschäftsordnungsausschuss damit beginnen, uns mit dieser Materie zu befassen. Wir sind hier auch offen für alle Anregungen. Wir wollen gerade in diesen Fragen Konsens im ganzen Haus erzielen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.08


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

19.08


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Mir ist es deshalb ein Anliegen, hier zu sprechen, weil es eine widersinnige Bestimmung im Be­reich der Volksanwaltschaft gibt, nämlich eine verfassungsrechtliche Beschränkung der Rechte der Volksanwaltschaft, wonach sie nur einmal im Jahr berichten darf und keine Einzelberichte in besonders wichtigen Materien abgeben darf. Ich glaube, dass es eine sehr brauchbare An­regung der Volksanwaltschaft ist, hievon abzugehen und auch Einzelberichte zuzulassen. Wenn sich die Volksanwaltschaft schon die Mühe macht, einzelne Themen für wichtig zu er­klären, und gegenüber dem Hohen Haus sozusagen Vorleistungen erbringt, indem sie diese Themen erhebt und dann in das Hohe Haus einbringt, dann sollten wir auch in der Lage sein,


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 163

diese Themen zeitgemäß und aktuell zu behandeln, und sollten nicht der Volksanwaltschaft eine verfassungsrechtliche Schranke auferlegen, dass derartige Berichte nicht gegeben werden können.

Wir alle wissen, dass die Volksanwaltschaft hervorragende Arbeit leistet. Daher sollte man ihr diese Möglichkeit, die ja eine Dienstleistung oder eine Vorleistung für das Parlament wäre, auch einräumen. Ich glaube, es ist nicht mehr zeitgemäß, diese verfassungsrechtliche Schranke aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

19.09


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

19.09


Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In aller Kürze: Ich glaube, es ist gut und sinnvoll, dass gerade wir als Parlamentarier hier über die Rechte, aber auch über die Art und Weise der Handlungen und Möglichkeiten der Volks­anwaltschaft diskutieren, sie immer wieder überprüfen und, ich würde sagen, auch gemeinsam mit der Volksanwaltschaft die Probleme aufarbeiten. Es wäre sicherlich interessant, diese Dinge in dem einen oder anderen Ausschuss auch einmal gemeinsam mit den Volksanwälten zu be­sprechen und weiterzuentwickeln. Denn wir wollen ja hier nicht Reformen zum Selbstzweck ma­chen, sondern diese sollen wirklich die Handlungsweise der betroffenen Institution verbessern. Das ist sicherlich in regelmäßigen Abständen zu tun.

Auch ich habe natürlich den Brief der Volksanwälte bekommen, in dem sie sich über die kritischen Arbeitsbedingungen beklagt haben, und das sollte auch besprochen werden. Denn es soll kein Argument sein, dass Bürgeranliegen bei der Beschwerde nur deshalb nicht optimal oder raschest behandeln werden können, weil die materiellen Mittel gefehlt haben.

Ich meine aber trotzdem, dass die Berichte der Volksanwaltschaft im Verfassungsausschuss behandelt werden sollten, auch als Signal dafür, dass eine verfassungsrechtlich eingerichtete Institution dem Gesetzgeber, für den sie ja arbeitet, diese Berichte erstattet. Ich glaube, dass das wirklich ein wichtiges Signal ist. Man kann natürlich über alles diskutieren, aber es ist doch auch der rechtspolitische Zweck der Volksanwaltschaft ein anderer – und deshalb ist dies auch im Verfassungsausschuss angesiedelt – als jener der Instrumente der direkten Demokratie wie der Petitionen und der Bürgerinitiativen. (Abg. Mag. Wurm: Die Volksanwaltschaft hat das selbst so vorgeschlagen!) – Ja, es ist auch gut so, dass hier Parlamentarier sozusagen die Vorschläge der Volksanwaltschaft als ihre eigenen einbringen, damit wir darüber diskutieren können.

Es sollte umfassend darüber diskutiert werden (Abg. Mag. Wurm: ... ein Dialog!), in einem offenen Dialog. Aber ich denke, dass die Volksanwaltschaft ja nur einen Bereich von wichtigen ver­fassungsrechtlichen Materien darstellt, über die wir möglicherweise auch in dem in der Öffentlichkeit diskutierten Verfassungskonvent intensiv verhandeln sollten. Da wird es wichtig sein, dass Parlamentarier mit eingebunden sind, sodass wir auch alle ande­ren Kontrollme­cha­nis­men, etwa die Frage des Rechnungshofes, mit umfassen und das Gefüge dieser Kontroll­ein­richtungen innerhalb der Bundesverfassung mit ihren Mechanismen disku­tieren und mögli­cherweise verbessern können. Wenn wir uns alle zu diesem Mechanismus finden, dann könnte sogar etwas dabei herauskommen. (Beifall des Abg. Dr. Böhmdorfer.)

19.12


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. Er hat das Wort.

19.13


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grünen unterstützen in der Intention grundsätzlich diesen Antrag. Ich glaube, dass die Rede­beiträge jetzt etwas durcheinander gekommen sind, weil sie das Problem nicht wirklich treffen. Wir erinnern uns an den Bericht der Volksanwaltschaft bezüglich der Heizkostenzu­schüsse und an die Problematik, die wir diesbezüglich im Hohen Haus hatten: dass wir ihn nämlich gar nicht


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 164

haben behandeln können, weil dieser Bericht keinen rechtlichen Status hatte und damit das Hohe Haus ihn als Grundlage auch nicht aufgreifen konnte.

Ich möchte hier feststellen, dass dieses Argument mit dem Verfassungsausschuss für mich nur bedingt gilt. Wenn ich mir anschaue, wie Berichte des Rechnungshofes behandelt werden, dann gibt es da den qualitativen Unterschied, dass man über die Teilbereiche, über die Bericht erstattet wird, im Rechnungshofausschuss mit den jeweils zuständigen Fachministern disku­tieren und auf dieser Ebene versuchen kann, das, was dort aufgegriffen und zur Verbesserung vorgeschlagen wird, in irgendeiner Form zu behandeln. Bei den Berichten der Volksan­waltschaft gibt es das Problem, dass diese Möglichkeit eben nicht besteht, hier auch die zustän­di­gen Minister beizuziehen. Da gab es bisher den Jahresbericht im Verfassungs­ausschuss, aber all die Teilbereiche, die enthalten waren, würden wohl sinnvoll auch mit den Fachministern zu besprechen sein und dort letztlich auch den Handlungsauftrag wieder­geben. Das geschieht teilweise im Verordnungsweg. Ich kann das aus meinem Bereich, dem Bildungswesen, be­ur­teilen, da habe ich das Gefühl, es übt die Volksanwaltschaft berechtigte Kritik, und irgend­wie versandet diese Kritik dann, weil sie nirgends wirklich ankommt. Ich glaube, man kann sich dann im Ausschuss noch sehr genau anschauen, welche sinnvollen Instrumentarien in diesem Bereich eingesetzt werden können.

Dass der Verfassungsausschuss – weil er ein Organ der Verfassung ist – besonders befugt ist, über die Dinge, die die Volksanwaltschaft kritisiert, zu befinden, würde ich nicht unbedingt so sehen. Aber da Kollege Kukacka hier Offenheit signalisiert hat, erwarte ich, dass im Ge­schäfts­ord­nungsausschuss eine fruchtbare und offene Diskussion stattfinden wird. (Beifall bei den Grünen.)

19.15


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit schließe ich diese Debatte.

Ich weise den Antrag, der soeben in erster Lesung behandelt worden ist, dem Geschäfts­ord­nungsausschuss zu. Eine Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses wird morgen stattfin­den.

Damit haben wir den 7. Tagesordnungspunkt erledigt.

8. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (31/A)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung. Bei diesem Punkt geht es ebenfalls um eine erste Lesung, und zwar betreffend Antrag 31/A.

Der Antrag ist von Abgeordnetem Dr. Cap als Erstunterzeichner unterschrieben. Er gelangt nun zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.15


Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Dieser Antrag ist ein Teil eines ganzen Paketes, das sich mit Änderungen der Geschäftsordnung auseinander setzt, wobei wir glauben, dass wir hier Vorschläge einbringen, die das Parlament bürgernäher machen und die vor allem die Diskus­sionsprozesse, also an dem Beispiel in den Ausschussverhandlungen, für Bürger, für Be­troffene aus den Institutionen, die hier Gegenstand von Behandlung sind, oder eben für die Me­dien transparenter machen, dass auch Bürger, sofern es Platz gibt und die örtliche Gegebenheit es zulässt, die Möglichkeit haben, an diesen Ausschussverhandlungen als Zuhörer teilzu­nehmen. Ich denke, dass das ein sehr positiver Prozess wäre, der hier eingeleitet wird, um die Aura des oft Geheimnisvollen wegzunehmen, dass nicht gefilterte Information, interpretierte In­for­mation


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 165

allein nach außen geht, sondern dass man sich, wenn das Bedürfnis besteht, authentisch informieren kann.

Genauso wäre es in dem Zusammenhang natürlich notwendig, dass auch die Plenarsitzungen grundsätzlich dauernd öffentlich sind, um den Medienvertretern die Teilnahme zu ermöglichen. Es würde ebenfalls mit­helfen, dass die Distanz, die es da und dort gibt zwischen den Wählerin­nen und Wählern sowie denjenigen, die, von ihnen gewählt, als Abgeordnete hier im Haus tätig sind, überwunden wird.

Für diejenigen, die Bedenken haben, möchte ich sagen, es besteht ja die Möglichkeit – um jetzt wieder auf die Ausschussverhandlungen zurückzukommen –, dass es dort, wo es argu­mentier­bar und wo es notwendig ist, durchaus ein gewisses Maß an Vertraulichkeit gibt, dass diese dann auf Antrag beschlossen werden kann und dass man im Einzelfall für Sitzungen oder für Teile von Sitzungen die Öffentlichkeit ohnehin ausschließen kann, wenn man glaubt, dass das für den Verhandlungsprozess notwendig ist, bevor man später an die Öffentlichkeit tritt.

Aber es gehört dies umgekehrt: Das Prinzip wäre die grundsätzliche Öffentlichkeit, und um das im Zuge einer allgemeinen Reform zur Gestaltung des Parlamentes, zur Aufwertung des Parla­mentes zu behandeln, aber auch um das Parlament bürgernäher zu machen, gibt es diesen Antrag. Ich hoffe, dass er in diesem Haus positiv behandelt wird und dass die Möglichkeit besteht, dass man dem hier mehrheitlich beitritt, damit dann die Qualität der Ausschussver­hand­lungen und vielleicht auch die Präsenz bei den Ausschussverhandlungen eine ist, die ein optimales Er­gebnis ermöglicht.

Kleiner Zusatz noch: Nach wie vor bin ich der Meinung, dass es auch für die Minderheit die Mög­lich­keit geben soll, Untersuchungsausschüsse einzuberufen. Im Übrigen sind wir auch dafür, dass gerade dann, wenn Experten auftreten, diese Öffentlichkeit gegeben ist. Auch in die­sem Fall sollte man für Öffentlichkeit sorgen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Ga­briela Moser.)

19.19


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer. – Bitte.

19.19


Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es geht, wie Herr Kollege Cap schon ausgeführt hat, bei diesem Antrag darum, die Öffent­lichkeit auch für die Ausschussverhandlungen generell einzuführen.

Nun ist Transparenz sicherlich etwas, das für uns alle ein Punkt ist, der mit unserer täglichen Arbeit zu tun hat und mit dem wir täglich umgehen. Politik hat mit der Arbeit mit der Öffent­lichkeit und in der Öffentlichkeit zu tun. Dennoch würde ich aber zur Vorsicht raten, was Ände­rungen in der Geschäftsordnung betrifft, weil die Geschäftsordnung doch ein System aufweist, das sich über lange Jahre entwickelt hat. Wer das System im Rahmen der bestehen­den Geschäftsordnung kennt, weiß, es ist so, dass für alle Themen, die in diesem Haus behandelt werden, die Öffentlichkeit gewährleistet ist, weil die Öffentlichkeit hier im Plenum, wo diese Themen nach den Ausschussberatungen behandelt werden, gewährleistet ist und weil genau bei den Themen, deren Enderledigung im Ausschuss stattfindet, die Öffentlichkeit im Ausschuss auch jetzt schon gegeben ist.

Darüber hinaus gibt es einige Bereiche, in denen auch jetzt schon in Ausschussberatungen die Öffentlichkeit vorgesehen ist. Wir wissen aus den Erfahrungen der letzten Jahre, dass in diesen Bereichen die Möglichkeit für die Öffentlichkeit, entsprechend teilzunehmen, eigentlich kaum oder nicht genützt worden ist. Es besteht dieses Interesse also offensichtlich nicht wirklich.

Weiters möchte ich auch noch eine gewisse persönliche Skepsis anbringen, denn die Botschaft der Transparenz, die höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, Herr Kollege Cap! Wenn gerade Sie es sind, der diesen Antrag stellt, so stellt sich schon die Frage, ob nicht der Wunsch dahinter mehr jener nach der Fernsehkamera, nach dem Mikrophon ist.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 166

Wenn wir gerade Sie hier oder auch bei anderer Gelegenheit vor dem Fernsehbildschirm verfolgen können, so ist das, meine ich, einer sachlichen Behandlung und dem Vorantreiben sachlicher Arbeit und positiver Verhandlungen nicht gerade zuträglich. (Abg. Mag. Kogler: He! Das ist eine Unterstellung!) Ob dieser Wunsch, der da möglicherweise im Vordergrund steht, auch in den Ausschussberatungen die Fernsehkamera und das Mikrophon dabeizuhaben, wirk­lich einer sachlichen Arbeit, einer seriösen und ernsthaften Auseinandersetzung mit den The­men dienlich ist, davon bin ich persönlich nicht ganz überzeugt. (Abg. Mag. Kogler: Dem Rech­nungshofausschuss täte das gut! Das täte Ihren Ministern im Rechnungshofausschuss gut!)

Nichtsdestotrotz werden wir natürlich diesen Antrag im Geschäftsordnungsausschuss intensiv beraten, entsprechend seriös prüfen und dann (Abg. Mag. Kogler: Und dann nachher ab­lehnen!) auch darüber entscheiden, denn ich glaube, dass es gerade – wie ich schon aus­geführt habe – im Bereich der Geschäftsordnung, die die wesentlichen Spielregeln unserer Ar­beit hier, einer erfolgreichen Arbeit für Österreich festlegen soll, wichtig ist, sich wirklich intensiv damit auseinander zu setzen und dann eine seriöse Entscheidung zu treffen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.22



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 167

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste erhält Frau Abgeordnete Mag. Wurm das Wort. – Bitte.

19.22


Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Regieren neu“, „Reformen in allen Bereichen des Staates“, „Erneuerung“ und noch viele Begriffe dieser Art sind in den letzten Monaten von den Regierungsparteien immer wieder in den Mund genommen worden, und in letzter Zeit auch von allen anderen Parteien, die hier vertreten sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun können Sie alle, die Sie hier ins Hohe Haus eingezogen sind, zeigen, ob das nur fromme Sonntagsreden waren oder ob es Ihnen wirklich ernst ist damit, die parlamentarische Arbeit transparenter zu gestalten.

Ich meine, dass wir uns nicht so vor der Öffentlichkeit zu fürchten brauchen, sondern dass das Gegenteil der Fall ist: Ich denke, es ist sehr wichtig und notwendig für die Politik und auch für ein modernes Parlament, dass die Bevölkerung und die Medien mehr Ein- und Durch­blicks­möglichkeiten haben. Ich bin daher durchaus davon überzeugt, dass diesem Antrag auf eine Änderung der Geschäftsordnung nahezu alle Abgeordneten hier in diesem Haus zustim­men müssten.

Es kann doch nicht sein – Josef Cap hat es schon angeführt –, dass hier das umgekehrte Prinzip herrscht, dass die Öffentlichkeit erst hereingelassen werden und darüber abge­stimmt werden muss, dass die Öffentlichkeit zugelassen wird. Dieses Prinzip ist wirklich uralt, das hat mit modernem Demokratieverständnis relativ wenig zu tun. So stellen wir uns modernen Parla­men­taris­mus nicht vor.

Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig für Bürger und Bürgerinnen, dass sie in den Be­reichen, in denen sie oft selbst betroffen sind, die Möglichkeit haben, nachzuvollziehen, wie die Diskussion im Ausschuss verläuft, wenn sie daran Interesse haben. – Ich hoffe, dass es nicht so wenige sind, wie mein Vorredner gesagt hat. Sie sollen die Chance haben, die Diskus­sionsprozesse mitzuverfolgen, und nicht auf Ausschussberichte, die oft sehr dürftig sind, angewiesen sein müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Sinne hoffe ich, dass dieser Antrag im Geschäfts­ordnungsausschuss Zustimmung findet und dass wir uns von „Geheimverhandlungen“, wie es oft in der Bevölkerung gesehen wird, verabschieden. „Im Dunkeln ist gut munkeln“, mag für andere Dinge gelten. – Hier ist es wohl nicht angebracht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

19.25


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

19.25


Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abge­ordneten! Die Öffentlichkeit von Ausschüssen war für die Grünen immer schon ein sehr zen­trales Anliegen. Seit 1986, seit dem Einzug der Grünen in dieses Haus, war das immer auf unseren Punktationen für Geschäftsordnungsreformen.

Natürlich kann man auf die Gegenargumente sehr nüchtern eingehen und fragen: Stellt es tatsächlich ein Problem für die Ausschüsse dar, wenn diese öffentlich sind, wenn tatsächlich in diesen Ausschüssen so etwas wie „verhandelt“ wird? – In der Realität ist es ja anders; wir kennen das alle: In den Ausschüssen wird im Moment nicht wirklich verhandelt. Die Opposition bekommt die Abänderungsanträge oft erst sehr knapp vor den Sitzungen, und die Verhandlun­gen finden anderswo statt. Ich bin gerne bereit, über dieses Argument nachzudenken, wenn sich die Auffassung von Parlamentarismus und die Arbeit in den Ausschüssen in diese Richtung ändern. Aber das kann man dann immer noch machen. Man sollte nur das Prinzip umkehren und sagen, der Zugang der Öffentlichkeit ist der Grundsatz, und es ist immer möglich, mit Mehr­heit zu beschließen, dass zu bestimmten Zeiten vertraulich verhandelt wird.

Es besteht also kein Grund zur Sorge darüber, dass die Qualität der Arbeit oder irgendetwas im Zusammenhang mit den Verhandlungen negativ beeinflusst werden könnte.

Ich denke, der Grundsatz Transparenz, maximaler Zugang für die interessierte Öffentlichkeit, ma­xi­maler Zugang für Medienöffentlichkeit sollte zunächst vorherrschend sein. In heiklen Fäl­len, in wichtigen Situationen kann man dieses Prinzip immer noch kurzfristig außer Kraft setzen, und zwar immer mit der Mehrheit im Parlament. Man braucht sich also nicht zu fürchten, dass hier etwas schief gehen könnte.

Zuletzt möchte ich noch anmerken, dass derzeit schon vorhandene Möglichkeiten kaum genutzt werden. Aber das ist auch kein Wunder, weil die Information darüber, dass ein Be­richt öffentlich im Ausschuss diskutiert wird, nicht in einer Form erfolgt, dass es große, quali­fizierte Teile der Öffentlichkeit auch wahrnehmen könnten. Ich denke, gerade bei den Berichten sollten wir uns die Praxis anschauen und uns überlegen, ob die derzeitige Form, sie im Aus­schuss endzuerle­di­gen und nicht ins Plenum zu bringen, für viele wichtige Bereiche tatsächlich angemessen ist, ob das der Kunst- und Kulturbericht ist, der Sportbericht oder viele Prüfbe­richte.

Also: Transparenz, Öffentlichkeit, weitere Beteiligungsmöglichkeiten sollten allen von uns ein An­­lie­gen für die Zukunft sein. Parlamentarismus muss sich ständig weiterentwickeln, und ich wün­sche mir, dass auch diese Idee, die die Grünen schon lange vertreten, in einer sehr se­riösen und ordentlichen Diskussion im Geschäftsordnungsausschuss behandelt und letzt­endlich vielleicht einmal auch mit Ja beantwortet wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 168

19.28


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen in dieser ersten Lesung liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 31/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

9. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (32/A)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

19.28


Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der nunmehr in erste Lesung genommene Antrag beinhaltet eine Attraktivierung der Abläufe in der Fragestunde und somit auch der Fragestunde selbst.

Hohes Haus! Die Fragestunde ist eine jener Einrichtungen des Nationalrates, die immer im ös­terreichischen Fernsehen übertragen werden, und daher auch eine Visitenkarte des österrei­chi­schen Nationalrates, auch nach außen. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten für die Wählerin­nen und Wähler im jeweiligen Wahlkreis, ihre Abgeordneten im Plenarsaal zu sehen, was bei Direktübertragungen meist nur bei den Erstrednerinnen und Erstrednern der Fall ist.

Wir sollten uns daher in unserem eigenen Interesse die Frage stellen, ob die Fragestunde in der bestehenden Form noch zeitgemäß ist oder ob sie nicht durchaus verbessert werden könnte. Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion hat dazu einen Vorschlag unterbreitet, der folgende Grundsätze beinhaltet:

Verzicht auf schriftliche Einbringung von Hauptfragen.

48 Stunden vor Beginn der Fragestunde schriftliche Bekanntgabe seitens des Präsidenten an die Abgeordneten, welche Mitglieder der Bundesregierung – also auch mehrere – in der Frage­stunde anwesend sein werden.

Jeder Abgeordnete, der eine Hauptfrage stellen will, hat dies vor Eingang in die Fragestunde dem Präsidenten bekannt zu geben. Der Präsident ruft dann die Abgeordneten auf, wobei er auf die Größe des Klubs und die Abwechslung der Fraktionen Bedacht nimmt.

Der Abgeordnete hat die Hauptfrage zu stellen, wobei er diese kurz begründen darf. – Dies war bisher nicht möglich und führte manchmal zu unwürdigen Zwischenrufen, obwohl es doch für ein selbstbewusstes Parlament klar sein muss, dass Abgeordnete auch ein Recht haben sollten, ihre Fragen zu begründen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

In Folge hätte der Minister wie bisher die Beantwortung vorzunehmen.

Auch die Zusatzfragen sollten nach dem bisherigen System funktionieren.

Ich möchte an einigen Beispielen die Vorteile dieses Vorschlages präzisieren:

Der Präsident kann in der Präsidialkonferenz bei der Festlegung, welches Mitglied oder welche Mitglieder der Bundesregierung bei der Fragestunde anwesend sein sollten, auf gegenwärtige oder absehbare aktuelle politische Ereignisse Rücksicht nehmen. Bisher folgte die Fragestunde der Aufzählung der Mitglieder der Bundesregierung im Bundesministeriengesetz, was zu völliger Unflexibilität führte. – Sie wissen es alle, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Abgeordnete hat eine höhere Flexibilität, auf ganz aktuelle politische Sachverhalte einzu­gehen.

Alle Abgeordneten, die Zusatzfragen stellen wollen, müssen die Fragestunde wirklich aufmerk­sam mitverfolgen. – Wir wissen ja, wie sie zumeist abläuft.

Der Präsident hat weitgehender das Recht, spontan in den Ablauf passende Haupt- und Zu­satzfragen der Abgeordneten zu gestatten.

Für die Fernsehübertragung und damit für die Zuschauerinnen und Zuschauer ist dieser Ablauf sicherlich weit interessanter als der bisherige.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine solche Neuordnung würde für uns alle dazu von Vorteil sein. – Ich denke, dass wir uns hier am Beispiel eines Parlaments mit großer Tradition, nämlich dem britischen Unterhaus, orientieren sollten. Ich meine, dass es für uns alle um unsere Rechte, die Rechte der Abgeordneten und, wenn Sie so wollen, auch des Nationalrates geht.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 169

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie alle dazu einladen, mit uns gemeinsam im Interesse der Abgeordneten, im Interesse das Nationalrates in diesen Diskus­sionsprozess einzutreten. (Beifall bei der SPÖ.)

19.32


Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort erhält Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

19.33


Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass die Fragestunde einer Reform bedarf, darüber sind sich wahrscheinlich die meisten hier im Hause einig. Ich bin mir nicht sicher, ob der Antrag, so wie ihn die SPÖ hier vorgelegt hat, ausreichend ist. Es gibt Argumente für und wider.

Insbesondere die Frage der Qualität einer Anfragebeantwortung hängt natürlich davon ab, ob sich ein Minister in irgendeiner Form darauf vorbereiten kann oder nicht. Wenn das wirklich nur am Beginn der Fragestunde möglich ist, eröffnet das auch gewisse Probleme.

Was auf der anderen Seite notwendig wäre und wahrscheinlich viel stärker zur Sprache kom­men sollte, ist die Möglichkeit der Fraktionen, selbst zu entscheiden, wo sie momentan eine Dringlichkeit sehen und an wen die Fragen gerichtet werden. Die Starrheit des Prozesses, wie sie gegenwärtig existiert, dass die Minister der Reihe nach hier erscheinen und wir ihnen dann aktuelle Fragen stellen müssen, egal ob das Thema passend ist oder nicht, sollte nach Mög­lichkeit aufgelöst werden.

Man sollte zumindest in Erwägung ziehen, mehrere Minister befragen zu können, was ja auch im Antrag enthalten ist.

Da keine Redner der Regierungsfraktionen zu Wort gemeldet sind, bin ich ein bisschen ver­unsichert, ob es überhaupt Bereitschaft gibt, darüber zu reden. Eines muss man wohl klar fest­tellen: dass die Fragestunde, wie sie jetzt gehandhabt wird, ein Instrument der Regierung ist. Es kann ja wohl nicht der Sinn einer Fragestunde sein, dass die Redezeiten sehr ungleich verteilt sind, dass die Möglichkeiten des Argumentationsaustausches sehr ungleich verteilt sind und dass sie, wenn man die Praxis anschaut, eines der wenigen Instrumente ist, das regel­mäßig einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, da die Fragestunde genau so wie die Aktuelle Stunde eben regelmäßig übertragen wird. – Sie wäre es daher wert, mit mehr Fle­ibilität und mehr Modernität gehandhabt zu werden.

Es gibt wahrscheinlich auch noch andere Beispiele, die man heranziehen könnte. Wie gesagt: Ich bin noch etwas nachdenklich, da es dazu keinerlei Redebeiträge der Regierungsfraktionen gibt, die ja mit diesem Instrument offenbar ganz gut leben können. Wir Grüne glauben auch, dass es hier einer relativ weitgehenden Reform bedarf. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

19.35


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt.

Den Antrag 32/A weise ich ebenfalls dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

10. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (38/A)


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Herr Abgeordneter Mag. Maier erhält das Wort. – Bitte.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 170

19.36


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag betrifft ein Konsumentenproblem der besonderen Art, mit dem Konsumentenschützer seit der Liberalisierung des Telekombereiches und des Energie­bereiches befasst sind. Es geht um Haustürgeschäfte. Firmen – meistens Tochter­fir­men, aber auch ausländische Firmen – versuchen zunehmend, neue Stromkunden für neue Strom­lieferanten zu gewinnen. Die Methoden dabei sind teilweise abscheulich. Uns wurden Fälle bekannt, wo insbesondere älteren Menschen angedroht wurde, wenn sie nicht unter­schrei­­ben, würde man ihnen den Strom abdrehen. Ähnliche Problembereiche gibt es beim Ver­kauf von Magnetfeldtherapiegeräten in Hinterhöfen und dergleichen, aber auch im Tele­kom­bereich.

Nun gibt es die Möglichkeit, über die Gewerbeordnung ein Verbot der so genannten Haustür­geschäfte vorzusehen. Dieser Antrag, der jetzt vorliegt, sieht ein Verbot des Haustürgeschäftes für Stromlieferverträge einerseits, aber auch für den Verkauf von Magnetfeldtherapiegeräten sowie auch für Telekomdienstleistungen oder Telekomdienste insgesamt vor.

Damit Sie sich etwas darunter vorstellen können: Wir hatten allein in Salzburg in der Konsu­mentenberatung im letzten Jahr in diesem Bereich zirka 2 000 Beschwerden. Österreichweit müssen die Beschwerden auf etwa 25 000 oder mehr geschätzt werden. Ich glaube daher, dass hier wirklich Handlungsbedarf des Gesetzgebers besteht.

Damit Sie nicht glauben, die SPÖ-Fraktion hätte dieses Thema erfunden, darf ich Ihnen nur die wichtigsten Artikel aus den österreichischen Printmedien kurz zitieren:

„Salzburger Nachrichten“: „Keilertricks immer dreister“. „Die Presse“: „Betrüger auf Spuren von Strom-Keilern?“. „Salzburger Nachrichten“: „Stromkeiler werden immer aggressiver. Haustür­ge­schäfte für Telefon und Strom nehmen zu. Bei einigen Verkäufen musste sogar die Polizei ein­schreiten.“ „Der Standard“: „Wie seltsame Stromkeiler versuchen, Stromkunden zu verun­sichern“. „WirtschaftsBlatt“: „Ranger im Angriff. Mit 180 Mann geht die Ranger Marketing GesmbH für Strom- und Telekomfirmen auf Kundenfang. Für Auftraggeber ist es ‚die Zukunft des Vertriebs’.“ – Ich persönlich bezweifle das.

„Kurier“: „Klagewelle gegen die Strom-Keiler. Nach Wienstrom und Steweag zieht Kelag vor Gericht/Strengere Regelungen gefordert“. „Salzburger Nachrichten“: „Lästiges Haustür-Ge­schäft“. „Zeitung der Vorarlberger Arbeiterkammer“: „Schnell reich mit Innoflex: Die Pyramide lässt grüßen“ ... Innoflex ist ein Ableger einer Berliner Firma, die in Österreich tätig ist und mit Keiler­methoden für einen Strompool wirbt. „Salzburger Nachrichten“: „Vorsicht Falle: Strom­keiler unterwegs“. „Salzburger Fenster“: „Stromverkauf als Haustürgeschäft“. „Kurier“: „Strom­verkauf im Ranger-Stil. Wienstrom klagt Ranger Marketing/VKI warnt vor Haustür-Geschäften“.

„Der Standard“: „Direktvertrieb auf Kundenfang. Telefonanbieter liefern einander Schlagab­tausch wegen ‚Haustürgeschäften’“. „Profil“: „Unsaubere Geschäfte. Telekom. Aggressive Haus­türkeiler verkaufen mit fragwürdigen Methoden Telefonanschlüsse. Immer mehr Konsu­menten fühlen sich geneppt.“

Ein eigenes Flugblatt von Telekom Austria: „Achtung! Unseriöse Telefonvertreter unterwegs!“ Oder: „Sunrise-Agenten mit Wildwest-Methoden“ unterwegs.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt nur einen kleinen Auszug aus der Berichterstattung der letzten Monate gebracht. Wir Sozialdemokraten sehen hier Handlungsbe­darf. Ich möchte mich bei den ehemaligen Salzburger Stadtwerken, nun Salzburg AG, recht herzlich bedanken, insbesondere beim ehemaligen ÖVP-Landeshauptmann-Stellver­treter Dr. Gas­tei­ger. Die Salzburg AG ist das erste Unternehmen, das freiwillig auf Haustürkeiler ver­zichtet hat. Ich hoffe, dass andere Unternehmen diesem Beispiel folgen, glaube jedoch, dass eine gesetzliche Regelung absolut notwendig ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.41



Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 171

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

19.41


Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was hier geschildert worden ist und was in den Medien durchaus nachvollziehbar dargestellt wird, lässt im ersten Moment wirklich den Eindruck entstehen, dass hier dringend eine ge­setzliche Regelung erforderlich wäre. Ich möchte mich einer solchen Regelung nicht grund­sätzlich verschließen, aber dennoch die Frage stellen, ob es die richtige Vorgangsweise ist, das im Bereich der Gewerbeordnung zu regeln, im § 57, oder ob dieses Problem – nach mei­nem Informationsstand spricht auch der Herr Minister noch zu diesem Thema – nicht vielmehr im Bereich des Konsumentenschutzgesetzes behandelt werden sollte, weil es dort von der Syste­matik her auch hingehört.

Die Gewerbeordnung hat nämlich die Aufgabe, den Wettbewerb, den Zugang zum Gewerbe zu regeln und dabei selbstverständlich auch auf Qualitätsmerkmale Wert zu legen. Würde man das im § 57 umsetzen, lieber Mag. Maier, hätte der Konsument selber direkt nichts davon, denn es würde de facto eigentlich nur möglichen Konkurrenten eine Klagsmöglichkeit im Sinne des UWG eröffnen. Daher muss man sich die Frage stellen, wo das Problem systematisch am besten abgehandelt werden sollte.

Selbstverständlich gibt es schon auch seriöse Anbieter, und die seriösen Anbieter sind gerade im Bereich Telekom, Telekomdienstleistung die überwiegende Mehrzahl. Das bringt für den Betrof­fe­nen keine Nachteile, sondern Vorteile, weil er dann eben günstigere Tarife bekommt. Selbst­­verständlich muss man auch darauf hinweisen, dass es gemäß Konsumenten­schutzgesetz die Möglichkeit gibt, innerhalb eines Zeitraums von bis zu zwei Wochen vom Ge­schäft zurückzutreten. (Abg. Mag. Maier: Leider nicht! Es ist nur eine Woche! Zwei Wochen fordern wir!) – Na ja, auf jeden Fall gibt es die Möglichkeit zurückzutreten. Daher wäre es sicherlich auch im Sinne der Berater gerade im Bereich der Arbeiterkammer, die Information des Konsu­menten hierüber zu verstärken. Auch ich habe mir einige Berichte durchgelesen und muss sagen, konsequenteres Verhalten in dieser Hinsicht hätte einige der Diskrepanzen gar nicht erst entstehen lassen.

Fasst man das zusammen, würde ich sagen – es ist ja erst die erste Lesung, der Antrag wird wahrscheinlich dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen –, dass es also noch genug Gelegenheit dazu geben wird, die ganze Thematik ausführlich zu erörtern, zu beraten und eine konsu­men­tengerechte Lösung zu finden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.43


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

19.44


Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Maier, ich stimme Ihnen zu: Es stimmt, dass es in sehr vielen Fällen im Strombereich und in der Telekommunikationsbewerbung zu Missbräuchen kommt, und selbstverständlich be­steht hier akuter Handlungsbedarf. Wir Freiheitlichen teilen auch die Auffassung meines Vor­redners, dass es nicht der richtige Weg wäre, dieses Problem über die Gewerbeordnung zu lösen, da die Gewer­be­ordnung schon in den letzten Jahren und Jahrzehnten weit überstra­pa­ziert wurde und in ihr schon so viel an Reglementierungen vorzufinden ist, dass es dem Unter­nehmertum immer schwerer fällt, zu Geschäften zu kommen.

Statt der Gewerbeordnung noch etwas hinzuzufügen, wäre es sinnvoll, auch einmal etwas herauszustreichen, um so eine echte, moderne Marktwirtschaft in Österreich in Schwung zu setzen und sie zu pushen.

Eine Änderung der Gewerbeordnung würde selbstverständlich auch die Liberalisierung des Strom­markts und des Telekommunikationsmarkts enorm beeinflussen. Generell darf Liberali­sierung aber nicht bedeuten, dass Missbräuche ermöglicht werden. Wir sind gegen Missbrauch, und wir sind auch dafür, Methoden anzuwenden, die diesen Missbrauch eindämmen.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 172

Gerade die Mobiltelefon- und Telekommunikationsbranche hat in den letzten Jahren nur eine sehr geringe Änderungsbereitschaft gezeigt, was die Haustürgeschäfte betrifft. Die Telekom Austria hat für ihre Agenten einen Verhaltenskodex eingeführt und in Österreich auch einen eigenen Vertriebspartner aufgebaut, der die Hausbesuche durchführt.

Ich würde auch vorschlagen, die 0900er-Nummern zu hinterfragen und den Missbrauch, den es in diesem Zusammenhang gibt. Das ist extrem aufklärungsbedürftig, denn hier besteht kein Schutz für die Konsumenten. Dieser Frage sollten wir uns in nächster Zukunft annehmen.

Im Bereich der Energieliberalisierung wissen wir, dass es in den letzten eineinhalb Jahren gro­ße Einsparungseffekte gegeben hat, die bis zu 50 Prozent ausgemacht haben. Diese Liberali­sie­rung hat also meiner Meinung nach insgesamt sehr positive Effekte. (Beifall bei den Freiheit­li­chen.)

Unser Vorschlag ist derselbe, den auch mein Vorredner bereits gemacht hat, nämlich das Problem über das Konsumentenschutzgesetz zu regeln. Dies vor allem auch deshalb, weil es da auch um ausländische Firmen geht, wie Sie, Herr Kollege Maier, schon angeführt haben, und diese ausländischen Firmen können wir nur zu einer vernünftigen und seriösen Ge­schäftspraxis erziehen, wenn wir den Konsumentenschutz in Österreich ausbauen. Auch in Anbe­tracht der EU-Osterweiterung wäre es daher sinnvoll, den Konsumentenschutz als Platt­form dafür zu nutzen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.47


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

19.47


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 25 000 Beschwerdefälle in ganz Österreich zum Thema Haustürgeschäfte im liberali­sierten Telekom- beziehungsweise Strombereich sprechen eine deutliche Sprache. Dass da etwas geschehen muss, ist wohl unbestritten. Das zeigen sowohl die Berichte des VKI, das zeigen auch die Arbeiterkammerrecherchen, und das merken wir täglich, wenn wir Be­schwer­den von Betroffenen zur Kenntnis nehmen müssen.

Darum sehe ich es sehr wohl als gerechtfertigt an, Herr Kollege Mitterlehner und Herr Kollege von der FPÖ, dass wir das in der Gewerbeordnung regeln, denn von der Rechtssystematik her ist nur dort ein Verbot der Gewerbeausübung möglich. Schauen Sie sich doch den bestehenden § 57 an! Bereits jetzt wird darin das Aufsuchen von Privatpersonen zum Zwecke des Sammelns von Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen bei Giften, Arzneimitteln, Verzehrprodukten, Heilbehelfen, Uhren, Gold, Silber, Platinwaren, Juwelen, Edelsteinen, Waffen, Munition et cetera verboten. Da gibt es also bereits einen legistischen Ansatzpunkt, und den müssten wir nur erweitern.

Würden wir dagegen Ihren Weg beschreiten, das Ganze ins Konsumentenschutzgesetz zu nehmen, dann würden wir eigentlich nur mehr eine defensive Position einnehmen. Wir dagegen wollen offensiv vorgehen, und das heißt dieses Gewerbe schlichtweg verbieten. Das halten wir für effizienter, und dafür sprechen nicht nur die zahlreichen Vorfälle, sondern dafür spricht auch die Rechtssystematik. Dass wir das nicht länger hinauszögern dürfen, lässt sich auch anhand dieser aktuellen Zeitungsberichte nachweisen, die hier bereits präsentiert worden sind. Die Zeitungsberichte weisen auch noch auf andere Bereiche hin, die wir konsumentenschutzmäßig dringend in den Griff bekommen müssen.

Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf die Frage der Werbefahrten. Auch die Werbe­fahrten sind ein leidiges Problem. Insbesondere ältere Personen werden immer wieder zur Kasse gebeten und zu Käufen verlockt, die sie von sich aus nie angestrebt hätten. Ich verweise auch auf die Frage der Gewinnspiele. Auch das ist dringend zu regeln. Hier müssen strengere Kriterien angewandt werden, damit die Leute nicht so zum Narren gehalten werden.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 173

Vor diesem Hintergrund gesehen sollte diese erste Lesung zu einer schnellen Behandlung in einem der Ausschüsse führen, von mir aus im Wirtschaftsausschuss, aber genauso gut auch im Justizausschuss. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.50


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte.

Den Antrag 38/A, den wir gerade in erster Lesung behandelt haben, weise ich dem Wirtschafts­ausschuss zu.

Die Tagesordnung der heutigen Sitzung ist damit erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Mag. Kuntzl, Mag. Gaßner, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend die Beschaffung von Kampfflug­zeugen.

Der Antrag ist allen Abgeordneten schriftlich zugemittelt worden, er bedarf daher keiner Verle­sung.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Mag. Andrea Kuntzl, Mag. Gaßner, Kolleginnen und Kollegen ge­mäss § 33 GOG betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Ver­hältnis V: 5, S: 4, F: 1 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung der Vorwürfe möglicher Geldflüsse, „nützlicher Aufwendungen“ und Manipulationen des Vergabeverfahrens im Zuge der Beschaffung von Kampfflugzeugen für das österreichische Bundesheer seit April 2001;

Aufklärung von Einflussnahmen auf Entscheidungsträger und Spitzenrepräsentanten der Regie­rungs­parteien in der 21. Gesetzgebungsperiode sowie auf jene Mitglieder der Bundesregierung, die mit der Fortführung der Regierungsgeschäfte betraut sind, im gegenständlichen Vergabe­verfahren;

Aufklärung des Vorwurfs der Verfolgung von „wirtschaftlichen (Eigen-)interessen“ von politi­schen Parteien und persönlichen Interessen von Regierungsmitgliedern im Zuge der gegen­ständlichen Vergabe;

Aufklärung darüber, ob es im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt – bedingt durch die Verfolgung „wirtschaftlicher (Eigen-)interessen“ oder Manipulationen durch Entscheidungsträger im Vergabeverfahren – zu Nachteilen für die österreichischen SteuerzahlerInnen gekommen ist;

Aufklärung über die tatsächlich durch die betroffenen Minister abgeschlossenen Verträge bzw. Vorverträge sowie Rücktrittsmöglichkeiten und Schadenersatzfolgen aus diesen Verein­barungen;

Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit den genannten Sachverhalten.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 174

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Aus­künften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bundes­kanzler­amtes, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeriums für Landesverteidigung, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und anderer Bundeseinrichtungen im Zusam­menhang mit dem Untersuchungsgegenstand alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten überprüfen.

Begründung:

Seit einem offenen Korruptionsvorwurf von Landeshauptmann Dr. Haider gegen FP-Regie­rungsmitglieder, durch den Ankauf von Abfangjägern bzw. einer bestimmten Type von Abfang­jägern „wirtschaftliche Interessen“ zu verfolgen und damit die „FPÖ in ihrer politischen Hand­lungsfähigkeit offenkundig zu lähmen“, steht der größte staatliche Beschaffungsvorgang der 2. Republik im Kreuzfeuer der Kritik in- und ausländischer Medien.

Haider begründete seinen Rückzug von einer neuerlichen Kandidatur für den FPÖ-Vorsitz mit der Drohung eines unbekannten Mannes, der ihn vor einem Klagenfurter Lokal mit den Worten angesprochen habe: „Herr Dr. Haider, behindern Sie den Kauf der Abfangjäger nicht und passen Sie auf Ihre Familie auf“ und behauptete, dass Bundesminister Herbert Haupt, nachdem dieser in einem Interview die Meinung vertreten habe, dass der Abfangjägerkauf nicht durch­geführt werden solle, von einem hochrangigen Beamten angerufen wurde und dieser mitteilte, dass wenn „das nicht korrigiert wird, würde der Minister eine Paraphierung des Vertrages in den nächsten Tagen vornehmen um deutlich zu machen, dass das Geschäft zustande kommt.“

Neben diesen massiven Vorwürfen durch Dr. Haider untermauern zahlreiche Fakten den Ver­dacht von Unregelmäßigkeiten und Manipulationen im Rahmen der größten staatlichen In­vestition der 2. Republik:

Der Rechnungshof kritisierte die äußerst hohe Vorbelastung im Landesverteidigungsbudget. Die Vorgangsweise der Bundesregierung, die eine Beschaffung mit extremen Kosten vornimmt, ohne einen plausiblen Finanzierungsplan zu erarbeiten, ist verantwortungslos. Es gibt dies­bezüglich keine Beschlüsse des Nationalrates, die eine solche budgetäre Belastung ge­nehmigen. Allein der Ankauf des Kriegsgerätes wird 2 Milliarden Euro an Kosten verursachen, weiters ist völlig unklar, mit welchen Folgekosten für Wartung, Instandhaltung und Betrieb zu rechnen ist.

Mit 27. Juni 2002 wurde durch die SPÖ-Fraktion ein Verlangen eingebracht, den Ständigen Unter­ausschuss des Rechnungshofausschusses mit der Prüfung der Gebarung des Bundes­kanzler­amtes, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeriums für Lan­desver­teidigung sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit hinsichtlich des Vor­ganges: Beschaffung von Abfangjägern (Vergabeentscheidung, Finanzierung, Vertragsgestaltung und Be­wertung der Kompensationsgeschäfte) zu befassen. Bedingt durch die Untätigkeit der Re­gierungsparteien und letztlich dem Scheitern der schwarz-blauen Regierung wurden durch diesen Ausschuss keine inhaltlichen Problemstellungen kontrolliert. Ein Antrag der SPÖ-Fraktion auf Permanenterklärung dieses Ausschusses wurde am 20. September 2002 von den Regierungsparteien abgelehnt.

Noch am 24. April 2002 stellte der Beschaffungsexperte im Verteidigungsministerium, Herbert Wagner, fest, dass „das europäische Eurofighter-Konsortium mangels einer Zwischenlösung im ersten Angebot eigentlich aus dem Wettbewerb ausgeschieden werden müsste“.

Eine Einsichtsbemerkung des Leiters der Gruppe Feldzeug-/Luftzeugwesen im BMLV vom 25. Juni 2002 lautete wie folgt: „Zufolge der festgestellten annähernden Gleichwertigkeit der Angebote und der gegebenen Erfüllung der Anforderungen für die Luftraumüberwachung in Österreich wird vorgeschlagen, dem Produkt mit den geringeren Anschaffungs- und Betriebs­kosten, also dem GRIPEN von SAAB/Bae, den Vorzug zu geben“. Dieser Einsichtsbemerkung


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 175

schlossen sich der Leiter der Beschaffungsabteilung und der Generaltruppeninspektor in vollem Umfange an.

Finanzminister Karl-Heinz Grasser lehnte noch am 25.6.2002 den Ankauf von (wörtlich) Kriegsgerät ab, beugte sich aber den Spitzen der Regierung und der Parlamentsklubs mit den Worten „ich versuche daher, die beste einer nicht so guten Lösung mit auszuarbeiten“. Die „beste einer nicht so guten Lösung“ bestand in der Entscheidung für den Abfangjäger Euro­fighter, das teuerste und bisher nur als Prototyp in Verwendung stehende Kriegsgerät.

Der PR-Auftrag in Höhe von kolportierten 850.000 Euro des EADS-Konsortiums wurde großteils vom Werbeunternehmen des Ex-FPÖ-Geschäftsführer Gernot Rumpold und dessen Frau durch­geführt. Dieser stellte gegenüber der Öffentlichkeit klar, dass „wenn man in Österreich nicht mit einem Geldkoffer auftauche, gar nichts klappe“, und verglich die österreichischen Strukturen mit jenen von Uganda.

Begründet wurde die Entscheidung für den Eurofighter Typhoon mit dem vom EADS-Kon­sortium angebotenen Gegengeschäften, wobei diesbezüglich festgehalten werden muss, dass ein mit 20. Jänner 2003 datierter Zwischenbericht des Wirtschaftsministeriums doku­mentiert, dass bisher kein einziges Gegengeschäft konkret vereinbart wurde. Um überhaupt nen­nens­werte Aufträge vorweisen zu können, versucht das EADS-Konsortium, Vertrags­abschlüsse ab 31. Oktober 2001 als Gegengeschäfte zu deklarieren, sodass die Fertigung des Jeep-Grand-Cherokee-Nachfolgers zu den Kompensationen zählen soll.

Das durch möglicherweise entstehende Gegengeschäfte meistbegünstigte Unternehmen, der MAGNA-Konzern, war der frühere Arbeitgeber von Finanzminister Karl-Heinz Grasser, diesem ist auch ein Rückkehrrecht zu seinem früheren Arbeitgeber eingeräumt. Auch wurde bekannt, dass der Ehegatte von Vizekanzlerin Riess-Passer, Michael Passer, einen Konsulentenvertrag mit dem MAGNA-Konzern abgeschlossen hat.

Am 12.7.2002 erstattete ein unbekannter Anzeiger eine Sachverhaltsdarstellung betreffend Beschaffungsvorgang „Abfangjäger“ an die Staatsanwaltschaft Wien. Der Anzeiger äußert den dringenden Verdacht der organisierten Wirtschaftskriminalität und verweist „auf im Ministerium vorliegende Dokumente“.

Auffällig an dem Beschaffungsvorgang ist auch, dass die Typenentscheidung immer wieder aus nicht transparenten Gründen verschoben wurde. Bekannt wurde jedoch, dass es wie bei der Beschaffung von Radargeräten der Firma Thomson zur Intervention gekommen ist. Bisher blieb die Tatsache unbestritten, dass sich der CSU-Kanzlerkandidat Stoiber an Bundeskanzler Schüssel gewandt hat, um für das Produkt Eurofighter zu intervenieren. Die Achse bayrische CSU und ÖVP war auch Gegenstand einiger Untersuchungsausschussanträge betreffend eventueller Zahlungen von „nützlichen Aufwendungen“ im Zusammenhang mit der Beschaffung von militärischem Gerät, die jedoch bisher von der FPÖ/ÖVP-Mehrheit abgelehnt wurden.

Mit 17.2.2003 verlangt plötzlich der 3. Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn eine Neu­ausschreibung zur Beschaffung von Abfangjägern, da nach seinen Aussagen ein neues Anbot des Bieters SAAB vorliege, wonach eine Ersparnis von 700 Millionen Euro gegenüber dem EADS-Gerät erzielt werden könne. Prinzhorn dazu wörtlich: „Wenn es trotz des neuen Angebots von SAAB beim Eurofighter bleibt, dann muss es Neuwahlen geben“.

Vollkommen unklar ist bis heute die Rechtsfrage, inwieweit sich die Republik Österreich, vertreten durch die betroffenen Ressortminister, bereits gegenüber dem EADS-Konsortium zum Kauf von Abfangjägern verpflichtet hat. Ebenso blieben Fragen hinsichtlich bestehender Rück­trittsmöglichkeiten bzw. Schadenersatzfolgen eines Rücktrittes vom abgeschlossen (Vor)vertrag vollkommen unbeantwortet.

Die von Bundeskanzler Schüssel vorgeschlagene Wirtschaftsplattform, die eine Finanzierung durch ein privates Konsortium vorbereiten soll, hat unter der Leitung von Ex-Wirtschaftsminister Dr. Farnleitner bisher keine konkreten Konzepte vorbereitet bzw. gegenüber der Öffentlichkeit kommuniziert. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass im Zuge der Ausschreibung nicht von einer


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 176

entsprechenden Finanzierungsvariante ausgegangen wurde und daher eine entsprechend finanzierte Vergabe ausschreibungswidrig durchgeführt würde.

Selbst der Chef der Sparte Militärflugzeuge des Eurofighter-Produzenten EADS, Aloysius Rauen, geht öffentlich davon aus, dass „nirgendwo mehr gelogen wird, als bei Gegen­ge­schäften und bei Beerdigungsreden“ (Salzburger Nachrichten vom 22.7.2002).

Vor dem Hintergrund der massiven Vorwürfe gegen Bundeskanzler Schüssel im Zuge der „Schreiber-Thomson-Affaire“, sowie der der StA Wien vorliegenden Sachverhaltsdarstellung, den Aussagen von LH Haider, EADS-Werber Rumpold und EADS-Manager Rauen und den weiteren obig angeführten Sachverhalten, ist die Prüfung des Vergabeverfahrens und der Ver­gabeentscheidung hinsichtlich des Ankaufes von Abfangjägern sowie die entsprechenden Vertragsabschlüsse durch die betroffenen Ressortminister durch einen parlamentarischen Unter­suchungsausschuss unumgänglich.

Durch den Rechnungshof wurde bisher ausschließlich die Ausschreibung des Abfangjäger­ankaufes geprüft, mögliche Parteienfinanzierungen bzw. Geldflüsse („wirtschaftliche Interes­sen“) außerhalb des Ausschreibungsprozesses konnten seitens des Rechnungshofes keiner Kontrolle unterzogen werden.

Aus all den genannten Fakten und Darstellungen ist die sofortige Einsetzung eines Unter­suchungsausschusses und ein sofortiger Stopp der laufenden Abfangjägerbeschaffung geboten.

Unter einem verlangen die unterzeichneten Abgeordneten gemäss § 33 Abs. 2 GOG die Abhaltung einer kurzen Debatte über diesen Antrag.

*****


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Begründung des Antrags gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gaßner zu Wort. Redezeit maximal 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Ellmauer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Gaßner –: Hochwasserstiefel anziehen!)

19.51


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine sehr spaßige Bemerkung: „Hochwasserstiefel anziehen!“ – Jawohl, ich ziehe sie an, und komme auf die Debatte des heutigen Nachmittags zurück, in der Herr Bundesminister Scheibner gemeint hat – es ging um die europäische Verteidigungspolitik –, dass er sich nicht vorstellen könne, dass in Brüssel angefragt werden müsse, wenn Soldaten in den Hoch­wassereinsatz gingen. Ich halte das für eine ganz billige Polemik, die sich weder die Hoch­wasseropfer verdient haben noch die sehr engagierten Soldaten in diesem Einsatz. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine zweite Bemerkung: Der Herr Bundeskanzler hat uns zu erklären versucht, dass sechs Eurofighter weniger gekauft werden und mit dieser Einsparung Hochwasserschäden bezahlt werden. Ich halte das für eine Verhöhnung derer, die heute noch darunter leiden und noch lange darunter leiden werden. Erklären Sie bitte diesen Menschen, wenn im Jahre 2005 Flieger, Kampfjets angeschafft und irgendwann finanziert werden, wie dann die Hochwasseropfer heute etwas davon haben können! Erklären Sie das den Leuten, bitte sehr! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr viel interessanter für die Menschen, die unter den Hochwasserschäden leiden, ist die Frage: Wie wird denn eigentlich diese enorme Verschwendung finanziert? Wie werden denn diese 2 Milliarden überhaupt finanziert? (Abg. Murauer: Was hat denn das mit den Hoch­wasseropfern zu tun?) Uns interessiert in einem Untersuchungsausschuss die Frage, wann Sie endlich einen Finanzierungsplan vorlegen werden, der gerade bei solchen Beträgen dem Natio­nalrat vorgelegt werden muss. – Erste Frage.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 177

Ich will auf die Äußerungen des Kärntner Landeshauptmanns gar nicht mehr eingehen, um die Regierungsstabilität der FPÖ nicht zu gefährden. In einem Untersuchungsausschuss interes­siert uns aber schon, wie Sie damit umgehen, dass man über Folgekosten wie Betrieb, wie Wartung gar nichts redet, dass man überhaupt nicht weiß, wie diese Kampfjets bewaffnet sind. Ist in dem Preis überhaupt eine Bewaffnung inkludiert? Das interessiert uns in einem Unter­suchungsausschuss!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns interessiert auch die Aussage des Be­schaffungsexperten des Verteidigungsministeriums, der da meint, das EADS-Angebot gehöre ausgeschieden, weil darin nichts für den Zeitraum vorgesehen sei, wenn die Draken ausge­schieden sein würden und die neuen Jets noch nicht da seien.

Uns interessiert, wieso Herr Finanzminister Grasser zunächst einmal gesagt hat, dass die An­schaffung dieses Kriegsgeräts – so hat er das genannt – überhaupt abzulehnen sei, und wieso er dann plötzlich dafür ist, und gleich für die teuerste Lösung. Ich frage mich: Hat da vielleicht Onkel Frank grüßen lassen? Wurde vielleicht irgendwo ein bisschen Druck ausgeübt auf diesen Herrn Finanzminister, oder hat er sich damit die Möglichkeit erkauft, Finanzminister zu bleiben? Das mag auch eine Möglichkeit sein.

Meine Damen und Herren! Uns interessiert auch, wieso Herr Rumpold – Exgeschäftsführer der FPÖ, soweit ich mich erinnern kann –, der einen riesigen PR-Auftrag bekommen hat, in diesem Zusammenhang meinte, dass, wenn man in Österreich nicht mit einem Geldkoffer auftauche, gar nichts klappe. Diese Aussagen interessieren uns in einem Untersuchungsausschuss.

Wieso muss CSU-Kanzlerkandidat Stoiber bei unserem Bundeskanzler intervenieren? Da war doch schon einmal etwas bei der Anschaffung von Radargeräten der Firma Thomson. Auch damals gab es diese Intervention, auch damals wurde das teuerste Gerät gekauft, und auch jetzt war das offensichtlich wieder notwendig. Diese Fragen interessieren uns, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren!

Als sehr wesentlich erscheinen uns in einem Untersuchungsausschuss auch die Aussagen des Dritten Präsidenten des Nationalrats, der da gemeint hat, dass ein Angebot von SAAB vorliege, das um 700 Millionen € günstiger sei, und wenn das nicht berücksichtigt werde und trotzdem Eurofighter gekauft würden, dann sei er für Neuwahlen. Diese Aussagen interessieren uns, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Und eine letzte Frage ist auch noch sehr interessant in dem Zusammenhang. Sie nimmt Bezug auf eine Äußerung des Chefs der Sparte Militärflugzeuge bei EADS. Der hat öffentlich gesagt, dass nirgendwo mehr gelogen werde als bei Gegengeschäften und bei Beerdigungsreden.

Meine Damen und Herren! Das sind Fragen, die nach einem Untersuchungsausschuss förmlich schreien. Und ich frage mich, warum Sie so vehement dagegen sind, warum Sie nicht die Gelegenheit eines Untersuchungsausschusses nützen, um zu zeigen, wie weiß Ihre Weste ist und wie sehr das alles nicht stimmt. (Ruf bei der ÖVP: Weil Sie keine guten Argumente haben!) Wenn Sie das wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu! (Beifall bei der SPÖ.)

19.56


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Redezeit ab jetzt jeweils maximal 5 Minuten. – Bitte.

19.56


Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es etwas kürzer machen als Kollege Gaßner. Wir haben ja heute im Grunde genommen schon eine umfassende Debatte zu diesem Thema abgehalten. Der Bundeskanzler hat in beeindruckender Weise nachgewiesen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), dass die SPÖ, solange sie in Regierungsverantwortung war, immer für eine Luftraumüberwachung ein­getreten ist, immer für Abfangjäger war und dass sie, seit sie sich in Opposition befindet, ganz einfach keine staatspolitische Verantwortung mehr wahrnehmen will


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 178

und sich gegen die Luft­raumüberwachung wehrt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Es geht um einen Untersuchungsausschuss!)

Die SPÖ ist sogar so weit gegangen, dass sie versucht hat, die Nationalratswahl zu einer Volks­abstimmung über die Anschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen umzufunktionieren. Auch dieser Versuch ist relativ kläglich gescheitert.

Was Sie hier versuchen, ist, über den Weg eines Untersuchungsausschusses eine Krimi­nalisierung vorzunehmen. Dafür stehen wir sicherlich nicht zur Verfügung, insbesondere auch deshalb nicht, weil der gesamte Beschaffungsvorgang vom Rechnungshof begleitet wird. Die ÖVP wird daher diesem Antrag sicherlich nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

19.58


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Gleiche Redezeit. – Bitte.

19.58


Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle wissen, dass in der Öffentlichkeit eine sehr breite Ablehnung hinsichtlich der Anschaffung von Abfang­jägern besteht. (Abg. Großruck: Und dafür brauchen wir einen Untersuchungsausschuss?) Aber das ist jetzt gar nicht Thema dieser Debatte. Wir diskutieren an dieser Stelle nicht die politische Sinnhaftigkeit der Anschaffung von Abfangjägern, sondern wir diskutieren an dieser Stelle die Frage, warum genau diese Entscheidung in dieser Form gefasst wurde, warum Sie sich entschieden haben, die teuersten Kampfflugzeuge anzuschaffen, und warum es Kampf­flieger sein müssen. Diese Entscheidung wurde auch gegen die militärische Bewertung, gegen die Empfehlungen hochrangiger militärischer Experten getroffen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Seit der Regierungsbildung sind die Fragezeichen, die hinsichtlich dieser Anschaffung im öffentlichen Raum gestanden sind, nicht gerade kleiner geworden. Ganz im Gegenteil! Sowohl in den Verhandlungen mit den Grünen als auch in den Vorgesprächen zu Verhandlungen mit der Sozialdemokratischen Partei war die Frage der Anschaffung der Kampfflugzeuge die Frage schlechthin seitens der ÖVP. In dieser Frage haben Sie keine Bereitschaft gezeigt, sich auch nur einen Zehntelmillimeter zu bewegen. Angesichts dessen stellt sich die Öffentlichkeit schon die berechtigte Frage, warum das so ist und welche Interessen dahinter stehen. Und das gilt es aufzuklären, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Nach wie vor steht der kryptische Vorwurf des Kärntner Landeshauptmanns im Raum, dass hinter dieser Entscheidung wirtschaftliche Interessen stünden. Das hat ja auch in der Freiheit­lichen Partei große Wellen geschlagen, und nach wie vor steht dieser Vorwurf unbeantwortet und unaufgeklärt im Raum.

Wir haben heute mit unserer Dringlichen Anfrage den redlichen Versuch unternommen, mit einem ganz normalen parlamentarischen Instrument wieder ein bisschen mehr Licht in diese Geschichte zu bringen. Es ist nicht gelungen, denn in ganz besonders nicht eindrucksvoller Art und Weise hat der Herr Bundeskanzler die Fragen nicht beantwortet und zur Beseitigung dieser Fragezeichen wirklich keinen Beitrag geleistet.

Wir haben schon vor Monaten den Antrag gestellt, einen Untersuchungsausschuss einzu­setzen. Sie haben diesen Antrag vor Monaten abgelehnt. Wir stellen diesen Antrag heute noch einmal. Wenn tatsächlich alles so sauber und korrekt ist, wie Sie es darstellen, dann setzen Sie doch den Schritt zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses, um auch die Öffentlichkeit davon zu überzeugen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie wirklich nichts zu verbergen haben, dann gibt es keinen Grund, heute der Einsetzung des Untersuchungsausschusses nicht zuzustimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich vor dem Hintergrund dieser aktuellen Frage der Einsetzung eines Unter­suchungsausschusses auch noch darauf hinweisen, dass es aus unserer Sicht ganz besonders


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 179

wichtig wäre – und wir hätten uns das für den Fall einer Regierungsbeteiligung als wichtigen Punkt vorgenommen –, dass die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ein Minder­heitsrecht im Nationalrat wird. Ich möchte Ihnen jetzt die Anregung für die laufenden Koali­tionsverhandlungen mitgeben, diesen Punkt sehr, sehr ernst zu nehmen und umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.02


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte. (Abg. Schieder: Er hat doch heute schon geredet!)

20.02


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der SPÖ ist ein wiederholter billiger Versuch von Oppositionsseite, ein staatspolitisch wichtiges Thema zu kriminalisieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap.) Wir konnten sachpolitisch darüber heute schon im Rahmen Ihrer verunglückten Dringlichen Anfrage diskutieren. Ich habe dort schon erwähnen dürfen, dass die Ausschreibungsmodalitäten vom Rech­nungshof geprüft worden sind. Diese Prüfung liegt vor. Wir werden in Bälde auch einen Prüfungsbericht in Bezug auf den gesamten Beschaffungsvorgang vorliegen haben. Das heißt für mich: Wir brauchen keinen Untersuchungsausschuss! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.03


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Die Rede­zeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

20.03


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Ob die Art und Weise, wie der Herr Bundeskanzler heute geantwortet hat, eindrucksvoll war, darf dahingestellt bleiben. (Zwi­schenruf des Abg. Amon.) Wir haben die Debatte an dem Punkt beendet, dass wir möglicher­weise gar nichts anderes tun können, als weiterhin einen Untersuchungsausschuss in dieser Angelegenheit zu verlangen, wenn das die Antwortqualität bleibt.

Ich darf zurückkommen auf ein paar Fragen, welche die SPÖ-Fraktion heute gestellt hat. Es wurde beispielsweise gefragt, wie hoch etwa die Finanzierungskosten für den Typus Eurofighter und für den Typus Gripen waren. – Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, dass er es nicht recht weiß und dass er es, auch wenn er es wüsste, nicht sagen dürfte. – Beides ist falsch! Er weiß es, und er sagt es aus einem bestimmten Grund nicht. Er sagt es deshalb nicht, weil bei allen Zahlungszielen und Konditionen Saab Gripen dem Eurofighter eindeutig überlegen ist. Sehen Sie, das diskutieren wir jetzt, Herr Kollege, und nicht: Abfangjäger – ja oder nein!

Der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zielt eindeutig darauf ab, zu untersuchen, wie in dem Beschaffungsvorgang vorgegangen wurde. Und ich sage Ihnen noch einmal: Was der Herr Bundeskanzler verschweigt, ist sehr wohl interessant für das Parlament. Wenn eine Anfrage an ihn gerichtet wird und er nicht antwortet, dann ist ein Untersuchungs­ausschuss das richtige Instrument, und deshalb drängt ja alles darauf hin.

Wie gesagt: In jeder dieser Finanzierungsvarianten ist der alternative – wenn Sie es so nennen wollen – Saab Gripen deutlich billiger. Wie das noch zu rechtfertigen sein wird, darauf sind wir sehr gespannt! Jedenfalls ist dieser Aspekt schwer aufklärungsbedürftig.

Der nächste Aspekt ist auch nicht unbedingt neu, wird aber juristisch immer relevanter: Wenn während des Vergabevorgangs von 24 auf 18 Abfangjäger zurückgestuft wird, dann sollten – wir behaupten: dann müssten – dem zweiten Anbieter die gleichen Konditionen vorgelegt wer­den. Das war aber nicht der Fall! Er kommt beim Verteidigungsministerium nicht einmal mehr bei der Tür hinein. Die Türen wurden ihm zugeschlagen, obwohl das nächste Angebot auf 18 Ab­fangjäger wesentlich billiger wäre! – Da frage ich mich: Warum muss das so sein? Warum muss das so sein, Herr Bundeskanzler? Das ist schwer aufklärungsbedürftig! (Beifall bei den Grünen.) Daher sollten Sie nicht so beleidigt sein, wenn ein Untersuchungsausschuss verlangt wird, wenn eben gerade zuvor die Anfrage mangelhaft oder gar nicht beantwortet wurde.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 180

In meinem letzten Punkt in diesem Zusammenhang komme ich noch einmal zu den Ge­gengeschäften. Wirtschaftsminister Bartenstein ist ja auch hier. Da passt nämlich hinten und vorne nichts zusammen! Ich erwähne das an dieser Stelle deshalb, weil wir es alle erleben werden, dass am Schluss dieser ganzen leidigen Angelegenheit die Argumentation wird her­halten müssen: Die Opposition hat Recht gehabt, der Gripen war viel billiger und militär­technisch auch nicht schlechter, aber die Sorge um das Staatsganze und die wirtschafts­politischen Notwendigkeiten haben uns den Eurofighter beschert.

Herr Bundeskanzler! Kommt Ihnen das nicht auch bekannt vor? Hatten wir das nicht schon bei Thomson? Dieses Drehbuch für die Eurofighter-Beschaffung entspricht eins zu eins der Be­schaffung der Radargeräte von Thomson. Auch damals wurde interveniert, dass sich die Balken gebogen haben – Sie wissen das ganz genau –, und zwar leider in manchen Punkten auch erfolgreich, und das zum Schaden der Republik. Und es hilft Ihnen jetzt gar nichts, wenn Sie mit dem geschätzten Herrn Nationalratspräsidenten weiter Konversation treiben. Sie werden irgend­wann und irgendwo und hoffentlich in diesem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen müssen, wenn Sie die Antworten sonst nirgends geben wollen!

Ich komme zurück zur Abfolge: Es werden am Ende des Tages die Gegengeschäfte sein, die Sie als Grund dafür strapazieren werden, warum man nicht anders entscheiden konnte. Bis dato liegen allerdings keine Gegengeschäfte vor. Wir haben uns Unterlagen, soweit es uns möglich war, besorgt. Wir haben Unterlagen aus dem Wirtschaftsministerium, aus welchen sogar erkennbar ist, dass massiv Druck hinsichtlich der Entscheidungskriterien ausgeübt wird. So sollten etwa Geschäfte, die nachweislich ohne die Eurofighter-Beschaffung zustande ge­kommen sind, in Höhe von Hunderten Millionen Euro als Gegengeschäft verbucht und ange­rechnet werden. Das ist doch alles nicht mehr nachvollziehbar! Entweder es ist ein Gegen­geschäft, dann steht es in ursächlichem Zusammenhang mit der Eurofighter-Beschaffung, oder es ist eben keines, dann darf das aber nicht hineinreklamiert werden. Mit diesen alten Einser­schmähs wird jetzt wieder hausieren gegangen, und ich meine, dass man es sich als Abge­ordneter tatsächlich nicht bieten lassen kann, wenn in diesen Punkten dann die Antworten ausbleiben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das waren die wichtigsten Argumente. Ich sehe, meine Redezeit ist zu Ende. Ich sollte an alle Abgeordneten appellieren, auch an jene der ÖVP, endlich einmal nachzufragen, warum es aus­ge­rechnet das teuerste Gerät sein muss. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Vielleicht ist gerade für Sie der Untersuchungsausschuss das Wichtigste, nicht nur für die Opposition! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.08


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Cap auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung des Ankaufs dieser Kampfflugzeuge.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungs­aus­schusses zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist daher abgelehnt.

Einlauf


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 43/A bis 60/A eingebracht wurden. Ferner sind die Anfragen 122/J bis 148/J eingelangt.

*****


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
5. Sitzung / Seite 181

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zu­weisungen betreffen wird, berufe ich für 20 Uhr 9 Minuten, das heißt im unmittelbaren An­schluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.09 Uhr

 

                                           Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH   604