Stenographisches Protokoll

124. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 27. Mai 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

124. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 27. Mai 1998

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 27. Mai 1998: 9.02 – 18.56 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen

Beratungsgruppe III: Äußeres

Beratungsgruppe VIII: Land- und Forstwirtschaft

Beratungsgruppe V: Justiz

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 7

Ordnungsrufe 12, 69


Nationalrat, XX.GP
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124. Sitzung / Seite 2

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser betreffend die unentschuldigte Abwesenheit des Abgeordneten Peter Rosenstingl 139

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 9

Antrag der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur näheren Untersuchung der Verantwortlichkeit von einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität im In- und Ausland gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 134

Bekanntgabe 39

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 39

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 135

Dr. Jörg Haider 137

Ablehnung des Antrages 139

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Abstimmung über wortidentische Entschließungsanträge 96

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 7

Ausschüsse

Zuweisungen 8

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1100 und Zu 1100 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen (1160 d. B.) 9

Beratungsgruppe III: Kapitel 20: Äußeres 9

Redner:

Dr. Jörg Haider 9

Dr. Michael Spindelegger 13

Dr. Martina Gredler 15

Peter Schieder 18

Mag. Doris Kammerlander 20

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 25

Ingrid Tichy-Schreder 30

Dr. Harald Ofner 31

Dr. Josef Cap 34

Hans Helmut Moser 35

Maria Rauch-Kallat 39

Dr. Gabriela Moser 40

Dr. Alfred Gusenbauer 42

Ing. Walter Meischberger 44

Dkfm. DDr. Friedrich König 45

Herbert Scheibner 47

Inge Jäger 49

Rudolf Schwarzböck 50

Dr. Helga Konrad 52

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 53

Mag. Dr. Josef Höchtl 56

Annahme der Beratungsgruppe III 56

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Dr. Josef Cap, Maria Rauch-Kallat, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Aktionsprogramm "Temelin" – Annahme (E 123) 41, 56

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der NATO über einen Beitritt Österreichs zur NATO – Ablehnung 48, 57

Beratungsgruppe VIII: Kapitel 60: Land- und Forstwirtschaft (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) 57

Redner:

Anna Elisabeth Aumayr 57

Georg Schwarzenberger 59

Dr. Harald Ofner (tatsächliche Berichtigung)61


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124. Sitzung / Seite 3

Ing. Mathias Reichhold (tatsächliche Berichtigungen) 62, 69, 71

Mag. Thomas Barmüller 62

Rainer Wimmer 64

Andreas Wabl 65

Rudolf Schwarzböck 69

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 72

Robert Wenitsch 75

Matthias Achs 77

Franz Koller 79

Jakob Auer 80

Dr. Stefan Salzl 82

Sophie Bauer 83

Dr. Harald Ofner 84

Katharina Horngacher 84

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 85

Karl Freund 89

Willi Sauer 90

Johannes Zweytick 91

Ing. Mathias Reichhold 93

Johannes Zweytick (tatsächliche Berichtigung)96

Annahme der Beratungsgruppe VIII 96

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Steuerentlastung für Österreichs Landwirte – Ablehnung 58, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Verzicht auf den Einsatz der Gentechnik als Mindestkriterium zur Teilnahme am ÖPUL II – Ablehnung 68, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Abschaffung der EU-Subventionen für Schlachttierexporte – Ablehnung 88, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie") – Zurückziehung 89, 91

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic , Georg Schwarzenberger, Heinz Gradwohl, Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie") – Annahme (E 124) 91, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Kudlich-Warte in Lobenstein – Ablehnung 95, 97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie") – siehe Abstimmung über wortidentischen Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Georg Schwarzenberger, Heinz Gradwohl, Mag. Thomas Barmüller und Genossen 95, 97

Beratungsgruppe V: Kapitel 30: Justiz (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) 97

Redner:

Dr. Harald Ofner 97

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 100

Mag. Terezija Stoisits 102


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124. Sitzung / Seite 4

Dr. Johannes Jarolim 105

Dr. Michael Krüger 107

Mag. Dr. Heide Schmidt 110

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 115

Dr. Martin Graf 118

Mag. Helmut Kukacka 120

Mag. Gisela Wurm 121

Josef Schrefel 123

Anna Huber 124

Edeltraud Gatterer 124

Mag. Johann Maier 126

Dr. Erwin Rasinger 127

Doris Bures 128

Dr. Franz Löschnak 130

Dr. Willi Fuhrmann 131

Wolfgang Jung 132

Annahme der Beratungsgruppe V 134

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Aufstockung des Personals der Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität – Ablehnung 103, 134

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 7

1191: Bundesgesetz, mit dem das Heeresdisziplinargesetz 1994 geändert wird

1199: Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (WRG-Novelle 1998)

1200: Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird

1202: Bundesmuseen-Gesetz

1203: 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz – 1. Euro-JuBeG

1206: Umweltkontrollgesetz

1207: Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater (Bundestheaterorganisationsgesetz – BthOG) und Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird

1208: Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen – BSEOG und Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird

Anträge der Abgeordneten

Maria Schaffenrath und Genossen betreffend die Abschaffung der Schulsprengel für öffentliche Pflichtschulen (794/A) (E)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen betreffend Kontrolle der politischen Parteien und parlamentarischen Klubs durch den Rechnungshof (795/A)


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124. Sitzung / Seite 5

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend kollektivvertragliche Ausnahmen vom Frauennachtarbeitsverbot (4472/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Förderung gemeinnütziger Einrichtungen (4473/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (4474/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend unsinnige Bürokratie und überzogene Sanktionen der AMA (4475/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Studienverlängerung für Studierende der Medizin in Wien durch Reduzierung der Sezierkursplätze (4476/J)

Klara Motter und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Sprengung eines Felspfeilers in der "Gelben Wand" (4477/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die bewußt unwahren Behauptungen, auf die sich der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 24. April 1998 hinsichtlich des Vereines "Dichterstein Offenhausen" stützt im Zusammenhang mit der parlamentarischen Anfragebeantwortung 1117/AB vom 11.7.1995 zu 1188/J vom 31.5.1995 durch Dr. Caspar Einem (4478/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die skandalöse öffentliche Diffamierung der Mitglieder des Vereines "Dichterstein Offenhausen" durch den Bezirkshauptmann des politischen Bezirkes Wels-Land, wirkl. Hofrat Dr. Josef Gruber (4479/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die seinerzeitige Tätigkeit des Robert Verbelen für die österreichische Staatspolizei und sohin die Republik Österreich (4480/J)

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den – im Zusammenhang mit der Einstellung des Vereines "Dichterstein Offenhausen" – bekanntgewordenen Verdacht des Verbrechens der Verletzung des Briefgeheimnisses gem. Artikel 10 StGG, Art. 8 MRK bzw. § 118 StGB durch Angehörige des Bundesministeriums für Inneres (4481/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (3918/AB zu 3932/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (3928/AB zu 3931/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (3929/AB zu 3923/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abge-ordneten Ernst Fink und Genossen (3930/AB zu 3938/J)


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der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (3931/AB zu 4020/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (3932/AB zu 3930/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (3933/AB zu 3922/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein und Genossen (3934/AB zu 3939/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen (3936/AB zu 3973/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (3937/AB zu 3970/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Leiner und Genossen (3938/AB zu 3977/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (3939/AB zu 3981/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (3940/AB zu 4011/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (3941/AB zu 3965/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (3942/AB zu 3983/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (3943/AB zu 3986/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (3944/AB zu 3988/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen (3945/AB zu 3980/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (3946/AB zu 3984/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (3947/AB zu 4005/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Amon und Genossen (3948/AB zu 4021/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Otmar Brix und Genossen (3949/AB zu 4022/J)


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124. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich begrüßen. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 124. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Amon, Dkfm. Holger Bauer und Dr. Schwimmer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Frau Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer wird durch Herrn Landwirtschaftsminister Mag. Molterer vertreten.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich auf die verteilte schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 3918/AB, 3928/AB bis 3934/AB und 3936/AB bis 3949/AB.

2. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Heeresdisziplinargesetz 1994 geändert wird (1191 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert wird (WRG-Novelle 1998) (1199 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994 geändert wird (1200 der Beilagen),

Bundesmuseen-Gesetz (1202 der Beilagen),

1. Euro-Justiz-Begleitgesetz – 1. Euro-JuBeG (1203 der Beilagen),

Umweltkontrollgesetz (1206 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundestheater (Bundestheaterorganisationsgesetz – BthOG) und Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 1998 geändert wird (1207 der Beilagen),


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Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen – BSEOG und Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert wird (1208 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuß:

Antrag 788/A (E) der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen betreffend Maßnahmen zugunsten von Mädchen und Frauen, die von menschenrechtsverletzenden Praktiken der Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsorgane betroffen sind;

Finanzausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz und das Pfandbriefgesetz geändert werden (1165 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG (1185 der Beilagen),

1. Euro-Finanzbegleitgesetz (1187 der Beilagen),

Antrag 790/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1981 geändert wird,

Antrag 792/A der Abgeordneten Dr. Ewald Nowotny, Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Ermächtigung zur Veräußerung von Anteilsrechten an der "Österreichischen Exportfonds Gesellschaft m. b. H." erteilt wird;

Gesundheitsausschuß:

Bundesgesetz über den kardiotechnischen Dienst (KardiotechnikerG – KTG) (1166 der Beilagen);

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Bundesgesetz, mit dem das Weingesetz 1985 geändert wird (1198 der Beilagen);

Rechnungshofausschuß:

Antrag 789/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol, Dr. Hans Peter Haselsteiner, MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen gemäß § 99 Abs. 1 GOG auf Beauftragung des Rechnungshofes mit der Durchführung besonderer Akte der Gebarungsüberprüfung;

Umweltausschuß:

Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 1998 (1201 der Beilagen);

Verfassungsausschuß:

Antrag 791/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird,


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Antrag 793/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Kontrolle der politischen Parteien und parlamentarischen Klubs durch den Rechnungshof.

*****

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1100 und Zu 1100 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen (1160 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Gegenstand der Verhandlung ist der Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1100 und Zu 1100 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über einen Vorschlag betreffend die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" vereinbart, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 135 Minuten, ÖVP 126 Minuten, Freiheitliche 117 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 81 Minuten.

Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitgliedes oder Staatssekretärs, die 20 Minuten übersteigt, wird der Redezeit der entsprechenden Fraktion angerechnet werden.

Ich frage das Hohe Haus, ob es gegen diesen Vorschlag Einwendungen gibt. – Da dies nicht der Fall ist, ist das so beschlossen.

Beratungsgruppe III

Kapitel 20: Äußeres

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir verhandeln nunmehr die Beratungsgruppe Äußeres.

Wird eine mündliche Berichterstattung gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Nun beginne ich mit dem ersten zu Wort gemeldeten Kontraredner. Es ist dies Herr Abgeordneter Dr. Haider. Eine freiwillige Redezeit von 10 Minuten wird mir gemeldet, aber ich stelle auf 20 Minuten ein. (Abg. Dr. Haider: 10 Minuten!)  – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.04

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben uns schon im Budgetausschuß über einige Schwerpunktbildungen im Zusammenhang mit der österreichischen Außenpolitik unterhalten, wobei für uns Freiheitliche von besonderem Interesse die Frage der Lösung der Probleme vor der eigenen Haustüre ist.

Man kann davon ausgehen, daß es eine Reihe von offenen Fragen in der österreichischen Außenpolitik gibt, die unsere unmittelbaren Nachbarländer betrifft. Da wir ja gerade im Zusammenhang mit der bevorstehenden EU-Präsidentschaft besonderen Wert darauf legen, die Nachbarschaftspolitik zu ordnen, scheint es doch wichtig zu sein, einmal anzumerken und auch den Herrn Außenminister zu fragen, wie er es denn mit der europäischen Atompolitik nun wirklich hält, weil wir täglich Informationen dahin gehend bekommen, daß die österreichische Außenpolitik auch im Verbund mit der Europäischen Union nicht in der Lage ist, im unmittelbaren Grenz- und Nachbarbereich eine Politik zu machen, die verhindert, daß die österreichische Bevölkerung durch die Inbetriebnahme von Atomkraftwerken, etwa in der Slowakei, erheblich gefährdet wird.

Das ist deshalb problematisch, Herr Bundesminister und Vizekanzler, weil uns ja immer wieder gesagt wurde: Wenn wir in der EU sind, dann haben wir einen starken Partner, um ein atomfreies Mitteleuropa durchzusetzen. – Faktum ist, daß wir jetzt eine erhebliche Summe


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Geldes auch für die Atomforschungspolitik innerhalb der EU zahlen, damit jene Sicherheitstechniken, die noch nicht in Osteuropa implantiert sind, verkauft werden können, Österreich aber keine Politik in der Richtung verfolgt, daß es zu einer Abrüstung und zu einer Alternative zu diesen Atomkraftwerken kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das heißt, wir bezahlen zwar mit unserem Geld die Atompolitik der Europäischen Union, erwarten aber gleichzeitig, daß die EU uns behilflich ist beim Abrüsten von Atomkraftwerken.

Dasselbe spielt sich ab, was das Atomkraftwerk Krško angeht, das in Grenznähe von Slowenien, Kroatien und Österreich liegt. Dort ist die Problematik genauso, und es stellt sich daher zu Recht für uns die Frage: Gibt es eine Anti-Atompolitik, die von Ihrem Ressort gemacht wird und die auch innerhalb der EU ein entsprechendes Gewicht hat, damit nicht wieder so etwas geschieht, wie wir es derzeit mit Mochovce erleben? Denn es nützt nichts, daß immer gesagt wird: Wir verhandeln in Menschenrechtsfragen!, wenn die Menschenrechte der österreichischen Bevölkerung dem Außenminister und auch der EU im Grunde genommen ziemlich egal sind, wenn es um die Durchsetzung von Lebensinteressen geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweitens glaube ich, daß es ein hausgemachtes Problem vor der Haustüre gibt, nämlich die gesamte EU-Osterweiterung. Sie werden sehr bald Gelegenheit haben, als offizieller Vertreter Österreichs im Rahmen der EU-Präsidentschaft diesen Prozeß der EU-Ostöffnung voranzutreiben. Die ersten kritischen Kommentare in den Medien lassen schon darauf schließen, daß man erkannt hat, daß die österreichische Politik da in eine Doppelmühle gerät: Einerseits sagen die Landeshauptleute, die Agrarpolitiker, die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft, daß diese Osterweiterung nicht kommen kann, weil sie nicht durchführbar ist, andererseits wird die österreichische Bundesregierung ... (Widerspruch des Abg. Schwarzböck. ) Na selbstverständlich! Lesen Sie in der Zeitung "Die Presse" nach, was Herr Pröll gestern meinte, Herr Kollege, damit Sie informiert sind! Vielleicht sind Sie noch nicht so weit mit dem Zeitunglesen – guten Morgen!

Sie werden also gewissermaßen eine Doppelrolle spielen müssen: Sie werden im EU-Vorsitz die Ostöffnung propagieren müssen, und gleichzeitig soll in Österreich der Eindruck erweckt werden, es wird "eh" nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Das ist eine Doppelstrategie, die sehr auffällig ist. Sie haben ja selbst in öffentlichen Erklärungen eine sogenannte Grenzlandförderung versprochen. Von dieser Grenzlandförderung haben sich inzwischen alle verabschiedet, da ja auch die zuständige Kommissarin uns mitgeteilt hat, das werde es in keinem Fall geben. Es kann INTERREG-Programme geben, aber die haben wir jetzt schon, und die sind von der Größenordnung her nie so dotiert, daß daraus ein sinnvolles Grenzlandprogramm abgeleitet werden kann.

Und überhaupt: Welchen Sinn hat es, wenn man – wissend, daß die Osterweiterung für Österreich ganz elementare und wesentliche Nachteile bringt – sagt, man macht es trotzdem, holt sich aber dann ein bißchen Geld, um die ärgsten Schäden wieder zu reparieren? Wäre es nicht gescheiter, von vornherein zu verhindern, daß Schäden entstehen, bevor man wieder Geld braucht, um die Schäden zu reparieren?! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das sagen Ihnen ja die Landeshauptleute selbst. Es gibt da ein Dokument der Landeshauptleutekonferenz, wo unter der Vorsitzführung der steirischen Landeshauptfrau ein Positionspapier über ein Sonderprogramm entwickelt worden ist, in dem betont wird, daß die Gefahr besteht, daß das Gefälle im Sozial- und Sicherheitsbereich und bei den Umweltstandards so groß sein wird, daß das für Österreich nachteilig wäre. Und im Punkt 11 heißt es: Schon jetzt, ohne vollständige Realisierung des Binnenmarktes, sind infolge der Ostöffnung in den angrenzenden Regionen Österreichs folgende Entwicklungen eingetreten: Produktions- und Investitionsauslagerung in der Ostregion Österreichs – das heißt, die Betriebe wandern in den Osten aus –, verstärkter Kaufkraftabfluß aufgrund wegfallender Zollbeschränkung und des niedrigen Preisniveaus in diesen Nachbarstaaten, Verlagerung im Bereich der Dienstleistungen.

Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie, Herr Vizekanzler, den Österreichern so zu erzählen pflegen. Sie sagen immer: Eine riesige Chance, neue Arbeitsplätze, zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten! – Daß das nicht funktioniert, beweist die Realität. Wenn Sie heute in Tschechien einen Facharbeiter aufnehmen, kostet er im Schnitt etwa 4 000 S. Wenn Sie einen


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österreichischen Facharbeiter bezahlen müssen, bekommen Sie ihn nicht unter 20 000 S brutto. Es ist also sehr leicht auszurechnen, welche Entwicklung im Falle dieses Integrationsprozesses allein auf dem Arbeitsmarkt eintreten würde. Da rede ich jetzt noch gar nicht von den sich ständig verschlechternden Relationen auf dem Sektor der Umweltstandards.

Wenn Sie heute nach Slowenien gehen und dort eine Mikrochip-Produktion aufmachen, haben Sie überhaupt keine Umweltauflagen, aber es gibt bereits ein Assoziationsabkommen mit der EU, daß die, die dort billig produzieren, zu gleichen Bedingungen auch auf dem europäischen Markt die österreichischen Produzenten ausstechen können.

Es kann doch wirklich nicht sein, daß die eigene Wirtschaftsstruktur durch die Fahrlässigkeit der Außenpolitik latent gefährdet wird. – Das sind die Dinge, die wir Ihnen sagen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Clinton hat vor kurzem im Zuge seines Deutschland-Besuches von der "Logik der Interdependenzen" gesprochen. Die "Logik der Interdependenzen" heißt für ihn, daß es so etwas wie eine Wechselseitigkeit, eine Reziprozität, ein Miteinander geben muß. Das heißt, daß man Schritte der Öffnung nur dann setzen kann, wenn damit auch erhebliche Vorteile für diejenigen verbunden sind, die diese Vorteile bisher nicht gesehen haben. Wir wollen eigentlich von Ihnen jetzt einmal ein bißchen hören, wie denn da die Linie angelegt wird.

Daß Sie selbst das nicht sehr ernst nehmen und daß die Österreichische Volkspartei auch mit ihren Vertretern im Europäischen Parlament und in der Kommission diese Dinge nicht sehr ernst nimmt, sieht man an folgender Begebenheit:

Da hat die Frau Klasnic als Vertreterin der Landeshauptleute offiziell die Forderung eines Grenzland-Sonderprogramms in Brüssel deponiert. Sie hat einen Begleitbrief umfassender Art geschrieben, und dann antwortet der Herr Fischler mit ein paar Dankesworten. – Da hat der Herr Pirzio-Biroli bereits auf den Brief der Frau Landeshauptfrau draufgeschrieben: kurzes Dankschreiben – Ablage. – So "ernst" wird das genommen! Kurzes Dankschreiben – Ablage, steht da.

Und Herr Pirzio-Biroli, der Büroleiter des Herrn Fischler, schickt dann an den zuständigen Kommissar van den Broek dieses Grenzland-Sonderprogramm der Landeshauptleute mit dem Kommentar: I leave it to your assessment. Das heißt: Mach, was du willst, mit dem Zeug, was ich dir hier schicke. – I leave it to your assessment. – Pirzio-Biroli. Uns interessiert das nicht, was die Landeshauptleute da wollen, uns interessiert auch nicht, was der Herr Schüssel immer wieder verspricht. I leave it to your assessment: Mach, was du willst, mit dem Papier der Landeshauptleute, Grenzlandförderung gibt es nicht. – So werden Sie die Österreicher nicht hinters Licht führen können, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein drittes Problem, das geortet wird, ist die Frage unseres Nachbarn Slowenien. Sie haben groß angekündigt, jetzt seien die Probleme mit der österreichischen Minderheit in Slowenien, der altösterreichischen Minderheit, gelöst. – Mitnichten! Sie haben ein Kulturabkommen in Aussicht gestellt, das verhandelt wird. Was wir aber wollen, ist, daß die österreichische Minderheit, die Altösterreicher deutscher Sprache in Slowenien so abgesichert werden, wie dort alle Minderheiten abgesichert werden. Es gibt nämlich eine Bundesverfassung Sloweniens, in der die ungarische Minderheit, in der die italienische Minderheit verfassungsrechtlich abgesichert ist. Und Sie lassen sich abspeisen mit einem Kulturabkommen und sagen: Das löst das Problem der Altösterreicher in Slowenien! – Mitnichten, Herr Bundesminister! Das ist wieder so ein Pfusch wie das Grenzland-Sonderprogramm, das Sie uns verkaufen wollen, das es aber nicht geben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und das liegt ganz auf der Linie wie etwa die Verhandlungen mit Slowenien über die Beteiligung bei den Olympischen Spielen. Da sagt der Bund: Verhandelt mit Slowenien über die Garantien, wir geben euch die Garantien von 13,8 Milliarden Schilling für die Austragung der Olympiade in Klagenfurt erst dann, wenn Slowenien und Italien die Teilgarantien übernommen haben! Da müßten Sie bereits aktiv werden, Herr Bundesminister! Wissen Sie, was in der Zwischenzeit geschehen ist? – In der Zwischenzeit hat die slowenische Regierung den Bürgermeister von Kranjska Gora offiziell beauftragt, die Garantien zu übernehmen für die Olympischen Spiele.


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Jetzt können Sie sich ungefähr ausrechnen, was das wert ist: Es gibt weder eine Regionalverfassung, noch gibt es eine finanzielle Autonomie des Herrn Bürgermeisters von Kranjska Gora – noch hat dieser ein Budget, sodaß er Garantien in Milliardenhöhe übernehmen könnte.

Und auch das wollen Sie den Österreichern verkaufen als eine solide Lösung der Probleme, die ins Haus stehen! Da muß ich Sie schon bitten, sich ein bißchen stärker anzustrengen und nicht immer irgendwelche nebulosen Luftballons steigen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und schließlich bitte ich Sie, einmal nachzudenken, ob wir wirklich das Geld, das Sie in Ihrem Budget einsetzen – immerhin über 4 Milliarden Schilling –, richtig disponieren. Wenn ich mir das anschaue: Da gibt es für Bosnien und für den Balkanraum die European Community für das Monitoring. Da gibt es eine eigene Monitoring-Mission, eine eigene Institution. Die bezahlen wir mit 5,6 Millionen Schilling, und außer Berichten ist dort nichts herausgekommen. Keine einzige Konsequenz ist gezogen worden! Und jetzt wollen Sie wieder 5,6 Millionen Schilling hineinstecken. 16,4 Millionen Schilling sind wieder für Bosnien vorgesehen. Jeder weiß, daß die Kritik des Europaparlaments und des Entwicklungsministers in Deutschland berechtigt ist, daß dort Milliardenbeträge verfügbar liegen, aber nicht abgerufen werden können, weil die Bürokratie nicht in der Lage ist, in Bosnien das Geld zum Einsatz zu bringen. Ich frage mich: Warum setzen Sie jetzt wieder Geld ein, wenn die Dinge noch gar nicht abgearbeitet sind?

Oder: Sie investieren 8 Millionen Schilling in die GASP-Aktionen, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Niemand weiß, ob das überhaupt mit der Neutralität vereinbar ist, wenn dort sogar gefordert ist, daß Kampfeinsätze inklusive friedensstiftender Maßnahmen damit finanziert werden sollen. Wie wollen Sie als Neutraler Kampfeinsätze in einem Verband mit anderen machen? Das müssen Sie den Österreichern erst erklären, wie das funktionieren soll.

Und das geht hin bis zur Geldausgabe für bikulturellen Unterricht in Guatemala in der Höhe von 9 Millionen Schilling. (Abg. Mag. Guggenberger: In Guatemala gibt es eine österreichische Schule!) Sogar in Uganda wird ein Gefängnis mit 23 Millionen Schilling saniert. Ich frage mich jetzt wirklich: Was haben wir mit unseren Steuerngeldern in Uganda verloren, lieber Herr Bundesminister? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sollten sich darum kümmern, daß die Dinge vor Ort, in Österreich, geregelt werden! (Abg. Schieder: Wahrscheinlich sollte man es in Brasilien tun!)

Na ja, vielleicht kommt er ohnehin noch auf diese Idee. Die Herren sind ja sehr kreativ, Herr Kollege Schieder. Wir haben da schon einiges erlebt: Wenn ich an Ihre Ganoven denke, die auch im Ausland Gelder, die wir an öffentlichen Förderungen vergeben haben ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Wir haben uns alle vorgenommen, in der Sprache vorsichtiger zu sein. Es geht nicht, "Ihre Ganoven" zu sagen!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Herr Präsident! "Ganoven" ist ein durchaus gängiger Ausdruck für das, was Sie letzte Woche hier im Parlament geprägt haben. Ich vollziehe nur Ihre Wortmeldungen, die Sie uns gegenüber abgegeben haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Haider! Ich rufe Sie zur Ordnung.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Danke. Ich nehme diese Gelegenheit gerne wahr, Ihren Ruf zu empfangen, und schließe damit, daß der Herr Bundesminister und Vizekanzler auch von uns Freiheitlichen höflich eingeladen wird – damit das Präsidium kein Problem hat mit meiner Wortwahl –, höflich eingeladen wird, sich auch ein bißchen darum zu kümmern, wie die Außenvertretungen Österreichs funktionieren. Ich nenne nur ein Beispiel:

Sie haben in dem wichtigen Bereich Rußland einen einzigen Honorarkonsul, der in St. Petersburg sitzt, neben der Moskauer Vertretung. Sie wissen aber genau, daß die Frage der Visa-Vergabe, der Einreisebewilligungen ein riesiges Problem ist, und Sie wissen ganz genau, daß da in letzter Zeit allerhand vorgefallen ist. Geschäftsleute schreiben uns etwa, daß sozusagen korrupte Konsularmitarbeiter Visa nur gegen Geld vergeben. Insbesondere wird dabei auch die


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immer wieder in Diskussion stehende Firma Nordex zitiert, die sehr großzügig ist, damit sie rasch Visa für ihre Geschäftsfreunde erhält.

Das ist ein Brief, zu dem sich dieser Geschäftsmann auch bekennt. Er hat das auch an das Außenministerium geschrieben. Ich würde Sie also schon bitten, nicht nur zu sagen: Es ist fürchterlich, daß die Mafia so aktiv ist!, sondern auch einmal nachzuforschen: Nach welchen Gesichtspunkten und nach welchen Strategien wird denn die Vergabe der Einreisevisa und der Bewilligungen in den österreichischen Vertretungsbehörden in Osteuropa wirklich durchgeführt? Nach welchen Gesichtspunkten wird da vorgegangen? Stimmt es, daß mit Bestechungsgeldern auch österreichische konsularische Mitarbeiter konfrontiert sind, daß auch solche Gelder dort fließen? Stimmt es, daß die Firma Nordex bevorzugte Behandlung bei den österreichischen Vertretungsbehörden erfährt? – Dann klärt sich nämlich auf, warum die österreichische Bundesregierung derzeit mit einer derartigen Intensität beschäftigt ist, die Frage Nordex unter den Teppich zu kehren, weil wir es gewagt haben, sie darauf hinzuweisen, daß diese Firma in erheblichem Verdacht steht, eine mafiose Organisation zu sein, die aber offenbar auch in den konsularischen Behörden Österreichs Tür und Tor offen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

9.21

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Kollege Haider, Sie befleißigen sich gleich in der ersten Wortmeldung am Morgen eines neuen Plenartages einer Wortwahl, die eigentlich in diesem Haus gar nichts verloren hätte, aber insbesondere in der Außenpolitik nichts verloren hat. Meine Damen und Herren, das möchte ich ausdrücklich festhalten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)

Ich möchte auf den Inhalt dessen, was Sie erzählt haben, eigentlich nur in einem Punkt eingehen. Sie beschäftigen sich in Ihrer Fraktion mit der Osterweiterung nur in der Art und Weise, daß Sie nein sagen. Die Frage der Osterweiterung der Europäischen Union ist nicht mehr eine Frage des Ob, sondern eine Frage des Wann und des Wie. Mit diesen zwei Themen beschäftigen wir uns schon seit geraumer Zeit auch im Außenpolitischen Ausschuß sehr intensiv, aber wahrscheinlich haben Sie aufgrund Ihrer seltenen Teilnahme dort diese Diskussion versäumt.

Ich halte es für völlig unrealistisch, heute zu sagen: Wir wollen keine Osterweiterung der Europäischen Union. Meine Damen und Herren! Die Diskussion ist beendet. Es wird diese Erweiterung geben. Viel wichtiger ist es, zu klären, wie, auf welchem Weg und wann sie erfolgen soll. Das halte ich für ein fundamentales Interesse der Österreicher, und darüber sollten wir uns unterhalten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir haben dazu bereits eine Reihe von Vorschlägen gemacht, und ich will das heute in dieser Debatte nicht noch einmal im Detail ausführen. Ich möchte nur eines klar zurückweisen: Sie haben dem Außenminister und der Außenpolitik Österreichs Fahrlässigkeit vorgeworfen. Meine Damen und Herren! Jemandem Fahrlässigkeit vorzuwerfen, das heißt, daß jemand mangelnde Sorgfalt an den Tag legt. Das, was Sie betreiben, gerade in Fragen der Osterweiterung der Europäischen Union, ist nicht Fahrlässigkeit, sondern das ist Vorsatz der Irreführung der Österreicher, und das ist ein viel schlimmeres Delikt als Fahrlässigkeit. Das möchte ich auch in diesem Zusammenhang einmal festhalten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Aber lassen Sie mich nun zum Budget zurückkehren, über das wir heute reden sollten. Wir finden beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten für das Jahr 1999 ein Volumen von nur etwas über 4 Milliarden Schilling vor. Gegenüber den Ausgaben von 1998 ist das ein Minus von 240 Millionen Schilling. Wenn wir uns den Stellenplan ansehen, stellen wir fest, es gibt in der Zentralleitung etwa 700 Planstellen, um 18 weniger als im Jahr 1998, und bei den Vertretungsbehörden im Stellenplan 862 Planstellen; das sind um zwei mehr. Insgesamt bedeutet das trotzdem, daß im Außenministerium personell und auch von den Sachausgaben her äußerst sparsam vorgegangen wird. – Ein kleines Budget für ein kleines Ministerium mit wenigen Planstellen, das aber nach außen ungeheuer große Wirkung entfaltet.


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Meine Damen und Herren! Wenn wir uns diese Außenwirkung des Außenministeriums vergegenwärtigen, dann müssen wir durchaus auch einmal anerkennend sagen, daß das Außenamt mit seiner sehr unterschiedlichen Struktur, von den Vertretungsbehörden bis zur Zentralstelle, heute ein Aufgabenspektrum zu erfüllen hat, das wirklich gewaltig ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Seit 1995 hat sich dieses Aufgabenspektrum wesentlich ausgeweitet. Die Österreicher haben ja gesagt zur Europäischen Union, aber es muß auch jemand vollziehen, daß wir dort mitreden können. In allen diesen unterschiedlichen Gremien in Brüssel, in all der Vorbereitungsarbeit in Österreich, in all der Koordinationsarbeit, die wir brauchen zwischen den unterschiedlichen Ministerien, gibt es natürlich einen großen Koordinator, und das ist das Außenministerium mit seinen hervorragenden Mitarbeitern.

Wir haben heute wesentlich mehr Dienstleistungen bei den Vertretungsbehörden. Der Servicecharakter für die Österreicher im Ausland steigt wesentlich. Wir sehen, daß mit der Präsidentschaft die Beziehungen zu den anderen Ländern der Europäischen Union wesentlich gesteigert werden, von der Quantität her, aber auch von der Qualität her. Auch die rein konsularischen, administrativen Tätigkeiten sind in den letzten Jahren wesentlich angewachsen. All das ist mit einem sehr kleinen Planstellenpensum des Außenministeriums, mit einem sehr kleinen Budget zu bewältigen, und das in dieser Qualität, meine Damen und Herren. Ich glaube, an dieser Stelle müssen wir auch einmal den Mitarbeitern des Außenamts, dem Diplomatischen Dienst in Österreich dafür unsere besondere Anerkennung und unseren Dank aussprechen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte aber auch zu einem aktuellen Punkt kommen, der uns vielleicht heute, an einem Tag, da das Plenum zum letzten Mal vor der Präsidentschaft der Österreicher in der Europäischen Union über diese Themen diskutiert, bewegen wird: die Präsidentschaft für die sechs Monate im zweiten Halbjahr 1998. Es sind noch 35 Tage, bis wir diese Präsidentschaft übernehmen, und auch in diesem Zusammenhang sehen wir ein Spektrum, das Österreich im Vorsitz Entscheidungen abverlangen wird, das einer intensiven Vorbereitung bedarf, das sehr heterogen ist. Wir haben so viele verschiedene Schritte zu tun in diesen sechs Monaten, und ich glaube, es wird eine besondere Herausforderung für den Außenminister, aber auch die übrigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung darstellen, das wirklich bewältigen zu können.

Wir blicken gerne auf den Inhalt, sehen aber daneben natürlich auch die Tatsache, daß damit eine organisatorische Vorbereitung erforderlich ist, die gewaltige Ausmaße annimmt: 39 Ministertagungen in Brüssel und Luxemburg, 1 500 Beamtentreffen, der Europäische Rat in Wien, unzählige Sitzungen in Wien, auch informeller Natur, die hier organisiert werden müssen. Und gerade diese Organisationsarbeit ist bei solchen internationalen Auftritten oft das, was im Gedächtnis der Teilnehmer entscheidend haften bleibt. Die Vorbereitungsarbeiten erfolgen im Außenministerium, unter der Führung von Frau Staatssekretärin Benita Ferrero-Waldner, die nicht nur eine exzellente Vertretung österreichischer Interessen im Ausland vornimmt, sondern neuerdings auch ein Sponsoring von Firmen für die Präsidentschaft in Angriff genommen hat. Die Vorbereitung insgesamt ist wirklich exzellent, und ich möchte ihr dazu gratulieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Aber auch die Inhalte dieser Präsidentschaft zeigen in Wahrheit das weite Spektrum auf: Der Countdown zur Währungsunion ist einzuläuten. Die Umrechnungskurse für den Euro werden Ende Dezember in Wien festzulegen sein. Bei der Beschäftigung wird eine erste Sichtung der Maßnahmen der Mitgliedsländer zu erfolgen haben. Im Rahmen der Erweiterungsverhandlungen wird es unter österreichischem Vorsitz substantielle Verhandlungen geben, und vielleicht wird das eine oder andere Kapitel bereits abgeschlossen werden können. In der Agenda 2000, dem wesentlichen Programm für die Finanzierung der Europäischen Union, für die neue Strukturpolitik, wird Österreich versuchen müssen, das beschlußreif zu machen, wenngleich es nicht mehr beschlossen werden wird, und wird dabei natürlich auf österreichische Interessen gerade in den Grenzregionen besondere Rücksicht nehmen müssen. Im Bereich der Umwelt wird die Standarddiskussion aufgenommen, eine aktive Rolle der Europäischen Union in internationalen Verhandlungen über die Umwelt vorgelebt werden müssen.


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Bei der inneren Sicherheit gibt es neue Instrumente nach dem Amsterdamer Vertrag. Es wird begonnen, diese in der Umsetzungsphase zu realisieren.

Meine Damen und Herren! Es handelt sich um eine Fülle von Aufgaben, die rein formal auf uns zukommen. Darüber hinaus ist die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union von Österreich zu bestimmen. Die Verhandlungen mit Zypern, die eine Vorbereitung in Richtung einer Deeskalation zwischen Griechenland und der Türkei voraussetzen, werden eine solche besondere Frage der Außenpolitik der Europäischen Union sein, wie auch die Post-Lomé-Abkommen, mit deren Verhandlung ab September 1998 begonnen werden wird. Es handelt sich also um eine wirklich ganz besondere Quantität, aber auch Qualität, die Österreich in diesem Falle einbringen muß.

Meine Damen und Herren! Für mich und für die Österreichische Volkspartei ist eines klar: Sechs Monate wird Österreich in der Auslage stehen. Ich bin mir dessen sicher, daß unser Außenminister in dieser Frage jener sein wird, der Österreich in dieser Auslage so darstellen muß, daß Europa und der europäische Betrachter Gefallen daran finden. Ich bin mir dessen sicher, daß diese Aufgabe bei ihm in besten Händen ist, und möchte noch einmal zur bisherigen Vorbereitung gratulieren. Ich freue mich auch darauf, daß wir in diesen sechs Monaten Geschick für Europa beweisen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 14 Minuten. – Bitte.

9.32

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann eigentlich nicht mit einem Kompliment beginnen. (Abg. Dr. Khol: Das ist aber traurig!) Herr Schieder! Wir warten seit fast einem Jahr auf den Amsterdamer Vertrag und haben es bis zum heutigen Datum nicht geschafft, ihn im Plenum zu haben. (Abg. Schieder: Er kommt gar nicht in den Außenpolitischen Ausschuß, er kommt in den Verfassungsausschuß! Sie stehen bei der falschen Tür! Er kommt woanders hin, nämlich in den Verfassungsausschuß!) Ich wünsche mir, daß wir ihn bis zur Präsidentschaft durch das Parlament durch haben. Sie sind nicht ganz ohne Einfluß in Ihrer Fraktion, Herr Schieder, insbesondere nicht bezüglich des Amsterdamer Vertrages.

Aber es ist egal, wir können auch ein anderes Beispiel heranziehen, nämlich das UNO-Menschenrechtsjahr. Da haben wir lange gebraucht, bis wir einen gemeinsamen Standpunkt für das Parlament erarbeitet haben, und das ist noch immer nicht im Plenum. Schade; ich wünsche mir, daß das auch auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses kommt. Vielleicht können Sie jetzt auch nicken und sagen, das ist wirklich ein wichtiges Ereignis für Österreich. Es hat ja vor einigen Jahren eine diesbezügliche Tagung gegeben, die auf der ganzen Welt Aufsehen erregt hat. In diesem Zusammenhang möchte ich, daß wir es wirklich schaffen, in der nächsten Sitzung des Hohen Hauses diese gemeinsame Resolution einzubringen, wobei ich mir dann auch erlauben werde, eine Tibet-Resolution, die seit 1996 der Enderledigung im Plenum harrt, einzubringen. Ich möchte gerne wissen, ob Sie vielleicht Ihre Menschenrechtsaktivitäten auch auf dieses Gebiet lenken könnten, daß Sie nämlich dort, wo Probleme entstehen, und zwar auf der ganzen Welt, ungeachtet dessen, welches Regime im Hintergrund steht, Mißstände ankreiden und deren Bekämpfung auch mitunterstützen.

Aber jetzt komme ich zu wesentlichen Punkten der Außenpolitik, zunächst zur Erweiterung der EU. Die Erweiterung ist, glaube ich, jenes Thema, das uns in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Ich bin nicht bereit, einen Datumspoker dahin gehend mitzumachen, wann wir eigentlich die Erweiterung wollen. Tatsache ist, daß seit dem Fall der Mauer die Erweiterung eigentlich schon stattfindet, und zwar in kleinen Schritten. Wir wollen sie auch alle, und zwar deshalb, weil wir alle davon profitieren.

Es wurde festgestellt, daß offensichtlich seit 1989 40 000 Arbeitsplätze in Österreich aufgrund der neuen Situation – der fallenden Handelshemmnisse et cetera – entstanden sind, es handelt sich hiebei sehr wohl auch um Arbeitsplätze von Österreicherinnen und Österreichern. Auf der


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anderen Seite spricht man immer von Handelsüberschuß. Ich nehme an, daß die Zahlen, die von der Bundesregierung herausgegeben werden, nicht wirklich die Unwahrheit sagen.

Es wird Kollege Cap zitiert, der gesagt hat: "Ich bin momentan Gegner der Osterweiterung." – Das finde ich schade, Herr Cap. (Abg. Scheibner: Der ist gescheit, der Cap! Der gefällt mir immer besser!) 40 000 Arbeitsplätze und ein Handelsüberschuß – ist das wirklich so schlecht? Glauben Sie wirklich, daß das gefährdet wird, wenn sich die Grenzen öffnen?

Das Problem, das wir sehen, ist, daß wir eigentlich ein Wohlstandsgefälle haben. Dieses Wohlstandsgefälle kann man nach Meinung der Bundesregierung nur in den Griff bekommen, wenn auf der einen Seite der Grenzen, also auf unserer Seite, gefördert wird, damit ja nichts passiert. Das heißt, daß dieses Gefälle bestenfalls auf einem höheren Niveau bestehen bleibt. Das ist absolut unlogisch. Wenn ich ein Problem dies- und jenseits der Grenze sehe, dann muß ich doch dort fördern, wo ich dieses Gefälle habe, nämlich auf der Seite unserer Nachbarstaaten. Und das ist die wichtigste Sache, die wir eigentlich in Brüssel durchsetzen sollten, nicht, wieviel man für Österreich herbeiziehen kann, sondern wie man diese Situation in den Griff bekommen kann, sodaß die Menschen, die in Osteuropa leben und arbeiten, nicht das Bedürfnis entwickeln, unbedingt in Europa mobil zu werden. Wobei ich sagen muß, daß es dazu ohnehin nicht kommen wird (Beifall beim Liberalen Forum), weil die Mobilität erst ab einer Schere von über 60 Prozent zustande kommt. Diese Schere wird nach allen wirtschaftlichen Berechnungen zum Zeitpunkt des Beitrittes auf jeden Fall nicht mehr in diesem Maße vorhanden sein.

Ich finde es lustig, daß eigentlich manche Leute von jener Fraktion, die am massivsten gegen die Osterweiterung auftritt, sehr wohl davon profitieren. Schade, daß Herr Kollege Prinzhorn nicht mehr da ist. (Abg. Scheibner: Jetzt muß der übliche Schlag gegen die FPÖ wieder kommen!) Prinzhorn hat Firmen in Ungarn, ich glaube aber nicht, daß er schlaflose Nächte verbringt oder jetzt in wirtschaftlicher Not ist. Als er nur Firmen in Österreich hatte, ging es ihm meiner Ansicht nach schlechter als jetzt. Er ist also ein Nutznießer dieses Öffnungsgedankens. Ich weiß nicht, ob das mit den Grundsätzen der Freiheitlichen Partei wirklich zu vereinbaren ist. Vielleicht darf er dann gar nicht diesen Zettel unterschreiben, wenn er sich erlaubt, in Ungarn Firmen zu haben. Trauen Sie Ihrem Wirtschaftsfachmann innerhalb Ihrer Partei, und Sie werden sehen, Sie fahren nicht schlecht damit! Er ist offensichtlich kein Mensch, der Not leidet.

Wenn man von den langen Übergangsfristen spricht, die notwendig sind, oder von Schutzklauseln oder davon, daß die Erweiterung, so wie es Klima sagt, nicht "schockartig" passieren darf, dann muß ich sagen, der Schock dauert schon ziemlich lange. Für mich als Medizinerin ist ein Schock ein akutes Ereignis. Wenn man von Erweiterung spricht und Herr Klima dies mit dem Ausdruck "schockartig" versieht, dann, so meine ich, war die Wortwahl nicht richtig.

Ich möchte zur Finanzierung kommen, dazu, wie sie Frau Wulf-Mathies eigentlich bewertet: "Es wird mit Sicherheit Mittel für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit geben. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß diese Mittel auch nur annähernd die Erwartung derer befriedigen werden, die sich die Osterweiterung so teuer wie möglich abkaufen lassen wollen."

Das ist das Problem. Sie schüren in Österreich Bedürfnisse, entwerfen Angstszenarien und wundern sich, warum die Bevölkerung dermaßen gegen die Osterweiterung ist. Sie operieren mit falschen Zahlen, mit falschen Elementen, und das halte ich nicht für korrekt. Auch Kollege Verzetnitsch – was ist er eigentlich? –, nach wie vor ÖGB-Vorsitzender und Vorsitzender aller Gewerkschaften Europas, führt das zu einer Dramaturgie, die eigentlich nur mehr widerlich ist. (Abg. Scheibner: Zur Wortwahl!) Er sagt: Die Osterweiterung führt dazu, daß in Österreich erstens massiv Arbeitsplätze verlorengehen werden und daß zweitens zwischen 200 000 und 500 000 Personen in Österreich Arbeit suchen werden. – Das ist nicht wahr! Das ist schlichtweg nicht wahr! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie sich die Studien über die Mobilität in jenen Ländern anschauen, werden Sie merken, daß das gelogen ist. Wenn dem so wäre, wäre dies ein Grund mehr, alle Strukturfondsmittel in die osteuropäischen Nachbarstaaten zu bringen und nicht nach Österreich. Das wäre eigentlich


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ein Argument gegen das, was er vorhat. Deswegen, glaube ich, sollten wir uns da wirklich zurückhalten und einmal in Österreich selbst die Positionen überdenken.

Da ist die Regierung aufgefordert, das zu tun. Es gab eine Informationskampagne über die EU. Es gibt eine Informationskampagne über den Euro. Vielleicht könnte man jetzt eine Informationskampagne über die Erweiterung machen, die wirklich objektiv betrieben wird.

Es gibt Probleme an den Grenzen. Die gibt es jetzt, die gab es früher, und die wird es immer geben. Darauf sollten wir ein Augenmerk haben. Das will ich nicht abstreiten. Aber die Art und Weise, wie das jetzt passiert, daß man nämlich einfach Szenarien entwickelt, die absolut nicht eintreffen werden, nur um dort Angst zu schüren, halte ich für gemein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich komme zur Präsidentschaft. Die österreichische Präsidentschaft zeichnet sich durch zwei Dinge aus: erstens einmal durch eine, wie ich glaube, sehr erfolgreiche technische Vorbereitung. Auf dieser Ebene haben wir dem Herrn Bundesminister und seinem Team nichts vorzuwerfen. Aber die politische Vorbereitung ist nicht vorhanden. Ich habe von Ihnen, Herr Bundesminister – Sie werden das sicherlich in Ihrer Replik sagen, das sagen Sie doch jedesmal –, nur Überschriften gehört. Ich habe von Ihnen niemals Inhalte gehört, nichts darüber, was Österreich als Priorität in dieser Zeit entwickelt und wo wir unsere Schmerzgrenzen sehen. Das haben Sie nie beantwortet. Mit Überschriften aus der Agenda gebe ich mich nun einmal nicht zufrieden.

Sie haben gesagt, es gibt eine Schallmauer, nämlich 1,27 Prozent des BIP für die Finanzierung der EU, und wir werden daran nichts ändern. Auf der anderen Seite müssen Sie doch zugeben, daß innerhalb des EU-Budgets – Sie haben eine Antwort darauf verweigert, so wie sich auch Klima verweigert hat – eine bessere Austarierung des Budgets erfolgen sollte. Ich habe Sie gefragt: Was machen Sie mit 47 Prozent des EU-Budgets in der Landwirtschaft? Das heißt, 47 Prozent des EU-Budgets – das sind zirka 40 Milliarden Ecu – kommen 5 Prozent der Bevölkerung der EU zugute. Das sind 18 Millionen Menschen. 40 Milliarden Ecu für 18 Millionen Menschen! Da sagen Sie noch, daß Sie auf dieses Problem überhaupt keine Antwort geben. Wenn ich die Direktförderung der betroffenen Bevölkerung beziehungsweise der Bauern schaffe, dann brauche ich nicht mehr 18 Millionen Ecu, sondern dann kann ich mit einem geringeren Teil auskommen, und die Landwirtinnen und Landwirte werden durchaus ihren Lebensstandard halten können. Das ist das, was ich will. Aber die ganzen Zwischenelemente und Schiebungen will ich abschaffen. Darüber, glaube ich, sollten wir diskutieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es nützt nichts, wenn Sie sich einer diesbezüglichen Äußerung verweigern, Herr Bundesminister! Das sind brennende Probleme in der EU, wofür es weder im Europäischen Parlament Verständnis gibt und schon gar nicht in der Bevölkerung. Wenn Sie mit 1,5 Milliarden Ecu Tabak fördern und auf der anderen Seite klägliche Millionen Ecu haben, um Frauen, die einer Langzeitarbeitslosigkeit unterworfen waren, in ganz Europa zurück an den Arbeitsplatz zu bringen, dann muß ich sagen, das Verständnis ist einfach nicht da. Für Seidenraupen- und Baumwollprodukte werden 750 Millionen zur Verfügung gestellt. Ich meine, das sind ja völlige Verzerrungen, und wir können es uns nicht mehr leisten, so mit den Mitteln umzugehen.

Weiters: Sie werden sicher nicht, wie Sie auch für den Maastricher Vertrag eingetreten sind, für Transparenz eintreten. Und da entnehme ich einer Anfragebeantwortung durch den Herrn Bundeskanzler vom 27. April: "Eine Veröffentlichung des Briefverkehrs des Bundeskanzlers ist aus grundsätzlichen Überlegungen nicht vorgesehen." Da handelt es sich um die Korrespondenz bezüglich der Grenzlandförderung.

Wenn Sie auf der einen Seite für mehr Transparenz im Rat plädieren und dafür, daß es mehr Transparenz in der gesamten Arbeit der EU geben sollte, um einfach eine emotionelle Bindung der Bürgerinnen und Bürger in Europa zu erreichen, dann können Sie meiner Ansicht nach auf der anderen Seite nicht eine Antwort auf die Frage verweigern, welchen Inhalt die Korrespondenz hatte, in der Sie um Grenzlandförderungen gebeten haben.


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Weiters: Wie steht es um Ihr Engagement in der Forschungspolitik? Das Technologiemilliardedebakel ist ohnehin bekannt, das brauche ich nicht weiter zu erwähnen. Aber wie steht es um das 5. Rahmenprogramm im Bereich Forschung in der EU? Da fehlen noch einige Millionen. Da würde gern das Europäische Parlament Unterstützung durch Sie bekommen. Sie sind Hauptverhandler im zweiten Halbjahr und werden sich damit zu befassen haben, wie es in diesem Bereich weitergehen soll. Wie steht es um die Programme "Sokrates" und "Leonardo", das sind Bildungsprogramme im Bereich der Schülerinnen und Schüler? Da fehlen auch einige Millionen Ecu. Wie werden Sie sich bei der Verhandlung verhalten? Oder die Alternativenergieprogramme Altener, Safe, Synergy: Das sind wichtige Programme, die eine klägliche Summe bekommen im Gegensatz zur Förderung von Atomenergie und all ihrer Komponenten, wie Sicherheit und so weiter. Es wäre doch wirklich einmal intelligenter, zu sagen, drehen wir den Spieß einfach um: Die Alternativenergie bekommt das Budget der Atomenergie, und die Atomenergie bekommt das Budget der Alternativenergie. Dann hätten wir vielleicht den richtigen Drive und die richtige Motivation, um einfach die Umstellung auch in unseren Grenzregionen Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn zu erreichen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich komme schon zum Schluß meiner Ausführungen. Ich habe heute scherzenderweise gesagt, man müßte den virtuellen Botschafter oder die virtuelle Botschafterin entwickeln. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haselsteiner. ) Vielleicht kannst du es mitfinanzieren. (Abg. Dr. Haselsteiner: Virtuell!) Aber es wäre vielleicht wirklich zu überlegen, ob es weiterhin notwendig ist, dieselben Techniken, die wir zu Kaisers Zeiten gebraucht haben, um eine Repräsentanz zu haben, anzuwenden. Brauchen wir wirklich eine ständige Präsenz in manchen Ländern dieser Welt? Können wir nicht ein System der mobilen Botschafter entwickeln, die einfach eine längere, aber nicht zu lange Zeit in einem Land verbringen und dann zum nächsten Land übergehen, um dort auch mehr oder minder die Interessen Österreichs wahrzunehmen beziehungsweise die Kanäle zu erschließen, die wir brauchen, um besser arbeiten zu können?

Herr Bundesminister! Könnten Sie mir sagen, ob Sie mehr als die Finger einer Hand brauchen, um die Zahl der Botschafterinnen im Auslandseinsatz zu zählen, oder brauchen Sie vielleicht schon die Finger der zweiten Hand dazu? Ich glaube, Sie brauchen nur die Finger einer Hand. In Ihrer Spitzengarnitur haben Sie im Ausland nicht wirklich demonstriert, daß Sie die Frauen integrieren. Ich finde es schade, aber ich hoffe auf die Zukunft. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schieder. Die Uhr ist auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

9.47

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es gibt so etwas wie ein Ritual in den Budgetdebatten, das auch sonst bemerkbar ist: Vertreter der Partei des betroffenen Ministers, Vertreter der Koalition loben natürlich mehr, jene der Opposition kritisieren eher. Der "gelernte" Zuhörer weiß: Er kann von beiden etwas abstreichen.

Von der Kritik der Kollegin Gredler muß man diesmal allerdings ein bißchen mehr abstreichen, weil sie über das Ritual in der Menge hinausgegangen ist, allerdings nicht im Inhalt. Kollegin Gredler! Die Frage des EU-Vorsitzes ist ja eigentlich keine Frage des nächsten Budgets, sondern schon des Budgets dieses Jahres. Aber was unsere Präsidentschaft betrifft, so haben wir gemeinsam bei den letzten Tagungen – COSAC et cetera – von Parlamentarierseite sehen und hören können, daß auch in den anderen Ländern die Meinung vorherrscht, die wir aus unserer Erfahrung unterstreichen sollten, daß Österreich nicht nur formell, sondern auch inhaltlich gut auf diese Präsidentschaft vorbereitet ist und daß es uns sicher gelingen wird, diese nicht nur zu einem Erfolg für Österreich, sondern auch für die EU zu machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was konkret geschieht, wird natürlich noch von zahlreichen Entwicklungen abhängen. Klar ist, daß unsere Präsidentschaft eigentlich eine verkürzte ist, da jener Teil des zweiten Halbjahres bis zu den deutschen Wahlen, also bis zum Ergebnis der deutschen Wahlen, sicherlich in


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manchen entscheidenden Fragen – Fonds et cetera – einer Einschränkung unterworfen sein wird, weil selbst in der Troika Deutschland natürlich abwarten wird müssen, welche Haltung es da einnehmen soll, und weil sicherlich auch innerhalb des größten Landes der EU vor den Wahlen oder im Wahlkampf keine Entscheidung fallen wird.

Die Frage, die wir auch hier in diesem Haus stellen sollten, ist jene nach der künftigen Entwicklung. Was ist nach diesem EU-Vorsitz? Vielleicht ist es überhaupt der letzte, den Österreich in der Geschichte der EU haben wird, und zwar nicht, weil die EU auseinanderbrechen oder Österreich nicht drinnen sein wird, sondern weil vielleicht dieses System der Präsidentschaften gar nicht mehr ein Jahrzehnt fortbestehen wird. Vielleicht wird es völlig neue Formen geben.

So gut es in Österreich auch Regierung und Parlament gegenüber funktioniert, daß wir diskutieren, was die nächsten Schritte in der EU sind, was die nächsten Maßnahmen sind, wie es mit der Erweiterung, mit dem Euro wirtschaftlich weitergeht, so wird irgendwann, nicht jetzt, nicht zum Zeitpunkt des Vorsitzes, aber irgendwann in den nächsten Jahren auch die Debatte über folgende Fragen geführt werden müssen: Was sind die Zielvorstellungen in dieser EU? Wie weit soll diese Integration gehen? Welche Enddichte stellt sich Österreich vor? Denn es wird notwendig sein, daß manche Schritte anhand dieser Zielvorstellungen dann gesetzt werden, wenn es aufgrund der Entwicklung in den einzelnen Ländern der EU Krisen geben wird.

Es ist nach der Einführung der WWU und des Euro irgendwann auch zu erwarten, daß es Krisen in einzelnen Ländern und Rückschläge geben wird. Die Entwicklung wird sich nicht eindimensional vollziehen. Dann wird sich die Frage stellen: Soll es einen Schritt zurück geben, also ein bißchen Renationalisierung in der EU, oder soll eine andere Lösung gefunden werden, etwa eine verstärkte Dichte in der EU, die auch eine Antwort auf die Schwierigkeiten sein könnte? Für diesen Zeitpunkt, glaube ich, wird es notwendig sein, daß auch innerstaatlich diese Zukunftsdiskussion über die EU geführt wird.

Bei einigen Anlässen in diesem Haus – ich möchte jetzt nicht die Sicherheitsdebatte aufwärmen –, etwa bei der Frage, wie man sich die Sicherheits- und Verteidigungspolitik dieser EU in zehn, 20 Jahren vorstellt, habe ich geortet, daß eigentlich die Bereitschaft, Vorstellungen eines künftigen Europa zu entwickeln, in unserem Land unterentwickelt ist, daß wir sehr genau über die Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten der nächsten Schritte Bescheid wissen und über diese auch kommunizieren, daß aber das künftige Bild der EU nicht in denselben Farben auch in unseren Köpfen vorhanden ist.

Oder unlängst in der Debatte mit dem Justizminister im Hauptausschuß: Auch da war die Vorstellung unter den Beamten, man könne mit der EU ein Stück des Weges gemeinsam gehen, aber man müsse sich die Option offenhalten, rechtlich aus manchen Dingen wieder aussteigen zu können.

Ich glaube, es wird die Notwendigkeit bestehen, daß wir erkennen, daß es ein Weg zu stärkerer Dichte ist, und daß wir auch Überlegungen anstellen, wie dieses künftige Bild Europas aussehen wird, ob es noch Armeen in diesem Europa geben und wie weit die Nationalstaatlichkeit eingeschränkt werden wird. Natürlich wird in diesem Zusammenhang – da hat Kollegin Gredler recht gehabt – auch die Frage hinsichtlich der Rolle des Außenamtes zu stellen sein, wenn manches immer stärker reine EU-Innenpolitik sein wird: Was ist dann die Rolle von Botschaften innerhalb der EU? Werden sie das traditionelle Bild erfüllen können, oder wird es für sie neue Formen, neue Aufgaben und auch neue Methoden geben müssen?

Das ist mein zweiter Punkt: Ich glaube, wir müssen auch über diese neuen Methoden sprechen. Ich war sehr froh darüber, daß in der diesbezüglichen Debatte im Budgetausschuß der Herr Minister positiv reagiert und gesagt hat, er wird sich das überlegen und anschauen, wenn es soweit ist, wenn der elektronische Aktenlauf im Außenamt fortgeschritten ist und auch Berichte abrufbar sein werden, wieweit diese dem Parlament zugänglich gemacht werden können. Ich bin froh darüber, daß die Bereitschaft auf politischer Ebene gegeben ist, und ich glaube, wir müssen diese Frage auch ernsthaft weiterbehandeln.


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Sie spielt zum Beispiel momentan eine große Rolle in der Debatte über die Nachrichtendienste in unserem Nachbarland, der Schweiz, wo man auf das Dilemma aufmerksam macht, daß viele Informationen beschafft werden könnten, aber leider, wie heute die Experten in der Schweiz sagen, unter sicherheitspolitische und militärische Aspekte fallen. Diese Nachrichten werden zwar gesammelt und an manche weitergegeben – sie können allerdings aus Gründen des Quellenschutzes et cetera nicht in breitem Umfang weitergegeben und genutzt werden. Es gibt ein Dilemma hinsichtlich des Geheimhaltens dieser Informationen und der Notwendigkeit, diese gerade in einem geänderten Europa und in einer geänderten Welt stärker zu nutzen. Die Experten kommen zu dem Ergebnis, daß es notwendig wäre, daß auch ein Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern stattfindet, auch mit Wirtschaft und Wissenschaft, und daß mehr Professionalität und Legitimität gerade in diesen Bereich Eingang finden müßten, weil das der Politik insgesamt und vor allem der internationalen Politik eines Landes helfen würde.

Ich glaube, es ist wichtig, daß wir eine offene Debatte über folgende Fragen führen: Wie entwickelt sich in Zukunft ein Außenamt? Wie entwickelt sich die internationale Politik, und welche Rolle wird ein Parlament und werden parlamentarische Einrichtungen dabei spielen? Ich sehe hier innerstaatlich eine große Bereitschaft, das Parlament einzuschalten, nicht aber in den internationalen Organisationen mit Ausnahme der EU, wo das Europäische Parlament seine Stellung hat, in den anderen Organisationen, wo es parlamentarische Einrichtungen gibt, sind sie mehr dekorativ mitbestimmend, aber nicht in jenem Grad entscheidend, wie wir es auf nationaler Ebene erreicht haben. Es wird wichtig sein, eine demokratisch legitimierte parlamentarische Dimension dort, wo sie vorhanden ist, wie im Europarat, stärker auszubauen, dort, wo sie ansatzweise da ist, wie in der OSZE, auszubauen und dort, wo sie noch nicht vorhanden ist, wie in den Vereinten Nationen, zu schaffen.

Das bietet die Möglichkeit, daß in allen Ländern die Opposition stärker mitwirkt, also die Vertreter des Volkes mitwirken. Das wird, wie ich glaube, auch die Qualität der internationalen Arbeit verbessern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

9.57

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Ich kann gleich an das anschließen, was mein Vorredner gesagt hat, daß es, wenn wir uns die Budgetzahlen anschauen, und zwar insbesondere in der Außenpolitik, nicht sosehr darum geht, was in dem Jahr, um das es sich handelt, nämlich im Budgetjahr, geschieht, sondern was damit in Gang gesetzt wird – oder was eben nicht in Gang gesetzt wird.

Damit komme ich zum ersten Punkt, der mir dabei auffällt. Ich möchte auch an die Ausführungen dahin gehend anschließen, wie denn eine Außen- und Sicherheitspolitik in den nächsten zehn, 15 oder 20 Jahren ausschauen könnte. Ich meine, wir stehen an einer Wende, sodaß diese Frage auch berechtigt ist. Denn wir wissen, daß es in den nächsten Jahren genau darum gehen wird, dieser Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Europas so etwas wie Leben einzuhauchen oder Gestalt zu geben. Daher ist die Frage durchaus berechtigt.

Ich möchte mit dem Versuch eines Kostenvergleiches beginnen, weil er mir nicht unwesentlich zu sein scheint – ich habe das bereits zum Teil im Ausschuß getan –, nämlich eines Kostenvergleiches zwischen Ministerien. Das mag vielleicht in Ihren Augen nicht ganz zulässig sein, sagt aber schon einiges aus.

Gestern haben wir das Budget der Landesverteidigung hier diskutiert. 21 Milliarden Schilling sind für die Landesverteidigung vorgesehen, 4 Milliarden Schilling – auf- oder abgerundet, abgerundet in diesem Fall – für das Außenamt. Das zeigt meiner Meinung nach schon einiges auch hinsichtlich der Gewichtung auf. Wenn es also wirklich in den nächsten zehn oder 20 Jahren darum geht, diplomatische Instrumente auszubauen, wenn es in den nächsten 20 Jahren wirklich darum geht, Institutionen wie auch die der OSZE oder der UNO zu stärken, wenn es in den nächsten zehn, 15, 20 Jahren darum geht, genau dort anzusetzen, wie wir es auch heute wieder


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Meldungen im "Morgenjournal" haben entnehmen können, einen politischen Dialog, Gespräche, Friedensgespräche zu führen, wie etwa im Kosovo, weil all das mehr an Bedeutung gewinnen wird in Europa, innerhalb der Europäischen Union, dann, muß ich sagen, hinkt dieser Kostenvergleich schon ganz deutlich nach.

Wir haben uns aber auch die Mühe gemacht und den Versuch gestartet, einen Kostenvergleich für das Budget 1999 anzustellen, um der Frage nachzugehen, wieviel für Beobachtermissionen, UNO-Einsätze – also klassische UNO-Einsätze, aber auch Wahlbeobachtungen, Friedensmissionen und all diese Bereiche – ausgegeben wird, auch wenn dies aus einem Budget allein – nämlich jenem des Außenamtes – natürlich nicht ablesbar ist; das ist mir schon klar. Denn diese Frage spielt auch in andere Bereiche, andere Ministerien hinein.

Bleiben wir beim Außenamt. Es ist sehr schwer möglich, Kostentransparenz zu schaffen, obwohl ich der Ansicht bin, daß die Zahlen durchaus interessant wären. So viel läßt sich jedenfalls herauslesen: daß allein die Höhe des Mitgliedsbeitrages Österreichs bei der NATO etwa jenen Beiträgen entspräche, die Österreich zurzeit für internationale Organisationen und die entsprechenden Maßnahmen leistet. Der Mitgliedsbeitrag wird auf einen Betrag zwischen 500 und 800 Millionen Schilling geschätzt. In etwa diesem Bereich bewegt sich der Beitrag, den Österreich für internationale Organisationen und entsprechende Maßnahmen leistet.

Meiner Meinung nach zeigt dies einmal mehr das bestehende Ungleichgewicht auf – nicht nur in den Budgetzahlen, sondern auch hinsichtlich der politischen Schwerpunktsetzung, auch wenn wir davon ausgehen, daß es um einen Bereich geht, der in den nächsten zehn, 15, 20 Jahren entwickelt werden wird. Es geht darum, wohin die budgetären Möglichkeiten und auch politischen Entscheidungen gelenkt werden.

Damit komme ich nun schon zum nächsten, was auffällt. Auch dem Verteidigungsminister habe ich dies gestern gesagt: Es ist auffällig, daß in den letzten Monaten beziehungsweise im letzten Jahr vorrangig Maßnahmen gesetzt wurden, die der verstärkten Information, ja sogar einer gewissen Propaganda hinsichtlich eines möglichen NATO-Beitrittes dienen – dies gilt für verschiedene Ministerien, auch für das Außenamt. Es mag noch als ein Zufall erscheinen, daß bestimmte Besuche – diplomatische Besuche – und auch entsprechende öffentliche Darstellungen in diese Richtung tendieren. Es scheint mir aber schon weniger ein Zufall zu sein, daß Maßnahmen gesetzt werden, deren Kostenwirksamkeit auf das Budget des Außenamtes ich nicht so eindeutig nachvollziehen kann.

Damit bin ich bei einem weiteren Punkt angelangt, der mich interessieren würde: Inwieweit unterstützt das Außenamt solche Maßnahmen und Bemühungen wie etwa – und dies habe ich gestern auch den Verteidigungsminister gefragt – die Veröffentlichung eines Handbuches zur österreichischen Sicherheitspolitik? Bei der Plattform, die dieses Handbuch erstellt hat, sticht ein Institut besonders hervor, nämlich das Institut für Außen- und Sicherheitspolitik, das, wie ich feststellen muß, in den nächsten Monaten offensichtlich verstärkt mit Veranstaltungen auftritt. – Na und?, können Sie entgegnen. Doch es handelt sich um Veranstaltungen, die ganz klar in eine bestimmte Richtung gehen, nämlich jene, daß nur eine Option der zukünftigen Außen- und Sicherheitspolitik besonders beworben und unterstützt wird und auch in der Öffentlichkeit ganz besonders in den Mittelpunkt gerückt wird.

Das führt mich wieder zu jener Frage, die schon mein Vorredner aufgeworfen hat: Wie schaut dann die Entwicklung in den nächsten zehn, 15 oder 20 Jahren aus, wenn schon jetzt solche Weichenstellungen getroffen werden?

Eine weitere Frage, die sich stellt, lautet: In welchem "Verfassungsbogen", auf welcher rechtlichen Grundlage befinden wir uns noch? – Wenn wir uns nach wie vor – und davon gehe ich aus – auf dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Neutralität befinden, dann erwarte ich eigentlich, daß mehrere beziehungsweise alle Optionen einer möglichen Außen- und Sicherheitspolitik gleichrangig dargestellt, in der Diskussion gleichermaßen Gehör finden und auch im Budget gleichermaßen bedient werden müssen. Ferner sollten sie auch gleichermaßen Zugang zur Öffentlichkeit und zur öffentlichen Darstellung finden.


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Betrachte ich diese Thematik unter diesem Gesichtspunkt, dann fallen auch die sogenannten Kleinigkeiten im Budget auf, die auftauchen und immer wieder mit einer möglichen NATO-Option in Verbindung stehen.

Es fällt auch auf – dies steht jetzt nicht mit dem Budget 1999 im Zusammenhang, sondern mit dem heurigen Budget, aber es ist alles im Hinblick auf die Entwicklungen der nächsten zehn, 20 Jahre zu sehen –, daß heuer zum ersten Mal in Österreich der besagte NATO-Workshop stattfindet, der sonst nur in jenen Ländern stattfindet, die NATO-Mitglieder sind. Heuer findet er in Österreich statt. Auch das wird sicherlich budgetwirksam sein, auch für das Außenamt, wenn es um die repräsentativen Maßnahmen geht, wie ich vermute. Das alles bitte ich wieder hinsichtlich jener Fragestellung zu betrachten, in welche Richtung die Entwicklungen der nächsten zehn, 20 Jahren gehen werden. Wie werden heute und jetzt die Weichen in diese Richtung gestellt, und welche Maßnahmen werden wir treffen?

Damit bin ich schon beim nächsten Punkt meiner Ausführungen, Herr Außenminister. Ich möchte Ihnen noch einmal die folgende Frage stellen – im Ausschuß haben wir bereits darüber diskutiert, zuletzt anläßlich des NATO-Truppenstatuts und des NATO-SOFA –: Wie stehen Sie eigentlich dazu, daß nicht irgendein Beamter Ihres Außenamtes oder Ihres Ministeriums, sondern der Botschafter Österreichs in den Vereinigten Staaten ein Buch herausgibt, in dem er zu einer meiner Meinung nach und auch nach Meinung meiner Fraktion sehr eigenwilligen Interpretation der Neutralität gelangt? Er gelangt nämlich zu einer Interpretation der Neutralität, die vollendete Tatsachen schafft und davon ausgeht, daß wir zwar neutral sind, aber trotzdem an der NATO teilnehmen können. – Das ist jetzt eine verkürzte Darstellung dessen, was der österreichische Botschafter in einem Artikel schreibt. Im Zweifelsfall, wenn es wirklich zu einer Konfliktsituation kommt, werden wir uns darauf berufen, daß die NATO-Mitgliedschaft natürlich stärker und besser wirkt. Dies ist, wie schon gesagt, sehr verkürzt dargestellt. Mit dieser Schaffung von vollendeten Tatsachen kommt der Autor zu einer – vielleicht ist das durchaus im Sinne Ihres Ministeriums – dynamischen Interpretation der Neutralität.

Wir können uns noch gut an die Situation erinnern, als es im Rahmen des Golfkrieges um die Erteilung von Überfluggenehmigungen ging. Damals wurde argumentiert – und mit Zitaten von seiten der Bundesregierung ist dies belegbar –, daß es nicht um einen Neutralitätsfall gehe, da kein Kriegsfall vorliege. Im nachhinein wurde dann argumentiert, daß dies sozusagen ein Stück der Aufweichung und des Herausbrechens der Neutralität gewesen sei.

So sehen wir die Politik: Stück für Stück wird von einer verfassungsmäßigen Realität herausgebrochen. Stück für Stück wird das auch in den Budgetzahlen nachvollziehbar und nachlesbar sein, Stück für Stück werden so die Weichen für eine Außen- und Sicherheitspolitik Europas gestellt, ohne daß es eine ausreichende parlamentarische und öffentliche Debatte und Auseinandersetzung über die verschiedenen Optionen gegeben hätte, geschweige denn eine Beschlußfassung oder eine Meinungsbildung dahin gehend, in welche grundsätzliche Richtung wir gehen. – Das ist sehr wohl aus dem Bericht herauszulesen und zu kritisieren, wenn auch nicht anhand, wie bereits gesagt, konkreter Zahlen. Aber in der Intention ist es klar herauslesbar.

Ein weiteres Thema, das bereits angeschnitten worden ist: Zu Recht findet immer wieder eine Vermischung der Budgets der Jahre 1998 und 1999 statt, weil sich dies nicht so einfach trennen läßt. Dinge, die im Jahr 1998 beschlossen werden, zum Beispiel im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft, Aktionen, Initiativen, die in der Zeit dieser EU-Ratspräsidentschaft gesetzt werden, werden auch im nächsten Jahr beziehungsweise in den nächsten Jahren budgetwirksam sein. Davon gehe ich natürlich aus. Insofern ist es legitim, auch aus Anlaß der Befassung mit dem Budget 1999 über die EU-Ratspräsidentschaft zu diskutieren oder dieses Thema zumindest anzudiskutieren.

Damit komme ich zu einem weiteren zentralen Punkt meiner Rede: Ich vermisse eine außenpolitische Schwerpunktsetzung, was die Zeit der EU-Ratspräsidentschaft betrifft, und daher naturgemäß auch eine entsprechende budgetäre Auswirkung. Ich habe vernommen, daß die Deutschen, die nach uns die Ratspräsidentschaft innehaben werden, schon jetzt einen Schwerpunkt deklariert haben. Während ihrer Ratspräsidentschaft wollen sie sich besonders der Bezie


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hungen zu Rußland annehmen. Als äußerst wichtiges Land am Rande Europas – wenn Sie so wollen, am Rande der Europäischen Union – soll Rußland einen außenpolitischen Schwerpunkt ihrer Ratspräsidentschaft darstellen.

Ich meine, auch Österreich wäre es durchaus gut angestanden, für die Zeit der EU-Präsidentschaft ebenso frühzeitig die Setzung eines außenpolitischen Schwerpunktes anzukündigen, und zwar für ein weiteres Land am Rande Europas. Wir könnten verstärkt Initiativen setzen und Bemühungen initiieren, die sich anschließend beschreiben lassen und damit sicher auch budgetäre Auswirkungen auf das nächste Jahr haben würden. – Einen solchen Ansatz kann ich jedoch nicht erkennen.

Meiner Meinung würde sich ein Land besonders gut für eine solche Schwerpunktsetzung eignen, nämlich die Türkei – und dies aus vielerlei Gründen. Es sei an dieser Stelle nur ein einziger herausgegriffen, er ist hochaktuell, und fast täglich ist darüber in den Zeitungen zu lesen: Wie stellt sich die derzeitige Position der Türkei zur Europäischen Union dar? – Ich vernehme aus dem Außenamt – und kann dies auch in Ihren Unterlagen nachlesen –, daß Sie zu der Einschätzung gelangen, daß die Türkei durchaus Optionen für einen EU-Beitritt hat. Wir wissen aber, daß das Land selbst die Situation ganz anders einschätzt. Wir wissen, daß es aufgrund der Divergenzen und Differenzen hinsichtlich der unterschiedlichen Einschätzungen zu nicht unheiklen und menschenrechtlich bedenklichen Situationen gekommen ist, etwa zur Verhaftung einer Reihe von Funktionären der kurdischen Partei, der HADEP, oder zum unlängst verübten Attentat auf den Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation in Ankara. Es kam zu weiteren, verstärkten Interventionen der türkischen Armee in den Kurdengebieten und auch zu Überfällen im Irak.

Diese Liste ließe sich fortsetzen. Das stellt aber nicht das einzige Problem dar, mit dem das Land konfrontiert ist, wie wir wissen. Zum einen gibt es den schweren Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei, zum anderen die Zypernfrage. Dies hängt alles sehr stark mit den Fragen der Europäischen Union und der Integration zusammen. All dies könnte ein Schwerpunkt sein.

Da reicht es nicht, Herr Außenminister, zu sagen: Ja, wir sind dabei, wir tun dies, wir machen das. Ich meine, Sie wären gut beraten, zu sagen: Wir nehmen uns das als Schwerpunkt vor und spielen diesen Ball dann gewissermaßen weiter, zum Beispiel an eines der Länder, das uns in der Ratspräsidentschaft folgt. Wir setzen diese Aktivitäten auch in den nächsten Jahren fort.

Auch das wäre eine Auseinandersetzung mit der Frage, wohin sich Europa außen- und sicherheitspolitisch in den nächsten zehn, 15, 20 Jahren entwickelt und was wir zu dieser Entwicklung beitragen können. Wir werden ja in ein oder zwei Monaten noch Gelegenheit haben, eine außenpolitische Debatte zu führen. Denn eine Diskussion über die diesbezüglichen Möglichkeiten Österreichs wäre durchaus spannend.

Ein paar Worte noch zum Fall Kroatien, der zurzeit von der OSZE stark kritisiert wird, nämlich hinsichtlich der Nichteinhaltung des Abkommens, der Unmöglichmachung der Rückkehr von Flüchtlingen in die Gebiete von serbischen Flüchtlingen. Es stellt sich die Frage, wie Kroatien mit den Minderheitenrechten umgeht, was das Land von den entsprechenden vertraglichen Verpflichtungen erfüllt oder nicht erfüllt und in welchem Ausmaß die Rechte der Minderheiten berücksichtigt werden.

Kroatien war lange Zeit einer der Schwerpunkte Ihres Vorgängers. Damals ging es aber eher um Kriegsgetümmel, um es einmal so zu nennen. Nun wäre es wirklich eine Herausforderung für Österreich, zu sagen, da geht es um entsprechende diplomatische Bemühungen, um in Hinkunft zu gewährleisten, daß die Vereinbarungen, die auch Kroatien mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens eingegangen ist, eingehalten werden.

Meiner Meinung nach hat Österreich aufgrund seiner früheren Beziehungen in Kroatien durchaus Möglichkeiten, Einfluß zu nehmen und etwas zu erreichen. Doch auch eine solche Schwerpunktsetzung kann ich nicht erkennen, so wie ich – um noch einmal darauf zurückzukommen – insgesamt nicht sehe, daß jener Bereich der Außenpolitik, in dem es um konflikt


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verhütende Maßnahmen und um die Intensivierung von diplomatischen Beziehungen geht – also um Dialog und entsprechende Gespräche –, Auswirkungen im Budget hätte. Denn in diesem Fall müßten ja diese Budgetposten aufgestockt werden, wenn dies eine Schwerpunktsetzung für die nächsten Jahre beziehungsweise für das nächste Jahr sein sollte.

Wir könnten an dieser Stelle weiter fortsetzen. Es ginge auch um die Frage der Osterweiterung und Österreichs Beitrag zur Osterweiterung. Wo finden wir dazu entsprechende Angaben? Wäre das eine Schwerpunktsetzung der EU-Ratspräsidentschaft, eine deklarierte Schwerpunktsetzung der EU-Ratspräsidentschaft, dann würden ja einige Maßnahmen folgen, die dafür notwendig wären – auch im nächsten Jahr. Solche lassen sich aber aus diesem Budget nicht herauslesen, auch nicht für jene Schwerpunktsetzung, die wir immer wieder von Ihnen einfordern werden und wofür die EU-Ratspräsidentschaft eine gute Möglichkeit bieten würde, nämlich die Initiative für atomwaffenfreie Zonen in Europa. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt da einiges, woran Sie anknüpfen könnten. Es gibt internationale Bemühungen und Bestrebungen mit durchaus hoher Reputation, an die Sie anknüpfen könnten. Die EU-Ratspräsidentschaft wäre eine gute Gelegenheit, einen außenpolitischen Schwerpunkt Österreichs zu deklarieren und fernab von allem, was auf der Tagesordnung der Ratspräsidentschaft steht, drei Schwerpunkte zu setzen, und zwar die Türkei, die Osterweiterung und die atomwaffenfreien Zonen. – Warum nicht?

Sie könnten damit nur punkten, wenn sich Österreich als Land, das eine Vermittlerposition und einen neutralen Status innehat, das atomwaffenfrei ist und ein Atomsperrgesetz hat, dafür einsetzt, daß völkerrechtlich verbindliche Erklärungen geschaffen werden, bilateral wie multilateral. Das sollten nicht freiwillige Erklärungen seitens eines Militärpakts gegenüber Beitrittskandidaten und Beitrittsländern sein, sondern es sollten vielmehr völkerrechtlich verbindliche Fakten geschaffen werden. Es sollten entsprechende Erklärungen vorbereitet werden. Das wäre der nächste Schritt, der jetzt anstehen würde. Wenn Sie einen solchen Schritt setzen würden, müßte er ja aus dem Budget des Außenamtes ersichtlich sein – doch ich kann nichts Entsprechendes erkennen.

Dies sollte, wie gesagt, nicht im Rahmen der Tagesordnung und der Aktivitäten, die Sie da oder dort setzen, geschehen. Das weiß ich wohl, daß Sie da oder dort Aktivitäten setzen. In diesem Falle geht es jedoch um darüber hinausgehende Anstrengungen und Bemühungen. Daran könnte sich die österreichische Außenpolitik messen und messen lassen, daß wir sagen: Wir setzen in den nächsten fünf Jahren verstärkte Bemühungen in diplomatische Beziehungen. Wir setzen verstärkte Bemühungen in die Beziehung zwischen den Ländern. Wir setzen verstärkte Bemühungen in konfliktverhütende Maßnahmen, etwa in klassische Missionen und in Wahlbeobachtungen (Beifall bei den Grünen), anstatt Veranstaltungen und Publikationen zu unterstützen, die eindeutig in Richtung eines NATO-Beitritts Österreichs gehen.

Lassen Sie mich zuletzt eine Thematik noch kurz streifen, die in dieselbe Richtung geht, nämlich die Entwicklungszusammenarbeit. In diesem Sinne, Herr Minister, genügt es nicht, daß die Entwicklungszusammenarbeit gerade auf dem Level gehalten wird, den sie in den letzten Jahren innegehabt hat. Ganz im Sinne dieser nichtmilitärischen Aktivitäten, dieser Zusammenarbeitsaktivitäten, dieser diplomatischen, dieser eben auch entwicklungspolitischen Aktivitäten wäre es höchste Zeit, daß dieses Budget zum einen aufgestockt wird und zum anderen genau und kritisch durchleuchtet und nicht unterwandert wird, indem de facto die Zusammenarbeit neu gestaltet wird, verlagert und anders vergeben wird.

Ich könnte Ihnen die Liste jener Organisationen aufzählen, die diese Entwicklungszusammenarbeit durchführen und denen es durch verschleppte Vertragsabschlüsse und Zahlungen nahezu unmöglich gemacht wird, diese weiter durchzuführen – auch aufgrund der Tatsache, daß Sie sich nach wie vor weigern, mehrjährige Verträge einzugehen, wie dies in anderen Ländern üblich ist.

So führt Ihre Politik nicht nur dazu, daß das Budget in der Entwicklungspolitik und in der Entwicklungszusammenarbeit stagniert, sondern auch dazu, daß es tatsächlich zu einem Rück


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schritt in der Entwicklungszusammenarbeit kommt, weil Projekte nicht mehr durchgeführt werden können und weil die Finanzsicherheit für diese Zusammenarbeitsprojekte und -modelle nicht gegeben ist. Das alles ist unter dem Gesichtspunkt dessen zu sehen, daß Sie immer wieder eindeutige Schwerpunktsetzungen im militärischen Bereich erkennen lassen und offensichtlich auch im Budget 1999 außer acht lassen, welche Möglichkeiten Österreich in der ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Abschluß der Rede!

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (fortsetzend): ... klassischen Außenpolitik hätte und zur Verfügung stehen würden. (Beifall bei den Grünen.)

10.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Vizekanzler.

10.19

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich nehme mir die Freiheit, nach der ersten Runde auf einige Fragen und grundsätzliche Bemerkungen einzugehen.

Ich beginne mit der Frage, was eigentlich eine neue Definition der Aufgaben eines Außenministeriums sein kann, da fast alle Redner der fünf Fraktionen die veränderte Rolle der österreichischen Außenpolitik seit dem Beitritt zur Europäischen Union beschrieben haben. Ich halte das für ein sehr interessantes und spannendes Thema. Wir sind auch bereits mitten drinnen in diesem Neupositionierungsprozeß, der sich im technischen, im politischen und auch im organisatorischen Bereich jederzeit ablesen läßt.

Wir sind aufgrund der Konstruktion der Europäischen Union als Außenminister in einer besonderen Situation. Einerseits sind wir für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verantwortlich, die noch am Beginn steht, aber täglich mit ganz langsamen Schritten auf ein Ziel zuschreitet. So wie wir vor zehn Jahren nicht angenommen hätten, daß es eine Währungsunion geben wird, so glaube ich, daß eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik in zehn Jahren tatsächlich Gestalt annehmen wird und soll.

Wir sind einerseits also Außenminister auf europäischer Ebene, zugleich aber, weil wir ja den Rat für allgemeine Angelegenheiten bilden, de facto auch die Europaminister innerhalb der Union. Wir sind faktisch für alles zuständig, weil im Allgemeinen Rat alles zusammenläuft.

Das heißt, die Agenda 2000 wird federführend von den Außenministern bearbeitet. Die institutionellen Konferenzen wie etwa der Amsterdamer Vertrag sind von den Außenministern federführend verhandelt worden. Es werden alle handelspolitischen Fragen, das heißt alles, was Gemeinschaftsrecht ist, im Allgemeinen Rat von uns thematisiert. Es kommen natürlich alle Themen, die die Institutionen – die Kommission, das Parlament, den Rechnungshof, die Kontrolle – betreffen, in diesen Allgemeinen Rat. Ich sage das deswegen, damit man sieht, daß einem relativ gleichgebliebenen Budget auf der einen Seite – es handelt sich um ein kleines Ministerium mit einem der kleinsten Budgets überhaupt – ein dramatisch gestiegener Arbeitsaufwand auf der anderen Seite gegenübersteht.

Deswegen, glaube ich, ist es ein kleines Wunder und wirklich nur der Leistungsbereitschaft und der kreativen Intelligenz der Mitarbeiter des Ministeriums zu verdanken, daß wir mit dem gleichen Budget und dem gleichen Mitarbeiteranteil wie früher eine um Lichtjahre gestiegene Anforderung verkraften können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es sei auch erwähnt, daß wir in den letzten drei Jahren dramatische organisatorische Weichenstellungen vorgenommen haben. Ich habe es im Ausschuß – Peter Schieder hat ja zu Recht darauf hingewiesen – erwähnt, daß wir als erstes Ministerium den elektronischen Akt haben. Er ist zwar noch nicht hundertprozentig umgesetzt, aber wir sind das einzige Ministerium, das diese Neuerung eingeführt hat. Übrigens sind wir diesbezüglich auch in Europa vorbildlich, und viele


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kommen zu uns, um sich anzuschauen, wie das funktioniert. Ich hoffe, daß das auch Schule machen wird, denn nur so ist der gestiegene Arbeitsaufwand tatsächlich zu schaffen.

Wir sind eines der größten Bürgerserviceministerien. Ich bin nicht sicher, ob wirklich alle Leute wissen – die österreichischen Steuerzahler sollten das wissen –, daß wir mit einem ganz kleinen Mitarbeiterstab – 800 Menschen im Ausland – eine Million Bürgerkontakte im Dienst der Österreicher oder im Dienst von Bürgern, die nach Österreich kommen oder Geschäfte mit Österreichern machen wollen, zu erbringen haben. Eine Million – das ist eine unglaubliche Dichte von Kontakten!

Ich möchte hier schon eines sehr ernst dazu sagen: Ich habe Jörg Haider gut zugehört, und ich möchte an dieser Stelle ruhig und ohne Emotion die Verdächtigung zurückweisen, daß die Mitarbeiter, ganz gleich, ob sie Österreicher sind oder sur place arbeiten, quasi von jedem bestochen werden könnten – von Mafiosi oder von wem auch immer –, um leichter zu einem Visum zu kommen. Das ist einfach nicht wahr. Die Mitarbeiter im In- und Ausland leisten nach bestem Wissen und Gewissen hervorragende Arbeit, und ich möchte diese Beschuldigung wirklich mit Entschiedenheit zurückweisen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie beim Liberalen Forum.)

Das Außenministerium ist ein Ministerium – das sei auch erwähnt –, das sehr wenig Öffentlichkeitsarbeit betreibt – eben weil es ein sehr kleines Budget hat. Frau Abgeordnete Kammerlander, man kann und mag mir durchaus kritisch gegenüberstehen – inhaltlich oder politisch, wie immer –, aber die Behauptung, daß wir in den letzten Jahren sehr viel für Propaganda ausgegeben hätten, stimmt einfach nicht. Sie können auch jederzeit eine Anfrage an mich richten, die ich Ihnen gerne auf Punkt und Beistrich beantworten werde. Wir geben eher viel, viel zu wenig aus, um eine ausreichende Information geben zu können.

Da Sie, Frau Abgeordnete, das NATO-Thema angesprochen haben, möchte ich auch ein offenes Wort dazu sagen: Man sollte ein bißchen gelassener eine vernünftige und sachliche öffentliche Diskussion betreiben, und wir sollten doch speziell als Österreicher, die offen sein sollen, jede Berührungsangst vermeiden. Was ist denn bitte dabei, wenn ein NATO-Workshop, ein Seminar mit höchstrangiger Beteiligung – es werden Minister, Militärs, Staatschefs und Präsidenten kommen – in Österreich stattfindet, bei dem darüber diskutiert wird, wie etwa am Beginn des 21. Jahrhunderts eine moderne Sicherheitspolitik aussehen kann? Das ist doch gut! Genauso freue ich mich, daß auf der Burg Schlaining Friedensbewegte aus aller Welt zusammenkommen und dort darüber nachdenken, wie an der Schwelle des nächsten Millenniums eine vernünftige Konfliktprävention ausschauen kann. Es ist doch nichts dabei, wenn Parlamentarier sich vor Ort informieren, wie die neue Politik der neuen NATO ist. Ich würde sagen, daß sich diese Aktivitäten natürlich auf dem Boden unserer Verfassung bewegen.

Ein Botschafter wird wohl noch Artikel schreiben dürfen. Frau Abgeordnete, ich werde der erste sein, der sein Recht auf freie Rede und auf einen freien Artikel verteidigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sagen Ihnen als Politiker auch ganz offen: Ich habe deswegen heute meine Schwierigkeiten mit dem Begriff "Neutralität", weil ich glaube, daß der Begriff "neutral" in unserer Zeit nicht mehr so recht paßt. Ich sage Ihnen auch, warum. In Bosnien hilft das Konzept der Neutralität nichts. Heute war zum Beispiel der Präsident des Kosovo, Rugova, mit seinen Beratern bei mir. All das, was Sie, Frau Abgeordnete, hier zu Recht eingemahnt haben, findet ja täglich in der österreichischen Außenpolitik statt: Kontakte mit der Türkei und mit den Kroaten, Druckausübung zur Ermöglichung der Flüchtlingsrückkehr, Erleichterung des Lebens der Kosovo-Albaner, sinnvolle Unterstützungshilfe oder Gespräche mit Miloševi%, um ihn dazu zu bewegen, den Friedensprozeß und die Stabilität der Region einzuleiten – ich werde aus diesem Grund vielleicht nächste Woche nach Belgrad fahren.

Nur eines sage ich Ihnen auch ganz offen dazu: Neutralität ist in diesem Zusammenhang der falsche Begriff. Solidarität ist da gefragt (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ) : Solidarität mit den Opfern, mit den Menschen, Solidarität mit den Menschenrechten, Solidarität


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mit Minderheiten oder mit Menschen, die wegen ihrer religiösen oder sonstigen Überzeugung Schwierigkeiten haben. – Das ist der Punkt!

Ich möchte auch an dieser Stelle sehr offen und gar nicht diplomatisch meine Meinung zu dieser heutigen NATO äußern. Sie haben ja auch die Budgetzahlen, glaube ich, nicht korrekt gegenübergestellt. Wenn Sie schon sagen, daß das Außenministerium ein Budget von 4 Milliarden und das Verteidigungsministerium eines von 21 Milliarden Schilling hat, dann müssen Sie aber auch dazusagen, daß aus dem Budget des Verteidigungsministers die österreichische Friedenssicherung in Bosnien bezahlt wird. Wenn Sie von 500 Millionen oder 800 Millionen Schilling Mitgliedsbeitrag für eine internationale Organisation reden, dann sollten Sie auch hinzufügen, daß die gesamte Operation in Bosnien, die seit über zwei Jahren läuft, bis zur Stunde fast 10 Milliarden Dollar gekostet hat. Es geht nicht darum, dort Kriegsspiele durchzuführen, sondern die Operation war eine letzte Notbremse, um einen blutigen Krieg, der gegen die dortigen Völker gerichtet war, zum Stehen zu bringen. Das sind die Dinge, die man, glaube ich, in einer außenpolitischen Grundsatzdebatte im Rahmen einer Budgetdiskussion sagen soll und die auch wichtig sind, in der österreichischen Öffentlichkeit gesagt zu werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wurde auch die EU-Präsidentschaft als das kommende große Thema für uns erwähnt. Ich sage Ihnen ganz offen, daß das für uns tatsächlich eine große Herausforderung und eine der spannendsten Aufgaben, die das kleine Österreich in den letzten Jahren und Jahrzehnten gehabt und übernommen hat, ist. Ich glaube weiters, daß wir gut vorbereitet sind.

Ich möchte doch ein wenig die Dimension darstellen, die ich selber erlebt habe. Ich bin im April 1989 als Bundesminister angelobt worden. Ich war vorher zehn Jahre lang Abgeordneter zum Nationalrat. Im April 1989 – und das soll ein bißchen die Dramatik der Veränderung darstellen – hatten wir unseren Beitrittsantrag nach Brüssel noch nicht abgeschickt. Es gab damals einige Diskussionen darüber, ob man soll, wann man soll et cetera. Dagegen die Situation heute: In 35 Tagen übernehmen wir den Vorsitz der Europäischen Union. Wir haben uns voll eingeklinkt – die EU-Präsidentschaft, das Projekt Europa ist heute ein gemeinsames Projekt, und es ist weit über die Grenzen der politischen Parteien anerkannt und unterstützt. Natürlich gibt es auch Fragezeichen, Risken, Vorbehalte – das verstehe ich alles. Aber es ist eine unglaubliche Dramatik der Veränderung, die sich hier darstellt.

Als ich angelobt wurde, gab es noch die tote Grenze. Ich war übrigens einige Jahre lang Abgeordneter im Waldviertel und habe anhand eigener Beobachtungen genau erlebt, was das heißt: Alle blühenden Wirtschaftsströme, sozusagen die Arterien in Richtung Waldviertel und Tschechien, waren gekappt. "Tote Grenze" hat geheißen, daß man nicht frei hinübergehen, daß man nicht Handel treiben konnte. – Heute – das sei in Richtung all jener gesagt, die der Erweiterungsdiskussion prinzipiell ängstlich gegenüberstehen, Sorgen muß man zwar ernst nehmen, aber die prinzipielle Ablehnung verstehe ich nicht – haben wir 15 000 Joint-ventures von österreichischen Betrieben jenseits der Grenze, und diese sichern natürlich durch die Kombination – auch das wird ja vergessen, notabene auch bei Prinzhorn – auch Arbeitsplätze in Österreich. (Abg. Dr. Krüger: Heute gibt es keine Joint-ventures mehr, heute gehen sie gleich hinaus!)

Kammerpräsident Leo Maderthaner weiß es natürlich ganz genau. Damals hatten wir keinen Handelsbilanzüberschuß mit Mittel- und Osteuropa. In diesen neun Jahren seit 1989 hat sich, mehr als in jedem anderen Land Europas, der Handelsanteil verdreifacht. Heute haben wir einen Handelsbilanzüberschuß von 20 Milliarden Schilling. Daher glaube ich, daß man zwar Sorgen ernst nehmen, aber nicht prinzipiell ablehnend an die Sache herangehen sollte. Wir sollten uns vielmehr überlegen, wie wir gemeinsam mit den anderen Ländern Mitteleuropas diese Erweiterung zu einem beidseitigen Erfolg machen können. Ich sage Ihnen, daß das genauso möglich ist, wie die sehr schwierige Erweiterung mit Spanien und Griechenland, die zum Nutzen der Spanier und Griechen, aber auch zum Nutzen der damaligen und heutigen Europäischen Union gelaufen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich habe das vor neun Jahren, als die Minengürtel, die Maschinengewehrnester, die Stacheldrahtverhaue noch voll intakt gewesen sind, erlebt. Alois Mock hat damals mit Gyula Horn, dem


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noch im Amt befindlichen ungarischen Premierminister, den Stacheldraht durchschnitten. Heute werden zwei von unseren Nachbarn, damals noch Warschauer-Pakt-Staaten, NATO-Mitglieder – der Ratifizierungsprozeß ist gerade im Gange. Das sind Veränderungen, die man sehen soll und die uns auch die Kraft geben können, um mit Vertrauen und Optimismus in die nächsten zehn Jahre hineinzuschauen. Ich glaube nicht, daß man Probleme wegreden kann und darf, aber ich meine, daß gerade die Entwicklung in dem Zeitraum, den ich als Minister mitverfolgen durfte – und ich bin sehr dankbar dafür –, auch die Chance zum Verständnis gibt, daß diese Probleme durchaus positiv für unser Land bewältigt werden können.

Deshalb glaube ich, daß die Präsidentschaft für uns wichtig ist. Wir können nach innen und nach außen sehr viel tun. Einige Punkte wurden bereits erwähnt, so zum Beispiel das Grenzlandprogramm im Rahmen der Agenda.

Ich sehe das eigentlich sehr nüchtern. Im Rahmen der Agenda, im Rahmen der neuen Strukturfonds wird jedes Land versuchen, so wie bei einer normalen Finanzausgleichsverhandlung für seine Bevölkerung, für seine Regionen etwas herauszuholen. Ich sage Ihnen ganz offen: Es ist mir wichtig, daß wir bei dieser Strukturfondsdiskussion nicht nur zuschauen, wie die Finnen für die arktische Region, die Spanier für die Olivenproduktion, die Bayern für ihre Ostgrenze und die neuen Bundesländer berücksichtigt werden, sondern ich meine, daß unsere Regionen diesseits der Grenze zu den Erweiterungskandidaten auch ein Recht darauf haben, nicht eine Benachteiligung dadurch zu erfahren, daß alle Förderungsgelder der Union jenseits der Grenze – ich sage, auch richtigerweise, um den wirtschaftlichen Abstand zu verringern – investiert werden, während diesseits der Grenze nichts geschieht. Das akzeptiere ich nicht. Deswegen kämpfen wir für eine vernünftige Investition und Hilfe auch auf unserer Seite der Grenze: in die Infrastruktur, in die Arbeitsplätze, in die Telekommunikation, in die Sprachenausbildung und in die Vertiefung der Kontakte der Menschen. Das ist mir wichtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das werden wir auch erreichen. Warum denn so pessimistisch, Frau Abgeordnete Gredler? Wir werden das erreichen. Es wird sich nicht um ein eigenes Zielgebiet handeln – das hat niemand verlangt –, sondern es wird im Rahmen der Ziel-1-Gebietsförderung – Burgenland ist Grenzregion, daher fällt es per definitionem schon in ein Grenzlandprogramm – berücksichtigt werden, und wir werden es auch bei den Ziel-2-Gebieten besonders verankern.

Ich möchte hier auch INTERREG erwähnen. Herr Abgeordneter Haider, es handelt sich dabei nicht um so wenig Geld. Alle Gemeinschaftsinitiativen miteinander werden für sechs, sieben Jahre mit immerhin in etwa 11 Milliarden Ecu oder dann Euro dotiert sein. Die Hälfte davon wird nach menschlichem Ermessen in diese Gemeinschaftsinitiative INTERREG fließen. Also so wenig Geld ist das nicht. Es könnte allerdings sehr viel mehr sein, als wir heute haben. Deswegen, glaube ich, sollten wir die Anstrengungen bündeln und eher versuchen, bei diesen Finanzausgleichsverhandlungen für unsere Leute möglichst viel herauszuholen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Einige Sätze, weil es mich schmerzt – das sage ich auch ganz offen dem Herrn Abgeordneten Dr. Haider –, zur Olympia-Bewerbung von Kärnten. (Abg. Dr. Haider: Österreichisches Olympisches Comité!) Das ist eine Kärntner/Klagenfurter Bewerbung für die Spiele im Jahre 2006, es ist eine österreichische, Kärntner/Klagenfurter Bewerbung, die ich auch gerne als eine österreichische Bewerbung ohne Grenzen bezeichne: Die Wettkämpfe sollen auch in Orten stattfinden, die in Slowenien und im Friaul sind. – Was kann es Faszinierenderes geben, als in einer Region, in der zwei Weltkriege gefochten worden sind, wo Hunderttausende Menschen gestorben sind, wo Partisanen und Abwehrkämpfer gegeneinander gestanden sind, alles zu tun, damit diese Sache funktioniert? Wenn die Idee "Olympia" überhaupt Sinn hat – Friedensspiele, friedlicher Wettstreit von Sportlern statt irgendwelche militärischen Kraft- oder Muskelspiele –, dann in dieser Region Österreichs. Daher bündeln wir doch die Kräfte! (Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

Natürlich müssen da Profis ans Werk. Ich sage auch ganz offen: Profis bekommt man nur, wenn man sie auch anständig bezahlt. Gar keine Frage! Und wenn jemand seine Arbeit gut


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macht, dann ist er jeden Schilling seines Gehalts wert. Hören wir doch auf, diese Art von geistigem Pepita in die öffentliche politische Diskussion hineinzubringen! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ, bei den Grünen sowie beim Liberalen Forum.)

Alle werden profitieren, ich sage Ihnen das, und gerade die Region Kärnten wird von solchen grenzüberschreitenden Spielen wie keine andere Region Europas profitieren. Ich sage das deswegen, weil wir alle oft unter Verdacht stehen, daß wir aus irgendwelchen parteipolitischen Gründen einander keinen Erfolg gönnen, Haxel stellen und so weiter. Ein bißchen mehr Mut – das sage ich jetzt am Beginn der österreichischen EU-Präsidentschaft – zur eigenen Größe und auch mehr Vertrauen in die eigene Stärke wären mir wichtig und könnten vielleicht auch außer Streit gestellt werden. (Abg. Dr. Gredler: Jö! – Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die EU-Präsidentschaft, über die wir sicher noch viel reden werden, hat meiner Ansicht nach auch den Sinn – und der ist wichtig –, daß wir unsere Prioritäten ordnen und bündeln. Wir müssen zeigen, daß wir das können, daß wir zu so etwas fähig sind: zu einer nüchternen, professionellen und absolut engagierten Vorsitzführung innerhalb der Europäischen Union. Und gerade weil wir Österreicher sehr lange am Rande der Institutionen Europas gestanden sind – als ein Land außerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, später Gemeinschaft, heute Union –, werden wir während der Präsidentschaft derselben darauf achten, daß wir Europa nicht zu einer geschlossenen Festung machen, wo einfach die Zugbrücken hochgeklappt werden, niemand mehr reinkommt und uns das, was draußen ist, nicht interessiert. Das kann nicht so sein und funktionieren.

Gerade weil Österreich ein kleines Land ist, wissen wir, daß wir, wenn Europa einen Global Player will – und die Welt braucht so einen Global Player, nicht nur die Amerikaner; nichts gegen sie, aber ich glaube, daß Europa wichtige Sätze und Ideen zusätzlich einbringen kann –, auch den Mut haben müssen, uns zu stellen. Gerade weil wir Österreicher ein großes Bedürfnis an Sicherheit haben, müssen wir bereit sein, Stabilität zu exportieren, damit wir nicht irgendwann ungewollt Instabilität importieren.

Gerade wir Österreicher haben erfahren, wie wenig Solidarität in der Staatengemeinschaft vorhanden ist. Ich erinnere an das Jahr 1938. Damals hat unser Land wenig Solidarität erfahren, einzig und allein von den Mexikanern. Dafür möchte ich ihnen noch heute danken. Später hat unser Land Solidarität erfahren, nämlich durch die Marshallplan-Hilfe – ein großes Geschenk des amerikanischen Volkes. Gerade deswegen müssen wir in der Zeit unserer EU-Präsidentschaft für die Solidarität Europas kämpfen. Und wir müssen auch bereit sein, selber Solidarität zu leben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Diese Solidarität ist in allen Regionen der Welt erforderlich. Im Rahmen dessen wird man sich für Tibet interessieren müssen – da hat Frau Abgeordnete Gredler hundertprozentig recht –, man wird sich um die Lage des palästinensischen Volkes genauso kümmern müssen wie darum, daß die Sicherheitsbedürfnisse des israelischen Volkes nicht vernachlässigt werden.

Man wird sich um die Frage der Kurden kümmern, man wird die Frage der Menschenrechte in Algerien oder in anderen Staaten des Maghreb ansprechen und sich um die Minenopfer kümmern. Man wird sich der verfolgten Christen genauso annehmen wie der Moslems oder Anhänger anderer Religionen, die wegen ihrer Überzeugung Verfolgung erleiden. – Dies sollte während der österreichischen Präsidentschaft nicht zu kurz kommen.

In diesem Sinne – ich komme schon zum Schluß – wäre es mir wichtig, daß man ein ohnehin kleines Budgetkapitel, ein Teilkapitel, nämlich die Entwicklungszusammenarbeit, außer Streit stellt. Ich halte es für beschämend, darüber zu rätseln, ob Steuergelder – es sind ohnedies nicht zu viele – nun in Uganda oder in Bosnien, in Afghanistan, in Nepal oder in Bhutan eingesetzt werden. Wir haben selbst Hilfe erfahren, und es ist wichtig, daß auch wir helfen. Die Österreicher verstehen das manchmal besser als so manche ihrer Repräsentanten in der Politik. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.41

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Außenminister sehr dankbar dafür, daß er die Schwerpunkte, die Österreich im Rahmen seines EU-Vorsitzes im nächsten halben Jahr setzen wird und die Frau Abgeordnete Kammerlander vielleicht vermißt hat, in seiner Rede angeführt hat.

Das Außenministerium ist dafür bestens vorbereitet – das hören wir alle, die wir im Ausland unterwegs sind, denn wir bekommen immer wieder Komplimente für die Art und Weise, wie sich Österreich auf die EU-Präsidentschaft vorbereitet. Wir nehmen diese Aufgabe auch sehr ernst. Und vielleicht findet Österreich dadurch zu seiner eigenen Stärke und zu einem – dringend notwendigen – aufrechten Gang, denn wir fühlen uns bisweilen immer noch als kleines Land. Trotz unserer mittlerweile beachtlichen wirtschaftlichen Stärke haben wir manchmal noch Minderwertigkeitskomplexe, die wir eigentlich nicht notwendig hätten. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Krammer. ) Vom Ausland erfahren wir wiederholt Zustimmung zur Art unserer Verhandlungsführung in internationalen Gemeinschaften und zu unseren Versuchen, in Vermittlungsaufgaben positiv tätig zu sein.

Frau Abgeordnete Kammerlander! Die Schwerpunkte unserer Außenpolitik lassen sich natürlich nicht immer am Budget messen. Der Herr Außenminister hat bereits gesagt, daß die friedensstiftenden Maßnahmen im Budget des Verteidigungsministeriums und teilweise – im Fall von Polizeieinsätzen – in jenem des Innenministeriums verankert sind. Außerdem lassen sich diplomatische Missionen nicht nur in Geld messen. Wichtig ist die geistige Kapazität der Mitarbeiter des Außenministeriums, und diese ist – wie wir überall erfahren – sehr hoch einzuschätzen und eigentlich das größte Kapital des Außenministeriums. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich bin dem Herrn Außenminister und Vizekanzler weiters sehr dankbar dafür, daß er nun die EDV im Außenministerium einführt. Das sollte auch für andere Ministerien, und vielleicht auch, Herr Präsident Fischer, für unser Haus, das Parlament, ein Vorbild sein. Auch im Hohen Haus könnte man einen elektronischen Aktenlauf einführen und damit häufiges Kopieren vermeiden. Angesichts der vielen Anfragen, die wir bekommen, könnten wir im Hohen Haus damit ein Zeichen setzen, denn es würde dadurch ein sparsamerer Umgang mit den Mitteln des Hohen Hauses möglich. Dies wäre meiner Ansicht nach ein Ansatz, in dieser Richtung tätig zu werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Wimmer und Dr. Gredler. )

Herr Abgeordneter Haider! Sie haben einen Punkt aufgegriffen, in dem Österreich für viele unserer Nachbarstaaten ein Vorbild an Entwicklung ist, nämlich die EU-Osterweiterung. Ihrer Meinung nach gibt es deshalb sehr große Ängste in der Bevölkerung. – Ich gebe Ihnen recht: Es gibt Befürchtungen! Aber ich möchte Ihnen Beispiele dafür bringen, daß man nicht einfach sagen kann, daß durch eine Osterweiterung nur Arbeitsplätze verlorengehen.

Wir alle wissen, daß durch die Globalisierung der Wirtschaft – die es übrigens immer gegeben hat, einmal stärker, einmal schwächer – Arbeitsplätze beziehungsweise Produktionen verlagert werden. Aber im gleichen Ausmaß entwickeln sich neue Arbeitsplätze in neuen Zweigen der Wirtschaft: sei es nun im Service-, im Dienstleistungs-, im Wissenschafts- oder im Gesundheitsbereich.

Ich nenne Ihnen – da ich als Unternehmerin direkt damit zu tun habe – nur ein Beispiel dafür, daß Produktionen, bei denen einfache Arbeiten durchzuführen sind, sehr wohl in andere Länder ausgelagert werden und dadurch Arbeitsplätze verlorengehen, daß aber auf der anderen Seite dadurch höherwertige Arbeitsplätze im Inland geschaffen und abgesichert werden können.

Herr Bundesminister Schüssel hat schon in seiner Funktion als Wirtschaftsminister gesagt, daß wir Hongkong sozusagen vor der Haustür haben. Es stimmt meist, daß die Arbeitskosten ein


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wichtiger Faktor in dieser Frage sind, wir vergessen aber immer wieder, daß hinter den Arbeitskosten auch eine Leistung steht.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meinem eigenen Bereich bringen. In Europa werden Handschuhe produziert. In Portugal können sie billiger produziert werden als in Ungarn. Dennoch wandert die Handschuhproduktion eher nach Ungarn, weil die Qualität der Produktion dort besser ist. Sie kostet zwar mehr, aber die Qualität ist besser! Niemand wird mit seiner Produktion nach Portugal gehen, weil die Qualität in diesem Ausmaß dort nicht gegeben ist.

Es hängt also davon ab, ob die Qualität erbracht wird. Die Qualitätsleistungen in unseren Nachbarstaaten ist unterschiedlich. Der Handschuhbereich in Ungarn ist hervorragend, in anderen Bereichen wird man erst an Qualität gewinnen müssen. Selbst europäische Produzenten überlegen sehr wohl, ob die Arbeitskräfte an einem angepeilten Standort bereits die Ausbildung haben, die gewünschte Leistung zu erbringen.

Es müssen noch sehr viele Anstrengungen unternommen werden, um das Leistungsniveau auf diesen Arbeitsmärkten anzuheben. Die österreichische Wirtschaft leistet ihren Beitrag zur wirtschaftlichen Stärkung dieser Länder, indem sie Know-how exportiert und Joint-ventures einrichtet. Und dadurch wird langsam auch das Lohnniveau angehoben. (Abg. Dr. Khol: Völlig richtig!) Der österreichische Staat hat sehr davon profitiert, und wir werden auch in Zukunft davon profitieren.

Die dortigen Arbeitskräfte müssen lernen, ihre Arbeit in einem Tempo zu verrichten, das sie früher nicht gekannt haben. Aber auch in unseren Betrieben ist das Arbeitstempo, das wir heute haben, nicht von heute auf morgen entstanden, sondern mußte erst langsam erarbeitet werden. Und die Mobilitätsbewegungen sind nicht in jenem Maße gegeben, das wir uns manches Mal vorstellen.

Es ist einerseits wichtig, daß wir unseren Nachbarstaaten helfen, wirtschaftlich stärker zu werden. Auf der anderen Seite ist es auch notwendig und wichtig, daß wir Österreicher, weil wir am Schnittpunkt von europäischen Kulturen liegen, das Verständnis, das wir für diese Kulturen haben, weiter nach Europa tragen, um einen gemeinsamen positiven Weg zu finden, damit Europa in Zukunft nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sicherheits- und außenpolitisch geeint wird. Österreich kann dazu einen sehr guten Beitrag leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Ich erteile ihm das Wort.

10.49

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu meiner unmittelbaren Vorrednerin, die sich in Blickrichtung einer allfälligen Osterweiterung Sorgen um die Leistungsfähigkeit unserer östlichen Nachbarn macht. (Abg. Tichy-Schreder: Nicht Sorgen!)

Ich mache mir in diesem Sinne keine Sorgen um die Nachbarn. Zu Tschechien etwa fällt mir das alte Schnitzler-Wort ein: Die Tschechen sind ein industrieöses Volk. – Wenn man daran denkt, was der Škoda unter den Pkw heute auf der Straße bereits darstellt, dann weiß man, wie es läuft! (Vizekanzler Dr. Schüssel: Wer sagt das?) Schnitzler war es. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Ah! Der Schnitzler!) Ein industrieöses Volk! Man beachte die Wortschöpfung, sie ist nicht uninteressant. (Abg. Tichy-Schreder: Herr Dr. Ofner! Da gebe ich Ihnen recht!)

Anzunehmen, daß die Nachbarn ohnehin nichts fertigbringen (Abg. Tichy-Schreder: Nein!) und die Produktionen auf Dauer in Österreich bleiben werden, weil die Tschechen, die Ungarn und alle, die dafür in Frage kommen, zu vergessen sind, ist absolut nicht richtig. (Abg. Tichy-Schreder: Da haben Sie mich mißverstanden!) Sie sind auf dem besten Weg, uns auf dem einen oder anderen Sektor zu überholen. – Soviel zu Ihren "tröstenden" Worten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Aber nun zu meinem eigentlichen Thema: Bei der Frage, wer in den "Warteraum" für die EU hineindarf, ist die Slowakei übergangen worden. Dies geschah unter anderem mit der Begründung, daß sie den Minderheiten innerhalb ihrer Grenzen, vor allem den Ungarn, nicht die entsprechenden Rechte einräume. – Das ist eine interessante Entscheidung. Meiner Ansicht nach wird da mit zweierlei Maß gemessen, denn gleich im Nachbarland der Slowakei, in Tschechien, gibt es eine altösterreichische Minderheit deutscher Zunge, die mindestens 60 000, nach manchen Zählungen 200 000 Personen umfaßt. Dieser zahlenmäßig bedeutsamen Volksgruppe der Altösterreicher deutscher Zunge kommt in Tschechien überhaupt keine Rechte zu.

Darauf hat im Rahmen der EU bis jetzt noch niemand hingewiesen, vor allem nicht die Österreicher. Es gibt keine Rechte für die Altösterreicher deutscher Zunge im Lande des Beitrittskandidaten Tschechien. Dort gelten auch noch die Beneš-Dekrete aus den Jahren 1945 und 1946. Unter dem Begriff "Beneš-Dekrete" kann sich der eine oder andere vielleicht nicht wirklich etwas vorstellen. Ich habe sie mir daher ausheben lassen und darf Sätze daraus vorlesen.

Darin heißt es unter anderem: "Das im Gebiet der Tschechoslowakischen Republik befindliche Vermögen der staatlich unzuverlässigen Personen" – merken Sie sich bitte diesen Begriff! – "wird gemäß den weiteren Bestimmungen dieses Dekretes unter nationale Verwaltung gestellt." "Als staatlich unzuverlässige Personen" – da haben wir es wieder – "sind anzusehen: Personen deutscher oder madjarischer Nationalität."

Unter Personen deutscher Nationalität sind im Sinne dieses Dekrets nicht nur die Deutschen im engeren Sinn, sondern auch die Österreicher und vor allem die Liechtensteiner verstanden worden. Die Liechtensteiner waren sehr vermögend, und es war sehr wichtig, dieses Vermögen zu bekommen.

Weiters ist in den Beneš-Dekreten festgelegt: "Mit augenblicklicher Wirksamkeit und entschädigungslos wird für die Zwecke der Bodenreform das landwirtschaftliche Vermögen enteignet, das im Eigentum steht: aller Personen deutscher und madjarischer Nationalität, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit".

Es heißt auch: "Die ... tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder madjarischer Nationalität verlieren die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft mit dem Tage, an dem dieses Dekret in Kraft tritt." – Es ist aus dem Jahre 1945.

Außerdem findet sich noch folgende Bestimmung: "Eine Handlung, die in der Zeit vom 30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1945" – der Krieg war schon am 8. Mai 1945, also ein halbes Jahr vorher, zu Ende! – "vorgenommen wurde und deren Zweck es war, einen Beitrag zum Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zu leisten" – die Freiheit der Tschechen und Slowaken war damals schon seit einem halben Jahr gewonnen – "oder die eine gerechte Vergeltung für Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer zum Ziel hatte, ist auch dann nicht widerrechtlich, wenn sie sonst nach den geltenden Vorschriften strafbar gewesen wäre." – Das alles gilt also rückwirkend für Taten bis ein halbes Jahr nach dem Ende des Krieges!

Meine Damen und Herren! Die letztgenannte Bestimmung gilt dem Umstand, daß 242 000 Altösterreicher deutscher Zunge im Rahmen der Vertreibung umgebracht wurden, aber auch der Ermordung von 250 000 deutschen Kriegsgefangenen in der damaligen Tschechoslowakei. Alle diese Bestimmungen wie Vermögensverfall und Entzug der Staatsbürgerschaft trafen Menschen, nur weil sie einer bestimmten Sprachgruppe – der deutschen, ungarischen oder magyarischen Sprachgruppe – angehörten.

Auch jene Bestimmungen, wonach damals alles erlaubt war – sogar Leute umzubringen – sind bewußt heutzutage noch geltendes Recht und werden, wie wir aus den Zeitungen wissen – der Gerichtshof in Brünn etwa hat in dieser Richtung entschieden –, auch heute noch angewendet.

Das heißt, ein himmelschreiendes Unrecht, das man, wenn man sehr tolerant ist, aus der Warte des Jahres 1945 vielleicht noch verstehen, sicherlich aber nicht entschuldigen kann, ist heute,


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50 Jahre später, immer noch geltendes Recht, das auch angewendet wird. Und mit einer solchen Rechtsmaterie läßt man die Tschechen in den Warteraum zur EU, die Slowaken aber dürfen, weil sie die Ungarn schlecht behandeln, dort nicht hinein. Und niemand rührt einen Finger, auch die Österreicher nicht, die eine Schutzmachtfunktion in dieser Frage haben. Ich habe in den heutigen, sehr langen und sehr interessanten Ausführungen des Herrn Vizekanzlers in seiner Funktion als Außenminister vermißt, daß er mit einem Wort auf diese Problematik eingegangen wäre.

Ähnlich ist es in Slowenien. Auch Slowenien verfügt – wie mittlerweile wissenschaftlich festgestellt wurde – innerhalb seiner Grenzen über diese Minderheit, nämlich die Volksgruppe der Altösterreicher deutscher Zunge. Die Rechte dieser Minderheit liegen bei Null. Auch dort gibt es Bestimmungen aus der damaligen Zeit, die den Beneš-Dekreten entsprechen. Es sind dies die sogenannten AVNOJ-Bestimmungen.

Ich darf daraus zitieren, da es der eine oder andere vielleicht nicht gegenwärtig hat: "Mit dem Tage des Inkrafttretens dieses Beschlusses gehen in das Eigentum des Staates über: ... sämtliches Vermögen von Personen deutscher Volkszugehörigkeit." – Darunter wurden und werden auch heute noch Deutsche im engeren Sinne und Österreicher verstanden. Die Liechtensteiner haben sich die Jugoslawen erspart, die waren wahrscheinlich dort nicht so wichtig. Interessanterweise ist auch schon das Führen deutscher Familiennamen ausreichend, um diesem Kreis zugerechnet zu werden, denn es gibt Ausnahmebestimmungen, die besagen, daß in diesen und jenen Fällen das Führen deutscher Familiennamen nicht genüge.

Damit keine Zweifel aufkommen können, was gemeint ist, heißt es in den AVNOJ-Bestimmungen weiter: "Eine Konfiskation von Vermögen ist die zwangsweise, entschädigungslose Wegnahme des gesamten Vermögens (völlige Konfiskation) ."

Ich will Sie nicht länger damit langweilen, aber auch dieses Rechtsgut ist – wie die maßgebenden slowenischen Repräsentanten erklären – ganz bewußt und nicht etwa irrtümlich auch im Zuge der Wende, die vor einigen Jahren stattgefunden hat, im Fundus des slowenischen Rechtsgutes geblieben.

Aber auch dieses himmelschreiende Unrecht ist offenbar kein Anlaß dafür, daß man dieses auch jetzt noch geltende Recht hinterfragt. Wie möchten diese Länder mit einer solchen Rechtsmaterie eigentlich in die EU kommen? Wie können Staaten wie Tschechien oder Slowenien, die sich zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bekennen und in die EU streben, mit einer solchen Rechtsmaterie, die zum Beispiel in Tschechien auch heute – nicht im Jahr 1945 – noch von den Gerichten angewendet wird (Abg. Mag. Haupt: Slowenien auch! 1991!), ernsthaft annehmen, in die EU zu kommen? Niemand regt sich darüber auf! Wo sind die Österreicher? Wir sind die Schutzmacht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Einer meiner Vorredner hat zwar die Probleme der Altösterreicher deutscher Zunge in Slowenien angeschnitten, in den langen und interessanten Ausführungen des Herrn Vizekanzlers – ich wiederhole es – gab es dazu jedoch kein einziges Wort.

Ich komme nun zu einem anderen Thema: die Entwicklungszusammenarbeit. – Mein Standpunkt ist, daß man in diesem Zusammenhang überlegt, gezielt und konzentriert sowie unter entsprechender Kontrolle vorzugehen hat, denn es geht um den Einsatz österreichischer Steuermittel außerhalb der Grenzen unseres Landes.

Aber ich möchte auch darauf hinweisen, daß es ein eminentes Interesse der Österreicher sowie aller anderen Europäer – und nicht nur der Europäer – sein muß, daß in den Ländern der Dritten Welt eine möglichst ruhige, friedliche und positive Entwicklung stattfindet, und daß auch der Armut in diesen Bereichen nachhaltig gegengesteuert wird. Daß es Erfolge auf diesem Sektor gibt, wissen wir aus unbestechlichen statistischen Unterlagen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Es muß eine ruhige und friedliche Entwicklung geben. Wir wissen – das ist empirisch belegt –, daß, wenn es gelingt, die Armut dort, wo sie am drückendsten ist, zu bekämpfen, das Aus


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wirkungen haben wird, die für niemanden auf dieser Welt bedeutungslos sein können, nämlich ein ganz signifikantes Zurückgehen der Bevölkerungsexplosion. Dort, wo man die Armut halbwegs in den Griff bekommen hat, ist die Bevölkerungsexplosion nicht mehr so enorm wie früher.

Meine Damen und Herren! Das alles müssen wir – bei allem Verständnis dafür, daß man mit österreichischen Steuermitteln, vor allem jenseits der Grenze, vorsichtig umzugehen hat – im Auge behalten, wenn es um die Frage der Entwicklungszusammenarbeit geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.00

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist nicht nur so, daß wir, weil wir uns in einer Koalition mit der ÖVP befinden, mit dem Herrn Vizekanzler und Außenminister zusammenarbeiten müssen  – wir wollen das auch. Ich meine, es war eine wirklich sehr kompetente und sehr interessante Stellungnahme, die er heute hier abgegeben hat, und ich möchte ihm dafür wirklich mein Kompliment aussprechen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte auch inhaltlich etwas hinzufügen. Dieses "Was darf man, was darf man nicht?" wird oft gerade von Gruppen eingebracht, die historisch angetreten sind, gegen vieles aufzutreten, was man nicht darf. Es kann in der sicherheitspolitischen Diskussion aber keine Tabus geben. Ich wüßte nicht, welchen Sinn das macht, wenn man sich hier selbst Fesseln anlegt und nicht beginnt, wirklich umfassend, grenzüberschreitend, eben enttabuisierend zu denken, zu diskutieren. Und enttabuisiert zu denken und zu diskutieren bedeutet eben, daß man sich die Frage stellt, ob der Neutralitätsbegriff noch einen Sinn macht, ob er nicht vielleicht doch durch den Solidaritätsbegriff ersetzbar ist und ersetzt werden sollte. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Sagen Sie das zur eigenen Fraktion!)

Ich bekenne mich dazu. Ich gehöre zu denjenigen, die meinen, man kann auch jetzt schon, auch wenn man in Zeitabständen von zehn Jahren denkt und diskutiert, eine Meinung haben und sich fragen, ob man nicht vielleicht doch über ein Berufsheer nachdenken sollte, ob nicht vielleicht doch die NATO-Mitgliedschaft eine realistische Option ist, ob nicht vielleicht doch die Debatte über Zivildienst und über die Frage der Ersetzung des Zivildienstes auch miteinschließt, über einen freiwilligen Sozialdienst nachzudenken und auch eine Debatte über den Sozialstaat und dessen Finanzierung zu führen. – Das sind viele, viele Bereiche, die man, wie ich glaube, enttabuisiert diskutieren sollte.

Ich schließe mich durchaus an, wenn gesagt wird, die NATO sei erneuert worden. Aber auch wenn man hineingehen würde, wenn man hineingehen möchte in diese NATO, gibt es viele Punkte, die noch zu verändern sind. Rückzug in den Bereich der landgestützten nuklearen Waffen: Ich weiß schon, daß es bereits einen Abbau im Rüstungsbereich gegeben hat. Aber wie ist es mit der Frage der Doktrin der Führbarkeit des Atomkrieges? Wie ist es mit der Frage des Erstschlages? – Das sind noch Relikte aus dem Kalten Krieg.

Ich denke, wenn man schon das Konzept hat, daß man sich in Institutionen hineinbegibt, dann sollte man auch wissen, was man darin will, dann sollte man auch wissen, wie man weiter mitwirken will, um dem Begriff "NATO-neu" auch wirklich eine Legitimation zu geben. Ich habe da durchaus sehr viele kritische Anmerkungen und sehr viele Überlegungen, die dahin gehen, daß man vielleicht doch noch mehr in die Tiefe gehen und sich an diesem Diskussionsprozeß konstruktiv beteiligen sollte.

Genauso sehe ich das auch bei der Frage der Osterweiterung, und zwar weniger im Hinblick darauf, daß Europa nicht in den jetzigen Grenzen beschränkt bleiben soll. Da sind wir völlig d’accord. Ich sage nur, daß dies schon deswegen wirklich mit großer Sorgfalt zu diskutieren ist, weil das auch konkrete negative Auswirkungen auf die osteuropäischen Länder selbst haben kann – nicht nur auf Österreich, nicht nur auf Westeuropa –, wenn dieses Projekt nicht in einer


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verantwortungsvollen, sinnvollen Weise angegangen wird. Mich wundert es, wie so manches osteuropäische Land, das sich gerade freut, seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion, vom COMECON, vom Warschauer Pakt erlangt zu haben, jetzt mit großer Freude über einen EU-Beitritt nachdenkt, wahrscheinlich noch nicht wissend, welche Einschränkungen das wieder gerade in bezug auf die neu errungene Souveränität bedeuten kann. Manche wissen nicht, was das eigentlich für Konsequenzen für ihr Land selbst hat, wenn sie im infrastrukturellen, im sozialen Bereich, im ökonomischen Bereich, im ökologischen Bereich Anpassungen vornehmen müssen.

Ich bin wirklich dafür, daß man all die Schwierigkeiten, die es jetzt gibt – die Institutionenreform für die EU, die meiner Meinung nach noch nicht wirklich schlüssig auf dem Tisch liegt, die vielen Fragen der Reform des Agrarfonds, ich will das jetzt nicht alles aufzählen, mir fehlt die Zeit –, wirklich offen ausdiskutiert, weil diese schrittweise Erweiterung in den EU-Mitgliedsländern genauso wie in den osteuropäischen Ländern auch mehrheitsfähig sein muß. Man darf nicht Illusionen wecken, wenn Wünsche artikuliert werden, die vielleicht in dem Ausmaß und in der Schnelligkeit nicht erreichbar sind. Man muß ehrliche Kriterien aufstellen für einen möglichen, einen potentiellen Beitritt. – Das wollte ich noch hinzufügen.

Ich möchte sagen, daß ich mit großer Freude als ein alter Gegner der Atomenergie natürlich den Fünfparteienantrag zum AKW Temelin unterstütze, wonach man umsteigen und andere Energieformen suchen soll und es am besten zu einem Baustopp kommt.

Und ich möchte als allerletzten Punkt noch eine Frage an den Herrn Minister stellen. Er hat sich ja selbst kritisch geäußert zum Nahen Osten im Zusammenhang mit dem Oslo-Prozeß, zu den Schwierigkeiten, die die Regierung Netanyahu macht, zu den Möglichkeiten eines "Wirtschaftsboykotts", sage ich jetzt einmal unter Anführungszeichen, seitens der EU. Ich würde gerne wissen, wie er das einschätzt. Mir ist bekannt, daß er sehr viel Kritik eingebracht hat, zumindest habe ich das aus der APA herausgelesen. Ich stehe dem, was die derzeitige israelische Regierung einbringt, auch sehr kritisch gegenüber. Ich denke, damit sind wir nicht allein – auch von seiten der amerikanischen Administration gibt es kritische Anmerkungen.

Was mich interessieren würde, Herr Außenminister, ist: Wo sehen Sie da Lösungsansätze, oder wo kann man hier doch noch weitergehen? Sind die Gedanken, die jetzt in der EU diskutiert werden, mögliche Ansätze, oder könnte es nicht eventuell die Palästinenser selbst treffen, wenn man darüber nachzudenken beginnt, ob man nicht eine Art Wirtschaftsboykott gegenüber Produkten, die in den besetzten Gebieten hergestellt werden, in die Wege leitet? – Also das würde mich sehr interessieren. Ich hoffe, Sie haben die Freundlichkeit, darauf einzugehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hans Helmut Moser. – Bitte.

11.07

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat in seiner Antwort nach der ersten Runde dieser Debatte über das Budget 1999 unter anderem darauf hingewiesen, daß es in der Frage der Außenpolitik Sinn macht, einen breiten politischen Konsens zu haben. Und ich sage ganz ehrlich, meine Fraktion und ich stimmen da mit dem Außenminister voll und ganz überein. Es hat in der Vergangenheit, vor allem unter seinem Vorgänger, diesen breiten politischen Konsens ja gegeben, und ich bedauere es eigentlich, daß dieser politische Konsens in den letzten Jahren doch teilweise verlorengegangen ist.

Herr Bundesminister, dieser politische Konsens setzt voraus, daß es einen permanenten Dialog gibt in außenpolitischen wie auch in sicherheitspolitischen Fragen, einen permanenten Dialog nicht nur innerhalb der Bundesregierung, sondern auch mit den anderen Parlamentsparteien, also auch mit der Opposition. Ich würde mir wirklich wünschen, daß dieser Dialog wiederaufgenommen wird, daß es zu regelmäßigen Gesprächen und Aussprachen zwischen dem


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Außenminister und den außenpolitischen und sicherheitspolitischen Sprechern der Parlamentsparteien kommt.

Meine Damen und Herren! Gerade dieser Dialog mit den außenpolitischen und sicherheitspolitischen Sprechern der Parlamentsparteien würde dazu führen, daß wir zu einem breiten politischen Konsens kommen und daß wir gerade in Fragen der Außenpolitik, die für unser Land ja sehr wichtig ist, im Auftreten nach außen wie auch in unserer internationalen Präsenz zu einer Verbesserung der Situation kommen.

Frau Kollegin Tichy-Schreder und Frau Kollegin Kammerlander haben die Frage des Budgets angesprochen, daß 4,1 Milliarden Schilling, die dem Außenministerium zur Verfügung stehen, zuwenig wären im Vergleich zum Landesverteidigungsbudget. Vor allem Kollegin Kammerlander hat darauf hingewiesen, daß die Auslandseinsätze vom Verteidigungsministerium bezahlt und finanziert werden. Ich glaube, die Tatsache, daß dieser Budgetposten im Bereich des Landesverteidigungsressorts angeführt ist, ist tatsächlich ein Problem. Ich möchte das hier in die Diskussion einbringen, weil es nicht wirklich Sinn macht, daß die Auslandseinsätze und generell die Einsätze, die das Bundesheer wahrzunehmen hat, nicht im Wege eines Sonderbudgets finanziert werden. Immerhin macht das rund 1 Milliarde Schilling pro Jahr aus.

Diese 1 Milliarde Schilling geht zu Lasten des Friedensbetriebes des Heeres, zu Lasten der Ausbildung, zu Lasten der Modernisierung des Heeres. Und das sind wiederum wesentliche Voraussetzungen dafür, daß unsere UNO-Soldaten, daß das österreichische Bundesheer bei Auslandseinsätzen entsprechend professionell auftreten kann. Daher glaube ich, es wäre auch im Interesse des Außenministeriums, im Interesse des Außenministers, wenn die Finanzierung der Auslandseinsätze anders geregelt wird. Ich darf den Herrn Außenminister und Vizekanzler ersuchen, wenn schon der Verteidigungsminister nicht in der Lage ist, innerhalb der Bundesregierung eine sinnvolle Lösung durchzusetzen, entsprechende Initiativen zu setzen, damit wir da einen neuen Weg beschreiten können.

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Tichy-Schreder hat darauf hingewiesen, daß es Österreich an Selbstbewußtsein im Auftreten in der Öffentlichkeit mangeln würde. (Abg. Tichy-Schreder: Ja!) Ich bin nicht ganz dieser Auffassung. Mein Eindruck hinsichtlich des internationalen Bereichs ist vielmehr, daß wir einen ausgezeichneten, sehr engagierten diplomatischen Dienst haben und daß die Damen und Herren des Diplomatischen Corps sehr wohl in der Lage sind, die Interessen Österreichs und unseres Landes entsprechend zu repräsentieren und zu vertreten. Ich möchte mich an dieser Stelle dafür bedanken. (Abg. Tichy-Schreder: Das haben Sie mißverstanden! Ich habe gemeint, im gesamten!)

Das Problem, das ich sehe – und vielleicht kommen wir da zusammen –, ist, daß wir einen sehr großen Anteil an bürokratischen Regelungen haben und daß die Arbeit dadurch etwas gehandicapt ist, daß wir oft in der Präsentation unserer politischen Vorstellungen zu spät kommen und daß wir auch eine – ich möchte fast sagen – intellektuelle Verweigerung zeigen, daß wir wirklich nicht in der Lage sind, uns konzeptiv auf den jeweiligen Ebenen einzubringen.

Ich möchte das Beispiel der Europäischen Union bringen. Ich meine, daß wir in der Europapolitik den Schritt weg von einem nationalen außenpolitischen Ansatz hin zur europäischen Dimension noch nicht vollzogen, noch nicht zustande gebracht haben – siehe Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Die Frage, welche Perspektiven wir im Rahmen der Sicherheitspolitik sehen, ist meiner Ansicht nach ein klassisches, typisches Beispiel dieser Verweigerung, uns auf europäischer Ebene intellektuell einzubringen und auch die Realitäten entsprechend anzuerkennen und zu akzeptieren. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich darf gleich zu drei Punkten überleiten, die ich in die Debatte einbringen möchte. Erstens die Frage der Perspektive der österreichischen Sicherheitspolitik: Es sind meine Vorredner teilweise bereits darauf eingegangen. Ich bedauere, daß es nicht zum Optionenbericht der Bundesregierung gekommen ist. Ich glaube, daß das eine vertane Chance ist und daß sich das Nichtentscheiden letztendlich zum Nachteil für Österreich auswirken wird.


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Meine Damen und Herren! Worum wäre es gegangen? – Es wäre darum gegangen, die Perspektive festzulegen, in welcher Form die Integration Österreichs im Rahmen des europäischen Sicherheitssystems vorzusehen ist, und es wäre daher notwendig gewesen, sich ganz konkret und realistisch mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen und darüber eine offene, faire Diskussion zu führen. Auch wenn die Bundesregierung nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen wäre, hätte es dann zumindest eine offene Diskussion in diesem Hohen Haus über alle Möglichkeiten gegeben. Was aber nicht Platz greifen sollte, ist diese Diskussionsverweigerung. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, Herr Vizekanzler und Außenminister, daß gerade Ihre Fraktion diese Diskussionsverweigerung im Hohen Haus mitmacht. (Abg. Scheibner: Eine Verhöhnung des Parlaments!)

Ihre Fraktion bringt zwar eine entsprechende Option ein, aber Ihre Fraktion ist es auch, die im Unterausschuß des Außenpolitischen Ausschusses nicht einmal Gespräche darüber zugelassen hat. Es hat geheißen, da wird es keinen Konsens geben, und daher debattieren wir im Unterausschuß gleich gar nicht darüber und führen die Diskussion im Außenpolitischen Ausschuß. Im Außenpolitischen Ausschuß wird sie aber wieder so geführt werden, daß wir zunächst zu keinen Entscheidungen kommen. Diese Frage wird also bis auf die Zeit nach der EU-Präsidentschaft vertagt werden, und wir werden daher gerade in der so wichtigen Phase der EU-Präsidentschaft, einer zentralen europäischen Funktion, diesbezüglich keine Antwort geben können und auch keine wirklich abgestimmte Position haben. Ich bedauere es wirklich, daß es Ihre Fraktion ist, die sich im Parlament so verhält.

Meine Damen und Herren! Es wäre weiters darum gegangen, zu analysieren, ob die Neutralität noch eine adäquate Antwort ist, und vielleicht jene Argumente zu hören, warum man seitens der Sozialdemokraten um jeden Preis daran festhalten will. Ich meine, daß die Neutralität von der Geschichte überholt worden ist und daß wir spätestens dann, wenn wir hier die Diskussion über die Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages durchführen, Farbe bekennen werden müssen. Denn wenn wir im Rahmen des Amsterdamer Vertrages unsere Zustimmung geben, daß wir im Rahmen der Europäischen Union auch die sogenannten Petersberger Aufgaben entsprechend umsetzen, wahrnehmen und durchführen, und wenn es darum geht, daß wir auch aktiv zur Friedensschaffung in Europa beitragen, dann müssen wir endlich auch akzeptieren und anerkennen, daß die Neutralität keine sicherheitspolitische Konzeption und keine sicherheitspolitische Option für Österreich ist.

Es wäre darum gegangen, ob wir die Entwicklung einer europäischen Dimension wollen – durch eine Weiterentwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bis hin zu einer Integration der Westeuropäischen Union, dem sicherheits- und verteidigungspolitischen Arm der Europäischen Union, in die Europäische Union, und daß wir im Rahmen der Europäischen Union eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität entwickeln und auch die Europäische Union so ausbauen, daß sie ein entsprechendes Krisenmanagement in Europa darstellt.

Das habe ich vermißt, aber es wäre notwendig gewesen, offen über die Frage des Beitritts zur Westeuropäischen Union zu diskutieren. Jawohl! Wir meinen, daß das in der derzeitigen Situation Priorität hat, weil sich über den Beitritt zur Westeuropäischen Union auch eine Dynamik in der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt, genauso wie sich mit der Wirtschafts- und Währungsunion eine Dynamik entwickeln wird. Ich bin sehr hoffnungsvoll und sehr zuversichtlich, daß sich, wenn wir eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion haben, dieser Integrationsschub auch auf die Sicherheitspolitik auswirken wird.

Daher hätte man auch die Frage klar beantworten müssen, ob wir einen Beitritt zur Westeuropäischen Union wollen. Gerade seitens des Außenministeriums und auch immer wieder, wenn man mit Diplomaten zusammengekommen ist und Gespräche auch mit Vertretern Ihres Hauses geführt hat, bestand der Eindruck, daß es nur eine Option gibt, und diese eine und einzige Option ist der Beitritt zur NATO.

Ich gebe schon zu, daß alle sicherheitspolitischen Entscheidungen auf europäischer Ebene auf NATO-Ebene fallen. Ich gebe zu, daß es politische Entscheidungen dahin gehend gibt, daß im


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Rahmen der NATO diese gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität entwickelt und integriert werden soll. Aber, meine Damen und Herren, wir hätten die Chance gehabt, mit einem Beitritt zur Westeuropäischen Union, mit einer mittelfristigen Option auf einen möglichen Beitritt zur NATO die richtigen Weichenstellungen zu setzen. – So ist aber nichts geschehen, und mit diesem Nichtentscheiden – und ich muß diesen Vorwurf auch an den Herrn Vizekanzler und Außenminister richten – geben wir auch ein Stück Souveränität auf, weil die anderen über unsere sicherheitspolitische Perspektive, über die zukünftige Sicherheitspolitik und damit auch über das Einbinden Österreichs entscheiden. Das halte ich für einen falschen Schritt, für einen falschen Weg. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist noch nicht zu spät. Ich darf daher an den Herrn Vizekanzler und Außenminister die Bitte richten, auf seine Fraktion einzuwirken, daß wir diese Diskussion, die ja nun vom Unterausschuß des Außenpolitischen Ausschusses an den Außenpolitischen Ausschuß weitergegeben worden ist, auch während der Zeit der Präsidentschaft führen, damit diese Zeit auch genutzt wird, um zu einer sicherheitspolitischen Position Österreichs zu kommen. Ich glaube nämlich, daß wir diesbezüglich gefordert sein werden.

Ich möchte auf noch einen Punkt hinweisen, nämlich auf die Zypernfrage. – Herr Außenminister, wir wissen, daß es während des Vorsitzes Österreichs in der EU-Präsidentschaft zu einer Stationierung von Raketen im südlichen Teil der Insel kommen wird. Da geht es nicht nur darum, daß irgendein Flugplatz mit Lenkwaffen geschützt wird, sondern es werden Raketensysteme stationiert mit einer Reichweite von bis zu mehreren hundert Kilometern. Da geht es dann auch um eine Kontrolle des Luftraumes und um eine strategische Kontrolle des östlichen Mittelmeeres. Das berührt selbstverständlich auch die Sicherheitsinteressen der Türkei, und es besteht durchaus die Gefahr, daß ganz konkrete Schritte gesetzt werden – sie sind ja auch bereits angekündigt worden. Wir werden also gefordert sein, in dieser sicherheitspolitischen Frage das Krisenmanagement auf europäischer Ebene zu leiten und zu koordinieren.

Ich ersuche Sie daher, Herr Minister, dem Hohen Haus entsprechend zu berichten, welche Vorstellungen, welche Überlegungen seitens Ihrer Person dazu gegeben sind, weil auch die Österreicher, die im UNO-Einsatz auf Zypern ihren Dienst versehen, davon betroffen sind und es darum geht, daß auch unsere Soldaten einen entsprechenden Schutz haben. Es kann, wenn tatsächlich ein Konflikt ausbricht, durchaus die Situation eintreten, daß es zu einer Rückverlegung unserer UNO-Soldaten kommt. Ich würde gerne wissen, was seitens der österreichischen Bundesregierung für einen derartigen Fall vorgesehen ist.

Meine Damen und Herren! Der dritte und letzte Punkt ist die Frage der Entwicklungszusammenarbeit. Ich gehe davon aus, daß die Sprecher für die Entwicklungszusammenarbeit der anderen Fraktionen noch darauf eingehen werden. Es sind für die bilaterale Zusammenarbeit im Budget etwa 850 Millionen Schilling vorgesehen. Wir liegen damit wesentlich unter dem Durchschnitt der Europäischen Union, wir liegen damit wesentlich unter den Vorgaben seitens der OECD. Und ich darf wirklich bitten, daß der Herr Außenminister und Vizekanzler diesem Aspekt eine größere Bedeutung und Gewichtung beimißt, als das in der Vergangenheit der Fall war. Wir müßten uns irgend etwas überlegen, wie wir endlich an internationales Niveau herankommen und wie wir vor allem, was den Einsatz der Mittel der Entwicklungszusammenarbeit betrifft, zu einer Evaluierung dieses Einsatzes kommen. Wir haben einen ersten richtigen und wichtigen Schritt gesetzt. Wir werden die Evaluierung der Projekte in Uganda bei der nächsten Sitzung des Unterausschusses des Außenpolitischen Ausschusses besprechen. Ich glaube, daß es generell zur Evaluierung der Projekte nach einer gewissen Zeit kommen muß und daß wir kontinuierlich auch einen Bericht an das Parlament erstatten müssen.

Es besteht Handlungsbedarf in der Frage der Entwicklungszusammenarbeit, nämlich um diese Entwicklungszusammenarbeit zu optimieren, um zu einem besseren und koordinierteren Einsatz der Mittel zu kommen, aber auch um die Strukturen der Entwicklungszusammenarbeit zu verbessern. Wir brauchen eine bessere Integration der Entwicklungszusammenarbeit in den Bereich der Außenpolitik, in den diplomatischen Dienst. Ich glaube, daß es notwendig ist, daß die Entwicklungszusammenarbeit wieder ein stärker integrierter Bestandteil der österreichischen Außenpolitik wird, wenn es darum geht, zu einer friedlichen Entwicklung in den verschiedensten


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Regionen der Welt beizutragen, wenn es darum geht, die Armut auf der Welt zu bekämpfen. Da brauchen wir eine bessere Integration. Neben dem diplomatischen Dienst wird so etwas ähnliches wie ein Dienst der Entwicklungszusammenarbeit aufgebaut werden.

Wir brauchen eine bessere Koordination der Entwicklungszusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen, mit den NGOs, das sind die Träger der österreichischen Entwicklungspolitik. Da bedarf es einer besseren Koordination, und da gibt es Schwierigkeiten und Probleme und auch Vorschläge seitens der NGOs. Ich erwarte mir, daß ihre Vorschläge auch seitens des Außenministeriums, der zuständigen Staatssekretärin und der zuständigen Sektion entsprechend berücksichtigt werden.

Aufgrund der Tatsache, daß das Gesetz betreffend Entwicklungszusammenarbeit auf die siebziger Jahre zurückgeht, macht es Sinn, zu einer neuen gesetzlichen Regelung der Entwicklungszusammenarbeit zu kommen. Ich schlage daher vor, daß wir darüber eine parlamentarische Enquete abhalten, damit es zu einem breiten Dialog zwischen den Fraktionen des Hohen Hauses kommt – unter Einbeziehung der NGOs, unter Einbeziehung der Experten und auch der Wirtschaft – und wir diese Frage der Entwicklungszusammenarbeit auf eine neue Grundlage stellen, damit wir die Herausforderung der Zukunft entsprechend bewältigen können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.25

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Bevor ich Frau Abgeordneter Rauch-Kallat als nächster Rednerin das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß die Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuß zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung einzelner Mitglieder der Bundesregierung im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität im Inland und Ausland einzusetzen.

Es liegt außerdem das Verlangen von fünf Abgeordneten gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Nach § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung finden die Debatte und die Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung statt.

*****

Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, Sie gelangen jetzt zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.26

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Österreich ist ein kleines Land, und dennoch hat es eine bedeutende außenpolitische Rolle – nicht nur aufgrund seiner geopolitischen Lage und seiner Geschichte, sondern vor allem wegen seiner Kultur, seiner Wirtschaft, aber auch infolge seiner diplomatischen Beziehungen.

Österreich hat mit seiner Außenpolitik seit vielen Jahrzehnten dem Land Sicherheit, Frieden und Stabilität gesichert, es hat aber auch wesentlich dazu beigetragen, daß Sicherheit, Frieden und Stabilität in der Region gesichert wurden. Gerade in den letzten Jahren, als ein furchtbarer Krieg in unseren Nachbarländern getobt hat, hat Österreich wesentlich dazu beigetragen, das Leid zu lindern. Ich denke nur an die Aufnahme von Flüchtlingen – Österreich hat im Vergleich zu seiner Bevölkerungszahl die höchste Zahl an Flüchtlingen übernommen – oder an die Hilfslieferungen, die die Aktion "Nachbar in Not" zustande gebracht hat, und nicht zuletzt an IFOR und SFOR, vor allem aber auch an die diplomatischen Bemühungen, die Österreich immer wieder setzt, wie jetzt gerade im Kosovo. Der Herr Außenminister hat eingangs gesagt, daß er heute erst wieder ausführliche Gespräche darüber geführt hat.

Ein anderes Beispiel für die Bedeutung der Außenpolitik Österreichs auch international ist vor wenigen Monaten sehr erfolgreich in die Zielgerade gegangen, nämlich die Kampagne gegen


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Antipersonenminen, die – von NGOs begonnen, zur Bewußtseinsbildung gebracht – vom österreichischen Parlament in einem Fünfparteienantrag erstmals weltweit aufgegriffen wurde. Damit wurde ein klares Zeichen gesetzt, was letztendlich zu einer internationalen Konvention geführt hat, die jetzt dazu beträgt, daß, wenngleich die größten und wichtigsten Länder noch nicht beigetreten sind, doch eine Entwaffnung stattfindet und ein wesentlicher Prozeß zum Wohle der Zivilbevölkerung einsetzt.

Es sei auch positiv erwähnt, daß "Nachbar in Not" die Idee des Außenministers aufgegriffen hat und mit einer großen Kampagne Hilfe für die Minenopfer leistet, ebenso wie die österreichischen Ministerien – das Außenministerium, das Familienministerium –, die mit 16 Millionen Schilling einen wesentlichen Beitrag leisten. Es hat sich überhaupt gezeigt, daß wir in der Außenpolitik Gott sei Dank in diesem Parlament sehr oft zu konsensualen Lösungen finden. Nicht nur bezüglich der Antipersonenminen-Kampagne, auch in der Anti-Atompolitik gibt es immer wieder Fünfparteienanträge, die sehr klar dazu beitragen, daß auch außerhalb Österreichs das Anti-Atombewußtsein steigt. Auch heute wieder wird Frau Kollegin Moser einen Fünfparteienantrag zum Kraftwerk Temelin einbringen, und ich danke ihr sehr für diese Initiative.

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, daß mich, als ich 1995 im Europäischen Rat gegen den Kredit der Europäischen Bank für Aufbau und Entwicklung lobbyiert habe, viele europäische Kollegen gefragt haben: Mochovce – wer oder was ist das? Es ist sicher auch den österreichischen Politikern und Politikerinnen zu danken, daß jetzt europaweit ein entsprechendes Bewußtsein beginnt. Es hat auch hier in diesem Haus einen Fünfparteienantrag zur klaren Verurteilung der indischen Atomtests gegeben oder einen Antrag zum internationalen Jahr der Menschenrechte.

Lassen Sie mich noch ganz kurz darauf eingehen, daß Österreich mit seiner Auslandskultur einen wesentlichen Beitrag nicht nur für die österreichische Wirtschaft, sondern auch für Kunst und Wissenschaft vor allem in den ost- und mitteleuropäischen Ländern leistet und damit natürlich auch einen wesentlichen Anteil am Aufbau der dortigen Demokratien hat. Durch die Präsidentschaft in der Europäischen Union wird Österreich neuerlich eine ganz wesentliche Rolle spielen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Beamten des Außenministeriums ganz herzlich für die vielfältige Tätigkeit, die sie leisten, und für die zusätzliche Belastung, die sie übernehmen müssen, danken. Aber ich möchte auch als Familienpolitikerin ganz herzlich den Angehörigen unserer Botschafter und Botschafterinnen danken – es gibt Gott sei Dank mehr –, die manchmal auch sehr vieles mitzuerleiden haben. Ich denke beispielsweise an die Kinder, die den häufigen Schulwechsel nicht immer unproblematisch verkraften, aber auch an die Mitarbeit der Ehegattinnen, die bisher noch unbezahlt und unbedankt sehr vieles leisten. Ich freue mich sehr, daß die Verhandlungen zu den entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Absicherungen gut verlaufen, und ich hoffe sehr, daß diese langjährige Forderung bald einmal erfüllt werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne möchte ich sehr herzlich für alle Initiativen danken, die dazu beitragen, daß der Beruf des Diplomaten auch für seine Familie durchführbar und erfreulich ist, und ich bin sehr dafür, daß wir ihren Familien die notwendige Unterstützung zukommen lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.33

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine Damen und Herren! Immer wieder wird betont, daß Außenpolitik die eigentliche, die wahre Sicherheitspolitik sei, und das möchte ich doppelt und dreifach unterstreichen. Für uns Grüne hat diese sicherheitspolitische Dimension auch einen Schwerpunkt im Bereich der Anti-Atompolitik. Die Außenpolitik ist für uns auch ein Instrument, um dem österreichischen Ziel, um dem Fünf-Parteien-Entschließungsantrag, dem Bekenntnis zu einem atomwaffenfreien Mittel


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europa und auch dem Bekenntnis zu einem atomkraftwerksfreien Mitteleuropa immer wieder Leben zu verleihen.

Gestern hatten wir eine Debatte über die Bedrohung unserer Sicherheit durch das Kernkraftwerk Mochovce, heute möchte ich darauf hinweisen, daß die Versäumnisse auch in außenpolitischer Hinsicht gerade bei diesem Kernkraftwerk dazu führen müssen, daß wir einen besseren Weg einschlagen, Chancen wahrnehmen und Optionen nützen, nämlich die Option, daß das Kernkraftwerk Temelin, das kurz vor seiner Fertigstellung steht, nicht in Betrieb geht. Es ist meiner Ansicht nach eine wesentliche außenpolitische Aufgabe, es vielleicht erstmals zustande zu bringen, daß ein Kurswechsel vorgenommen wird, daß die atomare Energieversorgung in einem Nachbarstaat umgepolt wird und daß aufgrund österreichischer Initiative, österreichischer Offensive, österreichischer konkreter Handlungsangebote ein anderes, ein alternatives Energieszenario, ein sicheres, ein nachhaltiges Alternativenergieszenario angeboten werden kann.

Außenpolitik hat mit der Erweiterung der EU, mit der Sicherung der üblichen Friedenskonstitutionsmöglichkeiten in Europa zu tun. Ein wesentlicher Punkt dieser Erweiterung ist, daß das Bekenntnis und auch die verbindliche Erstellung von Atomausstiegskonzepten in die Erweiterungsverhandlungen miteinbezogen werden. Dazu gab es vergangenen Juli einen Fünf-Parteien-Beschluß, und diesem müssen wir zu Leben verhelfen. Deswegen ersuche ich Sie ganz besonders, Herr Außenminister, diesen Auftrag des Nationalrates, diesen Auftrag aller fünf Parteien in die Verhandlungen offensiv miteinzubringen.

Es geht darum, ganz konkrete Ausstiegsszenarien auf den Tisch zu legen, ganz konkrete Finanzierungskonzepte daran anzuschließen und mit diesen einfachen und konstruktiven Schritten die Beitrittswerber auf einen anderen Weg in der Energiepolitik, auf einen sicheren Weg in der Energiepolitik zu bringen.

Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, daß Sie jetzt das offene Fenster nützen, das sich nicht nur bei den Beitrittsverhandlungen, sondern vor allem im Zusammenhang mit Temelin auftut. Die tschechische Regierung ist eine Übergangsregierung, weil es Neuwahlen geben wird. Die tschechische Bevölkerung ist zum Teil schon davon überzeugt, daß es andere sichere Energieversorgungsmöglichkeiten gibt – nicht zuletzt aufgrund der oberösterreichischen Landesregierung, die diesbezüglich einen sehr konstruktiven und offensiven Weg beschreitet. Ihr Parteikollege, Landeshauptmann Pühringer hat einen Anti-Atombeauftragten eingesetzt, der vor Ort in Prag Informationstätigkeit ausübt und die Leute vor Ort davon überzeugen will, daß der Weg weg von den AKWs der bessere ist.

Bitte ergreifen Sie die Möglichkeit dieses offenen Fensters, das sich nicht nur in politischer Hinsicht bietet, sondern auch in technischer, finanzieller und organisatorischer Hinsicht. Temelin ist ein Milliardenprojekt, das sich kostenexplosiv entwickelt. Temelin hat organisatorische und technische Schwierigkeiten, die selbst die Betreibergesellschaft zum Nachdenken bringt. Temelin ist ein Projekt, das vom eigenen Wirtschaftsminister nicht mehr massiv vorangetrieben wird, weil die finanziellen Rahmenbedingungen so unsicher sind. – In dieses offene Fenster müssen Sie vorstoßen, durch diese offene Tür müssen Sie eintreten!

Darum möchte ich heute noch einmal einen Antrag zur Verlesung bringen, der von allen fünf Parteien getragen wird, aber auf die Initiative der Grünen zurückzuführen ist. Wir müssen aus Mochovce lernen, wir müssen darauf drängen, daß das AKW Temelin nicht in Betrieb geht und andere Energieformen gefunden werden.

Dieser Antrag lautet folgendermaßen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Dr. Josef Cap, Maria Rauch-Kallat, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Thomas Barmüller betreffend Aktionsprogramm "Temelin"

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle Schritte zu unternehmen, um eine Inbetriebnahme des AKW Temelin zu verhindern, insbesondere:

1. intensive bilaterale Verhandlungen mit dem Ziel einer Nachdenkpause und der Einstellung der Bauarbeiten am Kernkraftwerk Temelin fortzusetzen,

2. eine Machbarkeitsstudie zur Substituierung des geplanten atomaren Energiepotentials durch andere Energieträger zu initiieren,

3. die Erstellung eines EU-Finanzpaketes zur Finanzierung des Umstiegsszenarios zu prüfen.

*****

Ich bin mir dessen sicher, daß alle fünf Parteien diesen Antrag mittragen werden, ich bin mir aber nicht sicher, wie intensiv, offensiv und konstruktiv er dann in den Verhandlungen behandelt wird und wie sehr Sie auf EU-Ebene darauf drängen werden, daß die EURATOM-Mittel umgepolt werden.

50 Milliarden Schilling an Krediten liegen für die sogenannte Sicherstellung von Kernkraftwerken im Osten bereit. Diese 50 Milliarden Schilling müssen zur effektiven Sicherstellung der Energieversorgung verwendet werden, und zwar für Alternativszenarien. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller. )

Bitte nützen Sie dazu Ihren Einfluß, trachten Sie danach, daß EURATOM im Sinne einer sicheren Energieversorgung zu einem wahren Energiepaket wird! Setzen Sie sich auch dafür ein, Herr Außenminister, daß die Mittel im Bundeskanzleramt – ich habe mich im Ausschuß erkundigt, es gibt Mittel im Osteuropafonds – zur Verfügung gestellt werden, damit eine Initiative gesetzt und die Machbarkeitsstudie auf den Tisch gelegt werden kann! Ein konkretes Projekt, ein machbares Projekt statt Temelin ist möglich. Vorstudien gibt es, die nicht in den Schubladen bleiben sollen, die mit Ihrer Initiative endlich eine faßbare, eine brauchbare, eine akzeptable und eine verlockende Form annehmen müssen, damit die Tschechen umstellen, damit die Tschechen einen anderen Weg beschreiten.

Trachten Sie auch danach, daß die bilateralen Verhandlungen intensiviert werden; es gibt verhandlungsbereite Partner in Tschechien. Die politische Situation ist ganz anders als in der Slowakei. Nützen Sie diese Möglichkeit! – Bohunice bleibt, Mochovce droht uns, und Temelin darf nicht kommen. Ich hoffe, daß dies mit Hilfe unserer Politik möglich sein wird. (Beifall bei den Grünen.)

11.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Dr. Moser hat einen Entschließungsantrag vorgetragen, der ausreichend unterstützt ist, dem Präsidium überreicht wurde und damit in Verhandlung steht.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.40

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Budgetkapitel Äußeres ist heute Anlaß zu einer Generaldebatte über die österreichische Außenpolitik gewesen, die sich unter anderem auf zwei Bereiche bezogen hat: auf die Frage der Sicherheitspolitik und auf die Frage der Osterweiterung. In den letzten Redebeiträgen wurde auch die Frage der Entwicklungspolitik angesprochen. Ich möchte zu allen drei Bereichen drei kurze Bemerkungen machen.

Punkt eins: Die alte Ordnung der Dinge vor dem Jahr 1989 war dadurch gekennzeichnet, daß jeder Konflikt auf der Welt im Ost-West-Kontext gesehen wurde und daher auch die Hemmschwelle zu Auseinandersetzungen in Europa zumindest gering war, weil die Gefahr einer Eskalation bestanden hat. Seit 1989 sind wir in einer Situation, daß nicht mehr jeder Konflikt in


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diesem Kontext gesehen wird, was manchmal auch den Nachteil mit sich bringt, daß die Hemmschwelle für neue Arten von Konflikten bedeutend geringer ist als in der Vergangenheit, was aber auch den Vorteil mit sich gebracht hat, daß die internationale Staatengemeinschaft über mehr Möglichkeiten verfügt, sich solidarisch im Sinne eines kollektiven Konfliktmanagements in Krisenregionen einzubringen.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Wie stellen wir uns die künftige Weltordnung oder die künftige Ordnung der Dinge vor? – Wir befinden uns doch heute in einer Situation des Umbruchs. Im wesentlichen sind die Vereinigten Staaten von Amerika als einzige Ordnungs- oder Supermacht übriggeblieben. Dieser Zustand erweist sich in vielerlei Beispielen als ein Zustand, der wahrscheinlich bei friedlichen Zuständen nicht langfristig haltbar sein wird. Man merkt in verschiedenen Teilen der Welt, daß eine "Pax Americana" nicht wirklich langfristigen friedenssichernden Bestand haben wird. Daher müßte und sollte sich eine neue Art von Gleichgewicht, die nicht auf Basis von Militärblöcken, nicht auf Basis von militärischer Stärke aufbaut, entwickeln. In diesem Kontext, so glaube ich, hat Europa eine ganz entscheidende Rolle zu spielen.

Das ist in Wirklichkeit einer der Gründe, wieso ich ein ganz intensiver Anhänger einer vertieften Europäischen Union bin, weil ich die Meinung vertrete, daß die Zivilisationsvorstellungen Europas auch im weltweiten Maßstab eine bedeutend größere Rolle spielen müßten, als das heute der Fall ist. Dazu sind aber meiner Auffassung nach einige vorbereitende Schritte vor allem in der Europäischen Union selbst zu unternehmen, denn bisher ist leider die Europäische Union in vielen Bereichen noch nicht handlungsfähig.

Ich setze unter anderem in die Einführung der europäischen Einheitswährung, den Euro, auch in politischer Hinsicht sehr große Hoffnungen, weil ich glaube, daß neben der ökonomischen Integration die Verwirklichung dieser Einheitswährung dazu führen wird, daß der Druck auf die politische Integration bedeutend ansteigt. Ebenso bin ich der Meinung, daß die große Herausforderung der Osterweiterung den Druck auf die Institutionenreform verstärken wird, weil es ganz offensichtlich so ist, daß sich in der Europäischen Union nur dann etwas bewegt, wenn es große Projekte umzusetzen gilt. Das heißt, daß sozusagen die Mühen der Ebene ohne einen großen Leitstern nicht dazu führen, daß substantielle Fortschritte erreicht werden. Daher brauchen wir diese großen Visionen der europäischen Integration, um viele der erforderlichen Dinge auch tatsächlich erledigen zu können.

Viele haben Bedenken in bezug auf die Osterweiterung geäußert. Diese Bedenken sind legitim, weil es nicht darum geht, die Osterweiterung grundsätzlich in Frage zu stellen. Ich glaube, niemand wird bezweifeln können, daß die friedenspolitische Zielsetzung hinter der Osterweiterung unbestreitbar ist. Es geht aber darum, zu welchen Bedingungen diese Osterweiterung über die Bühne gehen wird. Herr Abgeordneter Cap hat darauf hingewiesen, daß es auch für einzelne osteuropäische Staaten unter Umständen Nachteile bringen könnte, wenn sie zu schnell der Europäischen Union beitreten.

Ich möchte dazu folgendes sagen: Die bisherige Bündnisverpflichtung der osteuropäischen Staaten war keine freiwillige und demokratische, sondern durch die Präsenz der Roten Armee erzwungen. Wenn sich nun die osteuropäischen Staaten, welche die Freiheit gewonnen haben, souverän, demokratisch dazu entscheiden, am Projekt der Europäischen Integration teilzunehmen, dann erachte ich das als eine Entscheidung ganz anderer Qualität, anders als den Status, der davor vorhanden war. Diese osteuropäischen Staaten werden auch nicht bedingungsfrei in die Europäische Union kommen. Man braucht nur die letzten Interviews des präsumptiv neuen ungarischen Ministerpräsidenten zu lesen, der gesagt hat: Wir haben ganz klare Vorstellungen und wollen keinen Beitritt, der auf Kosten und zu Lasten Ungarns geht. – Ebenso wollen wir Österreicher nicht, daß die Osterweiterung auf dem Rücken der österreichischen Bevölkerung durchgeführt wird.

Das heißt, es geht darum, in vernünftigen Verhandlungen sicherzustellen, daß die Osterweiterung eine gemeinsame und sinnvolle Perspektive für die Menschen im Osten Europas und die Menschen im Westen Europas bringt. Denn letztendlich wird es nur dann eine demokra


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tische Akzeptanz geben, wenn sich das auch in der Verbesserung der Lebensbedingungen in Ost und West niederschlägt. Man wird das Projekt der Osterweiterung nicht unter dem Titel des allseitigen Verzichts und unter dem Titel hehrer Zielvorstellungen, die auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung gehen, verkaufen können.

Daher ist ganz entscheidend, diese Bedingungen zu verhandeln. Das wird auch eine bestimmte Zeit benötigen. Ich bin aber nicht der Auffassung, daß wir uns auf irgendwelche Terminspekulationen einlassen sollten. Wie gerade letzte Äußerungen zeigen, sind diese Spekulationen außerordentlich beliebig. Es geht darum, Kriterien festzulegen, worin die Zielsetzungen bestehen, und zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Zielsetzungen tatsächlich erreichbar und erfüllbar sind, soll die Erweiterung über die Bühne gehen. Natürlich ist die Osterweiterung die große historische Herausforderung, vor der die Europäische Union steht. – Diese Osterweiterung schlecht gemacht, kann die bisherigen Integrationserfolge in Frage stellen, diese Osterweiterung gut gemacht, kann das Friedensmodell der Europäischen Union, das für Westeuropa über mehrere Jahrzehnte tauglich war, auch auf den Osten dieses Kontinents erweitern.

Darin muß unsere gemeinsame Zielsetzung bestehen, denn Österreich als ein Land im Herzen Europas kann seine Sicherheit nicht unilateral und am Rande Europas definieren, sondern nur im Herzen einer gesamteuropäischen Friedens-, Sicherheits- und Stabilitätszone. Vor diesem Hintergrund meine ich, daß das Projekt der Osterweiterung auch politisch von österreichischer Seite engagiert angegangen und mitgetragen werden muß. (Beifall bei der SPÖ.)

11.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Meischberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.48

Abgeordneter Ing. Walter Meischberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Leider war es mir aufgrund eines Terminirrtums nicht möglich, am Informationstreffen mit der Südtiroler Landesregierung und den Vertretern Südtirols, das vor kurzem stattfand, teilzunehmen. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen möchte ich zu diesem Thema Stellung nehmen.

Herr Bundesminister! Sie haben davon gesprochen, daß sich die Rolle der österreichischen Außenpolitik verändert hat, daß man aufgrund der europäischen Öffnung und des österreichischen Betrittes insgesamt Veränderungen spürt. Das gilt Gott sei Dank auch für den Bereich der Südtirolpolitik. Ich glaube, daß man seit langem wieder einmal von positiven Fortschritten berichten kann. Es gibt ein spürbar positives Klima in der Beziehung der Südtiroler zu Italien, aber auch in bezug auf die Rechte der dortigen Bevölkerung sind Fortschritte zu verzeichnen. Dies ist aber nicht nur auf die europäische Öffnung zurückzuführen, sondern ich glaube, daß die derzeitige Regierung in Italien in letzter Zeit auch sehr viel zu dieser positiven Stimmung beigetragen hat.

Als Beispiel möchte ich anführen, daß man am 4. November vergangenen Jahres erstmalig in Südtirol, in Bozen, darauf verzichtet hat, am Siegesdenkmal einen Kranz niederzulegen. Diese Kranzniederlegung vor dem Siegesdenkmal in Bozen bedeutete immer eine Provokation der deutschsprachigen Bevölkerung in Südtirol. Dies ist auch immer mit sehr vielen Emotionen verbunden gewesen. Und wer wie ich selbst noch vor wenigen Jahren dort mit den Südtiroler Schützen aufgetreten ist und von italienischen fanatischen Faschisten angespuckt wurde, der weiß, was es bedeutet, wenn derartige Provokationen erstmalig unterlassen werden.

Ich glaube, das ist Ausdruck eines Klimas des Verständnisses und der Gesprächsbereitschaft, das wirklich positiv zu bewerten ist. Dazu beigetragen hat natürlich auch die Begnadigung einiger Südtirol-Aktivisten der sechziger Jahre. Auch das ist sehr positiv, auch wenn man insgesamt anmerken muß, daß es noch einige Aktivisten gibt, die auf ihre Begnadigung warten. Diese Begnadigungen sind von uns, von der Schutzmacht Österreich, unbedingt einzufordern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Das in Kraft getretene Schengener Abkommen hat für Tirol besondere Bedeutung. Wenn man weiß, daß die Brenner-Grenze jetzt von Grenzformalitäten befreit ist und es eine Durchfahrt der Tiroler nach Tirol gibt, ohne Grenzbehörden gegenüberstehen zu müssen, dann muß man sagen, das ist einmal rein optisch eine große Erleichterung beziehungsweise ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Man sollte vor allem als Schutzmacht Österreich aber dabei nicht vergessen, daß es sich, auch wenn keine Grenzbalken mehr vorhanden sind und es keine Grenzformalitäten zu erledigen gibt, nach wie vor um eine Unrechtsgrenze am Brenner handelt. Und es ist so lange eine Unrechtsgrenze, solange man der Südtiroler Bevölkerung verweigert, in Form einer Selbstbestimmung über ihre Staatszugehörigkeit zu entscheiden – abgesehen vom Ergebnis, das eine derartige Selbstbestimmung oder Abstimmung bringen würde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Entscheidend dabei ist, daß man den Südtirolern dieses Recht zuspricht. Man hat darauf zu achten, daß es keine Kräfte gibt, die dem Frieden, der eingezogen ist, entgegenwirken. Die Alleanza Nazionale hat das erst vor kurzem gemacht und die hart erkämpften Minderheitenrechte der Südtiroler Bevölkerung wieder einmal mit Füßen getreten. Die Vertreter der Alleanza Nazionale sind so lange nicht bereit, diese Rechte zu akzeptieren, solange sie ein neues Autonomiestatut für Italiener in Südtirol einfordern.

Mir ist schon bewußt, Herr Bundesminister, daß es dafür praktisch keine Umsetzungschance gibt, daß das zweite Autonomiestatut international verankert ist, und vor allem bedarf es der Zustimmung und des Einverständnisses Österreichs, dieses Autonomiestatut zu ändern. Aber allein die Provokationen sollten uns wachsam halten. Wir sollten darauf achten, daß derartige Dinge von Haus aus keinen Nährboden erhalten und vor allem keine Hoffnungen auf Umsetzung bei jenen Italienern geweckt werden, die diese Autonomiestatute der Südtiroler nicht anerkennen.

Zum zweiten Autonomiestatut wäre zu sagen, daß die Frage der Blankoschecks in einigen Bereichen noch nicht erledigt ist. Es geht vor allem um drei Bereiche: Zum einen einmal geht es um die Kompetenzen im Bereich der Erzeugung und Verteilung von Elektroenergie in Südtirol. Zum zweiten geht es um die Rückführung einer Reihe von Immobilien, die jetzt im Bundesbesitz sind und früher schon im Landesbesitz gewesen sind, in den Landesbesitz. Und drittens geht es nach wie vor noch um offene Fragen im Zusammenhang mit dem Proporz im öffentlichen Dienst. – Ich glaube, diese Dinge werden erledigt werden, wir sollten nur darauf achten, daß dann die Grundlagen für den Paketabschluß wirklich erfüllt werden.

Der wichtigste Punkt, der auch politisch zu entscheiden ist, ist die Frage der Toponomastik beziehungsweise Ortsnamensgebung in Südtirol. Das ist deswegen eine politische Frage, weil diese Toponomastik, diese Ortsnamensgebung in der Zeit des Faschismus entstanden ist. Das heißt, diese Gesetzgebung trägt nach wie vor den Stempel der faschistischen Gewalt und ist deshalb schon mit Unrecht verbunden. Dieses Unrecht ist politisch aufzuheben, auch wenn man aus dem Vertrag von Versailles etwas anderes, nämlich die Zweisprachigkeit, ableiten könnte.

Ich glaube, es ist nicht die Zeit, radikale Forderungen aufzustellen. Das ist auch nicht in unserem Sinne, und das wird auch niemand machen, aber das radikale Beharren Italiens in dieser Frage ist sicher auch nicht der richtige Weg.

Herr Bundesminister! Auch in Zeiten europäischer Einigung und eines positiven Gesprächsklimas mit Italien sollten wir uns unserer Schutzmachtrolle weiterhin bewußt sein und vor allem auch versuchen, eine politische Lösung in dieser Frage herbeizuführen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. König. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.56

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Osterweiterung ist die historische Chance, die Teilung


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Europas zu überwinden. Und sie ist auch eine Chance für Österreich, aus der Grenzposition wieder in die Mitte Europas zu kommen. Daß gerade unsere kleineren und mittleren Unternehmen diese Chance zu nützen wußten, geht aus einem Bericht des österreichischen Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche hervor, wonach in der Zeit seit der Ostöffnung 40 000 neue Arbeitsplätze in Österreich netto gewonnen wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Das muß man einfach erkennen, wenn man über die Schwierigkeiten spricht. Abgeordneter Haider hat heute nur von den Schwierigkeiten gesprochen und darauf hingewiesen, welche Gefahr die unterschiedlichen Löhne und Sozial- und Umweltstandards in den neuen Mitgliedstaaten gegenüber der EU mit sich bringen. (Abg. Böhacker: Berechtigterweise!) – Jawohl, berechtigterweise! Er hat allerdings den Vorwurf an den Außenminister und an die Regierung hinzugefügt, daß sie "fahrlässig dies übersehen würden". Und das ist falsch.

Ich darf aus einer Rede des Herrn Vizekanzlers vom 29. Jänner 1998 auf der Ostregionenkonferenz in Graz zitieren, wo er wörtlich gesagt hat: Auch die durch die Integration unserer Nachbarstaaten in die EU ausgelösten Probleme und Risiken dürfen allerdings nicht unterschätzt werden. Dann hat er sie aufgezählt, es waren genau die gleichen. Aber jetzt kommt der Unterschied: Abgeordneter Haider hat keine Lösung angeboten. Er sagt nur nein zur EU, nein zum Euro, nein zur Osterweiterung.

Kollege Spindelegger als unser außenpolitischer Sprecher hat darauf verwiesen, daß es wesentlich darauf ankommt, wie und wann diese Erweiterung erfolgt. Zum Wie und zum Wann gibt es Vorbilder. Entscheidend für das Wie wird sein, daß die Vorbereitungsphase, die Vorbeitrittsphase entsprechend genützt wird, und zwar genützt wird – das ist das entscheidende –, um die Lohnunterschiede, die wirtschaftlichen Unterschiede auszugleichen und die Sozial- und die Umweltstandards anzuheben, damit das Andockmanöver ohne große Erschütterungen sowohl in den neuen Mitgliedstaaten als auch in der EU vollzogen werden kann. (Abg. Böhacker: Wie würden Sie das machen, und wie machen Sie das?) Bei diesem Andockprozeß, bei dieser Vorbereitung kann uns natürlich das INTERREG-Programm helfen.

Zum Wann möchte ich folgendes sagen: Es ist völlig klar, daß sich die mittel- und osteuropäischen Staaten nicht mit den EFTA-Staaten der letzten Erweiterung vergleichen können. Sie können sich mit Portugal und Spanien vergleichen, also mit Ländern, die damals auch gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten wirtschaftlich weit zurückgelegen sind.

Welche Vorbereitungszeit war für Portugal und Spanien vorgesehen, und was wurde tatsächlich in Anspruch genommen, inklusive Ratifikationsprozeß? – Acht Jahre und bis zu zehn Jahre Übergangszeit in sensiblen Bereichen wie der Landwirtschaft, dem Niederlassungsrecht und der Dienstleistungsfreiheit.

Das heißt, was für Portugal und Spanien notwendig war, wird natürlich auch für unsere Nachbarländer im Osten, die durch die kommunistische Unterdrückung keine Marktwirtschaft gehabt haben, die in Portugal und in Spanien wenn auch rückständig, aber doch vorhanden war, notwendig sein. Daraus ergibt sich auch die Wichtigkeit der Hilfe in der Vorbereitungsphase, damit sie dieses Ziel erreichen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist nicht damit getan, daß man nur den Acquis communautaire übernimmt, also den Gesetzesbestand der EU, sondern es bedarf auch funktionierender Institutionen und entsprechend ausgebildeter Menschen, die diese Aufgabe auch ausführen können. In der Ausbildung liegt auch eine große Aufgabe Österreichs und der EU, helfend einzuspringen.

Noch etwas: Wir müssen bedenken, daß diese Ausbildung auch bedeutet, daß man sich geistig umstellen muß, denn in den 50 Jahren des Kommunismus hat eine ganz andere Denkweise regiert, und es ist für manche nicht ganz einfach, diesen notwendigen Umstellungsprozeß zu vollziehen. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir behutsam die Ziele der Agenda 2000 angehen, nämlich eine auf Qualität, auf den ländlichen Raum und auf die Umweltfunktion der Landwirtschaft ausgerichtete schrittweise Reform und ebenso eine Umschichtung und schrittweise Umstellung der regionalen Förderung.


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Ich glaube, daß es richtig ist, daß die EU für diese Zeit der Vorbereitungsphase an den 1,27 Prozent Höchstbeitrag vom BIP festhält. Wir werden mit diesem Betrag und dem Wachstum aus dem Bruttoinlandsprodukt zweifelsohne die notwendigen Mittel einsetzen können, um die Vorbereitung unserer Nachbarstaaten für eine positive, möglichst reibungslose und damit erfolgreiche Integration in die EU zu bewerkstelligen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.02

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Sowohl der Herr Außenminister in seinen Ausführungen als auch mehrere Redner in dieser Debatte haben sich mit der Sicherheitspolitik befaßt, und zwar durchaus in einer sehr intensiven und sachlichen Art und Weise. Ich möchte – ich hoffe, ich schade ihm nicht – Kollegen Cap ausdrücklich herausstreichen. Ich kann seinen Ausführungen vollinhaltlich zustimmen, und zwar vom Beginn bis zum Ende.

Genau das ist es, was uns, so glaube ich, in der innenpolitischen Debatte in Österreich fehlt, nämlich daß man endlich einmal ohne Tabus alle Optionen – tatsächlich alle Optionen – in der Sicherheitspolitik zumindest auflistet und offensiv diskutiert, alle Vor- und Nachteile der jeweiligen Optionen ganz offen diskutiert und auflistet und dann letztlich aber auch dazu kommt, Entscheidungen zu treffen. Denn auch daran krankt es.

Der Außenminister und gestern auch der Verteidigungsminister haben gesagt, sie hätten acht Jahre nachgedacht. – Aber in Wahrheit stehen wir heute bei der Diskussion noch auf dem Stand, auf dem wir 1990 begonnen haben, nämlich daß man noch immer überlegt, welche Probleme es denn in Zukunft geben könnte, was der Status der Neutralität ist und wie sich die NATO entwickeln wird.

Wir sind in Wahrheit in dieser Diskussion, eben weil es in diesen acht Jahren eine Tabuisierung gegeben hat, nicht sehr viel weitergekommen. Rund um uns, meine Damen und Herren, bewegt sich alles und ist alles im Fluß. Da gibt es eine Dynamik, da wird diskutiert, da werden Entscheidungen in die richtige Richtung getroffen. Und hier in Österreich wird diskutiert, ob wir uns von liebgewordenen Mechanismen verabschieden sollen, welche Nachteile das vielleicht bringen könnte oder ob man sich nicht doch dafür entscheiden sollte, einmal mit allen Rechten und Pflichten in gemeinsame Strukturen zu gehen.

Ich höre, daß man hofft, daß sich etwa im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik etwas entwickeln wird. Kollege Kummerer! Auch du hast gestern gesagt, daß der Sinn der Neutralität noch gegeben ist. Ich warte aber auf die Antwort, wo denn dieser Sinn ist. Ich höre dann nur immer: Die Neutralität soll man nicht aufgeben, weil sie noch Sinn hat!, aber man vergißt dazuzusagen, welchen Sinn eine ernstgenommene völkerrechtliche Neutralität bei dem heutigen Umfeld noch haben kann.

Die Neutralität ist doch sicherheitspolitisch nichts anderes als die Hoffnung, daß die anderen Staaten das Signal, daß man sich in keine Konflikte einmischen wird, akzeptieren und letztlich auch uns in keinen Konflikt mithineinziehen können. Wo ist denn für eine derartige völkerrechtliche Neutralität heute noch Platz? – Man muß ehrlich sein und die Neutralität nicht als Selbstzweck sehen oder für irgendeinen Diskussionspunkt oder für irgendwelche Wahlkämpfe verwenden, sondern als das, was es ist, nämlich ein völkerrechtliches Instrument, das die Sicherheit unseres Landes gewährleisten sollte.

Zum zweiten: Wenn man hofft, daß sich im Rahmen der gemeinsamen Außenpolitik oder im Rahmen der Europäischen Union in Europa irgendwelche neuen abgehobenen Strukturen entwickeln werden, dann kann ich nur jeden einladen, sich mit den internationalen Prozessen auseinanderzusetzen. Wir waren gerade wieder einige Tage bei der Westeuropäischen Union und bei der NATO-Versammlung. Bei der Westeuropäischen Union hat es sogar einen Versuch gegeben, zumindest die Mitgliedschaften zu entkoppeln, also daß es in Zukunft nicht so sein


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soll, daß ein Mitglied der Westeuropäischen Union auch gleichzeitig EU-Mitglied und NATO-Mitglied sein muß.

Dieser Antrag wurde abgelehnt, meine Damen und Herren! Der Generalsekretär der Westeuropäischen Union hat gesagt, die Aufgabe der WEU ist in Zukunft das Krisenmanagement, die Krisenverwaltung. Die Verteidigung Europas übernimmt die NATO – auch in Zukunft. Wenn man diese internationalen Dinge verfolgt, dann muß einem klar sein, daß die NATO auch in Zukunft die einzige Organisation sein wird, die konkrete Sicherheitsgarantien geben kann und bei der es Entwicklungsprozesse geben wird. Alle anderen europäischen Strukturen sind interessant, und es stellt sich sicher die Frage, ob man mit dabeisein soll, ob man mitarbeiten soll, aber das sind Dinge, die noch in weiter Ferne liegen.

Wie wir hier eingebunden sind, haben wir bei der Parlamentarierversammlung der NATO-Staaten und der assoziierten Staaten gesehen. Wir haben gehofft – es gab eine Einladung zu dieser Versammlung, es ist dies eine reine Parlamentarierversammlung, die mit dem Pakt, mit dem Bündnis NATO nichts zu tun hat –, daß wir zumindest den Assoziierungsstatus bekommen. Es war Präsident Fischer in Alleinregie, der diese Entscheidung dieses Hauses verhindert hat. Wir sind dort hingefahren und haben nicht gewußt, welchen Status wir haben. Es war eine Blamage, und zwar nicht nur für dieses Parlament, sondern auch für Gesamtösterreich, daß sich die Österreicher nicht entscheiden konnten, unseren Status zumindest auf jenen anzuheben, den Rußland, Bulgarien, Rumänien und sogar Albanien haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben es gesehen: Wir sind in der letzten Reihe gesessen und konnten uns nicht zu Wort melden, weil wir nicht einmal ein Mikrophon gehabt haben. Vor uns haben Albaner und Leute aus dem Kosovo darüber diskutiert – gemeinsam mit den Russen, den Amerikanern, den Deutschen und den Franzosen –, wie in Zukunft auch von seiten der Parlamentarier die europäische Sicherheitspolitik weiterentwickelt werden kann und wie sich die Dynamik darstellt.

All das sind Dinge, meine Damen und Herren, die man wissen sollte, wenn man in Österreich wie in einem Glaskäfig über Sicherheitspolitik diskutiert, nämlich daß wir eben nicht unter der Käseglocke sitzen, sondern daß rund um uns eine starke Dynamik herrscht, daß es in der Sicherheitspolitik Integrationen gibt, die vor wenigen Jahren undenkbar gewesen sind und gewesen wären, und daß wir im Parlament, in Österreich, in der Regierung eine Diskussion führen, die niemand mehr in Europa versteht.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch von seiten der Regierungsbank! Ich hoffe, daß Sie endlich unser Angebot annehmen und gemeinsam mit allen Fraktionen, die sich zu einer aktiven Sicherheitspolitik bekennen, die notwendige Diskussion ohne Tabus, wie es Kollege Cap gefordert hat, zulassen und dann aber auch möglichst rasch – noch in diesem Jahr, damit dieses Thema nicht wieder Wahlkampfthema wird – die notwendigen Entscheidungen treffen, damit Österreich nicht nur für sich selbst durch das Bündnis die Sicherheit garantiert hat, sondern auch am Integrationsprozeß teilnehmen kann, der gerade rund um uns abläuft.

In diesem Sinne möchte ich auch daran erinnern, daß es eine Reihe von entsprechenden Anträgen in dieser Richtung gegeben hat. Sie bräuchten diesen Anträgen nur zuzustimmen. Deshalb möchte ich zur Erinnerung, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, ein klares Bekenntnis zu einer offensiven Sicherheitspolitik zu geben, folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner und Kollegen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der NATO über einen Beitritt Österreichs zur NATO

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend in Verhandlungen mit Staaten des Nordatlantikvertrages einzutreten, damit ein Beitritt zur NATO gemäß Artikel 10 des Nordatlantik


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vertrages zum frühestmöglichen Zeitpunkt und in der Folge nach Abschluß der Verhandlungen über den Beitrittsvertrag eine Volksabstimmung stattfinden kann."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß eingebracht worden, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Jäger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.10

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler hat heute sehr deutliche und offene Worte gesprochen, und zwar hat er sehr klare Aussagen gemacht und ein Bekenntnis zur Entwicklungspolitik abgegeben. Dafür bedanke ich mich bei ihm. Er hat auch hervorgehoben, wie wichtig die Solidaritätsarbeit ist. Er hat es damit begründet, daß wir Österreicher in unserer Geschichte auch Solidarität erfahren konnten. Ich setze noch hinzu: vor allem auch deswegen, weil letztendlich jeder internationale Konflikt Auswirkungen auf Europa und auch auf Österreich hat, vor allem Wanderungs- und Flüchtlingsbewegungen.

Wir alle wissen, daß auch wir in Österreich vom Jugoslawien-Konflikt betroffen waren. Es ist heute eine wesentliche Zielaufgabe der europäischen Sicherheitspolitik, Konflikte zu vermeiden. Die große Herausforderung unseres Jahrhunderts ist es, nicht Kriege zu gewinnen, sondern sie zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muß sagen, ich bin über die Entwicklung im Kosovo, wie wir momentan über die Medien informiert werden, sehr beunruhigt. Ich denke, ja ich hoffe, wir haben einiges aus dem Jugoslawien-Konflikt gelernt, und es werden alle Maßnahmen von seiten Europas, von seiten der internationalen Organisationen wie auch der OSZE gesetzt, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Ich halte das vor allem aus folgendem Grund für wichtig: Wir haben heuer das Jahr, in dem "50 Jahre UNO-Deklaration der Menschenrechte" gefeiert werden, und ich meine, gerade solche Entwicklungen, wie wir sie in den letzten Jahren in Osteuropa miterlebt haben, sind für das Jahr 2000 sehr traurig. Unser gesamter Krafteinsatz muß in diese Richtung gehen, um weitere Konflikte zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Thema Entwicklungspolitik: Es hat sich in Österreich seit dem EU-Beitritt sehr viel verändert, und wir sind auch an einer Reihe von EU-Projekten beteiligt. Nun haben wir aber noch ein Entwicklungshilfegesetz aus dem Jahre 1974. Das ist die gesetzliche Grundlage unserer Entwicklungszusammenarbeit. Ich meine, daß wir mit diesem Gesetz den neuen Herausforderungen nicht wirklich gewachsen sind, und wir halten es deshalb für sinnvoll, eine Generaldebatte über die Zielsetzung und die Instrumente der österreichischen Entwicklungspolitik unter diesen neuen, geänderten Voraussetzungen in Europa zu führen. Diese Diskussion soll von seiten des Parlaments, von den Nichtregierungsorganisationen und auch von seiten des Außenamtes geführt werden – mit der Zielsetzung, ein neues Entwicklungshilfegesetz zu schaffen, mit neuem Status und mit neuen Prioritätensetzungen, wie wir sie für die zukünftige Arbeit in einem vereinten Europa einfach brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber noch auf einen weiteren Punkt eingehen. Herr Abgeordneter Haider hat schon im Außenpolitischen Ausschuß die Frage gestellt, warum Österreich seit drei Jahren Mittel für ein Referendum in der Westsahara zur Verfügung stellt. Er hat auch heute versucht, ein paar Punkte aus diesem in Wirklichkeit sehr umfangreichen Programm der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit herauszunehmen und dann lächerlich zu machen. Ich verwahre mich gegen diese Vorgangsweise, weil ich weiß, daß von seiten des Außenamtes im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sehr gute, sehr professionelle Arbeit geleistet wird. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich möchte genau auf diesen Punkt eingehen, den Herr Abgeordneter Haider hier kritisiert hat, nämlich das Referendum in der Westsahara. Ich halte das für eine ganz wichtige Sache, sie wird heuer im Dezember stattfinden. Es würde das die Beendigung des Westsaharakonfliktes bedeuten, das heißt, das ist ein Konflikt zwischen Marokko und der Polisario, der politischen Vertretung der Westsahara. (Abg. Jung: Woher haben Sie die Information, daß das stattfinden wird heuer?)

Es ist deswegen wichtig, weil das neben Westtimor der letzte direkte Konflikt ist, der in direktem Zusammenhang mit der Entkolonialisierung steht. Nachdem die Spanier die Westsahara verlassen haben, besetzte Marokko mit Hilfe Mauretaniens die Westsahara. – Ich beantworte gerne die Frage: Es ist so, daß alle Vorbereitungen getroffen sind, daß auch die UNO dieses Referendum unterstützt, daß es derzeit allerdings wieder zu Problemen kommt. Ich meine, wir sollten all unsere diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen, dieses Referendum tatsächlich durchzuführen, weil es eine menschliche Tragödie ist, daß seit mehr als 20 Jahren in der unwirtlichsten Gegend der Sahara 150 000 Menschen in Zeltstädten leben müssen, in einer Flüchtlingssituation. Vor allem sind es die Frauen, die Kinder und die alten Menschen, die von dieser Situation betroffen sind.

Während der österreichischen Präsidentschaft in der EU wird dieses Referendum abgehalten, und ich meine, es muß auch in unser aller Interesse sein, daß das zu einem positiven Ende kommt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schwarzböck. – Bitte.

12.17

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei hat durch Herrn Abgeordneten Scheibner wieder einen Entschließungsantrag zur Frage der Verhandlungen mit der NATO über einen Beitritt Österreichs eingebracht. Die Positionen sind bekannt. Meine Fraktion, die Österreichische Volkspartei, hat am 15. April hier im Hohen Haus einen Entschließungsantrag zu dieser Problematik eingebracht. Unser Herr Bundesparteiobmann Vizekanzler Schüssel hat einen Sicherheitsbericht vorgestellt, und es ist klar, daß es unterschiedliche Positionen in der Regierung gibt. Diese respektieren wir als Demokraten, und es ist völlig klar, Kollege Scheibner, daß die überwältigende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung kein Interesse daran hätte, daß an diesen unterschiedlichen Meinungen in der Regierung einige Wochen vor der Ratspräsidentschaft Österreichs und eineinhalb Jahre vor Nationalratswahlen eine Koalition zerbricht. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden daher – sicherlich mit Ihnen übereinstimmend – die Diskussion in vernünftiger Art und Weise weiterführen, und es wird sich wahrscheinlich auch in der SPÖ angesichts der internationalen Entwicklung zu dieser Problemstellung eine Mehrheitsverschiebung von den bestimmenden Teilen der Ablehnung hin zu einer Mehrheit der Befürworter ergeben. (Beifall bei der ÖVP.) Wir werden damit sicherlich eine gute Entwicklung für Österreich verfolgen und unseren Beitrag für die Sicherheit Europas miteinbringen können.

Meine geschätzten Damen und Herren! Nach Abschluß der Verhandlungen um die Agenda 2000 im Budgetjahr 1999, das wir heute diskutieren, wird sicherlich mit besonderer Ausrichtung die Erweiterungsverhandlung zu führen sein. Im März gab es den Start mit der ersten Außenministerkonferenz, und auch da stellen wir unterschiedlichste Standpunkte fest.

Es gibt Extremmeinungen, die damit verbunden werden, daß der Erweiterungsprozeß viel zu schnell wäre. Sie und Ihr Parteiobmann sprechen oft davon, daß sie schon im Jahr 2001 oder 2002 mit formellen Erweiterungsschritten rechnen würden. Auf der anderen Seite gibt es Zeitspekulationen, die einen wesentlich weitergehenden Zeitraum vorsehen.

Ich persönlich glaube, daß beide Verhaltensweisen der Sache nicht dienen. Ein Großteil der Österreicherinnen und Österreicher weiß, daß dieser Erweiterungsprozeß logisch und im Interesse unseres Landes ist. Die Prognosen, zu welchem Zeitpunkt die ersten Erweite


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rungsschritte mit Beitrittskandidaten erfolgen werden, sind momentan reine Spekulation, denn viel mehr können wir der Problemlösung dienen, wenn wir uns mit den Voraussetzungen des erfolgreichen Erweiterungsprozesses beschäftigen.

Da gibt es drei Bereiche: neben dem Zeitpunkt auch noch die möglichen Mechanismen und die Finanzierungsgrundlagen, die ebenfalls selbstverständlich von besonderer Wichtigkeit sind.

Zum Zeitpunkt und zu den Mechanismen ist festzustellen, daß die 15 Mitgliedsländer der Europäischen Union den Beitrittskandidaten einige klare Prinzipien vorgegeben haben. Eines dieser Prinzipien für den möglichen Beitritt ist, daß der Acquis communautaire vor dem Beitritt in den beitrittswilligen Ländern umgesetzt werden muß. Wenn man sich für diese Entwicklung interessiert, dann kann man in den Ländern unterschiedliche Voraussetzungen und Schwierigkeiten und Hauptproblembereiche für die Umsetzung des Acquis communautaire sehen.

Unser Nachbarland Ungarn, ein sehr hoffnungsfroher Beitrittskandidat, hat am vergangenen Wochenende Wahlen gehabt, und wir wissen, daß zum Beispiel die Mobilität des Grundverkehrs und Ausländergrundbesitz eine sehr sensible Frage der ungarischen Innenpolitik darstellen. Jeder, der meint, das parteipolitisch, aus ideologischen Gesichtspunkten betrachten zu können, nähert sich dieser Frage sehr oberflächlich. – Wenn man sich mit dieser Frage auseinandersetzt, dann weiß man, daß die Ungarn selbst noch Zeit brauchen werden, um diese Fragen zu lösen.

Wenn der polnische Außenminister vor kurzem gemeint hat, vor dem Jahr 2005 könne man es sich in Polen selbst schwer vorstellen, formell den Beitritt umzusetzen, dann sollten wir diese Spekulationen um den Zeitpunkt weglassen und viel mehr über die Mechanismen, den schrittweisen Beitritt und die Finanzierungsgrundlagen diskutieren. Auch da gibt es genügend Diskussionspunkte, meine geschätzten Damen und Herren!

Die österreichische Bundesregierung hat die Grundlinie der Europäischen Kommission und des Rates voll mitgetragen, daß 0,11 Prozent des BIP bereitgestellt werden, um in den nächsten Jahren die Vorbereitung für den Beitritt zu finanzieren. Es wird mancherorts kritisiert, das wäre zu viel. Wenn man die hohen Anforderungen dieser wichtigen historischen Aufgabe für Europa unter Umständen in kleine Gemeinschaften bis in die Familien "herunterbricht", dann möchte ich sagen, 0,11 Prozent des BIP sind etwas, was uns fordern wird. Aber wenn wir das nicht können, wenn das unvertretbar wäre, dann sollten wir auch den Mut haben, nicht ständig von guter Nachbarschaft zu reden, denn 0,11 Prozent für eine derart wichtige Aufgabe zu investieren, ist wahrscheinlich der notwendige Beitrag, um gute Nachbarschaft zu entwickeln und einem Grundprinzip Rechnung zu tragen, das uns auch – ich glaube übereinstimmend – bei den Erweiterungszielen verbindet.

Es muß uns gelingen, diese Erweiterung so zu gestalten, daß beiden Seiten Vorteile erwachsen, auf beiden Seiten Wohlstandsgewinne erzielbar sind, auf beiden Seiten Europas mehr Sicherheit entsteht und wir dann, wenn der Beitritt vollzogen ist, davon ausgehen können, daß Europa insgesamt einen wichtigen Schritt getan hat, in der Welt seine Stellung zu behaupten und vielleicht auch noch einen Beitrag zu einer sehr positiven Entwicklung der gesamten Weltpolitik und Weltwirtschaft zu leisten.

Meine geschätzten Damen und Herren! Das spricht sich verhältnismäßig einfach, bringt aber doch manche Ängste und regt zu Überlegungen an, welche Veränderungen da nicht noch beschleunigt werden können und welche persönliche Herausforderung damit verbunden ist.

Ich persönlich glaube, daß wir eine sehr gute Orientierung haben, realistischerweise einzuschätzen, wie wir mit dieser Problemstellung fertigwerden können. Die Entwicklung unseres Landes nach dem Zweiten Weltkrieg hat gezeigt, daß in kürzester Zeit, wenn die Richtung stimmt, wenn Übereinstimmung da ist, wenn Lasten solidarisch geteilt werden, wenn partnerschaftlich gearbeitet wird – sowohl innenpolitisch als auch in der großen Gemeinschaft nach außen –, geradezu Unmögliches wahrgemacht werden kann. Die Erfolgsgeschichte Österreichs, das Wunder Österreich, könnte ein Beispiel dafür sein, wie wir in guter nachbarschaftlicher Soli


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darität und Partnerschaft im Grunde genommen auch Europa sehr positiv weiterentwickeln können.

Herr Dr. Haider hat heute als Erstredner bezweifelt, daß es möglich sein könnte, die aus österreichischer Sicht thematisierte Grenzlandförderung politisch durchzusetzen. Der Herr Vizekanzler hat klar darauf hingewiesen, was mit dem Instrument Interreg, wenn wir es vernünftig zu einem politischen Abschluß bringen, auch in den sensiblen Grenzregionen Österreichs bewältigt werden kann.

Meine geschätzten Damen und Herren! Es ist heute absehbar, daß der Beitritt unserer östlichen Nachbarländer sicherlich nicht in einem Schritt, wie ihn die Österreicher, die Schweden oder die Finnen verkraftet haben, möglich sein wird. Es wird daher wahrscheinlich so sein, daß die Öffnung des Personenverkehrs behutsamer vorgenommen werden wird als die Öffnung des Warenverkehrs. Nur kann diese zeitliche Spanne natürlich auch nicht unendlich sein, sondern sie muß in einem bestimmten Verhältnis stehen. Denn wenn der Warenverkehr um vieles früher liberalisiert wird als der Personenverkehr, dann kann es natürlich zu dramatischen Standortverlagerungen, gerade in die unmittelbaren Grenzregionen unserer Nachbarländer, kommen.

Das können wir mit sehr zielgerichteten Interreg-Förderungsprogrammen natürlich in der Vorbereitungszeit der Erweiterung schon abfedern und ein vernünftiges Gleichgewicht herstellen, damit wir das dann in entsprechend vernünftigen Zeiträumen – abgestuft Warenverkehr und Personenverkehr – zur Vollendung bringen. Denn die Spekulationen 2001 Vollbeitritt oder in 30 Jahren erst Freiheit für den Personenverkehr sind im Grunde genommen nichts anderes, als politisches Kleingeld zu sammeln oder ein wichtige Herausforderung für Österreich und Europa zu vernebeln.

Ich bin überzeugt davon, daß da wesentlich bessere Möglichkeiten bestehen, unseren Beitrag – sowohl im Interesse der österreichischen Bevölkerung als auch der europäischen Weiterentwicklung – zu diesem für diesen Kontinent und die Welt so bedeutsamen Vorhaben zu leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

12.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Konrad. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.27

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ins Zentrum meiner Ausführungen möchte ich die Auslandskulturpolitik stellen, die vom Außenministerium selbst als eine der wichtigsten Komponenten unserer Außenpolitik, sozusagen als die dritte Säule, bezeichnet wird und für die es aber dennoch keine nennenswerte Aufstockung der Mittel für 1999 gibt. Zwar wird der Budgetansatz Kulturinstitute um 2 Millionen Schilling erhöht, was meines Erachtens dringend notwendig ist, der Aufwand für Veranstaltungen aber bleibt gleich hoch wie für 1998, das heißt aber leider um 4 Millionen Schilling weniger als noch im vergangenen Jahr.

Aus meiner Sicht sind die Kulturinstitute elementare Bestandteile der österreichischen Außenkulturpolitik. Ich halte es deshalb für wichtig, daß sie ausgebaut werden – ausgebaut als Orte der kulturellen Begegnung, als Drehscheiben für Kunst und Wissenschaft. Kultur und Kulturaustausch brauchen eigene Räume. Es ist sicherlich zu wenig, diese Aufgaben in der jeweiligen Botschaft miterledigen zu lassen. Kulturinstitute bieten als ausdrückliche Kulturräume Platz für aktuelle Entwicklungen, für interkulturelle Kommunikation, und das müßte aus Sicht meiner Fraktion auch außerhalb Europas verstärkt geschehen.

Derzeit gibt es auf dem ganzen afrikanischen Kontinent kein einziges österreichisches Kulturinstitut, keines in Lateinamerika, keines im Fernen Osten, keines in Australien, keines nördlich von Warschau. Damit meine ich nördlich dieses Breitengrades. Ich habe nicht genau nachgeschaut, was noch auf dem gleichen Breitengrad liegt, aber damit meine ich: keines in den ehemaligen Ländern der Sowjetunion, Skandinavien und so weiter. Auch für die Auslandskultur


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politik gilt, daß die Welt nicht nur aus Europa besteht, und deshalb muß auch dringend in den kulturellen Austausch mit nichteuropäischen Ländern investiert werden.

Unser Interesse an internationaler Zusammenarbeit darf sich nicht nur auf den internationalen Handel beschränken. Wenn wir tatsächlich Interesse an Internationalität und Offenheit haben, dann muß dieses Interesse den kulturellen Austausch miteinschließen.

Da Auslandskulturpolitik mehr ist als ein paar Auftritte der Wiener Philharmoniker, der Staatsoper oder der Wiener Sängerknaben, haben die Kulturinstitute einen vielen weiteren Auftrag als die gelegentliche Präsentation glamouröser Highlights. Sie haben die Kontinuität und Vielfalt der künstlerischen und kulturellen Entwicklungen Österreichs zu zeigen und zu vermitteln. Auch wenn immer wieder kritisiert wird, daß die Administration der Auslandskulturpolitik vergleichsweise hohe Kosten verursacht, halte ich die Einschränkung oder gar den Verzicht auf Kulturinstitute für die falsche Lösung.

In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf das Österreichische Kulturinstitut in New York zu sprechen kommen. (Abg. Dr. Gredler: Das ist eine Fata Morgana!) Es ist dringend notwendig, nun endlich mit dem Bau zu beginnen. Nach dem spektakulären Architektenwettbewerb für den Neubau des Kulturinstitutes, an dem sich 226 Architekten beteiligt haben, und nachdem es jetzt schon eine internationale Ausstellung gibt, in der 50 der eingereichten Modelle gezeigt werden, sind die Ausschreibungsmodalitäten noch immer nicht fertig. Sie werden – so hat uns der Herr Außenminister im Ausschuß berichtet – demnächst endlich fertig sein und in Angriff genommen werden. (Abg. Dr. Gredler: Keine Fata Morgana!) Wir verlassen uns darauf und hoffen, daß es bald soweit sein wird.

Am Rande bemerkt: Auch der Staff des Kulturinstituts in New York ist in seinem Ausweichquartier, in dem er sich jetzt fast schon drei Jahre lang befindet, offensichtlich ein bißchen entnervt und lädt per Internet etwa zum Besuch der renommierten österreichischen Bibliothek mit den Worten ein: Besuchen Sie uns. Wir haben noch unsere Bibliothek, auch wenn ein Teil davon in Kisten liegt.

Das Österreichische Kulturinstitut in New York gibt es seit 35 Jahren. Es war immer und ist nach wie vor ein traditionsreiches und bewährtes Standbein der österreichischen Auslandskulturpolitik. Die derzeitige Nichtbehandlung kommt bald einer Amputation gleich, und das schadet dem Ansehen Österreichs. Man kann es denen nicht verdenken, die diese Nichtbehandlung – ich möchte sagen: richtigerweise – als Desinteresse interpretieren.

Meine Damen und Herren! Wir von der sozialdemokratischen Fraktion bekennen uns zu einer Auslandskulturpolitik, die ein ernsthafter und ernstgenommener Bestandteil der Außenpolitik ist. Geld und finanzielle Mittel, die in eine sinnvolle Auslandskulturpolitik fließen, sind – das ist unsere Meinung – im Sinne Österreichs gut angelegt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. (Abg. Dr. Petrovic ist in ein Gespräch vertieft.) Frau Abgeordnete, machen Sie jetzt von Ihrer Wortmeldung Gebrauch oder nicht? (Abg. Dr. Petrovic eilt zum Rednerpult.)

12.33

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Zwei kurze Vorbemerkungen, danach mein Hauptthema.

Zu den Vorbemerkungen: Meine Kollegin Gabriela Moser hat schon ausführlich Stellung genommen zur Bedeutung der Außenpolitik in ökologischer Hinsicht, was die Abwendung von Gefahren für Österreich betrifft. Ich freue mich über den Fünfparteienantrag in Sachen Temelin, füge aber hinzu – das ist mir sehr wichtig, Frau Staatssekretärin! –, daß gerade wir Österreicherinnen und Österreicher nicht als diejenigen wahrgenommen werden dürfen, die mit dem Zeigefinger warnend und mahnend an die Reformstaaten herantreten. Wir sollten in den EU-


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Erweiterungsverhandlungen ihre Bündnispartner sein, denn dann werden auch unsere Notwendigkeiten und Bedürfnisse bei ihnen auf Verständnis stoßen.

Ich halte es daher für dringend notwendig, in Sachen Kernkraftwerke in der Slowakei und in Tschechien nicht federführend Appelle an die Slowakei und an Tschechien zu richten, sondern die ökonomischen Hintergründe dafür aufzuzeigen, daß dieser lebensgefährliche Wahnsinn fortgeführt wird. Diese Hintergründe sind aber nicht in den angesprochenen Ländern angesiedelt, sondern in Deutschland und in Frankreich, und zwar bei großen Konzernen wie Siemens oder Framatome. Wir sollten auch gegenüber mächtigen Staaten wie Deutschland und Frankreich unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß wir in Österreich kein Verständnis dafür haben, wenn sie – noch dazu mit staatlichen Garantien – Milliardengeschäfte dieser Atomkonzerne in den Reformstaaten fortbetreiben und damit die Atomenergie, obwohl sie marktwirtschaftlich überhaupt nicht mehr bestehen könnte, künstlich am Leben erhalten. Das ist fahrlässig und unverantwortlich. Treten Sie dagegen auf! (Beifall bei den Grünen.)

Für den zweiten Punkt hat mir soeben Frau Dr. Konrad das Stichwort gegeben. Ich erwähne es hier nur kurz, um Ihnen zu signalisieren, daß auch wir es in Sachen Kulturaußenpolitik nicht vergessen werden. Da Sie speziell das Österreichische Kulturinstitut in New York angesprochen haben, möchte ich sagen, daß ich Sie zwar in Ihren Bemühungen, das Bauvorhaben zu beschleunigen, nachhaltig unterstütze, da ich es genauso für wichtig halte. Ebenso haben Sie in bezug auf Ihre Ausführungen über die Länder der Dritten Welt, die außereuropäischen und außeramerikanischen Länder, meine hundertprozentige Unterstützung.

Aber einen weiteren Punkt werden wir ebenfalls immer wieder aufs Tapet bringen. Nach wie vor nicht geklärt ist der damalige Eingriff, die Einschaltung des Leiters des Kulturinstitutes, Dr. Waldner, in die Präsidentschaftswahlkämpfe. Dabei ist unserer Meinung nach aus Sicht des Haushaltsrechtes nicht korrekt vorgegangen worden. Ich meine, gerade in Zeiten wie diesen, in Zeiten der Geltendmachung von politischer Verantwortung geht das nicht. Eine Personalleihe zum Sondertarif ohne Abgeltung aller Kosten ist im Gesetz nicht vorgesehen. Das ist rechtswidrig und muß aufgeklärt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Der dritte Punkt betrifft das Thema, weswegen ich mich eigentlich zu Wort gemeldet habe. Sie wissen, daß wir in Sachen Friedenssicherung fest auf dem Boden der österreichischen Neutralität stehen. Wir halten die österreichische Neutralität in Verbindung mit einer wiederzubelebenden aktiven Neutralitätspolitik für ein ganz modernes Instrument zur Schlichtung in drohenden Krisenfällen. Ich erblicke in dieser Hinsicht durchaus auch positive Ansätze in der Außenpolitik der Bundesregierung, auch beim Herrn Bundesminister. Ich habe zum Beispiel das Engagement in Tibet für sehr gut befunden. Bundesminister Schüssel war der erste Außenminister, dem es gelungen ist, in bezug auf die Aufklärung des Verbleibs des Pan-chen Lama sehr viel weiter zu kommen als die Außenpolitiker, die dies vorher versucht haben.

In anderen Bereichen sehe ich noch großen Handlungsbedarf, zum Beispiel hinsichtlich Kosova, der Westsahara und vor allem Kurdistans. Ich meine, Österreich braucht dazu die Neutralität. Nur ein Staat, der sich glaubwürdig aus allen Militärpakten heraushält, kann auf allen Seiten als Vermittler im Dienste der Menschenrechte – wo auch immer sie bedroht werden – angesehen werden und so auf Akzeptanz bei Konfliktparteien stoßen.

Ich meine, die Neutralität – die absolute Absage an bewaffnete Konflikte und die österreichische Partizipation daran – ist die Grundvoraussetzung dafür, um das moralische Recht und die Legitimität zu haben, sich in Konflikte einzumischen und immer wieder klarzustellen, daß die Menschenrechte niemals eine innere Angelegenheit sind. Die Menschenrechte sind eine Angelegenheit, die alle Staaten und vor allem neutrale Vermittler betreffen. Wir haben für die Menschenrechte, immer wenn sie bedroht sind, Partei zu ergreifen! (Beifall bei den Grünen.)

Insbesondere deswegen bin ich in diesem Punkt sehr beharrlich. Denn es kann nicht so sein, daß ein ökonomisches Kalkül uns daran hindert, im Dienste der Menschenrechte tätig zu werden. Ich habe oftmals an der sozialdemokratischen Fraktion Kritik daran geübt, daß sie in


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Sachen Tibet einfach nicht zu sprechen ist. Ich ersuche Sie, meine Damen und Herren: Überdenken Sie diese Linie! Sie wird sich so nicht aufrechterhalten lassen.

In Sachen des amtierenden Bundespräsidenten Dr. Klestil werden wir nicht müde werden und auch nach einer geschlagenen Wahl nicht aufhören, die Frage zu stellen: Können wir gegenüber der Türkei, können wir in Sachen Menschenrechte der Kurdinnen und Kurden noch glaubwürdig in der Rolle des Einklagens von Menschenrechten auftreten?

Wir werden daher heute einmal mehr unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung der politischen Verantwortung im Zusammenhang mit dem Entkommen der Kurden-Mörder im Jahr 1989 einbringen. Dabei interessiert mich heute vor allem folgender Punkt: Im Zusammenhang mit politischer Verantwortung erweckt in diesen Tagen insbesondere die Haltung der Freiheitlichen Partei Aufmerksamkeit, und deren Verhalten ist für mich heute von besonderem Interesse, wenn noch dazu der Klubobmann und der geschäftsführende Klubobmann offenbar wichtigere Agenden zu erledigen haben. Auch deswegen interessiert mich heute dieser Antrag. Es wäre schön, wenn die Regierungsparteien ihre bisherige Linie in dieser Hinsicht überdenken könnten. Ich meine, es wäre ein Beitrag in Richtung politischer Offenheit, der sehr viel von dem, was in diesem Land jetzt an politischer Kultur verletzt worden ist, wiedergutmachen könnte. Dies könnte auch eine Rehabilitation der Politik als solcher ermöglichen.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Mich interessiert Ihr Abstimmungsverhalten am Ende der Tagesordnung. Dazu möchte ich Ihnen – Sie werden das von mir wahrscheinlich noch öfters hören – ein paar Zitate zur Kenntnis bringen und Sie dann fragen, was für Sie im Lichte dieser Aussagen von Herrn Stadler politische Verantwortung heißt. Der geschäftsführende Klubobmann Stadler sagte am 14. April 1997: Der Bundespräsident wird massiver Fehler während seiner Tätigkeit als Generalsekretär des Außenministeriums beschuldigt. Sie aber tun so, als ob all das kein Thema für die Öffentlichkeit wäre!

Weiters heißt es: Es kann Ihnen doch nicht egal sein, was Fraktionen dieses Hauses über Berichte durchaus seriöser Medien über diesen Bundespräsidenten in seiner Zeit als Generalsekretär sagen. 

Derselbe Klubobmann Stadler sagt am 15. Mai 1998: Meine Damen und Herren! Das Szenario war eindeutig. Man wollte zunächst einmal mit diesem Ghassemlou-Mord den Bundespräsidenten anpatzen, um ihm eine Wiederkandidatur sozusagen zu versalzen. – Zitatende.

Im Mai 1997 gab es also ein vehementes Eintreten der Freiheitlichen für die Klärung einer politischen Verantwortung. Im Gegensatz dazu stehen im April 1998 polemische Worte gegen diejenigen, die nach wie vor diese Klärung der politischen Verantwortung verlangen. Meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion! Sie werden um eine Erörterung dessen, was Sie unter politischer Verantwortung verstehen, ganz sicher nicht herumkommen. Ihr heutiges Abstimmungsverhalten zu diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird, nachdem Sie einmal so und einmal anders abgestimmt haben, durchaus auch die Öffentlichkeit interessieren.

Deswegen richte ich meinen wirklich seriösen Appell an die Koalitionsparteien: Geben Sie doch – vor allem dann, wenn Sie überzeugt davon sind, daß in dieser Angelegenheit das Verhalten der obersten Staatsorgane korrekt war – den Weg für eine derartige Untersuchung frei! In Sachen politische Verantwortung der freiheitlichen Fraktion kann ich mich nur den damaligen Ausführungen meines Klubkollegen Andreas Wabl anschließen; er hat gesagt: Sag mir, wen du wählst, und ich sage dir, wie deine Rede aussieht!

Ich ersuche die Vertreter der österreichischen Außenpolitik, sich von derartigen Vorstellungen zur politischen Verantwortung wahrlich nicht leiten zu lassen. (Beifall bei den Grünen.)


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12.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Weiters liegt eine Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Höchtl vor. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

12.45

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Herr Präsident! Menschenrechtspolitik ist in meinen Augen auch eine Politik der Aufforderung zum Nichtschweigen. Ich sehe es so, daß wir zweifellos überall dort, wo Menschenrechtsverletzungen vorkommen, als freigewählte Abgeordnete die Stimme zu erheben haben, um dagegen zu protestieren. Heute ist unter anderem die Frage der Sudetendeutschen angeschnitten worden. Und dazu möchte ich dazu ganz kurz eine Position darlegen.

Im Jahre 1945 wurden 3,5 Millionen Sudetendeutsche vertrieben und 241 000 von ihnen getötet. Das ist und war schon damals ein Skandal und ist aus meiner Sicht – weil er nicht aufgearbeitet worden ist – noch immer als Skandal zu bezeichnen! (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Die Rechtsgrundlage für diese Vertreibung, für die Tötung, Folterung und Enteignung waren die Beneš-Dekrete. Ich sage hier, daß meiner Ansicht nach die Beneš-Dekrete damals schon Unrecht waren; und sie werden Unrecht bleiben, solange sie existieren!

Deswegen meine ich, daß wir alle Möglichkeiten zu Kooperationen anstreben und Gelegenheiten zu Gesprächen forcieren sollten, wodurch Personen wie Präsident Havel in ihrer Position unterstützt werden. Ich zitiere, was Havel dazu gesagt hat: Die Vertreibung von Millionen Menschen nach rein nationalen Gesichtspunkten und nach den Prinzipien der Kollektivschuld stellt einen unmoralischen Akt dar. Wer sie billigt, billigt auch die Vertreibung der Juden, der Tataren, der Litauer und anderer Völker von Haus und Hof. – Zitatende.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Versuchen wir, wo immer wir können, die Partnerschaft mit Menschen wie Havel zu forcieren! Ich meine, daß nach jahrzehntelanger "Herrschaft der Lüge" – so hat Havel das tschechoslowakische Regime bezeichnet – auch das Ende des Schweigens über diesen Skandal einkehren muß und die Beneš-Dekrete einem Ende zugeführt werden müssen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

12.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu diesem Punkt liegt keine Wortmeldung mehr vor. Diese Debatte ist geschlossen.

Die Frau Spezialberichterstatterin wünscht kein Schlußwort.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe III des Bundesvoranschlages für das Jahr 1999. Diese umfaßt das Kapitel 20 des Bundesvoranschlages in 1100 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Die Beratungsgruppe III ist mehrheitlich angenommen.

Es sind zwei Entschließungsanträge eingebracht worden. Ich mache Ihnen den Vorschlag, im Sinne des § 55 Abs. 5 GOG die Abstimmung über diese Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen.

Erhebt jemand dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Zunächst stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriela Moser, Josef Cap, Maria Rauch-Kallat, Mag. Karl Schweitzer und Mag. Thomas Barmüller betreffend Aktionsprogramm "Temelin".

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen. (E 123.)

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der NATO über einen Beitritt Österreichs zur NATO.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Beratungsgruppe VIII

Kapitel 60: Land- und Forstwirtschaft (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zur Beratungsgruppe VIII, Land- und Forstwirtschaft.

Auf mündliche Berichterstattung wurde vom Spezialberichterstatter verzichtet.

Wir beginnen die Debatte mit einer Stellungnahme der Frau Abgeordneten Aumayr. 9 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.50

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister Molterer, glauben Sie mir, gerne hätte ich Sie einmal gelobt! (Abg. Dr. Fekter: Sie haben ihn gemahnt!) Wirklich gerne hätte ich Sie gelobt für eine Landwirtschaftspolitik und ein Budget, die ein ordentliches Einkommen für die Bauern sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Das glaubt Ihnen niemand!) Es fällt mir aber schwer, Sie zu loben, Herr Minister! (Abg. Dr. Fekter: Eine gefährliche Drohung!)

Ich werde jetzt ausführen, warum mir das schwerfällt. Ich hätte Sie gerne für eine Politik gelobt, durch welche die Arbeitsplätze am Bauernhof endlich abgesichert werden könnten. Aber dieses Budget, Herr Bundesminister – ein Budget ist nun einmal die in Zahlen gegossene Politik –, läßt beim besten Willen kein Lob zu, ganz im Gegenteil: Setzt man die Gesamtausgaben der Jahre 1995 und 1999 zueinander in Beziehung, so zeigt sich, daß ein Absturz im Ausmaß von sage und schreibe 30 Prozent zu verzeichnen ist. 1995 betrug das Agrarbudget 33 Milliarden Schilling, 1999 werden es 23 Milliarden Schilling sein. In vier Jahren 10 Milliarden und somit 30 Prozent weniger – das ist wahrlich eine "reife" Leistung, Herr Bundesminister! Die Zahlen beweisen, daß dieser Bundesregierung – und vor allem auch der ÖVP – die Bauern längst egal sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23 Milliarden Schilling für Land- und Forstwirtschaft, das ist auf den ersten Blick viel Geld – und das trifft auch zu –, aber im Verhältnis zum Gesamtbudget ist der Anteil mehr als bescheiden. Er beträgt bei einem gesamten Budgetvolumen von 767 Milliarden Schilling nur 3 Prozent, die für die Bauern bereitstehen, und der Anteil ist ständig im Sinken begriffen. Ich erinnere mich an die Budgetrede von Finanzminister Edlinger am 23. März hier im Hohen Haus. Der Finanzminister hat die Landwirtschaft und die bäuerlichen Familien mit keinem Wort, mit keiner einzigen Silbe erwähnt.

Herr Bundesminister! Sie wollen, können oder dürfen offensichtlich die gegebenen Versprechen an die Bauern nicht einlösen. Sie sind nicht in der Lage, endlich den nationalen Spielraum auszuschöpfen. Im Europavertrag haben Sie den Bauern die Mehrwertsteueranpassung vertraglich zugesichert. Herr Bundesminister! Die Bauern verlieren durch Ihren Vertragsbruch jährlich 1,7 Milliarden Schilling. Wissen Sie eigentlich, was das für die Bauern bedeutet? – 1,7 Milliarden Schilling nehmen Sie seit 1995 jährlich den Bauern einfach weg, nur weil Sie dem sozialistischen Koalitionspartner gefällig sein wollen. Es gibt keinen anderen Grund. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

"Die ÖVP stets zu Diensten den Sozialisten", nach diesem Motto betreiben Sie Landwirtschaftspolitik. Herr Bundesminister! Wo bleiben eigentlich die verbilligten Betriebsmittel? – Die österreichische Landwirtschaft zahlt den höchsten Dieselpreis in der EU. Wie sollen da unsere Bauern mit ihren Mitbewerbern konkurrieren können?

Daher fordern wir Freiheitlichen die Wiedereinführung der Dieselöl-Rückvergütung – diese wurde 1992 abgeschafft –, wie das über die Medien auch Kollege Auer, Kollege Freund, Kollege Schwarzenberger oder Kollege Schwarzböck – siehe Artikel in der "AIZ" – tun. Auch sie fordern


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die Wiedereinführung der Dieselöl-Rückvergütung. Heute haben Sie die Möglichkeit, sowohl die versprochene, vertraglich zugesicherte Mehrwertsteueranpassung als auch die Dieselöl-Rückvergütung mit uns Freiheitlichen zu beschließen. Wenn Sie diese Anträge wieder ablehnen, dann beweisen Sie, daß Sie die Bauern eigentlich nur mehr "pflanzen", und Sie begehen einen weiteren Wortbruch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Freiheitlichen bringen daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Aumayr, Ing. Reichhold, Wenitsch, Koller, Dr. Salzl betreffend Steuerentlastung für Österreichs Landwirte

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird dringend aufgefordert, den jahrelangen Forderungen der § 7-Kommission endlich zu entsprechen und

den pauschalierten Mehrwertsteuersatz für Land- und Forstwirte auf 12 Prozent anzuheben,

durch steuerliche Entlastungsmaßnahmen den Preis für Dieseltreibstoff auf europäisches Durchschnittsniveau abzusenken."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Sie sparen die Bauern zu Tode, während Sie auf der anderen Seite – das ist wirklich sehr interessant – äußerst großzügig mit sich selbst umgehen. Je schlechter Ihre Agrarpolitik ist, Herr Bundesminister, je mehr Arbeitsplätze Sie vernichten, desto mehr Geld geben Sie für Ihre eigene Werbung aus. Das hat nicht einmal Ihr Vorgänger, der "Feinkost"-Minister und jetzige Kommissar Fischler, geschafft. Sie haben überhaupt keine Hemmungen, sich selbst als Landwirtschaftsminister sowie Ihre Politik mit Steuergeldern – und ich sage: das sind Bauerngelder – zu bewerben. Solch gigantische Beträge gibt sonst kein Minister für Eigenpropaganda aus. Je weniger für die Bauern, desto mehr für den Minister!

Herr Bundesminister! Es ist nicht 1 Million Schilling jährlich für Werbung für Sie persönlich, für Ihr Ministerium oder für Ihre Politik, es sind nicht 2 Millionen im Jahr, auch nicht bloß 3, 4 oder 5 Millionen, nein: Sage und schreibe 20 Millionen Schilling haben Sie im Jahr 1997 sich selbst für Eigenpropaganda aus dem Landwirtschaftsministerium genehmigt! (Abg. Meisinger: Ungeheuerlich!) Herr Minister! Das ist unbeschreiblich: 20 Millionen Schilling für einen Landwirtschaftsminister, damit er sich selbst und seine Politik bewirbt – das hat es in dieser Republik überhaupt noch nie gegeben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Von Information halten Sie nichts!) Davon entfallen allein 1,8 Millionen Schilling auf Werbeschaltungen in "NEWS"! Da weiß man natürlich, aus welchem Grund die Propagandamaschine entsprechend geschmiert läuft! (Abg. Dr. Fekter: "Blöd sterben lassen" ist eure Devise! – Abg. Ing. Reichhold: Jeder Bauer abonniert!) Ausgerechnet in "NEWS" müssen Sie Werbung für die Landwirtschaft machen! (Abg. Wabl: Konsumenten!)

Herr Bundesminister! Sie stecken sich die Bio- und Selbstvermarktungsbetriebe wie eine Feder auf den Hut, und Sie verschweigen, daß durch völlig überzogene Hygieneverordnungen, durch eine neue Gewerbeordnung genau jene Betriebe in die Knie gezwungen werden, denen Sie vorher Hoffnung gemacht haben und mit denen Sie sich jetzt schmücken.

Die Lebensmittelkonzerne, die Lebensmittelindustrie setzt sich da überall durch, Herr Bundesminister! Sie will die lästige Konkurrenz der selbstvermarktenden Bauern loswerden. Zur Lebensmittelindustrie haben Sie ja beste Beziehungen, Sie sind in dieser Hinsicht auch äußerst großzügig. Ich möchte Sie nur daran erinnern, wie viele Milliarden Schilling allein 1995 in Form


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der Lagerkostenvergütung für die agrarisch verarbeitende Industrie an die Lebensmittelindustrie gegangen sind.

Herr Bundesminister! Sie haben die Bauern einer wildgewordenen AMA-Bürokratie ausgeliefert. Das ist nicht nur die Meinung der Freiheitlichen, sondern mittlerweile sind auch schon die ÖVP-Bauern aufgewacht! Ich erinnere Sie an den letzten Artikel aus dem Journal "Top Agrar", in dem Bauern gegen die AMA mobil machen. Darin heißt es – ich zitiere –: Wir sind an der Grenze der Belastbarkeit angelangt, brachte es Hans Fuchs, Ortsbauernobmann aus Grödig in Salzburg, kürzlich auf einer gemeinsamen Versammlung der Bauern aus Grödig und Anif auf den Punkt. Der Unmut der Landwirte richtete sich gegen die ihrer Meinung nach unsinnige Bürokratie und die überzogenen Sanktionen der AMA. Um ihre Anliegen deutlich zu machen, hatten Fuchs und Michael Friesacher, Ortsbauernobmann aus Anif, mit Alois Rohrmoser extra einen Vertreter der AMA eingeladen. – Zitatende.

Sie haben Forderungen an Sie gestellt, Herr Bundesminister! Nicht die Freiheitlichen sind diejenigen, die ständig über die AMA oder ihre Politik schimpfen, sondern Ihre eigenen Ortsparteiobmänner. Ihre eigenen ÖVP-Mandatare draußen in den Gemeinden machen bereits mobil! (Abg. Schwarzböck: Das ist Ihr Cousin!) Sie braucht nur ein bißchen länger, aber irgendwann wird sogar die ÖVP erwachen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzböck: Ihr Cousin!) Na und? (Abg. Dr. Fekter: Sie kennen nicht einmal die eigene Verwandtschaft!)

Herr Bundesminister! Sie werden sicherlich dafür Verständnis haben, daß wir einem Budget, das eine 30prozentige Kürzung innerhalb von vier Jahren bedeutet und das im Jahr 1999 wahrscheinlich eine 4prozentige Einkommenssenkung für die Bauern bedeuten wird, mit absoluter Sicherheit nicht zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Dann sind sie vielleicht auch der Meinung, die Verwandten?)

12.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Aumayr verlesen hat, ist geschäftsordnungsgemäß unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Schwarzenberger. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.00

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Krokodilstränen, die die Frau Abgeordnete Aumayr gerade vorhin vergossen hat, waren nicht sehr ehrlich gemeint. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Das wird uns bewußt, wenn wir den "trend" vom Oktober 1997 hernehmen, von dem unter anderem Jörg Haider gefragt worden ist: Rund 60 Prozent der EU-Subventionen werden für den Agrarbereich aufgewendet. Halten Sie diese Aufteilung gegenüber Klein- und Mittelbetrieben für zeitgemäß und fair?– Darauf antwortet Führer Haider: Die FPÖ ist grundsätzlich gegen Subventionen und im Gegenzug für niedrigere Steuern. (Abg. Ing. Reichhold: Herr Präsident! Haben Sie das gehört: "Führer Haider"!?)

Der Landwirtschaft wäre mit niedrigeren Steuern sehr wenig geholfen, muß ich sagen.

Oder: Zitat aus der "Pressestunde" vom 5. Feber 1995, in der Dr. Haider von Dr. Anneliese Rohrer gefragt worden ist, und seine Antwort lautete: Zum zweiten würden wir verlangen, daß man die derzeitigen Subventionen um 50 Prozent streicht. Das tut niemandem weh, nicht einmal der Landwirtschaft. – Wörtliches Zitat vom Führer Haider. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Aumayr: "Führer Haider"?!) Bisher haben wir die Erfahrung gemacht, daß das, was Haider gesagt hat, durchgesetzt wird, und nicht das, was freiheitliche Abgeordnete gesagt haben. Er verlangt von ihnen in Zukunft sogar ein Pönale, wenn sie etwas anderes sagen, als es ihr Führer bekanntgibt. (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Aber nun zur Sache. Unser Ziel ist die Wahrung einer flächendeckenden bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft. Es geht uns um einen funktionsfähigen ländlichen Raum und um die dauerhafte Sicherung der multifunktionalen Aufgaben bäuerlicher Familienbetriebe. Unser Ziel ist die Produktion von qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln und Rohstoffen. Unser Ziel ist die Sicherung der Lebensgrundlagen, aber unser Ziel ist auch die Erhaltung und Gestaltung der Kultur- und Erholungslandschaft, der Schutz vor Naturgewalten, die Aufrechterhaltung der Besiedlung und die Sicherung von bäuerlichen und außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen im ländlichen Raum.

Die wichtigste Grundlage für die Sicherung der bäuerlichen Einkommen muß weiterhin die Erzeugung von hochwertigen bäuerlichen Produkten sein. Diese Produktion ist marktorientiert auszurichten, und die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft sind unter Bedachtnahme auf nachhaltige Umweltsicherung zu verbessern. Dies ist ein sehr ehrgeiziges Programm, das auch entsprechende Budgetmittel erfordert.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Basis für das Budget 1999 ist das sogenannte 40-Milliarden-Paket, welches mit den Ländern im Rahmen eines Finanzausgleiches für die Jahre 1999 bis Jahr 2002 vereinbart wurde. Aufgrund dessen können die Bauern auch weiterhin mit den ihnen zugesagten Ausgleichszahlungen und Leistungsabgeltungen rechnen.

Wenn Frau Aumayr das Budget 1995 mit dem Budget 1999 vergleicht, dann hat sie anscheinend übersehen, daß es im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt degressive Zahlungen gibt, die von vornherein auf vier Jahre beschränkt waren und die im Jahre 1995 7,2 Milliarden Schilling betrugen. Damals haben die Freiheitlichen gesagt, nach vier Jahren würden die Förderungen alle zu Ende sein. – Wir können jetzt den Beweis erbringen, daß diese Aussagen nicht stimmen. Sie haben damals auch gesagt, daß es in drei Jahren keinen Bergbauern in Österreich mehr geben wird. – Wir haben bei den Bergbauernbetrieben einen geringeren Strukturwandel, als wir ihn in diesem Bereich vor dem EU-Beitritt zu verzeichnen hatten. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Gesamtumfang des Landwirtschaftsbudgets für 1999 beträgt inklusive der Ermächtigungen – das hat natürlich auch die Abgeordnete Aumayr entweder nicht entdeckt oder bewußt übersehen – 24,7 Milliarden Schilling. In dieser Summe sind allerdings – das muß man schon dazusagen – 12 Milliarden Schilling, die von der EU rückerstattet werden, enthalten. Das heißt, der Nettoaufwand aus Bundesmitteln für die Landwirtschaft beträgt 1,2 Prozent des Gesamtbudgets, und das haben die Bauern für ihre Leistungen wahrlich verdient! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn vorhin bei der außenpolitischen Debatte von Frau Abgeordneter Gredler kritisiert worden ist, daß von den EU-Förderungen ein zu hoher Anteil an die Bauern geht, so muß ihr schon ins Stammbuch geschrieben werden, daß die Landwirtschaft der einzige Bereich ist, der wirklich vergemeinschaftet ist. Die EU finanziert keine Sozialbereiche, ebensowenig Verteidigungs- und Sicherheitsbereiche und auch nicht die schulische Ausbildung, sondern die Landwirtschaft. Man müßte deshalb gerechterweise die einzelnen Budgets der 15 EU-Länder mit dem EU-Budget zusammenzählen und dann die Aufteilung vornehmen. Dann kommen auf die Landwirtschaft schwache 2 Prozent, und ich glaube, dieser Betrag ist für die europäische Ernährungssicherung, für die Erhaltung der Kulturlandschaft, für die Besiedlung der Berggebiete sicherlich eine notwendige Ausgabe und er ist von der europäischen Bevölkerung auch durchaus leistbar.

Rund 70 Prozent aller österreichischen Bauern – und hier haben wir wirklich Europa-Spitze erreicht, hier sind wir Europameister – beteiligen sich am Umweltprogramm, und diese 70 Prozent umfassen 90 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Das heißt, 90 Prozent der landwirtschaftlichen Produktionsfläche in Österreich sind am Umweltprogramm beteiligt, und dafür erhalten wir auch 30 Prozent der gesamten Umweltförderungsmittel, die die EU für alle 15 Länder budgetiert hat.

Daran wird die Sensibilität der österreichischen Bauern gerade Umweltproblemen gegenüber deutlich, aber unseren Bauern ist auch eine gewisse Nachhaltigkeit ins Stammbuch geschrie


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ben. Der Anteil der Ausgleichszahlungen an die Bauern für dieses Umweltprogramm ist sehr hoch: Rund 30 Prozent oder fast ein Drittel der gesamten Direktzahlungen an die Bauern sind durch das Umweltprogramm finanziert, das aber Gegenleistungen erfordert. Es erbringen die Bauern Leistungen, und diese Leistungen werden über dieses Umweltprogramm abgegolten. Das sind nicht, wie fälschlicherweise immer wieder dargestellt wird, Subventionen oder Unterstützungen an die Bauern, sondern da gilt Leistung und Gegenleistung. Deshalb ja auch der fünfjährige Vertrag, der einzuhalten ist.

Der zweitwichtigste Bereich sind die Marktordnungszahlungen, die Prämien, die zu 100 Prozent von der EU ausbezahlt werden, die aus nationalen Budgets nur etwa durch Extensivierungsprämien und ähnliches ergänzt werden. In der Folge sind rund 15 Prozent Ausgleichszahlungen, einschließlich der Wahrungsbetriebe im Berggebiet und die Investitionsförderung.

Folgendes muß man auch dazusagen: Die Landwirtschaft hat laut Grünem Bericht im Jahre 1996 13 Milliarden Schilling an baulichen Investitionen getätigt, 12 Milliarden Schilling für Maschinen und Geräte bezahlt, das heißt, wesentlich mehr, als insgesamt an die Landwirtschaft an Zahlungen geleistet wird, wird von dort auch wieder in die Wirtschaft investiert. Damit lebt der ländliche Raum, und damit sind auch sehr viele Arbeitsplätze im ländlichen Raum gesichert. Man kann – das ist eine grobe Faustzahl – sagen, ein Arbeitsplatz in der Landwirtschaft sichert zwei Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich, denn die Lebensmittelindustrie ist in Europa die Industrie mit der größten Anzahl an Arbeitsplätzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Budget sind aber auch noch Mittel für Wildbach- und Lawinenverbauung in Höhe von 858 Millionen Schilling vorgesehen, für Schutzwasserbau in Höhe von 660 Millionen. Auch diese Mittel werden immer der Landwirtschaft zugerechnet. Es gilt, den besiedelten Raum – davon sind genauso viele Menschen außerhalb der Landwirtschaft oder sogar noch viel mehr betroffen – vor diesen Gefahren zu schützen.

Die gegenwärtige Diskussion ist natürlich für die nächste Programmperiode gedacht, die Diskussion über die Agenda 2000. Die nachfolgenden Redner meiner Fraktion werden sich ausführlich auch mit diesem Thema befassen. Ich habe leider keine Zeit mehr, darauf einzugehen. Ich möchte aber abschließend unseren Landwirtschaftsminister – die Aumayr hat gesagt, sie würde ihn gern loben (Abg. Aumayr: Die Aumayr!)  – gerne loben, denn er ist europaweit anerkannt. Ich habe vor 14 Tagen bei einer Tagung in Rom, zu der die Vorsitzenden der Landwirtschaftsausschüsse zu einem informellen Erfahrungsaustausch geladen worden sind, gehört, daß man anläßlich der Vorsitzführung im Agrarministerrat in der zweiten Hälfte dieses Jahres große Hoffnungen bezüglich Minister Molterer hegt, und ich bin auch sicher, daß er diese Erwartungen erfüllen wird. Er ist, wo immer es möglich ist, für unsere Bauern Tag und Nacht tätig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir haben jetzt zwei tatsächliche Berichtigungen. Ich weise für beide Fälle auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung hin.

Die erste kommt von Herrn Abgeordneten Dr. Ofner. – Bitte.

13.11


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Abgeordneter Dr. Harald Ofner
(Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Schwarzenberger hat in seiner Rede den Abgeordneten Haider mehrmals ausdrücklich als "Führer" bezeichnet, offenbar in der Absicht, ihn zu diskriminieren.

Ich stelle richtig: Die Freiheitliche Partei hat als ihren Chef keinen "Führer", sondern einen Obmann. Ich frage mich, wann endlich der Versuch, Abgeordnete dieses Hauses mit einer solchen Bezeichnung zu versehen, ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Das geht über die tatsächliche Berichtigung hinaus, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (fortsetzend): ... zu dem verdienten Ordnungsruf führen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste tatsächliche Berichtigung: Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.12

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Der Abgeordnete Schwarzenberger hat festgestellt, daß freiheitliche Abgeordnete in diesem Haus behauptet hätten, daß alle Förderungen für die Bauern auslaufen werden. Diese Behauptung ist unrichtig.

Tatsache ist, daß die Freiheitlichen in diesem Haus behauptet haben, daß es nach Auslaufen der degressiven Ausgleichszahlungen zu massiven Einkommensverlusten für die Bauern kommen wird, daß es zu massiven Arbeitsplatzverlusten in der Landwirtschaft kommen wird und daß es zu einem Höfesterben kommen wird. Wenn Sie sich die aktuelle Situation anschauen, sehen Sie, daß sich unsere Befürchtungen bewahrheitet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! Das ist ein Redebeitrag!)

13.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.13

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach dem Inhalt dieser tatsächlichen Berichtigungen kann man jede Rede letztlich schon als tatsächliche Berichtigung halten, aber ich glaube, es ist unbestritten, daß der Vorwurf "Führer" dann in diesem Hause nicht mehr erhoben werden darf (Abg. Ing. Reichhold: Ich habe geglaubt, das Klima hat sich geändert in diesem Haus , aber es wird immer wieder Öl ins Feuer gegossen!), wenn von freiheitlichen Abgeordneten nicht verlangt wird, daß sie Verträge abschließen müssen, mit denen sie ihr Stimmverhalten, Herr Abgeordneter Reichhold, unter zivilrechtliche Pönalezahlungen setzen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.) Wenn das nicht mehr verlangt wird, dann wird dieser Vorwurf auch nicht mehr erhoben werden.

Wenn die Frau Abgeordnete Aumayr hier sagt: Herr Bundesminister, wann werden Sie endlich ein Budget machen, um den Bauern ihre Einkommen zu sichern?, so muß doch klargelegt werden, daß den Bauern ihr Einkommen über das Bundesbudget keinesfalls auf Dauer gesichert werden kann. Das Bundesbudget kann zwar zeitlich befristet eingreifen, um Einkommenseinbußen auszugleichen, aber eine Einkommenssicherung über das Budget wird es langfristig nicht geben. Aufgabe des Parlaments wird es sein, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, daß die Bauern ihr Einkommen selbst und unabhängig erwirtschaften können.

Auch Herr Abgeordneter Schwarzenberger hat schon einige Rahmenbedingungen angesprochen, und er hat gemeint, daß es eine flächendeckende bäuerliche Landwirtschaft geben soll in Österreich. Dann wäre es aber an der Zeit, die Art und Weise, wie Förderungen bei uns ausgezahlt werden, grundsätzlich neu zu überdenken. Wir haben in diesem Hause einen Ausschuß, der sich damit beschäftigt, ob nicht Förderungen neu angedacht werden müssen, und insbesondere, ob nicht eine Obergrenze bei den Förderungen pro Betrieb eingezogen werden soll.

Die Liberalen sagen, das ist der falsche Ansatz, denn nach unserer Auffassung wäre es, insbesondere, wenn man eine flächendeckende bäuerliche Landwirtschaft haben will, sinnvoll, eine Grundsicherung im bäuerlichen Bereich einzuführen. Das ist von der Anzahl der Personen her, die betroffen sind, klar abschätzbar, es wäre von den finanziellen Volumina klar abschätzbar, und es wäre auch deshalb sinnvoll, weil dann alle weiteren Förderungen, die über diese Grundsicherung hinaus gewährt werden würden, ganz klar nach politisch gesetzten Kriterien


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gegeben werden könnten. Möchte man dann etwa im Bereich des Umweltschutzes etwas machen und das förderungsmäßig unterstützen, dann kann man das ganz klar machen und müßte es nicht mit sozialen Gedanken verbrämen.

Daher sollte man dieses Förderungssystem jetzt auslaufen lassen, eine Grundsicherung für den bäuerlichen Bereich einführen und alle darüber hinausgehenden Förderungen nach klaren politischen Kriterien orientieren. Das wäre ein Weg, den wir in diesem Hause gerne diskutiert hätten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß wir insbesondere unter dem Eindruck der Ostöffnung nicht umhinkommen werden, die Stärkung der verarbeitenden Industrie in Österreich zu betreiben. Wir haben derzeit im Außenhandel mit den Reformstaaten einen Überschuß, was die landwirtschaftlichen Produkte angeht. Wahr ist, daß die österreichischen Produkte eine bessere Qualität haben, daß hier eine bessere Verteilung gegeben ist, und daß auch die Präsentation besser gelingt als bei anderen Produkten. Das sind Vorteile, die derzeit noch existieren, die aber in den Reformstaaten in sehr kurzen Zeitspannen aufgeholt werden können.

Es ist daher klar, daß es diese Vorteile für die österreichische Landwirtschaft in bezug auf die Reformstaaten sehr bald nicht mehr geben wird. Deshalb ist es notwendig, verstärkt verarbeitende Industrie in Österreich zu haben, weil man über die Produktion der Grundstoffe allein das Einkommensniveau, die flächendeckende bäuerliche Landwirtschaft nicht erhalten wird können. Das ist etwas, bezüglich dessen der Herr Landwirtschaftsminister gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister gefordert ist, denn es gibt heute noch im Bereich der Bauern sehr viel an Hindernissen, was Direktvermarktung angeht, es gibt sehr viel an Hindernissen, was die lokale Vermarktung angeht, und es ist sehr wenig an positiven Ansätzen zu einer Zusammenarbeit zwischen regionalen Verteilern und den regional produzierenden Bauern zu finden.

Meine Damen und Herren! Wenn sich das nicht bald ändert, werden wir im Zuge der Ostöffnung im Bereich der Landwirtschaft ins Hintertreffen geraten. Daher muß auch, selbst wenn es gegen die Strukturen von Raiffeisen geht, selbst wenn es letztlich auch gegen die AMA geht, ein Umdenken eingeleitet werden. Wir brauchen neben der Stärkung der verarbeitenden Industrie auch zum Halten der inländischen Anteile eine stärkere Direktvermarktung und mehr an unmittelbarer Unterstützung zur Eigenerwirtschaftung von Einkommen bei den Bauern und weniger Förderung der Strukturen, wie wir es derzeit haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ein dritter Punkt, den ich anschneiden möchte, ist, daß wir, wenn es darum geht, eine flächendeckende bäuerliche Landwirtschaft zu haben und zu halten, nicht umhinkönnen, auch Kostenwahrheit im Verkehr einzuführen. Solange es möglich ist, in Ländern, wo wesentlich geringere Produktionskosten und insbesondere Lohnkosten existieren, zu produzieren, und diese Güter ohne Transportkosten einfach von einem Kontinent zum anderen zu verschiffen, zu verbringen, so lange wird es eine flächendeckende bäuerliche Landwirtschaft in Österreich sehr schwer haben. Daher brauchen wir die Kostenwahrheit im Verkehr, denn nur dann wird es möglich sein, daß das, was in der Region produziert wird, auch dort unmittelbar zum Verkauf kommt, und nicht über Dumpingpreise von anderen Gebieten quasi unterlaufen wird.

Ich freue mich, daß der Herr Abgeordnete Parnigoni mir hier zustimmt. Ich würde mich freuen, wenn es im Telekommunikationsbereich ebenso wäre, aber das ist ein anderes Thema, und damit werden wir jetzt nicht unmittelbar beginnen.

Meine Damen und Herren! Wenn es um Einkommenssicherung für die Bauern geht, dann ist nicht nur die Grundsicherung ein Weg, diese zu schaffen, sondern dann wird es neben dieser Direktvermarktung auch darum gehen, den bäuerlichen Betrieben in Österreich andere Einkommensfelder zu eröffnen. Dazu gehört insbesondere, daß es auch im Bereich etwa der Energie – ich sage das aus sehr aktuellem Anlaß –, im Bereich der Energieproduktion stärkere Incentives geben sollte, damit bäuerliche Betriebe dort einsteigen können. Über Biomasseproduktion, über Biogasproduktion könnte hier wirklich ein zusätzliches Einkommen lukriert werden. Es würde eine dezentralere Energieversorgung bedeuten, aber es würde auch voraus


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setzen, daß wir in dem jetzt im Hause diskutierten ElWOG klare Bestimmungen implementieren, die das möglich machen.

Wahr ist, daß das ElWOG in seiner jetzigen Form insbesondere von den Einspeisetarifen her, die dort angesprochen sind, diese Einkommensfelder für die Bauern nicht eröffnet. Und solange das nicht der Fall ist, meine Damen und Herren, wird das, was die Frau Abgeordnete Aumayr angesprochen hat, nämlich daß es eine langfristige Sicherung des Einkommens der Bauern in Österreich geben wird, einfach nicht möglich sein. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wimmer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.20

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Budget 1999 stehen für das Kapitel Landwirtschaft – das ist heute schon angesprochen worden – 24,7 Milliarden Schilling zur Verfügung. Ich glaube im Gegensatz zur Frau Kollegin Aumayr, das ist sehr viel Geld, und es dies doch ein Anlaß dafür, auf die Verteilung und die Verteilungswirkung etwas ausführlicher einzugehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt ist für 1999 um rund eine Milliarde Schilling weniger vorgesehen als heuer, weil ja die degressiven Ausgleichszahlungen auslaufen werden. Lassen Sie mich aber zu Beginn die allgemeine Situation ein bißchen umreißen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Seit einigen Jahren haben wir uns nun in der Europäischen Union zu behaupten. Rückwirkend betrachtet können wir feststellen, wir haben das erfolgreich getan, wir haben uns erfolgreich geschlagen, und wir haben uns erfolgreich durchgesetzt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich geschah dies unter anderen Rahmenbedingungen, wie wir wissen. Es gibt heute mehr Wettbewerb als bisher, es gibt andere Förderungsinstrumentarien, und gerade im Umweltbereich hat sich einiges getan. Wir sehen heute, daß der Weg richtig war, der hier eingeschlagen wurde. Es geht heute mehr in Richtung Ökologisierung, es geht mehr in Richtung naturnahe Bewirtschaftung. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt. Letztlich ist es ja auch kein Selbstzweck, meine sehr geschätzten Damen und Herren, sondern es wird auch von der Gesellschaft ganz vehement verlangt.

Der Konsument fordert heutzutage von der Landwirtschaft Qualität, er fordert Umweltschutz, er fordert Tierschutz, und er fordert vor allen Dingen Lebensmittelsicherheit. Erinnern wir uns an die Diskussionen bezüglich der Gentechnik zurück. Sie haben uns gezeigt, wie sensibel der Konsument in diesem Bereich reagiert.

Ich möchte mich aber auch, weil es heute schon angesprochen worden ist, mit der Entwicklung der Einkommen beschäftigen. Da muß man ein bißchen differenzieren, das kann man wirklich nicht über einen Kamm scheren. Gerade der Grüne Bericht gibt detailliert Auskunft. Man kann nachvollziehen, wie sich die Einkommen und Erträge wirklich verändert haben.

Natürlich gibt es Bereiche, die mit einem blauen Auge davongekommen sind. Ich meine hier vor allem Betriebe in Gunstlagen. Dort war der Ertrag nicht so schlecht, wie man oftmals hört. – Wobei man natürlich, wenn man sich mit Einkommen auseinandersetzt, schon einen etwas längeren Zeitraum heranziehen muß, man darf nicht nur eine Blickpunktaufnahme über ein Jahr heranziehen.

Es gibt natürlich aber auch Betriebsstrukturen, die tatsächlich schlecht weggekommen sind und die vor allem auch in Zukunft weiter dramatisch verlieren werden, und das sind Betriebe in benachteiligten Gebieten. Das sind vorwiegend ganz kleine Strukturen, das sind unsere Bergbauern. In diesem Bereich spielt sich ein gefährlicher Strukturbruch ab, der eine langfristig


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flächendeckende Bewirtschaftung – auch dieser Begriff ist heute schon oft gefallen – nicht mehr möglich machen wird.

Die Zahl der Betriebe hat in den letzten Jahren dramatisch abgenommen. Es waren nicht die ganz großen Betriebe – da hat es sogar einen kleinen Zuwachs gegeben –, es waren dies vorwiegend kleine Betriebe, Betriebe zwischen 5 und 20 Hektar. Das waren wieder genau jene Betriebe, die im jetzigen Förderungssystem eklatant benachteiligt werden. Das waren Betriebe, die im jetzigen Förderungssystem gänzlich ausgeschlossen sind. Das ist in Wirklichkeit das Problem, das in Angriff genommen werden muß, wo Maßnahmen zu setzen sind, wo man einfach gegensteuern muß. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, unser unbestrittenes gemeinsames Ziel ist es, eine flächendeckende Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. Das heißt aber auch ganz klar, daß wir das bestehende Fördersystem radikal ändern und radikal anpassen müssen. Der Zugang zu den Unterstützungen muß gerade für die kleineren Betriebe, und da wieder für Betriebe in benachteiligten Gebieten, deutlich erleichtert werden. Da kommen wir nicht umhin, uns intensiver als bisher mit einer Grundabsicherung, mit einem Sockelbetrag auseinanderzusetzen. Ich weiß schon, das ist immer ein heißes Eisen, das wird nicht gerne gehört. Es wird aber ohne Umverteilung nicht gehen, wenn wir wissen, daß zwei Drittel der Gesamteinkommen in der Landwirtschaft aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden.

Wir brauchen für unsere Bergbauern einen Sockelbetrag, bei dem neben der Fläche endlich auch die Arbeitsintensität berücksichtigt wird. Das derzeitige Förderungssystem gewährleistet einfach nicht, daß Bergbauernbetriebe, insbesondere jene in den Extremlagen, ihre vielfältigen Funktionen für die Gesellschaft weiter erfüllen können. Man sieht es ganz deutlich: Seit dem EU-Beitritt sind die Direktzahlungen massiv ausgebaut worden, und trotzdem bleiben die Bergbauernbetriebe in der Einkommensentwicklung gegenüber den anderen Betrieben deutlich zurück.

Ich möchte abschließend drei wesentliche Punkte festhalten. Es ist unabdingbar, daß der notwendige Arbeitseinsatz in das bestehende Förderungssystem einfließen muß. Der Arbeitsaufwand gehört unbedingt quantifiziert und berücksichtigt. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Wir können uns ruhig von der Vorarlberger Landesförderung eine Anleihe nehmen, können dort ein bißchen hinüberschielen: Dort wird nämlich gegenwärtig ein arbeitsbezogenes Förderungsmodell diskutiert.

Wir brauchen aber auch eine Basisförderung, einen Sockelbetrag für unsere Bergbauern, vor allem in den benachteiligten Gebieten. Und wir brauchen alleine schon um der Gerechtigkeit willen Förderobergrenzen. Wir werden uns nicht mehr länger über diese Förderobergrenzen hinwegschwindeln können. Nur so, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird es möglich sein, eine flächendeckende Landwirtschaft auch für die Zukunft abzusichern. Das ist ja – und das ist heute auch schon etliche Male angesprochen worden – unser gemeinsames Ziel. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.27

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei der Veranstaltung Budgetdebatte werden zwei völlig verschiedene Welten hier präsentiert: die eine von der Frau Aumayr und die andere vom Herrn Schwarzenberger. Die Welt, die ich erlebe, sieht so aus, daß wir im Landwirtschaftsausschuß beinahe nichts mehr verhandeln.

Ich will jetzt nicht in die alte Diskussion einsteigen, warum der EU-Beitritt, der meiner Ansicht nach fast ausschließlich ökonomisch beherrscht war, aus landwirtschaftlicher Sicht besonders problematisch war. Ich will aber doch beurteilen, wie im Augenblick Agrarpolitik in Österreich funktioniert und diskutiert wird.


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Aus diesem Grund habe ich mir diese "Landwirtschaftlichen Mitteilungen" vom 15. Mai 1998 mitgenommen, wo ein Thema besonders massiv diskutiert worden ist. Ich nehme an, der Kollege Zweytick – der sitzt nicht hier; ah, da sitzt er ja, hinter dem Kollegen Kröll – wird sicher dazu Stellung nehmen, nämlich zum Schweinepreis. Ich habe das Vergnügen gehabt, mit ihm von Wien nach Leibnitz zu fahren. Er ist dann schnurstracks in eine wunderschöne Bauernversammlung gefahren, wo der Schweinepreis diskutiert worden ist, während ich schnurstracks zu meinem Sohn nach Hause gefahren bin und endlich das Fußballtor repariert habe, das ich schon seit einem halben Jahr reparieren sollte.

Kollege Zweytick hat mir berichtet, wie es dort zugegangen ist, zumindest teilweise. Wenn ich mir jetzt aber anschaue, wie bäuerliche Funktionäre, wie die Funktionäre bis hinauf zu unserem geschätzten Rudolf Schwarzböck, dem neugewählten Chef der Präsidentenkonferenz (Rufe bei der ÖVP: Wiedergewählten!), die Agrarpolitik auslegen, dann habe ich den Eindruck, daß sich im wesentlichen das demokratische Gefüge so verlagert hat, daß jetzt die Opposition nicht mehr die Opposition im Parlament ist – das sind entweder, ich sage das einmal so, lamentierende Extreme oder gutmeinende Ökologen –, die eigentliche Opposition in der Agrarpolitik in Europa ist jetzt die ÖVP. (Demonstrativer Beifall des Abg. Meisinger. )

Sie müssen jetzt Appelle hinaus nach Brüssel richten, müssen Ihrem Verhandler, dem Molterer, die besten Grüße und Wünsche mitgeben, damit er dort endlich das durchsetzt, was wir in Österreich uns seit Jahrzehnten schon immer gewünscht haben: eine massive Ökologisierung, eine Berücksichtigung der sozialen Situation, eine Berücksichtigung der betrieblichen Situation in Österreich. Jetzt wird der Molterer, Landwirtschaftsminister aus Österreich, der echte Agraroppositionelle im Bereich der Agrarpolitik.

EU-Exporterstattung erhöhen. Appell der Kammer – die Kammer wird zur Opposition! – an Fischler: Mehr als 1 000 S kommen derzeit nicht zu den Bauern. – Das war früher die Argumentationslinie der Freiheitlichen, der Grünen oder der Liberalen, die darauf aufmerksam gemacht haben, daß eine unglaubliche Diskrepanz besteht zwischen dem, was den Bauern und den Bäuerinnen bezahlt wird, und dem, was letztendlich dann der Konsument beim Fleischhauer bezahlt.

Diese Argumentationslinie wird nun voll getragen von den Kammerfunktionären, kann unverhohlen vorgebracht werden, denn das, was sich früher gegen Wien gerichtet hat, gegen das Zentrum, wo die Gelder abzuholen waren, das richtet sich jetzt gegen Brüssel.

Meine Damen und Herren! Ich kann mich an Diskussionen im Landwirtschaftsausschuß erinnern, bei denen es noch echt um konkrete Dinge gegangen ist, bei denen ich den Eindruck gehabt habe: Hier kann noch ein bißchen bewegt werden. Da hat es heftige Diskussionen gegeben, heftige Auseinandersetzungen, zum Teil fair, zum Teil weniger fair, aber ich habe das Gefühl gehabt: Dort wird um Agrarpolitik gestritten, dort wird gekämpft, da geht es um die Anliegen der bäuerlichen Bevölkerung, unabhängig davon, welchem ideologischen Lager die einzelnen Personen angehört haben. Jetzt fährt der Herr Kollege Schwarzenberger nach Rom, sitzt dort mit den Ausschußvorsitzenden zusammen und freut sich, daß Agrarminister Molterer so einen guten Ruf hat.

Meine Damen und Herren! Wenn ich mir anschaue, was in diesem schönen Bericht drinnensteht (der Redner blättert in einer Unterlage), wie sich die offizielle Agrarpolitik Österreichs gestaltet – "Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1999" –, und wenn ich mir ansehe, welches die österreichischen Leitlinien sind, dann kann ich all diesen Überschriften durchwegs zustimmen. Ich habe überhaupt kein Problem damit.

Im Zusammenhang mit der Festlegung "Verbesserung der Marktposition der Betriebe", "wettbewerbsfähige Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen" und "schlagkräftiges Agrarmarketing" muß man sich allerdings schon die Frage stellen: Was bedeutet das? – Da kann ich dann auch wieder in den "Landwirtschaftlichen Mitteilungen" nachlesen, wie die einzelnen Funktionäre der tiefschwarzen Bauernverbände dies sehen. Da findet sich unter dem Titel "Schweine-Millionen" ein sehr interessanter Kommentar von Helmut Pieber, und dann schreibt der Obmann


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des Mastausschusses der Styriabrid, Herr Franz Gruber, "Schachmatt oder Bauernopfer?", und beide gehen darauf ein, daß die Situation auf dem Schweinemarkt deshalb so schwierig ist, weil es hier einerseits natürlich zu massiven Ausweitungen gekommen ist – mit Ausnahme von einigen Ländern; Holland wird hier angeführt –, aber insbesondere deshalb, weil der Markt heißer umstritten ist. Die USA drängen nun auch massiv auf den ostasiatischen Markt, damit auch dort die amerikanischen Mastschweine abgesetzt werden können. Kollege Jost schlägt vor: Es muß endlich der Markt ausgeräumt werden. Und das kann nur mit Export passieren.

Ich frage Sie: Ist diese Ausrichtung vereinbar mit allen anderen Anmerkungen, die meines Erachtens vollkommen richtig dargestellt sind?

Der erste Punkt: "Weiterentwicklung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik in Richtung ökologischer und sozialverträglicher Landbewirtschaftung." – Was kann ich dagegen haben? Ich kann das hundertprozentig unterstreichen.

"Ausreichende Dotierung der für die Land- und Forstwirtschaft vorgesehenen Förderungsmaßnahmen auch im Hinblick auf die optimale Inanspruchnahme der EU-Kofinanzierung." – Die Frage ist hier natürlich: Wie lange will ich diese Art der Dotierung, diese Art der Förderung beibehalten? Kollege Barmüller hat ganz richtig angemerkt, daß es eigentlich das Ziel sein muß, Kostenwahrheit in all diesen Bereichen zu erreichen, damit die Wettbewerbsfähigkeit nicht daraus resultiert, wie stark oder wie schwach nationale Förderungspläne sind, wie clever einzelne Politiker auf internationalen Kongressen verhandeln, um Handelshemmnisse – sogenannte oder tatsächliche – zu verhindern oder aufzubauen, sondern daß es letztendlich darum geht, in welcher Region die besten Lebensmittel produziert werden und unter welchen Bedingungen sie dann auch verteilt und an die Konsumentin, an den Konsumenten gebracht werden.

Das, was Barmüller hier zu Recht einfordert, ist: Wenn ich Kostenwahrheit will, dann muß ich sie auch forcieren. Die Ökosteuerreform in Österreich wird von der österreichischen Bundesregierung seit zehn Jahren angekündigt, wird aber nicht durchgeführt.

Wie kann es denn sein, daß man so ein edles Produkt – und ich halte ein Schweinsschnitzel durchaus für ein edles Produkt – Tausende Kilometer transportiert und es dann, weil es in den USA produziert worden ist, billiger ist als eines aus der Südsteiermark? Was ist der große Unterschied? Werden die Bauern in Amerika so schlecht bezahlt? Wachsen die Schweine dort so schnell? Werden sie mit Turbofutter abgefüttert? Oder gibt es einen anderen Grund?

Meine Damen und Herren! Diese Auseinandersetzung wird meines Erachtens nicht sehr klug und nicht mit allem Nachdruck geführt. Da ist vom "schlagkräftigen Agrarmarketing" die Rede. Das Wort "schlagkräftig" läßt zumindest vermuten, daß den Menschen im Landwirtschaftsministerium bewußt ist, daß es sich dabei um eine ordentliche Auseinandersetzung handelt, denn wenn ich Schlagkräftiges haben will, dann muß ich ja irgendwo zuschlagen. Offensichtlich gibt es hier massive Gegner, gibt es auf dem Weltmarkt einen richtigen Krieg, von dem ich ja schon in einigen anderen Reden hier berichtet habe.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß dieser Ansatz – auch wenn Kollege Barmüller das mit Kollegen Kier nicht ordentlich ausdiskutiert hat, wie er denn das mit der Grundsicherung tatsächlich meint – ein sehr kluger ist, daß man nämlich im landwirtschaftlichen Bereich wie auch in anderen Bereichen beginnt, die Grundsicherung festzulegen. Zusätzliche Förderungen aufgrund von politischen Überlegungen – denn eine Grundsicherung einzuführen, ist ja eine politische Überlegung sozialer Natur; man billigt damit jedem Menschen zu, daß er ausreichend Geld hat, um den täglichen Bedarf zu bestreiten –, also zusätzliche Förderungen wie auch zusätzliche Aufwendungen, die dann natürlich politisch verhandelt werden müssen und mehr oder weniger werden können, sind unter ganz bestimmten Aspekten zu sehen. Wir Grüne haben das immer klar unter dem ökologischen und sozialen Aspekt gesehen.

Herr Kollege Schwarzenberger! Sie sollten neben Ihren sicher interessanten Reisen nach Rom vielleicht wieder einmal eine Sitzung des Landwirtschaftsausschusses einberufen, in der genau diese Frage der Förderobergrenzen, der Grundsicherung, wie sie die Grünen und die Liberalen verlangen ... (Abg. Schwarzenberger: Merken Sie sich den 3. Juli vor!) Herr Abgeordneter! Ich


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merke mir den 3. Juli gerne vor, aber um eines würde ich Sie bitten: daß Sie dort dann ernsthaft über diese Problematik der Förderungen diskutieren und nicht wieder nach einer halben oder dreiviertel Stunde sagen: Für heute ist es genug! Nächstes Jahr dann bitte wieder!

Ich glaube, daß diese Auseinandersetzung massiv geführt werden muß, und Sie, Kollege Barmüller, sollten das konkret mit Kollegen Kier absprechen, wie Sie das dann tatsächlich meinen in Ihrem Programm. Ich halte diesen Ansatz für goldrichtig, und ich würde es bedauern, wenn Sie als Agrarsprecher dann nicht mehr zur Verfügung stünden, sondern das Heft an den Gastwirt Helmut Peter abgeben, der sicher interessante Vorschläge für die Landwirtschaft einbringt (Abg. Mag. Peter: Ich habe eine Landwirtschaft!), der das aber möglicherweise zu sehr unter dem neoliberalistischen Aspekt sieht. Das ist ein bißchen die Gefahr. Wenn die ökologische Bremse, der Kollege Haselsteiner, dann nicht mehr im Klub ist (Abg. Schaffenrath: Was soll die Unterstellung, Herr Kollege?), kann es sein, daß mit Helmut Peter die neoliberalistischen Pferde durchgehen und die Landwirtschaft dann unter einem vollkommen anderen Aspekt gesehen wird.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es daran liegt, daß in diesem Haus tatsächlich nur noch so wenig über Agrarpolitik verhandelt wird, aber meine Lustlosigkeit, hier eine Auseinandersetzung zu führen, ist fast nicht mehr zu überbieten. Trotzdem werde ich Ihnen einen Entschließungsvorschlag vorlesen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wabl, Freundinnen und Freunde betreffend Verzicht auf den Einsatz der Gentechnik als Mindestkriterium zur Teilnahme am ÖPUL II, eingebracht im Zuge der Debatte Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1100 und Zu 1100 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen (1160 der Beilagen), Kapitel 60, Land- und Forstwirtschaft

Das österreichische Programm einer umweltgerechten und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft wurde von der österreichischen Bäuerinnen und Bauern gut angenommen. In Österreich wurde im Rahmen der Umsetzung der Verordnung 2078/92 für das Umweltprogramm ein integraler, horizontaler Ansatz gewählt, der eine flächendeckende Ökologisierung der österreichischen Landwirtschaft zum Ziel hat.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Landwirtschaftsminister werden aufgefordert, im ÖPUL II als Mindestkriterien festzulegen, daß Betriebe, die an diesem Programm teilnehmen, sowohl in der pflanzlichen als auch in tierischen Produktion auf den Einsatz der Gentechnik verzichten.

*****

Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen nochmals die Gelegenheit, insbesondere den ersten Punkt in Ihrem Leitbild, das Sie mir zukommen haben lassen – in wunderschön gedruckter Form, mit diesem herrlich idealistischen Bild da vorne: ein Fluß, drei Ähren, eine gelbe Landschaft mit stilisierten Fichtenbäumen, ohne Bauern; ich hoffe, das ist nicht visionär gedacht von Ihnen –, umzusetzen. Damit Sie den ersten Satz tatsächlich in voller Schönheit zur Verwirklichung bringen können, ersuche ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen. Diese Bitte richtet sich vor allem an Kollegen Schwarzenberger und Kollegen Zweytick, die ja immer Vorkämpfer gegen den gentechnischen Einsatz in der Landwirtschaft waren, die gemeint haben: Wenn die Konsumenten das wünschen, dann sind wir selbstverständlich die Produzenten, die auch auf die


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Wünsche der Konsumenten Rücksicht nehmen und dieses ernste Anliegen wirklich vertreten. Daher nehme ich an, daß sie diesem Antrag zustimmen werden.

Frau Kollegin Petrovic wird noch weitere Anträge einbringen, denen Kollege Schwarzböck sicher zustimmen wird. Da geht es nämlich um eine radikale Änderung auf diesem Sektor der Subventionen für Tiertransporte. Sie werden zustimmen, damit auch die Tierschützer ihre helle Freude haben mit der großen, eigentlich der größten Tierschutzpartei ÖVP. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.42

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, erteile ich Herrn Abgeordneten Schwarzenberger einen Ordnungsruf wegen der mehrfachen Verwendung des Wortes "Führer", und zwar insbesondere deshalb, weil ich es mit der Würde des Nationalrates für unvereinbar finde, daß Funktion und Amtsbezeichnung aus der Zeit des Dritten Reiches, insbesondere der NSDAP, hier als Vergleich herangezogen werden.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet hat sich nun Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. Ich verweise auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.43

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Ich muß einmal mehr eine Behauptung des Abgeordneten Schwarzenberger tatsächlich berichtigen, der unter Zuhilfenahme eines Zitates dem Parteiobmann der Freiheitlichen Partei, Dr. Haider, folgende Äußerung unterstellt. (Rufe: Welche? Welche?) Moment! (Abg. Steibl: Lesen müßte man können! – Weitere Zwischenrufe.)

Er hat behauptet: "Zum zweiten würden wir verlangen" – sagt Dr. Haider, das ist das Zitat –, "daß man die derzeitigen Subventionen um 50 Prozent streicht. Das tut niemandem weh ... nicht einmal der Landwirtschaft." Punkt. Sagt Schwarzenberger.

Ich berichtige tatsächlich. Das Zitat lautet: "Zum zweiten würden wir verlangen, daß man die derzeitigen Subventionen um 50 Prozent streicht. Das tut niemanden weh ... nicht einmal der Landwirtschaft" – statt dem Punkt kommt hier ein Beistrich –, "weil die Landwirtschaft sehr stark abhängig ist von Kooperationsförderungen, die ganz wesentlich von Bund und Ländern und EU mitgetragen werden müssen." Die Betonung liegt auf "müssen". Das heißt, es kann hier nicht gekürzt werden, und es ist damit klargestellt ... (Abg. Mag. Barmüller: Möchten Sie eine Renationalisierung der Landwirtschaft?)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte es handelt sich um eine tatsächliche Berichtigung. Wenn Sie bitte mit der tatsächlichen Berichtigung fortfahren!

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (fortsetzend): Kollege Barmüller, Sie legen ja die Geschäftsordnung so streng aus. Das heißt, die Betonung liegt auf "müssen", es kann hier nichts gekürzt werden, und damit ist klargestellt, daß die Landwirtschaft nicht in den allgemeinen Subventionstopf hineingerechnet werden kann, der von Dr. Haider hier gemeint ist. Ich bitte Sie, das endlich zur Kenntnis zu nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Eine tatsächliche Berichtigung war das nicht! Es war eine Wiederholung der Zitierung! – Abg. Mag. Barmüller: Es war überhaupt nichts falsch! – Abg. Ing. Reichhold: Falsch war die Zitierung, denn sie war unvollständig!)

13.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzböck. Freiwillige Redezeitbeschränkung 8 Minuten. – Bitte.

13.45

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt wohl unbestritten im Ermessen des jeweiligen vorsit


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zenden Präsidenten, einen Ordnungsruf zu erteilen. Der soeben Kollegen Schwarzenberger erteilte Ordnungsruf erfolgte mit dem Hinweis, daß Worte von politischen Führungspersönlichkeiten, umstrittenen (Ruf: Verbrecherischen!), verbrecherischen Führungspersönlichkeiten der österreichischen und deutschen Geschichte, nicht dem Stil des Hauses entsprechen. Ich kann mich an eine Debatte vor zwei Wochen erinnern, bei der ähnliche Benotungen im Zusammenhang mit kriminellen Spitzenpersönlichkeiten für den Großteil der Abgeordneten von vier Fraktionen verwendet worden sind. Da hätte meiner Meinung nach geradezu eine Orgie von Ordnungsrufen ergehen müssen, wenn mit gleichem Maßstab gemessen worden wäre! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei den Grünen.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Kollege Wabl hat den Bogen von der Erstrednerin, Kollegin Aumayr, bis zu Kollegen Schwarzenberger gespannt. Kollege Wabl wird verstehen, daß ich den Bogen von Aumayr zu Wabl spanne. Kollege Wabl, die Lustlosigkeit zu begründen wäre gar nicht notwendig gewesen, die spürt man. Die spürt man allein schon aus deinem Hinweis, daß du in einer Krisensituation für alle Schweinebauern mit Tiefstpreisen am Ferkel- und Schlachtschweinemarkt deinen Abend – zum Glück für deinen Sohn – mit der Reparatur des Fußballtors verbracht hast, während sich Zweytick und wir alle uns im Grunde genommen dem Gespräch mit den Bauern und dem Krisenmanagement gewidmet haben, mit dem Erfolgsrezept, daß der österreichische Agrarminister, der in wenigen Wochen den Ratsvorsitz übernehmen wird, Bündnispartner unter den wichtigen Kollegen in Europa gefunden hat, sodaß innerhalb von Tagen Erstattungsbeträge eingesetzt worden sind, die dazu geführt haben, daß innerhalb von fünf Tagen der Marktpreis um fast 10 Prozent gestiegen ist. Das ist auf der einen Seite Arbeit und auf der anderen Seite Frustration und vorprogrammierter Ausstieg. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Glück profitiert bei diesem Vergleich, den du erwähnt hast, wenigstens einer, das ist dein Sohn. Es sei ihm herzlich vergönnt, aber eines zu sagen sei mir schon gestattet: Es wird hier laufend so dargestellt, als wären Bauernfunktionäre, Bauernvertreter, der Minister entrückt (Abg. Öllinger: Entrückt ist der Rosenstingl!), und wir könnten aus anderen Richtungen hören, wie es den Bauern geht. Ich glaube, es ist eindeutig nachvollziehbar, wo die Diskussion, das Fühlen, das Leben mit den Bauern stattfindet, sonst wären auch diese Erfolge, die Minister Molterer mit Unterstützung vieler Bauernfunktionäre in Brüssel einleiten und durchsetzen konnte, nicht möglich gewesen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die leider Gottes nicht allzu erfreuliche Präsenz angesichts der Budgetdebatte, Kapital Landwirtschaft (Abg. Öllinger: Die ÖVP läßt aus! Die ÖVP läßt komplett aus! Die ÖVP ist schwach vertreten!), kann aus der Sicht eines Bauern und Bauernvertreters nur eine erfreuliche Begründung haben: daß die abwesenden Kolleginnen und Kollegen möglichst reich dem Mittagstisch frönen. (Abg. Wabl: Nicht einmal der Klubobmann ist hier! Nicht einmal den Kollegen Khol interessiert das!) Damit wäre uns zumindest in einigen Bereichen geholfen. Ich habe mangels Zeitzeichens leider Gottes übersehen, daß ich beim Kapitel Außenpolitik meine Redezeit überschritten habe, und möchte mich daher kollegial kurz halten, um für meine Freunde das wieder einzubringen, was ich leider Gottes unbewußt überzogen habe.

Kollege Wabl! In einem stimmen wir überein, aber nicht, weil Minister Molterer Agraroppositioneller ist, sondern weil er die Jahrhundertchance für Österreich hat, sich bereits im vierten Jahre der Mitgliedschaft im Ratsvorsitz im Rahmen der Agenda-Verhandlungen einem Kernproblem der europäischen Agrarpolitik zu widmen: Gehen wir in den nächsten Jahren angesichts WTO und Erweiterung in eine Weltmarktoffensive mit defensiver Sicherung der multifunktionalen Landwirtschaft, oder gehen wir nach österreichischen Zielsetzungen, nach dem Modell der europäischen Landwirtschaft in eine Festigung der multifunktionalen Landwirtschaft? – Unter Wahrnehmung der Chancen auf dem Weltmarkt, zu denen ich mich auch bekenne.

Nur eines muß klipp und klar gesagt werden: Diese europäische Auseinandersetzung ist zu führen. Die prioritäre Weltmarktorientierung ist unvereinbar mit der mulitfunktionalen Landwirtschaft und daher Nonsens. Daher ist es unsere Aufgabenstellung, nicht nur im Interesse der österreichischen Bauernschaft, sondern im Interesse des Grundkonsenses der österreichischen


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Politik, in Übereinstimmung mit 80, 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung, daß wir Weltmarktchancen nutzen wollen, aber unter Wahrung und prioritärer Fortsetzung der multifunktionalen Ausrichtung der Agrarpolitik, weil nur so die jahrhundertelange Entwicklung und die Bedeutung des Bauerntums über die Produktionsaufgaben hinaus als Lebensraumsicherer, Umweltgaranten – ich könnte jetzt 20 Begriffe der Multifunktionalität und Aufgabenstellung noch aufzählen – überhaupt aufrechterhaltbar sind.

Meine geschätzten Damen und Herren! Hier haben wir ein starkes Stück Arbeit zu leisten. Daher, lieber Kollege Wabl, sage ich ganz offen: Natürlich werden wir vielleicht in dieser Zeit, in der der Minister Tag und Nacht in der Troika im Ratsvorsitz und auch noch im ersten Halbjahr 1999 international unterwegs ist (Abg. Dr. Petrovic: Solange er nicht in Brasilien ist!), wahrscheinlich nicht jede Woche mit dem Landwirtschaftsminister im Landwirtschaftsausschuß diskutieren und Redeschlachten liefern können – auch ich hätte wieder Lust zu einigen (Abg. Wabl: Kollege Schwarzböck, sagen Sie mir, wann das letzte Mal diskutiert worden ist! Und seither nie mehr!)  –, aber das, was schon eingeleitet worden ist in den Unterausschüssen und in den Debatten im Landwirtschaftsausschuß, wie wir diese ökosoziale, multifunktionale Landwirtschaft positionieren, das können wir permanent hier im Plenum, in Ausschußsitzungen, in der öffentlichen Diskussion fortführen.

Damit möchte ich zum Abschluß kommen und noch zum Entschließungsantrag Stellung nehmen.

Kollege Wabl, die Forderung, die die Grünen und teilweise auch die Freiheitlichen – ich glaube, sogar mit eigenen Entschließungsanträgen – eingebracht haben, in die ÖPUL-Förderung eine Gentechnikverzichtsverpflichtung aufnehmen zu sollen oder zu müssen, würde für Österreich keinen Schub in der Ökologisierung bedeuten, sondern das würde viele, die umweltorientiert produzieren wollen, sogar zwingen, auszusteigen. Denn mit dem, was sich auf dem Markt abspielt, und dem, was an Rechtsordnung im Verein mit der EU-Rechtsordnung gegeben ist, um Gentechnik in der Pflanzenzucht und im Pflanzenbau zu steuern, wäre momentan nicht erwartbar, daß alle im ÖPUL bleiben, da sie auf etwas verzichten müßten, wofür sie aufgrund von Haftungsproblemen nicht einmal die Garantien erbringen können.

Und die Marktentwicklung, Kollege Wabl und Frau Kollegin Petrovic, zeigt uns ja, daß Kaufverhalten und verbale Forderung, Unterschrift im Volksbegehren und ähnliches weit auseinanderklaffen. (Abg. Dr. Petrovic: Das ist nicht der Markt, das ist politische Steuerung! Der Markt will nicht die Gentechnik!) Daher haben wir eine Möglichkeit, die Dinge zu entwickeln: im Biolandbau – selbstverständlich frei von Gentechnik –, im Bereich umweltorientierter Landwirtschaft, wo es nur irgendwie geht, aber nicht mit Verboten und Verpflichtungen, die den Bauern um seine Existenz bringen. Es geht um eine Marktfähigmachung dieser übereinstimmenden Grundsätze, die uns ja verbinden. (Abg. Dr. Petrovic: Wer ist denn der Markt?)

In diesem Sinne eine herzliche Einladung, diese Diskussion in den künftigen Landwirtschaftsausschüssen wieder zu führen und sich nicht frustriert von der Landwirtschaft zu verabschieden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Reichhold gemeldet. Mittlerweile sind die Regeln der Geschäftsordnung vollauf bekannt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.52

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Hohes Haus! Ich berichtige eine Behauptung des Herrn Abgeordneten Schwarzböck, der gesagt hat, die Grünen und die Freiheitlichen hätten einen Antrag eingebracht, wonach im ÖPUL II ein Gentechnikverbot erfolgen soll. – Dies ist unrichtig.


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Die Freiheitlichen haben nie einen Antrag eingebracht, wohl aber einen Antrag, wonach Wettbewerbsnachteile für jene, die nicht im Gentechnikprogramm sind, abgegolten werden sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte, Herr Bundesminister.

13.53

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte aus meiner Sicht diese Budgetdebatte dazu nützen, die wesentlichen Eckpunkte des Bundesvoranschlages 1999 aus der Sicht der Land- und Forstwirtschaft darzustellen.

Es ist tatsächlich so, daß es sich um einen Budgetvoranschlag handelt, der unter besonderen Gesichtspunkten zu sehen ist.

Erstens: Es ist das Budget 1999 das erste Budget, das auf Basis des neuen 40-Milliarden-Paketes, des neuen 40-Milliarden-Abkommens zwischen dem Bund und den österreichischen Bundesländern erstellt wurde. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich für die kollegiale Zusammenarbeit mit Bundesminister Edlinger bedanken, ich möchte mich vor allem auch bei den Bundesländern bedanken, daß es in sehr kurzer Zeit möglich gewesen ist, dieses 40-Milliarden-Paket für weitere vier Jahre zu verlängern und damit auch den Bauern Sicherheit zu geben und allen Argumenten entgegentreten zu können, die hier in diesem Haus und darüber hinaus sehr häufig geäußert wurden, daß es nach dem Jahr 2000 überhaupt keine Förderungsinstrumente mehr für die Landwirtschaft gäbe. Dieses Abkommen, dieses 40-Milliarden-Paket zeigt, daß es dieser Bundesregierung mit der Sicherung und der stabilen Entwicklung für die bäuerlichen Betriebe ernst ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn Frau Abgeordnete Aumayr darauf hinweist, daß das Budget 1995 eine höhere Summe für die Land- und Forstwirtschaft vorgesehen hatte als das Budget 1999, dann ist das richtig. Es ist aber der Fairneß halber angebracht, auch zu sagen, warum.

Erstens hat das Budget 1995 einen hohen Betrag für die Lagerabwertung beinhaltet, und, Frau Abgeordnete Aumayr, es ist absolut falsch, wenn Sie behaupten, daß hier irgendwelches Geld der Industrie in den Rachen geworfen wurde. Sie wissen ganz genau, daß das die Grundvoraussetzung dafür gewesen ist, daß die Bauern im Jahre 1994 die ihnen zustehenden Preise bekommen haben, weil der Wirtschaft ermöglicht wurde, zu den dann tieferen Preisen 1995 zu verkaufen. Diese Lagerabwertung ist eine Sicherheit für die Bauern gewesen.

Zweitens: Es war bekannt und bewußt, daß eine Übergangsperiode für die österreichische Landwirtschaft fixiert wurde, und zwar eine andere, als ursprünglich geplant war. Weil diese andere Übergangshilfe notwendig geworden ist in Form der degressiven Ausgleichszahlungen, ist das Budget der sichtbare Ausdruck des Überganges. Wäre die andere Form des Überganges gewählt worden, meine Damen und Herren, hätte es sich zwar nicht im Budget niedergeschlagen, aber die Bauern hätten durch die schrittweise Öffnung der Märkte oder die schrittweise Senkung der Preise die ähnlichen Probleme gehabt, die ich nicht leugne. Wir haben Punkt für Punkt und Beistrich für Beistrich die in den Europaabkommen vorgesehenen Förderungen eingehalten und in einzelnen Bereichen sogar ausgebaut.

Dieses Budget, meine Damen und Herren, steht in einer wichtigen zeitlichen Phase, in einer wichtigen Phase der Umstellung für die Landwirtschaft. Ich möchte aus meiner Sicht Eckpunkte festhalten, die für diese österreichische Landwirtschaft in dieser Umstellungsphase notwendig sind.

Es ist erstens klar, daß auch in Zukunft, in der zukünftigen Konzeption das bäuerliche Familienunternehmen im Mittelpunkt der Agrarpolitik der Bundesregierung steht und daß sich an dieser Zielsetzung des bäuerlichen Familienunternehmens überhaupt nichts ändern wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Es ist aber klar, daß in einer Situation wie dieser auch von den Bauern als Unternehmern, als Familienunternehmen, das Wissen vorhanden ist, daß in einer Umstellungsphase auch der Betrieb reagieren muß: mit stärkerer Professionalisierung, mit Stärkung der Marktposition, Herr Kollege Wabl – ich werde darauf noch zurückkommen –, und auch mit der Annahme neuer Technologien. Ich denke hier etwa an die Frage Informations- und Kommunikationstechnologie.

Ich verstehe es daher nicht, Frau Abgeordnete Aumayr, daß Sie als Bäuerin sich darüber beschweren, daß der Landwirtschaftsminister Geld zur Verfügung stellt, um die Bauern zu informieren. Ich hätte von der Opposition dann berechtigterweise einen Vorwurf eingeheimst, wenn ich nichts getan hätte, wenn ich die Bauern nicht informiert hätte über die Möglichkeiten der EU-Förderung. Und mir ist dieses ... (Abg. Aumayr: Ein Werbefeldzug ist das! Ein Werbefeldzug für Sie!)  – ich komme schon darauf zu sprechen, Frau Abgeordnete – ... Geld ein gut eingesetztes Geld, meine Damen und Herren. (Abg. Aumayr: Das glaube ich! Für Sie war das gut! – Abg. Ing. Reichhold: Nicht für die Konsumenten!)

Frau Abgeordnete! Es gibt einen zweiten wesentlichen Schwerpunkt in der landwirtschaftlichen Orientierung. Wir müssen uns als Landwirtschaft stärker als bisher mit dem Markt und den Konsumenten – lieber Herr Kollege Reichhold, das sage ich Ihnen als Bauern – auseinandersetzen. (Abg. Ing. Reichhold: Was macht denn die Agrarmarketing-Organisation? Ist das nicht ihre Aufgabe?) Ich verstehe es schon gar nicht, daß bäuerliche Menschen sich darüber beschweren, daß der Landwirtschaftsminister Geld in die Hand nimmt, um die Konsumenten zu informieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich verstehe es nicht, meine Damen und Herren, daß Sie kritisieren, wenn etwa in diesen Kampagnen, die auch kein Geheimnis sind (Abg. Aumayr: Das ist ja unbeschreiblich!)  – Sie selbst haben die parlamentarische Anfragebeantwortung gerade in der Hand, Frau Abgeordnete –, wenn in dieser Informationsarbeit des Landwirtschaftsressorts etwa über den biologischen Landbau informiert wird. Was ist daran schlecht? (Abg. Ing. Reichhold: 130 Millionen für die AMA!)

Ich frage mich: Was ist schlecht daran, wenn über Initiative der Bauern in der Direktvermarktung die breite Öffentlichkeit informiert wird, Frau Abgeordnete? (Abg. Dr. Khol: Gut ist das! – Abg. Dr. Rasinger: Super ist das! – Abg. Aumayr: Sie bringen die Bauern um mit Ihren Verordnungen!) Was ist denn schlecht daran, Frau Abgeordnete, wenn etwa die Öffentlichkeit informiert wird über das österreichische Umweltprogramm, über die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes? Was ist schlecht daran, wenn über die Strategien zur Grundwassersicherung und zu einer aktiven Forstpolitik informiert wird? Was ist denn schlecht daran, wenn ich die Konsumenten und Konsumentinnen ersuche, den österreichischen Agrarprodukten die Treue zu halten? Davon haben nämlich beide etwas: die Konsumenten, welche gute österreichische Produkte bekommen, und die Bauern, weil immer noch der Heimmarkt der sicherere Markt ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bitte Sie, Frau Abgeordnete, unterstützen Sie diese positiven Aspekte (Abg. Aumayr: So etwas Eitles!) und reden Sie in der Öffentlichkeit auch darüber, was gut im Sinne der Konsumenten und im Sinne der Bauern ist (Abg. Aumayr: Und in Ihrem Sinne!), wenn hier offensive Informationsarbeit betrieben wird! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. )

Meine Damen und Herren! Ein drittes wesentliches Element wird auch in Zukunft die Umweltorientierung der agrarischen und der landwirtschaftlichen Tätigkeit bleiben müssen. (Abg. Ing. Reichhold: Herr Minister! Einen besseren Photographen würde ich dir empfehlen, weil du so finster dreinschaust!) Es ist daher aus meiner Sicht der Ausbau der Umweltaspekte einerseits in der Förderung, andererseits vor allem aber auch in einer Verbesserung der Marktposition für ökologisch erzeugte Produkte eine Schlüsselfrage. In diesem Punkt gebe ich nämlich Kollegen Barmüller recht: Es ist wohl nicht möglich, allein über das Budget die Garantie für eine Einkommenssicherung zu erreichen, sondern wir brauchen immer beide Elemente: den Markterlös und den leistungsorientierten Ausgleich aus dem Budget.


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Wir brauchen auch in Zukunft eine innovative Landwirtschaft, die etwa im Bereich der biologischen Produktion, Biobauern, heute schon angesprochen wurde; aber das allein reicht nicht. Ich denke, daß der weitere Ausbau der Bioenergie, der Nutzung der Rohstoffe eine Schlüsselfrage für eine zukunftsorientierte Strategie ist, an der wir auch weiterhin so wie bisher erfolgreich arbeiten werden.

Meine Damen und Herren! Die Marktposition und damit auch die Wettbewerbsposition der Landwirtschaft sind ein strategisches Ziel. Herr Abgeordneter Wabl! Ich verstehe Sie nicht, wenn Sie in dem Ziel, das im Grünen Plan formuliert ist – von mir formuliert und von der Bundesregierung so zur Kenntnis genommen –, nämlich in der Stärkung der Wettbewerbsposition der österreichischen Verarbeitungswirtschaft einen Anschlag auf die bäuerliche Landwirtschaft sehen. Das ist mir absolut rätselhaft. Es ist doch ganz logisch, daß – unabhängig von der Art der Produktion; dies gilt etwa auch für den Biosektor – der österreichische Bauer bessere Erlöse hat, wenn seine Produkte eine bessere Marktposition haben. Und wenn die bessere Marktposition durch eine Stärkung der Wettbewerbsposition der Verarbeitungswirtschaft einerseits und der bäuerlichen Gemeinschaften andererseits erreicht wird, dann kann das doch nur eine gemeinsame Zielsetzung sein.

Ich möchte daher wirklich ersuchen, Herr Abgeordneter Wabl, daß der Sprung – ich sage: der ideologische Sprung –, den viele Biobauern gemacht haben, indem sie sich bewußt mit Vertretern der großen Vertriebsformen des Handels zusammengesetzt haben, um auf diese Art eine bessere Marktposition zu erreichen, auch von den Grünen im positiven Sinne vollzogen wird.

Herr Abgeordneter Wabl! Ich verstehe die Frage betreffend die Rolle der Kammern im Zusammenhang mit dem Schweinemarkt nicht. Ich fühle mich als Mitglied des Europäischen Rates in guter Gemeinschaft, weil es mir gelungen ist, etwas Positives zustande zu bringen, nicht, weil ich in Europa aus der Oppositionsrolle heraus agiere, sondern weil es uns gelungen ist, daß Österreich als vollwertiges, gleichwertiges und anerkanntes Mitglied in der Gemeinschaft agieren kann, weil es uns, weil es mir gelungen ist, Kollegen des Agrarministerrates zu überzeugen. Wenn die Landwirtschaftskammern und die bäuerlichen Interessenvertretungen offensiv daran mitarbeiten, dann haben wir gemeinsam das Beste erreicht.

Man wird sich im Landwirtschaftsausschuß etwa mit einer Weingesetznovelle, einer Düngemittelgesetznovelle, die wir seitens der Bundesregierung nun dem Parlament vorgelegt haben, und mit einer Wasserrechtsgesetznovelle zu beschäftigen haben. Ich glaube nicht, daß das Hohe Haus über Arbeitslosigkeit im Rahmen der Landwirtschaftspolitik klagen kann – und Lustlosigkeit ist generell kein Rezept in der Politik, Herr Abgeordneter Wabl, weil sie den Bauern nicht hilft! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist wesentlich, daß wir die Landwirtschaft auch auf schwierige Entwicklungen – ich denke etwa an die Erweiterung der Europäischen Union oder etwa an die "Agenda"-Diskussion – vorbereiten. Ich meine, daß die Zahlen, die im BVA 1999 diesem Bereich zugrunde gelegt sind, eine gute, eine solide Basis darstellen, etwa im Marktordnungsbereich, im Umweltförderungsbereich, im Bereich der Bergbauernförderung, im Bereich der Investitionsförderung, der Sektorplanförderung und der Forstförderung.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir auch einige Sätze zur sehr wichtigen und kritischen Diskussion über die zukünftige europäische Agrarpolitik. Ich hielte es für falsch, beharrte die österreichische Agrarpolitik in dieser Diskussion ausschließlich auf einer Njet-Position, weil eine Njet-Position falsch wäre. Wir müssen uns mit den Notwendigkeiten, die sich in der Zukunft ergeben, offensiv auseinandersetzen. So wie es die Landwirtschaft in der Vorbereitung auf den Beitritt gemacht hat, genauso verantwortungsvoll müssen wir jetzt mit diesen Zukunftsherausforderungen umgehen.

Ich teile in dieser Frage die Haltung und die Einschätzung des Herrn Abgeordneten Schwarzböck, der sagt: Die wichtigste Frage ist das Ziel, das man mit Reformen anstrebt. Und für mich ist das Ziel in erster Linie die Sicherung des europäischen Modells der Landwirtschaft. Es ist


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klar, daß dieses europäische Modell der Landwirtschaft auch ein Bein auf dem Weltmarkt braucht, aber es ist nicht der umgekehrte Weg zu gehen. Mein erstes Ziel ist daher eine nachhaltige, multifunktionale, flächendeckende und wettbewerbsfähige Landwirtschaft, die auf dem Weltmarkt eine gute Position hat; eine Weltmarktposition, die aber auch etwa durch eine WTO-Strategie, die die höheren Kosten dieser Form der Landwirtschaft absichert, entsprechenden Flankenschutz bietet. Und dann müssen wir uns über die Details unterhalten, über die Politik, die etwa für den ländlichen Raum positive Elemente bringt.

Herr Abgeordneter Wimmer! Wir sind hinsichtlich der Einschätzung der Notwendigkeit des Sockelbetrags für kleinere Betriebe im Berggebiet absolut einer Meinung und müssen die Frage der Grundsicherung davon trennen, da es sich dabei aus meiner Sicht um eine andere politische Debatte handelt. Der Sockelbetrag für die kleineren Betriebe ist für mich Ausdruck dafür, daß diese Betriebe notwendig sind und die Flächentangente bei der Förderung allein nicht reicht. – Das ist für mich die politische Zielsetzung.

Wir können in umweltpolitischer Hinsicht beispielsweise in dieser neuen integrierten ländlichen Entwicklung Perspektiven sehen.

Aus der kritischen Einschätzung der Marktordnungsvorschläge der Kommission habe ich nie ein Hehl gemacht. Ich habe sie auch diese Woche im Agrarministerrat wieder sehr deutlich aus österreichischer Sicht betont.

Unsere Strategie lautet, daß auf Basis des Finanzrahmens, auf Basis der Agrarleitlinie die bäuerlichen Einkommen im Mittelpunkt zu stehen haben, und zwar erstens dadurch, daß Preissenkungen, sofern sie überhaupt notwendig sind, so gering wie möglich gehalten werden, zweitens dadurch, daß wir die Kompensationszahlungen so ausrichten, daß sie an die österreichischen Bedürfnisse angepaßt sind – ich denke etwa an die Kuhprämie, deren Berechnungsmodell nicht unseren Bedürfnissen entspricht, die aber im Prinzip einen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Ich meine, daß auch die Impulse im Zusammenhang mit der Einkommenspolitik, mit den innovativen Produkten entsprechende Bedeutung für die Sicherung der bäuerlichen Landwirtschaft bekommen werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf einen Aspekt hinweisen, der in der Diskussion jetzt immer öfter gebracht wird: Selbstverständlich übernimmt Österreich durch den Vorsitz in der Europäischen Union und damit auch im Rat Landwirtschaft ein besonders hohes Maß an Verantwortung. Ich möchte dieses hohe Maß an Verantwortung nicht dadurch unter Beweis stellen, daß Österreich bei diesen Reformen als Bremser auftritt, sondern ich möchte dieses hohe Maß an Verantwortung dadurch unter Beweis stellen, daß wir die Reformen in die richtige Richtung beeinflussen.

Ich sage: Die Phase der Verunsicherung, die wir haben – und daran gibt es keinen Zweifel –, ist möglichst kurz zu halten, und gerade auch aus der Sicht der Landwirtschaft ist es notwendig, zeitgerecht die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen, damit ab dem Jahre 2002 sichere und positive Perspektiven gegeben sind. Mit Verzögern und Bremsen hat die Landwirtschaft noch nie richtig gehandelt. Und Schlußlicht zu sein, das ist das letzte, was die österreichischen Bauern wollen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

14.10

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Ruf bei der ÖVP: Wenitsch! Heute zeigst du’s uns wieder!)  – Nein, ich brauche euch nichts zu zeigen. Ich hatte mir erwartet, daß ihr heute irgend etwas vorzeigt, was für die Bauern Sinn hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Kollege Schwarzenberger! Die Denunzierung anderer Parteien ist zuwenig! Ich hatte mir heute von Ihnen konkrete Vorschläge, Betriebsmittelverbilligungen, etwas zur Agenda 2000 erwartet. Ich hatte erwartet, daß Sie das aufgreifen, aber kein Wort darüber. Das Denunzieren anderer Parteien wird in Zukunft nicht genügen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man spricht davon, daß das Budget das in Zahlen gegossene Programm der Regierung sei. Herr Minister! Ich muß Ihnen sagen: Mit dem heute zur Diskussion stehenden Budget haben Sie es wieder einmal verabsäumt, die Weichen für eine ökologische, für eine umweltbewußte, für eine nachhaltige und für eine bäuerliche Agrarpolitik in Österreich zu stellen und die richtigen Schritte zu setzen. Statt auf bäuerliche Agrarwirtschaft setzen Sie anscheinend auf Gentechnik und Agrarindustrie. Das ist in meinen Augen genau die falsche Richtung, der falsche Weg, gerade diesen sollten wir nicht gehen.

Herr Minister! Ich muß sagen, daß Sie sich mit diesem Budget mehr oder weniger dem EU-Diktat gebeugt und sich in Richtung Strukturbereinigung in der bäuerlichen Landschaft bewegt haben. Und das tut mir sehr leid, denn Strukturbereinigung bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als Bauernsterben. Damit sind wir heute mehr oder weniger befaßt.

Herr Minister! Es gibt, die Agrarwirtschaft betreffend, eindeutige Warnungen vieler Experten – ich rede jetzt nicht von politischen Gegnern, sondern von Experten. Ich kann hier zum Beispiel Professor Matthias Schneider zitieren, der im April dieses Jahres gesagt hat: Das Agrareinkommen ist in Österreich 1997 um 4 Prozent gesunken. Es ist stärker gesunken als im EU-Durchschnitt, wo es rund 2,8 Prozent waren. Er sagt auch, warum das zustande gekommen ist, nämlich: Insbesondere der Abbau der degressiven Ausgleichszahlungen hat zu diesem Einkommensminus stark beigetragen.

Herr Minister! Ich kann mich noch gut daran erinnern: Im Jahr 1995 und auch im Jahr 1994 hat es vor der EU-Abstimmung geheißen, die degressiven Ausgleichszahlungen seien in Ordnung, denn die Bauern sollten mit diesen degressiven Ausgleichszahlungen langsam auf das EU-Niveau herangeführt werden. Das heißt, daß man damit gerechnet hat, daß bei Auslaufen dieser degressiven Zahlungen die Betriebsmittelpreise in Österreich an jene in den anderen Ländern der Europäischen Union ziemlich angeglichen sind. Aber wir befinden uns heute leider in der entgegengesetzten Richtung. Von EU-Preisen ist bei den Betriebsmitteln weit und breit nichts zu sehen. Wir haben zum Beispiel bei Dieselkraftstoff einen doppelt so hohen Preis wie der Durchschnitt der EU.

Herr Minister! Sie müssen mir erklären, wie ein österreichischer Bauer, der einen doppelt so hohen Preis für Dieselkraftstoff zahlt wie ein Bauer anderswo in der EU, mit diesen Bauern konkurrieren können soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitliche haben in diesem Zusammenhang schon mehrmals einen Antrag eingebracht – auch heute wurde er von meiner Kollegin wieder eingebracht –, nämlich daß man endlich Schritte in die richtige Richtung setzen und den österreichischen Dieselpreis an EU-Niveau heranführen soll. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber auch heute wird er wieder abgelehnt werden.

Ich habe hier ein Zitat von Herrn Ledermüller. Bauernbunddirektor Franz Ledermüller sagt zum Beispiel: Allenfalls die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze sorgten für Preisunterschiede. – Na sicher. Wir geben Ihnen heute wieder die Gelegenheit, diese Unterschiede auszugleichen. Kollegin Aumayr hat auch unseren Antrag betreffend Vorsteuerpauschale heute wieder eingebracht. Ich bin gespannt darauf, wie sich die ÖVP-Abgeordneten verhalten werden, wie sich die Freunde von Bauernbunddirektor Franz Ledermüller verhalten werden, der das eindeutig fordert.

Meine Damen und Herren! Wir befinden uns auf jeden Fall auf dem falschen Weg. Wir müssen schauen, daß wir in Österreich in Zukunft eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft haben – keine Agrarindustrie. Aufgrund unserer geographischen Lage können wir mit den Agrarindustrien einfach nicht mithalten. Ihr von der ÖVP könnt euch doch nicht vorstellen, daß ein


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Tiroler Bergbauer mit einem Farmer in Amerika, in Frankreich oder sonstwo mithalten kann. Das ist eindeutig nicht möglich.(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Ein wichtiger Punkt wäre zum Beispiel gewesen – auch das hätte ich mir von Ihnen erwartet, Herr Kollege Schwarzenberger –, endlich diese Vorsteuerpauschale offiziell im Hohen Haus anzusprechen.

Herr Minister Molterer! Sie haben uns in der Ausschußsitzung mitgeteilt, daß Sie schon Verhandlungen mit Finanzminister Edlinger über den pauschalierten Vorsteuersatz geführt haben und daß Sie das bei der Steuerreform im Jahre 2000 unter Umständen berücksichtigen werden – wenn Sie sich mit ihm einigen. Herr Minister! Wenn Sie sich erst im Jahre 2000 über diese Vorsteuerpauschale mit Finanzminister Edlinger einigen können, werden wir in Österreich bis dahin wieder Zehntausende Bauern verloren haben. Es tut mir wirklich leid um unsere Kulturlandschaft, die wir in Österreich noch haben.

Wir müssen jetzt endlich darangehen, in Österreich die richtige Agrarpolitik zu machen. Ob das gelingt, hängt auch sehr stark davon ab – das hat auch Kollege Wabl schon angeschnitten –, welches Budget Sie und Ihr Ministerium für die österreichische Landwirtschaft erstellen.

Herr Minister! Sie haben weiters davon gesprochen, daß Sie stabile Rahmenbedingungen für die österreichische Bauernschaft geschaffen haben. Wenn diese Rahmenbedingungen so stabil sind, wie Sie behaupten, woher kommt dann das Einkommensminus des vorigen Jahres? Im Jahre 1996: minus 8 Prozent, im vergangenen Jahr: minus 4 Prozent, und auch im heurigen Jahr wird es ein Einkommensminus geben, davon bin ich überzeugt. (Abg. Aumayr: Stabile Verluste sind das!) Bitte, wo sind da die stabilen Rahmenbedingungen? – Es handelt sich um ein stabiles Bauernsterben und um nichts anderes, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Aumayr: Ja, so ist es!)

Herr Minister! Ich habe noch eine Frage, die damit, daß gesagt wurde, daß Sie für Umweltbedingungen viel Geld vorgesehen haben, in Zusammenhang zu bringen ist. Sie wissen, die 3. Wiener Wasserleitung wird gebaut, und Sie haben uns als Antwort auf eine schriftliche Anfrage von uns mitgeteilt: "Im übrigen bietet das bescheidmäßig vorgeschriebene hygienische Beweissicherungsprogramm" – bei dieser 3. Wiener Wasserleitung – "die Gewähr dafür, daß bei Grenzwertüberschreitungen die unverzügliche Außerbetriebnahme des HFB M I sichergestellt ist. Überdies sind in einem derartigen Fall in weiterer Folge Aufbereitungsmaßnahmen vorgesehen." Meine Frage lautet: Welche Aufbereitungsmaßnahmen sind hier vorgesehen? Und vor allem: Wer wird das bezahlen?

In Ihrem Budget habe ich weit und breit nichts davon bemerkt, daß Sie daran denken, endlich einmal Bundesgeld freizuhalten, damit man in dieser Richtung etwas unternehmen könnte. Ich bin überzeugt davon, daß dann, wenn die Aufbereitungsmaßnahmen wirklich notwendig werden sollten, der Konsument diese bezahlen wird und niemand anderer. Und das ist, glaube ich, der verkehrte Weg.

In Österreich sollte im Agrarbudget ein weitaus größerer Brocken für den Ökologiebereich vorgesehen werden, als dies derzeit der Fall ist. In diese Richtung müssen wir gehen – zum Wohle unserer Bauern und zum Wohle der Konsumenten in Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Achs. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.18

Abgeordneter Matthias Achs (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vorweg möchte ich festhalten, daß das Agrarbudget 1999 für Kontinuität und die Fortführung einer Agrarpolitik steht, wie sie Österreich seit dem Eintritt in die Europäische Union und der Übernahme der gemeinsamen Agrarpolitik betrieben hat.


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Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß in den letzten Wochen und Monaten nicht das nationale Agrarbudget, sondern mit der Agenda 2000 das bevorstehende Reformpaket der Europäischen Union im Mittelpunkt der Diskussionen gestanden ist; der Diskussionen, die gezeigt haben, daß die europäische Landwirtschaft vor großen Umwälzungen steht, die aber auch deutlich gemacht haben, daß die Reformvorschläge der Kommission nur dann im Interesse einer bäuerlichen Landwirtschaft sein werden, wenn sie noch einer gründlichen Überarbeitung unterzogen werden. Ich bin überzeugt davon, daß dies geschehen wird, zumal sich in Europa eine breite Front von Kritikern aufgetan hat, die ihre Bedenken klar und deutlich vorgebracht haben.

Wie zum Beispiel in einer APA-Meldung vom 8. Mai dieses Jahres nachzulesen ist, hat der deutsche Landwirtschaftsminister Borchert verkündet, daß sich bereits 12 von 15 Mitgliedstaaten der EU gegen die derzeitige Fassung der Agenda 2000 ausgesprochen haben. Er geht noch einen Schritt weiter und meint, daß selbst die Kommission mittlerweile eingeräumt hat, daß nach ihren Planungen die Ausgaben um rund 45 Milliarden Schilling steigen würden – und das bei sinkendem Einkommen in der Landwirtschaft.

Meine Damen und Herren! Wenn man diese Diskussionen verfolgt, stellt man fest, daß es nicht weiter verwunderlich ist, daß es in Teilen der bäuerlichen Bevölkerung Verunsicherung gibt, daß das Vertrauen in Gremien der Europäischen Union strapaziert wird. Daher ist es umso wichtiger, daß nationale Spielräume in der Agrarpolitik optimal genützt werden, daß in diesem Land alles unternommen wird, um der österreichischen Landwirtschaft klare Perspektiven zu geben. Das Agrarbudget 1999 zeigt diese in verschiedenen Bereichen auf.

Ich denke in diesem Zusammenhang zum Beispiel an die Maßnahmen betreffend die Ökologisierung und die damit verbundene Ausweitung der biologischen Landwirtschaft. Wie bekannt ist, ist Österreich schon heute europaweit die Nummer eins, was die Nachhaltigkeit in der Agrarproduktion betrifft. Das ist gut, aber das allein reicht nicht. Wir dürfen nicht auf dem halben Wege stehenbleiben, sondern müssen dieses positive Potential nun vermehrt auch zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit nützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlichkeit und Qualität sind gerade hierzulande keine Schlagwörter, sondern fester Bestandteil einer bäuerlichen Wirtschaftsweise und einer bäuerlichen Kultur. Der Trend der letzten Jahre zeigt, daß sich diese Kultur in vielen Bereichen der Landwirtschaft gefestigt und zu einer besseren Marktposition unserer Betriebe geführt hat. In besonderem Maße war dies beim Weinbau der Fall. Daher ist es auch kein Zufall, daß gerade erst gestern wieder heimische Winzer auf der Laibacher Weinmesse großartige Erfolge feiern konnten und Österreich von den 29 Teilnehmerländern am erfolgreichsten abgeschnitten hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Steindl. )  – Die Burgenländer waren auch sehr gut, aber das ist ein österreichischer Erfolg.

Das Bekenntnis zur Qualität macht sich bezahlt und trägt zum Renommee der gesamten österreichischen Weinwirtschaft bei. Daher ist es erfreulich, daß es auch im kommenden Jahr Mittel für qualitätsverbessernde Maßnahmen im Weinbau gibt, um den guten Weg der vergangenen Jahre konsequent fortsetzen zu können.

Meine Damen und Herren! Es ist schon klar, daß Erfolgsrezepte in der Wirtschaft nicht 1: 1 übertragbar sind, und mein Appell geht daher nur dahin, daß man zumindest versuchen soll, die positiven Akzente der Weinwirtschaft auch in anderen landwirtschaftlichen Bereichen umzusetzen. Auch wenn die Marktbedingungen nicht identisch sind, auch wenn die Strukturen anders sind: Eine bäuerliche Landwirtschaft hat langfristig dann gute Chancen, wenn Qualität an erster Stelle steht und wenn es verstanden wird, diese auf den Märkten entsprechend zur Geltung zu bringen.

Natürlich müssen dafür auch die Rahmenbedingungen stimmen, Rahmenbedingungen, wie sie durch das Budget oder die Agrarleitlinien der Europäischen Union vorgegeben werden. Herr Bundesminister! Es ist daher unerläßlich, daß Österreich im Hinblick auf die Agenda 2000 klar Stellung bezieht, um den Interessen der bäuerlichen Bevölkerung bestmöglich zu entsprechen.


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Nur so ist gewährleistet, daß dieses Land auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten von einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft geprägt ist, welche einen unverzichtbaren Beitrag für die Lebensqualität aller Menschen in diesem Lande leistet. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

14.25

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In der Steiermark herrscht Aufregung um die heimischen Lipizzaner, und zwar wegen des Streites um das sogenannte Rassenursprungszuchtbuch. (Ruf bei der ÖVP: Wie heißt das?) Laut EU-Tierzuchtkommission hat sich neben Österreich auch Italien um die Führung dieser Zuchtbescheinigung für die weißen Pferde beworben. Italien will konkret so wie auch Österreich als Ursprungsland der Lipizzaner anerkannt werden. Sollte das Begehren der Italiener durchgehen und sollten sie den Zuschlag für diese Rechte erhalten, könnte das Folgen haben. Die in Piber in der Steiermark gezüchteten Pferde würden offiziell nicht mehr als reinrassige Abkömmlinge ihrer Art gelten. (Abg. Mag. Steindl: Das ist aber ein Witz!)

Bei der Züchtung der Lipizzaner reichen unsere Erfahrungen bis ins Jahr 1580 zurück, als das kaiserliche Gestüt in Piber gegründet wurde. Die Pferde zeichnen sich nicht nur durch ihre stolze und elegante Erscheinung aus, sondern sie sind auch als österreichische Tourismusattraktion nicht mehr wegzudenken. (Abg. Zweytick: In Lipizza in Slowenien gibt es sie auch, Abkömmlinge!)

Nun aber zum Budget: Das Gesamtbudget ist gegenüber 1998 um 35 Milliarden Schilling gestiegen, das Landwirtschaftsbudget aber um 1,1 Milliarden Schilling gesunken. So betrug das Landwirtschaftsbudget 1995 noch 33 Milliarden, wie meine Kollegin Aumayr schon berichtet hat – das waren damals 3,4 Prozent des Gesamtbudgets –, 1999 beträgt es jedoch nur noch 23,4 Miliarden Schilling – das sind 2,3 Prozent des Gesamtbudgets. Das ist Budgetsanierung auf Kosten und zu Lasten der Bauern! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Jetzt kriegen nicht einmal die Lipizzaner mehr etwas zum Fressen!)

Das Bauernsterben ist zum Teil hausgemacht. Der Einkommensrückgang in der Landwirtschaft betrug 1997 laut Professor Schneider vom Wifo 8,4 Prozent, nach Schätzung im Grünen Plan aber nur 3 Prozent. Die Ist-Situation wird verzerrt. Die Bundesregierung ist Weltmeister im Schönfärben! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist genauso wie bei den Arbeitslosenzahlen.

Im EU-Durchschnitt betrug der Einkommensrückgang in der Landwirtschaft nur 2,8 Prozent.

Die degressiven Ausgleichszahlungen laufen aus. Sie betrugen im ersten Jahr des EU-Beitrittes 7,3 Milliarden Schilling. Die Bauern werden diesen Verlust an Förderungen nicht wettmachen können. Die Abhängigkeit der Landwirtschaft von der öffentlichen Hand und damit von den politischen Entscheidungsträgern, insbesondere von der EU, wird immer deutlicher sichtbar.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die §-7-Kommission fordert seit Jahren: Keine weiteren sozialen Belastungen für die bäuerlichen Familien! Heuer aber wurde der Pensionsbeitrag von 13,5 auf 14 Prozent angehoben.

Weiters fordert die §-7-Kommission die Erhöhung des pauschalierten Mehrwertsteuersatzes von 10 auf 12 Prozent – Abgeordneter Wenitsch hat diesbezüglich einen Antrag eingebracht. Ich ersuche Sie, diesem zuzustimmen, denn die Bauern verlieren durch Nichterhöhung jährlich 1,75 Milliarden Schilling.

Die Pläne zur Grundsteuererhöhung sind dem Minister sicher bekannt, und es ist klar, warum er zu diesen unangenehmen Fragen nicht Stellung nimmt. (Abg. Mag. Steindl: Es gibt keine Pläne!) Im Ausschuß sagte der Herr Minister, bezüglich der Umsatzsteuer sei er mit dem


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Finanzminister in Verhandlung. Ich sage: All das ist leeres Gerede (Beifall bei den Freiheitlichen), denn Sie, Herr Minister, haben sich bei den Budgetverhandlungen über den Tisch ziehen lassen: 1,1 Milliarden Schilling weniger für die Landwirtschaft! (Zwischenruf des Abg. Zweytick. )

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich gehört zu den Ländern mit den höchsten Betriebsmittelpreisen – mein Kollege Wenitsch hat das bereits ausgeführt.

Es ist nicht einzusehen, daß Österreich den höchsten Preis für Dieselöl in Europa hat. (Abg. Kiss: Was hat das mit Lipizzanern zu tun?) Es ist auch nicht einzusehen, daß Steuermittel, die im Dieselölpreis enthalten sind, nur zur Straßenerhaltung herangezogen werden. Traktoren fahren großteils auf dem Acker und im Grünland. Da wäre es angebracht, daß Sie, Herr Landwirtschaftsminister, gemeinsam mit dem Herrn Finanzminister eine gerechte Regelung herbeiführen. (Abg. Kiss: Argumentative Bocksprünge sind das!) Die Bundesregierung zieht die Steuerabgaben- und Gebührenschraube immer fester an, und im Gegenzug sinkt das bäuerliche Einkommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Landwirtschaftsminister Molterer übt Kritik an der Agenda 2000, daß nämlich bei Getreide eine Preissenkung ohne volle Kompensation und bei Rindfleisch eine Preissenkung von 30 Prozent vorgesehen ist und daß es nach Fischlers Vorstellungen die Energierohstoffproduktion auf stillgelegten Flächen nicht mehr geben wird.

Die Qualität dieser Kritik wird sich erst dann weisen, wenn der Landwirtschaftsminister im Zuge des EU-Ratsvorsitzes ausreichend Gelegenheit haben wird, im Sinne der österreichischen Landwirtschaft und deren Überlebensfähigkeit akzeptable Alternativen zu präsentieren. Im Budgetausschuß sagten Sie, Herr Minister, wörtlich: Der nationale Spielraum ist nicht vorrangig. Die Agenda soll für Österreichs Bauern erträglich sein. – Herr Minister! Wie ernst sind Sie zu nehmen? (Rufe bei der ÖVP: Sehr!) Einerseits üben Sie fadenscheinige Kritik – und andererseits spielen Sie den Musterschüler der EU. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Setzen Sie sich für die Interessen der österreichischen Bauern ein! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Schwemlein: Jakob, jetzt kannst du dich zusammenreißen nach diesem Vorredner!)

14.32

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich die verschiedenen Ausführungen der freiheitlichen Opposition hier anhört, muß man schon einige Fragen stellen.

Meine Damen und Herren! Folgendes ist wirklich interessant: Da wird beklagt, daß der Herr Bundesminister Mittel – ich sage: bescheidene Mittel – dafür ausgibt, um den Konsumenten die Lage der Landwirtschaft und die Produktpalette der österreichischen Bauern darzustellen.

Meine Damen und Herren! Wir sollten nicht dafür zahlen, daß etwas drinnen steht. Ich glaube, ihr (in Richtung Freiheitliche) würdet derzeit sehr gerne etwas dafür zahlen, damit nichts drinnen steht. So schaut es nämlich aus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei den Freiheitlichen: Sehr gnädig!)  – Ich bin gnädig, ja.

Es ist unbestritten, daß der Dieselpreis in Österreich, verglichen mit jenem anderer europäischer Länder, relativ hoch ist. Es ist weiters unbestritten, daß es positiv wäre, wenn dieser geringer wäre.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich folgende Rechnung aufstellen: Ein durchschnittlicher bäuerlicher Betrieb, so wie er von euch Freiheitlichen immer wieder beschrieben wird, verbraucht pro Jahr rund 3000 Liter Dieselöl. Ich glaube, das wird nicht zu bestreiten sein.


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Nehmen wir nun an, daß eine Verbilligung von 3 bis 4 S pro Liter möglich ist, was durchaus wünschenswert und vielleicht auch notwendig wäre. Das ergäbe ein Ersparnis von 3 000, ja bis 12 000 und 15 000 S, wenn es sich um einen etwas größeren Betrieb handelt. Diesen Betrag kann man bei der jetzigen Preissituation bei anderen Produkten, zum Beispiel bei einer Partie Mastschweine, leicht verspielen. Daher, so meine ich, sollten wir uns wesentlicheren Dingen zuwenden und gerade auch in bezug auf Dieselöl danach trachten, daß nachwachsende eigene Produkte gefördert werden – und nicht fossiler Treibstoff aus dem Ausland, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es dürfte aber ebenfalls unbestritten sein – und da stimme ich Ihnen zu –, daß eine Agrarindustrie, eine Landwirtschaft ohne Rücksicht auf das, was später sein wird, abzulehnen ist. Es ist unbestritten, daß Weltmarktpreise ohne finanziellen Ausgleich den Ruin Tausender Bauern bedeuten würde.

Meine Damen und Herren! Es ist klar, daß in einem solchen Fall eine massive Konzentration der Viehbestände mit negativen Auswirkungen gegeben wäre und daß dies das Auslöschen des ländlichen Raumes, zumindest ein teilweises Auslöschen des ländlichen Raumes bedeuten würde. Wenn Sie jedoch behaupten, daß mit diesem Agrarbudget sozusagen Vorleistungen in diese Richtung gemacht würden, so bestreite ich das ganz entschieden!

Dieses Agrarbudget des Herrn Bundesministers Molterer bedeutet Kontinuität und Stabilität für die österreichische Landwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Welche Schwerpunkte gibt es in diesem Budget? – Es sind unter anderem, wie vom Herrn Bundesminister bereits ausgeführt wurde, noch einige Punkte zusätzlich erwähnenswert, und zwar die Steigerung der Qualität und die Stärkung der Direktvermarktung. Danke dafür, Herr Bundesminister, daß mit der Erschließung des Wegenetzes manches zusätzlich möglich ist, und danke auch, daß die Förderung in bezug auf Erzeugung aus der Biomasse verstärkt wurde.

Und letztlich: Dieses Budget ist auch ein ökologischer Generationenvertrag zwischen den Bauern, den Konsumenten und den Partnern, die hier tatsächlich aufeinander zugehen müssen.

Es ist auch – da hätte ich vor allem eine Bitte an die Freiheitliche Partei – abzuklären, was den Bauern hilft: Hilft den Bauern ausschließlich das Geschimpfe, das Gejammere und das Beklagen, oder hilft den Bauern das Aufzeigen von Lösungen, das Motivieren in durchaus schwierigen Zeiten und das Aufzeigen von Lösungsansätzen? (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Jakob, der Letzte!) Ich glaube, daß das, was wir tun, den Bauern mehr hilft als Ihre Miesmacherei! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Reichhold: Ihr Miesmacher!) Ich habe gesagt: was den Bauern mehr hilft. (Abg. Ing. Reichhold: Ihr Miesmacher!) Ja, wenn du das selbst sagst, kann ich es vielleicht bestätigen. (Abg. Ing. Reichhold: Ich wiederhole nur diese Aussage für das Protokoll!)

Meine Damen und Herren! Klar ist, daß in vielen Bereichen ein Umdenken notwendig ist. Es ist auch unbestritten, daß der Erfolg eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht ausschließlich von einem Budget oder einer Hektargröße abhängig ist, sondern sehr oft von der Flexibilität und der Innovation der Bauern, aber auch der nachgelagerten Industrie. Ich bestätige ausdrücklich, daß es relativ einfallslos ist, Getreide zu exportieren und in Form von Teigwaren und Keksen zurückzuimportieren. Es ist weiters einfallslos, Milchüberschüsse in das Ausland zu exportieren und dann nicht zu wissen, wie diese Milch bezahlt wird, weil man meinte, es sei ganz einfach, nach Italien zu exportieren, ohne eine Bonitätsprüfung derartiger Exporte durchzuführen, und dann nicht zu wissen, wie man diese Gelder wieder zurückbekommt. Meine Damen und Herren, das alles ist unbestritten. (Zwischenrufe des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. )

Es ist auch unbestritten, daß es notwendig ist, erneuerbare Energieträger verstärkt in Anspruch zu nehmen, zu fördern und diesbezüglich neue Wege zu gehen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wer hindert Sie?) Meine Damen und Herren! Das ist gerade auch im Bereich nachwachsender Energieträger nötig, weil das eigene Wertschöpfung, Unabhängigkeit von der Versorgungssicherheit und letztlich auch Produktion auf den eigenen Feldern ermöglicht.


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Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, wir sollten alle – das gestehe ich jedem zu, der einigermaßen guten Willens ist, etwas für die Landwirtschaft zu tun – dafür Sorge tragen, daß die Bauern nicht nur zu Verwaltern von Naturreservaten degradiert werden, sondern daß soviel wie möglich über die eigenen Produkte erwirtschaftbar ist und bleibt. Unser Bundesminister und dieses Budget sind die Garanten dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

14.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.40

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Laut Aussagen des Abgeordneten Auer ist es unbestritten – wie er formuliert hat –, daß ein Absenken der Agrarpreise auf Weltmarktniveau ohne entsprechenden Ausgleich den Tod der heimischen Landwirtschaft bewirken würde.

Ich möchte hier den Bogen zum Abgeordneten Schwarzenberger und zu seinen Aussagen über Jörg Haider in bezug auf die Förderungen in der Landwirtschaft spannen. Ich habe hier eine APA-Meldung vom 14. Februar 1997, in der es heißt – und ich zitiere im Gegensatz zu Ihnen wörtlich und vollständig –:

EU-Kommissar Fischler fordert Abbau von Subventionen. Künstlich hochgehaltene Preise führen in die Sackgasse. EU-Agrarkommissar Franz Fischler hat sich für einen Abbau der Agrar-Subventionen ausgesprochen. Die Preisstützung könnte die Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe auf Dauer nicht sichern. – Zitatende.

Und dieser Herr Fischler ist ein Bauernbündler, so wie Sie, Herr Abgeordneter Schwarzenberger! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fischler hat hier nicht von einem Prozentsatz gesprochen, sondern er hat anscheinend sämtliche Subventionen gemeint, und er hat das nicht in Österreich gesagt, sondern bezeichnenderweise in Deutschland, damit er hier in Österreich die ÖVP nicht unter Zugzwang bringt.

Es wird in den nächsten Jahren zwei große Problembereiche geben, die auf unser Land, auf unsere Landwirtschaft und unsere Wirtschaft allgemein zukommen. Es sind dies die Agenda 2000 und die EU-Osterweiterung, die über die Agenda 2000 und über eine Neuverteilung der Förderungsmittel finanziert werden soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das längerfristige Ziel der Europäischen Kommission im Rahmen der Agenda 2000 heißt, unsere Bauern sollen auf dem Weltmarkt mitspielen und zu Weltmarktpreisen produzieren. Diese Agenda 2000 ist ein erster Schritt in diese Richtung. Die vorgesehenen umfangreichen Preissenkungen, wie etwa 20 Prozent bei Getreide, 15 Prozent bei der Milch und 30 Prozent beim Rindfleisch sind der Weg in diese Richtung. Die Frage des Preises für Schweinefleisch, der ohnehin am Boden ist, wurde heute schon angeschnitten. Er ist ja im letzten Jahr von zirka 25 S auf 18 S pro kg ins Bodenlose gefallen. Herr Abgeordneter Schwarzböck hat hier erklärt, der Preis hätte sich um ungefähr 10 Prozent erfangen, aber er liegt derzeit immer noch irgendwo bei 19,50 S oder 19,60 S, in etwa um die 20 S. – Das nur, um Ihre Aussagen zu relativieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf all diese Fragen und ungelösten Probleme bieten die Landwirtschaftspolitik dieser Bundesregierung und dieses Budget keine ausreichenden Antworten und keine Lösungsvorschläge. Die Einkommensverluste der österreichischen Bäuerinnen und Bauern werden nur teilweise abgegolten, und die Folge dieses Einkommensrückganges ist, daß sich in der Landwirtschaft und vor allem im ländlichen Raum die Armut weiterhin verschärft und verstärkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Armut im ländlichen Raum ist zu einem gesellschaftlichen und sozialen Problem geworden. Sie, Herr Landwirtschaftsminister, haben das ganz


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genau erkannt, denn Sie schreiben in Ihrem Förderungsbericht, daß über 50 Prozent der Armutgefährdeten in kleinen landwirtschaftlichen Gemeinden leben. Und Sie schreiben weiters, daß über 30 Prozent der bäuerlichen Haushalte armutgefährdet sind. – Von Armut ist das Burgenland vor der Steiermark am stärksten betroffen, dann folgt Niederösterreich. Dieser Entwicklung trägt dieses Budget sowohl im Agrar- als auch im Sozialbereich viel zuwenig Rechnung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dabei muß erwähnt werden, daß das Beschäftigungspotential gerade im ländlichen Raum enorm groß ist. Laut Aussagen des Wifo und auch des ehemaligen Vizekanzlers Riegler sind zirka 630 000 Personen in der Land- und Forstwirtschaft teil- oder vollbeschäftigt. Riegler kritisiert und wundert sich, daß der Nationale Aktionsplan für Beschäftigung der Bundesregierung keine Vorschläge zur Mobilisierung dieser Arbeitsplatzpotentiale im ländlichen Raum enthält.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn sich also die Einkommenssituation im ländlichen Raum weiterhin verschlechtert, wird das enorme Auswirkungen auf die ohnehin gespannte Arbeitsmarktsituation haben. Der Druck auf den Arbeitsmarkt wird sich radikal erhöhen; die Kosten für zusätzliche Arbeitslose werden wir dann alle gemeinsam zu tragen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Agenda 2000 und die Osterweiterung betreffen also nicht nur die Landwirtschaft und die bäuerlichen Familien, sondern das geht uns alle an. Besonders betroffen davon werden vor allem die Frauen im ländlichen Bereich sein.

Wir Freiheitlichen werden das auch in Zukunft zu verhindern versuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

14.45

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Im Bundesvoranschlag für das Jahr 1999 sind für betriebserhaltende und infrastrukturelle Maßnahmen 468 473 Millionen Schilling vorgesehen, damit möglichst viele Arbeitsplätze in der Landwirtschaft erhalten bleiben. Die Berücksichtigung der Bergbauern im Budget ist sehr wichtig, da sie ja durch die Besiedelung in den höheren Lagen einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung unserer Kulturlandschaft leisten. Das ist für ein Land wie Österreich besonders wichtig, da wir sehr viele Bergbauern haben.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Zur aktuellen Diskussion der Agenda 2000 möchte ich anmerken, daß diese ein mittelfristiges politisches Zielkonzept der Union ist, das wesentliche wirtschaftliche und strukturelle finanzpolitische Neuorientierungen und Herausforderungen bringt. Das macht auch deutlich, daß Europa mehr ist als nur die Union. Es wird aber bei der Verteilung der Gelder in der Landwirtschaft darauf zu achten sein, daß in erster Linie die Bergbauern sowie die Klein- und Mittelbetriebe finanziell unterstützt werden können. (Beifall der SPÖ.) Deshalb wird für uns Sozialdemokraten die Einführung einer sozialen Staffelung bei allen Förderungen weiterhin oberste Forderung bleiben. (Abg. Zweytick: Nicht sozial!)

Sehr wichtig ist auch, daß im Budget finanzielle Mittel für qualitätsverbessernde Maßnahmen bereitgestellt werden. In diesem Zusammenhang möchte ich die Spanische Hofreitschule in Wien und das Bundesgestüt Piber in meinem Bezirk nennen. Im Bundesgestüt Piber werden durchschnittlich 230 bis 240 Pferde gezüchtet und versorgt. Sowohl bei der Zucht als auch bei der Pflege hat Qualität oberste Priorität. Die Lipizzaner werden ja für ihre Auftritte in der Spanischen Hofreitschule sozusagen vorbereitet.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe bereits bei der letzten Budgetdebatte darauf hingewiesen, daß nicht beim Personal gespart werden darf. Vom Jahre 1997 an bis heute, bis zum Mai 1998, sind sieben Personen durch Pensionierung aus diesem Gestüt ausgeschieden. Durch Krankenstand und Urlaub fehlen im Durchschnitt 9,5 Personen. Die Sorge, eben durch


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Nichtnachbesetzung dieser Posten, um Betreuung – sprich: Pflege – der Pferde ist sehr groß. Wenn auch die Arbeit im Akkord geleistet wird, so bleibt doch nach einiger Zeit die Qualität auf der Strecke.

Das Gestüt Piber feiert heuer sein 200-Jahr-Jubiläum; deswegen laufen viele Vorbereitungen für eine Feier. Dadurch ergibt sich einerseits ein gewisses Maß an Mehrarbeit und an finanziellem Mehraufwand, der ja andererseits wieder durch Einnahmen aus dem Tourismus hereinkommen wird. Daß in Österreich die Lipizzaner für den Tourismus einen hohen Stellenwert haben, beweisen in jüngster Zeit entstandene Diskussionen in Italien und Slowenien, in denen plötzlich ein Anspruch auf die Herkunft dieser Pferde anzumelden versucht wird. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt sehr viele Ideen, um für den Tourismus Attraktivitäten anbieten zu können, aber auch das ist nur möglich, wenn das notwendige Personal vorhanden ist.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Auch wenn nicht mehr Budgetmittel zur Verfügung stehen, bin ich überzeugt davon, daß es möglich sein müßte, und zwar durch Umschichtungen von anderen Bereichen, die Einstellung von mindestens zwei Mitarbeitern im Gestüt Piber, die Sie mir zugesagt haben, mit 1. Juni 1998 zu erwirken. Auf die Einlösung Ihrer Versprechen warte nicht nur ich, sondern warten auch die Beschäftigten dieses Gestütes. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. 9 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

14.51

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Hohes Haus! Ich darf auf ein Thema zurückkommen, das bereits Gegenstand der heutigen Landwirtschaftsdebatte gewesen ist. Adolf Hitler hat den Titel "Führer und Reichskanzler" geführt: "Reichskanzler" als Staatschef und "Führer" als Chef der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Diese Organisation ist als verbrecherische Organisation erkannt und verurteilt worden. Der Chef einer als verbrecherisch erkannten Organisation kann daher sowohl von der historischen als auch von der politischen Seite her nur als Verbrecher bezeichnet werden.

Wenn man es sich hier zu eigen macht, einen frei gewählten Abgeordneten immer wieder mit dem Titel "Führer" zu belegen, so möchte man ihn in die Nähe eines Verbrechers, dem millionenfacher Tod von Unschuldigen angelastet wird, rücken. Wenn jemand eine solche Vorgangsweise und ein solches "Vorbild" im negativen Sinne damit vergleicht, daß der betroffene Abgeordnete irgendwelche Maßnahmen innerhalb seiner Partei vorhabe, über die man durchaus diskutieren kann, dann fehlt ihm der Sinn für den geschichtlichen und logischen Zusammenhang und der reale Bezug zu den Dingen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Horngacher. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.53

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte heute aus echter Sorge um die Zukunft unserer Landwirtschaft zur Agenda 2000 sprechen. Nachdem unsere Landwirtschaft die EU-Anpassung erst halbwegs verdaut hat, kommt nun mit der Agenda 2000, wenn sie so beschlossen werden würde, wie sie derzeit vorliegt, eine noch viel größere Schwierigkeit auf unsere bäuerlichen Familienbetriebe zu. Aus Sicht der Berglandwirtschaft – ich bin eben Vertreterin Tirols – ist diese Agenda zutiefst widersprüchlich.

Unsere Gesellschaft will einerseits eine naturnahe Lebensmittelerzeugung mit hohen Standards, andererseits sollen nach den Agenda-Vorstellungen die Erzeugerpreise drastisch gesenkt werden. Die damit bezweckte Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft auf den Weltmärkten


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widerspricht natürlich den Zielen einer multifunktionalen Berglandwirtschaft. Unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft der bäuerlichen Familienbetriebe pflegt und erhält den Lebensraum im Berggebiet. Lawinenschutz, Schutz vor Murabbrüchen sowie die Schönheit unseres Landes und auch der Tourismus hängen von der Bewirtschaftung ab. Diese ist aber mit den Vorschlägen der Agenda 2000 stark gefährdet.

Positiv ist sicherlich, daß bei den Investitionsförderungen nicht mehr zwischen Voll- und Nebenerwerbsbauern unterschieden wird, daß weiters die Milchquotenregelung beibehalten wird. Ich glaube doch, daß gerade die Milchquotenregelung etwas ist, was auf Dauer beizubehalten ist, denn wir brauchen diese zur Existenzsicherung im Berggebiet. Ich hoffe auch, daß eine Sockelbetragsförderung für Bergbauern kommen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Preissenkungen aber, besonders bei Milch und Vieh, sind unverkraftbar und absolut abzulehnen. Muß denn in ganz Europa – bei steigendem Wohlstand der Bevölkerung – der Preis für unsere Produkte so weit gesenkt werden, daß man im Berggebiet bei jedem Liter Milch, den man erzeugt, bereits draufzahlt?! Wir Bauern wollen nicht total von Ausgleichszahlungen abhängig werden.

Unsere Gewerkschaften, um ein anderes Beispiel zu nehmen, würden es nie akzeptieren – für einen solchen Fall käme es zu massiven Kampfmaßnahmen –, würde das Lohnniveau in Österreich auf jenes von Billiglohnländern gesenkt werden. Das hängt auch mit den ganz anderen Lohnniveaus zusammen, denn in diesen Ländern können die Menschen natürlich nicht soviel für Lebensmittel ausgeben wie bei uns. Der Österreicher gibt aber im Durchschnitt nur noch 16 Prozent seines Einkommens für Lebensmittel aus, davon 6 bis 7 Prozent für Verarbeitung; knappe 10 Prozent bekommt der Bauer. 1955 gab der Österreicher noch die Hälfte seines Einkommens dafür aus. Daraus resultiert vielfach der Wohlstand unseres Landes; Wirtschaftsgüter können gekauft werden.

In dieser Situation aber noch einmal – ohne Notwendigkeit und auch ohne Druck der Konsumenten – den Bauern die Preise zu kürzen, ist untragbar, und die Herabsetzung der Interventionspreise bewirkt eben eine Preiskürzung. Das ist ein falscher Weg.

Es ist eine Grundsatzentscheidung, auf diesem Gebiete die reine Marktwirtschaft einführen zu wollen. Marktwirtschaft ohne soziale oder auch ökologische Ansätze führt bei so ungleichen Strukturen zu großen Ungerechtigkeiten. Das Einkommen unserer Bergbauern hat im letzten Jahr pro Familienarbeitskraft 138 000 S betragen. Wir wollen doch in unserem Lande einen weitgestreuten Wohlstand und gerechten Lohn für Arbeitsleistung. Ich befürchte aber eine neue Welle von Strukturanpassungen, das heißt: Abwanderung von Höfen, die durch Jahrhunderte unseren Bauernfamilien Heimat gewesen sind. Die Folgen einer solchen Entwicklung im Berggebiet sind vielleicht nicht sofort bemerkbar, aber wahrscheinlich nicht mehr wiedergutzumachen. Es geht damit eine ganze Kultur zugrunde, eine Kultur, die immer auf Nachhaltigkeit, auf Bodenfruchtbarkeit, auf Kreislaufwirtschaft und im Miteinanderleben auf Stabilität gesetzt hat. Auch dies täte der heutigen Gesellschaft gut.

Herr Minister! Deine Aufgabe bei der Übernahme des EU-Vorsitzes durch Österreich wird eine sehr, sehr schwierige sein. Ich bitte dich, daß du dich mit aller Kraft dafür einsetzt, Preiseinbrüche so nieder wie möglich zu halten, und daß der volle Ausgleich, und zwar ohne Schikanen, für die Bauern gewährleistet ist. Wir wissen ja, Herr Minister – und das gibt uns Hoffnung –, daß du ein guter Verhandler bist.

Zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Barmüller: Grundsicherung ist sehr interessant, wäre eine gute Sache, nur: Landwirtschaft hängt mit Wirtschaft zusammen. Wir Bauern wollen wirtschaften, wollen für unsere Produkte gerechte Preise – und nur für das, was wir darüber hinaus nicht erhalten können, Ausgleichszahlungen. Aber wir wollen in erster Linie aktive und wirtschaftende Bauern sein. (Beifall bei der ÖVP.)


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14.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.58

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich gehe kurz – und in Abwesenheit des Herrn Abgeordneten Ofner – auf das ein, was er vorhin hier gesagt hat. Das soll nicht so stehenbleiben (Abg. Mag. Barmüller: Er spricht jetzt mit Krüger!); Herr Abgeordneter Ofner wird das dann schon erfahren.

Meine Damen und Herren! Ich kann verstehen, daß die freiheitliche Fraktion zurzeit andere Sorgen hat als die Landwirtschaft. Herr Abgeordneter Ofner – und alle, die ihm zugehört haben: Es ist auch nach Adolf Hitler und nach der Erkenntnis über die auch heute noch unvorstellbaren Dimensionen des Verbrechens nicht illegitim, das Wort "Führer" zu verwenden: Dieses Wort wird ja auch in anderem Zusammenhang verwendet. Es ist lediglich die Frage, welcher Kontext hergestellt wird, und die Frage, was damit verknüpft wird.

Ich sage Ihnen eines dazu: Ich habe mich in der Vergangenheit stets bemüht – und ich würde sagen, die meisten Mitglieder dieses Hauses haben sich stets bemüht –, eine deutliche Zäsur zu machen. (Abg. Ing. Reichhold: Das stimmt nicht!) Nur von Ihrer Seite kommt keine Antwort. Es wird das Verhalten der freiheitlichen Fraktion nicht deswegen kritisiert, weil es um irgendeine prinzipielle Einmischung in die internen Angelegenheiten eines Klubs geht, sondern weil Sie dieses Verhalten permanent in dieses Haus einbringen und damit auch die Arbeitsweise bestimmen. Es ist ein Faktum, daß diese Fraktion ... (Abg. Ing. Reichhold: Was meinen Sie konkret?)  – Wenn Sie mich ausreden lassen, will ich es Ihnen gerne sagen, Herr Kollege Reichhold. (Beifall bei den Grünen.) Wenn Sie Menschen nicht ausreden lassen, dann unterstreichen Sie das, was ich Ihnen jetzt sagen will (Abg. Dr. Graf: Aber Zwischenrufe werden Sie noch zulassen, oder?), nämlich daß in dieser Fraktion ein ganz starker ... (Zwischenruf des Abg. Ing. Reichhold. – Nein, Herr Kollege Reichhold, ich will Ihnen gar nichts verbieten. Ich möchte Sie einladen, einmal zu antworten, und dazu haben Sie in dieser Debatte vielleicht Gelegenheit. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Es ist mir wirklich ernst. Ich meine das nicht sarkastisch und nicht polemisch, sondern wirklich ganz, ganz ernst: Ich habe den Eindruck, daß in Ihrer Fraktion das autokratische Prinzip weit stärker ausgeprägt ist als in den anderen Fraktionen. Es war für Sie erfolgreich, bei Wahlen eine Person sehr stark in den Mittelpunkt zu stellen, diese Person auf jedem Wahlplakat – auch als Garant Ihrer Prinzipien – der Öffentlichkeit vorzustellen. Nur wenn es dann um die Frage der Einhaltung von Prinzipien geht, reduzieren Sie politische Verantwortung auf die Frage: Hat jemand einen Mitanteil an einem Vorgehen, das strafrechtlich verboten ist, hat sich jemand strafrechtlich etwas zuschulden kommen lassen, und kann man es ihm denn beweisen?

Ich habe in der ganzen Debatte – und ich glaube sehr wohl, sie fair geführt zu haben – gesagt, es ist keine Fraktion in diesem Haus davor gefeit, daß sich irgend etwas Unrechtmäßiges bei einer Person ereignet. Aber die Frage, wie man dann damit umgeht, wenn sich so etwas ereignet, wird von Ihnen im Vergleich zu den anderen Fraktionen sehr unterschiedlich gesehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ, der ÖVP und des Liberalen Forums.)

Ich habe Ihnen auch gesagt – insofern scheint dieser überzeichnete Vergleich, der nicht auf Verbrechen, wohl aber auf das Verständnis von politischer Verantwortung abstellt, sehr wohl angebracht –: Wenn es in Ihrer Fraktion nur mehr möglich ist, das zu hören, was genehm ist, das zu hören, was den Machtanspruch nicht in Frage stellt, dann schaffen Sie erleichterte Bedingungen dafür, daß Unkorrektheiten passieren, daß Gesetzwidrigkeiten passieren und, wenn sie passieren, daß sie nicht angesprochen und nicht aufgeklärt werden.

Ich sage Ihnen noch eines, ich habe es Ihnen jetzt schon zweimal vorgelesen und werde Sie immer wieder darauf ansprechen, nämlich daß Sie zu ein und demselben Untersuchungsausschuß, und zwar was die Frage der Kurdenmorde betrifft, innerhalb kurzer Zeit Ihre Meinung völlig geändert haben. Zuerst haben Sie gesagt, das sei alles ungeheuerlich, das müsse aufgeklärt werden, der Bundespräsident müsse Rede und Antwort stehen. Dann gibt es einen Parteibeschluß, daß man ihn in der Wahl als Präsidentschaftskandidaten unterstützen will, und auf einmal wird das Verlangen nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als ein plumpes Manöver, als ein Anpatzen bezeichnet.


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Ich frage Sie: Wie kann ein geschäftsführender Klubobmann kurz nacheinander solch unterschiedliche Aussagen von sich geben, und was bedeutet in dieser Ihrer Fraktion politische Verantwortung? – Ich stelle Ihnen hier nur eine Frage, und es würde mich wirklich freuen, wenn irgend jemand von Ihnen dazu heute noch Stellung nehmen würde. (Beifall bei den Grünen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich habe erst vor kurzem den Vorsitz übernommen, aber ich bitte dann doch, zum Kapitel Landwirtschaft überzugehen.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Ich komme zum Kapitel Landwirtschaft, Herr Präsident! Ich habe repliziert auf die Ausführungen des Abgeordneten Ofner, der ausschließlich zu diesem Thema Stellung genommen hat. (Abg. Schwarzenberger: Der hat überhaupt nichts zur Landwirtschaft gesagt!)

Herr Bundesminister! Mit Ihnen möchte ich mich gerne politisch, inhaltlich auseinandersetzen, auch mit dem, was Abgeordneter Schwarzböck gesagt hat. Es wird hier über die Bankreihen hinweg immer wieder der Dialog und auch die Kontroverse darüber geführt: Was heißt Marktwirtschaft? Inwieweit können wir noch politisch gestalten und wollen es auch tun? Wie weit geht das Diktat der mächtigen Teilnehmer, der Konzerne auf diesen Märkten?

Ich spreche etwa das Beispiel Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft und in Nahrungsmitteln an: Ich kenne keinen einzigen Menschen, der ganz massiv sagt: Ich will Gentechnik bei meiner Ernährung! Es gibt eine kleine Zahl von Menschen, die sagt: Mir ist das ziemlich egal, es wird schon nicht so arg sein! Aber es gibt eine große Zahl von Menschen, die explizit sagt: Wir wollen das nicht! Die Zahl dieser Menschen liegt weit über drei Viertel der Bevölkerung – das sagt Ihnen jede Umfrage.

Nun ist die Frage folgende: Wer ist der Markt? Sind es wir Konsumentinnen und Konsumenten? Sind es einige Konzerne? Sind es ein paar Kommissare in Brüssel? Wer ist der Markt?

Herr Abgeordneter Schwarzböck sagt dann immer darauf: Ja, die Leute wollen zwar keine Gentechnik in großer Zahl, aber mehr für die Produkte zahlen, wollen sie auch nicht. – Jetzt ist meine Antwort darauf folgende: Ich glaube, wir rechnen falsch. Ich meine, daß uns das scheinbar billige Joghurt aus der Riesenmolkerei, das scheinbar billige Schnitzel aus fernen Kontinenten sehr teuer zu stehen kommen. Wir zahlen den Preis, wir zahlen nur aus anderen Töpfen. Wir zahlen nicht an der Kasse des Supermarktes, dort ist dieses Produkt ein wenig billiger. Wir zahlen aber diesen Preis mit den Unfallkosten, mit den Spitalskosten, mit den Kosten für eine beschädigte und beeinträchtigte Landschaft, mit den Kosten, die demokratische Auseinandersetzungen, Konflikte mit Bürgerinitiativen mit sich bringen. Wir zahlen auf Schilling und Groschen dafür, es wird nichts erspart.

Nur, die Rechnung ist eine andere: Die Gewinne hat eine immer kleinere Zahl von sehr Mächtigen, die mittlerweile glauben, sagen zu können, was Marktwirtschaft ist und was die Leute zu wollen haben. Die Verluste werden sozialisiert, und dann reden wir über Spitalskostendefizite, über Medikamentenkostenexplosionen und über Umweltschäden. Wir müssen wirklich verursachungsgerecht vorgehen, und – das ist ganz wichtig bei einer Landwirtschaftsdebatte – wir brauchen eine ökologische Steuerreform. (Beifall bei den Grünen.)

Noch eines zur Landwirtschaft, weil es mir ein so wichtiges Thema ist, nämlich zur Frage Tierschutz: Herr Bundesminister, Sie wissen, ich habe mich nie jenen Stimmen angeschlossen – wenn es diese überhaupt noch gibt –, die gesagt haben, die Landwirte seien schuld an Tierquälereien. Ich sehe, daß es einen nachlässigen, einen verantwortungslosen Umgang mit Tieren in vielen Bereichen gibt, auch in Teilen der Landwirtschaft, aber auch in anderen Bereichen, in den Haushalten, in den Zirkussen und im Handel. Ein Unrecht kann jedoch nicht ein anderes rechtfertigen. Sie werden mich überall an Ihrer Seite haben, wenn es darum geht, das Leid von Tieren zu verringern und gleichzeitig einen Beitrag für den Umweltschutz, den Erhalt der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zu leisten.

Österreich wäre momentan in der glücklichen Lage, auch auf europäischer Ebene einige Schlüsselrollen in diesem Bereich zu besetzen. Es wundert mich schon, wenn in Landwirt


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schaftszeitungen, die mein Kollege Wabl mit sich führt, steht, wir appellieren an den Herrn Kommissar Fischler. Ich würde mir eigentlich wünschen, daß er als Österreicher uns aus seiner Heimat nicht so lange appellieren ließe, sondern stärker auf uns zukäme. Ich halte es für unerträglich, wenn mit enormem Tierleid zu Lasten der kleinen Bäuerinnen und Bauern und zu Lasten der Konsumentinnen und Konsumenten mit Milliardenaufwand unsägliches Tierleid fortgesetzt wird.

Sie wissen, daß die Langstreckentransporte von Schlachttieren nur deswegen stattfinden, weil sie in Milliardenhöhe gefördert werden. In jenem Moment, in dem diese Steuergelder für Tierquälereien nicht mehr ausgezahlt werden, wird dieser Zustand über Nacht beendet sein. Dann haben auch wieder die Landwirte der Region eine Chance, denn dann werden diese so weit transportierten "Schnitzel" nicht mehr so günstig sein.

Wir müssen diese Subventionen für die Lebendviehtransporte abschaffen. Ich bringe daher einen diesbezüglichen


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Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend Abschaffung der EU-Subventionen für Schlachttierexporte

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Landwirtschaftsminister werden aufgefordert, sich auf der EU-Ebene für eine sofortige EU-weite Abschaffung der Subventionen für Schlachttierexporte einzusetzen.

*****

Wir wollen, daß hochwertige Lebensmittel, auch tierische Lebensmittel in der Region für die Region produziert werden. Und wir wollen, daß nicht Verschwendung um den Preis von Tierleid und ökologische Zerstörung vorangetrieben werden.

Ich bringe einen zweiten Entschließungsantrag ein, der ein Thema betrifft, das glücklicherweise auch schon immer mehr Menschen bewußt wird. Frau Kollegin Horngacher! Sie wissen, worum es geht, wir haben ja öfters schon persönlich darüber gesprochen, nämlich um die sogenannte EU-Verarbeitungsprämie, in den Medien auch "Herodesprämie" genannt. Leider höre ich, daß die Anwendung dieses schlimmen Instrumentes noch immer nicht beendet werden soll, und es mehren sich die Anzeichen dafür – und ich gehe davon aus, daß das auch sehr bald beweisbar sein wird –, daß auch junge Kälber aus Österreich in diese Subventionskarusselle einbezogen sind.

Herr Bundesminister! Aber selbst wenn keine österreichischen Tiere davon betroffen sind: Ich erachte es als europäische Kulturschande, was da betrieben wird. Es wird ein System, das dadurch gekennzeichnet ist, daß es unvernünftig war, daß man begonnen hat, Fleischmehl von kranken, von verendeten Tieren an Wiederkäuer zu verfüttern, geradezu perfektioniert. Zuerst ist der Schaden bei den britischen Landwirten eingetreten, dann hat sich dieser Schaden durch die Imageverluste auf ganz Europa ausgebreitet. Die Konsumentinnen und Konsumenten wurden verunsichert, und jetzt müssen einmal mehr die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Fortführung dieses Systems bezahlen, statt daß wir aussteigen und wieder zu einer vernünftigen und artgerechten Produktion tierischer Lebensmittel zurückkommen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundesminister! Ich bitte Sie wirklich, und ich bitte auch die Kolleginnen und Kollegen in der ÖVP, sich dafür einzusetzen, daß kein einziges EU-Budget mehr, das diesen Schandfleckposten enthält, beschlossen wird. Diese Prämie muß abgeschafft werden! Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie")

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Landwirtschaftsminister werden aufgefordert, sich auf der EU-Ebene für eine sofortige Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie") einzusetzen.

*****

Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Entschließungsanträge betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie und betreffend Abschaffung der EU-Subventionen für Schlachttierexporte sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karl Freund. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. Er hat das Wort.

15.13

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem Agrarbudget 1999 sowie mit dem neu abgeschlossenen 40-Milliarden-Paket zwischen Bund und Ländern ist es gelungen, den österreichischen Bauern österreich- und EU-weit auch in Zeiten von Sparpaketen Sicherheit und Stabilität zu geben.

Positiv neben den vielen Dingen, die schon von meinen Vorrednern genannt wurden, ist auch die Tatsache, daß auch 1999 weitere 6 Milliarden Schilling für Beratung und Weiterbildung zur Verfügung stehen sowie der Ausbau des ländlichen Wegenetzes weiter forciert wird. All diese Maßnahmen tragen dazu bei, daß das Vertrauen der Bauern in die Politik weiter gefestigt wird. Daß die Preise Einbrüche auf dem Markt erleiden, wenn die Märkte gesättigt sind, dafür kann die Politik wenig. Mir ist es daher unverständlich, daß die Notwendigkeit der Ausgleichszahlungen an die Bauern massiv angezweifelt, ja sogar vehement abgelehnt wird, wie das verschiedentlich aus Gewerkschaftskreisen und auch Arbeiterkammerkreisen immer wieder zu hören ist.

Übersehen wird nämlich in diesem Zusammenhang oft, daß auch im ländlichen Raum und speziell in den bäuerlichen Haushalten Arbeitsplätze vorhanden sind, aber auch immer wieder neue angeboten werden. Gerade angesichts der hohen Arbeitslosenzahl in Europa, die sehr bedauerlich ist, sind die Schaffung und die Erhaltung von Arbeitsplätzen in allen Bereichen – und da zählt auch der Agrarbereich dazu – dringend notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Darüber hinaus werden Milliardenbeträge von den österreichischen Bauern in die heimische Wirtschaft investiert. Sie sind somit auch wichtiger Impulsgeber für andere Branchen vor Ort. Durch die hohen Betriebsmittelkosten, die strengen Auflagen im Umwelt- und Produktionsbereich müßten sich ohne Ausgleichszahlungen die Preise im Lebensmittelbereich sogar verdoppeln, um die bäuerlichen Existenzen erhalten und deren Einkommen gewährleisten zu können. Die vielfache Kritik an den zu hohen Agrarausgaben in der EU ist daher meiner Meinung nach ungerechtfertigt. Diese zum Teil falschen Aussagen zerstören lediglich das Vertrauen und schüren die Angst unter den betroffenen Bauern.

Geschätzte Frau Abgeordnete Petrovic! Auch die Bauern sind Tierliebhaber und verhindern Leid an Tieren. Das ist überhaupt keine Frage. Wir können uns sehr wohl vorstellen, verschiedene Anträge in diese Richtung zu unterstützen, aber ich möchte betonen, daß es in Österreich keine "Herodesprämie" gibt und daß in der Agenda 2000 vorgesehen ist, daß diese "Herodesprämie"


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auf EU-Ebene ebenfalls abgeschafft wird. Also ich meine, dazu hat unser Landwirtschaftsminister Molterer immer eine eindeutige Stellung bezogen, und er wird sie natürlich auch in Zukunft vertreten. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Letzte Woche wurden in Oberösterreich die Landwirtschaftsmeisterbriefe von unserem sehr geschätzten Herrn Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer feierlich verliehen. Im Jahre 1998 konnten über 100 Meisterinnen- und Meisterbriefe übergeben werden. Gerade daran zeigen sich meiner Meinung nach der Zukunftswille und der Optimismus, der von der jungen Generation im landwirtschaftlichen Bereich ausgeht. Der Meisterbrief ist Zeugnis einer soliden Basis für die Fach- und Allgemeinbildung. Der Wert besteht aber hauptsächlich darin, daß es uns mit dieser Ausbildung gelingt, kompetente und dynamische Bäuerinnen und Bauern für die Zukunft zu formen. Wir sind auf unsere Landwirtschaftsschulen sehr stolz, die Lehrkräfte leisten dort ausgezeichnete Arbeit und vermitteln hervorragendes Wissen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wichtig ist es auch, daß die zukünftigen Generationen an Bäuerinnen und Bauern keine Angst vor Veränderung haben, daß sie sich mit der bäuerlichen Landwirtschaft identifizieren und daß sie selbstbewußt ihre Produkte auf dem Markt verkaufen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die anstehenden großen Veränderungen bieten auch Chancen, die mit Kraft, Kreativität und Innovationsgeist zu bewältigen sind. Wir von der Österreichischen Volkspartei werden auch weiterhin massiv für die Bauern eintreten. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Agrarbudget 1999 bringt den Bauern Stabilität und Sicherheit. Das ist das Ergebnis harter und konsequenter Arbeit für die Bauern und – nicht zu vergessen – letztendlich auch ein Erfolg für unseren Herrn Landwirtschaftsminister Molterer, dem ich von dieser Stelle aus sehr großen Dank aussprechen möchte. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Willi Sauer. Er hat das Wort.

15.19

Abgeordneter Willi Sauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft hat eine Broschüre mit Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1999 herausgegeben. Eine dieser Maßnahmen ist die Qualitätsverbesserung in der Tierhaltung. Hier ist folgendes vermerkt: Die Tierproduktion ist der bedeutendste Wirtschaftszweig innerhalb der österreichischen Landwirtschaft. Maßnahmen zur Hygiene- und Qualitätsverbesserung sowie zur Steigerung der Produktivität in der Viehwirtschaft sollen daher auch im Jahre 1999 einen zentralen Förderungsschwerpunkt bilden. – Gerade diese Maßnahmen braucht die österreichische Landwirtschaft in der Tierproduktion.

Ich möchte hier ganz besonders auf die Milchproduktion und die damit verbundenen Effekte eingehen, die mit der Verbesserung der Produktion auf der einen Seite und mit der Erhaltung der Kulturlandschaft auf der anderen Seite in Zusammenhang stehen. Milchproduktion und Rinderzucht sind zwei Dinge, die sich vor allem in den Bergregionen Österreichs und in den Grünlandregionen abspielen. Gerade diese Regionen bedürfen einer intensiven Pflege, weil dort der Fremdenverkehr zumeist von großer Bedeutung ist. Eine gepflegte Landschaft, eine gepflegte Berglandschaft und eine gepflegte Grünlandschaft sind Voraussetzungen für den Fremdenverkehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein Gast würde unser Land besuchen, wenn er eine ungepflegte Landschaft vorfände. Kein Gast würde sich in unseren Regionen erholen wollen und


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sich wohl fühlen, wenn die Landwirtschaft nicht einen wesentlichen Teil dieser Landschaftspflege erledigen würde. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang hat die Agenda 2000 vielleicht in manchen Bereichen eine gewisse Verunsicherung für unsere bäuerlichen Betriebe gebracht, weil die Interventionspreise aufgrund eines Vorschlages der Agenda 2000 herabgesetzt werden sollten, was für diese Produktionssparte einen wesentlichen Nachteil darstellen würde.

Ein wichtiger Aspekt ist – und das möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, für die Verhandlungen mitgeben –, daß die österreichischen milchproduzierenden Bauern erstens sehr wohl auf der Quotenregelung beharren möchten und auch müssen, weil damit eine Garantie für die Produktion gegeben ist, und sie zweitens die Quoten, die uns von der EU in diesem Zusammenhang zusätzlich versprochen wurden, annehmen wollen und auch sollen. Die Kuhprämie ist ein wesentlicher Teil für diesen Produktionszweig; nicht nur die Stierprämien, sondern auch die Kalbinnenprämien.

Eine tragende Rolle spielt auch der Tiergesundheitsdienst. In unserem Lande gibt es einen hohen Standard an Tiergesundheit, und wir wollen diesen auch erhalten. Deshalb ist es notwendig, daß im Sinne der Gesundheit der Tiere, so wie es in anderen Ländern in der Europäischen Union bereits der Fall ist, ein Tiergesundheitsdienst eingerichtet wird, damit nicht nur die Bauern von den Kosten entlastet werden, sondern auch eine Garantie für die Produzenten gegeben wird.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Der EU-Vorsitz Österreichs ist sicherlich eine Herausforderung; der EU-Vorsitz Österreichs ist aber auch eine Chance, entsprechende Maßnahmen zu setzen und die Verunsicherung, die in manchen Bereichen gerade im Zusammenhang mit der Agenda 2000 vorhanden ist, wegzuverhandeln. (Beifall bei der ÖVP.)

15.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe bekannt, daß der vorhin eingebrachte und für die Verhandlungen zugelassene Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie") zurückgezogen wurde. Er wird daher nicht abgestimmt werden.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zweytick. – Bitte.

15.25

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist mir so knapp vor Schluß der Debatte etwas unverständlich, daß – wenn ich es richtig verstanden habe – die Grünen ihren Antrag wieder zurückziehen, mit dem wir vorher gerechnet haben, nämlich einen Vierparteienantrag zur Abschaffung der "Herodesprämie", den ich gleich einbringen werde. Ich glaube, es ist eines der ersten Gebote im europäischen und auch weltweiten Tierschutz, daß das Parlament diesbezüglich Maßnahmen setzt. Es war ja auch jahrelang Ihre Forderung, und ich verstehe es daher nicht, daß Sie von den Grünen ihn jetzt zurückziehen. (Abg. Leikam: Sie sind drauf!)

Der Entschließungsantrag wird trotzdem eingebracht, und ich darf ihn nun zur Verlesung bringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Schwarzenberger, Gradwohl, Mag. Barmüller betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie")

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Bundesregierung und insbesondere der Landwirtschaftsminister werden aufgefordert, sich auf der EU-Ebene für eine sofortige Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie") einzusetzen.

*****

Ich meine, das ist ein wichtiger Schritt gegenüber den Menschen, die sich in diesem Land als Tierschützer bezeichnen und auch dementsprechend engagieren. Er ist aber besonders auch im Sinne einer flächendeckenden Landwirtschaft, wo Viehwirtschaft betrieben wird, und selbstverständlich auch im Interesse jener Personen, die von diesen Tieren leben. Nur eine ordentliche Umgangsweise mit den Tieren garantiert letztlich die Überlebenschance dieser Menschen in unserem Land. Und jeder, der annimmt, er könne besser in der Zukunft überleben, wenn er Tiere quält, gehört schon längst zu einer aussterbenden Gattung.

Ich glaube, dieser Antrag wird nicht nur die volle Unterstützung hier im Hause finden, sondern er wird österreichweit bei den Menschen Anerkennung finden. (Beifall bei der ÖVP.)

Mein Resümee am Ende dieser Debatte ist folgendes: Benachteiligte Gebiete, flächendeckende Bewirtschaftung und Erhaltung der Kulturlandschaft müssen auch in Zukunft wichtige Themen bleiben!

Meine Damen und Herren! Erfolgreich ist unsere Familienpolitik mit Martin Bartenstein, und erfolgreich für unsere bäuerlichen Familien heute und morgen ist unsere Politik mit Willi Molterer. Danke, Herr Minister! (Beifall bei der ÖVP.)

Auf ein paar Dinge will ich kurz eingehen: Kollege Andreas Wabl, es hat ja in den vergangenen Tagen heiße Diskussionen um den Schweinemarkt gegeben, und du hast ja Gelegenheit dazu gehabt, dich bei mir ein bißchen näher zu informieren. Ich kann dir aber eines sagen: Wärst du mit zu dieser Veranstaltung gegangen, hättest du dir bestimmt kalte Füße geholt! Du hättest dir besonders kalte Füße geholt, weil von euch Grünen ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz gefordert wird, das Forderungen vorsieht, die den Bauern in Zukunft große Einschränkungen bescheren und sie sicher in den Ruin treiben würden. Ich denke etwa nur an das verlangte Verbot der Spaltenböden bei den Mastschweinen. Gerade diese Bauern haben jetzt ganz andere Probleme. Aber wir brauchen gar nicht mehr über die Kosten dieses Tierschutzgesetzes zu diskutieren, denn es ist in der gegenwärtigen Situation praktisch nicht durchführbar. (Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Die Situation am Markt, und da geht es vor allem um den Preis, ist ein Kampf – ich gebe dir recht, du hast das Thema angesprochen – gegen die USA, aber auch ein Kampf der Bauern gegen Fabriken, ein Kampf Natur gegen Industrie, ein Kampf Qualität gegen Fast food und ein Kampf Gesundheit gegen Umwelt. Dieser Kampf wird erst dann zu Ende sein, wenn die Gesellschaft und die Menschen nicht nur dieses Landes, sondern europa- und weltweit sagen, was sie wollen.

Bauer zu sein, ist kein spektakuläres Gewinnspiel, auch keine Lotterie. Um als Bauer auch in Zukunft existieren zu können, muß man einen starken Willen haben und es auch wirklich wollen. Es hängt aber besonders davon ab, ob die Menschen, die nicht Bauern sind, Verständnis für diesen Berufsstand haben. Ein Rahmen für das Mögliche, den die Regierungsparteien bilden, ergibt noch lange kein fertiges Bild. Ihre Einstellung, meine Kolleginnen und Kollegen von der "F", stellt Bilder ohne Rahmen dar: sehr trüb, unklar, farblos, aber auch haltlos.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch etwas zur bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union zu sagen. Ich im Grenzland, als Südsteirer, kenne die Situation sehr gut. In diesem Zusammenhang muß ganz klar gesagt werden. Erstens: Es dauert, es kann nicht schon morgen geschehen, und es stellt eine Chance dar.


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Zum zweiten: Es ist gar keine Frage, daß es selbstverständlich Übergangsfristen geben muß – speziell aus der Sicht der Landwirtschaft.

Und drittens: Wir alle wissen es, womöglich schon Jahre vorher: Wir alle haben die Verantwortung zu tragen, wenn wir hier versagen. (Unruhe im Saal.) Mit Verhinderungspolemik, die hier im Parlament, aber auch außerhalb betrieben wird, werden wir keine Glaubwürdigkeit gegenüber der österreichischen Bevölkerung erlangen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Ich glaube, dem Großteil der Abgeordneten dieses Hauses ist es sehr bewußt, was da auf uns zukommt. Die Chance besteht darin, daß wir uns genügend Zeit lassen. Wir müssen uns immer wieder auch die Situation in den anderen Ländern genau vergegenwärtigen. Darauf müssen wir unsere weiteren Verhandlungen abstimmen, auch im Rahmen dieser Agenda, die einen wesentlichen Kernbereich und Faktor darstellt. Wir dürfen in bezug auf die Agenda nicht nur die negativen Seiten sehen, sondern auch die Chancen, die diese in sich birgt.

Ich darf mich abschließend beim Herrn Bundesminister Willi Molterer für sein Engagement herzlich bedanken, aber auch bei seinen Mitarbeitern. Das Budget für das Jahr 1999 gibt auf jeden Fall Anlaß zu Optimismus in der Zukunft für die Menschen und Bauern in unserem Lande. Ich danke dem Herrn Minister herzlich dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

15.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nachdem ich bekanntgegeben habe, daß der Antrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen zurückgezogen wurde, wurde mir ein Antrag der Abgeordneten Dr. Petrovic, Schwarzenberger, Gradwohl und Mag. Barmüller betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämien vorgelegt. Er ist ausreichend unterfertigt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. Sie haben noch 9 Minuten Redezeit. – Bitte.

15.31

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Zweytick, Sie haben vorhin in Richtung der Freiheitlichen von Verhinderungspolitik gesprochen. Ich möchte daran erinnern, daß wir hier nicht die Mehrheit haben und daher nichts verhindern können, aber wir verlangen Antworten, und Sie haben uns heute keine Antworten gegeben. Sie sind uns alles schuldig geblieben. Keiner der Redner, auch der Minister selbst nicht, hat zum Beispiel auf die Frage der Mehrwertsteuerpauschalierung eine Antwort geben können. Diese wurde den Bauern – Herr Präsident Schwarzböck, du weißt das genau – vor dem EU-Beitritt versprochen, und sie ist bis heute nicht geregelt, was den Bauern jährlich mehr an Verlusten als die prognostizierten Abgänge aufgrund der Agenda 2000 beschert. Das sind doch die Fragen, die heute die Bauern interessieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine weitere diesbezügliche Frage ist jene der Dieselrückvergütung, die ja schon lange diskutiert wird. Wenn jemand 50 000 S netto als Einkommen hat, dann verstehe ich auch die heutige Aussage des Herrn Abgeordneten Jakob Auer, der meinte, daß 15 000 S nicht viel seien und daß das ein größerer Bauer mit einer Schweinepartie verliere. Aber für die Bauern sind auch 10 000 S und 15 000 S viel Geld. Das ist aber nur ein kleiner Teil eines Mosaiks sehr vieler Belastungen, die die österreichischen Bauern heute hinzunehmen haben, aber nicht deshalb, weil es die Europäische Union gibt, sondern deshalb, weil die Regierung ihre Hausaufgaben nicht macht. Und genau das, Herr Zweytick, fordern wir hier auch ein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber lassen Sie mich noch folgendes rückblickend feststellen: Die Agrardebatte ist meiner Meinung nach durch die Aussagen des Sprechers der ÖVP-Bauernbundfraktion hier in diesem Haus überschattet. Herr Abgeordneter Kollege Schwarzenberger! Wenn Sie einen Begriff aus der NS-Zeit bemühen, der das Symbol für menschenverachtende Verbrechen, für eine ver


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brecherische Persönlichkeit darstellt, und das immer wieder – nicht einmal, sondern mehrmals! – in Richtung unseres Parteiobmannes sagen, dann glaube ich, daß Sie alle Appelle, die die Präsidenten dieses Hauses als Konsequenz der Debatte der vergangenen Woche an das Haus gerichtet haben, ignoriert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich appelliere an Sie, wenn Sie an uns diesen Stil kritisieren: Rennen Sie nicht mit dem erhobenen Zeigefinger durch das Haus, sondern legen Sie an sich selbst andere neue Maßstäbe an! (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller. )

Frau Kollegin Petrovic! Wenn Sie sich hier über unseren Stil Sorgen machen, so ist das Ihre Sache. (Abg. Dr. Khol: Zur Sache!) – Es haben heute so viele, Herr Präsident Khol, nicht zur Sache gesprochen (Abg. Dr. Kostelka: Das ist er noch nicht!), Herr Klubobmann Khol, erlauben Sie mir deshalb auch, daß ich darauf repliziere.

Frau Abgeordnete Petrovic! Wenn Sie sich Sorgen um unseren Stil machen, dann würde ich Sie schon auch ersuchen, Ihre eigenen Aussagen zu überprüfen. Sie haben vergangene Woche hier in Richtung unseres Parteiobmannes gesagt – und ich habe mir das gemerkt, ich habe mitgeschrieben –: Da sitzt der geistige Pate der Gauner, Ganoven und Kriminellen. Haben Sie sich überlegt, was diese Aussage bedeutet, daß Sie auch alle Abgeordneten, die hier ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Reichhold! Ich habe, nachdem ich den Vorsitz übernommen habe und die vorige Debatte nicht verfolgt habe, nach drei oder vier Minuten die Frau Abgeordnete Petrovic gebeten, zum Kapitel Landwirtschaft zu kommen. Sie sprechen jetzt bereits dreieinhalb Minuten, und ich bitte Sie jetzt auch, zum Kapitel Landwirtschaft überzugehen.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (fortsetzend): Herr Präsident! Sie müssen mir schon gestatten, daß ich zumindest auf Kritik reagiere, und das habe ich getan.

Ich bin der Meinung, Frau Petrovic, daß Sie schon auch an sich selbst zu arbeiten hätten, wenn Sie hier in diesem Haus als moralische Instanz herumzulaufen versuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber nun wieder zurück zum Kapitel Landwirtschaft. Sie sind heute, wie gesagt, viele Fragen schuldig geblieben, Herr Minister Molterer. Ich glaube, daß es jetzt Ihre Aufgabe wäre, durch viele Maßnahmen auf der Ebene der nationalen Politik die Wettbewerbsvoraussetzungen der österreichischen Bauern zu verbessern. Ich bin der Ansicht, daß es nicht angeht, daß neue Bürokratien errichtet werden, unter denen die Bauernschaft leidet. Ich meine hier die wirklich strengen, über die Vorschriften der EU hinausgehenden Hygienebestimmungen oder die Tiergesundheitsdienste, die zweifellos eine wichtige Angelegenheit sind, die aber letztlich den Bauern wieder sehr viel Geld kosten werden, oder die umfangreichen Kennzeichnungsvorschriften, die natürlich auch große Nachteile für die österreichischen Bauern mit sich bringen werden, weil sie sehr kostenaufwendig sind.

Ich möchte noch einen Punkt herausstreichen, der vom Bundesverband der Maschinenringe an mich herangetragen wurde. Dieser bemängelt, daß aufgrund der Pauschalierungsverordnung des Finanzministers die Nachbarschaftshilfe und die Sozialhilfe der Maschinenringe in Gefahr gerate, weil über den Selbstkostenanteil hinaus erbrachte Leistungen nun aufzeichnungspflichtig und versteuerbar sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister! Die Nachbarschaftshilfe ist so alt wie der Bauernstand selbst. Es wäre nicht verständlich, wenn durch eine derartige Verordnung des Finanzministers diese wichtige Einrichtung der Bauern gefährdet würde. Das würde nämlich eine Schwächung des ländlichen Raumes bedeuten, der sehr wesentlich durch die Arbeit der Maschinenringe und der damit verbundenen Sozialhilfeeinrichtungen gestärkt wird. Ich bin daher dafür – und ich sehe mich da eins mit den Forderungen des Bundesverbandes der Maschi


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nenringe –, daß der Kernbereich der Nachbarschaftshilfe und der Sozialhilfe aus dieser Pauschalierungsverordnung herauszunehmen ist. Und das ist innerhalb der österreichischen Bundesregierung durchzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Ich möchte in meiner Rede auch noch kurz auf die Frage der Renovierung der Kudlich-Warte in Lobenstein in Schlesien eingehen. Wir haben die Debatte darüber schon einmal geführt, Herr Präsident Schwarzenberger. Es geht dabei um zwei Projekte. Das eine Projekt ist löblicherweise bereits ausfinanziert und wird von uns auch unterstützt. Das andere Projekt betrifft die Renovierung des eigentlichen Angedenkens an Hans Kudlich, den wohl größten Sohn, den unser Bauernstand je hervorgebracht hat. Er hat 14 Millionen Bauern von der Sklaverei befreit. Ich glaube daher, daß es wohl die Pflicht dieses Hauses, aber auch des Ministers selbst wäre, mit einer finanziellen Unterstützung die Renovierung dieses Baudenkmals zu ermöglichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich heute einen Antrag einbringe, der vorsieht, daß Herr Bundesminister Molterer aus den für Repräsentationsausgaben vorgesehenen Mitteln 500 000 S zur Verfügung stellt, um diese Warte zu sanieren, dann glaube ich, daß das in Anbetracht der historischen Leistungen Hans Kudlichs nicht zuviel verlangt ist. Herr Bundesminister, Sie haben allein in den letzten Jahren insgesamt 3,2 Millionen Schilling an Repräsentationsausgaben getätigt. Sie sind ja auch nicht sehr zimperlich, wenn es darum geht, Inserate in diversen Zeitungen zu schalten – das wurde heute ja schon aufgezeigt. Ich lasse das Argument nicht gelten, daß Sie damit nur die Konsumenten überzeugen wollen, sehr geehrter Herr Bundesminister: Diese Inserate dienen vielmehr in erster Linie Ihrer persönlichen Profilierung.

Ja weiter noch: Sie versuchen mit diesen Inseraten auch Parteivorfeldorganisationen zu finanzieren. Jetzt bekommen der "Bauernbündler", die "Oberösterreichische Landwirtschaftszeitung", die "Allgemeine Bauernzeitung" – alles ÖVP-Vorfeldorganisationen – relativ ansehnliche Beträge aus diesem Topf. Ich glaube daher, daß es wohl an der Zeit wäre, einen Teil davon zur Renovierung der Kudlich-Warte zu verwenden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Reichhold, Wenitsch, Koller, Dr. Salz, Aumayr betreffend Kudlich-Warte in Lobenstein

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft wird ersucht, für die Restaurierung der Hans-Kudlich-Warte in Lobenstein, die sonst dem Verfall preisgegeben wäre, noch heuer den Betrag von 500 000 S aus den für Repräsentationsausgaben vorgesehenen Mitteln bereitzustellen.

*****

Da jetzt bekannt wurde, daß offenbar eine Viererkoalition entstanden ist, möchte ich auch einen Entschließungsantrag betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie, der "Herodesprämie", einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Reichhold, Aumayr, Dr. Salzl betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie")

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Stenographisches Protokoll
124. Sitzung / Seite 96

Die Bundesregierung und insbesondere der Landwirtschaftsminister werden aufgefordert, sich auf der EU-Ebene für eine sofortige Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie") einzusetzen.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag Ing. Reichhold, Wenitsch, Koller, Dr. Salzl, Aumayr betreffend Kudlich-Warte in Lobenstein ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht in Verhandlung.

Kollege Reichhold, bezüglich des zweiten Antrages möchte ich Sie fragen: Sehe ich das richtig, daß der Antrag Wort für Wort und auf Punkt und Beistrich mit dem Vierparteienantrag identisch ist? Wenn das so ist, dann verweise ich auf Präjudizfälle von früheren Abstimmungen: Wenn ein Antrag mit einem schon abgestimmten Antrag völlig wortidentisch ist, dann haben wir nicht neuerlich abgestimmt, weil wir gemeint haben, daß es denkunmöglich ist, daß der Nationalrat in ein und derselben Sache zu ein und demselben wortidentischen Antrag zwei unterschiedliche Entscheidungen treffen würde.

Das heißt also, dieser Antrag wäre dann mit der Entscheidung über den wortidentischen Hauptantrag mitentschieden. Darüber sind Sie sich im klaren? (Abg. Ing. Reichhold: Er gilt aber als eingebracht?)  – Er gilt als eingebracht.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Zweytick zu Wort gemeldet. Ich mache auf die entsprechenden Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. Die Redezeit ist mit 2 Minuten begrenzt. – Bitte.

15.43

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zuerst möchte ich meine auf einem Irrtum beruhende Aussage, die Grünen hätten sich vom Vierparteienantrag zur Abschaffung der "Herodesprämie" zurückgezogen, zurücknehmen. Ich habe das mißverstanden. Die Grünen sind selbstverständlich mit ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um eine Berichtigung mit einem Sachverhalt und einer Widerlegung.

Abgeordneter Johannes Zweytick (fortsetzend): Ich möchte berichtigen, daß Herr Abgeordneter Reichhold gesagt hat, ich hätte ihm in meiner Rede Verhinderungspolitik vorgeworfen. – Das ist unwahr!

Wahr ist vielmehr, daß ich die Verhinderungspolemik Ihrer Fraktion bedauere. (Beifall bei der ÖVP.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Wunsch des Berichterstatters auf ein Schlußwort liegt mir nicht vor.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen.

Als erstes stimmen wir ab über die Beratungsgruppe VIII des Bundesvoranschlages für das Jahr 1999. Diese umfaßt das Kapitel 60 des Bundesvoranschlages samt dem dazugehörenden Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages in 1100 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Beratungsgruppe des Bundesvoranschlages ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Ich stelle fest, daß dieser Teil des Finanzgesetzes 1999 mit Mehrheit angenommen wurde.


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124. Sitzung / Seite 97

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die eingebrachten Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen. Gibt es einen Einwand dagegen? – Wird nicht erhoben. Dann werden wir so vorgehen.

Als erstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Aumayr betreffend Steuerentlastung für Österreichs Landwirte.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist abgelehnt.

Als nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Wabl betreffend Verzicht auf den Einsatz der Gentechnik als Mindestkriterium zur Teilnahme an ÖPUL II.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag des Abgeordneten Wabl zustimmen, um ein Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic betreffend Abschaffung der EU-Subventionen für Schlachttierexporte.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen. – Dieser Antrag findet keine Mehrheit. Er ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic, Schwarzenberger, Gradwohl, Mag. Barmüller und Genossen betreffend Abschaffung der EU-Verarbeitungsprämie ("Herodesprämie").

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, daß dieser Antrag einstimmig angenommen ist. (E 124.)

Ich gebe weiters bekannt, daß der gleichfalls eingebrachte Entschließungsantrag Ing. Reichhold, der mit diesem Antrag wortidentisch ist, ordnungsgemäß unterzeichnet wurde und ebenfalls in Verhandlung stand, durch die einstimmige Annahme des soeben abgestimmten Antrages miterledigt ist.

Schließlich stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Reichhold und Genossen betreffend Kudlich-Warte in Lobenstein.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag Ing. Reichhold eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist daher abgelehnt.

Damit ist diese Beratungsgruppe samt Entschließungsanträgen abgestimmt und erledigt.

Beratungsgruppe V

Kapitel 30: Justiz (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Verhandlung über die Beratungsgruppe V: Justiz.

Ich begrüße den Herrn Bundesminister.

Ein Wunsch nach Berichterstattung liegt nicht vor.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.47

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe mir vor einem Jahrzehnt und mehr angewöhnt, zu erklären, daß


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124. Sitzung / Seite 98

alles in allem die Justiz eine gute Firma sei. Ich möchte mich in meinen heutigen Ausführungen damit auseinandersetzen, wie sie sich derzeit dem Auge des Betrachters darstellt.

Häufig wird geklagt, daß sie zu langsam arbeite. In Einzelbereichen trifft das tatsächlich zu. Wenn der Betroffene über Gebühr lang warten muß, bis er eine Erledigung erhält, dann kann er einem manchmal nur leid tun. Dazu fällt einem der Satz ein: "Wer rasch gibt, gibt doppelt!" Das gelingt der Justiz nicht immer. Ich möchte aber davor warnen, den Maßstab allzu sehr an die rasche Erledigung der Dinge anzulegen und das eine oder andere diesem Maßstab zu opfern. Ich meine – ich stütze mich dabei auf eine vier Jahrzehnte andauernde berufliche Erfahrung auf diesem Sektor –, daß sich zwar jeder Betroffene und auch jeder Vertreter eines Betroffenen darüber freut, wenn er eine rasche Entscheidung in der Rechtssache, die ihn etwas angeht, bekommt, daß es aber noch immer jedem wichtiger ist, daß er eine gerechte Entscheidung bekommt. Es geht also weniger um die rasche Erledigung der Dinge!

Meine Damen und Herren! Was vor allem und unter allen Umständen möglichst weitgehend gesichert werden muß, ist die sogenannte Einzelfallgerechtigkeit. Gerecht muß die Justiz entscheiden, auch wenn es manchmal nicht so rasch geht, wie wir es uns wünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Beispiel aus der Entstehungsgeschichte der Wertgrenzennovelle, die dieses Haus vor gar nicht allzulanger Zeit verabschiedet hat: In dem diesbezüglichen Entwurf war vorgesehen, daß es in einer ganzen Anzahl von Fällen zu einem Verfall von Beweisanträgen kommen soll, wenn sie nicht bereits in einem sehr frühen Verfahrensstadium im Zivilprozeß geltend gemacht werden. Nicht zuletzt am Widerstand der Freiheitlichen ist dieser Teil des Vorhabens Wertgrenzennovelle gescheitert.

Ich bin froh darüber, daß das geschehen ist. Denn ich hielte es für kaum erträglich, wenn man nur, um die Dinge rascher über die Bühne zu bringen, dazu bereit wäre, sich von der materiellen Wahrheit so weit zu entfernen, daß ein bestimmter Beweisantrag, den man nicht gleich in einem Stadium des Verfahrens, in dem man womöglich überhaupt noch nicht weiß, ob er wesentlich sein wird, stellt, sonst nicht mehr gestellt werden kann.

In diesem Zusammenhang – und auch darüber hinaus – richtet sich meine Kritik gegen den Umstand, daß sich die Justiz – so wie ich die Dinge sehe – in den letzten Monaten und Jahren immer mehr an sich selbst, an ihrem eigenen System und an dem, was sie selbst und ihre Mitarbeiter bedeuten, orientiert und nicht an dem Bedarf der Bürger, die sich an die Justiz wenden oder an die sich die Justiz wendet und die auf das Funktionieren der Justiz angewiesen sind.

Man hört immer mehr auf die Wünsche einzelner Exponenten des Apparates und darauf, was von anderen Ressorts – also auch aus dem Apparat –, wie etwa dem Innenressort, an Vorstellungen und Wünschen an die Justiz herangetragen wird, und viel weniger auf die berechtigten Wünsche, die die Bürger, die die Justiz brauchen, bezüglich ihrer Funktions- und Arbeitsweise haben.

Ich möchte das erneut anhand der Wertgrenzennovelle zeigen. Es gab ein seit Jahren eingespieltes Rechtsmittelsystem, das die Verfahren bis zum Obersten Gerichtshof geregelt hat. Alle, die damit zu tun gehabt haben, waren damit zufrieden – soweit man im Rechtsmittelverfahren überhaupt von Zufriedenheit reden kann. Natürlich gab es Einschränkungen, denn man erlebt immer wieder Enttäuschungen, da man oft auch mit Rechtsmitteln, von denen man glaubt, daß sie Erfolg haben müssen, auf die Nase fällt. Aber alles in allem war es ein ausgefeiltes, schon bewährtes System!

Dieses System wurde geändert, und zwar nicht etwa deshalb, weil irgend etwas nicht funktioniert hätte, nicht etwa deshalb, weil die Recht suchende Bevölkerung sich beschwert hätte, nein, sondern deshalb, weil Mitarbeiter des Obersten Gerichtshofes – ich will gar nicht ausloten, ob berechtigt oder unberechtigt – den Standpunkt vertreten haben, sie seien überlastet und man könne ihnen nicht zumuten, so wie bisher weiter tätig zu sein.


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124. Sitzung / Seite 99

Aus diesem Grund wurde die Anrufungsmöglichkeit des Höchstgerichtes weitgehend reduziert, indem – ich sage das grosso modo und damit vielleicht auch für den Außenstehenden leichter verständlich – die Untergrenze für den Streitwert – darunter kann man den Obersten Gerichtshof gar nicht anrufen – von 50 000 S auf 260 000 S angehoben und damit in eine Reichweite versetzt wurde, die für den – unter Anführungszeichen – "kleinen" Prozeßführenden gar nicht mehr erreichbar ist. Das geschah nicht, weil etwas nicht funktioniert hätte, sondern weil man im System selbst, im Interesse von Mitarbeitern den Bedarf nach einer Änderung gehabt hat.

Diesen Weg halte ich für bedenklich. Die Justiz ist ein sehr großer und außerordentlich wichtiger Dienstleistungsbetrieb. In einer Demokratie, wie wir sie mit Stolz als die unsere erkennen, hat sich ein Dienstleistungsbetrieb nach den Bedürfnissen der Bürger zu richten. Wenn also der Eindruck entsteht, daß infolge eines funktionierenden Rechtsmittelsystems vielleicht die Mitarbeiter durch von Jahr zu Jahr steigende Anfallszahlen zu stark belastet werden, dann muß man einen anderen Weg finden, um dem entgegenzuwirken – meinetwegen durch einen zusätzlichen Senat, wenn es auch bereits viele gibt, so hat es in Österreich doch ein ausgefeiltes und funktionierendes System gegeben –, und darf nicht einfach die Anrufungsmöglichkeit beschränken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Weg erscheint mir bedenklich. Das System genügt sich selbst. Das System neigt immer mehr dazu, sich selbst zu steuern, es entfernt sich damit aber auch von der Einzelfallgerechtigkeit, die ich eingangs meiner Ausführungen als oberstes Gebot jeder Justiz, die sich ernst nehmen will und die ernst genommen werden will, genannt habe.

Ich komme nun von diesen zivilrechtlichen Problemen – die aber auch für Strafrechtliches gelten – zum Strafrecht und stelle eine grundsätzliche Überlegung an. Die sogenannten Kunden der Strafjustiz sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Es werden gefährliche Schwerkriminelle, x-mal rückfällig gewordene Eigentumstäter und x-mal rückfällige gewordene Täter gegen Leib und Leben – meist allerdings mehr gegen Leib als gegen Leben –, die im wesentlichen mit den Ersttätern, mit den Zufallstätern, mit jenen, denen – wieder unter Anführungszeichen gesetzt – "einmal etwas passiert ist", über einen Kamm geschoren.

Ich weiß, die Ergebnisse der diesbezüglichen Strafverhandlungen sind unterschiedlich und müssen das natürlich auch sein, aber allein der Umstand, daß sich alles in dem selben Rahmen, auf der selben Schiene und mit den selben Folgen, wenn auch abgestuft, abspielt, ist in Wirklichkeit nicht akzeptierbar und verstopft außerdem die Strukturen der Justiz.

Von ein und demselben Senat werden heute in ein und demselben Saal nach ein und demselben Gesetz und mit dem Ergebnis ein und derselben Justizanstalt – immer grosso modo – zunächst ein dreißigmal rückfällig gewordener Eigentumstäter, dann ein Mensch mit einer fahrlässigen Krida und anschließend ein zehnmal rückfällig gewordener Gewalttäter behandelt, der eine wird in Handschellen vorgeführt, der andere, zwar ohne Handschellen, aber vor dem selben Gericht stehend, zittert vor Angst – ich simplifiziere das alles sehr stark –, der nächste kommt wieder in Handschellen.

Wenn auch ein Einzel- oder Zufallstäter einmal zu einer unbedingten Strafe verurteilt wird, sitzt er grundsätzlich in demselben "Häfen" wie die anderen – mit allen Problemen, die dabei herauskommen, mit allen Risken, die vor allem jüngere Täter männlichen Geschlechts, wie wir leider wissen, in der Haft hinsichtlich Drogen, aber auch in anderer Hinsicht, nämlich jener der körperlichen Integrität, tragen. Das ist ein unerträglicher Zustand!

Meine Damen und Herren! Seit Jahren gibt es immer wieder Reparaturversuche – vor einigen Jahren habe ich mich noch darüber mokiert, daß es die jährliche Strafrechtsreform gibt, mittlerweile sind wir bei zwei jährlichen Strafrechtsreformen angelangt. All diese Versuche können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß uns die dringend notwendige großzügige Neugestaltung der Rechtsmaterie bisher nicht einmal ansatzweise geglückt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal die Problematik der fahrlässigen Krida verdeutlichen, da sie mir besonders symptomatisch erscheint. – Von den Gerichtshöfen, also von jener


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Ebene, auf der auch Raubmörder verurteilt werden, werden in 2 000 oder mehr Verfahren im Jahr Leute verurteilt, die im geschäftlichen Leben Schiffbruch erlitten haben. In der Regel ist bereits alles außer dem, was sie auf dem Leib haben, versteigert worden, sie haben Verluste erlitten und werden bis an ihr Lebensende dem Exekutor alles abliefern müssen, was sie nahezu allenfalls verdienen. Dann stehen sie aber auch noch vor Gericht.

In sündteuren Prozessen, die nie ohne ein oder zwei Sachverständige abgehen, die mindestens 50 000 S, aber manchmal auch 500 000 S an Gebühren kosten – und die immer der Staat bezahlt, weil die Kosten beim betroffenen Verurteilten uneinbringlich sind –, bekommen diese Leute je nach Laune des Richters zwischen drei oder vier Monaten bedingt als Strafe. Durch diese Verfahren werden die Strukturen der Strafjustiz verstopft, da sie vor ein und demselben Gericht in ein und demselben Saal stehen und grundsätzlich nach dem selben Gesetz wie der "berühmte" Raubmörder – wenn auch nach anderen Bestimmungen desselben – behandelt werden.

Ich weiß, der eine steht vor dem Geschworenensenat und der andere nicht, aber es ist grundsätzlich dasselbe, nur mit entsprechenden Facetten. Und solange sich die Justiz nicht dazu aufrafft, einen grundsätzlichen Wandel in dieser Frage vorzunehmen, werden wir dort bleiben, wo wir heute sind.

Damit bin ich bereits am Ende meiner Ausführungen. Es wird dabei bleiben, daß wir in der Strafjustiz zuwenig differenzieren, daß wir einerseits die wirkliche Schwerkriminalität zu wenig energisch, zu wenig nachhaltig und für den Bürger unbefriedigend behandeln, sodaß der Eindruck entsteht, der eine oder andere werde tatsächlich mit Samthandschuhen angefaßt, und daß das zu Lasten der Sicherheit gehe, und andererseits gibt es jene, bei denen man sich fragt, ob sie überhaupt vor Gericht gehören oder nicht vielleicht eher vor die Gewerbebehörde oder ähnliche Einrichtungen; mit denen wird viel zu radikal und viel zu streng umgegangen.

Meine Damen und Herren! Diese grundsätzlichen Vorstellungen möchte ich, wenn es um die Frage geht, ob die Justiz heutzutage noch eine "gute Firma" ist, anbringen. Meiner Überzeugung nach ist sie es, sie läßt aber Wünsche offen. Diese Wünsche werden von Jahr zu Jahr deutlicher bemerkbar, und wir müssen alle zusammen an ihrer Erfüllung arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Ich erteile ihr das Wort.

16.00

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Werte Kollegen und Besucher des Hohen Hauses! Das Budgetkapitel Justiz ... (Abg. Dr. Gredler: Wen meinen Sie? – Abg. Dr. Fuhrmann: Auch die Kolleginnen !) Auch die Kolleginnen! Ich bitte um Verzeihung. Es ist für mich natürlich selbstverständlich, auch die Damen, die zurzeit zahlenmäßig sehr gut vertreten sind, nicht unbegrüßt zu lassen. (Abg. Mag. Stoisits und Abg. Dr. Gredler: Danke! – Abg. Böhacker: Besucherinnen !) Und die Besucherinnen selbstverständlich auch! Es sind nämlich auch Besucherinnen anwesend. (Abg. Steibl: Laß dich nicht durcheinanderbringen!)

Aber nun weg vom Geplänkel hin zum Budgetkapitel Justiz: Sowohl im Ausschuß als auch im ersten Debattenbeitrag wurde das Kapitel Justiz nicht so sehr zahlenmäßig, sondern justizpolitisch diskutiert. (Abg. Dr. Graf: Welcher Ausschuß? Es tagt ja keiner mehr! Heuer hat noch keiner stattgefunden! Das ist die Budgetrede vom Vorjahr!) Da also die Zahlen nicht im Vordergrund stehen, ziehe ich daraus den Schluß, daß bezüglich der Verteilung der Mittel breiter Konsens herrscht – nicht zuletzt auch mit den betroffenen Beamten, denn ich bin zuversichtlich, daß der erzielte Kompromiß bei den Gehaltsverhandlungen akzeptiert wird. Daß bei den Justizbeschäftigten – oder überhaupt im Justizapparat insgesamt – alles in Ordnung ist, hat nicht nur Kollege Ofner bereits ausgeführt, auch ich orte eine allgemeine Zufriedenheit, nicht nur intern, sondern auch bei der Bevölkerung.


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124. Sitzung / Seite 101

Ein ganz gravierendes Indiz dafür, daß auch die Beamtenschaft mit der grundsätzlichen Verteilung der Mittel zufrieden ist, beweist eine Umfrage des Finanzministeriums, wonach Beamte in Bezirksgerichten zu 80 Prozent "zufrieden" oder "sehr zufrieden" sind. Es ist nicht selbstverständlich, daß Mitarbeiter in so hohem Maße mit ihrem Arbeitsplatz grundsätzlich zufrieden sind.

Erfreulich war auch, daß in der Ausschußdebatte dieses Mal jede Fraktion das Thema "Opferschutz" angesprochen hat. Ich glaube, damit zeigt sich ein Wandel in der Justizpolitik: Opferschutz ist nunmehr allen Gruppierungen im Hohen Haus inzwischen ein wirkliches Anliegen geworden. (Abg. Dr. Graf: Nur passiert nichts!) Es passiert sehr wohl etwas, Herr Dr. Graf. (Abg. Dr. Graf: Was denn?)

Ich möchte mich beim Justizminister und bei der Rechtsanwaltskammer für die gemeinsame Initiative zur unentgeltlichen und vertraulichen Opferberatung in den Bezirksgerichten bedanken. Diese verbesserte Informationsschiene wurde neu eingerichtet, damit die Opfer auf einem fachlich hervorragenden und vor allem auch örtlich bestens angesiedelten Weg Informationen über ihre Rechte und Möglichkeiten bekommen. Es ist dies ein erster großer Schritt.

Lassen Sie mich aber auch in Erinnerung rufen, daß die Entschädigung von Straftatsopfern meiner Ansicht nach nicht ausreichend gesetzlich geregelt ist. Wir haben das Verbrechensopfergesetz, welches für Körperverletzungen, die vorsätzlich begangen wurden, subsidiär Entschädigung bietet, wenn nach dem ASVG kein Leistungsanspruch besteht. Wir haben den § 373a Strafprozeßordnung, in welchem der Vorschuß des Bundes für Entschädigungszahlungen im Falle eines Privatbeteiligtenzuspruchs geregelt ist.

Herr Minister! Beide Bestimmungen sind nicht ausreichend. Denn es gibt nach dem VOG keinen Anspruch auf Entschädigung bei grober Fahrlässigkeit, es gibt keinen Anspruch auf ausreichende Therapie nach Sexual- oder Gewaltdelikten – insbesondere keine psychotherapeutische Behandlung –, und es gibt keinen Anspruch gemäß VOG bei gewissen Sachschäden – ich denke dabei an ein zerschlagenes Gebiß, an kaputte Brillen oder vielleicht, man könnte darüber nachdenken, an lebensnotwendigen Hausrat.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Entschließungsantrag zur Anfrage vom 26. Februar 1998 hinweisen und Sie, Herr Minister, ersuchen, diese Novelle zum VOG zügig vorzubereiten.

In jener Wochenzeitschrift, die mittwochs erscheint, wurde Herr Minister Michalek als großer mutiger Reformer gelobt. Im Konkurrenzblatt, das samstags erscheint, wurde die Justizpolitik verteufelt, weil nichts weitergehe und alle auf der Bremse stünden. Die Wahrheit liegt bei diesen zwei Blättern mit Sicherheit in der Mitte! (Abg. Dr. Graf: Also keine Reformen!) . Ich persönlich bin als Vorsitzende des Justizausschusses mit dem Reformtempo der Justizpolitik zufrieden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Große Reformen müssen breit und intensiv diskutiert werden; wir haben das beim Miet- und Insolvenzrecht, beim Lauschangriff und der Rasterfahndung, beim Gesetz gegen die Gewalt und allen anderen Gesetzen, die ich gar nicht aufzählen möchte, so gemacht.

Es ist gut, daß im Justizausschuß keine Gesetze auf Zuruf produziert werden, und in aller Regel auch keine Anlaßgesetzgebung "aus der Hüfte geschossen wird". Denn große Reformvorhaben bedürfen einer wissenschaftlich untermauerten, aber auch einer politisch zu hinterfragenden Diskussion und Vorbereitung.

Eine politische Diskussion ist besonders dann notwendig, wenn die geplanten Maßnahmen, wie etwa das neue Strafprozeßordnungsvorverfahren oder der außergerichtliche Tatausgleich, einen Paradigmenwechsel bringen. Politisch hinterfragen muß man auch, wenn sich durch die Reformen Grundprinzipien ändern, wie das zum Beispiel bezüglich des Anklagegebots beim ATA durch Ersatz in Richtung Diversion beziehungsweise überhaupt dem Entfall des Anklagegebotes der Fall ist. (Abg. Dr. Schmidt: Wann fangen Sie denn an zu hinterfragen?) Bitte? Ich habe Sie nicht verstanden. (Abg. Dr. Schmidt: Wann fangen Sie denn an zu hinterfragen, damit Sie


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124. Sitzung / Seite 102

selber uns wenigstens eine Antwort geben können?) Frau Kollegin! Wenn Sie intellektuell nicht dazu in der Lage sind, eine suggestive Frage bereits als Teilantwort zu sehen, tut es mir schrecklich leid. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Rhetorisch, nicht suggestiv!)

Ich stelle die Frage simpler, damit auch Sie sie verstehen, denn ich hinterfrage sehr wohl dann, wenn es gewaltige Machtverschiebungen bei den beteiligten Institutionen geben soll, wie zum Beispiel bei der geplanten Reform zugunsten der Staatsanwälte, nach der die Staatsanwälte mehr Kompetenz sowohl im ATA als auch im Vorverfahren bekommen sollen. – Wir vertreten die Auffassung, daß ohne interne effiziente Kontrolle und ohne klare Regelung bezüglich des Weisungsrechtes die einseitige Machtfülle einer Institution als nicht ausgewogen bezeichnet werden kann.

Ich möchte, was die Position der Staatsanwaltschaften betrifft, hiermit das italienische Modell in die Debatte einbringen. Wir müssen darüber diskutieren, inwiefern dieses durch die Erfolge der italienischen Verbrechensbekämpfung vielleicht auch für uns ein mögliches Modell sein könnte.

Alle Reformvorhaben müssen jedoch auch nach einer eingehenden Diskussion entschieden werden. Das neue Scheidungsrecht, Ehe-, Familien- und Kindschaftsrecht oder das Sexualstrafrecht genauso wie das von Kollegen Ofner angeschnittene Krida-Strafrecht und das Übernahmerecht sind – um nur einige zu nennen – Materien, die wir noch in dieser Legislaturperiode beschließen können.

Das gilt auch für den Zeitraum des EU-Vorsitzes. Denn ich gehe davon aus, daß die Justizpolitik auch während des EU-Vorsitzes in diesem Haus nicht ruhen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fuhrmann. )

16.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 14 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.10

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Vorsitzende des Justizausschusses! Sehr geehrter Herr Bundesminister! (Abg. Dr. Khol: Dobar dan!) Dobar dan, gospodin Khol! Meine sehr geehrten Damen und Herren, 14 Minuten Redezeit haben mir meine Kolleginnen und Kollegen, die sich in den vorangegangenen Debatten zu Wort gemeldet haben, übriggelassen. Ich möchte allgemein einmal anregen, daß das Thema Justiz bei den Budgetdebatten nicht immer der dritte und letzte Tagesordnungspunkt sein sollte – das ist schon seit vielen Jahren so (demonstrativer Beifall bei der SPÖ) –, da bleibt mir nie genug Zeit. Vielleicht könnte diese Gruppe einmal als erste auf der Tagesordnung stehen, dann könnte ich mich für die letzten Jahre revanchieren. Heute muß ich mich sehr kurz und knapp fassen und habe auch nicht viel Gelegenheit, auf die Ausführungen von Vorrednern einzugehen.

Ich möchte meine Ausführungen damit beginnen, Ihnen einen Entschließungsantrag vorzulesen und Sie zu bitten, darüber nachzudenken und ihm eventuell zuzustimmen.

Stichwort: Causa Rosenstingl, Causa Baukartell: Wir haben gestern bei der Diskussion des Budgets für Inneres schon darüber gesprochen. (Abg. Dr. Krüger: Haben Sie mit sich selber diskutiert?) Ich habe darauf hingewiesen, daß es großen Handlungsbedarf im Zusammenhang mit der personellen Ausstattung bei der Wirtschaftspolizei gibt. Das soll nicht heißen, daß die Damen und Herren, die dort tätig sind, nicht absolut ausgezeichnete Arbeit leisten – es sind nur zu wenige, wie sich jetzt zeigt bei der vielen Arbeit, die sie leider haben.

Ähnliches gilt – und deshalb spreche ich den Herrn Bundesminister an – auch für die Staatsanwaltschaften. Und dazu meine Bitte und meine Anregung, die Zahl der Beamten – in diesem Fall der Staatsanwälte – mit spezialisiertem Fachwissen im Bereich der Wirtschaftskriminalität beziehungsweise des Wirtschaftswesens aufzustocken, weil das notwendig ist. Die aktuellen Fälle zeigen es auch.


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124. Sitzung / Seite 103

Ich verlese nun folgenden Entschließungsantrag, damit mir später nicht die Zeit zu kurz wird, Herr Präsident:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Dr. Gabriela Moser, Freunde und Freundinnen betreffend Aufstockung des Personals der Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Justiz, wird aufgefordert, die Staatsanwaltschaften um Beamte mit entsprechendem Fachwissen zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität aufzustocken, damit die kriminelle Tätigkeit im wirtschaftlichen Bereich besser bekämpft werden kann.

*****

Das ist meine erste Bitte und Anregung aufgrund von zahlreichen aktuellen Anlässen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun einige Anmerkungen nicht so sehr zum eigentlichen Budget, zum Geld und zu den Zahlen, sondern zum Tempo in der Justizpolitik, zur Frage, welche Reformen notwendig sind und mit welchem Tempo sie angegangen wurden und werden. – Ich war ganz beeindruckt, als Frau Dr. Fekter als Vorsitzende des Justizausschusses hier Themenbereiche aufgezählt hat. Entschuldigen Sie bitte, Frau Kollegin, aber es sind mir nur zwei eingefallen, die hinsichtlich der Regelung tatsächlich in Ihre Ära gefallen sind. Das eine ist das Gesetz gegen Gewalt in der Familie. – Dafür ein Danke. Wir haben dem auch zugestimmt, denn das ist ein gutes Gesetz, wie sich jetzt in der Praxis zeigt.

Das Gegenteil – weniger Dank – gilt für den zweiten Bereich, nämlich Lauschangriff und Rasterfahndung. Das halte ich nach wie vor für eine Grundrechtskatastrophe. Und alles, was es an Indizien über derartige Regelungen gibt, bestätigt mich darin – nicht zuletzt die Diskussion in Deutschland –, daß wir da den falschen Weg gegangen sind. Ich hoffe, ich werde noch Gelegenheit dazu haben, das auch nachzuweisen. – Aber damit, Frau Vorsitzende, ist auch schon Pause, Sendeschluß. (Abg. Dr. Fekter: Mietrecht? Urheberrecht?)

Nächstes Jahr sind Wahlen. Wann wollen Sie handeln, wie wollen Sie handeln? – Das, was ich von Ihrer Tätigkeit wahrnehme, ist, daß Sie sich einige Male in den Windschatten des Herrn Bundesministers begeben und sich damit nicht selbst inhaltlich profiliert haben, sondern sich in Kontrapositionen zu ihm in der Öffentlichkeit hervorgetan haben. Seien Sie froh, daß der Herr Bundesminister und das Bundesministerium für Justiz jetzt diejenigen sind, die zumindest Vorgaben machen!

Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da war das anders. In Zeiten des – jetzt wollte ich fast sagen "seligen" – Vorsitzenden des Justizausschusses Dr. Graff (Abg. Dr. Fekter: Er erfreut sich bester Gesundheit!) habe speziell ich einige Sträuße mit ihm ausgefochten. Er hat gerade uns Damen im Justizausschuß nicht besonders zimperlich behandelt. Nichtsdestotrotz gab es Diskussion, gab es Fortschritte, wenn auch nicht immer mit unserem Einverständnis.

Ich möchte aber auf folgendes hinweisen – das geht auch an Herrn Kollegen Ofner –: Traditionellerweise – meinem Gefühl und meiner Erinnerung nach – wurden vier Fünftel aller Gesetze, die in den letzten acht Jahren, seit ich dabei bin, im Justizausschuß diskutiert wurden, einstimmig beschlossen – mit ganz kleinen Ausnahmen, wobei Lauschangriff und Rasterfahndung wesentliche Diskussionspunkte waren.

Das vermisse ich nun. Was ich mir wünsche, ist das sprichwörtliche Tempo: daß man ein bißchen Gas gibt, damit endlich etwas geschieht. Die Worte der Frau Vorsitzenden des Justizausschusses haben für mich das Gegenteil bedeutet.


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Herr Bundesminister! Einige Worte zu Ihren Vorschlägen. Ich freue mich oft, wenn Sie Vorschläge machen – nur als Stichwort: die Vorschläge, die es seitens des Ministeriums bezüglich Scheidungsreform gibt –, und Sie haben auch meinen Respekt für die große Standfestigkeit – wohlgemerkt: bis jetzt –, die Sie an den Tag legen. Der patriarchalische Gegenwind bläst ja auch Ihnen ins Gesicht. Ich gehe aber davon aus, daß Sie sich nicht umdrehen und Ihre Meinung ändern.

Ich meine, daß das, was bisher an Vorschlägen vorliegt, nicht nur ernst zu nehmen ist, sondern wirklich ein maßgeblicher justizpolitischer Fortschritt wäre, würde es Gesetz werden. Manchem mag das vielleicht nicht als große Sache erscheinen, aber ich meine, es sind ganz wichtige Leitlinien für die zukünftige Entwicklung, daß die Aufgabenverteilung in der Ehe anders geregelt wird – das ist im wesentlichen etwas, was substantiell an das anknüpft, was in den großen Reformjahren der siebziger Jahre begonnen wurde, als es die ersten großen substantiellen Änderungen gegeben hat –, aber auch die Frage des Unterhalts nach Scheidungen.

Es ist allgemein bekannt, daß ich in der Vergangenheit massiv für die Abschaffung des Verschuldensprinzips Partei ergriffen habe – ich werde das auch in der Zukunft tun –, und ich halte Ihre Vorschläge hinsichtlich einer verschuldensunabhängigen Berücksichtigung schlechterer Verdienstmöglichkeiten zum Beispiel wegen Kindererziehung für einen wichtigen Schritt. Ich hoffe, daß Sie es jetzt sind, der Gas gibt. Ich meine, daß der bedarfsorientierte Unterhalt etwas ist, was wirklich dem Schutz des Individuums gilt und von dieser scheinheiligen Diskussion wegführt, daß man dort Institutionen schützt, wo man eigentlich Menschen schützen sollte. Das ist die Tendenz, die ich gerade bei der ÖVP orte.

Wenn es Vorschläge gibt, die von der wirtschaftlichen Knebelung der schwächeren Partner in Beziehungen, in dem Fall in der Ehe wegführen – in der Regel ist das die Frau, das wissen wir, deshalb ist das ein großes Anliegen der Frauen –, und diese wirtschaftliche Knebelung dann als "Schutz der Familie" zu verkaufen versucht wird, dann, meine Damen und Herren, spricht das wirklich für sich. Dazu gibt es sowieso keinesfalls unser Einverständnis, und wir werden nicht müde werden, uns für die völlige Abschaffung des Verschuldensprinzips einzusetzen, was ich für ein zukunftsweisendes Modell halte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Schluß noch ein paar Worte zu einem neuen Kapitel, das auch zu diesem Komplex gehört – Stichwort: gemeinsame Obsorge. Das berührt mich emotional – auch deshalb, weil ich eine Frau bin und vor allem Frauen betroffen sind. Aber wenn es um die gemeinsame Obsorge geht, dann ist meine Geduld in dieser ganzen Diskussion schon längst am Ende. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage mich bei jenen, die für die gemeinsame Obsorge eintreten, immer, ob sie sich überlegt haben, wie solche Dinge in der Realität laufen.

Die Erfahrung zeigt doch, daß überhaupt nur jene Eltern, die aufgrund ihrer eigenen Konsensfähigkeit und ihres Verantwortungsbewußtseins gegenüber ihren Kindern die menschliche Qualität für eine gemeinsame Obsorge ihrer Kinder aufbringen, in Betracht zu ziehen sind, in den Genuß eines solchen Instruments zu kommen. Aber die brauchen es ja nicht! Sie haben es in der Vergangenheit nicht gebraucht, und sie werden es auch in Zukunft nicht brauchen. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ. – Abg. Parfuss: Sehr richtig!)

Deshalb ist es so, daß das für diejenigen, die es schon in der Vergangenheit nach beziehungsweise trotz einer Scheidung geschafft haben, sich konsensual um das Wohl ihrer Kinder zu kümmern, absolut bedeutungslos ist. Aber, meine Damen und Herren, für jene, die all diese Qualitäten nicht haben, ist es auch bedeutungslos, denn sie kämen ja ohnedies nie in den Genuß dieser Regelung! – Jetzt frage ich mich: Für wen machen Sie das? Für wen überlegen Sie das?

Ich will nicht noch einmal auf die Frau Vorsitzende des Justizausschusses eingehen. Da könnten wir ja eine eigene Diskussion darüber führen, die es sicher hier auch noch geben wird. Aus all diesen Gründen und vor allem auch aus dem Grund – und da spreche ich jetzt wieder als Frau –, daß dieses möglicherweise oder hoffentlich nie in die Realität umgesetzte rechtliche


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Machtinstrument immer von geschiedenen Männern gegenüber ihren geschiedenen Frauen eingesetzt wird und dadurch ein neues Knebelungsinstrument geschaffen wird, bin ich leidenschaftlich gegen dieses neuzuschaffende Rechtsinstitut. Und ich meine, daß der Gesetzgeber in diesem Fall wirklich gut beraten wäre, wenn er es bei den Ecksteinen der Familienrechtsreform aus den siebziger Jahren beließe. Nicht alles, was alt ist, ist schlecht in diesem Fall. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als allerletztes: Es ist mir ein Anliegen, folgendes festzustellen: Vorvorigen Sonntag fand die legendäre "Pressestunde" Dr. Haider gegen Chefredakteur Worm statt, im Rahmen derer es Anschuldigungen gegenüber einem Kollegen hier in unserem Hohen Haus gegeben hat. Es ist mir ein Anliegen, hier zu sagen, welch große Enttäuschung ich – das geht jetzt nicht den Herrn Bundesminister an, aber vielleicht hört mich auch sonst noch jemand – gegenüber der Anwaltschaft empfinde. Ich verstehe bis heute nicht, wieso sich die österreichische Anwaltschaft das gefallen läßt, wieso sich die Anwälte – ich glaube, 4 000 sind es in ganz Österreich – nicht sozusagen auf die Hinterfüße stellen und aufjaulen bei diesem Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit. Ich bin keine Anwältin, und insofern bin ich auch frei von dem Verdacht, in eigener Sache zu sprechen. Aber das ist für mich als Justizsprecherin der Grünen eine wirklich große Enttäuschung.

Ich habe bis jetzt immer sehr gute Kontakte, gute Zusammenarbeit, Zuarbeit und Information seitens der österreichischen Anwaltschaft gehabt, aber da hat sie sich wirklich disqualifiziert. Das ist etwas, was nichts mit Fraktionszugehörigkeit zu tun hat, sondern das halte ich wirklich – und jetzt vermisse ich ein Wort des Herrn Dr. Ofner dazu, der selbst Anwalt ist – für einen Tiefpunkt, der eben zeigt, wie sehr offensichtlich seltsame parteipolitische – oder ich weiß nicht welche – Interessen, jedenfalls nicht Standesinteressen, im Vordergrund stehen. – Herr Minister, vielleicht haben Sie Gelegenheit, den hohen Herren aus der Anwaltschaft das bei Gelegenheit mitzuteilen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Parfuss. )

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Vorher gebe ich noch bekannt, daß der Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Mag. Stoisits betreffend Aufstockung des Personals der Staatsanwaltschaften ausreichend unterstützt ist und mit in Verhandlung steht. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.24

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nur einen Satz zu dem, was Kollegin Stoisits zuletzt hier gesagt hat. Ich möchte jetzt nicht für die Anwaltskammer oder für die Anwaltsvertretung sprechen, aber ich kann folgendes sagen: Dieser Vorfall ist natürlich ein massiver Angriff gegen die freie Anwaltschaft gewesen. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Ich respektiere und akzeptiere, daß es gewisse Bedenken gibt, die Diskussion weiter anzuheizen. Ich denke mir allerdings, daß es möglich sein sollte, zumindest hier im Hause innerhalb der Anwaltschaft zu einer Art Solidarisierung mit dem Kollegen Fuhrmann zu kommen – nicht dem Kollegen Fuhrmann zuliebe, sondern ganz einfach deshalb, weil sich die Frage stellt: Wie gehen wir mit dem freien Anwaltstand um? Wie gehen wir mit dem um, was letztlich einer der Garanten für Demokratie ist? Wie gehen wir mit unserem Demokratieverständnis um?

Es ist schon richtig: Heute hat bereits ein Kollege hier gesprochen und keine Worte dazu gefunden. Vielleicht wird Kollege Krüger das eine oder andere Wort dazu sagen, weil die Situation wirklich nahezu unerträglich ist.

Ich habe mich heute gefreut zu hören, daß die Justizdebatte auch während der Zeit der EU-Präsidentschaft andauern wird, weil es ja schlicht und einfach nicht angeht, daß die vielen doch sehr brennenden Probleme und Themen, die derzeit auf der Tagesordnung sind, aufgeschoben werden.

Kollegin Fekter, Sie haben einige Gesetzesvorhaben aufgezählt, die in jedem Fall in dieser Zeit zu klären sind. Sie haben gesagt, es bedarf einer tiefgreifenden Diskussion. Ich glaube, man sollte durchaus die Frage der Familienreform, letztlich auch das Vorverfahren und insbesondere


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die Diversion miteinbeziehen. In der Tat bedarf es natürlich einer tiefgehenden wissenschaftlichen Diskussion, aber ich darf darauf verweisen, daß ja schon sehr viel geschehen ist. Wir haben an sich Konzepte, schlüssige, logische Argumentationen vorliegen, und es ist letztlich eine Frage der Wertung, ob man das eine oder das andere will.

Ich möchte hier die Diversion, die schon mehrfach angesprochen wurde, besonders herausheben, weil sie mir am Herzen liegt und weil sie ganz einfach einen erheblichen Schritt in Richtung einer weiteren Verbesserung der Qualität der Justizpolitik und damit der Justiz insgesamt darstellt.

Es war schlicht und einfach unrichtig, wenn zeitweise – nicht heute, aber in Vordiskussionen – die Argumentation geführt worden ist, daß es der Opferschutz gebietet, diversionäre Maßnahmen hintanzustellen. Es ist geradezu im Sinne des Opferschutzes, sich damit auseinanderzusetzen, ob es möglich sein soll, daß der Staat auf strafrechtliches Unrecht im Rahmen seiner Reaktion nicht nur mit Freiheitsstrafe bedingt/unbedingt oder Geldstrafe bedingt/unbedingt, allenfalls mit Weisungen reagiert, sondern daß darüber hinaus den Richtern die Möglichkeit eingeräumt wird, mit einem verbreiterten Instrumentarium auf die jeweilige Komplexität eines Einzelfalles zu reagieren. Dieses Instrumentarium stellt die Diversion dar, und zwar deshalb, weil damit in vermehrtem Maße dem Rechnung getragen wird, was auch in der Beziehung Opfer und Täter an Problemen entstanden ist.

Betrachten wir den ATA, den außergerichtlichen Tatausgleich: Es gibt Erfahrungswerte im Rahmen des Jugendgerichtsgesetzes, wonach bereits seit dem Jahre 1987 eine Erfolgsquote von über 85 Prozent in ATA-Fällen zu verzeichnen ist. Es gibt auch bereits Versuche, den außergerichtlichen Tatausgleich im Erwachsenenstrafrecht durchzusetzen. Da gibt es eine geringere, aber immerhin noch 70prozentige Erfolgsquote.

Was bedeutet das letztlich? – Es bedeutet, daß man sich damit auseinandersetzt, ob es in der Beziehung zwischen dem Täter und dem Opfer eine andere, eine sinnvollere Möglichkeit gibt, um das zu ermöglichen, was notwendig ist, nämlich einerseits den Täter davon abzuhalten, etwas Derartiges in Zukunft wieder zu tun, und auf der anderen Seite dem Opfer zu helfen. Wichtig ist, daß nicht nur die pekuniäre Seite berücksichtigt wird, also daß das Opfer Geld bekommt, sondern daß auch das emotionale Element eingebracht wird – das ist ja eines der Argumente aus dem Opferschutz –, nämlich indem man versucht, durch Kontakte die Opfer-Täter-Beziehung auch emotional aufzuarbeiten. Das ist eine signifikante Verbesserung des Handlungspotentials des Staates im Rahmen der Reaktion auf Straftaten, die wir unter allen Umständen durchsetzen wollen.

Ich meine daher, daß wir es auch oder gerade wegen der Präsidentschaft in der EU nicht verabsäumen sollten, da einen entscheidenden Schritt zu gehen. – Das ist die eine Sache.

Die zweite Sache betrifft das Familienrecht. Auch hier ist die Diskussion doch relativ weit vorangeschritten. Die Auseinandersetzung darüber, ob Ehebruch jetzt als absoluter Scheidungsgrund gelten soll oder nicht, ist mir insofern nicht ganz erklärbar, als es ganz einfach eine Frage der Sinnhaftigkeit ist, ob einem Richter eine vermehrte Möglichkeit des Beurteilungsspektrums gegeben werden soll. Unser Vorhaben ist, daß der Ehebruch nicht mehr als absoluter Scheidungsgrund behandelt werden soll, aber selbstverständlich als Scheidungsgrund gilt, sodaß der Richter am Ende der Verhandlung eigentlich eine Entscheidung zu treffen hat aufgrund des gesamten Familienbildes, der gesamten Entwicklung, die sich ihm bietet. Und das kann logischerweise nur ein Fortschritt in Richtung Objektivität sein. Daher ist auch dieser am heftigsten umstrittene Punkt aus logischer Sicht ganz eindeutig zu klären.

Zur Frage der Wertgrenzennovelle: Kollege Ofner hat kritisch bemerkt, daß die neue Regelung hinsichtlich der Revision und der Einschränkung eine Beeinträchtigung des Rechtsstaates bedeuten könnte. Dazu möchte ich nur ganz kurz folgendes sagen: Es ist eine neue Regelung, das ist ganz klar. Es ist aber auf der anderen Seite auch legitim zu fragen, ob es unbedingt so sein muß, daß sich der Rechtsstaat dadurch determiniert, daß jeder unbedingt zum Obersten


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Gerichtshof gehen muß, weil die untergeordneten Gerichte zwangsläufig oder möglicherweise den Rechtsschutz nicht wirklich garantieren.

Ich denke, es gibt doch Oberlandesgerichte, die profund agieren. Es gibt Oberlandesgerichte, von denen man durchaus annehmen kann, daß auch ihrerseits eine Judikatur erfolgt, die nicht als Beeinträchtigung der Bürger dieses Landes bezeichnet werden kann, so wie das herübergekommen ist. Es wird möglicherweise auch von dieser Seite Entscheidungen geben, die umstritten sind. Es gibt aber natürlich auch die oberstgerichtliche Judikatur, die weiterhin ihre Position hat. (Abg. Dr. Ofner: Ein sachlicher Zwischenruf: Es gibt vier verschiedene Oberstgerichte und kein Dach darüber, das heißt, das kann sich auseinanderentwickeln!)

Schon, Herr Kollege, aber es gibt trotzdem eine oberstgerichtliche Judikatur, die natürlich auf der einen Seite ein Korrektiv in der sachlichen Diskussion darstellt, und auf der anderen Seite die Lehrmeinung, die Diskussionsbasis in diversen Periodika. Ich glaube, das ist eine Relation, bei der ich davon ausgehe, daß sie letztlich keine Beeinträchtigung des Rechtsstaates darstellt, sondern eine neue Form des Agierens ist. Ich meine, es ist einfach der falsche Ansatz, zu sagen, es muß jeder unabhängig vom Streitwert und unabhängig vom Gegenstand zwei Instanzen durchlaufen und zur dritten Instanz kommen, weil nur dann der Rechtsstaat tatsächlich gewahrt ist.

Wir sollten Vertrauen in die Judikatur der Oberlandesgerichte haben, wir sollten Vertrauen in dieses neue System haben, wir sollten auch Vertrauen haben, daß diese Diskussion, die zu führen ist, und die Beiträge der Lehre, die geliefert werden, eine Qualitätsverbesserung bringen. In diesem Sinne meine ich, daß auch die Wertgrenzennovelle in Wirklichkeit einen Schritt weiter dorthin geführt hat, was Sie ursprünglich auch angedeutet haben, nämlich in Richtung einer Beschleunigung der gesamten Verfahren. Daher ist sie gut und zu unterschreiben.

Ich möchte abschließend den Mitarbeitern, den Beamtinnen und Beamten des Justizministeriums herzlich für ihre wirklich ausgezeichnete Arbeit danken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Ich erteile ihm das Wort.

16.34

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner und nicht nur Abgeordnetenkollege, sondern auch Anwaltskollege, Dr. Jarolim, hat mich aufgefordert, zu den Vorwürfen unseres Bundesparteiobmannes dem Kollegen Fuhrmann gegenüber (Abg. Dr. Jarolim: Ich habe es anheimgestellt!) betreffend Vertretung von Firmen, die im Verdacht stehen, Mafia-Organisationen zu sein, Stellung zu nehmen. Ich habe da überhaupt keine Probleme damit. Ich möchte mich hier nicht davor drücken. Auch Frau Kollegin Stoisits hat ja diesen Fall angesprochen. (Abg. Dr. Fekter: Distanzierst du dich von den Äußerungen?) Darf ich einmal ausreden?

Zunächst bin ich selbstverständlich ein Gegner derer, die die Meinung vertreten, daß der Anwalt mit dem Tun seiner Mandantschaft identifiziert wird. Diese Gleichung kann man auf gar keinen Fall aufstellen. (Abg. Dr. Fekter: Das hat aber Dr. Haider gemacht!) Überhaupt nicht! Abwarten!

Es käme auch keiner auf die Idee, daß, wenn Kollege Dr. Mayer oder Kollege Dr. Philipp die Rechtsvertretung eines des Auftragsmordes bezichtigten Russen übernehmen, da Sympathie oder Gleichstellung mit irgendwelchen Interessen gegeben wäre. – Das ist einmal die eine Seite. Ich bin also dagegen, daß man da eine Gleichstellung trifft, eine Identifikation des Anwaltes mit seinem Klienten. Das wäre sicher eine völlige Unzulässigkeit. Aber im gegenständlichen Fall geht es doch um etwas anderes, und ich glaube, Kollege Fuhrmann kann das selbst am besten aufklären.

Faktum ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß derartige Firmen, die im Verdacht stehen, Nachfolgeorganisationen des KGB mit mafiosen Strukturen zu sein und die hier im


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Lande wirtschaftlich Fuß fassen wollen, natürlich die Nähe der Macht und der Machthaber suchen. Ich meine, diesen Befund können wir gemeinsam unterschreiben. Das heißt, es ist von vornherein nicht unplausibel, daß man von seiten der Firma Nordex, der man eine gewisse Nähe zu diesen mafiosen Strukturen nachsagt und die ja mehr oder minder auf der Watchlist der USA steht – der Abwehrdienst der Schweiz stellt ihr auch ein vernichtendes Zeugnis aus –, geneigt ist, in die Nähe der Macht zu kommen. Ich bin der Meinung, diesem Befund wird man wohl ebenfalls die Zustimmung geben müssen. Und aus dieser Sicht könnte man natürlich das Anwaltsmandat an einen Rechtsanwalt, der gleichzeitig Abgeordneter zum Nationalrat ist, der Klubobmann der SPÖ war, sehen. Ich sage bewußt, man könnte es so sehen.

Meines Erachtens liegt es am Kollegen Fuhrmann, hier die nötigen Aufklärungen zu geben. Ich würde mich als Anwalt – das sage ich auch ganz offen – mit meinem Klienten besprechen und die Dinge auf den Tisch legen, denn es ist doch im Interesse dieses ehemaligen oder auch jetzt noch vorhandenen Klienten, allfällige Vorwürfe einer Mafianähe aufzuklären. (Abg. Dr. Fekter: Und was ist mit der anwaltlichen Schweigepflicht?)

Frau Kollegin, ich glaube, Sie sind nicht unbedingt geeignet, etwas dazu zu sagen. Lassen Sie mich als Anwalt dazu Stellung nehmen. Als Anwalt unterliegt man einer strikten Verschwiegenheitspflicht. (Abg. Dr. Mertel: Als Anwalt oder als Abgeordneter?) Und diese Verschwiegenheitspflicht kann man im Einvernehmen mit dem Klienten aufheben. Ich unterstelle jetzt, daß ein Einvernehmen mit dieser Unternehmensgruppe natürlich erzielbar wäre, wenn tatsächlich nichts zu verschleiern ist und wenn es sich um ganz normale Rechtsvertretungen handelt. Nicht mehr und nicht weniger könnte man sich erwarten. (Abg. Dr. Fekter: Ich würde schon etwas dagegen haben, wenn mein Anwalt ...!) Wenn trotzdem keine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht stattfindet, dann wird dieser Streit einerseits politisch und andererseits vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden. (Abg. Dr. Fekter: Das ist eine Ungeheuerlichkeit! – Abg. Mag. Stoisits: Das ist viel Lärm um nichts!)

Aber jedenfalls bin ich dagegen, Frau Kollegin Stoisits, wenn Sie heute versuchen, auf den Justizminister Einfluß zu nehmen ... (Abg. Dr. Fekter: Distanzierst du dich oder nicht?) Kollegin Fekter, du bist dieser differenzierten Argumentation nicht zugänglich! Es hat überhaupt keinen Sinn, in diese Richtung zu argumentieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich setze mich mit diesem Thema seriös auseinander. Dir ist dieses differenzierte Denken, wie du auch mit der Leitung des Justizausschusses immer wieder beweist, fremd. (Abg. Dr. Fekter: Du tust dir schwer, das zu argumentieren! Ich habe kein Verständnis für dich!) Das ist mir vollkommen klar. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.) Daß mit dir da kein Konsens zu finden ist, bestätigt mich eher in der Richtigkeit meiner Analyse.

Zur Kollegin Stoisits: Ich möchte mich schon dagegen verwahren, daß heute von einer Abgeordneten des Hohen Hauses versucht wurde, Einfluß auf den Minister dahin gehend auszuüben, daß dieser Einfluß auf eine Standesorganisation, nämlich auf die Rechtsanwaltskammer nehmen soll. So geht das bitte nicht! Die Rechtsanwaltskammer ist eine autonome Berufsvereinigung, und da hat kein Minister Einfluß in der einen oder anderen Richtung zu nehmen.

Ich sehe die Kammer als Interessenvertretung der Anwaltschaft und durchaus nicht als übergeordnete Instanz, an deren "väterliche Brust" ich mich wende, wenn ich als Anwalt mit meinem Mandat oder auch politisch irgendwie in Bedrängnis komme.

Mein eigener Berufsstolz stünde mir im Wege, wenn ich sagen würde: Bitte, liebe Kammer, beruft doch eine Pressekonferenz ein und steht mir zu Seite!

Das ist Sache des Anwaltes selbst, und der Kollege wird entsprechende Schritte einleiten. Ob sie von Erfolg gekrönt sind oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis, weil ich den Sachverhalt zuwenig kenne. Ich habe ihm aber, so glaube ich, einen Weg aufgezeigt, den man beschreiten könnte, um sich diesem Thema ordnungsgemäß zu nähern. (Abg. Mag. Barmüller: Gegen die Freiheitlichen in Niederösterreich gibt es Vorwürfe der Geldwäsche!)


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Herr Kollege Barmüller! Du hast völlig recht. Unser Kollege Schreiner unterzieht sich soeben der von dir angefragten Untersuchung. (Abg. Mag. Barmüller: ... du solltest nicht so undifferenziert herumreden!) Ich habe gehört, daß seitens der Anwaltskammer und seitens der steuerlichen Vertretungen der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausgestellt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Budgetdebatte soll nicht dazu dienen, ein sehr individuelles Problem erschöpfend zu erörtern. Lassen Sie mich daher noch generell einiges zur Justizpolitik sagen: zunächst zur Argumentation der völligen Aufhebung des Verschuldensprinzips, wie es Frau Kollegin Stoisits in bezug auf das Eherecht, auf das Scheidungsrecht gefordert hat.

Ich bin ein strikter Gegner einer solchen Aufhebung, verkenne aber nicht, daß es da einen Reformbedarf gibt. Das ist überhaupt keine Frage. Frau Kollegin Stoisits! Es ist auch meiner Ansicht nach ein unhaltbarer Zustand, wenn eine Frau einem Mann oder einer Familie den Haushalt führt, die Kinder erzieht und nach 20-, 25jähriger Ehe einen Seitensprung begeht, daß dieser eine Seitensprung dann Anlaß dafür sein soll, daß sie praktisch mittellos im Leben steht und nicht einmal mehr den notwendigen Unterhalt zu bekommen hat. Für derartige Härtefälle stelle ich mir eine Aufweichung des Verschuldensprinzips in Richtung eines Versorgungsausgleiches vor. So kann es nicht sein; das ist eine Bestimmung zu Lasten der Frau, die heute nicht mehr zeitgemäß ist.

Eine vollständige Aufhebung des Verschuldensprinzips würde aber den Weg in Richtung der deutschen rechtlichen Situation ebnen, denn in Deutschland gibt es nur einen Scheidungsgrund, und dieser eine Scheidungsgrund heißt "Scheitern der Ehe". Der Unterhalt wird unbeschadet des Verschuldens zugesprochen – oder nicht zugesprochen. Meine Damen und Herren! In Deutschland geht man aber schon wieder den umgekehrten Weg, weil man darauf gekommen ist, daß dieser undifferenzierte Ausgleichsanspruch – egal, ob man in die Nähe eines Rechtsmißbrauches bei der Verfolgung der Unterhaltsansprüche kommt – vielleicht nicht der richtige Weg war. Man weicht dieses strikte Zerrüttungsprinzip wieder etwas auf und geht von neuem in Richtung Verschuldensprinzip.

Meine Meinung dazu ist, daß nur eine Vermischung von Zerrüttungs- und Verschuldensprinzip unter Bedachtnahme auf die Versorgungssituation eine gängige Lösung darstellen kann. Ich verkenne aber nicht, daß es einen Lösungs- und Problemerledigungsbedarf gibt.

Zur Frage des Opferschutzes: Dieses Thema wurde schon oft strapaziert. Dieses Wort wird vor allem von Frau Kollegin Fekter oft strapaziert. Sie brüstet sich damit, daß sie den Opferschutz auf Ihre Fahnen heftet. Das ist natürlich zuwenig. Du sagst, man sei mit der Justizpolitik zufrieden, weil du als Vorsitzende des Justizausschusses fungierst. Ich glaube, das ist ein bißchen wenig, um sich auf die Schulter klopfen zu können. Tatsächlich gibt es da einen Reformbedarf. Es ist nicht damit abgetan, wenn man mit irgendwelchen Broschüren durch das Land zieht, sondern es sollte tatsächlich legistisch etwas zugunsten des Opferschutzes getan werden, vor allem im Zusammenhang mit den unglaublichen Fällen des Kindesmißbrauches.

Wir Freiheitlichen haben das schon vor langer Zeit aufgegriffen, und gebetsmühlenartig fordern wir ständig eine Verschärfung der Strafen, ein Abgehen von der bedingten Strafnachsicht, einen Ausschluß von jeglicher Amnestie für Kinderschänder, auch unter Umständen eine lebenslange begleitende Kontrolle für Rückfallstäter, wie es etwa Tony Blair in England eingeführt hat, aber auch eine massive Erhöhung der Strafrahmen, um potentiellen nächsten Opfern Schutz zu bieten. Es ist schon richtig, wenn man sagt, das kann nicht alles sein, nur eine Erhöhung der Strafen zu fordern. Die Erhöhung der Strafen ist aber unbedingt erforderlich, wenn man bedenkt, daß die Rückfallsquote bei Kinderschändern bei über 50 Prozent liegt. Das heißt, wenn man den effizienten Opferschutz auch im Hinblick auf zukünftige potentielle Opfer tatsächlich ernst nimmt, dann wird man sich mit diesen Mechanismen, wie es Ihr Parteifreund Tony Blair in England eingeführt hat, näher befassen müssen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend lassen Sie mich noch ganz kurz einen zivilrechtlichen Bereich streifen. Wir müssen uns im Zivilrecht und im Zivilverfahrensrecht sicher einmal vor Augen halten, daß unser Gesetzesrecht nicht mehr uneingeschränkt jenes Gesetzesrecht ist, das wir jahrzehntelang praktiziert haben. Durch die Implementierung des Gemeinschaftsrechtes kommt es an sich dazu, sehr geehrter Herr Bundesminister, daß zwei verschiedene Rechtssysteme ineinanderfließen.

Wir haben in Österreich das Gesetzesrecht, es besteht keine formelle Bindung an die Praxis der Rechtsprechung, auch des Obersten Gerichtshofes. Es besteht keine Präjudizialität. Wohl aber besteht Präjudizialität in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg bei Auslegung des Gemeinschaftsrechtes. Das erscheint mir besonders wichtig, wenn man sich diesen Befund vor Augen hält und allfällige Lösungsvorschläge ausarbeitet, denn in Österreich ist heute ein Bezirksrichter nicht gehalten, eine bestimmte Judikatur, die der Oberste Gerichtshof eingeschlagen hat, zu vertreten.

Wenn es aber zu einem Vorabentscheidungsverfahren, zu einem Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofes oder auch eines der Untergerichte, die dazu auch berechtigt sind, an den Europäischen Gerichtshof über die Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechtes kommt, dann besteht für die österreichischen Gerichte die zwingende Pflicht, diese Vorabentscheidung umzusetzen. Da scheint mir eine Ungleichbehandlung vorzuliegen. Das, was in Luxemburg judiziert wird, ist zwingend umzusetzen. Da gibt es kein Wenn und Aber. Aber in Österreich besteht keine derartige Bindung.

Ich wollte nur abschließend auf diese Problematik aufmerksam machen. Die nächsten Jahre werden zeigen – es sind derzeit zirka 40 Vorabentscheidungsverfahren über Ersuchen österreichischer Gerichte in Luxemburg anhängig –, wie die österreichische Justiz damit umzugehen haben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte.

16.48

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine Budgetdebatte, insbesondere über das Kapitel Justiz, die etwa ein halbes Jahr nach der letzten stattfindet, kann nicht viel Neues bringen. Insofern habe ich auch durchaus Verständnis dafür, daß sich das Interesse in Grenzen hält, wie man auch angesichts der leeren Reihen hier sieht.

Ich habe mir die Mühe gemacht und mir vor allem die Ausführungen des Justizministers bei der letzten Budgetdebatte angeschaut, weil ich mir gedacht habe, ein halbes Jahr ist zwar nicht lang, aber sehen wir einmal nach, was von dem, das er angekündigt hat, umgesetzt worden ist. Zum Saldo ist zu sagen: Es ist wohl eine Frage, wie wohlwollend man diesen Saldo ziehen will.

Sie haben damals von folgenden großen Brocken gesprochen: Bezüglich Atomhaftung sollte etwas auf den Tisch gelegt werden. – Da ist nicht viel passiert, wie wir wissen. Bei der Umwelthaftung ist überhaupt nichts passiert. Das liegt seit Jahr und Tag in der Schublade. Sie haben davon gesprochen, daß Sie Ihre Reformüberlegungen in Sachen Familienrecht weiter vorantreiben werden. Ehe- und Scheidungsrecht, haben Sie angekündigt, würden nächstes Jahr in die Begutachtung gehen, also jetzt. Ich weiß schon, daß Sie etwas auf die Beine zu stellen versucht haben, und ich weiß durchaus, daß Ihre Bemühungen in erster Linie an der ÖVP gescheitert sind.

Ich will mich jetzt gar nicht noch einmal über meine Vorstellung und die Vorstellungen meiner Fraktion zu diesen Fragen allzu sehr äußern, denn das werden wir dann tun, wenn die Vorlagen in den Ausschuß kommen.

Daß die Liberalen seit langem die Abschaffung des Verschuldensprinzips fordern, möchte ich hier noch einmal unterstreichen. Ich glaube, daß es nicht Sache des Staates sein darf – ich sage: sein darf –, mittels eines Funktionärs, einer Funktionärin in die privatesten Angelegen


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heiten – unter Anführungszeichen – "hineinzuregieren" und daß darüber gesprochen wird, wer schuld daran ist, daß eine Beziehung auseinanderbricht. Ich finde, daß das nicht der Staat zu entscheiden hat. Was ich hingegen sehr wohl glaube, ist, daß der Staat dem Schwächeren/der Schwächeren eine gewisse Hilfestellung zu geben hat. Diese wird er auch in anderen gesellschaftspolitischen Bereichen zu geben haben. Das ist aber nach unserem Verständnis wiederum einzig über das Unterhaltsrecht zu regeln, und ich halte gar nichts davon, daß das Unterhaltsrecht und das Verschuldensprinzip in Zusammenhang gebracht werden sollen.

Das ist aber eine Frage eines – zugegebenermaßen – sehr ideologischen Zuganges, eines Zuganges, der uns nicht nur von den Freiheitlichen, sondern auch von der ÖVP – und inwieweit von der SPÖ, weiß ich nicht – massiv unterscheidet. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Über die Konkretheit dieser Dinge werden wir hoffentlich bald im Ausschuß Gelegenheit zu reden haben. Herr Justizminister! Ich hätte mir gewünscht, daß Sie, wenn Sie von Ehe- und Scheidungsrecht, wenn Sie insgesamt vom Familienrecht reden, ein Thema aufgreifen, und zwar von sich aus aufgreifen, welches in der gesellschaftlichen Diskussion schon lange an Bedeutung, auch an notwendiger Bedeutung gewonnen hat. Vielleicht hat es auch deshalb notwendige Bedeutung erlangt, weil uns andere Länder diesbezüglich einen gewaltigen Schritt voraus sind. Ich meine das Institut einer eingetragenen Partnerschaft.

Ich halte es für notwendig, daß wir uns konkret über eine solch eingetragene Partnerschaft unterhalten. Man kann darüber reden, ob diese eingetragene Partnerschaft nur für homosexuelle Menschen gelten soll, ob sie für homosexuelle und heterosexuelle Menschen gelten soll. (Abg. Großruck: Deswegen haben Sie die absolute "Mehrheit" in Österreich!) Für wen auch immer! Über all das können wir uns unterhalten. Wir können uns auch darüber unterhalten, mit welchen Rechtswirkungen diese ausgestattet sein soll. Welche Rechtswirkungen von der Ehe ist man bereit zu übernehmen – und welche nicht? Wo läßt man die Unterscheidungsgrenzen zum Institut Ehe? In welchen Bereichen hat man das Gefühl, daß sie nicht notwendig sind? – Über all das sollte man reden und nicht reflexartig in einem traditionellen – unter Anführungszeichen – "Moralbewußtsein" jede Diskussion darüber verweigern, weil man darin bereits den Untergang des Abendlandes sieht.

Ich hätte mir gewünscht, daß gerade Sie, Herr Bundesminister, der Sie keiner Partei zugerechnet werden sollten, eine Initiative ergreifen und eine Diskussion anregen, in der sich dann die anderen auch mit ihren Argumenten einklinken können. Es enttäuscht mich, daß Sie dieses nicht getan haben. – Das sage ich nur deshalb, weil Sie von Reformüberlegungen im Zusammenhang mit dem Familienrecht gesprochen haben. Wir Liberalen werden jedenfalls initiativ werden.

Sie haben weiters im Zusammenhang mit dem Kindschafts- und Sachwalterrecht angekündigt, eine Novelle in Vorbereitung zu haben und am Außerstreitverfahren – wie Sie sich ausgedrückt haben – weiterarbeiten zu wollen. Außerdem wollten Sie die Pflegschaftsverfahren und Abhandlungsverfahren neu regeln. Davon ist aber nichts umgesetzt worden. Was Sie allerdings wahr gemacht haben, ist die Strafrechtsänderungs-Novelle, das Strafrechtsänderungsgesetz 1998. Sie haben sogar einen zweiten Teil erarbeitet. Das Begutachtungsverfahren zum ersten Teil ist im Mai abgelaufen, zum zweiten Teil steht die Begutachtung noch aus. Das ist durchaus etwas, was ich Ihnen zugestehen muß, und ich halte es auch für sehr anständig, das dazuzusagen, vor allem dann, wenn sehr viele Punkte darin enthalten sind, die unsere Zustimmung bekommen werden.

Es ist auch richtig, daß es eine Strafprozeßnovelle 1998 gibt; Sie haben bei den Budgetberatungen im November darauf hingewiesen. Das war zu einem Zeitpunkt, als das Begutachtungsverfahren schon abgelaufen war. Daher haben wir erwartet, daß Sie die Stellungnahmen, die Sie im Zusammenhang mit diesem Begutachtungsverfahren bekommen haben, derart berücksichtigen werden, daß tatsächliche eine Regierungsvorlage daraus werden kann. Sie haben dies auch in Ottenstein, und zwar im Februar 1998 angekündigt. Herr Bundesmini


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ster! Sie haben, wenn Sie Ihr Versprechen wahr machen wollen, maximal noch drei Wochen Zeit.

Sie haben gesagt, daß Sie noch im Frühjahr – ich halte das schon für zu spät, aber immerhin – diese Strafprozeßnovelle zu einer Regierungsvorlage machen wollen. Und dann ist es immer noch die Frage, ob sie in den Ausschuß kommt. Aber jedenfalls wäre damit das, was Sie tun können, erledigt. Ich warte noch darauf! Ich halte es für eine Zumutung – ich werde später noch auf die Ausführungen der Frau Abgeordneten Fekter zurückkommen –, daß Frau Abgeordnete Fekter nicht nur einmal hier ein Junktim öffentlich ausgesprochen hat, was einerseits die Verstärkung der Opferschutzmaßnahmen – von denen niemand bestreiten möchte, daß sie notwendig sind – und andererseits das Diversionskonzept betrifft.

Bei Veranstaltungen – die anwesenden Justizsprecher wissen das –, bei Gruppierungen, also dort, wo man dann gerne Applaus bekommt, läßt sich leicht reden. Ich erinnere mich noch gut an Frau Abgeordnete Fekter, als sie ebenfalls dort das Wort ergriffen und gemeint hat, von einem Junktim könne doch keine Rede sein, und diese Diversion werde sie durchaus vorantreiben. – Das sind leere Worte. Es ist schon schlimm genug, wenn bei irgendwelchen Veranstaltungen leere Worte gesprochen werden, aber sich dann hier noch herzustellen und zu sagen, man sei mit dem Tempo einer Reform zufrieden, und den Justizminister betreffend einer anderen Sache aufzufordern, er möge doch tätig werden, aber selbst die Dinge nicht in Gang zu bringen, das halte ich schon für einen doppelten Boden. Aber dieser doppelte Boden wird bei anderen Beispielen, die ich auch noch aufzählen werde, klarer. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Frau Fekter ist am Opferschutz offenbar nur dann gelegen, wenn es ihren Vorstellungen entspricht, die wir im übrigen nicht kennen. Ich kann mich immer nur an ein Merkblatt erinnern, von dem sie gemeint hat, daß man es in diesem Zusammenhang auflegen sollte. Aber das hat mein Kollege Barmüller schon das letzte Mal auf sehr treffende Weise von diesem Rednerpult aus kritisiert.

Wir haben seit September 1996 einen Antrag hier liegen, der noch nicht in Verhandlung genommen wurde. Von der Vorsitzenden wurde noch nicht einmal eine Ausschußsitzung einberufen – aber auch darauf komme ich noch zu sprechen. In diesem Antrag geht es um die Besserstellung der Opfers, und zwar jener Opfer, die am meisten Schutz brauchen, weil sie nämlich die schwächsten sind, also die Kinder und Jugendlichen. Unser Antrag zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes sieht einige Punkte vor, die zu einer Verbesserung – wenn man überhaupt in diesem Zusammenhang das Wort "Verbesserung" verwenden kann –, aber jedenfalls zu einer anderen Berücksichtigung der Rolle und der Situation eines Opfers bei solchen Verfahren führen. Bis heute ist dies nicht einmal in Angriff genommen worden. – Ich sage das nur deshalb, wenn man vielleicht einmal ein Argument dafür braucht, wie ernst es mit diesen Vorstellungen offenbar ist.

Mein Eindruck ist, daß die Diversion offensichtlich nur blockiert werden soll, und das wundert mich nicht, nachdem ich vorher die Ausführungen hier gehört habe. Ich habe nichts gegen lange Denkprozesse. Im Gegenteil: Wenn sie genützt werden, dann können sie Sinn machen. Aber nur davon zu reden, daß man etwas hinterfragen müsse und offensichtlich nicht in der Lage ist, es selbst zu tun, um sich dann eine Antwort zu geben, halte ich für keinen Beitrag zur Justizpolitik, für überhaupt keinen politischen Beitrag. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Sie haben davon gesprochen, daß das strafprozessuale Vorverfahren in ein konkretes Stadium treten wird. Als Ziel haben Sie die Balance zwischen Ermittlungseffizienz, Rechtsstaatlichkeit und Gutmachung der Tatfolgen definiert. Ich halte es für notwendig, zwischen diesen drei Begriffen eine Balance zu halten, insoferne stimme ich Ihnen zu. Mir gefällt nur die Reihenfolge nicht, weil meiner Überzeugung nach die Rechtsstaatlichkeit über eine Ermittlungseffizienz zu reihen ist. Aber vielleicht haben Sie das auch gar nicht in dieser Reihenfolge gemeint, ich würde es hoffen.


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Daß es jetzt einen diesbezüglichen Diskussionsentwurf gibt, dafür möchte ich Ihnen und Ihrem Hause danken, denn damit ist jedenfalls von hier ein Anstoß gekommen. Aber jetzt komme ich zum weiteren Procedere.

Ich möchte etwas tun, was ich – und nicht nur ich – von dieser Stelle aus beim Justizkapitel immer wieder mache, und zwar möchte ich meinen Respekt für die Kompetenz, für die Kooperationsbereitschaft und für die Qualität der Arbeit der Beamtinnen und Beamten, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses des Justizministeriums aussprechen. Bei dem bleibe ich, und ich wiederhole diesen Dank. Das mache ich gerne! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber ich gebe zu, daß ich das, was ich sonst immer daran geknüpft hat, nämlich daß dies das besondere Klima in der Justizpolitik ausmache, daß das den besonderen Boden ausmache, daß daraus auch etwas entstehen könne, nun nicht mehr daran anknüpfen kann. Das ist nicht die Schuld jener, denen ich gerade gedankt habe, sondern das ist die Schuld dieses Hauses, und das ist insbesondere die Schuld der Vorsitzenden des Justizausschusses. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn keine informellen Gespräche mehr stattfinden, dann kann ich mir schon vorstellen, daß die Ursache dafür vielleicht die ist, daß der Herr Justizminister, möglicherweise aufgrund einer auferlegten – ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll – Affinität zur Koalition, versucht, niemanden schlechter zu behandeln als den anderen. Vielleicht ist das der Grund.

Jetzt ist es aber so, daß Vorlagen, die da sind, überhaupt nicht mehr in Verhandlung genommen werden. Die Vorsitzende des Justizausschusses betont hier, wie zufrieden sie mit dem Tempo der Reform ist, fordert allerdings gleichzeitig den Justizminister auf, irgendeinem Entschließungsantrag nachzukommen, hat sich aber offenbar noch nie Gedanken darüber gemacht, welches "Qualitätsmerkmal" das für sie ist, daß die Liste jener Anträge, welche zugewiesen, aber noch nicht in Beratung genommen worden sind – schauen Sie sich das Präsidialprotokoll an, in dem das immer aufgelistet ist – allein für die Justiz zweieinhalb Seiten umfaßt. Und da sind sehr viele Anträge dabei – ich rede jetzt gar nicht von jenen, von denen man weiß, daß sie nur in einem großen, komplexen Zusammenhang behandelt werden können –, die natürlich behandelbar wären.

Wissen Sie, wann die letzten Sitzungen des Justizausschusses stattgefunden haben? – Am 1. Oktober und am 2. Dezember! So zufrieden ist sie – ich verstehe, daß die Fraktion kaum mehr hier vertreten ist – mit dem Tempo der Justizpolitik, was mich nicht wundert, denn seit dem 2. Dezember – und dieser Ausschuß hatte EU-Gründe; damals mußten wir Vorlagen beraten, bei denen es um Gebührenerhöhungen und ähnliches mehr gegangen ist – hat kein Ausschuß getagt und offensichtlich auch kein Bedürfnis bestanden, sich mit den Vorlagen auseinanderzusetzen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Jetzt verstehe ich schon, daß sich vielleicht Frau Fekter nicht mehr kompetent fühlt, da Herr Khol, wie man weiß, inzwischen auch die Rolle des Justizsprechers übernommen hat (Abg. Rosemarie Bauer: Ihre Sorgen möchte ich haben!), wie er sich überhaupt als Sitten- und Moralwächter in allen möglichen Fragen, nicht nur in der Justiz, sondern auch in der Kultur, zum Sprecher macht. Das freut mich zwar insofern, als auch ich als Klubchefin Justizsprecherin und Kultursprecherin bin. Ich bin allerdings von meinem Klub dazu gewählt worden. Ich weiß nicht, wie die vom ÖVP-Klub gewählten Sprecher damit zurechtkommen, daß ihr Klubobmann jetzt Justizsprecher und Kultursprecher ist. Sozialsprecher ist er übrigens auch. Ich denke nur daran zurück, daß er eine angeblich von ihm wahrgenommene Matte den Menschen wegziehen will und ähnliches mehr. Frauensprecher ist er natürlich auch! Ich finde es wunderbar, daß er die Zeit hat, all diese Funktionen zu übernehmen.

Das könnte eine Erklärung dafür sein, daß Frau Fekter keinen Ausschuß mehr einberuft. Der Herr Khol kann und darf das vielleicht nicht, und daher meint sie, daß das keinen Sinn hat, solange die Dinge nicht abgeschlossen sind. Daß die Arbeitsgruppe seinerzeit verlassen wurde,


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hat heute keine so große Relevanz mehr, weil es immerhin einen von Experten ausgearbeiteten Entwurf gibt. Ich spreche jetzt vom zweiten Teil des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998.

Ich hoffe, daß wir dennoch bald im Ausschuß – oder auch in anderer Form, ich weiß es nicht – Gelegenheit haben werden, über Sachfragen und auch darüber zu reden, was die ÖVP meint, wenn sie davon redet – das liest man sonst nur in Zeitungsartikeln und hört es in sonstigen Gesprächen, und insofern muß ich sagen, daß da offenbar der größte Bremsblock zu suchen ist –, daß die "guten Sitten" geschützt werden sollen. Darum geht es ihr.

Insofern ist das in der gesamten Argumentation schon immer sehr logisch und homogen gewesen, denn wenn es darum geht, gute Sitten statt die Integrität des Menschen zu schützen, dann kommt es dazu, daß man – wie das seinerzeit der Fall war – auch dagegen ist, daß die Vergewaltigung in der Ehe genauso bestraft wird wie die Vergewaltigung außerhalb der Ehe. Selbstverständlich! Denn wenn es nicht um die Integrität geht, sondern um ein bestimmtes Sittenbild, dann macht das natürlich einen gravierenden Unterschied in den Augen der ÖVP. (Abg. Mag. Kukacka: Das eine schließt das andere nicht aus!) Ich erinnere mich sehr gut daran, wie schwierig es damals war, die ÖVP zu einer anderen Argumentation zu bringen, sodaß ... (Abg. Rosemarie Bauer: Das ist doch überhaupt nicht wahr! Behaupten Sie doch nicht solche Unwahrheiten!) – Sie brauchen doch nur die Protokolle nachzulesen!

Inzwischen haben wir glücklicherweise eine Strafbarkeit dieses Tatbestandes, aber es ist durchaus homogen in der gesamten Argumentation, denn daran schließt sich auch nahtlos an, wie man mit homosexuellen Menschen umgeht. (Abg. Rosemarie Bauer: Sie können es noch 20mal sagen, aber es stimmt noch immer nicht!) Dabei geht es nämlich auch nicht um Selbstbestimmung und um die Integrität des Individuums, sondern da geht es um bestimmte "sittliche" Vorstellungen, wobei ich dies immer unter Anführungszeichen setze. (Abg. Mag. Kukacka: Da geht es um Schutzmaßnahmen für Jugendliche!)

Diese Argumentationslinie paßt auch zu einem ganz anderen Thema: Wenn es um die 0,5 Promille geht, dann sind das letztlich auch "sittliche" Vorstellungen, die dem zugrunde gelegt werden. Sie sind nur ein bißchen anders, aber auch da spielt der Schutz der Integrität weniger Rolle. Das paßt eigentlich alles zusammen! Das ist das einzige, wofür man der ÖVP ein Kompliment in diesem Zusammenhang aussprechen kann. (Abg. Rosemarie Bauer: Sie hätten sich doch eine Rede schreiben sollen – und nicht nur Angriffe!)

Von den offenen Anträgen, die wir haben, möchte ich nur ganz wenige anschneiden, die gerade mit diesem Thema zusammenhängen. Es wäre durchaus möglich, ohne lange Verhandlungen, sondern in einem intensiven Argumentationaustausch einmal darüber zu reden und auch jene Abgeordneten beim Wort zu nehmen, die ansonsten in Zeitungsinterviews oder bei einschlägigen Veranstaltungen immer sagen, wofür sie gerne bereit wären.

Ich rede daher nicht vom § 209 StGB, obwohl ich es für eine Schande halte, daß wir ihn immer noch haben, von dem rede ich im Moment nicht, aber ich höre immer wieder auch aus Kreisen der ÖVP, daß diese Ungleichbehandlung, daß zum Beispiel homosexuelle Lebensgefährten kein Entschlagungsrecht vor Gericht haben, nicht gerechtfertigt sei. Ich frage mich: Was schützen Sie damit? – Schützen Sie das Vertrauensverhältnis zwischen Menschen, oder schützen Sie Ihre sittlichen Vorstellungen, wer zusammensein darf und wer nicht?

Deshalb würde ich Sie ersuchen, sich vielleicht doch einmal bereitzufinden, einen Justizausschuß einzuberufen und zum Beispiel den Antrag der Liberalen, in dem es um das Entschlagungsrecht geht, der den Wegfall des Terminus des Geschlechts vorsieht, sodaß es geschlechtsneutral ist, in Behandlung zu nehmen und darüber nachzudenken, ob das einem christlichen Menschenbild entspricht, das Sie vertreten können.

Wissen Sie, wie Menschen, die eine Operation, eine Geschlechtsumwandlung hinter sich haben, darunter leiden, welchen formalen Weg sie im Zusammenhang mit der Namensänderung gehen müssen? – Es gibt Anträge der Liberalen im Ausschuß bezüglich einer Namensänderung, um wenigstens diese Facette, die nur eine kleine ist, diesen Menschen zu erleichtern. Kein Mensch von Ihnen schert sich darum!


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Ich erinnere mich daran, daß der Justizminister vor etwa einem halben Jahr oder länger eine Änderung des Mietrechtsgesetzes in die Richtung angekündigt hat, daß es auch ein Eintrittsrecht nach Ableben des Partners für Homosexuelle geben soll. Alle waren sich darin einig, daß es doch wirklich eine Zumutung ist, daß jemand, der 30 Jahre in einer Lebensgemeinschaft mit einem anderen Menschen gelebt hat, wenn der andere stirbt, nur deswegen in das Mietrechtsverhältnis nicht eintreten darf, weil er ein homosexueller Partner ist im Gegensatz zu einem Heterosexuellen. Sie haben eine Änderung angekündigt, aber eine solche ist, offenbar aufgrund der Blockade der ÖVP, nicht einmal ins Haus gekommen.

Ich sage Ihnen daher: Wir sind mit dem Tempo der Justizpolitik und der Reformpolitik nicht zufrieden. Wir stimmen diesem Budget trotzdem zu. Wir stimmen ihm deswegen zu, Herr Justizminister, weil wir Ihnen den Rücken stärken wollen, damit Sie an Tempo zulegen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

17.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Dr. Michalek. – Bitte.

17.08

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, einer guten Tradition folgend, auch diese Budgetdebatte zunächst dazu nützen, einen Überblick über die legislativen Vorhaben des Justizressorts in der nächsten Zeit zu geben, selbst auf die Gefahr hin, in einem Jahr gescholten zu werden, nicht alles eingehalten zu haben. Aber Rückenwind und Rückenstärkung nehme ich gerne entgegen! (Abg. Dr. Schmidt: Nicht gescholten! – Abg. Dr. Fekter: Sie haben auch keinen Vertrag unterschrieben!) Sie werden daraus ersehen können, daß der Justizausschuß auch im Herbst, während der österreichischen EU-Präsidentschaft, nicht arbeitslos sein wird.

Noch vor der Sommerpause sollen dem Parlament das erste Euro-Justizbegleitgesetz, das Übernahmegesetz und das Strafrechtsänderungsgesetz 1998 zugeleitet werden. Das gestern vom Ministerrat beschlossene 1. Euro-Justizbegleitgesetz sieht im Zusammenhang mit der Einführung des Euro per 1. Jänner 1999 Vorkehrungen im allgemeinen Zivilrecht, insbesondere zum Schutze der Konsumenten, zum Ersatz des künftig wegfallenden Diskontsatzes und anderer Wertmaßstäbe und zur Ermöglichung von Fremdwährungspfandrechten im Grundbuch, aber auch Änderungen in der Bilanzierung und – sehr umfangreich – im Bereich des Rechtes der Aktiengesellschaft und der Ges.m.b.H. vor.

Durch das Übernahmegesetz soll, wie Sie aus früheren Debatten wissen, der Schutz der Kleinaktionäre bei Übergang der Kontrollrechte an einer Aktiengesellschaft verbessert und damit die Attraktivität des österreichischen Kapitalmarktes gesteigert werden.

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 schließlich sollen einerseits die Strafen für schwere Fälle sexuellen Kindesmißbrauchs verschärft und die Verjährungsfrist bei an Kindern und Jugendlichen verübten Sexualdelikten verlängert werden sowie die schonende Vernehmung von Opfern von Sexualstraftaten ausgeweitet werden. In diesem Zusammenhang, Frau Abgeordnete Dr. Fekter, kann ich berichten, daß die vom Bundesministerium für Justiz zur Verbesserung der Stellung der Opfer von Sexualverbrechen nach dem Verbrechensopfergesetz geführten Gespräche mit dem kompetenzmäßig zuständigen Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales sehr vielversprechend sind. (Abg. Dr. Fekter: Super! – Beifall der Abgeordneten Dr. Fekter und Rosemarie Bauer. )

Zum anderen sollen mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 auf dem Gebiete des Wirtschaftsrechtes OECD- und EU-rechtliche Vorgaben zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im öffentlichen Bereich umgesetzt werden.

Erst für die Herbstarbeit des Nationalrates wird sich die Strafprozeßnovelle 1998 mit der Regelung des außergerichtlichen Tatausgleichs und anderen Diversionsmaßnahmen eignen, da sich die Auswertung der Ergebnisse des umfangreichen Begutachtungsverfahrens länger als ver


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mutet hingezogen hat. Wir sind aber guten Mutes, daß im Laufe des Sommers eine Vorlage möglich sein wird.

Parallel arbeiten wir an den Begutachtungsentwürfen zu Novellen der Rechtsanwalts- und Notariatsordnung.

Was das Atomhaftungsrecht anlangt, kann ich sagen, daß das Bundesministerium für Justiz durchaus nicht untätig war. Derzeit sind wir gerade mit der Aufarbeitung des Begutachtungsverfahrens befaßt. Sie können sich wahrscheinlich vorstellen, daß dort einige sehr gewichtige Einwände deponiert wurden.

Einen weiteren Schwerpunkt unserer Arbeit werden, wie heute schon erwähnt, das Ehe-, das Ehescheidungs-, das Kindschafts- und das Sachwalterschaftsrecht bilden, und ich bin bestrebt, die Begutachtungsentwürfe hiezu der Öffentlichkeit im Sommer dieses Jahres vorzustellen.

Mit dem Ehe- und Scheidungsrechtsänderungsgesetz sollen im wesentlichen die schon in der Öffentlichkeit diskutierten Probleme, die in der Praxis aufgetreten sind und die sich in der Regel zum Nachteil des wirtschaftlich Schwächeren, also meist der Frau, auswirken, in sachgerechter Weise gelöst werden. Ganz allgemein ist der Entwurf von der Zielsetzung geleitet, die Grundsätze der Gleichberechtigung und der Partnerschaft in der Ehe zu verstärken, den Schutz des wirtschaftlich Schwächeren in der Ehe und in der nachehelichen Auseinandersetzung auszubauen, das Verschuldensprinzip im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht zurückzudrängen und die Mediation als konfliktvermeidendes Instrument der ehelichen und nachehelichen Auseinandersetzung gesetzlich zu etablieren und zu fördern.

Bei den Reformüberlegungen zum Kindschaftsrecht geht es darum, Entwicklungen und Tendenzen in unserer Gesellschaft, die auf eine stärkere Betonung der Eigenständigkeit des Kindes, auf eine nachhaltigere Berücksichtigung seines Willens und seines Wohles hinauslaufen, Rechnung zu tragen. So wird nicht nur überlegt, die Grenze für die Erreichung der Volljährigkeit von 19 auf 18 Jahre herabzusetzen (demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Schmidt ), sondern auch eine selbständige Antragslegitimation Minderjähriger in Verfahren, die ihre Obsorge betreffen, einzuführen und das Selbstbestimmungsrecht der Kinder immer dort zu stärken, wo es um Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte geht. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Im Sachwalterrecht wird es vor allem darum gehen, angesichts einer doch sehr beträchtlich steigenden Zahl von Sachwalterbestellungen dafür Sorge zu treffen, daß die Sachwalterschaft in Hinkunft treffsicherer, als es vielleicht bisher da und dort der Fall ist, eingesetzt werden kann.

Meine Damen und Herren! Natürlich werden wir uns auch unseren Großprojekten, der Reform des Außerstreitverfahrens und der Gesamtreform des Genossenschaftsrechtes, kontinuierlich widmen, und ich hoffe doch, daß es möglich sein wird, zum Jahresende Begutachtungsentwürfe vorzulegen.

Was schließlich das anspruchsvolle Projekt einer Gesamtreform des strafprozessualen Vorverfahrens betrifft, so haben uns die fachlichen, politischen und medialen Reaktionen auf den im April vorgestellten Diskussionsentwurf optimistisch gestimmt. Dieser Diskussionsentwurf wird nun mit dem Bundesministerium für Inneres, aber auch mit Vertretern der betroffenen Berufsgruppen und der Wissenschaft diskutiert und in weiterer Folge zu einem Begutachtungsentwurf überarbeitet werden.

Wir gehen hier, wie bei allen Gesetzesinitiativen unseres Hauses, den Weg der sorgfältigen Vorbereitung in interdisziplinären Arbeitsgruppen, in die wir alle betroffenen Kreise einbeziehen – einen Weg, nicht nur nach innen, Herr Abgeordneter Dr. Ofner, in die Justiz hineinzuhorchen, sondern eben auch nach außen zu horchen.

So ist es übrigens auch bei der von Abgeordnetem Dr. Ofner angesprochenen Erweiterten Wertgrenzennovelle gewesen. Ich kann berichten, daß nach bisheriger Evaluierung dieser Reformen in den fast fünf Monaten deren Geltung die in sie gesetzten Erwartungen durchaus erfüllt


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wurden und jedenfalls kein Grund für Befürchtungen besteht, daß die österreichweite Leitfunktion des Obersten Gerichtshofes beeinträchtigt werden könnte. (Abg. Dr. Ofner: Herr Minister! Welche Erwartungen sind das gewesen? Wessen Erwartungen sind das gewesen?)

Die Erwartungen sind auf der einen Seite – das war das Argument –, den Zugang zum Obersten Gerichtshof maßvoll zu beschränken, ohne deshalb die Leitfunktion des Obersten Gerichtshofes, die zu Recht eingemahnt und eingefordert wird, zu gefährden. Und genau das wird durch diese Regelung durchaus sichergestellt. (Abg. Dr. Ofner: Was sich der Apparat gewünscht hat, ist eingetreten!) – Aber man kann auch nicht immer das tun, was die Rechtsanwälte wollen. Daß wir damit nicht nur in den Apparat hineingehört haben, wirst du gesehen haben, wenn du das Editorial in der "Richterzeitung" gelesen hast. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Aber es gibt noch die Bürger! Es gibt die Bürger, und es gibt die Notare!)

Meine Damen und Herren! Unsere Arbeiten im internationalen Bereich – und dieser wird immer größer – werden in nächster Zeit zweifellos im Zeichen der Übernahme des österreichischen Vorsitzes in der Europäischen Union in der zweiten Jahreshälfte stehen. Diese Präsidentschaft fällt in eine Zeit, in der auch die Justizpolitik der Gemeinschaft vor neuen Herausforderungen steht. Gleichsam am Vorabend des Inkrafttretens des Vertrages von Amsterdam, mit dem wichtige Schritte auf dem Weg des europäischen Integrationsprozesses gesetzt werden, ergeben sich auch neue Perspektiven für die Weiterentwicklung der justitiellen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten.

Eine der wesentlichen Neuerungen des Vertrages bildet die Vergemeinschaftung einer Reihe von Materien, die bisher der sogenannten Dritten Säule, also Justiz und Inneres, des Vertragswerks der Europäischen Union zugehörten. Darunter fallen insbesondere Maßnahmen der Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind.

Rechtliche Hemmnisse, die die Geltendmachung und Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erschweren oder verzögern, wie etwa auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts, des Zustellwesens sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sollen abgebaut oder überhaupt beseitigt werden.

Zugleich gilt es, den Herausforderungen zu begegnen, die sich in einem Europa offener Grenzen aus neuen Formen organisierter Kriminalität und aus dem mit diesen offenen Grenzen verbundenen Mißbrauch des freien Waren-, Kapital-, Dienstleistungs- und Personenverkehrs in der Gemeinschaft für die Rechtssysteme und die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten vor allem auf strafrechtlichem Gebiete ergeben.

Der österreichische EU-Vorsitz steht aber auch im Zeichen der geplanten Osterweiterung der Europäischen Union, die für Österreich nicht nur aus geographischen und historischen Gründen besondere Bedeutung hat. Aus Sicht der Justiz erscheint es wesentlich, daß die im Vertrag von Amsterdam bekräftigten allgemeinen Grundsätze – Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit – zu wesentlichen Kriterien der ins Auge gefaßten Beitritte zur Europäischen Union werden. Das bedeutet nicht allein die formelle Übernahme des Rechtsbesitzstandes der Union, sondern das Vorliegen institutioneller Voraussetzungen, um diese auch effektiv umsetzen zu können.

In diesem Zusammenhang wird die österreichische Justiz, wie das auch bisher unser Bemühen war, ihre Maßnahmen zur Unterstützung der Reformstaaten bei ihren Anstrengungen, die angeführten Kriterien zu erfüllen und sich damit den Rechtsstandards der Europäischen Union anzugleichen, fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Ein Wort noch zum Budget 1999. Auch wenn die Gesamtausgaben des Justizressorts um 375 Millionen Schilling gegenüber 1998 steigen, wird die prozentuelle Belastung des Bundeshaushaltes netto geringer als im Vorjahr sein, weil wir mit einer Einnahmenerhöhung in der Höhe von zirka 440 Millionen Schilling rechnen. Die Mehrausgaben sollen die steigenden laufenden Ausgaben abdecken und schwerpunktmäßig Erhöhungen im Bereich


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der Sachwalterschaft, der Bewährungshilfe, insbesondere zur flächendeckenden Durchführung des außergerichtlichen Tatausgleichs für Erwachsene, und im Einsatz automationsunterstützter Technik finanzieren.

Die Justiz wird aber auch budgetär in die Lage versetzt, in verschiedenen Sachbereichen – nicht zuletzt auch im Bereich der von der Frau Abgeordneten Stoisits angesprochenen Wirtschafts- und organisierten Kriminalität – noch mehr in die Aus- und Fortbildung ihrer Richter und Staatsanwälte zu investieren.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß noch ein grundsätzliches Wort zu den aktuell anhängigen, in der Öffentlichkeit und in politischen Kreisen heftig diskutierten verschiedenen Strafrechtscausen. Auch für alle diese sogenannten klamorosen Causen gilt: Der Bürger erwartet sich von der Justiz eine von der öffentlichen Diskussion unbeeinflußte, sachliche und kompetente Arbeit. Ich bin mir gewiß, daß die Justiz auch in diesen Verfahren das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP, bei den Grünen sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

17.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.24

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben jetzt eine breite Palette von Themen aufgeworfen bezüglich Ihrer Vorhaben für die Zukunft, die es leider Gottes von der Zeit her nicht erlauben, hier in der Gesamtheit darauf zu replizieren. Das ist auch ein Produkt der Geschäftsordnungsreform gewesen, daß die Geschäftsordnung immer ministerfreundlicher wird, aber für die Abgeordneten immer weniger Zeit zur Verfügung steht, etwas zu debattieren (Beifall bei den Freiheitlichen) – insbesondere dann, wenn man erkennen muß, daß der Justizausschuß tatsächlich nicht mehr tagt.

Das ist ein "Verdienst" der Frau Abgeordneten Fekter und der ÖVP, die tatsächlich bei allem auf die Bremse steigen. Es wurde schon gesagt, daß in diesem Jahr überhaupt noch kein Justizausschuß getagt hat. Dann verwundert einen natürlich noch viel mehr, wenn Frau Abgeordnete Fekter – ich habe mir das aufgeschrieben, denn man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen – wörtlich sagt, daß die Verhandlungen im Justizausschuß zur allgemeinen Zufriedenheit voranschreiten, daß sie mit dem Reformtempo sowieso zufrieden ist, daß eine breite Diskussion geführt werden soll und sie davon ausgeht, daß Justizpolitik in diesem Haus während des EU-Vorsitzes nicht ruhen wird. – Das ist unerträglich und sogar zynisch, wenn Sie das in dieser Form vom Rednerpult aus sagen! Das möchte ich hier einmal deponieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In der Realität wird Justizpolitik ganz anders gemacht, und das möchte ich ganz kurz skizzieren: Die Justizpolitik wird in den ministeriellen Arbeitsgruppen vollzogen, in denen die ÖVP permanent durch Abwesenheit glänzt und Frau Abgeordnete Fekter überhaupt noch nie gesehen worden war. Weder bei der Behandlung des Ehescheidungsrechtes noch bei der Wertgrenzennovelle waren Sie jemals dort zugegen, um sich vielleicht einmal darüber zu informieren, wie man dort die Diskussion führt.

Justizpolitik geht ganz anders vor sich. Die Freiheitlichen geben dort fundierte Stellungnahmen zu den einzelnen Entwürfen ab – unlängst erst über das Ehescheidungsrechtsänderungsgesetz –, und Sie gehen dann mit einem Parlamentsmitarbeiter in die letzte Sitzung dieses Diskussionsforums und sagen: Die ÖVP kann keine Stellungnahme zum bisherigen Diskussionsverlauf abgeben, der über ein Jahr vollzogen worden ist (Abg. Dr. Fekter: Zwei Jahre!), über zwei Jahre vollzogen worden ist, sie kann immer noch keine Stellungnahme abgeben. – Dann geben Sie eine Pressekonferenz und übernehmen im wesentlichen die Standpunkte der Freiheitlichen. Das ist in Wirklichkeit die Justizpolitik, die Sie betreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Oder – auch passiert, auch mit Hilfe des Ministers, denn wir wollten an sich das Kindschaftsrecht auch beim Ehescheidungsrechtsänderungsgesetz mitverhandelt wissen, damit es gleichzeitig zu einer Gesetzwerdung kommt –: Damals wurde uns in dieser Gruppe des Ministers versprochen und zugesagt, daß es noch vor dem Sommer zu einem Entwurf kommen wird und daß, bevor dieser Entwurf in der Öffentlichkeit diskutiert wird, dieser den einzelnen Fraktionen zugeleitet wird.

Ich habe mir daraufhin erlaubt, am 24. April – ich habe das schriftlich gemacht – daran zu erinnern und auch zu urgieren, was mit dem Entwurf sei. Das Ergebnis war – das scheint fast nach Absprache ausgeschaut zu haben –, daß als nächstes Frau Abgeordnete Fekter am 7. Mai plötzlich mit diesem Thema hinausgeht, daß dann Frau Mag. Prammer reagiert und auch Justizminister Michalek seine Stellungnahme dazu abgibt. – Ich halte es für nicht sinnvoll, wenn man an einer gedeihlichen Zusammenarbeit aller Fraktionen interessiert ist, daß man Versprechen, die man abgibt, nicht einhält, indem Sie ganz einfach in der Öffentlichkeit zu diskutieren beginnen und wir letztendlich die einzigen waren, die sich an die Absprache gehalten und das in der Öffentlichkeit nicht diskutiert haben. Das möchte ich auch hier sagen! (Abg. Dr. Fekter: Wollen Sie uns auch einen Maulkorb umhängen? Das wird Ihnen nicht gelingen! Das kann Ihr Parteiobmann bei Ihnen tun, aber nicht bei uns!)

Frau Abgeordnete Fekter! Sie betreiben Justizpolitik nur mehr undifferenziert in Schlagworten in den Medien, ohne überhaupt den Sachverhalt zu kennen, der behandelt werden soll! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das müssen Sie sich schon sagen lassen, Frau Fekter!)

Zum Budget möchte ich folgendes sagen: Ich finde es auch traurig, daß in einem Ministerium, in dem eine hohe Selbstfinanzierungsquote, nämlich über zwei Drittel, vorliegt, permanent Gebührenerhöhungen zur Budgetkosmetik zu Lasten des Bürgers eingefahren werden. Ich möchte nur, damit das auch einmal im Hause bekannt wird, kurz skizzieren, welche Erhöhungen zu Lasten des Bürgers und damit auch zu Lasten des freien Zugangs zum Recht in den letzten Jahren eingeführt wurden.

Daraus ersieht man, wie in den letzten zwei Jahren diese Milliarde an Mehreinnahmen – in etwa 1 Milliarde Schilling – zustande kommt, die aber nicht zu einem gut Teil zumindest für den Opferschutz verwendet wird, sondern wiederum, wie wir jetzt gerade von Ihnen gehört haben, für die Bewährungshilfe, für den Strafvollzug et cetera – und natürlich auch nebenbei, um eine EDV-mäßige Adaptierung vorzunehmen, was durchaus sinnvoll ist. Im Strafvollzug und im Konkursrecht passiert EDV-mäßig einiges. Das ist begrüßenswert.

Diese Erhöhungen seien nur kurz angeschnitten: Es gab Erhöhungen der Bemessungsgrundlage für Dienstbarkeiten und Ausgedinge, gerichtlicher Kündigungen von Mietverträgen, Bestandsstreitigkeiten, Räumungsklagen, Besitzstörungsklagen, Vaterschaftsprozessen, Exszindierungsklagen – das war nicht viel, aber doch etwas –; weiters Valorisierungen der festen Gebühren ab 1995, Einführung eines Streitgenossenzuschlags in der Höhe von 50 Prozent ab 1997, Einführung einer valorisierten Abfragegebühr pro Zeichen für automatisationsunterstützte, abgerufene Informationen ab Oktober 1997, Erhöhungen der Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren um 10 Prozent, Erhöhungen der Pauschalgebühren im Rechtsmittelverfahren in Zivilrechtssachen zweiter und dritter Instanz um etwa 5 bis 10 Prozent, Erhöhungen der Pauschalgebühren im Exekutionsverfahren um 10 Prozent, Erhöhungen der Gebühren in Konkurs- uns Ausgleichsverfahren, Erhöhungen der Pauschalgebühren für Begehren auf Herabsetzung des Unterhalts in Außerstreitsachen, Erhöhungen der Kosten für Verlassenschaftsabhandlungen um 10 Prozent, Anhebung der Gebühren in Grundbuchsachen für Eintragungsgebühren um 56 Prozent, für Vormerkungen um 46 Prozent, Pfandrechtseintragungen um 0,1 Prozent – im Verhältnis 10 Prozent Erhöhung –; die Gebühren für die Anmerkung der Rangordnung sind ebenfalls erhöht worden, und Grundbuchauszüge wurden auch um 10 Prozent teurer.

Wenn man all das auch unter diesem Aspekt sieht, daß in Wirklichkeit die Daumenschraube angezogen wird und der Rechtsuchende zum Teil nicht mehr den Rechtszuspruch erhält, weil er es sich unter Umständen nicht mehr leisten kann, dann ist das, was Abgeordneter Harald Ofner


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gesagt hat, auch in bezug auf den erschwerten Zugang zum Obersten Gerichtshof tatsächlich eine massive Beeinträchtigung. Es ist sicherlich nicht ein Wunsch der "Anwaltslobby", das wiederum zu reversieren, sondern das liegt letztendlich im Interesse der Bürger. Das sollte man auch bedenken, denn nicht der Anwalt sucht das Recht, sondern der Bürger sucht das Recht. Das soll ihm auch kostengünstig zur Verfügung gestellt werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.32

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Graf, diese Mär, daß wir die Justizpolitik der Freiheitlichen übernehmen, glaubt Ihnen niemand in Österreich. Das werden Sie nicht so schnell erleben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber Sie wären gut beraten, wenn Sie es tun würden!) Denn, meine Damen und Herren, da stehen schon unsere politischen Grundsätze und Werte davor, daß wir diese Justizpolitik nicht übernehmen! Da kommen wir nicht in die geringste Versuchung. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Justiz leidet noch jetzt unter Dr. Graff!)

Daß unsere Justizpolitik oder die Justizpolitik unserer Justizsprecherin nur aus Schlagworten besteht ... (Abg. Dr. Graf: Ihr seid ja nicht vorhanden!) – Ganz Österreich weiß, daß Weltmeister in Schlagworten und Schwarzweißmalen – nicht nur in der Justizpolitik, sondern in allen Bereichen der Politik – ausschließlich die Freiheitliche Partei ist, und da wollen wir auch gar nicht mit ihr konkurrieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht einmal bei den Wahlen können Sie mit uns konkurrieren!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich aber einleitend kurz mit Themen befassen, die auch mit meiner Funktion als Verkehrssprecher etwas zu tun haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Justiz leidet jetzt noch unter Graff!) Am 12. Dezember hat nämlich der Nationalrat eine Entschließung betreffend Fahrlässigkeitsdelikte unter Alkoholeinfluß beschlossen, in der unter anderem der Bundesminister für Justiz ersucht wurde, dem Nationalrat bis 15. Mai einen Bericht über die Rechtsprechung der Gerichte, gegliedert nach den einzelnen Oberlandesgerichtssprengeln, im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte unter Alkoholeinfluß zu erstatten.

Es geht also um die unterschiedliche Spruchpraxis zwischen den einzelnen Oberlandesgerichtssprengeln in Österreich, und mit diesem Bericht möchte ich mich kurz befassen. Einleitend ist darauf hinzuweisen, daß die Zahl der durch Verkehrsunfälle Getöteten und Verletzten in den letzten 25 Jahren ständig zurückgegangen ist, und zwar ist seit 1972 die Zahl der Getöteten um fast 60 Prozent und die Zahl der Verletzten um mehr als 30 Prozent zurückgegangen – und das bei ständig steigendem Verkehrsaufkommen.

Es ist in den letzten Jahren auch der Prozentanteil der Unfälle wegen Trunkenheit an den Straßenverkehrsunfällen mit Personenschaden zurückgegangen, und zwar zwischen 1985 und 1996 von 12,6 auf 7,9 beziehungsweise von 9,3 auf 7,1 Prozent – und das in einem Zeitraum, in dem noch die 0,8 Promilleregelung gegolten hat, meine Damen und Herren! Diese Zahl ist zurückgegangen, obwohl aufgrund dieser Promillediskussion der Eindruck entstanden ist, es hätte eine enorme Zunahme von Alkoholdelikten gegeben. Genau das Gegenteil ist eingetreten! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Im Jahr 1996 kam es im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen zu insgesamt 44 Verurteilungen wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter "Berauschung". Die von den Gerichten bei weitem am höchsten angewendete Strafart war jene der unbedingten Freiheitsstrafe. Die Verhängung anderer Strafarten als jener der unbedingten Freiheitsstrafe erfolgte in weitaus geringerem Maße und ausschließlich bei nicht vorbestraften Tätern.

Grundsätzlich erscheint bei der Analyse der gesamtösterreichischen Statistik die Spruchpraxis der Gerichte im Bereich der Straßenverkehrskriminalität durchaus ausgewogen. Durch den sehr


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hohen Anteil an empfindlichen unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen wird auch deutlich, daß die Verursachung eines Verkehrsunfalles mit tödlichem Ausgang im alkoholisierten Zustand keineswegs ein Kavaliersdelikt ist und von den Gerichten auch nicht so gesehen wird. Manche Medien behaupten das zwar, aber das ist nicht in Übereinstimmung mit der Rechtspraxis.

Das begrüßen wir ausdrücklich. Wir halten auch fest, daß das im Sinne einer präventiven Verkehrssicherheitspolitik auch notwendig und sinnvoll ist.

Die Aufgliederung der dargestellten Zahlen nach Oberlandesgerichtssprengeln zeigt allerdings ein sehr differenziertes Bild. Unbedingte Freiheitsstrafen wurden nämlich ausschließlich in den Oberlandesgerichtssprengeln Wien und Graz verhängt. In den Sprengeln Innsbruck ist die Zahl der verhängten unbedingten Geldstrafen höher als jene der verhängten unbedingten Freiheitsstrafe, während im Sprengel Linz nur außerordentlich wenig unbedingte Freiheitsstrafen bei fahrlässiger Tötung oder schwerer Körperverletzung unter Alkoholeinfluß verhängt werden.

Es ergibt sich somit das Bild einer deutlich strengeren Rechtsprechung in den Sprengeln Wien und Graz, einer gemäßigt strengen Rechtsprechung in Innsbruck und einer äußerst moderaten Rechtsprechung im Oberlandesgerichtssprengel Linz.

Diese doch eindeutig unterschiedliche Spruchpraxis bei schweren Verkehrsdelikten halte ich nicht für sinnvoll, Herr Minister, auch nicht für notwendig und wünschenswert. Straftäter sollen, unabhängig vom Ort der Tatbegehung, mit einer möglichst vergleichbaren Sanktionierung ihres Verhaltens zu rechnen haben – quer durch Österreich. Das scheint mir ein wichtiger rechtspolitischer Grundsatz zu sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich weiß, daß es aufgrund der verfassungsgesetzlichen Trennung von Justiz und Verwaltung keine direkten Einwirkungsmöglichkeiten des Justizministers auf die Spruchpraxis der Gerichte gibt – es sei denn in Form des dem Justizminister zustehenden Weisungsrechtes gegenüber den Staatsanwaltschaften. Da ist aber – auch das gestehe ich zu – selbstverständlich Zurückhaltung angebracht.

Gerade im Hinblick auf die Verschärfung des Führerscheingesetzes und der Straßenverkehrsordnung bei den Alkoholbestimmungen muß aber die weitere Entwicklung der Spruchpraxis in den einzelnen Oberlandesgerichtssprengeln mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden, und zwar dahin gehend, welche Urteile gefaßt werden. Im Rahmen Ihrer Möglichkeit muß auch etwa durch Fortbildungsveranstaltungen für Richter, durch Besprechungen mit Behördenleitern auf eine österreichweit möglichst einheitliche Spruchpraxis hingewirkt werden. Darum, Herr Minister, wollte ich Sie in diesem Zusammenhang ersuchen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.40

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Im Budget 1999 sind für den Justizbereich Mehrausgaben von 376 Millionen Schilling – das ist eine Erhöhung um 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr – vorgesehen. Diese Budgeterhöhung liegt zwar über der Inflationsrate, ist aber eigentlich nicht erwähnenswert. Man könnte meinen, daß für das Justizwesen im Jahr 1999 Routine und Geschäftstätigkeit wie gehabt angesagt sind. In Wirklichkeit aber sind für 1999 große Vorhaben geplant, die die Rechtsprechung nachhaltig beeinflussen werden, sobald wir sie hier beschließen werden.

Ich werde mich in meinen Ausführungen aufgrund der Zeitknappheit nur auf das Strafrecht beschränken. Der frühere und von mir sehr verehrte Justizminister Christian Broda hat 1984 in einem Vortrag in Salzburg folgendes festgehalten:

"Rechtsreform in der Demokratie steht im Dienste des Nachziehverfahrens, durch das die Rechtsordnung an die veränderte Gesellschaft angepaßt wird. So ist es, und nicht umgekehrt. Dennoch ist die Änderung der Rechtsordnung im Rahmen und im Zuge des gesellschaftlichen


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Nachziehverfahrens durchaus nicht ohne Bedeutung für die Weiterentwicklung in der Gesellschaft. Die Veränderung der Gesellschaft und die Änderung der Rechtsordnung stehen zueinander im Verhältnis von Ursache und Wirkung. Aber sie wirken aufeinander auch im umgekehrten Sinne. Sie regen einander an und befruchten einander." – Zitatende.

Diese – hoffentlich unbestrittenen – Grundüberlegungen möchte ich in Erinnerung rufen, wenn es darum geht, substantielle Änderungen im Strafrecht zu verwirklichen. Da wir hier in diesem Hause 1996 mit dem Strafrechtsänderungsgesetz den ersten Teil beschlossen haben und mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 – dieses soll ja, so hoffe ich, noch folgen – den zweiten Teil verabschieden werden, werden wir nun mit der geplanten Änderung der Strafprozeßordnung den zweiten Teil der Reformvorhaben in Angriff nehmen, nämlich die Reform der Strafprozeßordnung.

Es gibt in Österreich breiten Konsens darüber, daß die Strafprozeßordnung, die nun mehr als 120 Jahre alt ist, grundlegend und umfassend reformiert werden muß. Das ist auch im jetzigen Regierungsübereinkommen als Schwerpunkt festgehalten. Dort heißt es – ich zitiere –: In diesem Sinn geht es um eine rationale Strafrechts- und Strafvollzugspolitik im Dienste wirksamer Bekämpfung der Kriminalität, eines verbesserten Opferschutzes und einer nachhaltigen Resozialisierung straffällig Gewordener. – Das scheint mir äußerst wichtig zu sein.

Hohes Haus! Ich möchte darauf hinweisen, daß es gefährlich und vor allen Dingen sinnlos ist, wenn man versucht – wie das in diesem Hause auch heute wieder der Fall war –, den Opferschutz gegen die Resozialisierung von Straffälligen auszuspielen. Es ist sehr populistisch, zu lamentieren, daß in Österreich viel zuviel für die Täter und viel zuwenig für die Opfer getan wird.

Das trifft aber nicht das Problem, und dazu möchte ich nochmals Christian Broda zitieren. Er sagte:

"Die Aufgabe der Kriminalpolitik ist es, die Zahl der Opfer so klein wie möglich zu halten. Alles, was wir tun, dient diesem Ziel. Die Fürsorge für die Verbrechensopfer und die Verbesserung der Aussichten der Resozialisierung für straffällig gewordene Mitmenschen sind zwei Seiten der gleichen Kriminalpolitik. Sie sind keine Gegensätze, sondern ergänzen einander. Die Bemühungen in der einen Richtung sind gleichzeitig die Bedingungen für einen Erfolg in der anderen Richtung." (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt keine Strafrechtsreform ohne Einbeziehung des Strafvollzugs, denn das ist eine Einheit. Ich möchte zur Bestätigung dafür auf ein Modell hinweisen, das in der Justizanstalt Innsbruck praktiziert wird. Es ist ein Modell, in dessen Rahmen straffällig gewordenen Drogenabhängigen die Möglichkeit angeboten wird, sich während des Strafvollzugs einer Therapie zu unterziehen. Das ist insofern wichtig, als man damit die Ursache der Kriminalität bekämpft. Es muß auch im Sinne der Gesellschaft sein, daß man – auch Kollege Ofner hat das heute einige Male erwähnt – darauf achtet, daß der Straffällige nicht wieder rückfällig wird. Da ist kein Schilling zuviel ausgegeben, und jeder Schilling, der in diese Richtung investiert wird, ist ein Schilling, der wieder der Gesellschaft zugute kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Enden möchte ich mit einem Zitat von Karl Renner, einem Zitat aus einer seiner berühmten Reden. Ich habe aus der Rede zur ersten Lesung des Strafgesetzentwurfes am 21. September 1927 zwei Sätze herausgegriffen und möchte sie heute hier zu bedenken geben, auch denjenigen, die immer wieder nach härteren, höheren Strafen rufen. Diese Sätze lauten:

"Je barbarischer das Land ist, umso barbarischer sind die Deliktsbegriffe, umso barbarischer die Strafen. Die Beschaffenheit seines Strafrechts ist geradezu ein Kulturindex eines Volkes."

Danach sollten wir uns richten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


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17.46


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Schrefel. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.46

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine der wichtigsten Grundlagen eines demokratischen Rechtstaates ist das Vertrauen des Bürgers in die Justiz. Dieses Vertrauen weiter zu festigen und auszubauen, muß auch weiterhin ein Schwerpunkt der Justizpolitik sein. Bürgernähe und Leistungsfähigkeit der Justiz sowie der Vorrang für Verfahrensbeschleunigung und Verfahrensvereinfachung stärken dieses Vertrauen in die Justiz.

Auch der Bundesvoranschlag 1999 mit einer Erhöhung des Sach- und Personalaufwandes um 376 Millionen Schilling auf insgesamt 10,9 Milliarden Schilling trägt dem Rechnung, um eine kontinuierliche Weiterentwicklung im Justizbereich zu gewährleisten. Die Erhöhung der Sachausgaben ist insbesondere zur Bedeckung der stark ansteigenden Kosten der medizinischen Betreuung in den Justizanstalten erforderlich.

Beim Kapitel Justizanstalten scheint mir besonders erwähnenswert zu sein, daß neben der sicheren Verwahrung und Versorgung sowie der medizinischen Versorgung besonders für die Berufsausbildung der Jugendlichen Sorge getragen wird, um die Jugendlichen nach ihrer Entlassung wieder leichter in ein geordnetes Berufsleben einfügen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dort setzt die Bewährungshilfe an. Auch in dieser Hinsicht ist die Erhöhung der Sachausgaben, die in erster Linie aus der Umstrukturierung der Bewährungshilfe, der Ausstattung mit EDV-Einrichtungen sowie der Intensivierung der Betreuungsangebote resultiert, gerechtfertigt. Bei der Förderung sind vor allem die Zuwendungen an den Verein für Bewährungshilfe und soziale Aufgaben veranschlagt. Ab 1. Jänner 1999 werden die Aufgaben der Bewährungshilfe von einer privaten Vereinigung wahrgenommen werden.

Nun noch ein paar Sätze zur Rechtspolitik im Rahmen der Europäischen Union. In den Gremien der EU ist eine Reihe von Projekten in Arbeit, an deren Entwicklung das Bundesministerium für Justiz gestaltend mitwirkt. Bei dieser sogenannten Dritten Säule handelt es sich zum Teil um eine Zusammenarbeit der EU-Staaten in den Bereichen Justiz und Inneres sowie um Aktivitäten zur Vereinheitlichung des Binnenmarktes. Wir haben heute gehört, daß zurzeit Währungs- und Wirtschaftsrecht anstehen, aber zum Beispiel auch Konsumentenschutz, Gesellschaftsrecht, Urheberrecht, Erleichterung der Auslieferung und so weiter.

Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren sieht sich die internationale Gemeinschaft verstärkt einem Bedrohungsbild durch Erscheinungsformen des organisierten und grenzüberschreitenden Verbrechens gegenüber. Wir Österreicher sind aufgrund unserer wirtschaftlichen Stabilität und geographischen Lage von illegalen Aktivitäten wie Drogenhandel, Schlepperei, Geldwäscherei, Diebstahl und Schmuggel von Kraftfahrzeugen nicht unberührt geblieben. Für eine effektive Bekämpfung der organisierten Kriminalität wurden besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingefügt, um die Durchschlagskraft der Sicherheitsexekutive wesentlich zu verbessern. Dies hat eine gewisse Angleichung an die Mitgliedstaaten der EU gebracht.

Es liegt nun noch eine Reihe von Reformen vor uns, wie die Reform des Kindschafts- und Scheidungsrechtes sowie der Sachwalterschaft, Maßnahmen gegen Kindesmißbrauch oder der umstrittene Tatausgleich. Letzterer soll zwar eine Entlastung der Justiz bringen, scheint aber bei den Bürgern auf sehr geteilte Meinungen zu stoßen, was das Gefühl für Recht und Unrecht anlangt.

Abschließend möchte ich sagen, daß das neue Besoldungsrecht für Richter, welches jungen Richtern ein höheres Anfangsgehalt gewährleistet, die Lebensverdienstsumme insgesamt jedoch nicht erhöht, zu begrüßen ist. Dies bedeutet mehr Kosten am Anfang, weil ältere Richter sicherlich nicht auf Kürzungen zugunsten junger Richter optieren werden. Diese Kosten müssen außergerichtlich aufgebracht werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt gelangt Frau Abgeordnete Anna Huber zu Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.51

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! In dieser Legislaturperiode ist es – das kann man erfreut feststellen – durch eine Reihe legistischer Maßnahmen in verschiedensten Bereichen zu einer Stärkung der Position der Verbraucher gekommen. Ich erinnere hier nur an die Novelle zum Bankwesengesetz, das Kapitalmarktgesetz, Versicherungsvertragsrecht und Bauträgervertragsrecht, Wertpapieraufsichtsgesetz, Maklerteilzeitnutzungsgesetz und – last but not least – die Konsumentenschutzgesetz-Novelle.

Es ist richtig, daß wir hier in Österreich – zumindest im europäischen Vergleich – ein relativ gutes Schutzniveau haben. Das heißt aber absolut nicht, daß es nichts mehr zu tun gibt. Ganz im Gegenteil!

Wo müssen also in Zukunft die konsumentenpolitischen Schwerpunkte gesetzt werden? – Ich denke, Konsumenten stehen infolge der rasanten Entwicklung im Bereich von Wissenschaft und Technologie heute neuen Produkten und auch völlig neuen Vertriebswegen gegenüber. Versandhandel, Teleshopping und der Kauf via Internet gewinnen zunehmend an Bedeutung. Mit diesen Änderungen des Vertriebes, die dazu führen, daß es vom Angebot bis zum Geschäftsabschluß überhaupt keinen persönlichen Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer mehr gibt, entsteht selbstverständlich eine Reihe zusätzlicher Risken für die Konsumenten. Daher ist die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie ein sehr wichtiger Schritt, um diese Risken zu minimieren.

In dieser Richtlinie ist der gesamte Bereich der Finanzdienstleistungen leider nicht enthalten. Gerade das ist aber ein überaus sensibler Bereich. Es geht zum Teil um langfristige Verträge, an welche die Konsumenten nach Abschluß gebunden sind. Ich erwarte mir, daß im Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft wichtige Impulse und Vorarbeiten für eine gemeinsame europäische Lösung in diesem Bereich gesetzt werden.

Ebenso wichtig und dringlich scheint mir ein neues Gewährleistungsrecht zu sein, weil es – das habe ich bereits beim Kapitel Konsumentenschutz betont – in diesem Bereich die größte Zahl von Beschwerden und Problemen gibt. Ich möchte hier im Rahmen der Debatte zum Kapitel Justiz nochmals betonen, daß der Vorschlag, eine einheitliche Gewährleistungsfrist von 24 Monaten für bewegliche und unbewegliche Sachen einzuführen, ein durchaus akzeptabler Kompromiß ist. Ich begrüße diesen Kompromiß, obwohl ich natürlich den ursprünglichen österreichischen Vorschlag, der 36 Monate Gewährleistungsfrist vorgesehen hat, für wesentlich besser gehalten habe.

Insgesamt meine ich, daß Politik für Verbraucher absolut kein Hemmschuh für die Wirtschaft ist. Vielmehr ist sie ein notwendiger Ausgleich zwischen den naturgemäß unterschiedlichen Interessen von Wirtschaft und Konsumenten, und sie muß ein Ausgleich der unterschiedlichen Machtverhältnisse in diesem Bereich sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Gatterer. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

17.54

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Justizminister! Die Welt von morgen läßt sich daran ablesen, wie wir mit unseren Kindern heute umgehen. – Das sagt der UN-Generalsekretär Kofi Annan, und er hat recht damit, denn der Reichtum und die Zukunft jedes Landes sind dessen Kinder. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wer die Rechte von Kindern mißachtet, wer auch nur stillschweigend duldet, daß diese Rechte mißachtet werden, verspielt ein Stück unserer Zukunft.


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Es ist erschütternd, daß wir beinahe täglich in den Medien von Mißbrauch und Gewalttätigkeit gegen Kinder lesen und daß Kinder Opfer von sexueller Gewalt und von Mißbrauch werden. Ich glaube, wir sind über die politischen Grenzen hinweg aufgefordert, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Dieses Thema ist Gott sei Dank bereits seit einigen Jahren aus dem Tabubereich gerückt, aber nach wie vor können Täter auch heute davon ausgehen, daß sie unerkannt und unbestraft zu Tätern und zu Wiederholungstätern werden können, während Kinder lebenslängliche Auswirkungen und psychische Schäden erleiden. Und das ist mit ein Grund dafür, daß die Frauenbewegung der ÖVP eine Bürgerinitiative namens "Schaut nicht weg!" gestartet hat. Die Kinder brauchen uns. (Beifall bei der ÖVP.) Sag ja zum Schutz der Kinder vor Mißbrauch! Das geht uns alle an.

Herr Minister! Es ist heute viel über Zeitfragen gesprochen worden. Ich habe selbst bereits vor sechs Jahren urgiert, zum Beispiel die Verjährungsfrist zu überdenken. Vieles dauert sehr lange, aber ich hoffe, daß es jetzt wirklich ernst wird mit Opferschutz, mit Therapie für Opfer und mit besserem Beistand für Opfer. Ich hoffe, daß es damit ernst wird, ich hoffe aber auch, daß es mit einer verstärkten Anonymität der Opfer in den Medien ernst wird. Man muß dazu sagen, daß die Medien Aufklärung und Bewußtseinsbildung leisten, aber das geht manchmal zu Lasten der Opfer.

Wir werden unsere Anliegen als Bürgerinitiative einreichen, denn wir wollen mit dieser Aktion zwei Ziele erreichen. Erstens wollen wir mit jeder Unterschrift auf dieses leider bestehende Problem aufmerksam machen, wir wollen Bewußtsein erzeugen, aufklären und damit auch vorbeugend wirken. Denn die beste Vorbeugung besteht in Aufklärung und Sensibilisierung – dafür hat jeder von uns eine Verantwortung – sowie selbstverständlich auch in den gesetzlichen Maßnahmen.

Ich denke, es gibt nach wie vor ein sehr großes Ungleichgewicht, was die Strafen anlangt. Wenn ich zum Beispiel – wie viele Österreicher – mit Empörung lese, daß sich ein Wiener in Thailand und Ungarn an 100 Kindern verging und nur drei Monate Haft bekommen hat, und auf derselben Seite weiters über eine Strafe von vier Jahren Gefängnis für den Diebstahl dreier Autos berichtet wird, dann frage ich mich: Wie gewichten wir hier? – Vor allem sage ich dazu: Wir gewichten hier nicht richtig, die Kinder müßten mehr Schutz erfahren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Ich würde mir auch wünschen – speziell von Ihnen, Herr Minister –, daß unter der EU-Präsidentschaft Österreichs vermehrt auf Verbrechen im Internet eingegangen wird. Sie wissen, daß heute viel Kinderpornographie und Kinderhandel über Internet betrieben wird. Es ist erschütternd, daß die Zahl dieser Delikte zunimmt, daß das internationale Verbrechen keine Grenzen kennt und daß die betroffenen Kinder immer jünger werden. Es ist erschütternd, daß diese erschreckenden Taten zunehmend von organisierter Kriminalität vermarktet werden und auf diesem Weg ihren Markt suchen.

Ich möchte aber auch sagen, daß für viele Kinder die Familie nicht nur ein sicherer Ort ist, sondern daß sie die Familie manchmal leider auch als Tatort erleben müssen. Das ist für Kinder besonders erschreckend. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang beim Familienminister dafür bedanken, daß er mit der Aktion "Kein sicherer Ort" darauf aufmerksam macht, daß Gewalt, Mißbrauch und auch sexuelle Übergriffe leider sehr oft in der Familie vorkommen.

Für viele Kinder dieser Welt beginnt die Kindheit nie – oder endet viel zu früh. Mißbrauchte Kinder werden nicht nur in ihrer Kindheit mißbraucht und ihrer Kindheit beraubt, sondern ihr Körper und ihre Seele leiden insgesamt Schaden. In dieser Hinsicht darf nicht das Recht des Stärkeren, sondern muß die Stärke des Rechts gelten. Wir brauchen ein viel stärkeres Recht, und dieses muß den Kindern helfen. Kinder sind kleine Menschen, aber sie brauchen große Rechte! (Allgemeiner Beifall.)


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18.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.00

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Öffentlichkeit diskutiert den Finanzskandal der Freiheitlichen und auch den Wohnbauskandal der Freiheitlichen. Vom Herrn Bundesminister haben wir gehört, daß die strafrechtlichen Erhebungen laufen. Warum sage ich das? – Auch in Salzburg gab es im Jahr 1989 einen Finanzskandal und einen Wohnbauskandal. Es gibt zwar signifikante Unterschiede – das möchte ich mit aller Deutlichkeit betonen –, aber es gibt auch Berührungspunkte.

Zunächst zum Salzburger Verfahren.

Herr Bundesminister! Ich bedanke mich bei Ihnen dafür, daß Sie – wie Sie mir schriftlich mitgeteilt haben – die erforderlichen Vorkehrungen insbesondere in personeller Hinsicht getroffen haben, damit das große WEB-Strafverfahren zu Ende geführt werden kann. Dieses ist tatsächlich ein Prüfstand für die Funktionstüchtigkeit des Rechtsstaates. – Das ist die eine Seite.

Die andere Seite besteht darin, daß wir auch über die Probleme diskutieren müssen. Es hat im Zuge dieses Verfahrens eine Reihe von Problemen gegeben. 1989 erfolgte die Anzeige durch die Arbeiterkammer, aber zur Anklageerhebung kam es erst 1996, und Ende 1998 wird vielleicht die schriftliche Urteilsausfertigung erster Instanz vorliegen. Dazwischen gab es Diskussionen um die Befangenheit von Richtern und Sachverständigen, das Abtauchen des Hauptbeschuldigten, des Ex-Staatsanwaltes Dr. Graf, die wunderbare Reise des zweiten Hauptbeschuldigten, Dr. Schiedeks, nach Mittelamerika und seine unerwartete, allerdings gerichtlich erzwungene Rückkehr in Handschellen nach Salzburg.

Dem ging allerdings eine erfolgreiche Aktenvernichtung der Buchhaltungsunterlagen der gemeinnützigen WEB voraus, sodaß beispielsweise die Wohnsparer Edlach im Verfahren gegen das Land Salzburg nicht wissen, wie sie ihre Forderungen entsprechend durchsetzen können. Daneben gab es einen Aktenschwund beim Landesgericht Salzburg sowie auch bei der Finanzlandesdirektion Wien.

Warum sage ich das? – Herr Bundesminister! Ich erwarte mir, daß mit der Reform des Vorverfahrens, mit der Verlagerung der Vorerhebungen in Richtung der Staatsanwälte derartige Probleme ausgeschaltet werden und nicht mehr vorkommen.

Wir haben nicht nur einen Finanzskandal, sondern auch einen Wohnbauskandal. Im Land Salzburg wurde dazu ein eigener Untersuchungsausschuß eingerichtet, der im Endbericht Forderungen an den Bund formuliert hat – Forderungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die wir bereits umgesetzt haben. Ich denke nur etwa an das Genossenschaftsrevisionsrechts-Änderungsgesetz, mit dem die Revision gestärkt wurde.

Die Freiheitliche Partei – daran möchte ich erinnern – hat dagegen gestimmt. Die Freiheitliche Partei hat in diesem Bericht auch klare Aussagen getroffen. Ich lese vor, worin eine der Forderungen der Freiheitlichen Partei bestand: "Wenn einer Bauvereinigung in ihrer Tätigkeit parteipolitisches Handeln nachgewiesen wird, soll das den Verlust der Gemeinnützigkeit zur Folge haben." – Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Ich hoffe, daß Ihrem Wunsche in dieser Hinsicht entsprochen wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wurmitzer. )

Wenn man sich mit dem WEB-Verfahren auseinandersetzt – ich habe hier die Anklageschrift –, dann fällt auf, daß Wirtschaftstreuhänder maßgeblich daran beteiligt waren. Warum sage ich das? – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Derzeit ist ein Wirtschaftstreuhandberufsgesetz in Begutachtung, von dem ich meine, daß es in der vorliegenden Form nicht akzeptiert werden kann. In der Anklageschrift im großen WEB-Strafverfahren werden drei Steuerberater beziehungsweise Wirtschaftstreuhänder erwähnt, denen von der Staatsanwaltschaft Salzburg vorgeworfen wird, einen Schaden im Ausmaß von 1,485 Milliarden Schilling verursacht zu haben.


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Das vorliegende Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geht auf diese Problematik in keiner Weise ein. Ich erinnere an die Rosenstingl-Problematik, und ich erinnere an den Fall Kohlmayr in Salzburg mit einem Schaden von 800 Millionen Schilling. Doch in diesem Entwurf eines Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes vermisse ich den Schutz für den Konsumenten und den Schutz für den Anleger.

Herr Bundesminister! Ich darf Sie ersuchen, Ihren Einfluß dahin gehend geltend zu machen, damit dieser Entwurf in der vorliegenden Form im Ministerrat nicht beschlossen wird. Es geht um mehr Sicherheit für Konsumenten, es geht aber auch um mehr Sicherheit für die seriösen Kanzleien der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater. Dafür sollten wir uns einsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.05

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor zirka zwei oder drei Monaten wurde in den Medien über einen Fall in Bad Goisern berichtet, in dem ein ganzer Ort vor einem offensichtlich Geisteskranken gewarnt hat, der möglicherweise immer wieder andere bedroht hatte. Es wurde gefragt: Muß etwas passieren, daß etwas passiert? Warum werden diese Menschen nicht behandelt?

Es gab einen weiteren Fall in Favoriten: Dort wurde eine Oma, die gerade mit ihrem Enkelkind zu einer Tanzstunde ging, von einem völlig Unbekannten niedergestochen. Danach hat sich herausgestellt, daß dort der zuständige Primar, der diesen Patienten schon öfters behandelt hatte, dem Unterbringungsgesetz die Schuld daran gegeben hat. Er sagte, es sei heute unmöglich, Menschen gegen ihren Willen länger zu behandeln. – Versuchen Sie einmal, sich in die Position eines Opfers hineinzuversetzen! Wenn Sie auf der Straße plötzlich niedergestochen werden, ist das nicht gerade lustig.

Wir haben dann eine Enquete abgehalten, um die Erfahrungen mit sieben Jahren Unterbringungsgesetz einmal für uns Revue passieren zu lassen und vielleicht auch mögliche Änderungen einzubringen. Es hat sich herausgestellt, daß nicht die Zahl der kriminellen Delikte das Hauptproblem ist – auch wenn diese in medialer Hinsicht äußerst dramatisch sind –, viel schwerwiegender ist das Problem der Nichtbehandlung. Diese Patienten werden nicht behandelt, sondern nur "anbehandelt". Anschließend verwahrlosen sie irgendwo und werden von unserer Gesellschaft gnadenlos ausgegrenzt. Das kann ich als praktischer Arzt, der damit zu tun hat, durchaus sagen.

Ein weiteres Phänomen zeigt sich in Form der sogenannte Drehtürpsychiatrie: Leute kommen, werden kurz behandelt, einen Monat später kommen sie wieder und werden neuerlich kurz behandelt. Stellen Sie sich zum Vergleich vor, Sie würden einem Herzinfarkt-Patienten ein Aspirin in die Hand drücken und nach zwei Tagen sagen: Gehen Sie heim, es ist nicht mehr akut! – Dasselbe Problem finden Sie oft auch im Fall von psychisch Kranken vor.

Seht stutzig hat uns auch gemacht, daß die Belegschaft von Justizanstalten deponiert hat: Wir sind nicht dazu da, in den Justizanstalten immer mehr psychisch abnorme Straftäter zu betreuen, die eigentlich gar nicht zu uns in den normalen Strafvollzug gehören. Wir sind keine Psychiater.

Weiters hat Herr Professor Schanda, der ärztliche Leiter der Justizanstalt Göllersdorf, erklärt: Seit dem Unterbringungsgesetz gibt es wesentlich mehr Leute, die dort nicht tage-, sondern jahrelang als geistig abnorme Rechtsbrecher behandelt werden müssen, weil sie straffällig werden.

Fazit der gesamten Veranstaltung war, daß eigentlich nicht so sehr das Gesetz bekrittelt wurde. Es wurde auch nicht vordringlich gefordert, daß man das Gesetz per se ändert, sondern es


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wurde das Anliegen vorgebracht, das Verfahren irgendwie zu straffen. Professor Danzinger von der Nervenklinik Graz hat zum Beispiel gesagt: Die Anhörung belastet die Patienten sehr; nicht selten haben sie den Eindruck, daß sie aufgrund des Verfahrens, das sie eigentlich schützen soll, praktisch zum Aufenthalt in der Psychiatrie "verurteilt" werden.

Ich fasse zusammen: Ich denke, daß die psychiatrische Versorgung draußen besser werden muß. Das hat auch der Rechnungshof festgestellt, dies soll aber keine Ausrede für die Justiz werden. Ich denke, wir brauchen einen besseren Vollzug des Gesetzes und ein stärkeres Miteinander. Auch das Justizministerium war in dieser Enquete vertreten und hat sehr positive Ansätze eingebracht, sodaß ich jetzt den Glauben hege, daß wir ein an und für sich nicht schlechtes Gesetz in einer äußerst heiklen Materie behutsam weiterentwickeln sollten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.10

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die heutige Budgetdebatte zum Justizkapitel dafür nützen, ein bißchen davon zu erzählen, was ich als Vorsitzende der Mietervereinigung Österreichs, der größten Mieterschutzorganisation dieses Landes, tagtäglich erlebe, weil ich durch diese Tätigkeit auch tagtäglich damit konfrontiert bin, welche Probleme die Menschen haben.

Es ist eine unvorstellbare Summe – allein in Wien sind es 40 Millionen Schilling im Jahr –, die die Mietervereinigung zurückerstreitet. Das reicht von zu hoch bezahlten und zu hoch abgerechneten Betriebskosten über viel zu hoch oder überhöht verrechnete Mieten bis hin zu illegalen Ablösegeschäften.

Das hat ursprünglich einmal noch nichts mit der gesetzlichen Regelung zu tun, das hat aber sehr wohl damit zu tun, daß es bei Inrechnungstellung dieser überhöhten Beträge eigentlich für den Vermieter, für den Hauseigentümer kein Risiko gibt. Kommt man einem Hauseigentümer drauf, führen wir ein Verfahren über falsch abgerechnete Betriebskosten, über ein Verschaffen von zusätzlichem Körberlgeld, dann ist die einzige Konsequenz, die daraus entsteht, daß er jenem Mieter, der das beanstandet hat – und auch nur diesem einen – diesen Betrag zurückerstatten muß.

Ich glaube, daß das ein Bereich ist, bei dem wir uns sehr wohl damit befassen sollten, wieweit wir nicht stärker dafür sorgen sollten – wir sehen auch, daß es immer wieder die gleichen sind, die die Betriebskosten falsch abrechnen, die überhöhte Mieten abrechnen –, daß im Interesse der Mieter zum Beispiel zusätzliche Geldleistungen dem Haus zugeführt werden müssen, das dann für die Erhaltung und Instandsetzung verwendet wird.

Wir alle wissen auch, daß eine Wohnung kein vergleichbares Gut, nämlich kein Konsumgut ist, auf das ganz einfach verzichtet werden kann, sondern daß es sich um ein ganz grundlegendes Lebensbedürfnis handelt. In dieser Erkenntnis können wir ja grundsätzlich auch sehr stolz darauf sein, daß wir ein historisch gewachsenes Mietrecht mit zwei sehr wesentlichen Säulen für die Mieter, nämlich Preisschutz und Kündigungsschutz haben und unser Kündigungsschutz auch internationale Anerkennung findet.

Es geht nicht darum, daß man den Markt öffnen und diese Schutzmechanismen aufheben sollte, sondern ganz im Gegenteil: Sie müssen wieder verstärkt ausgebaut werden, weil es ja ohne Zweifel keine Gleichheit zwischen Wohnungssuchenden und Mietern auf der einen Seite, nämlich jenen, die das Konsumgut zum Leben benötigen, und dem Anbieter auf der anderen Seite gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben dieses von den Grundzügen her an sich sehr positive Mietrecht jedoch mit einer Problematik versehen, nämlich der, daß es immer weniger Wohnungen gibt, die unter das Mietrecht fallen. Wir sollten daher in die Richtung gehen, den Anwendungsbereich des Miet


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rechtsgesetzes zum Beispiel auch auf geförderte Wohnungen auszuweiten. Desgleichen sollten wir vielleicht auch den fixen Stichtag, wie er derzeit besteht – da geht es darum, wie alt das Haus ist –, überdenken.

Der zweite für Mieter sehr wesentliche Bereich ist der Zugang zum Recht. Wir hatten heute bereits eine Debatte darüber in diesem Haus. In diesem Zusammenhang halte ich auch die Beschlußfassung der Wertgrenzengesetznovelle, die mit heurigem Jahr in Kraft getreten ist, für sehr wesentlich. Ich teile die Auffassung, daß es an sich problematisch ist, in einigen Rechtsmaterien Wertgrenzen einzuführen, weil damit nicht mehr auf die inhaltlich-rechtliche Frage abgestellt wird, sondern ausschließlich auf den ziffernmäßigen Betrag. Im Mietrechtsbereich ist das eine Problematik, weil es hier nicht um die Höhe des Betrages geht, sondern um diesen inhaltlichen Wert, der erforderlich ist. Ich halte es auch nicht für sehr sinnvoll, daß nur jene, die um sehr hohe Beträge streiten, alle Instanzen durchgehen können, während Verfahren mit geringem Streitwert eigentlich beim Landesgericht hängenbleiben.

Gleichzeitig kann das natürlich auch dazu führen, daß es senatsweise Rechtsprechungen gibt und wir in Mietrechtsfragen dann eine andere Judikatur in Tirol haben könnten als in Wien. Das halte ich nicht für sehr sinnvoll.

Ohne Zweifel ist aber die Intention, die dahintergestanden ist, nämlich eine Entlastung des Obersten Gerichtshofes, eine Überlegung, die wir anstellen könnten. Daher befürworte ich den Vorschlag – den ich, Herr Bundesminister, im übrigen auch im Zuge der Ausschußdebatte gemacht habe –, daß gerade in Mietrechtsfragen, wo es ein so wesentlicher Bestandteil ist, auch zu OGH-Entscheidungen zu kommen, die Mieterschutzorganisationen in Österreich die Möglichkeit bekommen, eine Verbandsklage einzubringen. Es gibt diese Regelung zum Beispiel im Bereich des Konsumentenschutzes; dort ist das möglich. Meiner Information nach sind auch alle anderen österreichischen Mieterschutzorganisationen für diese Regelung, daß wir die Möglichkeit einer Verbandsklage einführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt, mit dem wir uns natürlich zu befassen haben – das auch deshalb, weil wir im Nationalrat einen Entschließungsantrag beschlossen haben, mit dem wir den Finanzminister und Sie, Herr Minister, ersucht haben, einen tauglichen Entwurf vorzulegen –, ist die eigentlich sehr skurrile Regelung im Mietrechtsgesetz, die als Kompensation zu einer einkommensteuerlichen Regelung erfunden wurde. Sie wissen, es geht darum, daß im Zuge der Einkommensteuerpflicht der Hauptmietzinsreserven die Möglichkeit geschaffen wurde, 40 Prozent herauszunehmen, was in Wirklichkeit ein Umwälzen dieser Steuerleistung auf die Mieter eins zu eins bedeutet.

Ich möchte das vielleicht kurz erläutern. Das hat nämlich zur Folge, daß 40 Prozent jenes Geldes, das dazu da ist, das Haus zu erhalten, vom Haus weggenommen werden können und in die Taschen des Hauseigentümers fließen, und wenn Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind, ist dieser Betrag dann eins zu eins von den Mietern zu leisten. Das ist ein unhaltbarer Zustand!

Es gibt dazu jetzt einen Vorschlag, einen Entwurf des Finanzministeriums, der ein tauglicher Weg wäre. Ich weiß, daß er auch Ihre Unterstützung findet, wir haben in diesem Bereich nur das Problem der Lobbyisten der Hauseigentümer. Ich ersuche aber auch die Fraktion der ÖVP, sich dieses Themas anzunehmen. Es wäre eine Möglichkeit, doch eine mieterfreundliche Variante zu finden und davon abzugehen, daß aus dem Haus Gelder genommen werden und für die Instandhaltung ausschließlich die Mieter aufzukommen haben. Das ist vor allem auch deshalb von Bedeutung, weil wir Übergangsregelungen haben, wonach es derzeit der Fall sein kann, daß es null Schilling Steuerleistung gibt und trotzdem diese Entnahme von 40 Prozent möglich ist.

Ich möchte mich aber auch für zwei Regelungen der letzten Wochen und Monate bedanken, weil ich glaube, daß das der richtige Weg ist. Das eine ist das Genossenschaftsrevisionsrechtsänderungsgesetz, das wir beschlossen haben. Da geht es um Kontrolle, und aus aktuellem Anlaß wissen wir, wie wichtig diese Kontrolle ist. Das zweite ist das Bauträgervertragsgesetz, in dem wir festgehalten haben, daß es nur dann möglich ist, daß Gelder von Mietern verlangt werden, wenn auch die Bonität gegeben ist. Obwohl es noch keine Genossenschaft in Öster


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reich gab, die in irgendeiner Form insolvenzgefährdet gewesen wäre, wollten wir trotzdem festlegen, daß die Aufsichtsbehörde bei Gemeinnützigen eine Bonitätserklärung abgeben muß. Wie wichtig das ist, zeigt ebenfalls der aktuelle Fall.

Ich bin daher sehr dankbar und freue mich darüber, daß wir weiterhin mieterfreundliche und mieterschützerische Regelungen erarbeiten werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Löschnak. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

18.19

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Zuge dieser Debatte zum Budgetkapitel Justiz zum Vereinsrecht einige Anmerkungen machen, zum Vereinsrecht, das ja in letzter Zeit mehrmals ins Gerede gekommen ist, sei es dadurch, daß durch eine Reihe von Insolvenzen oder Beinahe-Insolvenzen im Sportbereich, aber auch in anderen Vereinsbereichen davon die Rede war, sei es, daß zum Beispiel kriminelle oder vermeintlich kriminelle Aspekte in Millionenhöhe beispielsweise bei einem Krebshilfeverein zum Gerede beigetragen haben, oder sei es der Diskussionsentwurf einer interministeriellen Arbeitsgruppe über eine Reform gerade dieses Vereinsrechtes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir schon von Ins-Gerede-Kommen sprechen, kann man natürlich auch an den Ereignissen der letzten Wochen in der FPÖ, in der niederösterreichischen FPÖ vor allem, nicht vorbeigehen, denn gerade diese Vorkommnisse schreien ja geradezu nach stärkerer und nach häufigerer Kontrolle in allen Bereichen, insbesondere auch dort, wo auf Vereinsbasis "Malversationen" – wie Sie in Verwendung der neuen Begriffsbestimmung für Übertretungen, Vergehen und Verbrechen nach dem Strafgesetz hier Gesetzesdefinitionen vornehmen – stattgefunden haben.

Es hat zu diesem Vereinsrecht viele Wortmeldungen gegeben. Ich habe mir das sehr genau angesehen, und mein Succus aus diesen Wortmeldungen war eigentlich: Die meisten waren, wie so oft, auf Verunsicherung ausgerichtet, und zwar auf Verunsicherung in einem sehr sensiblen Bereich. Daher, glaube ich, kann man durchaus feststellen: Auf die meisten dieser Wortmeldungen hätte man wirklich verzichten können. Der Bogen dieser Wortmeldungen reichte von etlichen Landeshauptleuten über Abgeordnete hier im Haus und in den Landtagen bis hin zu den jeweiligen Generalsekretären.

Wirklich den Vogel abgeschossen hat bei den Generalsekretären der Generalsekretär der Freiheitlichen, der Herr Westenthaler. Er hat nämlich in einer Aussendung am 18. Oktober 1997 gemeint – ich zitiere wörtlich –: "Insgesamt werden sich die Freiheitlichen schützend vor die rund 100 000 österreichischen Vereine stellen und gegen den Zugriff von Rot und Schwarz ankämpfen." – Das hat Westenthaler gemeint, und ich meine, daß man gar nicht genug davor warnen kann, hier die FPÖ tätig werden zu lassen! Den Schutz brauchen unsere 100 000 Vereine in Österreich tatsächlich nicht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das werden – weil wir soeben beim Kapitel Justiz sind – die Justizbehörden in bewährter Weise zu entscheiden haben, und sie werden – davon bin ich überzeugt – die richtigen Entscheidungen auch in diesen Causen, die da seit Wochen die Öffentlichkeit beschäftigen, treffen.

Ich möchte noch einige grundsätzliche Anmerkungen zum gesamten Vereinsrecht machen.

Erstens: Mir scheint, daß die privatrechtliche Seite des Vereinsrechtes bisher viel zu kurz gekommen ist und daß hier ganz einfach Handlungsbedarf besteht.

Zweitens: Daß bei den "Normalvereinen" – unter Anführungszeichen; ich meine damit die Sportvereine, die Kulturvereine, die Gesangsvereine – kein Handlungsbedarf besteht, ist ebenso evident.


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Und daß – drittens – gerade bei den Sportvereinen – und für diese spreche ich im Namen der Bundessportorganisation; das sind 14 000 in Österreich – schon gar kein Handlungsbedarf gegeben ist, ist ebenfalls evident, denn der größte Teil dieser Vereine ist mit Belastungen und mit Bürokratie hinreichend versehen.

Aber es gibt natürlich bei großen Vereinen, die wirtschaftlich geführt sind oder die wie Wirtschaftsbetriebe geführt werden, durchaus einiges, was in Zukunft neu zu regeln sein wird. Daher glaube ich, daß man nicht zuletzt im Lichte der traurigen Ereignisse in der FPÖ – vor allem in der niederösterreichischen FPÖ – und angesichts dieser negativen Qualität an neuer Erfahrung in diesem Land wenigstens über ein erneuertes Vereinsrecht nachdenken wird dürfen.

Ich meine, daß man auch nachdenken soll, und ich glaube, daß wir – die nachdenken wollen und sollen – Ihrer Unterstützung sicher sein können, Herr Justizminister. Dafür schon im voraus herzlichen Dank! (Beifall bei der SPÖ.)

18.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als vorläufig letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Fuhrmann zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.24

Abgeordneter Dr. Willi Fuhrmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zuge dieser Debatte zum Budgetkapitel Justiz bin ich auch persönlich Gegenstand der Diskussion geworden. Ich sehe mich daher gezwungen, einige Bemerkungen zu den aufgeworfenen Themen zu machen.

Meine Damen und Herren! Faktum ist, daß Abgeordneter Haider mich in der "Pressestunde" am vergangenen Sonntag bezichtigt hat, auf der Lohnliste der Mafia zu stehen.

Meine Damen und Herren! In der heutigen Tageszeitung "Die Presse" hat Redakteur Karl Peter Schwarz einen Leitartikel geschrieben. Von diesem Leitartikel möchte ich Ihnen gerne zwei Absätze zitieren. Der erste Absatz lautet – ich zitiere –:

"Die Motive der FP-Kampagne gegen die angeblichen Mafia-Kontakte der Bundesregierung sind von einer geradezu entwaffnenden Transparenz. Es geht um nichts anderes als um den Versuch, von der Affäre Rosenstingl abzulenken."

Ein wenig weiter im Text heißt es – ich zitiere wieder –: "Die Infamie des Vorwurfs der Mafia-Connection liegt darin, daß die betroffenen Politiker keine Chance haben, sich zu verteidigen. Statt Mafia hätten die Kampagnisierer früher ,Weltjudentum‘ oder ,Freimaurerverschwörung‘ gesagt und damit den gleichen Zweck erreicht. Die Traditionslinie, die hier sichtbar wird, ist alles andere als liberal und demokratisch." (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen hiezu – und damit sind wir schon wieder beim Thema, nämlich bei der Debatte über das Budgetkapitel Justiz –: Ich sehe sehr wohl die Chance – und insofern bin ich nicht einer Meinung mit dem Redakteur, den ich zitiert habe –, diesen Anschlag auf meine Ehre abzuwehren, und zwar mit Hilfe der unabhängigen Gerichte. Die Klagen sind eingeleitet, und ich bin überzeugt davon, daß im funktionierenden Rechtsstaat Österreich, der unter anderem durch das ausgezeichnete Funktionieren dieser Justiz und ihrer Justizminister in der Vergangenheit gekennzeichnet ist, meine Ehre, die vorigen Sonntag in einer derart ungeheuerlichen Art und Weise besudelt worden ist, mit Hilfe der Gerichte wiederhergestellt werden wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund der Gegebenheiten – Sie wissen ja, daß ich im Herbst mein Mandat zurücklegen werde, weil ich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte übersiedeln werde – ist dies mein letzter Debattenbeitrag zum Budgetkapitel Justiz. Da würde man natürlich als ehemaliger Justizsprecher, nota bene als vorläufig letzter Redner der Rednerliste, sehr verleitet sein, die Geduld des Auditoriums in einer Art und Weise,


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die sich nicht gehört, über Gebühr zu strapazieren. Ich werde mich sehr kurz fassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Viel Grundsätzliches gäbe es zu sagen, viel Grundsätzliches ist heute bereits gesagt worden, das ich gerne unterstreiche. Es ist viel darüber diskutiert worden, daß es nicht nur darauf ankommt, wie das gesatzte Recht in einem Rechtsstaat aussieht, daß es für die Menschen in einem Lande nicht nur wesentlich ist, daß in diesem Land vernünftige, klare und menschengerechte Gesetze im Hohen Haus beschlossen werden, sondern daß als zweiter Arm dieses Rechtsstaates eine funktionierende Justiz den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl geben muß, daß sie zu ihrem Recht kommen können – zu ihrem Recht kommen können in vernünftiger Zeit.

Daher bin ich bei allen, die sagen: Achtet auch die Einzelfallgerechtigkeit!, ich bin aber genauso bei all jenen, die sagen: Bitte, gebt den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes die Chance, in einer vernünftigen Zeit zu ihrem Recht zu kommen!

Sie wissen, daß es zum Beispiel einen Staat in unserer Nachbarschaft gibt, durchaus einen Rechtsstaat – ich nenne jetzt aus Höflichkeit den Namen nicht –, der wegen der Problematik zu langer Verfahrensdauern – also nicht wir sind sozusagen die erste Adresse beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen überlanger Verfahrensdauer – ununterbrochen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Schwierigkeiten kommt.

Daher bitte ich all jene, die meinen, wichtiger sei die Einzelfallgerechtigkeit und nicht so sehr die Verfahrensdauer, doch daran mitzuwirken, daß man die Dauer der Verfahren so hinbringt, daß Menschen, die um ihr Recht kämpfen, dieses auch in vernünftiger Zeit erlangen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies gilt nicht nur in der Frage der WEB, wie sie mein Kollege Maier angesprochen hat, sondern zum Beispiel auch für Herrn Professor Dr. Doralt, der seit sechs Jahren darum kämpfen muß, daß seine befleckte Ehre endlich auch in der Öffentlichkeit wieder so hergestellt wird, wie es ihm zusteht. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vieles wäre noch zu sagen. Ich erspare es Ihnen. Erlauben Sie mir nur noch zwei Sätze.

Ich möchte mich ganz, ganz herzlich beim Herrn Bundesminister, bei seinen Beamtinnen und Beamten im Haus für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken, und zwar nicht nur in der die Zeit, in der ich als Justizsprecher mit ihnen zusammenarbeiten durfte, sondern auch in den Jahren, in denen ich als Klubobmann die Verantwortung für den Klub der Sozialdemokraten tragen durfte.

Ich möchte mich auch bei den Justizsprechern aller Fraktionen in diesem Hohen Haus sehr herzlich bedanken. Ich bedanke mich ganz besonders bei denen, die heute sehr klare Worte in meiner persönlichen Sache gesprochen haben, und denke mir meinen Teil bei denen, die es nicht getan haben. Ich bin ihnen aber auch nicht böse darüber, denn ich weiß, daß sie sich in gewissen Zwängen befinden. – Herzlichen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Langanhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

18.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Jung. Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Redezeit von 4 Minuten. – Bitte.

18.32

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Fuhrmann, Sie haben jetzt Ihre Position dargestellt und gesagt, das Ganze wird vor Gericht kommen, die österreichischen Gerichte werden entscheiden, wir werden sehen.

Sie haben auch "Die Presse" zitiert und haben gesagt, daß dort geschrieben steht, die Infamie des Vorwurfs bestehe darin, daß der Beschuldigte keine Möglichkeit zur Gegenwehr hat. – Sie haben jetzt die Möglichkeit zur Gegenwehr gehabt, Sie haben diese Möglichkeit auch in Zukunft,


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und ich glaube, es ist unbestritten, daß die Regierungsparteien in der Öffentlichkeit viel besseren Zugang zu den Massenmedien haben als die Opposition. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist heute zum Beispiel mehrfach Kollege Schreiner angesprochen worden, von dem ich persönlich überzeugt bin, daß er ebenfalls unschuldig ist, und er hat alles getan, um es in die Wege zu leiten, daß eine diesbezügliche Untersuchung unbefangen vorgenommen werden kann. Er wurde hier ebenfalls beschuldigt, massiv beschuldigt! Er hat nicht die Möglichkeit zur Gegenwehr gehabt. Hier lag zumindest die gleiche Infamie des Vorwurfs vor, und hier lag genauso berechtigt der Vorwurf vor, daß er keine Möglichkeit hat, sich seiner Haut zu wehren. Nicht so gut wie Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Dr. Krüger hat vorhin unsere Position in rechtlicher Hinsicht aus der Sicht des Rechtsanwalts dargestellt. Ich bin als einer der Laien auch Mitglied des Justizausschusses. Ich sage es Ihnen so, wie ich als Laie diesen Fall sehe und wie ihn viele Bürger in Österreich sehen.

Vor nicht allzu langer Zeit – es war in der Vorwoche – war eine Sendung über das Graue Haus. Da wurden zwei Rechtsanwälte mit ihren Klienten gebracht, die "kleine" bis "mittlere" Schwerkriminelle verteidigt haben. Es war eine Sendung, die einen ganz interessanten Einblick gewährt hat. Einer dieser Rechtsanwälte hat seine Position vertreten und gesagt: Ich würde jeden verteidigen, auch wenn ich wüßte, daß er schuldig ist, und durchaus auch auf unschuldig plädieren.

Das ist rechtlich einwandfrei, die Bevölkerung aber – das sage ich Ihnen auch, Herr Kollege Fuhrmann, und Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien – hat in diesen Dingen ein anderes Rechtsgefühl. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist ein großer Unterschied, ob jemand ein "kleiner" Rechtsanwalt ist – ich sage das ohne Abwertung hier – oder ob dieser Rechtsanwalt in der Volksvertretung sitzt und Gesetze zu machen hat, oder ob dieser Rechtsanwalt die Position eines Richters im Europäischen Gerichtshof beansprucht. Ich glaube, da besteht ein großer Unterschied. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Fuhrmann! Sie haben – wenn ich dieses Fernsehinterview richtig in Erinnerung habe – gesagt, Sie haben nur die rechtliche Vertretung der Nordex innegehabt. Und im Zusammenhang mit der Gründung einer Firma, die dann in Schwierigkeiten gekommen ist, haben Sie gemeint, Sie waren nur der Gründungsvater.

Die Kindesweglegung ist erfolgt, aber ich sage Ihnen, Herr Kollege Fuhrmann, genau in diesem Bereich hat die Masse der Österreicher das gleiche Gefühl wie bei dem vorhin zitierten "kleinen" Rechtsanwalt. Das ist rechtlich in Ordnung, ob es aber moralisch vertretbar ist, ist eine ganz andere Sache, Herr Kollege Dr. Fuhrmann! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Das werden Sie beurteilen!)

Es gibt den Ausdruck "honorige Rechtsanwaltskanzlei" und "Rechtsanwaltskanzlei". Man kann sich aussuchen, ob man den einen oder den anderen Ruf haben will, aber in manchen Positionen müßte man sich das sehr, sehr genau aussuchen.

Und folgendes noch zum Abschluß, Herr Dr. Fuhrmann: Sie und die ganze SPÖ reagieren sehr allergisch auf entsprechende Vorwürfe. Ich erinnere mich an dieses Protokoll, das Kollege Stadler vor zwei Wochen hier zitiert hat, und Kollege Jarolim hat heute schon große Worte über die Sicherung des Rechts in Österreich gesprochen.

Solche Leute wie Sie, Herr Kollege Jarolim, die da, wie in Protokollen zutage getreten ist, mit Dr. Lansky verkehren, der auch eine Verbindung gehabt hat oder hat, solche Sachen, wo man abspricht, wie man versuchen könnte, parteipolitisch gebundene Richteramtsanwärter in die richtigen Positionen zu bringen, gefährden die Rechtssituation und das Rechtsempfinden der Österreicher viel, viel mehr als vieles andere, was hier geschehen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Sie haben vorher schon alles durcheinandergebracht und jetzt auch wieder!)

18.36


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Ich habe hier jetzt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Böhacker. – Herr Abgeordneter, die Redezeit, die auf ihre Fraktion entfällt, ist aufgebraucht. Ihre Wortmeldung kann daher nicht stattfinden.

Eine weitere Wortmeldung liegt nicht vor. Ich schließe die Debatte.

Die Frau Spezialberichterstatterin wünscht kein Schlußwort.

Ich bitte die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst ab über die Beratungsgruppe V des Bundesvoranschlages für das Jahr 1999. Diese umfaßt das Kapitel 30 des Bundesvoranschlages samt dem dazugehörigen Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages in 1100 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Die Beratungsgruppe V ist mehrheitlich angenommen.

Es ist ein Entschließungsantrag zu dieser Beratungsgruppe eingebracht worden, und ich schlage Ihnen im Sinne des § 55 Abs. 5 GOG vor, daß wir über diesen Antrag sogleich abstimmen.

Gibt es dagegen eine Einwendung? – Das ist nicht der Fall.

Wir stimmen daher ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen betreffend Aufstockung des Personals der Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität.

Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Wir kommen nunmehr zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend nähere Untersuchung der Verantwortlichkeit von einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität im In- und Ausland.

Dieser Antrag ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Nationalrat wolle gemäß § 33 Abs. 1 GOG-NR beschließen:

"Zur Untersuchung der politischen und rechtlichen Verantwortung einzelner Mitglieder der Bundesregierung im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität im In- und Ausland

wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der insgesamt aus 17 Abgeordneten im Verhältnis 6 SPÖ: 5 ÖVP: 4 FPÖ: 1 Grüner: 1 Liberaler besteht."

Die unterfertigten Abgeordneten verlangen gemäß § 33 Abs. 2 i.V.m. 57a und b GOG die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen in die Debatte ein. Ich rufe die Bestimmungen der Geschäftsordnung über die Redezeit in Erinnerung. Jeder Debattenredner hat 5 Minuten zur Verfügung. Der Erstredner hat zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten. Stellungnahmen der Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretäre sollen ebenfalls dieses Ausmaß nicht überschreiten.

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Mag. Stadler als dem Erstredner das Wort. Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

18.39

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Antrag und sein Text sind bekannt. Ich werde daher auf die Dinge, die im Antragstext aufscheinen, nicht extra eingehen, sondern beziehe mich jetzt auf ein weiteres Buch. Eines davon ist schon hier im Parlament dargestellt, referiert worden (der Redner stellt zwei Bücher vor sich auf das Rednerpult), das zweite ist am vergangenen Sonntag in einer Buchbesprechung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Bundesrepublik Deutschland mit einem ausführlichen Autoreninterview vorgestellt worden. Es trägt den Titel "Auf der Spur der Stasi-Millionen – Die Wien-Connection", meine Damen und Herren. – Soviel zum Ruf Österreichs im Ausland und dazu, wer diesen Ruf Österreichs im Ausland beschädigt.

Das sind Bücher, die, so wie es ausschaut, wahrscheinlich die Bestsellerlisten füllen werden und die Österreich kein gutes Zeugnis ausstellen, was die Kriminalitätsbekämpfung, speziell die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Österreich anlangt und was die Verquickung der Spitzen der Sozialdemokratie, aber auch des einen oder anderen aus der Österreichischen Volkspartei mit Organisationen, wirtschaftskriminellen Bereichen betrifft, die speziell aus dem ehemaligen Ostblock kommen.

Meine Damen und Herren! Ich gehe nicht mehr ein auf die bereits in aller Öffentlichkeit intensiv dargestellte Verbindung des damaligen Verkehrsministers Klima zur Orenburg-Telecom-Gruppe. Ich gehe nicht mehr extra darauf ein, welche Verbindungen es da zur Firma Nordex gibt, die in diesen beiden Büchern bestimmt nicht sehr gut davonkommt und die in Wirklichkeit ... (Abg. Wurmitzer hält ein Buch in die Höhe.)  – Herr Kollege! Sie können sich dieses Buch sparen, denn das ist jenes Buch, anhand dessen Sie schon vor Jahren hätten wissen müssen – nämlich spätestens seit Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches –, um welche Gesellschaft es sich handelt, in deren Dunstkreis sich die österreichische Bundesregierung oder ehemalige Regierungsmitglieder bewegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich gehe auf diese Dinge nicht mehr ein, weil mir dafür die Redezeit zu schade ist, aber ich möchte Sie daran erinnern, daß im Zusammenhang mit den von mir bei der letzten Debatte dargestellten Hotelfinanzierungsprojekten mittlerweile auch bekannt sein müßte, daß sich der damalige Vorstandsdirektor Praschak – und diesen Fall hätten wir ja gerne untersucht – seinerzeit dagegen gewehrt hat, Haftungen zu übernehmen, nämlich Haftungen für ein Hotelprojekt in Prag, das ein Freund des damaligen Bundeskanzlers Vranitzky – ein bekannter Immobilienhändler – bewertet hatte oder bewerten hätte sollen.

Praschak hat dazu in seinen Aufzeichnungen festgehalten: Er – gemeint ist ein Vertreter der angesprochenen Bank Austria – läßt deutlich durchblicken, ein allfälliger Schadensfall in dieser Sache für die Bank Austria ohne Bundeshaftung würde mir, dem Gefertigten – gemeint ist Praschak –, nicht guttun. – Wenige Tage später, meine Damen und Herren, war Herr Praschak tot!

Das ist das Milieu, das in diesen Büchern abgehandelt wird und in dem sich der ehemalige Herr Bundeskanzler Vranitzky bewegt, der für diese Gruppen bei seinem ehemaligen Sekretär Praschak interveniert hat.

Meine Damen und Herren! Sie wissen ganz genau – Herr Präsident, ich bitte Sie, jetzt wirklich zuzuhören! –, daß all diese Aussagen, die Sie selbst in Radiosendungen, in Live-Sendungen kritisiert haben, daß die Aussagen über die Querverbindungen auf Briefen, auf objektiv nach


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vollziehbaren Berichten von Sicherheitsdiensten, ja zum Teil sogar von der Staatspolizei selbst beruhen! Nichts davon ist, so wie der Herr Präsident im Radio gesagt hat, erfunden oder eine Darstellung wider besseres Wissen.

Herr Kollege Fuhrmann hätte jetzt die Möglichkeit gehabt, die Geschichten anders darzustellen, Herr Präsident, aber er hat sie nicht genützt. Herr Kollege Fuhrmann hätte jetzt die Möglichkeit gehabt, über Aufforderung des Abgeordneten Krüger zu sagen, was es mit den Zahlungen der Firma Nordex auf sein Konto auf sich hat. Er hat es nicht gemacht. Er wird seine Gründe dafür haben, und wir werden diese Gründe, wie wir gehört haben, endlich auch vor Gericht abhandeln können, meine Damen und Herren! Ich danke der SPÖ dafür, daß sie jetzt endlich doch den Mut gefunden hat, den Gang zu den Gerichten anzutreten! Das ist fällig gewesen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie sind tagelang unschlüssig gewesen, haben nicht gewußt, ob Sie sich überhaupt trauen, diesen Schritt zu setzen, weil Sie wissen, daß das eine oder andere vor Gericht herauskommen wird.

Die nächsten Briefe, die wiederum Querverbindungen des Herrn Vranitzky zur Firma Nordex beweisen, sind uns ja schon zugespielt worden. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Erklären Sie mir – nicht jetzt, vielleicht vor Gericht –, was der nunmehrige Altkanzler Vranitzky jetzt für die Westdeutsche Landesbank organisiert. Er organisiert für den Herbst einen Besuch in Buchara, in Usbekistan, wobei die Delegation zwar von österreichischen Beamten im Außenministerium respektive im Bundeskanzleramt vorbereitet wird, aber die Einlaufstelle für alles die Westdeutsche Landesbank ist, deren Konsulent Herr Vranitzky ist, meine Damen und Herren! Nicht österreichische Interessen stehen dabei im Vordergrund, sondern deutsche Interessen werden gewahrt. Privatinteressen werden gewahrt und nicht österreichische Interessen, wie man der österreichischen Öffentlichkeit weiszumachen versucht hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Abgeordnete Petrovic hat gesagt – dies ist in der Zeitung nachzulesen –, sie werde sich nicht auf eine Debatte mit uns einlassen – wie sich die Blockparteien ja überhaupt ausgemacht haben, daß sie keine Debatte mehr mit der FPÖ führen. Das ist ein Verhalten, meine Damen und Herren der Blockparteien, von dem ich sage, es ist wie ein Geständnis. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Kein Gegenargument, keine tatsächliche Berichtigung, sondern nur noch Diskussions- und Demokratieverweigerung, und man glaubt, man kommt damit über die Runden. Das ist ein Verhalten wie ein Geständnis, meine Damen und Herren!

Frau Petrovic sagt uns: Wir werden allen anderen klarmachen, daß wir uns mit den Vorwürfen der FPÖ nicht identifizieren. – Frau Kollegin Petrovic! Sie haben etwas früh gehandelt. Sie haben den Persilschein etwas zu früh ausgestellt! Denn der von Ihnen angesprochene Mord in einem Verkaufslokal der Firma Haban hat in einem Unternehmen stattgefunden – meine Damen und Herren, jetzt müssen Sie sich festhalten! –, das über eine Schweizer Firmenkonstruktion letztlich wieder im Eigentum der bereits vielzitierten Firme Nordex steht. So schauen die Dinge aus!

Frau Petrovic erteilt schon einen Persilschein und meint, daß sie sich mit den Vorwürfen der FPÖ überhaupt nicht identifizieren könne. Mit dem Wunsch, diese Dinge aufzuklären, kann sich die grüne Fraktion, vertreten durch ihre Frau Klubvorsitzende Petrovic, nicht identifizieren. Die Blockparteien haben einander schon koalitionär so lieb, sodaß sie einander Persilscheine ausstellen, obwohl sie gar nicht mehr wissen, was hinter den Vorgängen in Wien auf offener Straße, wo Morde bei hellem Tageslicht passieren, geschieht.

Herr Kollege Fuhrmann – er wird mir zuhören, es bleibt ihm ohnehin nichts anderes übrig; da er seine Sekretärin auch zu unseren Pressekonferenzen schickt, wird er mit großer Spannung lauschen –, warum erklären Sie nicht, daß diese Dokumente nicht stimmen? – Hier ist ausgewiesen: Fuhrmann 200 000, am 24. Jänner 1996; darüber steht ein Betrag an den bereits sattsam bekannten Herrn Lansky. Weitere Beträge sind ebenfalls in diesen Aufzeichnungen vorhanden. Das sind keine Konten, die die FPÖ erfunden hat, sondern das ist eine List of


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Payments der Firma Nordex über Zahlungen an verschiedene Persönlichkeiten, unter anderem auch an prominente Sozialdemokraten, zwei davon habe ich bereits genannt, nämlich Lansky und Fuhrmann. Der Betrag, den Herr Fuhrmann insgesamt erhalten hat – das kann er einfach nicht wegleugnen, das wird er auch vor Gericht nicht können –, macht etwas mehr als eine halbe Million Schilling aus, meine Damen und Herren!

Herr Fuhrmann kann es vielleicht erklären, aber warum tut er es nicht? – Das ist die entscheidende Frage! Warum nützt er diese Gelegenheit nicht? Er hat ja noch genug Redezeit. Warum erklärt er uns das nicht und sagt: Herr Dr. Haider hat nicht recht, weil ...!? – Er kann es nicht erklären, denn er steht auf der Gehaltsliste der Firma Nordex. Und das wird er niemandem erklären können, denn die Firma Nordex, meine Damen und Herren, ist in diesen beiden Büchern eindeutig abgehandelt. Aber man hat nicht geklagt! Diese Bücher sind auf dem Markt, und es gibt keine Streichorgien mehr, wie man uns von Journalisten immer weismachen möchte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Exminister Löschnak! Erklären Sie mir, wie es möglich war, daß Herr Loutschansky in Ihrem Ministerium eine Aufenthaltsbewilligung bekommen hat, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da jener Dr. Kessler, der von mir sehr viel Kritik einstecken mußte, im März von Ihnen abberufen worden war und der vorher ständig negative Stellungnahmen betreffend die Einbürgerung oder das Aufenthaltsrecht des Herrn Loutschansky abgegeben hat. Kaum ist Herr Dr. Kessler weg, abserviert, bekommt Herr Loutschansky unbeschränkten Aufenthalt. – Meine Damen und Herren! Das ist nachzulesen in diesem Buch von Roth über "Die roten Bosse".

Kaum wurde Herr Dr. Kessler vom damaligen Innenminister Löschnak abserviert, bekommt Herr Loutschansky eine unbeschränkte Aufenthaltsbewilligung. Herr Generaldirektor Sika jedoch beklagt permanent in der Öffentlichkeit, daß die alle einreisen können, ein Visum bekommen, daß sie hier bleiben können, sogar unbeschränkten Aufenthalt bekommen. Der Herr Generaldirektor beklagt das, und auf der anderen Seite wird ein Beamter, der das verhindert hat, abserviert. Kollege Löschnak! Das ist erklärungsbedürftig! Sie können uns das hoffentlich hier erklären, oder machen Sie es in einem Ausschuß! Ich lade Sie dazu ein, wenn Sie ein ebenso reines Gewissen haben wie Ihr Kollege Fuhrmann, der das auch noch auf europäischer Ebene wird erklären müssen.

Wenn man Herrn Marizzi nicht gestattet, in den Rechnungshof der Europäischen Union zu gelangen, da er aufgrund seiner Connections zu Nordex – wobei ich allerdings glaube, daß Sie, Herr Kollege, in diesem Zusammenhang von Leuten, die in der Partei weitaus weiter oben angesiedelt sind als Sie, mißbraucht wurden – als nicht würdig dafür gesehen wird, frage ich mich, wieso Herr Kollege Fuhrmann dann würdig ist, Richter beim EMRK-Gerichtshof in Straßburg zu spielen. Das wird den Präsidenten dieses Gerichtshofes interessieren und auch die Frau Präsidentin des Europäischen Gerichtshofes.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluß: Es ist das leider nicht der letzte Fall, denn der letzte Fall in der SPÖ, der jetzt bekannt wurde, ist jener des designierten Landeshauptmannes des Burgenlandes, bei dem es bereits eine Hausdurchsuchung wegen seiner Verbindungen zu einer Mafia-Organisation in Rußland gegeben hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die Redezeit der folgenden Redner beträgt 5 Minuten.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. – Bitte.

18.49

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Kollege Stadler hat zu Recht darauf hingewiesen, daß in den letzten Tagen, wie einer burgenländischen Zeitung zu entnehmen ist, eine Hausdurchsuchung bei einem Rechtsanwalt namens Manfred Moser, designierter Nachfolger des Landeshauptmannes des Burgenlandes Stix, durch die Staatspolizei stattgefunden hat, und zwar wegen seiner Verbindungen zur sogenannten St. Petersburger Aktiengesellschaft, eine, wie es heißt, von der russischen Mafia durch und


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durch beherrschte Unternehmung. Das ist also die Realität! (Abg. Mag. Stadler: So schaut es aus!)

All das ist für Sie kein Grund dafür, einzuschreiten. Herr Kollege Löschnak hat bei der ersten Debatte versucht, Schadensbegrenzung durchzuführen, und gemeint: Am Anfang, 1989, haben wir ja nicht gewußt, was da los ist, bis 1993 haben wir das nicht so richtig gewußt! – Aber: Diese Dinge sind ja 1994, 1995 und 1996 geschehen, Herr Kollege Löschnak. (Abg. Mag. Stadler: Jetzt haben wir 1998!)

Ich zeige Ihnen jetzt etwas: Dies ist ein EDOK-Bericht (der Redner zeigt diesen), Bundesministerium für Inneres: Gesperrter Bericht, EDOK, Nordex, organisierte Kriminalität – 1996. Es ist dies ein umfangreicher Bericht, meine Damen und Herren, in dem durch das Innenministerium eine Verflechtung der Nordex Austria dargestellt wird, und zwar mit allen kriminellen Aktivitäten. (Der Redner zeigt eine Graphik.) Und bereits in der Einleitung dieses Berichtes steht, daß die Nordex-Gruppe mittlerweile weltweit – weltweit! – wegen des Verdachtes der Geldwäsche in großem Ausmaß verfolgt wird. Die Palette der von ihr beeinflußten Aktivitäten soll sich allerdings, abgesehen von der Geldwäsche, auch im internationalen Waffen- und Drogenhandel erstreckt haben. Die Verdachtsmomente stimmen international gesehen weitgehend überein.

Ihr eigenes Innenministerium fertigt große Dokumentationen über Verfilzungen an, und Sie glauben, sich davonstehlen zu können, indem Sie sagen: Unsere Politiker sind zwar mit dabei, aber zu tun haben wir nichts damit, das ist reiner Zufall! – Das ist das, was wir aufklären wollen. Denn es war ja bezeichnend, als der Herr Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit eine Rechtfertigung dafür brachte, warum diese Mafia-Verbindungen nicht angeklagt werden können.

Er sagte: Wer im Rußlandgeschäft tätig ist, der muß in Kauf nehmen, daß die Mafia mitnascht, anders geht das nicht. Und wir haben die Verpflichtung, mit diesen Staaten Handel zu betreiben. Die Mafia fungiert dort auch als Ordnungselement, und das darf man nicht außer acht lassen.

Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, der große Berichte über die Gefährlichkeit dieser Verfilzungen anfertigt, erklärt uns: Wenn ihr im Rußlandgeschäft seid, ist das einfach so, da ist die Mafia eine Ordnungsmacht!, um gleichzeitig deutlich zu machen: Es ist nicht so gefährlich, wenn österreichische Politiker mit denen im Geschäft sind – bis hin zum Herrn Bundeskanzler, der Verträge für diese Firma ausgehandelt hat.

Heute habe ich ein Fax bekommen, das ich zum Abschluß zitieren darf:

Sehr geehrter Herr Haider! Obwohl ich Ihrer Partei und Ihren politischen Zielen nicht nahestehe, sondern als deutscher Sozialdemokrat vollkommen andere Positionen habe, glaube ich, daß es notwendig ist, den politischen und moralischen Sumpf, in den einige Führungspersönlichkeiten der SPÖ verwickelt sind, aufzudecken und endlich ein öffentliches Bewußtsein dafür zu schaffen, wie weit kriminelle Strukturen bereits in die Politik vorgedrungen sind. Das Problem ist nun jenes, daß offensichtlich wieder alles zugedeckt werden soll.

Vielleicht weisen Sie Ihre Kritiker einmal darauf hin, daß das Wesensmerkmal des organisierten Verbrechens die Verbindung von Kriminalität mit der Politik, mit der Justiz und mit den Medien ist.

Mit freundlichem Gruß

Jürgen Roth. – Der Autor des soeben erschienen Buches über die Mafia.

Das sagt mehr als alles andere: Ein deutscher Sozialdemokrat wendet sich an die Opposition in Österreich um Hilfe, und er sagt: Helft mir, die Verfilzungen der eigenen Genossen in Österreich aufzuklären! Es ist unerträglich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.54


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stadler und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 794/A und 795/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4472/J bis 4481/J eingelangt.

Feststellung betreffend unentschuldigte Abwesenheit eines Abgeordneten

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich stelle fest, daß Herr Abgeordneter Peter Rosenstingl dieser Sitzung unentschuldigt ferngeblieben ist.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, Donnerstag, 28. Mai 1998, 9 Uhr, mit folgender Tagesordnung ein:

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1100 und Zu 1100 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1999 samt Anlagen.

Zur Beratung kommen: Beratungsgruppe XIII: Umwelt, Jugend und Familie; Beratungsgruppe XI: Finanzen sowie Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan, Fahrzeugplan und Plan für Datenverarbeitungsanlagen.

In dieser Sitzung findet keine Fragestunde statt.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 18.56 Uhr