Stenographisches Protokoll

38. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Freitag, 20. September 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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38. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Freitag, 20. Mai 1996

Dauer der Sitzung

Freitag, 20. September 1996: 9.01 – 20.41 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Außenpolitischer Bericht 1995 der Bundesregierung

2. Punkt: Erste Lesung des Antrages 239/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 geändert wird

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 6/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Öffnungszeitengesetz 1991 (BGBl. Nr. 1992/50) aufgehoben wird

4. Punkt: Erste Lesung des Antrages 14/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz – GewG) 1996

5. Punkt: Erste Lesung des Antrages 216/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1972 geändert werden soll

6. Punkt: Erste Lesung des Antrages 217/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird

7. Punkt: Erste Lesung des Antrages 215/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Einspeisungsgesetz 1996

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 10

Geschäftsbehandlung

Unterbrechungen der Sitzung 27, 92, 94, 117

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 892/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 29


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38. Sitzung / Seite 2

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 117

Redner:

Dr. Helene Partik-Pablé 117

Robert Elmecker 119

Paul Kiss 121

Dr. Volker Kier 122

Mag. Terezija Stoisits 122

Mag. Johann Ewald Stadler 124

Bundesminister Dr. Caspar Einem 125

Antrag der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 287/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 27. September 1996 zu setzen 29

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 167

Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 284/A betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Aufhebung der Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht von Werk- und sogenannten freien Dienstverträgen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 1. Oktober 1996 zu setzen 30

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 167

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 der Geschäftsordnung 30

Wortmeldungen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler betreffend die Adressaten des Dringlichen Antrages sowie Ersuchen um Anwesenheit des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten und um Klärung der Frage der Ermächtigung des Bundeskanzlers, den Dringlichen Antrag in allen Punkten zu beantworten 93, 94

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol zum Ersuchen des Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler 94

Feststellungen des Präsidenten Dr. Heinrich Neisser zu den Wortmeldungen der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Dr. Andreas Khol 94, 95

Ersuchen des Abgeordneten Dr. Andreas Khol, die Sitzung zu unterbrechen 117

Fragestunde (5.)

Gesundheit und Konsumentenschutz 10

Mag. Herbert Haupt (38/M); Anna Huber, Mag. Thomas Barmüller, Jakob Auer

Dr. Günther Leiner (35/M); Dr. Stefan Salzl, Mag. Johann Maier, Klara Motter

Klara Motter (37/M); Heidemaria Onodi, Dr. Alois Pumberger, Maria Rauch-Kallat


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38. Sitzung / Seite 3

Annemarie Reitsamer (33/M); Mag. Herbert Haupt, Johannes Zweytick, Mag. Thomas Barmüller

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (40/M); Verena Dunst, Ing. Mathias Reichhold, Katharina Horngacher, Mag. Thomas Barmüller

Dr. Alois Pumberger (39/M); Ing. Erwin Kaipel, Klara Motter, Theresia Haidlmayr

Dr. Erwin Rasinger (36/M); Dr. Alois Pumberger, Dr. Elisabeth Pittermann, Klara Motter, Theresia Haidlmayr

Mag. Walter Guggenberger (34/M); Franz Koller, Klara Motter, Wolfgang Großruck, Theresia Haidlmayr

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 10

Ausschüsse

Zuweisungen 28, 87, 143, 154, 166

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Abhaltung einer Volksabstimmung über die immerwährende Neutralität Österreichs (290/A) (E) 92

Begründung: MMag. Dr. Madeleine Petrovic 95

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 99

Debatte:

Dr. Peter Kostelka 102


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38. Sitzung / Seite 4

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) 104

Mag. Doris Kammerlander 105

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 107

Dr. Andreas Khol 107

Rudolf Anschober 109

Herbert Scheibner 110

Hans Helmut Moser (tatsächliche Berichtigung) 113

Andreas Wabl 113

Dr. Friedhelm Frischenschlager 115

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 290/A (E) 117

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses betreffend den Außenpolitischen Bericht 1995 der Bundesregierung (III-28/229 d. B.) 30

Redner:

Dr. Jörg Haider 30

Peter Schieder 35

Dr. Friedhelm Frischenschlager 37

Dr. Alois Mock 41

Mag. Doris Kammerlander 45

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 49

Dr. Alfred Gusenbauer 54

Herbert Scheibner 57

Hans Helmut Moser (tatsächliche Berichtigung) 61

Ingrid Tichy-Schreder 61

Hans Helmut Moser 63

Dr. Irmtraut Karlsson 65

Dkfm. Holger Bauer 6


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38. Sitzung / Seite 5

6

Dr. Walter Schwimmer 69

Inge Jäger 70

Maria Rauch-Kallat 73

Staatssekretärin Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner 74

Kenntnisnahme des Berichtes III-28 d. B. 77

2. Punkt: Erste Lesung des Antrages 239/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 geändert wird 77

Redner:

Sigisbert Dolinschek 77

Gisela Wurm 79

Edeltraud Gatterer 80

Mag. Helmut Peter 82

Karl Öllinger 84

Edith Haller 84

Mag. Dr. Josef Trinkl 86

Zuweisung des Antrages 239/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 87

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Erste Lesung des Antrages 6/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Öffnungszeitengesetz 1991 (BGBl. Nr. 1992/50) aufgehoben wird 87

4. Punkt: Erste Lesung des Antrages 14/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz – GewG) 1996 88

Redner:

Mag. Helmut Peter 88

Ingrid Tichy-Schreder 90

Eleonora Hostasch 127

Helmut Haigermoser 129

Ing. Monika Langthaler 132

Mag. Reinhard Firlinger 134

Ridi Steibl 136

Dr. Kurt Heindl 137

Mares Rossmann 140

Maria Schaffenrath 141

Zuweisung der Anträge 6/A und 14/A an den Wirtschaftsausschuß 143

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Erste Lesung des Antrages 216/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1972 geändert werden soll 143

6. Punkt: Erste Lesung des Antrages 217/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird 143

Redner:

Karl Öllinger 143

Mag. Herbert Kaufmann 146

Dr. Gottfried Feurstein 148

Sigisbert Dolinschek 149


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38. Sitzung / Seite 6

Dr. Volker Kier 150

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 150

Anton Blünegger 151

Josef Meisinger 153

Zuweisung der Anträge 216/A und 217/A an den Ausschuß für Arbeit und Soziales 154

7. Punkt: Erste Lesung des Antrages 215/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Einspeisungsgesetz 1996

Redner:

Ing. Monika Langthaler 154

Karlheinz Kopf 157

Georg Oberhaidinger 158

Mag. Karl Schweitzer 159

Dr. Volker Kier 160

Karl Freund 161

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 162

Andreas Wabl 164

Zuweisung des Antrages 215/A an den Wirtschaftsausschuß 166

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Abhaltung einer Volksabstimmung über die immerwährende Neutralität Österreichs (290/A) (E)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert wird (291/A)

Karl Öllinger und Genossen betreffend Aussetzung der bestehenden Werkvertragsregelung und Frist für arbeits- und sozialrechtliche Regelung prekärer Arbeitsverhältnisse (292/A) (E)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend die rasche Privatisierung von noch in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen und Unternehmensteilen (293/A) (E)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend Privatisierung der Österreichischen Bundesforste (294/A) (E)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert wird (295/A)

Andreas Wabl und Genossen betreffend ökologische Reform der Österreichischen Bundesforste (296/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Familienbeihilfe für ausländische Mitbürger (297/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend eine Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) (298/A)

Herbert Scheibner und Genossen betreffend Beziehung Österreichs zu NATO und EU (299/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend DrogenvertrauenslehrerInnen in Tirol (1217/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Straßenbauvorhaben im Bundesland Oberösterreich (1218/J)

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Schwerpunktsetzungen im Umweltbereich (1219/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Hepatitis C (1220/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Hepatitis C (1221/J)

Hermann Mentil und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Verschandelung des Amonhauses in Lunz am See (1222/J)

Dr. Stefan Salzl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Tiertransportgesetz – Luft – verendete Makaken (1223/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Privatisierung der Creditanstalt (1224/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Brüsseler "Förderfalle" (1225/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Folgekosten von Gesetzen (1226/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend 3. GSM-Lizenz (1227/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Einnahmenausfälle der Gebietskrankenkassen (1228/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Nachtbeleuchtungsschilder von Gendarmerieposten (1229/J)

Günter Kiermaier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "restriktives Vorgehen der österreichischen Botschaft in Sofia" (1230/J)


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38. Sitzung / Seite 7

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend SPÖ-Konferenz auf Steuerzahlerkosten im "Semper-Depot" (1231/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend fehlende 450 Millionen Schilling an den Universitäten (1232/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend offenkundige Gesetzwidrigkeiten bei der IG Autoren (1233/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verdacht der Urkundenfälschung und des Amtsmißbrauches durch den Präsidenten des Bundesrates und Bürgermeister von Eberndorf Josef Pfeifer (1234/J)

Robert Elmecker und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Aktivitäten der militärischen Nachrichtendienste (1235/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Reform der Sozialversicherungen (1236/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Entwicklung von Ersatzmethoden von Tierversuchen (1237/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Lufttiertransport der Japan-Makaken (1238/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend "Froschtragödie" auf dem Flughafen Wien-Schwechat (1239/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Import von Känguruhfleisch (1240/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Import von Känguruhfleisch (1241/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Projekt "Affenberg" (1242/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Auswirkungen des EU-Beitrittes auf das österreichische Tierversuchsgesetz (1243/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Aktenbearbeitung bei den Pensionsversicherungsanstalten (1244/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Kranzniederlegung des Bundesheeres im Rahmen des Kommerses deutscher Burschenschaften und der Freiheitlichen am 30. November 1996 in Wien (1245/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verkehrsanbindung des Donauhafens Enns (1246/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Deponiestandortsuche Oberösterreich (1247/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bespitzelung ausländischer Mitbürger im Auftrag des Landes Oberösterreich (1248/J)


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38. Sitzung / Seite 8

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Feldbacher Langzeitarbeitslosenprojekt (1249/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Welser Westspange (1250/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Einladungen zu kontrollärztlichen Untersuchungen durch die Krankenversicherungsträger (1251/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Förderung von Frauenprojekten (1252/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Nuklearwaffenstationierung in Österreich durch einen NATO-Beitritt (1253/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend überhöhte Kadmiumkonzentrationen in der Region Gmunden (1254/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Entschuldung der ÖBB (1255/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Autobahnskandal – Detailermittlungen (1256/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Ausbau der Pyhrnbahn (1257/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Schließung des Hengstendepots Stadl-Paura (1258/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend LehrerInnenleitbild (1259/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung durch das Projekt "Affenberg" (1260/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Beteiligung Österreichs an "Cooperative Osprey 96" (1261/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Flughafen Salzburg; Verkauf von Teilen der Schwarzenbergkaserne (1262/J)

Robert Elmecker und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend "Ausbau der Summerauerbahn – Land OÖ und Privatinteressenten" (1263/J)

Mag. Walter Guggenberger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend unzulässiges Verhalten des Vorstehers des Bezirksgerichtes Reutte (1264/J)


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38. Sitzung / Seite 9

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Flugplatz Zeltweg" (1265/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend "Flugplatz Zeltweg" (1266/J)

Maria Schaffenrath und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die groteske Situation eines niederösterreichischen Sportgymnasiums ohne eigenen Turnsaal (1267/J)

Jakob Auer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Verlegung des Bezirksgendarmeriekommandos und der Bezirksleitzentrale Thalheim/Wels nach Marchtrenk (1268/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Weisung vom 29. 7. 1996 (1269/J)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die Umsetzung des Technologiekonzeptes der Bundesregierung 1989 (1270/J)

Edeltraud Gatterer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Nachbesetzung des Vorstandes des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern in Klagenfurt und des Finanzamtes in Wolfsberg (1271/J)

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Umsetzung des Technologiekonzeptes der Bundesregierung 1989 (1272/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Schaffung von zusätzlichen Pflegebetten (1273/J)

Franz Kampichler und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend die Förderung der EU-Projekt-Beschäftigungsinitiative "ADAPT" (1274/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes zur Altlastensanierung (1275/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Mediengesetz (1276/J)

Katharina Horngacher und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Verlängerung der nordseitigen Lärmschutzmauer Kufstein – Morsbach (1277/J)

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Möglichkeiten unserer Exekutive zum Scheinkauf (1278/J)

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Möglichkeiten der Exekutive zum Scheinkauf (1279/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Nachgehen von Hinweisen bei Kindesmißbrauch (1280/J)

*****

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend unpraktikable, unökologische und teure Regelung der Reisekostenabgeltung (5/JPR)


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38. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer , Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser , Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder .

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich einladen, die Plätze einzunehmen.

Ich eröffne die 38. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Eder, Marizzi, Dr. Ofner, Schöll, Dr. Preisinger, Dr. Löschnak, Aumayr, Dr. Haselsteiner, Dr. Fuhrmann, Dr. Povysil, Dr. Stippel, Ing. Tychtl, Dr. Höchtl, Dr. Brinek, Dr. Brader, Dkfm. Mühlbachler und Ing. Maderthaner.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten Mitteilung gemacht, daß der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Farnleitner durch Herrn Bundesminister Fasslabend vertreten wird.

Fragestunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir haben auf der Tagesordnung eine Fragestunde mit Anfragen an die Frau Gesundheitsministerin.

Ich darf darauf aufmerksam machen, daß sich auch, was die Fragestunde betrifft, die Bestimmungen in der Geschäftsordnung geändert haben. Ich mache auf die neuen Bestimmungen bezüglich der Zusatzfragen aufmerksam. Es ist in der Präsidialsitzung noch nicht darüber diskutiert worden, ob irgendwelche Festlegungen zu treffen sind. Wir werden die Fragestunde so abwickeln, wie es sich eben aus dem Wortlaut der Geschäftsordnung ergibt.

Ich beginne um 9.03 Uhr mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die erste Frage formuliert Herr Abgeordneter Haupt (Freiheitliche) . – Bitte, Herr Mag. Haupt.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

38/M

Welche konkreten Maßnahmen werden Sie zur Sicherstellung der Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit gentechnologischer Herkunft setzen, nachdem sich die EU wiederholt gegen eine Kennzeichnungspflicht ausgesprochen hat?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ist mir ein sehr großes Anliegen. Die Novel-Food-Verordnung wurde jetzt dem Vermittlungsausschuß zugewiesen. In diesem Vermittlungsverfahren werde ich um Verständnis für den österreichischen Standpunkt und für die österreichischen


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Wünsche nach einer umfassenden Kennzeichnungsregelung werben, um den Text der Novel-Food-Verordnung im österreichischen Sinn zu beeinflussen.

Da aber derzeit nicht abzusehen ist, wann und mit welchem Inhalt die Novel-Food-Verordnung in der EU in Kraft treten wird, habe ich im Juli einen Verordnungsentwurf betreffend die Kennzeichnung gentechnisch hergestellter Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in die allgemeine Begutachtung gesandt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt: Frau Bundesminister! Ihr Regierungskollege Farnleitner hat sich am 2. September eindeutig und klar gegen einen österreichischen Alleingang ausgesprochen. Werden Sie mit Ihrem Vorhaben, das auch Familienminister Bartenstein unterstützt hat, einen österreichischen Alleingang der Kennzeichnungsfrist in der EU in entsprechender Form durchstehen, oder müssen wir befürchten, auf dem Rechtswege entsprechende Rückzieher machen zu müssen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich weiß, daß der Herr Umweltminister und der Herr Wirtschaftsminister nicht meiner Meinung sind, aber ich hoffe, daß wir in Gesprächen einander soweit näherkommen, daß sich der Standpunkt durchsetzt, von dem ich glaube, daß er im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger in Österreich ist, nämlich dem mündigen Bürger Rechnung zu tragen und ihm die Entscheidung zu überlassen, welches Lebensmittel er kauft, ein gentechnisch verändertes oder ein nicht gentechnisch verändertes. Die Voraussetzung dafür ist, daß die Lebensmittel gekennzeichnet sind. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Huber, bitte sehr.

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Frau Bundesministerin! Gerade zum Thema Gentechnikkennzeichnung haben sich ja die Minister Molterer, Farnleitner und Bartenstein widersprüchlich geäußert, widersprüchliche Kommentare abgegeben. Ich bitte Sie daher, uns hier noch einmal genau Ihre Vorstellungen, die Vorstellungen des Gesundheitsministerium zur Umsetzung dieser Novel-Food-Verordnung zu nennen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Meine Vorstellungen gehen dahin – ich habe das in der Beantwortung der Zusatzfrage des Abgeordneten Haupt auch schon gesagt –, daß ich dem Interesse der mündigen Bürger folgend alles tun möchte, jenes mündigen Bürgers, der von uns so gerne angesprochen wird, besonders gern aber in Wahlveranstaltungen. Man muß in letzter Konsequenz auch entsprechend handeln. Das heißt, der Bürger in Österreich soll wissen, was er kauft, welche Ware und welchen Inhalt diese Ware hat, ob sie gentechnisch verändert ist oder nicht.

Ich wünsche mir und erbitte die Unterstützung des österreichischen Parlaments, daß wir in Österreich so weit kommen, daß der Bürger sich darüber informieren kann, was er kauft, denn es ist ja auch sein Geld, das er dafür ausgibt. Und er soll wissen, wofür er sein Geld ausgibt. – Danke.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Herr Abgeordneter Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Frau Bundesminister! Diese Unterstützung des Parlaments gibt es ja bereits, weil es im Bericht zur Enquete-Kommission über die Gentechnologie schon geheißen hat, daß es eine klar ersichtliche und verständliche Kennzeichnung geben soll.


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Ich möchte wissen, inwieweit dieser Aspekt in diesen Gesprächen eine Rolle gespielt hat, insbesondere aber auch, ob es sich bei der Kennzeichnung nur um solche Lebensmittel handelt, die mit gentechnisch veränderten Organismen hergestellt worden sind, oder auch um Lebensmittel, die gentechnisch total verändert worden sind, oder auch um solche, die eben nur Teile von gentechnisch veränderten Organismen enthalten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Grundsätzlich bin ich der Meinung, daß man jede Veränderung, die logischerweise nachweisbar ist, kennzeichnen muß. Man muß darüber eine Aussage auf dem Produkt vorfinden. Die Forderung, die irgendwo einmal im Raum gestanden ist, daß man alles kennzeichnen muß, also auch das, was man nicht nachweisen kann, halte ich für nicht sehr sinnvoll, denn wir sollten ja auch das Instrumentarium und die Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob das auch tatsächlich korrekt gemacht wird. Ich kann ja nur etwas überprüfen, was ich auch nachweisen kann. Aber grundsätzlich müßten alle Veränderungen, die nachweisbar sind, gekennzeichnet sein.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Herr Abgeordneter Auer, bitte.

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Frau Bundesministerin! Nur zur Klarstellung: Der Herr Bundesminister für Umwelt wird Sie in dieser Frage unterstützen. Das hat auch Kollege Haupt bereits ausgeführt.

Meine Zusatzfrage lautet: Wie viele Beamte arbeiten derzeit an diesem so wichtigen Vorhaben in Ihrem Ministerium?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Derzeit warten wir auf die Stellungnahme des Wirtschaftsministers. Die Beamten haben schon gearbeitet, die Verordnungen sind ausgearbeitet. – Das zum ersten.

Zum zweiten Teil: Ich freue mich, wenn Sie mir ausrichten, daß der Herr Umweltminister dafür ist. Ich habe da einen Brief, in dem er sagt, daß er gegen eine nationale österreichische Regelung ist und sich eher für eine Regelung gemeinsam mit der EU ausspricht. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfragen liegen dazu nicht vor.

Wir kommen zur 2. Anfrage. Abgeordneter Dr. Leiner (ÖVP) formuliert sie. – Bitte, Herr Kollege.

Abgeordneter Dr. Günther Leiner: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

35/M

Wie beurteilen Sie als Gesundheitsministerin den Vorschlag des Salzburger Landeshauptmannes, einen weisungsfreien "österreichischen Bioethik-Rat" zu installieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! In der Grundsatzbestimmung des § 8c des Krankenanstaltengesetzes sind die Träger von Krankenanstalten – das sind im Staate Österreich auch und vorwiegend die Länder – zur Einrichtung von Ethikkommissionen verpflichtet. Die näheren Ausführungsbestimmungen dieser weisungsfreien Kommissionen – also man muß sie nicht gnadenhalber weisungsfrei stellen, sondern sie sind weisungsfrei – sind der Landesgesetzgebung vorbehalten. Es bestehen darüber hinaus auch im Bereich der Universitäten Ethikkommissionen.


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38. Sitzung / Seite 13

Aktuelle ethische Fragestellungen sind bis jetzt, das glaube ich sagen zu können, von den Kommissionen, die ich jetzt angesprochen habe, immer in sehr kompetenter Art und mit sehr hohem Fachwissen abgedeckt worden.

Sollte dies in den Augen mancher Personen nicht ausreichen, dann hielte ich es für zielführend, daß sich in Österreich die Kirchen und Religionsgemeinschaften zusammenfinden, um für ganz Österreich eine maßgebliche Plattform zu bilden, um eventuell in diesem Bereiche tätig zu werden. Das wäre in meinen Augen eine sehr gute, praktikable und akzeptable Lösung. Ich glaube auch, daß die Kirchen und Religionsgemeinschaften über diese Frage bereits nachdenken und Gespräche führen.


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38. Sitzung / Seite 14

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zusatzfrage? – Bitte sehr.

Abgeordneter Dr. Günther Leiner: Die jetzigen bestehenden Regelungen betreffen eigentlich nur die forschungsethischen und gentechnologischen Fragen, aber nicht das Weitreichende, wie es in den skandinavischen Ländern gehandhabt wird. Dort ist der Bioethik-Rat berufen, das Gesundheitswesen und die biologisch-medizinische Forschung in ihrer Gesamtwirkung auf den Menschen zu überwachen.

Wären Sie bereit, Frau Ministerin, doch noch einmal darüber nachzudenken und einen diesbezüglichen Arbeitskreis einzurichten?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.


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38. Sitzung / Seite 15

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer:
Ich habe schon darüber nachgedacht, Herr Abgeordneter Leiner. (Abg. Dr. Khol: Bravo!) Herr Abgeordneter Khol! Das Denken wird im Staate Österreich einem Minister nicht verboten sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich habe also nachgedacht – mit nachträglicher Genehmigung des Herrn Abgeordneten Khol – und habe mit dem Bischof von Eisenstadt gesprochen, der für diese Fragen zuständig ist. Ich habe von ihm erfahren, daß in der Kirche bereits Gespräche geführt werden, einen Bioethik-Rat zu errichten. Wir sollten die Ergebnisse dieser Gespräche abwarten. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Salzl.

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Herr Landeshauptmann Schausberger hat im Zuge seiner Forderung oder Anregung nach einem Bioethik-Rat auch davon gesprochen, daß gerade in gentechnischen Fragen die Politik eine Holschuld hätte und daß die Diskussion, die in letzter Zeit sehr einseitig geführt wurde, versachlicht werden müsse.

Meine Frage: Was werden Sie dazu beitragen, damit es zu einer allumfassenden Diskussion kommt, die auch die ganze medizinische Problematik miteinbezieht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Wenn Sie sagen, die Diskussion müßte versachlicht werden, dann tut mir das ein bißchen weh. Das ist eine Beleidigung für alle jene Personen, die sich bis jetzt in sehr sachlicher, sehr kompetenter und sehr engagierter Weise mit dem Thema Gentechnik beschäftigt haben. Ich weiß, daß Sie zitiert haben, ich sage es. Also wer immer davon gesprochen hat, daß die Diskussion zu versachlichen wäre, beurteilt in meinen Augen all diese Personen etwas ungerecht. – Das zum einen.

Zum zweiten: Ich kann an das anknüpfen, was ich vorhin dem Abgeordneten Leiner gesagt habe: Ich halte es für richtig, daß man die Gespräche, die von den Kirchen und Religionsgemeinschaften zur Installierung eines Bioethik-Rates für ganz Österreich geführt werden, abwartet und dann die Ergebnisse dieser Gespräche der Kirchen und Religionsgemeinschaften diskutiert.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Herr Abgeordnete Maier, bitte.

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Frau Bundesministerin! Ist die Ethik im Gentechnikgesetz bislang berücksichtigt und, wenn ja, in welcher Form?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! In den Beratungen des Unterausschusses des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage des Gentechnikgesetzes ist auch über diese Frage gesprochen worden. Als Ergebnis der Beratungen ist dann folgendes zustande gekommen: Ein Vertreter der wissenschaftlichen Philosophie und ein Vertreter der Theologie sind im Plenum der Gentechnikkommission und im wissenschaftlichen Ausschuß für Genanalyse und Gentherapie am Menschen vertreten und haben dort Sitz und Stimme. Ich halte das für eine sehr zweckmäßige Lösung, weil die Naturwissenschaftler mit Argumenten der Ethik und die Theologen und Philosophen mit naturwissenschaftlichen Argumenten konfrontiert werden und damit also die nötige Interdisziplinarität sichergestellt ist.

Ich bin aber grundsätzlich der Meinung, daß die Ethik eigentlich kein exklusives Anliegen von Fachleuten sein sollte, sondern von allen Menschen zu bedenken und zu beachten ist, ganz egal, wie ihr beruflicher oder bildungsmäßiger Werdegang ist. Es sollte im Interesse aller Österreicher sein, daß die ethischen Grundsätze in allem, was getan wird, gewahrt werden. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön.

Frau Abgeordnete Klara Motter, bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie machen sich Gedanken über den neu zu gründenden Bioethik-Rat. Wir wissen alle, daß wir bereits einen Rat haben. Könnten Sie sich vorstellen, daß zum Beispiel die Gedanken, die Sie uns jetzt vorgebracht haben, nämlich Kirchen und Religionsgemeinschaften oder fehlende Institutionen in einen Rat einzugliedern, in diesen bereits bestehenden Rat mit eingegliedert werden, damit wir nicht wieder einen neuen Rat schaffen müssen? Wir wissen ja alle, wie gearbeitet wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Ihre Vorschläge sind wie immer sehr praktisch und vernünftig. Ja, ich könnte mir das auch vorstellen. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist der zweite Fragenkomplex beendet.

Die 3. Anfrage formuliert Frau Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum) . – Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Klara Motter: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

37/M

Da der vorliegende Entwurf zum Gruppenpraxengesetz dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs noch nicht Rechnung trägt, wann ist mit der Vorlage eines neuen Entwurfs zu rechnen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Hinsichtlich der Versorgungsrelevanz ist der Entwurf bezüglich eines Gruppenpraxengesetzes noch immer aktuell, auch hinsichtlich der Abgrenzung gegenüber Krankenanstalten. Wie Sie wissen, sind im Entwurf zum Gruppenpraxengesetz nicht nur diese Bereiche angesprochen, sondern auch sozialversicherungsrechtliche. Das weitere, das jetzt noch zu tun ist oder wäre, liegt im Bereich des Hauptverbandes und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Ich kann Ihnen daher aus der Sicht des Gesundheitsministeriums noch keinen Zeitpunkt nennen, wann wir die nächsten Gespräche im Hinblick auf das Gruppenpraxengesetz führen können. – Danke.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte sehr.

Abgeordnete Klara Motter: Frau Ministerin! Sie müssen doch irgend etwas tun, damit, wenn wir ein neues Gesetz bekommen, es von vornherein ausgeschlossen ist, daß die ASVG-Novellierung es wieder zunichte macht. Es muß doch irgend etwas geben. Denn wir sind im Verzug, wir brauchen das auch im Hinblick auf die neue Gesundheitsreform.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich gehe mit Ihnen konform, wir brauchen das im Hinblick auf die Gesundheitsreform, und ich hoffe, daß wir vom Hauptverband und vom Sozialministerium bald die entsprechende Mitteilung bekommen, sodaß wir weiterarbeiten können. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Onodi, bitte.

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Frau Bundesministerin! Befürchten Sie nicht, daß aufgrund dieses Verfassungsgerichtshoferkenntnisses ein Wildwuchs im Bereich der medizinischen Berufe entsteht?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Minister.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Frau Abgeordnete! Herr Präsident! Ich glaube nicht, daß da Wildwuchs auftritt. Dies ist in der verfassungsrechtlichen Abgrenzung in der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Heil- und Pflegeanstalten immer schon beachtet worden. Es ergibt sich eigentlich durch die neue Situation überhaupt keine Änderung.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Dr. Pumberger, bitte.

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Alle im Parlament vertretenen Parteien sprechen sich seit Jahren für ein Gruppenpraxengesetz aus. Mehrere Anträge von mir wurden trotzdem sowohl im Ausschuß als auch im Plenum abgelehnt.

Ich frage Sie nun: Werden Sie sich im neuen Entwurf dafür einsetzen, daß einerseits das Anstellungsrecht von Ärzten in das Gruppenpraxengesetz aufgenommen wird und daß zweitens wie in der Bundesrepublik Deutschland die Limitierung der Teilnehmerzahl bei Gruppenpraxen wegfällt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Genau diese zwei Punkte, die Sie angesprochen haben, sind strittige Punkte, und ich kann Sie Ihnen von der Regierungsbank nicht beantworten. Ich würde damit Verhandlungsergebnissen vorgreifen und dem vorgreifen, was die Abgeordneten aushandeln, und das mache ich nicht. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat.


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38. Sitzung / Seite 16

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat
(ÖVP): Frau Bundesminister! Wenn das alles so schwierig ist, können Sie mir erklären, was eigentlich für ein eigenes Gruppenpraxengesetz spricht? Wäre es nicht viel einfacher, das Ärztegesetz zu novellieren, das ja derzeit Ärzte gegenüber anderen Berufsgruppen schwer benachteiligt? Wäre das nicht ein einfacherer und rascherer Weg, um dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auch gerecht zu werden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Frau Abgeordnete! Diese Frage hätten Sie im ÖVP Klub klären müssen, denn der Abgeordnete Rasinger und der Abgeordnete Leiner haben zu den vehementesten Verfechtern eines Gruppenpraxengesetzes gehört. – Danke schön. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Leiner: Das war vor dem Erkenntnis!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum nächsten Fragenkomplex. (Abg. Dr. Leiner: Herr Präsident ...) Die Zusatzfrage der Frau Rauch-Kallat ist gestellt worden, wir kommen daher nach der Geschäftsordnung ... (Abg. Dr. Leiner: Herr Präsident! Darf ich das bitte richtigstellen?)

Bitte, wenn Sie die Güte haben, in der Geschäftsordnung nachzuschauen: Es ist mir nicht gestattet, zu tatsächlichen Berichtigungen das Wort zu erteilen.

Wir kommen zur nächsten Anfrage. Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Reitsamer (SPÖ).

Abgeordnete Annemarie Reitsamer: Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Frage ist:

33/M

Welche Stellung bezieht Ihr Ressort zur Frage der Patentierung gentechnisch veränderter Organismen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Diese Frage erhebt sich insbesondere im Zusammenhang mit dem derzeit in einer EU Arbeitsgruppe neuerlich behandelten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen.

Es ergibt sich dabei, was die Gentechnik betrifft, eine für mich ganz, ganz besonders kritische Frage, nämlich: Sollen isolierte Bestandteile des menschlichen Körpers, isolierte Gene, patentierbar sein? Ich vertrete hierzu die Auffassung, daß es verboten werden sollte, das zu patentieren. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordnete Annemarie Reitsamer: Frau Bundesminister! Da gerade in Bereichen der Gentechnik sehr starkes Lobbying betrieben wird, frage ich Sie, ob in dem in Verhandlung stehenden Entwurf der EU-Kommission vorgesehen ist, gewissen Gruppen, wie zum Beispiel den Landwirten, Ausnahmen zu ermöglichen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Ja, für die Landwirte sind Ausnahmen gemacht worden – ich sage: völlig zu Recht. Der Art. 13 des derzeitigen Entwurfes sieht das sogenannte Landwirteprivileg vor, das sowohl für Pflanzenzüchtungen als auch für Tierzüchtungen in Hinblick auf die


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Vermehrung und Züchtung durch den Landwirt im eigenen Betrieb Regelungen trifft. Ich glaube, das ist eine Verbesserung des Kommissionsvorschlages, und ich halte das für sehr gut. – Danke schön.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Danke.

Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Haupt. – Bitte sehr.

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Sie treten dankenswerterweise gegen eine Patentierung gentechnisch veränderter Organismen auf. Es gibt aber ein Land auf der Welt, wo eine solche Patentierung bereits möglich ist, nämlich Amerika. Im Bereiche der Medizin ist es heute leider schon Praxis, daß in Amerika gentechnologisch veränderte Organismen für gewisse medizinische Untersuchungsmethoden patentiert sind und als solche nur über den Patentinhaber erhältlich sind. Wie wollen Sie diesen Rechtszustand korrigieren?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Was in Amerika gilt, muß in Österreich ja nicht gelten, Herr Abgeordneter Haupt. – Erstens. Man muß aber – zweitens – auch sagen, daß die Gentechnik in der Medizin nicht generell abzulehnen ist. Da gehen wir ja auch konform, nehme ich an. Bei gewissen Dingen, in sehr schwierigen Fällen etwa, wird von Fall zu Fall zu entscheiden sein – aber nicht von Politikern, sondern sicher von Medizinern –, inwieweit gewisse Verfahren angewendet werden dürfen, können, sollen, müssen oder nicht. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Abgeordneter Zweytick, bitte.

Abgeordneter Johannes Zweytick (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Betrachten Sie die in Vorbereitung befindliche Konvention des Europarates für Menschenrechte und Biomedizin als hilfreich zur Verhinderung der Patentierung, also zur Verhinderung einer kommerziellen Verwendung menschlicher Gene?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Ich muß den Abgeordneten bitten, mir die Frage noch einmal zu stellen. Ich bin sehr verkühlt und höre ein bißchen schlecht. Ich bin auch schon eine etwas ältere Dame. (Heiterkeit.) Ich sag’ das einem jungen Herrn. Reden Sie ein bißchen lauter, ich höre Sie sonst nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter, wenn Sie die Güte hätten, die Zusatzfrage zu wiederholen.

Abgeordneter Johannes Zweytick: Gerne, Herr Präsident.

Sehr geschätzte Frau Minister! Betrachten Sie die in Vorbereitung befindliche Konvention des Europarates für Menschenrechte und Biomedizin als hilfreich zur Verhinderung der Patentierung, also der kommerziellen Verwertung menschlicher Gene?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich hoffe, daß es hilfreich sein wird, dann wenn die endgültige Fassung vorliegt. Ich nehme an, daß alle, die mitarbeiten, derselben Auffassung sind wie wir: daß wir mit der Patentierung menschlichen Lebens vorsichtig sein sollten. Meine grundsätzliche Haltung habe ich ja vorhin schon dargelegt. Ich hoffe aber, daß das alles hilfreich sein wird. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. – Danke.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Kollege Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Frau Bundesminister! Nachdem sich die Richtlinie im Entwurfstadium befindet und die Eingangsfrage gelautet hat, wie Ihre Stellung zur Patentierung gentechnisch veränderter Organismen ist, Sie aber nur von menschlichen Genen gesprochen haben, möchte ich Sie bitten, zu präzisieren: Bezieht sich Ihre Ablehnung nur auf das menschliche Genom oder auf Organismen – Tiere, Pflanzen – generell?

Und insbesondere: Wie ist die diesbezügliche Stellung etwa von Herrn Bundesminister Bartenstein oder von Herrn Bundesminister Molterer in der Regierung? Es wird nämlich wichtig sein, daß die Bundesregierung hier einheitlich auftritt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Die entsprechende Position von Herrn Minister Molterer und Herrn Minister Bartenstein kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben darüber noch keine endgültigen Gespräche geführt. Wir müssen in Europa eine einheitliche Meinung vertreten, und ich bin gerne bereit, dann, wenn wir Gespräche geführt haben, dem Parlament die Meinung, die Österreich vertreten wird, mitzuteilen und mit dem Parlament darüber Gespräche zu führen. – Danke.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Gibt es dazu noch einen Zusatzfragewunsch? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zum fünften Fragenkomplex: Bitte, Frau Dr. Petrovic (Grüne).

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

40/M

Halten Sie an Ihrer Ankündigung, in der APA vom 13. 5. 1996 fest, in den nächsten beiden Jahren keine gentechnischen Freisetzungsexperimente zu genehmigen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Das verfolgt mich. Diese zwei Jahre habe ich nie in den Mund genommen, weil ich auch ein gutes Argument dafür gehabt habe, warum wir keine Frist setzen. Ich bin gefragt worden, wie lange die Diskussionsphase dauern sollte. Ich habe gesagt, das liegt nicht an mir. Ob die ein Jahr dauert oder zwei Jahre, wie auch immer, man sollte über diese Frage diskutieren.

Und ich kann Ihnen auch den Grund sagen, warum ich keine Frist genannt habe: Weil ich mich nicht dem Vorwurf aussetzen wollte, ich würde eine Frist setzen, und nach Ablauf dieser Frist wäre es in Österreich verboten, sich über die Frage Gentechnik zu unterhalten. Genau deswegen habe ich das nicht gesagt. Ich habe diese Begründung, diese Argumentation auch einem Journalisten aufs Band gesprochen, und ich hoffe, das findet sich irgendwo, damit das endlich einmal aufhört, ich hätte gesagt, zwei Jahre lang sei das jetzt ausgesetzt. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage. – Bitte sehr.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic: Frau Bundesministerin! Es ist das sehr wohl so über die Medien dargestellt worden und hat auch entsprechendes Befremden bei den Wirtschaftskammern ausgelöst. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie dabei geblieben wären.


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Aber ich möchte Sie noch etwas fragen. Sie haben mir in einer ganz aktuellen Anfragebeantwortung mitgeteilt, daß sowohl die Richtlinie 90/220/EWG als auch das österreichische Gentechnikgesetz keine aktive Informationspflicht betreffend Inverkehrbringungsanträge im Bereich der Europäischen Union enthalten und daß Sie daher auch keine entsprechenden Aktivitäten setzen.

Ich frage Sie: Wäre es nicht im Sinne einer umfassenden Information der österreichischen Bevölkerung besser, wenn Sie als Regierungsmitglied die österreichische Bevölkerung aufmerksam machen, ja ich möchte sagen, warnen würden, damit, wenn derartige Anträge in Europa diskutiert werden, auch hier eine öffentliche Meinungsbildung möglich wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.


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38. Sitzung / Seite 20

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer:
Zum ersten, weil Sie gesagt haben, das ist in den Medien vorgekommen: Nicht in allen, Frau Dr. Petrovic! Wenn Sie wollen, trete ich den Beweis dafür an. Ich bin nämlich von Journalisten ganz verwundert gefragt worden, wann ich denn in diesem Zusammenhang von zwei Jahren gesprochen hätte, denn in ihrer Zeitung wäre das nicht gestanden. Ich hoffe, das ist jetzt geklärt und somit abgehakt.

Das nächste, Frau Dr. Petrovic. Ich stehe in sehr guten Gesprächen mit allen Grüngruppen und Umweltorganisationen. Sie wissen: Immer, wenn etwas auf meinen Schreibtisch kommt, werden diese informiert. Wir informieren auch die Medien. Ich glaube also nicht, daß man sagen könnte, ich halte mit Informationen, die mir vorliegen, hinter dem Berg. Frau Dr. Petrovic, das mache ich nicht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dunst, bitte.

Abgeordnete Verena Dunst (SPÖ): Frau Minister, ohne den Anschein erwecken zu wollen, penetrant zu sein, möchte ich Sie fragen: Was würden Sie – wenn wir davon ausgehen, daß in nächster Zeit wieder Freisetzungsanträge kommen – an konkreten Schritten unternehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich würde und müßte dafür sorgen, daß gemäß dem Gesetz der strengstmögliche Maßstab bei der Überprüfung dieser Freisetzungsanträge angelegt wird.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Kollege Reichhold.

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine ursprüngliche Frage wurde soeben beantwortet, daher nutze ich die Gelegenheit, Ihnen eine andere zu stellen.

Es ist ja – trotz der geltenden Bestimmungen des Gentechnikgesetzes – für die Bauern in Österreich derzeit nicht abschätzbar, ob die zugekauften Futtermittel und das zugekaufte Saatgut gentechnisch verändert sind oder nicht. Auf der anderen Seite müssen sie aber auch die Qualitätsverantwortung gegenüber den Konsumenten wahrnehmen. Das ist schwierig, wenn sie nicht abschätzen können, ob sie jetzt gentechnisch verändertes Material zukaufen oder nicht.

Daher meine Frage an Sie: Wann kommt endlich die Kennzeichnungspflicht für Saatgut und Futtermittel?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Diese Frage müßte vorrangig an den Herrn Landwirtschaftsminister gestellt werden. Aber gut. Ich kann Ihnen sagen, das ist ja mit ein Grund, warum ich so dahinter bin, daß die Verordnungsvorschläge, die ich gemacht habe, verwirklicht werden: damit eine Kennzeichnung kommt und der österreichische Konsument – egal, ob er Bauer ist oder eben ein Konsument, der das unmittelbar ißt, was er kauft – informiert ist und weiß, was er kauft. (Abg. Ing. Reichhold: Und wann kommt sie?) Wenn der Herr Wirtschaftsminister mir seine Antwort auf die Begutachtung schickt, hoffe ich, und wir zu einem guten Ergebnis kommen. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Frau Abgeordnete Horngacher, bitte.

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Frau Minister! Wir Bauern lehnen eine Produktion von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ab, weil der Konsument darauf vertrauen können muß, daß er natürlich produzierte Lebensmittel erhält. Deshalb meine Zusatzfrage: Ist Ihre Vorgangsweise im Einklang mit dem Gentechnikgesetz gewesen, und wenn nicht, werden Sie eine Initiative ergreifen, um dieses Gesetz zu ändern?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Frau Abgeordnete, ich weiß nicht, welche Vorgangsweise Sie meinen. (Abg. Horngacher: Die zwei Jahre!) Frau Abgeordnete, ich habe gerade Frau Dr. Petrovic diese zwei Jahre erklärt; ich bin aber gern bereit, das noch einmal zu tun. Die zwei Jahre wurden nicht von mir genannt, und ich werde mein Büro ersuchen, daß die entsprechenden Zeitungsausschnitte herausgesucht werden. Es gab einige Zeitungen, in denen die zwei Jahre genannt wurden, und dann gab es zwei sehr namhafte Zeitungen, zwei renommierte, die das nicht geschrieben haben, weil sie es nicht gehört haben.

Ein Dank an die Journalistinnen und Journalisten, die dabei waren und das korrekt berichtet haben!

Frau Abgeordnete, Sie sagen, die Bauern lehnen das ab. Gut. Sagen Sie das bitte auch der Firma Agrana in Tulln, die hat nämlich einen Antrag gestellt. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Frage: Kollege Mag. Barmüller, bitte.

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Frau Bundesminister! Da unbestritten ist, daß mit Freisetzungen auch Risken verbunden sind, die durch das derzeitige Haftungsrecht nicht abgedeckt werden, aber das Umwelthaftungsgesetz in der Bundesregierung derzeit nicht weiter betrieben wird, möchte ich gerne von Ihnen wissen, ob aufgrund der Freisetzungsanträge jetzt verstärkt am Umwelthaftungsgesetz gearbeitet wird und ob Sie damit rechnen, daß noch in dieser Legislaturperiode dem Parlament eine Regierungsvorlage zugeleitet wird, nachdem die Vorarbeiten ja an sich schon weit gediehen waren.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um Beantwortung.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich kann Ihnen diese Frage natürlich nicht beantworten, weil hier der Umweltminister federführend ist, aber ich versichere Sie, ich werde mit ihm darüber reden. Ich werde mich informieren, meine Beamten werden sich informieren, und wir werden Ihnen diese Frage beantworten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Herr Dr. Pumberger (Freiheitliche) hat das Wort für die 6. Anfrage.

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger: Frau Bundesministerin! In der geplanten Krankenanstaltengesetz-Novelle ist vorgesehen, daß auf bestimmten Abteilungen kein Facharzt mehr


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38. Sitzung / Seite 21

Bereitschaftsdienst machen muß und nicht mehr anwesend sein muß. Meine Frage in diesem Zusammenhang:

39/M

Wie werden Sie der in der geplanten KAG-Novelle vorgesehenen Streichung der Anwesenheit eines Facharztes für bestimmte Fächer und dessen Ersatz durch Rufbereitschaft entgegenwirken, um eine Qualitätsminderung in der Spitalsbehandlung auf Kosten der Patientensicherheit zu vermeiden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Abgeordneter, darf ich Ihre Frage ein bißchen vervollständigen.

Es klingt sehr schön, wenn man sagt: in bestimmten Fächern keine Facharztanwesenheitspflicht. – Das bezieht sich auf die Nacht. Gehen wir da konform? – Gut.

Ich sehe in der beabsichtigten Änderung des § 8/1 des Bundeskrankenanstaltengesetzes keine Qualitätsminderung in der Spitalsbehandlung und keine Beeinträchtigung der Patientensicherheit, weil wir diese Bestimmung unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Begutachtung sicher so gestalten werden, daß es keinen Qualitätsverlust für die Patienten gibt.

In Anbetracht der Tatsache, Herr Abgeordneter, daß auch vergleichbare Staaten, von denen alle – und auch Sie – immer sehr gerne sagen, welch hohes medizinisches Niveau, welch hoher Standard dort herrscht, keine verpflichtende fachärztliche Anwesenheit rund um die Uhr haben, kann ich mir auch für Österreich einige Ausnahmen in einigen Fächern während der Nachtzeit vorstellen. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger: Frau Bundesministerin! Gerade in der Nacht und auch in der Nacht gibt es Notfälle: Können Sie zusagen, daß eine 15minütige Abwesenheit eines Facharztes in jedem Fall garantiert, daß Patienten, bei denen ein Notfall eingetreten ist, rechtzeitig und ohne Schaden zu erleiden ärztliche Hilfe durch einen zur selbständigen Ausübung berechtigten Arzt bekommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter Pumberger! Können Sie garantieren, daß jetzt, in der momentanen Situation, überhaupt nichts passiert? (Abg. Haigermoser: Das hat er nicht gefragt! Die Fragen stellen schon wir ! Wir beantworten keine Frage, wir wollen Antworten!)

Er hat mich gefragt, ob ich garantieren kann, daß, wenn kein Facharzt dort ist, nichts passiert. Ich frage ihn, ob er jetzt garantieren kann, daß jetzt nichts passiert. (Abg. Haigermoser: Das ist kaltblütig!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, wollen Sie noch etwas hinzufügen? – Bitte sehr. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer (fortsetzend): Wenn der FPÖ-Klub ruhig ist, dann kann ich dem Herrn Abgeordneten Pumberger antworten.

Sie haben von mir eine Garantie verlangt. Herr Abgeordneter Pumberger, Sie sind auch Arzt: Können Sie garantieren, daß Ihnen nie ein Patient sterben wird? – Nein, das kann niemand! – Danke schön. (Abg. Haigermoser: Das ist makaber! – Heiterkeit.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Abgeordneter Kaipel.


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38. Sitzung / Seite 22

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel
(SPÖ): Frau Bundesministerin! Können Sie uns berichten, wie die fachärztliche Anwesenheit in Krankenanstalten in anderen Staaten Europas geregelt ist? (Bundesministerin Dr. Krammer hat die Frage nicht gehört.)


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38. Sitzung / Seite 23

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Bitte, Herr Abgeordneter, könnten Sie die Frage wiederholen.

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel: Frau Bundesministerin! Können Sie uns berichten, wie die fachärztliche Anwesenheit in Krankenanstalten in anderen Staaten Europas geregelt ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! In Deutschland gibt es überhaupt keine unserer KAG-Bestimmung entsprechende gesetzliche Regelung für die fachärztliche Anwesenheit. Es ist in keinem Gesetz normiert, daß Ärzte rund um die Uhr im Spital anwesend sein müssen. Auch eine klare Regelung darüber, ab welchem Ausbildungsstand Ärzte alleinverantwortlich eine Abteilung führen dürfen, fehlt in der Bundesrepublik.

Man könnte aus der Rechtsprechung für Deutschland folgendes ableiten: Mit Ausnahme von hochrangigen Zentralkrankenanstalten genügt es allgemein, wenn außerhalb der regulären Dienstzeit vor Ort ein Facharzt in Ausbildung anwesend ist, der auch oft fächerübergreifenden Bereitschaftsdienst leistet. – In der Bundesrepublik. – Entscheidend ist, daß der vor Ort anwesende Arzt über die Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Notwendigkeit, einen erfahrenen Facharzt zu holen, zuverlässig zu erkennen. Im Zusammenhang damit hat ein Facharzt in ständiger Rufbereitschaft zu stehen.

Auch in der Schweiz, die von uns auch sehr gerne als Beispiel genannt wird, gibt es keine verbindliche Rechtsgrundlage für die Ärzteausstattung in Spitälern. Der Nacht- und Wochenenddienst wird von einem Assistenzarzt, das heißt einem in Facharztausbildung befindlichen Arzt geleistet, der für die Notfallversorgung aller Patienten zuständig ist.

Das ist die Lage in unseren Nachbarstaaten, von denen, glaube ich, niemand hier sagen kann, sie hätten einen schlechten oder einen niedrigen medizinischen Standard. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Die Österreichische Ärztekammer befürchtet bezüglich des Entwurfs der KAG-Novelle, daß durch die Fixierung der Finanzleistungen an die Krankenkassen keine nennenswerten Auslagerungen von Leistungen in den extramuralen Bereich erfolgen werden. Dies bedeutet laut Ärztekammer, daß die neugeschaffene Leistungskrankenanstaltsfinanzierung nicht wirksam werden würde.

Teilen Sie diese Befürchtung der Ärztekammer?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Nein, diese Befürchtung teile ich nicht. Die Reform beginnt jetzt mit 1. Jänner, also der erste Schritt zur Gesundheitsreform, die Einführung des leistungsorientierten Abrechnungssystems in den Krankenhäusern. Er sollte demnächst gefolgt werden vom zweiten Schritt, der da heißt: Aufwertung des extramuralen Bereiches. Das ist unsere Intention.

Wir wollen, daß außerhalb des Krankenhauses der niedergelassene Arzt, die niedergelassenen Ärzte sehr viel an Verantwortung übertragen bekommen. Das ist unsere Intention. Ich wundere mich über das, was Sie da sagen, ich habe das von der Ärztekammer noch nicht gehört. Es ist sicher nicht so, Frau Abgeordnete, das kann ich definitiv sagen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Kollegin Haidlmayer. – Bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Bundesministerin! Die Verlagerung der Regelung der verlängerten Dienste von Spitalsärzten von der Kollektivvertragsebene auf die Betriebsebene führt zur Ungleichbehandlung von Dienstnehmern in verschiedenen Krankenhäusern. Ist Ihnen das bekannt, und was werden Sie dagegen tun?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Diese Frage fällt in den Kompetenzbereich des Herrn Sozialministers; er ist dafür zuständig.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Kollege Dr. Rasinger (ÖVP), bitte die 7. Anfrage.

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger: Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

36/M

Halten Sie es für haftungsrechtlich vertretbar, daß ein Turnusarzt (Arzt in Ausbildung) in einem medizinischen Notfall bis zu 15 Minuten alleinverantwortlich behandeln soll?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich verweise darauf, daß der Patient in einer Krankenanstalt den Behandlungsvertrag nicht mit einem einzelnen Arzt schließt, sondern mit der Krankenanstalt. Durch die zur Diskussion gestellten Bestimmungen kämen nur auf ganz bestimmten Gebieten außerhalb einer akuten Notversorgung Turnusärzte in Betracht, die allerdings schon über einen gewissen Ausbildungsstand und einen gewissen Ausbildungsgrad verfügen müssen.

Wenn nun ein Träger einer Krankenanstalt entgegen auch nur einer dieser Vorgaben Turnusärzte einsetzen würde, wäre die Haftung dieses Trägers wegen des Verstoßes gegen ein Schutzgesetz schon gegeben. Da haben Sie recht.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger: Frau Bundesministerin! In Ihrem Gesetzentwurf sprechen Sie auch von ausreichenden Kenntnissen und Ausbildungsstand. Könnten Sie näher definieren, was Sie darunter verstehen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Abgeordneter! Das muß im einzelnen Krankenhaus beurteilt werden, wie der Ausbildungsstand, der Wissensstand der betreffenden Person, des jungen Arztes oder der jungen Ärztin, ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke.

Herr Kollege Dr. Pumberger. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Frau Bundesministerin! Da Sie mir zuerst meine Frage mit einer Gegenfrage beantwortet haben, ich aber nicht auf der Regierungsbank sitze und daher diese Frage nicht beantwortet habe, hoffe ich, daß Sie mir jetzt eine Antwort geben.


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38. Sitzung / Seite 24

Nach einer Stellungnahme von Herrn Universitätsprofessor Dr. Mazal zu dieser Causa werden durch die erwähnte Maßnahme keine finanziellen Vorteile für die Träger der Krankenanstalten entstehen. Ich frage Sie daher: Können Sie als Gesundheitsministerin garantieren, daß es gerade in den ersten 15 Minuten, in denen bei Interventionen in Notfällen die höchste Erfolgsquote zu erreichen ist, nichts passiert, daß es, wenn kein Arzt anwesend ist, nicht zu solchen Versäumnissen kommt, durch die Patienten irreversible Schäden davontragen, für die niemand die Verantwortung übernimmt?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich glaube, da besteht ein Mißverständnis. Es ist nicht 15 Minuten kein Arzt da, sondern der zuständige Facharzt ist nicht da. Vorher muß ein einen entsprechenden Wissensstand aufweisender Arzt oder eine solche Ärztin da sein. Der Facharzt in bestimmten Fächern sollte oder müßte innerhalb von 15 Minuten da sein.

Schauen Sie sich die Realität an, Herr Doktor! Bauschen Sie nicht etwas künstlich auf, was nicht ist. Machen Sie den Leuten nicht Angst, das ist unverantwortlich für einen Politiker! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Beantworten Sie die Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Kollegin Dr. Pittermann stellt die nächste Zusatzfrage.

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Frau Bundesministerin ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist jetzt Frau Dr. Pittermann!

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (fortsetzend): Frau Bundesministerin! In Ihrem Entwurf bleibt offen, zu welchen Zeiten und über welche Zeiträume diese Lockerung der Facharztanwesenheit stattfinden soll. Denken Sie auch an einen Verzicht der Facharztpräsenz an Wochenenden, an verlängerten Wochenenden mit Feiertagen oder nur in der Nacht oder ab Mittag bis über die Nacht? Wie lange soll das stattfinden?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Es ist den Abgeordneten sicher bekannt, daß der Art. 12 B-VG dem Bund in Angelegenheiten von Krankenhäusern lediglich die Grundsatzgesetzgebung zuschreibt. Die Durchführungsgesetzgebung und die verfassungskonforme Vollziehung liegen bei den Ländern.

Unter Beachtung dieser verfassungsmäßigen Vorgaben sollte eine Diskussion hinsichtlich der Facharztanwesenheit während der Nachdienste in Gang gesetzt werden. Ich kann mir vorstellen, daß diese Intention auch im Rahmen eines Grundsatzgesetzes zum Ausdruck kommt – Grundsatzgesetzzuständigkeit Bund. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Motter.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Darf ich Sie im Zuge der gegenständlichen Frage auch fragen: Wann glauben Sie, wird endlich eine Einigung betreffend das Ärztearbeitsgesetz zustande kommen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Das Arbeitszeitgesetz wird vom Sozialministerium gemacht. Frau Abgeordnete Motter! Ich fühle mich nicht befugt, diesbezüglich eine Äußerung zu tun. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Haidlmayr, bitte.


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38. Sitzung / Seite 25

Abgeordnete Theresia Haidlmayr
(Grüne): Frau Bundesministerin! Ich möchte Sie noch einmal fragen: Was ist, wenn kein Facharzt da ist, und ein Turnusarzt, der in Ausbildung steht, verweigert seinerseits die Alleinverantwortung im Notfall? Kann er das, und welche rechtlichen Konsequenzen würde es in diesem Fall für den Turnusarzt geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Es muß ein Arzt sein, der über entsprechende Kenntnisse verfügt. Ein junger, in Ausbildung stehender Mediziner, der den ersten Tag im Krankenhaus ist, wird von den Verantwortlichen sicher nicht für eine solchen Fall, wie Sie ihn geschildert haben, als Alleinverantwortlicher herangezogen. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

Sie entwerfen Szenarien, wo alles möglich ist. Das ist jetzt auch schon möglich. Ich kann auch für diese Dinge keine Garantie übernehmen. Das kann auch niemand von Ihnen, jetzt nicht und auch künftighin nicht. Ich bitte Sie!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist der 7. Fragenkomplex abgehandelt.

Die Frage Nummer 34 stellt Herr Abgeordneter Walter Guggenberger (SPÖ). Er hat das Wort.

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger: Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

34/M

Welche Impulse für das österreichische Gesundheitswesen erwarten Sie sich durch die mit der politischen Einigung am 29. März dieses Jahres in die Wege geleitete Reform der Krankenanstaltenfinanzierung?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Ich erwarte mir die einvernehmliche Festlegung des österreichischen Krankenanstaltenplanes und des Großgeräteplanes und ein österreichweites Kapazitäts- und Leistungsangebot, das dem Bedarf optimal gerecht wird. Von der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung erwarte ich eine maßgebliche Erhöhung der Kosten- und Leistungstransparenz in allen Krankenanstalten. Ich finde, die Transparenz müßte gegeben sein hinsichtlich der Erbringung der Leistung, und die Transparenz müßte gegeben sein hinsichtlich der Kosten, die entstehen.

In Verbindung mit dem österreichischen Krankenanstaltenplan erwarte ich mir eine Optimierung des Mitteleinsatzes und eine langfristige Eindämmung von überproportionalen Kostensteigerungsraten im Krankenanstaltenbereich. Das sollte mit dazu beitragen, neben anderen Maßnahmen auch.

Eine den medizinischen Erfordernissen entsprechende und von den Ärzten festzustellende und festzuhaltende kürzere Verweildauer im Krankenhaus – wenn es medizinisch gerechtfertigt ist – und eine Reduktion von nicht notwendigen Mehrfachleistungen – wir alle wissen, daß es das derzeit gibt – müßte mit der mit 1. Jänner 1997 beginnenden Reform eigentlich greifen.

Die Strukturkommission ist zu errichten. Sie hat zur Aufgabe, die Entwicklungen im österreichischen Gesundheitswesen zu beobachten, Weiterentwicklungen zu steuern und bei Fehlentwicklungen eventuell einzugreifen.

Der Konsultationsmechanismus soll im Zusammenhang mit möglichen Verschiebungen der Leistungserbringung und der Kostentragung eine Kooperation zwischen den Finanzierungspartnern im Gesundheitswesen erreichen. Dann werden neun Landeskommissionen und neun Landesfonds errichtet, was mit sich bringen soll, daß in Zukunft wesentliche Entscheidungen in den einzelnen Landeskommissionen getroffen werden.


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38. Sitzung / Seite 26

Zur Umsetzung des Systems der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung sind die Landesfonds mit einer sehr weitreichenden Gestaltungsfreiheit ausgestattet.

Das wär’s, was ich in Kürze sagen könnte, Herr Abgeordneter, was ich mir von der Einführung des leistungsorientierten Abrechnungssystems zunächst erwarte. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin, danke.

Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger: Sie haben über einen ganzen Katalog notwendiger Reformschritte berichtet, die aufgrund der erfolgten Einigung zu setzen sind. Ich darf Sie fragen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, inwieweit die Umsetzung dieser Maßnahmen in Ihrem Ressort bereits gediehen ist.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Ministerin.


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38. Sitzung / Seite 27

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer:
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Mein Ministerium hat am 22. Mai dieses Jahres den Entwurf einer Artikel-15a-Vereinbarung über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 im Rahmen von Verhandlungen auf Beamten- und Expertenebene vorgestellt.

Dieser Vereinbarungsentwurf ist mittlerweile weitestgehend ausverhandelt. Mitte August dieses Jahres wurden von meinem Ministerium zur Umsetzung der genannten Vereinbarung folgende Gesetzentwürfe in Begutachtung gegeben: die Krankenanstaltsgesetznovelle, der Entwurf eines Bundesgesetzes über die Dokumentation im Gesundheitswesen und die Novelle zum Ärztegesetz. Diese Gesetzentwürfe werden derzeit für die parlamentarische Behandlung vorbereitet.

Gleichzeitig wurde von meinem Ressort ein aktualisiertes Modell der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung mit Diagnosefallgruppen ausgearbeitet. Eine entsprechende Beschreibung des Systems der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung und Dokumentationshandbücher werden allen Ländern noch im September zur Verfügung gestellt werden, ein EDV-Programm zur Anwendung des neuen Systems durch die Länder wird vom Gesundheitsministerium an die Länder auch noch im September übermittelt. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Koller, bitte.

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Frau Ministerin! Wenn Sie schon die Fragen meines Kollegen Pumberger nicht beantwortet haben, hoffe ich, daß Sie meine Frage beantworten.

Frau Ministerin! Gehen Sie bei der Durchsetzung des Krankenanstaltenplanes davon aus, daß man öffentlichen und auch Privatkrankenhäusern die krankenanstaltenrechtliche Bewilligung entzieht, wie es derzeit vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes überprüft wird?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Es war mit im Gespräch mit den Ländern und der Wunsch der Länder, diese Frage zu hinterfragen. Der Verfassungsdienst trägt damit dem Wunsch der Länder Rechnung. – Danke schön. (Abg. Böhacker: Das war nicht die Frage!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Motter.

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Bundesministerin! Kommt es im Zusammenhang mit dieser Reform auch zu einer leistungsorientierten Abrechnung für den niedergelassenen Bereich?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Das wären die künftigen Schritte, denn mit der Einführung der Leistungsorientierung – da liegen wir beide völlig konform – ist ja die Gesundheitsreform in Österreich nicht abgeschlossen. Das ist der erste Schritt.

Man müßte dann, wenn wir mehr Gewicht auf die extramurale Behandlung und Versorgung legen, natürlich auch im extramuralen Bereich über ein neues Abrechnungssystem nachdenken. Das würde es mit sich bringen. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Kollege Großruck, bitte.

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie bereits festgestellt, wurde eine Einigung über die Reform der Krankenanstaltenfinanzierung erzielt. Wurde bei dieser Einigung auch berücksichtigt, daß ein neues Ärztearbeitszeitgesetz kommen wird, beziehungsweise wer soll Ihrer Meinung nach die Mehrkosten, die aus diesem Gesetz resultieren, tragen und übernehmen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Diese sehr interessante Frage wird sicherlich Gegenstand intensiver Gespräche im Konsultationsmechanismus sein. – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Frau Abgeordnete Haidlmayr.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Frau Ministerin! Ich wollte Sie fragen, ob es zur leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung eine Begleitstudie geben wird. Wenn ja, bis wann ist mit einem ersten Zwischenbericht zu rechnen? Wenn nein, warum finden Sie eine Begleitstudie nicht für notwendig? (Bundesministerin Dr. Krammer: Welche Studie?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Eine Begleitstudie. – Bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Wir haben uns das von seiten des Gesundheitsministeriums so vorgestellt, daß wir ständig in Kontakt sind, um laufend zu überprüfen, inwieweit das System umgesetzt wird, welche Schwierigkeiten es in der Umsetzung gibt und welche möglichen Schwierigkeiten in der Anwendung, sodaß wir sofort reagieren und diese Umsetzung in den Ländern eigentlich begleitend verfolgen können. So ist es von uns gedacht.

Selbstverständlich werden wir mit den Ländern auf diese Weise ständig in Kontakt sein und immer wissen, wo irgendwelche Schwierigkeiten bei der Reform auftauchen, so sie überhaupt auftauchen. Auf diese Weise könnten wir uns eine Begleitstudie, die viel Geld kostet, eigentlich ersparen, wenn die Beamten des Gesundheitsministeriums das auch machen können. Ich glaube, in Zeiten des Sparpaketes, Frau Abgeordnete, ist sparen angesagt – auch in Ministerien! – Danke schön.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke schön.

Die Fragestunde ist damit beendet.

Weil wir in diesen Sekunden noch Anträge und Verlangen bekommen haben, bitte ich um eine ganz kurze Unterbrechung.

Die Sitzung ist unterbrochen .

(Die Sitzung wird für kurze Zeit unterbrochen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir nehmen die Sitzung wieder auf .


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38. Sitzung / Seite 28

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz und das Bundesgesetz über die Post-Betriebsverfassung geändert werden (318 der Beilagen),

Antrag 283/A (E) der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Anwendung der 80 Prozent Wahlarztregelung auch auf Physiotherapeuten und drei andere Medizinisch-Technische Dienste (MTDs),

Antrag 284/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend die Aufhebung der Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht von Werk- und sogenannten freien Dienstverträgen,

Antrag 287/A der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden,

Antrag 289/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Bundesgesetz über die Einhebung eines Wohnbauförderungsbeitrages, BGBl. Nr. 13/1952, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 376/1986, geändert werden;

Bautenausschuß:

Antrag 288/A der Abgeordneten Dr. Walter Schwimmer, Ing. Erwin Kaipel und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird;

Finanzausschuß:

Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zur elften Wiederauffüllung der Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA 11) (322 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird (310 der Beilagen),

Medizinproduktegesetz – MPG (313 der Beilagen);

Justizausschuß:

Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSCHG (252 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung geändert werden (253 der Beilagen),


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38. Sitzung / Seite 29

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz und das Bundesgesetz über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer geändert werden (311 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem Regelungen über den Erwerb von Rechten an Gebäuden und Wohnungen von Bauträgern getroffen werden (Bauträgervertragsgesetz – BTVG) und das Wohnungseigentumsgesetz 1975 geändert wird (312 der Beilagen),

Strafvollzugsgesetznovelle 1996 (317 der Beilagen),

Antrag 282/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch geändert werden,

Antrag 286/A der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes (BGBl. 1988/599);

Verfassungsausschuß:

Antrag 285/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Begrenzung der Politiker- und Funktionärsbezüge.

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete Dr. Petrovic hat vor Eingang in die Tagesordnung soeben das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 290/A (E) der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend Abhaltung einer Volksabstimmung über die immerwährende Neutralität Österreichs dringlich zu behandeln.

Im Sinne der Bestimmungen der Geschäftsordnung wird die Verhandlung dieses Dringlichen Antrages, da wir zeitgerecht in die Tagesordnung eingehen, für 15 Uhr anberaumt.

Verlangen einer kurzen Debatte über eine Anfragebeantwortung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich vor Eingang in die Tagesordnung mit, daß das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 892/AB zur Anfrage 875/J der Frau Abgeordneten Dr. Partik-Pablé und Genossen betreffend Kosten der Integrationsleistungen für Konventionsflüchtlinge und bosnische Kriegsvertriebene durch den Herrn Bundesminister für Inneres abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages, wie soeben bekanntgegeben, verlangt wurde, wird die kurze Debatte zu dieser Anfragebeantwortung im Anschluß an die Debatte über den Dringlichen Antrag stattfinden.

Ankündigung von Fristsetzungsanträgen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß die Abgeordneten Böhacker und Genossen beantragt haben, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 287/A der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASVG und das Einkommensteuergesetz geändert werden, eine Frist bis zum 27. September 1996 zu setzen.

Die Durchführung einer Debatte wurde nicht verlangt.


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38. Sitzung / Seite 30

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag findet nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung statt.

Weiters liegt ein Fristsetzungsantrag nach § 43 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Dr. Heide Schmidt und Fraktion vor, und zwar dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 284/A betreffend ein Bundesgesetz über die Aufhebung der Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht von Werk- und sogenannten freien Dienstverträgen eine Frist bis 1. Oktober 1996 zu setzen.

Auch hierzu wurde keine Debatte verlangt.

Die Abstimmung wird im Anschluß an die vorhin bekanntgegebene Abstimmung über den ersten Fristsetzungsantrag stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 3 und 4 sowie 5 und 6 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

Nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wird vorgeschlagen, für alle Tagesordnungspunkte dieser Sitzung eine Gesamtredezeit von 8 "Wiener Stunden" vorzusehen, sodaß sich für die Abgeordneten der einzelnen Klubs folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten sowie Liberales Forum und Grüne je 72 Minuten.

Da es sich um die Redezeit für den gesamten Tag handelt, ist für die Beschlußfassung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Ich lasse daher über diese Redezeitvorschläge abstimmen .

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem genannten Vorschlag betreffend Festsetzung von Redezeiten zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die erforderliche Zweidrittelmehrheit . Der Vorschlag ist daher angenommen .

1. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses betreffend den Außenpolitischen Bericht 1995 der Bundesregierung (III-28/229 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der 1. Punkt der Tagesordnung ist der Bericht des Außenpolitischen Ausschusses betreffend den Außenpolitischen Bericht 1995 der Bundesregierung in III-28 der Beilagen.

Ein Vorschlag oder Verlangen auf Berichterstattung liegt nicht vor. Nach der neuen Geschäftsordnung erfolgt eine Berichterstattung nur dann, wenn ein diesbezügliches Verlangen vorliegt.

Wir können daher unmittelbar in die Debatte eingehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider. Ich erteile es ihm.

10.01

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In einem Interview, das der Präsident der Europäischen Kommission Santer heuer im Sommer der


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38. Sitzung / Seite 31

"Kleinen Zeitung" gegeben hat, sagt er: "Wir erleben zurzeit eine Vertrauenskrise innerhalb der Europäischen Union. Wir müssen gemeinsam das Vertrauen beim Bürger wiederherstellen. Natürlich haben die Mitgliedstaaten ihre Hausaufgaben zu verrichten."

Ich glaube daher, daß wir die außenpolitische Debatte heute auch in der Richtung nutzen sollten, bei der österreichischen Bundesregierung zu hinterfragen: Wie sind denn die Hausaufgaben im Hinblick auf die Europäische Integration in Österreich tatsächlich gelöst worden? Existiert hier nicht gerade zwischen den beiden Regierungsparteien eine Reihe von Widersprüchen, die zumindest einmal einer Klärung bedürfen?

Herr Vizekanzler! Wie steht es mit der Außenpolitik etwa in Fragen der Sicherheitspolitik, wo Sie immer wieder auch – man könnte Ihnen das ja anhand von öffentlichen Erklärungen vorlegen – die Neutralität relativieren und die Meinung vertreten, daß wir uns in Richtung WEU- und NATO-Mitgliedschaft bewegen, während andererseits Ihr Koalitionspartner so tut, als wäre die Neutralität sakrosankt und müßte ein für allemal auch in einer zukünftigen europäischen Sicherheitsarchitektur als fixer Bestandteil Österreichs verankert werden? Wie steht es also damit? Gibt es eine offizielle Linie dieser Bundesregierung?

Wie steht es mit der Frage der Wirtschaftspolitik? – Auf der einen Seite werden Sozial- und Umweltdeklarationen von den beiden Regierungsparteien vorgegeben, auf der anderen Seite stimmt man aber im Europaparlament dagegen, daß etwa die Kennzeichnungspflicht von genetisch manipulierten Nahrungsmitteln eingeführt wird. Sogar Ihre eigene Fraktion hat es im Europaparlament verhindert, daß es zu dieser wesentlichen Umweltmaßnahme, aber auch Maßnahme für den Konsumentenschutz kommt.

Wie steht es mit der Bannung der Gefahr des Sozialdumpings? – Gerade heute am Weltkindertag muß man sich ja wirklich bewußt machen, daß Europa gegenwärtig geöffnet ist gegenüber einer Weltwirtschaft, bei der nicht differenziert wird, unter welchen Bedingungen Produkte erstellt werden. Dort, wo Kinderarbeit an der Tagesordnung ist, dort, wo elementare soziale Rechte mißachtet werden, dort, wo Grund- und Freiheitsrechte mit Füßen getreten werden, wo Jugendliche in Nacht- und Schichtarbeit tätig sind, erstellt man natürlich wesentlich billigere Produkte, als sie hier unter den strengen Sozial- und Umweltstandards in Österreich erarbeitet werden können. Diese Produkte importiert man dann, um so eigentlich auch noch den österreichischen Betrieben das Geschäft und die Arbeitsplätze wegzunehmen.

Welche Antwort gibt hier die offizielle Politik dieser Bundesregierung darauf? – Bis heute nur Schweigen dazu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie schaut es aus mit der Freiheit des Personenverkehrs? – Ich kann mich sehr gut daran erinnern, daß Dr. Mock bei den ersten Verhandlungen immer gesagt hat, eines der wesentlichen Elemente dieser Europäischen Union sei die Freizügigkeit des Personenverkehrs. – Gestern sprach der Bundeskanzler davon, daß das nicht mehr so sein soll, weil es gefährlich ist, weil damit das Lohndumping verbunden ist – etwas, was wir Ihnen bereits vor dem EU-Beitritt 1994 gesagt haben.

Was für eine Linie hat jetzt die Regierung? Sind Sie dafür, daß Lohndumping bekämpft und damit die Freizügigkeit des Personenverkehrs eingeschränkt wird, oder gelten weiterhin die vier Freiheiten, zu denen sich auch Österreich im Rahmen des Vertrages mit der Europäischen Union bekannt hat?

Wie schaut es aus, welchen wirtschaftspolitischen Weg gehen wir? Gehen wir den Weg der monetären Sanierung, um die Maastricht-Kriterien zu erlangen, oder gehen wir den Weg, den Ihr sozialistischer Partner immer wieder ankündigt, indem er sagt, eigentlich wollen wir primär eine beschäftigungspolitische Variante, auch was die europäische Wirtschaftspolitik anlangt, verfolgen? – Das sind zwei grundverschiedene Dinge. Vranitzky kündigt ständig Beschäftigungsinitiativen im Rahmen der EU an, Sie verfolgen mehr den monetären Sanierungsweg, um die Maastricht-Kriterien zu erreichen. Welchen Weg geht die österreichische Bundesregierung hier wirklich?


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38. Sitzung / Seite 32

Oder wie schaut es mit der Osterweiterung aus? Was geschieht hier? – Einerseits sagen Sozialdemokraten, dies sei momentan gefährlich, andererseits sagten Sie gestern im Parlament, die Osterweiterung sei sozusagen etwas ganz Elementares, was sofort angestrebt werden soll.

Das sind die Dinge, wo wir Sie fragen: Wie steht es denn mit der Erledigung der Hausaufgaben durch diese Bundesregierung, um wieder eine schlüssige Außenpolitik zustande zu bringen?

Ich glaube, daß gerade die Osterweiterung ein Beispiel ist, an dem man sehen kann, wie offizielle Grundsätze der Außenpolitik mit den Zielen einer nationalen Wirtschaftspolitik immer schwerer zu vereinbaren sind. Wir müssen heute – nicht zuletzt durch die falsche Integrationspolitik der letzten Jahre – ein ganz beträchtliches Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Österreich zur Kenntnis nehmen, und wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Wirtschaftspolitik der EU – Öffnung, Verträge mit potentiellen neuen Mitgliedsstaaten, wie etwa den Reformländern, aber auch Öffnung etwa in Richtung anderer Partner, mit denen wir assoziiert sind, etwa mit der Türkei – zu einem massiven Einbruch auch auf dem österreichischen Arbeitsmarkt führen wird.

Wenn ich nur die Berichterstattung im "Standard" vom 26. August des heurigen Jahres hernehme, so ist dort zu lesen, daß sogar der jetzige EU-Kandidat der SPÖ, Ettl, sagt: "Europa muß sich zuknöpfen in bezug auf die Textilindustrie, weil wir sonst Tausende Arbeitsplätze verlieren."

Und die österreichische Interessenvertretung der Textil- und Bekleidungsindustrie sagt: "Allein durch das seit Jahresbeginn geltende Zollabkommen mit der Türkei werden in der europäischen Textilindustrie 150 000 Jobs vernichtet." – Also in einer EU, die bereits jetzt 18 Millionen und mehr Arbeitslose hat, die bereits jetzt 4,5 Billionen Schilling für Arbeitslosenunterstützung ausgeben muß, werden durch solche Öffnungsklauseln, durch solche Verträge – etwa mit der Türkei, etwa mit den Reformstaaten durch die Osterweiterung – Hunderttausende Beschäftigungsmöglichkeiten vernichtet. Und der Herr Ettl, Ihr Regierungspartner, sagt dann: Da müssen wir Österreich zuknöpfen, da müssen wir die EU zuknöpfen.

Ja, was wollen Sie jetzt, meine Damen und Herren? – Einerseits spielen Sie uns da die großen Europäer, die großen Weltpolitiker vor, die eine Liberalisierung vertreten, und andererseits, wenn es dann ans Eingemachte geht, sagen Sie, jetzt müssen wir Österreich wieder zuknöpfen. – Sagen Sie uns verbindlich, was Sie wirklich tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben durch die EU-Politik der letzten Jahre allein in der Textilindustrie über 4 300 Arbeitsplätze geopfert. In knapp einem Jahr sind über 4 300 Arbeitsplätze in der Textil- und Bekleidungsindustrie in Österreich kaputtgegangen, über 4 000 Arbeitsplätze in der Lebensmittelindustrie.

Und jetzt sagt Herr Ettl selbst: "Man muß die Bremse anziehen", verlangt der Chef der Textilgewerkschafter Ettl. "Die Liberalisierung kann nicht fortgesetzt werden, sonst purzeln bei uns die Arbeitsplätze." Und außerdem sagt er: "Wir fördern mit EU-Steuergeldern den Beschäftigungsabbau innerhalb der Union. Das ist unvertretbar."

Und da wollen Sie uns dann einreden, daß die Politik richtig ist, die Sie verfolgen? – "Wir fördern mit EU-Geldern den Beschäftigungsabbau", sagt einer, der uns einredet, daß diese Politik richtig ist, der jetzt dafür kandidiert, daß diese Politik fortgesetzt wird. – Also was gilt jetzt?

Daher sage ich, es ist erheblich für uns: Wie organisieren Sie jetzt die Ostöffnung, von der Sie gestern geredet haben, Herr Vizekanzler? – Ich habe da so meine Zweifel, daß Sie sich bewußt sind, was das wirklich auch für die österreichische Wirtschaft bedeutet.

Ostöffnung klingt gut, aber fragen Sie einmal Ihre Agrarier in der eigenen Partei, was es bedeutet, unter dem Druck der Billigprodukte aus Osteuropa zu stehen! Fragen Sie einmal die Arbeitnehmervertreter, was es bedeutet, unvorbereitet in diese Ostöffnung hineinzugehen! Sie stellen sich da her und reden von Ostöffnung, aber Sie sagen nicht dazu, daß die Befürchtungen auch in Ihrer eigenen Regierungsfraktion und bei Ihrem Regierungspartner erheblich sind, daß


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es zu einem weiteren dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit und zur Vernichtung von Arbeitsplätzen kommt.

In einem Interview im "profil" hat der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes Kramer auf die Frage: "Heißt Ostöffnung, daß das hiesige Lohnniveau dramatisch unterfahren wird und wir durch Billigarbeitskräfte aus dem Osten überschwemmt werden?" geantwortet: "So ist es. Und daher glaube ich auch, daß die Freizügigkeit der Arbeitskräfte der wirklich springende Punkt bei der Frage der Osterweiterung der EU sein wird."

Also was wollen wir jetzt? – Jetzt haben wir einen EU-Vertrag unterschrieben, der als ein wesentliches Prinzip die Freizügigkeit der Arbeitskräfte und des Personenverkehrs vorsieht, und gleichzeitig sagen jetzt jene, die uns das eingeredet haben – bis hin zur Wissenschaft im Bereich des Wirtschaftsforschungsinstitutes –: Wir müssen die Freizügigkeit einschränken.

Das sind die Widersprüche, die täglich entstehen, und das ist es, warum wir Freiheitlichen noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen: Sie haben auch nach dem EU-Beitritt die Hausaufgaben nicht gemacht und riskieren Tausende und Abertausende zusätzliche Arbeitslose und die Vernichtung von Arbeitsplätzen in Österreich. Und das kann es nicht sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und gestern erzählt man uns wieder so ein abenteuerliches Märchen, indem man sagt, da gibt es jetzt eine Entsendungsrichtlinie, die verhindert, daß es zu diesem Unterfahren der Lohn- und Kollektivvertragsebene in Österreich kommt. Der Herr Kramer berichtet aber bereits: Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine solche Richtlinie hält, weil sie ja gegen die Prinzipien des EU-Vertrages ist und daher vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben werden wird.

Sehen Sie, in diesem Widerspruch leben Sie, und hier propagieren Sie ständig verschiedene Dinge. Einerseits wollen Sie den Österreichern einreden, daß Sie alles tun, um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes zu fördern, andererseits gehen Sie locker darüber hinweg, wenn es zur Vernichtung von Tausenden Arbeitsplätzen in unserem Lande kommt.

Das ist es, was wir hier aufzeigen wollen, weil wir glauben, daß es ein falscher Weg ist, eine EU-Politik zu unterstützen, die durch eine nicht vorbereitete Osterweiterung zu einer weiteren Verschärfung der Krise auf dem österreichischen Arbeitsmarkt führt, zu einer weiteren Vernichtung von Tausenden Arbeitsplätzen führt, zu einer weiteren Vernichtung von bäuerlichen Existenzen führt, und weil wir glauben, daß es auch falsch ist, eine Politik zu machen, die davon ausgeht, daß die Integration auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird.

Meine Damen und Herren! Das heißt, daß man in Kauf nimmt, daß in den nächsten Jahren die Bevölkerung in Österreich, insbesondere die Arbeitnehmer, durch Lohnverzicht und durch Lohneinbußen die Integrationspolitik der EU zu finanzieren haben wird.

Diesen Widerspruch müssen Sie endlich einmal aufklären, denn immerhin hat es ja vom Präsidenten der EU-Kommission Santer den zarten Versuch einer Beschäftigungsinitiative gegeben, um das Ruder herumzureißen, weil er weiß, daß, wie er selbst sagt, eine tiefe Vertrauenskrise in der EU existiert. Desgleichen sagt Herr Fischler in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Presse": "Wir haben natürlich eine Krise jetzt innerhalb der EU."

Natürlich ist diese Vertrauenskrise da, Herr Vizekanzler, weil 18 Millionen Arbeitslose und auch eine steigende Tendenz bei der Arbeitslosigkeit in Österreich eine Herausforderung darstellen müssen. Aber da wird nichts getan! Wo sind denn die österreichischen Initiativen, um das Problem der Arbeitslosigkeit auch wirksam anzugehen?

Ich war selbst mit dem Kollegen Cap in Rom bei einer Konferenz. (Abg. Mag. Ederer: Was, Josef?! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das wird ihm sehr schaden, aber er hat das ganz ordentlich gemacht als Delegationsleiter. Ich war also mit dem Kollegen Cap nach der Regierungskonferenz von Florenz bei einer EU-Konferenz in Rom. Dort hat der scheidende italienische Außenminister, der den Vorsitz abgegeben hat, den Bericht erstattet, und es war sehr bemerkenswert, wie unterschiedlich dort argumentiert wurde.


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Als Vranitzky zur Regierungkonferenz von Turin gefahren ist, hat er angekündigt, es werde eine große Beschäftigungsinitiative geben, denn die Bedeutung Österreichs in der EU ist ja so erheblich, daß da jetzt alle nur mehr über die Schaffung von Arbeitsplätzen und über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit reden werden. Das wird das zentrale Thema der Regierungskonferenz von Turin sein. Nach der Regierungskonferenz von Turin mußten wir hören, daß Vranitzky nicht einmal einen Antrag eingebracht hat (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!) , sondern daß man dieses Thema von vornherein vertagt hat, weil man Wichtigeres zu tun hatte.

Wichtigeres heißt, 18 Millionen Arbeitslose in der EU zu ignorieren, die steigenden Probleme Österreichs mit der Beschäftigungssituation zu ignorieren, heißt, zwar groß zu reden in Österreich, Plakate zu affichieren: Wir machen uns stark für Arbeitsplätze!, aber dann in der EU klein beizugeben, sich zu verschweigen und das Thema auf die lange Bank zu schieben. (Abg. Mag. Stadler: So ist es!) Das, meine Damen und Herren, ist Ihre Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun hat Vranitzky in Turin geschwiegen. Dann kommt es zur Konferenz von Florenz, und wieder sagt der Herr Bundeskanzler, jetzt werde er gemeinsam mit Santer eine starke Achse der Beschäftigungspolitik bilden. Eine starke Achse! Es kommt also zur Konferenz von Florenz. Herr Außenminister Dini berichtet im Auftrage der Europäischen Kommission über diese Konferenz, und auf die Frage, was denn mit dem Vertrauenspakt zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa geworden sei, sagt er dann ganz locker: Dazu haben wir keine Zeit gehabt, das Thema ist im Laufe der Konferenz versandet. – Versandet die Frage von 18 Millionen Arbeitslosen in der EU, versandet das angeblich so wichtige Thema der Beschäftigungssicherung!

Das ist Ihre Politik, und da wollen wir Sie auch ein bißchen festmachen, indem wir Ihnen deutlich machen: Sie müssen sich einmal entscheiden, ob Sie das, was Sie in Österreich den Bürgern versprechen, dann auch auf der EU-Ebene durchsetzen, oder ob Sie weiterhin eine janusköpfige Politik machen. Hier reden Sie für die Arbeitsplätze und draußen verschweigen Sie sich und spielen die großen Turbokapitalisten, die die Weltwirtschaft organisieren, denen es Wurscht ist, wenn man über die Leute drüberfährt, die Lohnkürzungen in Kauf nehmen, die Arbeitsplatzvernichtung in Kauf nehmen, denn man muß ja im Sinne der Liberalisierung einer Weltordnung eine neue Wirtschaft etablieren – und sei es auf dem Rücken von Hunderttausenden auch in Österreich betroffenen Menschen, die Lohnkürzungen oder Arbeitsplatzverluste in Kauf nehmen müssen.

Versandet ist das Thema, bis heute nicht aufgegriffen, und das ist auch der Vorwurf, den wir Ihnen machen. Die Vertrauenskrise wird durch solche Dinge verursacht, und das, was Sie hier an Untätigkeit und Versäumnissen auf Ihr eigenes Konto buchen müssen, können Sie dann nicht wettmachen, auch nicht mit einem noch so großen propagandistischen Aufwand. Das können Sie nicht!

Ich habe mir jetzt einmal angeschaut, was die EU an Mitteln für Propaganda ausgibt. Für 18 Millionen Arbeitslose: Keine Zeit! (Abg. Mag. Stadler: Und kein Geld!) , aber das Informationsbudget der EU beträgt heuer sage und schreibe 3,3 Milliarden Schilling! 3,3 Milliarden Schilling! (Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Wahnsinn! – Abg. Dr. Fekter: Sind das keine Arbeitsplätze?)

Ich habe mir herausgesucht, meine Damen und Herren, wie der Informationsdienst gegründet wurde. (Abg. Mag. Stadler: Die Fekter ist der Meinung, das bringt Arbeitsplätze!) Der EU-Informationsdienst wurde im Jahre 1954 gegründet. Damals schrieb der Verantwortliche Max Kohnstamm: "Es ist ein Instrument, um die Gegner der Integration zu entwaffnen". Danach wurde eine deutsch-französische Werbeagentur eingeschaltet, um eine Strategie für die Entwaffnung der Gegner zu entwickeln, und man schrieb im April 1955: "Es ist notwendig, auf Gefühle anzuspielen und alles anzusprechen, was dem Temperament der Massen entgegenkommt." (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!)


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1993 hat man dann die Propaganda verfeinert. Unter dem Vorsitz des Freundes Willy de Clerq wurde ein Bericht erstattet, und darin heißt es: "Besonders ist bei der Information und Propaganda auf junge Leute abzuzielen, weil es strategisch entscheidend ist, dort zu agieren, wo der Widerstand am schwächsten ist."

Also da ist man sehr gründlich. Eine konsequente Linie der Propaganda und Gehirnwäsche, aber kein Geld für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, für die Schaffung von Arbeitsplätzen! Nur mit Propaganda will man politisch überleben, ohne das Europa der Bürger wirklich zu schaffen, um das es eigentlich ginge. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist unser Vorwurf: daß Sie sich daran beteiligen, aber in Österreich ganz anders reden. Unser Vorwurf ist, daß Sie unser gutes österreichisches Steuergeld für derartige Zwecke einsetzen und nicht zur Zukunftssicherung für die junge Generation, für Arbeitsplätze und für Beschäftigung, daß Sie immer in internationalen Organisationen den Musterschüler spielen wollen.

Das zeigt auch die Gebarung des Interimsfonds für das Jahr 1996, wofür Österreich Entwicklungshilfegelder gibt – um das noch abschließend zu sagen. Der Interimsfonds bekommt von uns 3 Milliarden Schilling an Entwicklungshilfegeldern – das ist ohnedies nicht so wenig für Österreich. Aber da steht drinnen, daß wir nächstes Jahr auch noch freiwillige zusätzliche Beiträge von noch einmal fast 500 Millionen Schilling zahlen wollen. (Abg. Mag. Stadler: Wir haben es ja!) Wir haben es ja, wir brauchen ja kein Sparpaket, wir müssen nur den Familien ein bißchen etwas wegnehmen, wir müssen nur das Karenzgeld reduzieren, wir müssen nur die Geburtenbeihilfen einschränken, wir müssen nur die Steuerpolitik für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer verschärfen, wir müssen nur den Pensionisten etwas kürzen, dann können wir im Ausland Geschenkspolitik betreiben, um als österreichische Musterschüler gut in Erscheinung zu treten, aber die eigenen Leute vor verschlossenen Türen stehen zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. – Bitte.

10.21

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Außenpolitische Bericht, der heute der eigentliche Gegenstand der Tagesordnung ist, gibt einen Überblick über die Außenpolitik. Ich möchte daher zuerst zu diesem Bericht sprechen, bevor ich dann im zweiten Teil auf die Ausführungen des Abgeordneten Haider eingehe. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Dieser Außenpolitische Bericht ist nicht, wie in einem Zwischenruf des Abgeordneten Stadler jetzt gesagt wurde, Propaganda, sondern ... (Abg. Mag. Stadler: Populismus und Propaganda! Pure Propaganda! – Abg. Tichy-Schreder: Er hat es nicht gelesen!) Das bitte ich Sie, meine Damen und Herren, selbst zu überprüfen. Es ist das eine Darstellung darüber, was auf dem außenpolitischen Sektor vom Außenamt, teilweise auch vom Bundeskanzleramt und auch von anderen Ressorts geschehen ist. Es ist dies ein gutes Jahrbuch der österreichischen Außenpolitik, das man beibehalten soll, das man vielleicht teilweise straffen und verändern wird – darüber haben ja schon Gespräche stattgefunden –, das aber eine gute Darstellung für jeden Interessierten ist und zeigt, was sich in der österreichischen Außenpolitik im vergangenen Jahr abgespielt hat.

Es war auch richtig, in den Außenpolitischen Bericht 1995 das erste Jahr in der EU aufzunehmen und daher auch eine Darstellung darüber zu geben, was von österreichischer Seite her geschehen ist, um auch die eigene Arbeit etwas zu evaluieren, vor allem auch angesichts der Debatte über die Frage, wie gut oder nicht gut sich Österreich in der EU verhält.

Klar ist, meine Damen und Herren, daß die Außenpolitik, die internationale Politik Österreichs insgesamt von mehr Personen und Gremien betrieben wird als nur vom Außenamt als Teil der Regierung oder von der Regierung insgesamt. Die Außenpolitik eines Staates – jedes Staates! – ist sehr vielfältig geworden. Neben der traditionellen Außenvertretungsfunktion des Außenamtes


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ist durch die spezifische Form der EU und durch die Räte immer mehr das Tätigwerden der einzelnen Ressorts in Brüssel und daher auch in Kontakten mit anderen Ländern in den Vordergrund getreten. Diese breiter, vielfältiger gewordene Außenpolitik beschränkt sich nicht bloß auf das traditionelle Außenamt oder den diplomatischen Teil. Neben die Arbeit der Regierung selbst ist auch noch die Tätigkeit der Interessenvertretungen, die ja teilweise auch in Gremien zum Beispiel der EU sitzen, die bilaterale Tätigkeit des österreichischen Parlaments, aber auch die Tätigkeit in europäischen und internationalen Organisationen getreten. Dazu kommt die Arbeit des Europaparlaments selbst, in dem die österreichischen Abgeordneten auch einen entscheidenden Beitrag leisten. Und wir dürfen auch nicht vergessen, daß auch nichtstaatliche Organisationen zu einem wesentlichen Faktor der internationalen Politik geworden sind – denken wir an Menschenrechtsfragen, an Aufklärungsarbeit zu und über Wahlen in verschiedenen Ländern, denken wir zum Beispiel an Maßnahmen auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik.

Es muß daher die Außenpolitik eines Landes über die traditionelle, durch die Ressortverteilung geprägte Zuständigkeit hinaus gesehen werden.

Wenn ich aus Anlaß des Außenpolitischen Berichtes, des Jahrbuches traditionellerweise auch hier namens des Außenpolitischen Ausschusses Dank an die damit befaßten Stellen und Beamten ausspreche, dann möchte ich ein Dankeschön des Parlaments an alle Menschen miteinschließen, die sich in Organisationen und auf den vielfältigsten Ebenen bemühen, im Interesse unseres Landes im Ausland oder in internationalen Organisationen tätig zu werden. Auch ihre Arbeit ist sehr wichtig für unsere Republik. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte zweitens, meine Damen und Herren, darauf hinweisen, daß uns, wenn wir so viel über die Frage der Gemeinsamen Außenpolitik in der EU sprechen, klar sein muß, daß das ein Bereich ist, bei dem es darum geht, österreichische Interessen einzubringen, das es aber bei der Gemeinsamen Außenpolitik im europäischen Bereich um mehr gehen wird als bloß um die Vertretung österreichischer Interessen und Anliegen.

Es wird diese Gemeinsame Außenpolitik nicht bloß ein arithmetisches Mittel der Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten sein dürfen, sondern wir müssen begreifen, daß diese Gemeinsame Außenpolitik auch uns verpflichtet, Überlegungen anzustellen, neben der Frage: Was wollen wir? auch darüber nachzudenken, was soll die EU in Europa, im europäischen Fortschritt, im Weltmaßstab wollen, sodaß wir die EU nicht bloß als Fortsetzung unserer eigenen Wünsche begreifen – auch das ist legitim und wichtig –, sondern die europäische Ebene als eine neue Ebene mit mehr Wollen und mit mehr Handeln als nur mit dem eigenen begreifen und auch diesbezüglich arbeiten.

Ich glaube, das ist inhaltlich wichtig und bedingt auch organisatorisch-technische Überlegungen, die von jedem Land, aber auch gemeinsam für die EU anzustellen sind. Im Zusammenhang damit möchte ich auch die Bereitschaft des Parlaments deponieren, gemeinsam mit dem Außenamt, aber auch mit anderen Stellen Überlegungen anzustellen.

Im Vordergrund wird für Österreich jetzt natürlich die Vorbereitung des EU-Vorsitzes stehen. Ich bin froh darüber, daß die diesbezüglichen Vorbereitungen bereits laufen, auch auf parlamentarischer Ebene, denn es sind ja in diesem Zusammenhang auch parlamentarische Events zu bedenken. Im Zusammenhang damit und für danach ist die Frage: Wie soll die Ausformung dieser Gemeinsamen Außenpolitik, inhaltlich bis organisatorisch-technisch, ausschauen? wichtig. Was bedeutet das für die Organisation der Botschaften hinsichtlich der Informationen, in bezug auf die Fragen Offenheit, Vertraulichkeit? Ist das noch mit alter Geheimdiplomatie zu machen, oder bedarf es einer substantiell neuen Form? – All das muß in diesem Zusammenhang überlegt werden, und ich glaube, die jährlichen Berichte sind ein guter Anlaß, diese Fragen anzusprechen.

Abgeordneter Haider hat in seinem Beitrag gefragt: Wie ist das mit der Sicherheit? und hat wieder die Themen Neutralität, NATO et cetera gebracht. Ich glaube, er hat das getan, weil auch im Hinblick auf die Europawahlen und laufende Diskussionen immer wieder der Versuch gestar


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tet wird, diese Frage in den Vordergrund der Tagesarbeit zur rücken. (Abg. Scheibner: Aber nicht von uns, Herr Kollege, von Ihnen!) Nein, nein.

In Wirklichkeit, Herr Kollege, ist es so, daß allen Beteiligten klar ist, daß die diesbezüglichen Vorentscheidungen und Überlegungen innerhalb Europas erst Ende nächsten Jahres finalisiert sein werden. Aus diesem Grund hat auch die Bundesregierung in der Regierungserklärung die Richtung ganz deutlich aufgezeigt, sie hat aber auch gesagt: Ehrlich ist es, zu sagen: Wir werden erst Anfang 1998 manches wirklich beurteilen können, weil wir erst dann wissen werden, was die anderen wollen und in welche Richtung es geht! (Abg. Scheibner: Wenn Sie das jetzt noch nicht wissen, tun Sie mir leid!) Es hätte daher gar keinen Sinn, laufend zu verlangen, daß es 1996 schon Anfang 1998 ist. – Anfang 1998 wird es im Jahre 1998 sein, und dann wird der richtige Zeitpunkt sein, um über diese Fragen zu beraten.

Der zweite Vorwurf ist genauso falsch: Wenn Abgeordneter Haider zur Frage Osterweiterung sagt: Da ist nach den Aussagen Ettls und nach anderen Äußerungen eine Unklarheit, die auch hier nicht gelöst wird!, dann muß ich sagen: Das stimmt ganz einfach nicht, denn im Außenpolitischen Bericht wird auf die Studie von Bundeskanzleramt und Außenministerium zum Thema Osterweiterung hingewiesen, und damit ist die österreichische Position ganz klar. Es wird nämlich darauf hingewiesen, daß diese Studie einen klaren Nachweis dafür erbracht hat, daß ein EU-Beitritt der Reformländer, insbesondere unserer Nachbarn Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien, aber auch Polens – ich zitiere –, aus politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Gründen im ureigensten Interesse Österreichs liegt. Es ist damit im Bericht klargestellt: Wir sind für die Osterweiterung, und wir wissen, daß sie mehr Chancen für unsere Wirtschaft und Beschäftigung mit sich bringt als Risken. Es gibt heute keine Maßnahme mehr, die chancen- oder riskenfrei ist, man muß schon die entsprechende Politik machen und die Gegebenheiten nützen, aber in der Anlage dieser Frage besteht ein viel größeres Potential an Möglichkeiten für Österreich und für unsere Wirtschaft als an Risken, die Sie in Schwarzmalerei bloß einseitig erwähnen. (Abg. Ing. Reichhold: Wollen Sie Rußland ausgrenzen, Herr Kollege?)

Ich weiß nicht, ob diese Frage bei Ihrem Debüt als außenpolitischer Zwischenrufer ernst gemeint ist (Heiterkeit bei der SPÖ), aber für den Fall, daß sie ernst gemeint ist: Selbstverständlich kann Rußland in allen sicherheitspolitischen Überlegungen nicht ausgegrenzt werden. Es bedarf einer differenzierten Vorgangsweise, wie wir sie auch im Europarat bei der Aufnahme gewählt haben. Es ist klar, daß sich aus den verschiedensten Gründen die Frage von Beitrittsverhandlungen Rußlands mit der EU nicht stellt, aber das dürfte auch Ihnen, Herr Kollege, bekannt sein.

Ein dritter Punkt, den Abgeordneter Haider gebracht hat, nämlich zur Frage Beschäftigungspolitik. Er wollte anhand der mangelnden Bereitschaft mancher Ratsmitglieder, sich im Trubel der Ereignisse mit dieser für uns wichtigen Frage zu beschäftigen – ich gebe ihm recht, es wäre wichtiger gewesen, sich mit dieser Frage zu beschäftigen als mit anderen Punkten –, den Schluß ziehen, wir wollten es nicht entsprechend, wir setzten uns nicht dafür ein. Das ist falsch, und das weiß er selbst. Gerade die Frage Beschäftigungspolitik und diesbezügliche Maßnahmen in der EU sind aufs engste mit Österreich und mit Bundeskanzler Vranitzky verbunden. Ich bekenne mich auch heute hier noch einmal deutlich dazu, daß das eine der entscheidensten Fragen für die EU, für diesen Kontinent und für die Menschen auf diesem Kontinent darstellt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. – Bitte.

10.34

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Auch ich möchte zunächst ein paar Worte zum Außenpolitischen Bericht sagen, kann mich dabei aber zum gut Teil an den Aussagen des Kollegen Schieder orientieren – wie immer. (Rufe bei den Freiheitlichen: "Wie immer"?) Ja, Kollege Scheibner, wenn etwas Richtiges


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gesagt wird, ist es gescheit, das auch zu sagen. Aber hinsichtlich der Sicherheitspolitik werde ich gleich mit ihm sehr heftig zu streiten beginnen. – Warte ab, du bist voreilig!

Der Bericht ist in Ordnung, er ist – wie immer – beachtlich dick (Abg. Dr. Khol: Das ist eine Enzyklopädie!), daher ist es nicht möglich, in den 15 Minuten, die ich mir vorgenommen habe nicht zu überschreiten, auf alles einzugehen. Wir haben denen zu danken, die daran gearbeitet haben. Er ist – wie immer – eine gute Grundlage für unsere außenpolitische Arbeit während des ganzen Jahres. (Beifall beim Liberalen Forum und der SPÖ sowie des Abg. Dr. Khol. )

Ich möchte mich aber – ich möchte fast sagen: in Fortsetzung der Debatte, die wir gestern geführt haben –, weil wir uns eben in einer Übergangsphase unserer außenpolitischen Position, unserer außenpolitischen Zukunft befinden, auf ein Thema konzentrieren, das mir besonders wichtig ist, und zwar die österreichische Rolle im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union.

Ich möchte zunächst einmal folgendes herausstreichen: Wir befinden uns in einem Umwälzungsprozeß. Und das ist für uns in Österreich mental gar nicht einfach, da wir nach 1955 sehr lange eine betont einzelstaatliche Außenpolitik, Sicherheitspolitik im Rahmen der Neutralität betrieben haben. Vielen Österreichern fällt es heute sehr schwer, sich in diesem neuen Rahmen der europäischen Sicherheitssolidarität zurechtzufinden. Darin besteht auch ein Unterschied gegenüber den anderen gemeinschaftlichen Politiken der Europäischen Union – im wirtschaftlichen Bereich zum Beispiel haben wir einen langen Einschleifprozeß, möchte ich fast sagen, in Richtung Europäischer Integration vornehmen können, denn wir haben Anfang der siebziger Jahre unseren Vertrag mit den Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften abgeschlossen. In diesem Bereich haben wir also eigentlich zwei Dezennien lang den Integrationsweg beschritten. Anfang der neunziger Jahre haben wir dann sogar noch die Zwischenstufe Europäischer Wirtschaftsraum genommen, bevor wir der EU und damit dem Binnenmarkt beigetreten sind. In diesem Bereich haben wir also einen Umstellungsprozeß gehabt, und trotzdem fällt es, wie wir wissen, vielen Österreichern schwer, sich zurechtzufinden und die klaren Linien sowie die Vorteile zu erkennen, die in einem Binnenmarkt in der Europäischen Union liegen.

Bei der Sicherheitspolitik tun wir uns selbstverständlich viel schwerer, denn da haben wir ja bis 1989 überhaupt keinen Anlaß gehabt, irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Es war klar: Wir sind neutral! Es gab den Ost-West-Konflikt. Die Neutralität war eine sehr funktionale sicherheits- und außenpolitische Maxime. Erst nach 1989 ist langsam eine Debatte in Gang gekommen darüber, ob das alles nach wie vor so sinnvoll ist.

Ich möchte das so deutlich machen, weil ich klar anerkenne, daß ein großer Bevölkerungsteil nach wie vor mental an der Neutralität hängt. Das ist kein Wunder, aber es darf uns auch nicht daran hindern, zu fragen, ob das ein Zukunftsmodell ist. Das ist die entscheidende Frage. (Beifall beim Liberalen Forum.) Und deshalb erscheint es mir wichtig, daß wir nicht heute und nicht morgen Entscheidungen treffen, aber die Dinge offen debattieren.

Ich muß sagen, daß die Bundesregierung, die große Koalition in diesem Bereich ein jammervolles Bild abgibt. Es gibt keine Position, die nicht jede der beiden Regierungsparteien vertritt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. ) Wie ein Bauchladen wird alles, was man an Positionen haben kann, Kollege Khol, von der ÖVP vor sich hergetragen. Bei der SPÖ ist es mindestens genauso arg. Da ist es sogar so, daß oft dieselben Personen von heute auf morgen ihre Positionen ändern – eines vor, eines zurück.

Aber etwas ist völlig klar: Wir müssen uns in diesen Fragen klar positionieren. Es ist ja geradezu grotesk, Herr Vizekanzler, wenn Sie zum Beispiel sagen: Es besteht ja überhaupt kein Diskussionsbedarf. (Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Dr. Schüssel. ) Ich werde Sie gleich zitieren, wenn es für Sie lustig ist. Sie sagen, es ist doch erst 1997 die Regierungskonferenz, auf der das selbstverständlich ein Thema ist. Jetzt haben wir Mitte 1996 – aber nur nicht debattieren. Das soll nicht sein. Auch nicht der Versuch, eine klare Linie herauszuarbeiten.

Herr Vizekanzler, wenn Sie es wirklich haben wollen, sage ich Ihnen einige Dinge aus Ihrer Partei. Immerhin hat Generalsekretär Karas – ich weiß nicht, ob er in Ihrer Partei wichtig ist;


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aber immerhin ist er wer – gesagt, und zwar noch im Mai dieses Jahres: Wir müssen alles daransetzen, klarzumachen, daß am 13. Oktober keine Abstimmung über die Neutralität stattfindet. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Ja!) Karas propagiert die Vogel-Strauß-Taktik. – Wir haben keine Neutralitätsdiskussion zu führen, und wir führen auch keine. (Abg. Dr. Khol: Hat er recht!) Ja, hat er recht. Nur, lieber Kollege Khol, es hat ein paar Wochen später, am 23. Juli 1996, Verteidigungsminister Fasslabend – angeblich Mitglied der ÖVP – gesagt: "Nicht ewig herumdiskutieren!" – Also: Karas wollte gar nicht anfangen, Fasslabend ist es schon zu lang.

Herr Vizekanzler! Im August ... (Abg. Dr. Khol: Nach den Gesetzen der Logik sind das sich deckende Folgerungen!) Kollege Khol! Unterbrechen Sie mich nicht, Sie wissen, daß die Redezeit knapp ist. Ich bin lauter als Sie. (Abg. Dr. Khol: Wann ich unterbreche, ist meine Sache!)

Was sagte der Herr Vizekanzler am 8. August dieses Jahres? – NATO-Frage erst 1997 aktuell. – Wie gesagt, wir haben 1996. Offensichtlich geht es Ihnen darum, daß man die Dinge an sich herankommen läßt und dann sagt: Leider, jetzt sind die Würfel schon gefallen, jetzt müssen wir halt doch nachgeben und die Dinge so schlucken, wie sie andernorts beschlossen wurden.

Die Diskussion um die NATO ist nicht etwas, was die Opposition einführt. Lieber Kollege Khol, der du gestern so von der Neutralitätsnotwendigkeit gesprochen hast und davon, daß all das ewig so bleibt: Du warst noch am 29. Juli im "profil" anderer Auffassung. In einem selbst geschriebenen Artikel – nicht zitiert – von Kollegen Khol heißt es: "Warum soll Österreich zur WEU und später eventuell zur NATO neu gehen? Weil der Beitritt zur WEU letztlich den NATO-neu-Beitritt nach sich ziehen könnte. In WEU und NATO-neu wollen wir" – offensichtlich die ÖVP oder Österreich –: "unsere eigene Sicherheit erhöhen, Solidarität in ganz Europa einbringen, Konflikte verhindern, wie jene am Balkan, politisch mitbestimmen." (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Das wirklich Hundsföttische daran ist, daß ihr immer zugleich sagt (Abg. Dr. Khol: Was? Dieses Wort verstehen wir nicht!) : Mit der Neutralität hat das nichts zu tun, liebe Österreicher. Alles klar: Die NATO ist eine Option – aber es ist mit der Neutralität vereinbar! – So ist es. Das ist Ihr Diskussionsstil. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. ) Wenn "hundsföttisch" Sie stört, nehme ich es zurück.

Jedenfalls: Es ist eine völlig unklare Linie. Es ist ein Täuschungsmanöver gegenüber den Österreichern, vom NATO-Beitritt als Ziel zu sprechen und gestern von diesem Pult aus zu sagen: Die Neutralität bleibt aufrecht! (Beifall beim Liberalen Forum und den Grünen.) Das ist nicht nur unklar, das ist falsch, völlig völkerrechtswidrig und keine klare Linie.

Bei der Sozialdemokratischen Partei liegen die Dinge leider Gottes nicht viel anders. Auch sie versucht, beides wunderbar übereinanderzulegen: eine europäische Sicherheitspolitik, und bei der Neutralität bleibt trotzdem alles beim alten.

Was sagt zum Beispiel das Wahlprogramm der SPÖ zur EU-Wahl? – Ziel ist ein kollektives Sicherheitssystem, an dem auch Neutrale teilnehmen können. – Darüber kann man debattieren, wenn man definiert, was ein kollektives Sicherheitssystem ist. Aber was sagte der Spitzenkandidat der SPÖ während des ganzen Sommers? (Abg. Dr. Khol: Den kennt ja niemand!) Er sagte: Persönlich glaube ich, daß sich die Westeuropäische Union über kurz oder lang auflösen wird. Man wird irgendwann nicht darum herumkommen, über die Frage eines NATO-Beitrittes nachzudenken. (Abg. Dr. Khol: Wie heißt der Spitzenkandidat? – Fällt ihm nicht ein!)

Also: Natürlich eine Diskussion, und natürlich ist es eine Option und eine Perspektive auch in der SPÖ in Richtung NATO, aber es heißt: Wir bleiben neutral, es kommt das Kunststück zustande, daß sich NATO-Beitritt und Neutralität nicht widersprechen.

Diese Liste der Widersprüche könnte man fortsetzen fast bis ins Unendliche. Zwischendurch findet dann noch folgendes statt: Wenn Kollege Cap sich geäußert und in einem bemerkenswerten sicherheitspolitischen Reifungsprozeß sehr klare Linien von sich gegeben hat, kommt sofort Staatssekretär Schlögl – am 23. Juli – und meint zu Caps Äußerungen: Eine entbehrliche


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Sommerdiskussion, Schluß der Debatte! – Vorbei ist es wieder, und es heißt wieder: Nichts reden, nicht offen bekennen, daß es eine politische Grundauseinandersetzung über unsere außen- und sicherheitspolitische Linie ist! Schluß der Debatte! Es ist ja erst 1997 interessant, nämlich dann, wenn die Regierungskonferenz zu Ende geht.

Das Problem ist Ihre Diskussionsverweigerung und daß Sie nicht dazu bereit sind, über dieses sehr schwierige grundsätzliche Problem tatsächlich nachzudenken und eine Diskussion zuzulassen.

Meine Damen und Herren! Man könnte das auch unter folgendem Aspekt sehen: Offensichtlich ist beiden Regierungsparteien völlig klar, wohin die sicherheitspolitische Reise geht, sie wollen es nur nicht so offen sagen, denn die Wahlen kommen und so weiter.

Man könnte sagen: Wenn unter dem Dach "Neutralität" alles denkbar und machbar ist, dann könnte es ja egal sein, und man könnte sagen: Lassen wir halt das Taferl Neutralität, es hat ja dann sowieso alles Außen- und Sicherheitspolitische darunter Platz. Warum meine ich, daß das nicht geht? – Die Neutralität hat keinen beliebigen Inhalt, wie manchmal in den Diskussionsbeiträgen der Regierungsparteien der Eindruck erweckt wird. Die Neutralität hat einen ganz klaren völkerrechtlichen Umriß, der heißt: heraushalten aus allen Konflikten, gleichgültig, aus welchen Motiven sie geführt werden. Neutralität hat etwas mit Gleichbehandlungspflicht im Konfliktfall zu tun. Es heißt auch ganz klar: Mißbrauch des eigenenTerritoriums zu verhindern im Konfliktfall – deshalb bewaffnete Neutralität. Und wir sollten nicht ganz vergessen, daß die österreichische Neutralität etwas mit dem Schweizer Muster zu tun hat.

Deshalb halte ich es wirklich für grob nachlässig, wenn seitens der Regierungsparteien die Debatte über europäische Sicherheitsstrukturen angedeutet wird, zurückgenommen wird, neu aufgelegt wird, aber gleichzeitig permanent behauptet wird: Es besteht die Möglichkeit, Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik mit dauernder Neutralität zu verbinden. Das ist eine Quadratur des Kreises, die nicht möglich ist. Wir sollten das offen eingestehen und nicht gegenüber der Bevölkerung alles vernebeln und so tun, als ob beides möglich wäre. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen müssen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es ist daher Klarheit herzustellen. Ich möchte herausstreichen, worum es uns dabei geht.

Es ist ein hervorragendes Ziel der Europäischen Union, durch diesen Zusammenschluß eine Friedens- und Sicherheitspolitik in Europa herbeizuführen, sie zu verstärken, zu verbessern. Seit Maastricht gibt es zumindest die Absicht – würde ich einmal vorsichtig formulieren –, als Europäische Union tatsächlich außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähig zu werden.

Es ist ja wirklich ein Witz, daß diese Europäische Union, die wirtschaftlich stark ist, die bevölkerungsreich ist, die viele Möglichkeiten hat, im außen- und sicherheitspolitischen Bereich derart schwach, zerstritten ist und nach wie vor in einzelstaatlichen Aktionen agiert. Wir wissen aus anderen Bereichen, etwa aus der Wirtschaft, der Sozialpolitik, der Umweltpolitik, wie sinnvoll es ist, wenn dieser Kontinent, zumindest einmal die Europäische Union, gemeinsam handelt, bei der Außen- und vor allem bei der Sicherheitspolitik beginnen wir jedoch ängstlich zu werden und fallen in alte Strickmuster zurück. Es heißt, das sei eine Militarisierung der Europäischen Union. Das ist eine Fehleinschätzung.

Erkennen wir klar, daß es einen gigantischen sicherheitspolitischen Fortschritt bedeutet, wenn diese Europäische Union außenpolitisch und sicherheitspolitisch gemeinsam handelt, ihre Kraft zur Geltung bringt – im Interesse einer Außenpolitik, die auf eine Ausweitung der Menschenrechte gerichtet ist, eine Absicherung der ethnischen Grundrechte, auf Friedenssicherung und Stabilität auf diesem Kontinent und in seinen angrenzenden Regionen.

Das ist der Grund, warum wir meinen, daß diese Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, wie sie in Maastricht als Konzept vorliegt, tatsächlich Wirklichkeit wird. Wir meinen, daß Österreich beim Aufbau dieser Gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik von Anfang an mittun soll, um diesen Fortschritt zu stützen. Konflikte in Europa – auch wenn wir nicht direkt bedroht


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sind, das wissen wir – betreffen alle. Daher braucht es auch in diesem Fall der gemeinsamen Politik, der gemeinsamen Sicherheitsvorkehrung und als letztem Mittel auch der gemeinsamen militärischen Anstrengung, wenn jemand mit militärischen Mitteln, mit Gewalt, politische Ziele durchsetzen will. Für diesen Fall gilt als Ultima ratio, als letztes Instrument die militärische Kapazität.

Aber lange davor ist es wichtig, vorbeugende Sicherheitspolitik zu betreiben. Dazu dient ja die Europäische Union, indem sie mit einer Außenpolitik, die die Konfliktursachen aus dem Weg räumt, wirtschaftliche und soziale Stabilität herstellt und auszuweiten versucht. Das ist das Wesentliche einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und nicht, wie wir es erleben mußten, daß Europa am Balkan einfach vor der Gewaltanwendung in brutalster Form, wie wir sie dort erlebt haben, de facto kapitulieren mußte, und erst dann, als die Vereinigten Staaten bereit waren, militärisch einzugreifen – ich würde sagen, um Jahre, zumindest aber um Hunderttausende Tote zu spät –, ist es gelungen, diesen Konflikt einzudämmen, abzuwürgen und dort hoffentlich auch Stabilität einkehren zu lassen.

Diese Dinge müssen wir erkennen, darin liegt der Fortschritt der gebündelten Sicherheitspolitik Europas, daran sollten wir teilhaben – wissend, daß mit dieser gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik Neutralität, wie wir sie als völkerrechtliche Verpflichtung eingegangen sind, nicht vereinbar ist. Das ist eine Tatsache, die belegbar ist.

In die Weggabelung gestellt, ob wir weiter sicherheitspolitisch als Einzelstaat agieren oder ob wir uns dieser Gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik widmen, entscheiden wir uns klar für die Gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik.

Ich bin überzeugt davon, daß, wenn wir diese Diskussion offen und klar führen, die österreichische Bevölkerung, die nun jahrzehntelang sehr deutlich und immer wieder die Neutralität als das zentrale außen- und sicherheitspolitische Instrument dargestellt bekommen hat und deshalb daran hängt, diesem Konzept der Fortschrittlichkeit einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik im Hinblick auf Friedensstabilität den Vorzug gibt.

Deshalb: Verlangen wir diese offene Diskussion, sprechen wir diese Ziele offen aus, verstecken wir uns nicht hinter einem Neutralitätsparavent, der in Wahrheit funktionslos geworden ist und den wir auch in Wahrheit mit dem Beitritt zur Europäischen Union eigentlich beiseite geschoben haben! Diese Dinge klar auszusprechen sollen wir den Mut haben, dann wird uns die Bevölkerung verstehen und ich bin sicher, daß sie auch diesem Weg folgen wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Mock zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.54

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn man sich die Debatte über die oft schwierigen Probleme der Europäischen Integration anhört, die sich mit Recht auf die besonders schwierigen Probleme – sei es Arbeitsmarkt, Sicherheit für unser Land – konzentriert, fehlt mir gelegentlich jener vernünftige Optimismus, zu dem eigentlich die Entwicklung Österreichs seit 40 Jahren Anlaß gibt. Ich weiß, mit Optimismus allein kann man die Probleme nicht lösen, aber nur das Chaos zu prophezeien, nur die Sackgasse aufzuzeigen, nur die Unfähigkeit aufzuzeigen ist auch nicht der richtige Weg, uns und die Menschen zu motivieren, um bei diesem wichtigen Ziel zu bleiben.

Eines darf man nicht vergessen: So wichtig Arbeitsmarkt, ökologische Wünsche und andere Zielsetzungen auch sind, das oberste Ziel der Europäischen Union war es immer, eine Integration herbeizuführen, in der es nie mehr einen nationalen Krieg gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. )

Ich weiß, daß der einzelne Staatsbürger nicht jeden Tag die Zeit hat, sich nur um Friedenspolitik zu kümmern, es ist auch schon sehr viel Mißbrauch mit dem Wort getrieben worden. Der Bürger


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muß für seine Familie, für den Arbeitsplatz, für die Erziehung der Kinder sorgen und sich mit vielen anderen Problemen auseinandersetzen. Nur würde dies alles in Frage gestellt, wenn es wieder einen nationalen Krieg geben sollte.

Zum ersten Mal haben wir die Chance – ich habe das immer betont: eine Chance, nicht mehr –, eine Gemeinsamkeit herbeizuführen, die das ausschließt, was Europa 1 000 Jahre lang war: nämlich ein Kontinent der Kriege, gelegentlich unterbrochen durch einige Jahre Frieden. Daher bleibt dies als oberstes Ziel, auch wenn es gelegentlich Opfer kostet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. )

Kollege Frischenschlager! Sie verlangen eine Diskussion über die Neutralität und behaupten, sie werde nicht geführt. Sie zitieren aber laufend Beiträge aus dieser Diskussion, sie findet also laufend statt. Sie können aber nicht jemanden zwingen, zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Form Stellung zu nehmen. Jeder hat die Freiheit, in einer Demokratie dann Stellung zu nehmen, wann er es für richtig hält. Sie nehmen ja auch dann Stellung, wann Sie es für richtig halten. (Abg. Dr. Khol: Man muß ihn an den Liberalismus erinnern! – Abg. Dr. Frischenschlager: Aber wann eine Regierungskonferenz läuft und wann sie notwendig ist! – Abg. Tichy-Schreder: Die ist noch nicht notwendig!)

Meine Damen und Herren! Wir befinden uns doch in einer ähnlichen Situation wie jener während der Verhandlungen zum Beitritt zur Europäischen Union. Es wurde seit Beginn der Verhandlungen, seit der Übergabe des Beitrittsansuchens, laufend festgestellt: Wann kommt der offizielle Bericht zur Neutralität? Es gibt keine Diskussion, wir brauchen Vorbehalte, denn die EU verlangt Unmögliches von uns. – So ging es drei, vier Jahre. Dann wurde zur richtigen Zeit die richtige Entscheidung getroffen: Wir sind beigetreten, das Gesetz blieb. (Beifall bei der ÖVP. ) Niemand verweigert die Diskussion, aber jedem muß es selbst überlassen sein, seine Position dann festzulegen, wenn er es für dieses Land für richtig hält.

Ich möchte nochmals betonen, was auch der Abgeordnete Peter gesagt hat: Das Land hat unter Gemeinsamkeit aller politischen demokratischen Kräfte soviel erreicht, daß wir stolz darauf sein können. Natürlich: Dort, wo es Schwierigkeiten gibt, wo es Strukturveränderungen gibt, dort erwarten die Menschen, daß wir uns engagieren, aber nicht mit der fast etwas eigenartigen österreichischen Neigung, immer Pessimisten zu sein. Wir haben Grund, Optimisten zu sein, nicht überheblich zu sein, für dieses Land auch in Europa das Beste herauszuholen.

Wir werden es genauso schaffen, wie 1948 beim Marshall-Plan, wo auf der Liste aller europäischen Länder, die die Hilfe der Amerikaner brauchten, nur ein Land keine Jahresbegrenzung gehabt hat: nämlich Österreich. Österreich war nicht lebensfähig, man mußte es durchsubventionieren. Da haben wir begonnen, zu zeigen, daß wir es auch anders können. Wenn wir mit dem gleichen Engagement an diese Frage herangehen, werden wir das auch in gleicher Weise erfolgreich lösen, davon bin ich völlig überzeugt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Außen- und Sicherheitspolitik: Warum zögert man, da weiterzugehen? – Weil es die empfindlichsten Themen sind. Wer unterwirft sich in der Frage Sicherheitspolitik einem Mehrheitsvotum? – Niemand derzeit, fast niemand. Es braucht vielleicht Generationen, um das zu erreichen, was Sie mit Recht anstreben: die Konsequenzen aus der Warnung durch das Beispiel Jugoslawien zu ziehen.

Sie haben mit Recht gesagt, es ist billig, darauf zu verweisen, man wolle keine militärische Gemeinsamkeit. Letztlich brauche man sie! Ich habe auch einmal hier gesagt, jene Kollegen müssen nachdenken, die eine militärische Lösung in Jugoslawien abgelehnt haben.

Meine Damen und Herren! Wenn es die militärische Lösung zwei Jahre früher gegeben hätte, gäbe es vielleicht 8 000 Tote in Srebrenica weniger, die nicht in Massengräbern gefunden worden wären, und weniger andere Gebiete, die so furchtbare Zeugnisse europäischer Unfähigkeit des Schutzes der Menschenrechte und der Unfähigkeit der UNO sind, die alle darunter gelitten haben, die an Reputation verloren haben.


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Ich glaube, wir müssen da sehr konsequent sein. Was wichtig ist in der Außenpolitik wie auch in anderen politischen Bereichen, ist: sichere Ziele zu haben, Ideale anzustreben, auch realistisch zu sein. Die Ausgewogenheit zwischen dem Idealismus und dem Realismus bedingt die Qualität – auch einer Außenpolitik und ihrer Resultate. Das müssen wir immer bedenken. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Es wird schwieriger, komplizierter, vor allem unter der Globalisierung der Außenpolitik. Wir werden mit allen Problemen befaßt, weil alles durch Verbesserungen auf dem Informationssektor innerhalb von Stunden weitergeleitet wird. Durch eine Krise in Asien, durch eine politische Krise in Indonesien fallen zwei Stunden später die Kurse auf der Londoner Börse, und das hat wirtschaftliche Auswirkungen. Eine Krise bei den Verhandlungen zwischen Nordkorea und den Vereinigten Staaten in der Frage der Kernkraftwerke, oder der Erzeugung von Atombomben, löst bereits zwei Stunden später im französischen Parlament eine Diskussion darüber aus.

Wir müssen damit fertigwerden, wir werden damit nur fertig, wenn wir Schwerpunkte setzen. Und ein Schwerpunkt ist und bleibt die Europapolitik. Das ist der Raum, in dem wir leben, von dessen Entwicklung wir – vor allem die österreichischen Bürger – unmittelbar berührt werden, in dem unsere Zukunft bestimmt wird. Wir müssen diesbezüglich klare Prioritäten setzen. Natürlich darf man nicht sagen: Ich bin für Prioritäten, aber nur wenn mein Anliegen Priorität ist.

Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß der Versuch gemacht wird, auch unter Vizekanzler Schüssel, Prioritäten zu setzen, Prioritäten wie Europapolitik, Nachbarschaftspolitik in der heutigen Form, die Zukunft unserer Nachbarländer in Europa, und gleichzeitig auch dort, wo keine formelle Priorität gesetzt wird, zu zeigen, daß wir interessiert sind. Ich denke da an das Konzept Afrika 2000, an die Besuchstermine der Frau Staatssekretärin in Lateinamerika, das sind wichtige Bereiche, aber eben nicht die Priorität.

Das ist die Gratwanderung der Diplomatie, dem anderen Partner nicht den Eindruck zu verschaffen, man würde uninteressiert sein, und gleichzeitig aber jenes Engagement besonders zu fördern, das im Interesse unseres Landes und seiner Bürger liegt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Thema Außen- und Sicherheitspolitik: Es ist eine furchtbare Warnung, was sich da in Bosnien-Herzegowina, in Kroatien abgespielt hat, meine Damen und Herren. Es gab Resolutionen des Sicherheitsrates, man dürfe keinen Transport aufhalten, der Medikamente, Nahrungsmittel für die Zivilbevölkerung bringt. Sie wurden aber aufgehalten, mußten wie an mittelalterliche Raubritter Zoll zahlen, Abgaben zahlen von dem, was für die Ärmsten der Armen bestimmt war: für Alte, für Kinder, für andere Bedürftige der Zivilbevölkerung. Man hat nichts dagegen unternommen.

Es hat auch geheißen, man müsse den Luftraum freihalten. Den Aggressor hat das nicht gekümmert. Der Luftraum wurde wieder benützt, man hat nicht reagiert.

Dann kam der österreichische Vorschlag in den inoffiziellen Konsultationen, was für die Kurden im nördlichen Irak gelang, müsse auch in Bosnien gelingen, nämlich daß man Schutzzonen einrichtet. Die Menschen dachten, Biha% oder Sarajewo beziehungsweise andere Gebiete seien Schutzzonen, dort werde ihnen nichts geschehen. Und dann passierte Furchtbareres als vorher: Man mußte zusehen, daß 8 000 Menschen hingerichtet wurden, und mußte dann zur Kenntnis nehmen, daß auch das neugewählte politische System diese ethnische Säuberungslandkarte zur Kenntnis genommen hat.

Das Abkommen von Dayton beziehungsweise das Abkommen von Paris waren beachtliche Fortschritte, das möchte ich unterstreichen, es war auch ein großer Erfolg der amerikanischen Diplomatie, die ich auch gelegentlich schon kritisiert habe. Erstmals nach dem Washingtoner Abkommen, das die Konflikte zwischen den Moslems und den Kroaten beendigt hat, hat man einen Akt gesetzt, der dem Morden, dem Verjagen, dem Zerstören einen Schluß setzte.

Aber auch da muß man realistisch bleiben, meine Damen und Herren: Damit ist noch lange nicht das Überleben von Bosnien-Herzegowina gesichert. Wenn nicht mindestens zehn Jahre


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eine Klammer gegeben ist – in welcher Form immer, ob das die jetzigen Truppen sind, ob es andere Truppen sind, die dann nach den Amerikanern kommen; es wäre eine Möglichkeit, daß Europa sich stärker betätigt –, werden die Wahlen in keiner Weise zu einer Stabilisierung führen. Die Lage wird wieder instabil werden, wir werden wieder Opfer in der Bevölkerung erleben, während wir geglaubt haben, damit sei endgültig Schluß. Diesbezüglich muß man realistisch sein.

Ich bin sehr skeptisch. Ich würde sogar sagen, ich teile völlig die Vorbehalte, die der Schweizer Außenminister Flavio Cotti als Vorsitz der KSZE immer geäußert hat, der sich dann aber doch dem Druck der großen Anzahl der KSZE-Mitglieder, zur Durchführung der Wahlen beugen mußte und sie zur Kenntnis genommen hat.

Jede andere Entwicklung wäre mir willkommen. Aber wenn es um menschliches Leben geht, muß man mit größtem Realismus vorgehen, denn die Beispiele, wo man sich auf Kosten neuer Opfer getäuscht hat, sind viel häufiger als jene, wo zuviel Optimismus oder Illusionen bestätigt worden sind.

Das, meine Damen und Herren, zum Thema "Prioritäten".

Nun zu Europa. Wir haben auch die Priorität, daß die Nachbarländer – darauf hat indirekt oder direkt auch Kollege Haider Bezug genommen – die Chance bekommen, zur EU zu gehen. Das würde auch Druck auf uns bedeuten. Wir spüren den Druck auch, Herr Kollege Haider, durch den Fall des Eisernen Vorhanges (Abg. Dr. Haider: Fischler sagt, das geht nicht!), durch den Abbau des Eisernen Vorhanges ist Druck entstanden.

Man muß dazu sagen, daß wir durch den Fall des Eisernen Vorhangs und durch die Änderung der politischen Verhältnisse in den anderen Nachbarländern in Form einer bis zu 40prozentigen Steigerung der Exporte in die Tschechoslowakei massiv profitiert haben. Ich gebe zu: Für den kleinen Gewerbetreibenden, der eine Tankstelle in Haugsdorf hat, wo 2 Kilometer weiter, auf der anderen Seite der Grenze, Benzin um 30 Prozent billiger abgegeben wird, ist das kein Trost, daß wir in der Exportwirtschaft 40 Prozent gewonnen haben, die allen zugute kommt, aber wir können deswegen diesen Weg nicht verlassen. Wir müssen eine Möglichkeit finden, Mittel finden, mit Hilfe einer flexiblen Politik jene Menschen, jene Gruppen besonders zu unterstützen oder zu fördern, die vorübergehend bei Strukturänderungen unter die Räder kommen. Man darf deswegen nicht gleich den Weg aufgeben, man muß ihn vielleicht sorgsamer gehen, man muß ihn langsamer gehen in bestimmten Phasen. Aber man kann nicht darauf verzichten, weil eine überzeugende Zielsetzung meiner Auffassung nach durch nichts ersetzt werden kann: nämlich der Frieden in Europa. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Als im Zuge der Industrialisierung die Autos eingeführt wurden, mußte mancher Unternehmer, der bis dahin Touristen oder Bürger des Dorfes befördert hat, das Taxi mit Pferden auswechseln. (Abg. Dr. Haider: Wechseln, aber nicht aufgeben!)

Es klingt zynisch, zu sagen: Wer nicht rechtzeitig handelt, den straft die Geschichte. Nur, dazu ist ja der Staat da, im Sinne der sozialen Marktwirtschaft mit punktuellen Interventionen Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen man diesen Menschen hilft. (Abg. Dr. Haider: Aber das war meine Frage: Was geschieht mit denen?)

Ich glaube, das globale Ziel sollte außer Streit gestellt werden. Ich glaube überhaupt, daß es gut ist, meine Damen und Herren – ich habe vorher auf die Vergangenheit Bezug genommen –, wenn wir die österreichischen Eigenschaften – wir haben auch unsere Schwächen – behalten, nämlich die hohe Dialogfähigkeit in wichtigen Fragen trotz aller Gegensätze zwischen den politischen Gruppen. Die Sozialpartner sind diesbezüglich – wenn auch nicht immer – ein Vorbild.

Ich habe auch einmal erklärt, es sei gut, daß die Frage der Sozialpartnerschaft und die Frage der Pflichtmitgliedschaft in den Interessenvertretungen zur Debatte gestellt wurde. Sie können heute auf ein stärkeres demokratisches Mandat verweisen. Wir sollten uns dem aussetzen,


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sollten aber auch anerkennen, daß das Volk diese Linie der Dialogfähigkeit, die Linie der Priorität, die Linie des Pragmatismus unterstützt, daß man sorgsam an die Sache herangeht.

Ich glaube, wenn wir diese Linie weitergehen und dabei vor allem auch den Menschenrechten, dem Recht überhaupt international einen besonderen Vorrang geben, werden wir auch in dieser Frage der Mitgliedschaft im Bereich einer gemeinsamen Sicherheitspolitik, einer gemeinsamen Außenpolitik und letztlich in der Friedenssicherung in Europa eine treibende Kraft bleiben, was den historischen Leistungen dieses Landes entspricht.

Dabei dürfen wir, meine Damen und Herren, auch auf die Beamten nicht vergessen, die heute mit der Globalisierung befaßt sind, ohne einen Zuschuß in Form neuer Dienstposten zu bekommen. Bisher gab es keine Sitzungen mit der EU in Bangkok, nun gibt es in diesem Zusammenhang mit Asien und Europa zwei Sitzungen in der Woche. Das bedeutet einen doppelten Arbeitsaufwand. Das muß man sich auch einmal vor Augen halten, das bedeutet zusätzliche Familienbelastung, das müssen wir auch anerkennen.

Wir brauchen motivierte Leute, wir haben hervorragende Leute. Ich glaube, wenn wir da ein Zeichen setzen mit einem eigenen Statut, in dem wir Flexibilität für die Angehörigen des auswärtigen Dienstes zeigen, schaffen wir Motivation, auch wenn das erst in zwei, drei Jahren spürbar wird, wenn die, wie ich hoffe, Politik des Sparens nicht fortgesetzt wird, sondern die Politik durch Wirtschaftswachstum wieder dynamischer wird. Das wäre das Ziel allen Sparens, daß wir wieder Wirtschaftswachstum verzeichnen können, soziale Ziele verwirklichen können, und dann können wir auch das verwirklichen, was wir brauchen, um in der Welt erfolgreich dazustehen – ein Statut für die Mitglieder des auswärtigen Dienstes. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Dr. Frischenschlager. )

11.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.11

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident, Herr Bundesminister, Kolleginnen und Kollegen! Der Außenpolitische Bericht ist ja immer ein sehr umfassendes Werk, das ist heute schon von einem meiner Vorredner festgestellt worden, eine sicher sehr wichtige Sammlung von Fakten und von Dokumenten, die es natürlich in der Ausführlichkeit nicht möglich machen, auf all das einzugehen.

Aber ich denke mir, wesentlich an diesem Außenpolitischen Bericht und quasi die Zuspitzung der Politik als solche ist das Vorwort des Außenministers. In entsprechender Kürze und wahrscheinlich auch in geraffter Form hat es in den letzten Jahren immer auch so etwas wie die Leitlinien der österreichischen Außenpolitik hergegeben, die dann eben von diesen Fakten und Dokumenten des Gesamtwerkes belegt werden.

Wenn ich mir das Vorwort des diesjährigen Außenpolitischen Berichtes anschaue, so lassen sich verschiedene Merkmale darin erkennen. Zunächst einmal läßt sich darin erkennen, daß der Außenminister meint, in der Kürze liegt die Würze. – Das mag aber nicht immer stimmen, Herr Minister, denn – wie ich dann auch noch darauf eingehen werde in dem einen oder anderen Fall – wenn etwas sehr verkürzt dargestellt wird, dann wird es auch so dargestellt, daß es der Sache einfach nicht gerecht wird, oder daß viele Aspekte, die in einer so komplexen Materie wie der Außenpolitik sehr wichtig sind, außer acht gelassen werden.

Sie beginnen in Ihrem Vorwort mit der wichtigsten innenpolitischen Entscheidung des Jahres 1995, dem Sparpaket, das wir von der Bundesregierung vorgelegt bekommen haben und das Sie mit Mehrheit hier im Nationalrat beschlossen haben, und Sie verweisen darauf, daß dieses Sparpaket auch aus der Sicht der österreichischen Außenpolitik eine ganz besondere Bedeutung hat. Und – zu meinem Erstaunen, muß ich sagen – Sie ziehen dann den Schluß, daß dieses Sparpaket ja nur der erste Schritt war, der es ermöglicht hat, an dem ehrgeizigen Projekt der Europäischen Integration, nämlich der Wirtschafts- und Währungsunion, überhaupt teilnehmen zu können.


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Mein Erstaunen begründet sich darauf, daß Sie während der ganzen Debatte im Frühjahr, als es von unserer Seite aus um die Wirtschafts- und Währungsunion, aus Ihrer Sicht aber um das Sparpaket gegangen ist, diesen Zusammenhang immer geleugnet und gesagt haben: Wir brauchen ein Sparpaket, denn Österreich ist verschuldet – was im übrigen stimmt, das glaub ich auch.

Nur: Wie stark, mit welchen Maßnahmen, in welchem Tempo die Maßnahmen, die Sie dem Nationalrat vorgelegt haben, mit der Wirtschafts- und Währungsunion zu tun haben könnten, haben Sie immer in Abrede gestellt.

Ich sehe, es kehrt Einsicht ein. Sie sagen selbst, diese Maßnahme, diese wichtige innenpolitische Maßnahme, war eine bedeutende – auch für die Außenpolitik.

Gehen wir noch einmal auf die gestrige Debatte zurück: Gestern haben wir über Ihren Bericht und den Bericht des Bundeskanzlers über die Integrationsmaßnahmen der Bundesregierung diskutiert. Sehen Sie, wir denken, es wäre durchaus sinnvoll und an der Zeit, daß auch das Parlament Ihnen quasi als Auftrag so etwas wie die Leitlinien für die EU-Regierungskonferenz und für diese Integrationsbestrebungen und -bestimmungen mitgibt. Dies umso mehr, wo Sie in Ihrem Vorwort des Außenpolitischen Berichtes erwähnen, daß Sie aktiv und solidarisch im Inneren, sozusagen im Zentrum der Europäischen Union im Integrationskern Ihren Beitrag leisten wollen.

Wir haben gestern einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem diese Leitlinien formuliert waren. Sie haben diesen Antrag niedergestimmt. Sie sind auch gestern schon darauf aufmerksam gemacht worden, daß Sie damit nichts anderes als Ihre eigenen Formulierungen, Ihre eigenen Zielformulierungen niederstimmen, die Sie vielleicht in etwas anderen Zusammenhängen bringen: bei Wahlkampfveranstaltungen, bei Interviews, bei Statements, wo immer.

Ich denke mir aber, daß Ihre Worte ernst zu nehmen sind, nämlich so ernst zu nehmen sind, daß sie auch eine Mehrheit des Nationalrates beschließen könnte, wenn wir uns dieser Auffassung anschließen.

Und einigen Ihrer Auffassungen hätten wir uns durchaus angeschlossen, gerade wenn es – noch einmal Stichwort Sparpaket, Stichwort Wirtschafts- und Währungsunion –, um die Beschäftigungspolitik geht, wenn es darum geht – etwas, was Sie hier in Ihren integrationspolitischen Bestrebungen offensichtlich völlig außer acht lassen –, daß all das, was Sie hier als die wichtigste innenpolitische Entscheidung betrachten, nicht nur in Österreich, sondern vor allem in Europa zu einer Entwicklung führt, die erschrecken läßt: nämlich zu rund 20 Millionen Arbeitslosen im gesamten europäischen Raum und zu 50 Millionen Menschen, die an der Armutsgrenze leben.

Wir wollten gestern nichts anderes von Ihnen, als daß Sie sich noch einmal zu den Dingen, die Sie immer angesprochen haben, verpflichten: Das Ziel der Vollbeschäftigung muß explizit im Vertrag verankert werden, die Beschäftigung ist als prioritäres Ziel in die EU-Verträge aufzunehmen – ein Zitat von Ihnen selbst, Herr Vizekanzler –, oder die Europäische Union muß sich zur Sozialunion entwickeln, ein Leitsatz der ÖVP aus dem Manifest.

Aber Sie wollen offensichtlich nicht, daß der Nationalrat das beschließt und daß es zu einer Bestärkung dessen kommt, was Sie sagen, daß Sie Leitlinien mitnehmen können, um – wie Sie selber sagen – aktiv auftreten können. Und das wundert mich. Warum wollen Sie das nicht? Nehmen Sie Ihre eigenen Worte nicht ernst genug? Oder erwähnen Sie solche Dinge wie die Sozialunion und die Beschäftigungspolitik immer nur dann, wenn es gerade paßt, nur dann wenn Sie sehen: Jetzt brennt wieder der Hut, jetzt muß man wieder was sagen, jetzt muß man die Bevölkerung wieder beruhigen? – Dann sagen Sie: Ja, ja, die EU muß zur Sozialunion werden, das sozialpolitische Ziel muß in den EU-Verträgen verankert werden, und die Beschäftigungspolitik haben absoluten Vorrang.

Aber wenn es darum geht, etwas als Leitbild konkret zu formulieren und zu beschließen, dann stimmen Sie Ihre eigenen Forderungen nieder. Das hat meiner Meinung nach sehr viel Aus


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sagekraft darüber, wie ernst Sie es meinen, wenn Sie davon sprechen, daß Ihre integrationspolitischen Bemühungen in diese Richtung gehen sollen.

Offensichtlich verstehen Sie "aktiv und solidarisch" ganz anders, nämlich: Hauptsache, wir sind dabei, koste es, was es wolle, wir sind dabei, möglichst auch noch im Integrationskern, also möglichst in der ersten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, und alles andere interessiert uns nicht, denn alles andere werden ohnedies die großen Staaten in der EU für uns lösen und vorgeben, und wir werden uns dann dem anschließen. Da wird schon irgend etwas dabei herauskommen.

Das ist eine besondere Art von solidarischer Politik, aber nicht solidarisch den Interessen Ihrer Wählerinnen und Wähler gegenüber, nicht entsprechend dem, was Sie versprochen haben, sondern offensichtlich solidarisch ganz anderen gegenüber, nur haben Sie das bisher noch nie gesagt und noch nie auf den Punkt gebracht.

Es gibt noch ein schönes Zitat, und das scheint wirklich der Punkt zu sein oder das, was dahintersteckt: Die EU hat keine Antwort auf Probleme wie Arbeitslosigkeit. – Das ist es nämlich! Es gibt keine Antwort, Sie können nicht die Beschäftigungspolitik in einen Vertrag von Maastricht, wie er jetzt formuliert ist beziehungsweise angewendet wird, mit den Konvergenzkriterien einfach so hineinverpacken, da das hinten und vorne einfach nicht zusammenpaßt. Und dieses Zitat ist von niemand anderem als von Jacques Delors. Er hat das gesagt, er hat genau diese Wahrheit ausgedrückt, schon lange bevor Sie uns weismachen wollen, Sie würden in der Europäischen Union aktiv etwas voranbringen.

Der zweite Punkt, der in Ihrem Vorwort natürlich auch ein entsprechendes Schwergewicht hat, das ist die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Ich kann mich da vielen der Einschätzungen auch von dem einen oder anderem meiner Vorredner anschließen.

Auch hier gilt es zu prüfen: Was bringen Sie aktiv in die Europäische Union ein? In der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik läßt sich überhaupt nichts erkennen, was aufgrund von österreichischer Initiative aktiv eingebracht wurde. Eine längst fällige Debatte über die Gestaltung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, eine längst fällige Debatte darüber, wie sich Österreich verhalten wird, wenn es um die gemeinsame Verteidigungspolitik geht, vermeiden Sie, unterdrücken Sie, schieben Sie auf die lange Bank, entsorgen Sie in irgendwelchen Unterausschüssen, die noch nicht einmal konstituiert sind, geschweige denn getagt haben. Eine solche Debatte ist Ihnen zutiefst zuwider. Und bricht sie aus, wie im Sommer, initiiert durch eine dringliche Anfrage der Grünen, dann gibt es nicht nur völlig widersprüchliche Meldungen dazu, die hier schon zitiert worden sind, sondern auch das fleißige Bemühen von Ihnen, das möglichst schnell von der Tagesordnung wieder verschwinden zu lassen, denn das könnte nur unangenehm werden.

Und "möglichst schnell" heißt für Sie, daß Sie in Anfragebeantwortungen auf die entsprechende Frage, wann Sie denn die Vorstellungen der Bundesregierung oder Ihre Vorstellungen zu dieser Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, zu der Frage der Verteidigungspolitik ins Parlament einbringen werden, antworten: Anfang 1998. Das möge man sich vorstellen: Anfang 1998. 1997 soll die NATO-Erweiterung für die Oststaaten entschieden werden.

Gestern haben wir das wieder gehört. Und Sie wollen 1998 das Parlament damit befassen, wie wir uns als Parlamentarier und Parlamentarierinnen zu dieser Frage stellen und wie wir uns dazu äußern. Das heißt, Sie werden wieder einmal, wie bei der Wirtschafts- und Währungsunion, wie bei der Frage der Beschäftigungspolitik, einfach zuwarten, was die anderen für Sie hier vorbereiten, was die anderen ausdiskutieren und schließlich vorlegen. Dann gilt wie immer oder wie so oft oder wie in allen Fragen der Europäischen Union: Hier ist die Krot, und sie muß gefressen werden, die Sache ist sozusagen gelaufen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Wir haben das gestern schon gehört.

Dann fallen Worte wie "Trittbrettfahrer". Wir wollen ja nicht Trittbrettfahrer sein, wenn alle rundherum der NATO beitreten. Aber eine Debatte darüber, was wir uns eigentlich erwarten, was für oder gegen solch einen Beitritt spricht, eine Debatte darüber, welchen Stellenwert die Neutralität


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für Österreich hat, wird nicht geführt. So verwundert es auch nicht, Herr Außenminister, daß im gesamten Außenpolitischen Bericht und nicht nur im Vorwort das Wort "Neutralität" als Voraussetzung für Ihre Außenpolitik überhaupt nicht vorkommt. Es spielt keine Rolle mehr, es ist keine Voraussetzung mehr für Sie in der Außenpolitik. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. ) Daher verwundert es auch nicht, daß Sie wieder einmal zuwarten, was die anderen voraussetzen, und dann einfach sagen: 1998 soll darüber entschieden werden.

Die außenpolitischen Perspektiven Österreichs im europäischen Rahmen gibt es offenbar überhaupt nicht, die werden von Ihnen nicht erwähnt, auch nicht im Vorwort, die kommen nicht vor, die sind auch gestern in Ihren Beiträgen nicht sichtbar geworden. Es gibt keine eigenen österreichischen Initiativen, und dort, wo es sie in den vergangenen eineinhalb Jahren gegeben hat, waren es die Initiativen der Parlamentarier und Parlamentarierinnen, die Initiativen der Grünen. Ich sage nur "Mochovce", ich sage nur "Gentechnologie". (Ruf bei der SPÖ: Wenn wir Sie nicht hätten!) Wenn ich nur diese Fragen anschneide, dann muß ich sagen: Es waren die Initiativen eines Parlaments, eines Klubs im Parlament, sozusagen von engagierten Parlamentariern und Parlamentarierinnen, aber es war nichts da von seiten der österreichischen Außenpolitik. (Ruf bei der SPÖ: Sie haben uns gerettet!) Außenpolitik in den verschiedensten Dimensionen, als Außenwirtschaftspolitik, als Kultur-, Entwicklungs-, Abrüstungs- und Umweltpolitik, tritt hinter die Bemühungen um den Beitritt zur Sicherheitsallianz und alle möglichen Folgen daraus zurück.

Es mag schon stimmen, wenn mein Vorredner, Herr Kollege Mock, sagt: Natürlich muß man Prioritäten setzen, und dann ist die Priorität die Europäische Union. Nur, auch in der Europäischen Union gilt es, eine Komplexität von Fragen zu diskutieren und zu lösen. Es geht nicht ausschließlich darum, einer Sicherheitsallianz, einem Militärbündnis, einem Militärblock beizutreten, es geht nicht ausschließlich darum, die Worte "aktiv" und "solidarisch" so aufzufassen, daß man in den Gremien sitzt und wartet, was die anderen sagen. Es geht eben darum, eigene Initiativen zu setzen, sie zu formulieren und einzubringen und sich dafür stark zu machen und dafür einzutreten.

Der letzte Zusammenhang und der erste, den ich zitiert habe, den Sie zwischen der internationalen Politik und der österreichischen Innenpolitik herstellen, wie gesagt, wird nur bei der Wirtschafts- und Währungsunion und beim Sparpaket sichtbar.

Ein anderer Zusammenhang zwischen den österreichischen Interessen und der Außenpolitik, zwischen den österreichischen Interessen und Ihrem Eintreten, Ihrem Engagement in der Europäischen Union scheint nicht auf und ist nicht sichtbar. (Zwischenruf des Abg. Hans Helmut Moser. )

Am Schluß möchte ich noch auf zwei Punkte zu sprechen kommen, die Sie am Ende Ihres Vorwortes auch erwähnen und die ein grelles Licht auf die mangelnde Bereitschaft werfen, sich wirklich dafür einzusetzen, daß mit dem Beitritt zur Europäischen Union auch eine Chance genutzt wird, die übrigens eine Hoffnung für viele Österreicherinnen und Österreicher war, nämlich eine Öffnung Österreichs, eine Öffnung hin zu anderen Anschauungen, zu einem weiteren Blick, indem wir sagen: Holen wir auch neue Vorstellungen in unser Land herein! Schauen wir uns das an! Wenn ich die beiden Beispiele, die ich gleich zitieren werde, betrachte, so muß ich sagen: Sie haben auch diese Chance vertan.

Sie meinen in Ihrem Bericht, die EU-Mitgliedschaft gebe auch eine Möglichkeit zu grenzüberschreitender außenpolitischer Aktivität, und nennen diesbezüglich das Beispiel Tirol/Südtirol und die Europaregion Tirol.

Wir haben erst vor kurzem die 50-Jahr-Feier des Gruber-De-Gasperi-Abkommens gehabt. Ich denke mir, diese Situation würde im kleinen Bereich, in einem regionalen Bereich wirklich die Chance einer außenpolitischen Initiative eröffnen, die sich sehen lassen könnte, indem wir nicht von alten Grenzen ausgehen, von ethnischen Grenzen, von Landesgrenzen, wie sie vor 70, 80 Jahren bestanden haben, sondern indem wir von den Problemen ausgehen, die dort zu lösen sind, von den ökologischen Problemen, den wirtschaftlichen Problemen, den sozialen Problemen und diese Region dann nach ganz anderen geographischen Grenzen abstecken, die weit


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über das hinausgehen, was heute Tirol und Südtirol ausmacht, und die andere Teile von Regionen und Bundesländern in diese dringend notwendige Lösung der Probleme miteinbezieht. Aber auch hier beruft man sich auf das Althergebrachte, Gewohnte und beschränkt sich auf die ethnisch definierten Grenzen und sieht nicht die politischen Probleme, die es eigentlich zu lösen gibt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. )

Ein zweites Beispiel das Sie erwähnten und das ähnliche Bedenken aufwirft: Sie zitierten das Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit und die entsprechenden EU-Initiativen, wo wir uns ebenfalls aktiv einbringen werden. Wir haben erst diese Woche das Dreijahresprogramm der Bundesregierung zur Entwicklungszusammenarbeit im Beirat diskutiert, ein sehr ehrgeiziges Projekt, das sehr viel enthält. Aber eines enthält dieses Dreijahresprogramm nicht, und eines enthält Ihr Außenpolitischer Bericht auch nicht: irgendwelche konkreten Vorschläge, wie wir zu den Lomé-Verträgen, zu den nun laufenden Verhandlungen stehen und mit welchen Maßnahmen wir die österreichische Entwicklungszusammenarbeit in Brüssel salonfähig machen wollen. Es wird dazu überhaupt keine einzige konkrete Maßnahme in Ihrem Außenpolitischen Bericht oder im Dreijahresprogramm aufgezählt. Man beschränkt sich, wie Ihre gesamte Politik, Ihre gesamte Integrationspolitik, Ihre gesamte Politik in bezug auf die Europäische Union, auf die Ankündigung von Maßnahmen, die populistisch klingen mögen, die da oder dort ein Bedürfnis erfüllen, so nach dem Motto: Wir werfen in die Debatte Beschäftigungspolitik, Sozialunion, und dann sagen wir wieder Sicherheitsallianz, Gemeinsame Außenpolitik. Nur, was sich hinter diesen Schlagworten verbirgt, wird nicht sichtbar, und darüber vermeiden Sie tunlichst jede Diskussion.

Wir werden heute nachmittag – und das ist auch ein Grund, warum wir unseren Dringlichen Antrag eingebracht haben – noch einmal Gelegenheit haben, über eines der, wie uns scheint, wesentlichsten Anliegen, der österreichischen Bevölkerung zu diskutieren, und zu schauen, ob Sie Ihre Versprechen, Ihre Wahlkampfversprechungen, Ihre Sprechblasen, die Sie immer wieder da und dort plakatieren beziehungsweise inserieren, auch einmal ernst nehmen, dazu stehen und sie beschließen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler. – Bitte.

11.30

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich darf zu den bisherigen Beiträgen der außenpolitischen Sprecher Stellung nehmen. Es sind, so meine ich, sehr positive Worte über das Außenamt gesagt worden. Der Bericht ist, glaube ich, sehr umfassend und deckt auch das Spektrum der Arbeit des Außenamtes gut ab. Man sollte, Frau Abgeordnete Kammerlander, natürlich nicht nur das Vorwort anstelle des Berichtes sehen, denn sonst könnte ich mir das nächste Mal den Bericht ersparen, wenn schon alles im Vorwort drinnen stehen soll. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bin halt der altmodischen Auffassung, daß ein Vorwort ein Vorwort ist und nichts anderes. Da ist nichts hineinzugeheimnissen.

Wenn Sie sich den ganzen Bericht ansehen, dann finden Sie darin die gesamte Bandbreite der österreichischen Außenpolitik, die verschiedenen Schwerpunkte, natürlich vor allem europapolitisch. Der Bericht bezieht sich ja auf das Jahr 1995, und das war für uns eine Zäsur: das erste Jahr in der Europäischen Union als Vollmitglied. Er enthält die multilateralen Aktivitäten, die verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkte wie Umweltschutz, Menschenrechte, Kinderrechte. Es ist soviel drinnen bezüglich Entwicklungszusammenarbeit, sodaß man, glaube ich, sehr viel Material hat. Sie haben das ja auch dankenswerterweise am Beginn Ihrer Rede gesagt.

Ich schließe mich daher dem Dank fast aller Fraktionen an die Beamten des Hauses an. Es sind gute, höchstmotivierte Mitarbeiter, die in einer sehr, sehr schwierigen Umbruchsituation für uns das Optimum herausgeholt haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Abg. Hans Helmut Moser. )


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Die Ermahnung meines Amtsvorgängers am Schluß seiner Rede, das außenpolitische Statut im auswärtigen Dienst nicht zu vergessen, ist eine Botschaft, die hoffentlich von allen Parlamentariern verstanden wurde und der ich mich selbstverständlich auch anschließe. Das bleibt auf der Tagesordnung – das verspreche ich dir! (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zu einigen inhaltlichen Fragestellungen. Diese waren, glaube ich, in den verschiedenen Reden sehr gut herausgearbeitet. Wir sollten uns tatsächlich klar deklarieren, eine klare außenpolitische Linie gehen in einigen Lebensfragen, die man dezidiert auf den Punkt bringen kann und auch öffentlich diskutieren soll. Ich bin jemand, der Diskussion immer schätzt, manchmal durchaus auch ein pointiertes Wort, ich bin überhaupt nicht böse darüber. Ich bin der letzte, der irgendeine Diskussion abdrehen möchte.

Eine Frage, die etwa der Oppositionsabgeordnete und FPÖ-Sprecher Jörg Haider auf den Punkt gebracht hat: Was ist besser für Österreich, für Europa und für die betroffenen Völker: Protektionismus oder Öffnung der Märkte? – Dazu sage ich ein sehr klares Wort: Ich bin leidenschaftlich für die Öffnung, für die Liberalisierung, für die Integration und gegen protektionistische Tendenzen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Ich sage das nicht nur, meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion, aus einem grundsätzlichen humanen Ansatz, obwohl dieser sehr wichtig ist, sondern ich sage das auch aus eigenen ökonomischen Überlegungen. Vielleicht könnte mir der Wirtschaftssprecher der Freiheitlichen eine Sekunde für ein wirtschaftliches Argument sein Ohr leihen. Wir haben beispielsweise in unserem Außenhandel – Import/Export – im Jahr 1994, was nur die mittel- und osteuropäischen Länder betrifft, einen Überschuß – einen Überschuß! – von 10,5 Milliarden Schilling gehabt, wenn ich alle osteuropäischen Länder hernehme, einen von 16,5 Milliarden Schilling. Wir haben im Jahr 1995, dem ersten Jahr unserer Mitgliedschaft, diese Summen deutlich steigern können: nach Ost- und Mitteleuropa von 10 auf 16,3 Milliarden Schilling Bilanzüberschuß, und wenn ich alle osteuropäischen Länder hernehme, dann von 16,5 auf 27,3 Milliarden Schilling. Es ist also nicht nur menschlich, nicht nur human, die Märkte zu öffnen, es liegt auch in unserem eigenen ökonomischen Interesse, daß wir nicht auf Protektionismus vertrauen, sondern auf das, was uns eigentlich seit dem Jahr 1945 stark gemacht hat: Freihandel, Öffnung, fairer Wettbewerb. (Beifall bei der ÖVP.)

Die zweite sehr entscheidende Frage: Ich bin für die Erweiterung der Europäischen Union um die geeigneten Länder Mittel- und Osteuropas, wenn sie wirtschaftlich die Kriterien erfüllen und sich politisch der Wertegemeinschaft der Europäischen Union annähern. Das heißt: volle Beachtung der Menschenrechte, voll entwickelte Demokratie, Pressefreiheit – alles, was dazugehört. Und da sind einige der Kandidaten noch nicht so weit, aber jene, die fähig sind und es wollen, gehören dazu. Und deshalb muß man jetzt einen sehr schwierigen, aber wichtigen und notwendigen Beitrittsverhandlungsprozeß eröffnen. Dieser wird nicht in wenigen Monaten abgeschlossen sein, und er wird natürlich auch Übergangsfristen inkludieren. Er wird auch eine Reform der Förderungssysteme und der Finanzverfassung notwendig machen. Das ist übrigens genau das, worauf der Wirtschaftsminister hinweisen wollte.

Wir sind in einen fünfjährigen Förderungsprogrammschwerpunkt der Europäischen Union von 1994 bis 1999 eingestiegen. Wir sind in diese laufenden Programme eingestiegen. Diese waren nicht verhandelbar. Nur, wir beginnen nächstes oder spätestens übernächstes Jahr die Periode von 1999 bis 2004 neu zu verhandeln. Und da wird natürlich die Frage Nettozahler, Förderungsprogramme, Förderungsschwerpunkte auch im Licht künftiger Erweiterungen zu prüfen sein. Das ist ein wichtiges Thema für uns. Daher nachträglich die Fünfjahresperiode abzuändern und etwas anderes auszuverhandeln – wer das glaubt oder sagt, erweckt Illusionen, das ist lächerlich. Aber ab 1999 die richtigen Fragen zu stellen und sie bei den Beitrittsverhandlungen auch zu thematisieren, das ist natürlich österreichisches und europäisches Interesse, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich warne Sie, nein, ich bitte Sie, im Interesse übergeordneter Ziele hier nicht mit den Gefühlen zu spielen. Natürlich haben manche Leute Angst vor einer Erweiterung; klar. Und man sollte diese Sorgen bei der Freizügigkeit des Arbeitskräfteeinsatzes, dem Wegfall der Grenzen, der


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organisierten Kriminalität absolut ernst nehmen. Aber nochmals: Ich warne davor, dies als Spielmaterial einzusetzen. Und ich warne davor, auch einen Solidaritätsbeitrag, der notwendig ist, als Argument, als Spielball einzusetzen. Gerade die österreichische Bevölkerung sollte nie vergessen, daß auch uns in einer schwierigen Zeit geholfen wurde. Alois Mock hat in seiner bewegenden Rede bereits darauf hingewiesen. Wenn die Amerikaner gedacht hätten: Die in Europa sollen sich "dersteßn", dann hätte es nie eine amerikanische Marshallplan-Hilfe gegeben, die innerhalb von zwölf Monaten aus dem Boden gestampft wurde und pro Jahr etwa eineinhalb Prozentpunkte des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts in die katastrophale Wirtschaftsregion Europa, zu den ehemaligen Kriegsgegnern, zu den Feinden hinübergeschaufelt hat. Wir sollten daran denken und ein bißchen solidarischer und auch humaner sein. Das ist meine Überzeugung. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine dritte Frage – und es ist dies eine wichtige Frage – wurde von mehreren Rednern aufgeworfen: Wie verhält es sich mit der Wirtschafts- und Währungsunion und einer notwendigen Budget- und Fiskaldisziplin auf der einen Seite und der Beschäftigungsunion mit den Beschäftigungszielen auf der anderen Seite? Da sage ich auch ganz klar und präzise: Liebe Freunde! Wer eine harte Währung hat, wer damit eine niedrige Inflationsrate, niedrige Zinsen hat, macht das Beste für seine Arbeitsplätze, für seine Jobs. Jene Länder, die die härteste Währung haben, haben auch die niedrigste Arbeitslosenrate. Und diejenigen, die immer wieder abgewertet haben, sind – für mich nicht zufälligerweise – von der höchsten Arbeitslosigkeit betroffen. Das heißt, der Zusammenhang ist da, aber er ist ein anderer, als Sie glauben machen, nämlich Fiskaldisziplin und harte Währung, auch harte Europawährung sind natürlich gut für die Arbeitsplätze in Europa und für den Standort der Produktion in Europa. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber Fiskal- und Budgetdisziplin ist nicht alles, daher ist es wahr und gut, daß hier die Frage gestellt wurde: Wollen wir eine Marktwirtschaft, einen Binnenmarkt mit einem sozialen Gesicht, mit sozialer Verantwortung, oder wollen wir den ungebremsten, schrankenlosen Kapitalismus? Und das steckt ja ein bißchen hinter der Frage Entsenderichtlinie. Gott sei Dank – ich bin stolz darauf – hat gestern das Europäische Parlament in zweiter Lesung die Entsenderichtlinie, bezüglich derer die Freiheitlichen immer gesagt haben, sie komme nie zustande, beschlossen. Und bewirkt haben das diejenigen, die für Europa und für die Integration waren und nicht diejenigen, die versuchen, alles und jedes in der Europäischen Integration schlechtzumachen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin daher für einen Binnenmarkt mit einem sozialen Gesicht, mit sozialen Mindeststandards, weil das natürlich auch für die Produktionsvoraussetzungen in Österreich gescheit und hilfreich ist. Wir wollen ja auch einem portugiesischen Bauarbeiter die Chance geben, an den kollektivvertraglichen Mindestlöhnen mitzupartizipieren, die hier oder in Deutschland üblich sind. Wir wollen nicht, daß Sozialdumping innerhalb eines Binnenmarktes betrieben wird. Daher ein ganz klares Ja zu dieser sozialen Verantwortung, denn wir sind stolz darauf – das sage ich als einer, der einen ideologischen, gesellschaftspolitischen Hintergrund als Christdemokrat hat –, daß dieses Europa und gerade auch dieses wirtschaftspolitische Konzept in Europa von einem Reinhard Kamitz, einem Julius Raab oder einem Ludwig Erhard letztlich geprägt worden ist. Und es ist wichtig, sich daran zu erinnern, genauso wie die Sozialdemokraten hier auch ihren wichtigen Beitrag zu dieser Marktwirtschaft mit menschlichem, mit sozialem Angesicht geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich weiß natürlich, daß manche ein Interesse daran haben, die Wahl vom 13. Oktober umzufunktionieren in eine Abstimmung über Neutralität ja oder nein. Und das ist falsch. (Abg. Scheibner: Wer? Wer?)

Manche – fühl dich nicht gleich betroffen! Die gibt es, keine Frage, und die Abstimmung heute deutet ja auch darauf hin, daß das genau deshalb aktualisiert werden soll.

Wahr ist jedoch, daß dies keine Abstimmung über die österreichische Neutralität sein kann und sein wird. Bei dieser Wahl werden die Parlamentarier zum Europaparlament direkt demokratisch, zum ersten Mal in unserer Geschichte gewählt, und sie ist keine Reservevolks


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abstimmung: Sollen wir dazu gehen oder sollen wir austreten, und es ist keine Abstimmung über die österreichische Neutralität. Darüber entscheiden wir selbst.

Ich sage noch etwas dazu: Für mich ist die Frage nicht – wie es Jörg Haider auf den Punkt gebracht hat, aber auch Frischenschlager und Kammerlander –: Neutralität oder Solidarität?, sondern für mich heißt es natürlich: und Solidarität. Das ist das neue europäische Ziel, das uns fordert und zu dem wir natürlich auch bereit sein müssen, gar keine Frage, auch in unserem ureigensten österreichischen Sicherheitsinteresse. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Friedhelm Frischenschlager hat die Frage aufgeworfen – die hat mich merkwürdig berührt, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen –, Neutralität nach Schweizer Muster. – Ja bitte wo steht denn das? Im Neutralitätsverfassungsgesetz steht das wirklich nicht, und davon haben wir uns doch längst verabschiedet. Würden wir eine Neutralität nach Schweizer Muster heute noch praktizieren, hätten wir nie zur UNO gehen dürfen, hätten wir uns natürlich nicht in Bosnien beteiligen dürfen, hätten wir nie Überflugsrechte im Golfkrieg erlauben dürfen, hätten wir nie zur "Partnerschaft für den Frieden" gehen dürfen, um gemeinsam mit der NATO etwas zu tun. – Wir haben uns doch längst emanzipiert von derartigen überholten Formeln. Wir alleine bestimmen, wie wir unsere Neutralität interpretieren, mit Leben erfüllen und sie mit UNO-Solidarität und europäischer Solidarität ergänzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben das Neutralitäts-Verfassungsgesetz beschlossen, ohne Volksabstimmung, und kein Mensch denkt daran, die Neutralität abzuschaffen. Wir sind der UNO ohne Volksabstimmung beigetreten, daher: Was soll diese Fragestellung? Was soll das, daß Sie jetzt drei Wochen vor der Wahl verlangen, daß wir eine Volksabstimmung über die Abschaffung der Neutralität durchführen sollen? Das will doch überhaupt niemand.

Was zur Diskussion steht, ist erstens – und das ist eine wichtige Frage –: Wie geht es innerhalb der Regierungskonferenz weiter? (Zwischenruf der Abg. Mag. Kammerlander. ) Da müssen die anwesenden Parlamentarier aber schon bestätigen: Das haben wir Stunden und Stunden thematisiert und diskutiert, im zuständigen Außenpolitischen Ausschuß, im zuständigen Hauptausschuß des Nationalrates, hier im Plenum. Wir haben alle Positionen zur Regierungskonferenz durchgekaut und durchdiskutiert, und Sie wissen auf Punkt und Beistrich, was ich als Verhandler in Brüssel, in Straßburg oder wo immer vertrete. Es ist eine akkordierte österreichische Position, die, wie ich glaube, hoffentlich auch die Zustimmung aller Abgeordneten hier im Parlament findet, nämlich daß wir die sogenannten Petersberg-Aktionen – also alles, was der Friedensdurchsetzung, -schaffung und -bewahrung dient – in den Vertrag der Europäischen Union aufnehmen wollen, zusätzlich Krisenmanagement, zusätzlich humanitäre Hilfe, daß dabei die EU die politischen Beschlüsse faßt, die WEU beauftragen kann und daß jedes Land das Recht hat, sich an solchen Aktionen zu beteiligen, aber auch die Freiheit, draußen zu bleiben. Aber gleichzeitig wird die Flexibilität gefordert, daß einer, der nicht mittut, die anderen nicht behindern darf. Das ist die Position. Die ist, wie ich glaube, gut argumentierbar und ist sowohl in den Ausschüssen wie auch im Plenum eigentlich nie kritisiert worden. Daher: Hier haben wir eine klare Linie, was jetzt zu tun ist – nicht 1997, 1998, sondern jetzt.

Die andere Frage, wie es dann weitergeht in Richtung WEU oder NATO oder was immer, kann nicht jetzt beantwortet werden. Man bewirbt sich ja nicht um derartige Dinge. Man wird eingeladen. Und die NATO diskutiert jetzt im Kreis der heutigen Mitglieder – wir sind dabei nicht einmal ein Zaungast –, welche neue Zukunft sie sich gibt, welche Ziele, welche Instrumente, welchen neuen Mitgliedern sie sich öffnet, diskutiert über die Frage: Wie kann man in einem Partnerschaftsabkommen mit Rußland – was ich für essentiell halte, auch mit der Ukraine – in einem Netzwerk, das fast ganz Europa umspannt, den Frieden und die Solidarität und die Freiheit der Völker absichern? Und diese Frage muß abgewartet werden.

Es gibt, so glaube ich, im Leben, aber auch in der Politik den richtigen Zeitpunkt. Wofür ich plädiere ist nichts anderes, als sich ein bißchen Zeit zu lassen, bis die NATO, die heutigen NATO-Mitglieder, diese neue Position, die sich völlig unterscheiden wird – hoffe ich jedenfalls – vom kalten Krieg, definiert. Das wird vermutlich Mitte des nächsten Jahres der Fall sein. Und


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dann soll Österreich in voller Eigenständigkeit definieren, was wir wollen. Das wird die Regierung vorschlagen in einem Bericht, sie wird es dem Parlament vortragen, und Sie, meine Damen und Herren Volksvertreter, haben dann die Wahl und die Entscheidung. Und so ist es nach meiner persönlichen Überzeugung auch richtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Erlauben Sie, daß ich ein Wort zu Bosnien sage, weil dies ein sehr, sehr wichtiges Thema ist, ein leidvolles Thema, wie Alois Mock zu Recht gesagt hat, und weil wir natürlich direkt involviert sind. Ich sage, daß die Wahl in Bosnien sehr, sehr wichtig war. Das wichtigste war wahrscheinlich das Faktum, daß sie überhaupt stattgefunden hat und stattfinden konnte. Wir wissen natürlich, sie war alles andere als perfekt. Hunderttausende konnten nicht über die Grenze oder haben sich nicht getraut, aus Angst, aus Sorge, daß IFOR-Truppen sie nicht genügend schützen können. – Es ist ein Skandal, daß von den 200 000 Vertriebenen nur letztlich 14 500 den Mut gehabt haben, die Grenze der Entitäten zu überschreiten und sich wieder in den ursprünglichen Orten niederzulassen. Das ist ein Skandal, ändert aber nichts daran, daß es wichtig war, daß diese Wahl zum vorgesehenen Zeitpunkt abgehalten wurde, weil dadurch das Projekt "Friede für Bosnien-Herzegowina" weiterlebt.

Ich halte es für ungeheuer wichtig, daß jetzt Stimmzettel abgegeben wurden, anstatt daß Gewehre gesprochen haben. Ich halte es für lebenswichtig für den Frieden, für Europa, für alle, vor allem für die Menschen dort, daß jetzt mit politischen Mitteln gekämpft wird und nicht mehr mit militärischen, auch wenn es nicht perfekt war und man dies, so wie es Alois Mock getan hat, öffentlich kritisieren muß.

Die schwierigere Frage kommt jetzt, nämlich die Kommunalwahlen, denn die Zentralwahlen waren ja noch relativ einfach. Da wurden die Präsidenten gewählt, die letztlich ein Triumvirat bilden, bei dem keiner den anderen überfahren kann, da wurden die völkischen Parlamente gewählt, in denen auch keiner den anderen überstimmen kann. Jetzt kommen die Kommunalwahlen, und wir haben erlebt, wie heiß es da zugehen kann, wie sich die Emotionen hochschaukeln können – Stichwort Mostar. Und wenn man das nicht richtig macht, dann drohen Dutzende kleine Mostars, und das kann eine sehr, sehr unangenehme Situation werden.

Was ich aber nicht zulasse, ist, daß man alle unangenehmen, leidvollen, dramatischen Fehlentwicklungen ausschließlich der Europäischen Union in die Schuhe schiebt.

Meine Damen und Herren! Vergessen Sie nicht, daß 500 europäische Soldaten in der Vor-Dayton-Zeit gestorben sind, um den Frieden zu erhalten. Aus meiner Sicht ist ein ganz großes Versagen auch den Vereinten Nationen anzulasten, die ein schlechtes Mandat, ein zu enges Mandat erteilt haben und auch nicht immer die richtigen Leute hingeschickt haben. Ich lasse es nicht zu, daß man alles und jedes nur der Europäischen Union in die Schuhe schiebt, die mehr macht, als man glaubt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Heute stehen zum Beispiel 26 000 europäische Soldaten in Bosnien, aber nur 14 000 amerikanische Soldaten (Abg. Scheibner: Das hat aber nichts mit der EU zu tun!) – selbstverständlich! –, und die wirtschaftliche Hilfe kommt in dieser Region zu 52 Prozent von den Völkern der Europäischen Union und nur 11 Prozent von den Amerikanern. Ich werde daher nicht zulassen, daß man für alles und jedes nur die EU verantwortlich macht und die Amerikaner als die Helden feiert, die zugegebenermaßen eine sehr wichtige Rolle in diesem Zusammenhang gespielt haben. Es wäre gut, wenn sich Europa hier noch besser koordinieren könnte, um nicht nur eine aktive wirtschaftliche, sondern auch politische und friedenssichernde Rolle spielen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich teile auch die Meinung von Alois Mock, daß wir zehn Jahre Präsenz dort brauchen, ganz sicher. Aber wer hat es denn thematisiert? Nicht die Amerikaner, wie Sie wissen, die Europäer haben es thematisiert. Und es ist die EU, die genauso im Nahen Osten den Frieden und den wirtschaftlichen Wiederaufbau sichert. Beispielsweise 50 Prozent der Wirtschaftshilfe für die Palästinenser kommen von der EU, 60 Prozent der israelischen Exporte gehen in die Europäische Union. Daher: Werden wir selbstbewußter, erkennen wir auch, daß die Europäische


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Union ein Schlüssel in dieser gesamten Region – Mittelmeerraum, Mittel- und Osteuropa, Balkan, bis zu den Folgestaaten der ehemaligen Sowjetunion – ist.

In diesem Sinn eine abschließende Bemerkung von mir. Ich verstehe die österreichische Außenpolitik als eine, die in den kommenden Jahren diese Möglichkeiten der europäischen Bühne, der Beeinflussung auch der anderen europäischen Staaten für unsere gemeinsamen Ziele – Menschenrechte, Umweltschutz, Beschäftigung, Friedenssicherung, Wahrung von Minderheitengruppierungen – noch viel stärker als bisher einsetzen wird.

In diesem Sinn möchte ich auch etwas ankündigen, was vielleicht überraschen mag, weil es nicht unbedingt mit dem Sparpaket deckungsgleich ist, aber ich glaube, es ist absolut notwendig. Wir werden im nächsten Jahr zumindest in den drei baltischen Staaten Botschaften einrichten. Es sind dies Beitrittskandidaten, und Österreich muß in diesem Raum, der geopolitisch eine unendlich wichtige Rolle spielt, präsent sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir werden in Mazedonien eine Botschaft aufmachen, was sehr, sehr wichtig ist, weil man dieses kleine, aber wichtige Schlüsselland nicht länger von Tirana oder auch von Belgrad aus mitbetreuen kann.

Wir können auch nicht alle Nachfolgestaaten der Sowjetunion von Moskau aus betreuen, weil das einfach mit dem Selbstbewußtsein dieser Nachfolgestaaten nicht vereinbar ist. Daher werden wir im nächsten Jahr in diesem Raum sicher die eine oder andere Botschaft aufmachen. Wir werden vieles durch interne Umschichtungen und auch mit der Hilfe von anderen Ministerien bewältigen. Insgesamt dürfen dadurch keine Mehrkosten entstehen, aber ich bitte um Ihre Zustimmung, damit wir diesen Beitrag für eine aktive Außenpolitik außer Streit stellen können. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.55

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte vielleicht mit dem selben Thema beginnen, mit dem der Herr Vizekanzler begonnen hat, nämlich mit der Frage, die von Kollegen Haider gestellt wurde. Wie schaut die Antwort auf die Liberalisierung, auf die Folgen der Liberalisierung aus? Er hat ansatzweise unterstellt, ob uns nicht protektionistische Maßnahmen helfen könnten.

Ich gehe auch davon aus, daß die Entwicklung des Freihandels in der Welt eine der wesentlichen Grundlagen für wirtschaftliches Wachstum ist. Zweitens muß man aber sehen, daß die Früchte dieses wirtschaftlichen Wachstums auch nach dem letzten Weltwirtschaftsbericht relativ ungleich verteilt sind, nämlich daß nach wie vor die Länder des Nordens überproportional dazugewinnen, während die Länder des Südens in Summe abfallen, obwohl es auch dort einzelne Ausnahmen gibt, die eine erstaunliche Wachstumsentwicklung in den letzten Jahren durchgemacht haben. Was aber überall der Fall ist, egal ob in Nord oder Süd, ist, daß eine Folge der Globalisierung stärkere Ungleichheiten in der Gesellschaft zwischen Ärmeren und Reicheren sind. In Europa ist das noch bedeutend weniger der Fall als zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Amerika und in jenen Teilen der Welt, wo derzeit das Wachstum am allerstärksten ist, zum Beispiel in China und in anderen Ländern des Südostasiatischen Raums.

Es stellt sich natürlich die Frage: Wie können wir auf negative, unerwünschte Liberalisierungsfolgen eingehen, und was sind mögliche Antworten? Es wird beim Ministergipfel in Singapur, wo die Frage der Weiterentwicklung der WTO, der World Trade Organization, diskutiert wird, unter anderem europäische Vorstellungen geben, die zum Beispiel gewisse Mindeststandards im sozialen Bereich, also zumindest die Core-Standards der ILO, auf die Tagesordnung bringen wollen und als Bedingung für den Abbau von Handelsbeschränkungen fordern, daß diese Mindestsozialbedingungen eingehalten werden.


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Das ist, so finde ich, ein prinzipiell guter Zugang. Wenn man dies aber von seiten der Europäischen Union fordert, wäre es natürlich höchst an der Zeit, auch innerhalb der Europäischen Union selbst gewisse höhere Standards durchzusetzen und zum Beispiel jenem Rat zu folgen, der in dem vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Papier des Rates der Weisen vorgeschlagen wird, daß zum Beispiel die Europäische Union als Gesamtes der Sozialcharta des Europarates beitreten sollte, und zwar in der Form, daß die Sozialcharta Primärrecht der Europäischen Union wird. Das würde nämlich dazu führen, daß es eine Absicherung von sozialen Mindeststandards auch in der Europäischen Union gibt. Ich glaube, daß es bei dieser gesamten Liberalisierungsentwicklung irrsinnig wichtig ist, gewisse Mindestgrenzen einzuziehen, weil da und dort natürlich die Gefahr besteht, daß Entwicklungen stattfinden, bei denen man mit einzelstaatlichen Maßnahmen oftmals überfordert ist.

Ein zweiter Punkt ist die Frage: Was tut die EU gegen die Arbeitslosigkeit? Wir sind alle nicht zufrieden mit dem bisherigen Ausmaß an diesbezüglichen Aktivitäten, aber so wie es der Kollege Haider gemacht hat, geht es auch nicht. Er hat sich hierhergestellt und gesagt, 18 Millionen Arbeitslose seien der EU völlig gleichgültig, gleichzeitig würden 3,3 Milliarden Schilling für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben. (Abg. Mag. Stadler: Propaganda!) – Von mir aus Propaganda. – Dem sollte man zumindest ein simples Faktum entgegenhalten: 32,5 Prozent aller Ausgaben der Europäischen Union gehen in die Regional- und Sozialfonds.

Von diesen Geldern, die in Summe 141 Milliarden ECU für eine vierjährige Berichtsperiode ausmachen, geht ein gut Teil in Ziel-3- und Ziel-4-Förderungen. Dabei handelt es sich ausschließlich um Maßnahmen gegen Langzeitarbeitslosigkeit, um Maßnahmen zur Reintegration von Arbeitslosen in die Gesellschaft, also um Mittel, die die Europäische Union sehr wohl im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zur Verfügung stellt. (Abg. Mag. Haupt: Und wieviel davon ist laut Rechnungshof überhaupt nie angekommen?) – Sofort, Herr Kollege Haupt. – Wenn man zusätzliche Aktivitäten der Europäischen Union auf diesem Gebiet fordert, bin ich sehr dafür, denn das, was getan wird, ist zuwenig. Aber angesichts von 141 Milliarden ECU Ausgaben auf diesem Sektor zu sagen, es wird absolut nichts getan, das ist wirklich billige Polemik und paßt nicht in eine sachliche Debatte (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Haupt: Und was sagen Sie zur Kritik des Europäischen Rechnungshofes zur Mittelverwendung?)

Das ist ein sehr wesentlicher Punkt, daß der Europäische Rechnungshof die Ausgabenpraxis kritisiert hat. Aber wir wissen ganz genau, daß es höchst unterschiedliche Verwendungsformen in den Ländern gibt, zum Beispiel in Griechenland und in Portugal. Portugal hat eine ganz andere Verwendungsethik von öffentlichen Geldern. (Abg. Mag. Stadler: Eine andere Verwendungsethik! Schöner habe ich Subventionsbetrug noch nie umschreiben gehört!) Wenn Sie in bezug auf Portugal von Subventionsbetrug reden, dann muß ich sagen, Sie gehen relativ ... (Abg. Mag. Stadler: Das schreibt der Rechnungshof!) Nein, Sie haben den Bericht nicht gelesen. Das schreibt der Rechnungshof in bezug auf Griechenland und nicht in bezug auf Portugal. Sie haben nicht einmal den Bericht gelesen und beleidigen ein Land taxfrei. (Abg. Mag. Stadler: Das habe ich nicht gesagt!) Na klar, Sie werfen Portugal Subventionsbetrug vor. Sie haben den Bericht nicht gelesen und wissen demnach nicht, wer darin kritisiert wird. (Abg. Mag. Stadler: Ich habe nur gesagt, Sie haben es schön umschrieben! Ich mache Ihnen ein Kompliment, und Sie sagen, ich beleidige jemand!) Ich sage Ihnen, einzelne Länder werden berechtigterweise kritisiert, andere nicht, daher sind die Schlußfolgerungen ... (Abg. Mag. Stadler: Ich wollte Ihnen nur ein Kompliment machen!) Das können Sie nachher gerne; ich weiß, ich habe eine etwas höhere literarische Begabung als andere, darüber können wir aber danach diskutieren.

Portugal hat die Subventionen korrekt verwendet, Griechenland nicht. Daraus sind die Schlußfolgerungen zu ziehen, daß im Falle Griechenlands, dessen Bruttosozialprodukt zu 13 Prozent aus Transferzahlungen der Europäischen Union finanziert wird, eine härtere Gangart eingelegt wird. Aber wir wissen ganz genau, wie die hohen Zahlungen in bezug auf Griechenland in der Vergangenheit zustande gekommen sind. Da ist es nicht nur um ökonomische Notwendigkeiten gegangen, sondern darum – und das ist in der Europäischen Union in allen Fragen der Fall –, daß politische Kompromisse auch ihren ökonomischen Preis haben. Man muß versuchen, auf Basis dieser Kompromisse zu schauen, daß die Mittel ordnungsgemäß verwendet werden, und


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man sollte für den Fall, daß es nicht so ist, auch Sanktionen androhen. Das hielte ich für richtig, denn es geht um das Geld der Steuerzahler. Aber eines muß trotzdem klargestellt sein: Diese Mittel für die Struktur- und Sozialfonds halte ich für wesentliche Ausgaben der Europäischen Union, wenn man will, daß regionale Disparitäten ausgeglichen werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Haupt. )

Dritter Punkt: die Frage des internationalen Systems. Herr Außenminister, da würde mich die Diskussion mit Ihnen interessieren. Wir reden über Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – okay. Wir sind uns aber, glaube ich, darüber einig, daß die Entwicklung Jugoslawiens nicht die umfassende Erfolgsgeschichte der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik war und daß das Problem im Kern eigentlich nicht war, daß es keine gemeinsame europäische Armee oder ähnliches gegeben hat, sondern das Problem auf europäischer Seite war doch, daß über lange Zeit Frankreich, Großbritannien und Deutschland sich auf keine gemeinsame politische Linie haben einigen können, was denn tatsächlich in Jugoslawien zu erreichen ist. Und ich meine, dieser Punkt ist der wesentliche: Wie kommt man zu Vereinbarungen über außenpolitische Ziele? Herr Kollege Mock hat mit Recht gesagt, dieser Teil ist der schwierigste, weil es um die sensibelsten Interessen geht. Nehmen wir nicht nur das ehemalige Jugoslawien her, sondern auch die Situation, die Sie angesprochen haben, im östlichen Mittelmeerraum, im Vorderen Orient und im Nahen Osten. Was bemerken wir hier? Die Vereinigten Staaten, die mit Europa verbündet sind, haben zum Beispiel eine Aktion im Irak gesetzt, die von verschiedenen Seiten, auch von einzelnen europäischen Partnern wie Frankreich und anderen, einer sehr geharnischten Kritik unterzogen wurde. Nicht zu Unrecht, denn diese Aktion findet nicht unbedingt eine Abdeckung in völkerrechtlichen Grundlagen, und auch die Abdeckung durch UNO-Resolutionen ist zumindest disputabel.

Mir geht es aber gar nicht um diesen Punkt, sondern mir geht es darum, welche eigenständige europäische Strategie wir in dem Raum spielen, wo offensichtlich die Grundlagen amerikanischer Politik einigermaßen erodiert sind. Denn der Irak wird zwar dann und wann bestraft für irgendwelche Aktivitäten, gleichzeitig ist man aber daran interessiert, daß der Irak erhalten bleibt als ein gewisses Pendant zum Iran, dem man im übrigen mit verschärften wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen zu Leibe rücken will. Auf der anderen Seite ist die Perspektive mit dem Wahlausgang in Israel zusammengebrochen, daß es hier relativ kurzfristig zu Vereinbarungen oder Initiativen in bezug auf Syrien kommen könnte.

Das heißt, das gesamte Konstrukt der amerikanischen Politik im Nahen und Mittleren Osten steht in Wirklichkeit vor einer trümmerhaften Bilanz. Und diese trümmerhafte Bilanz wurde nun vor den amerikanischen Wahlen offensichtlich versucht zu kaschieren, durch die Art von Einsatz, die in Europa nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen ist. Was meine ich damit? Wenn dieser Raum, der uns so nahe liegt und neben dem Balkan der nächste Raum ist, offensichtlich durch politische und strategische Krisen und Ungleichgewichte geschüttelt wird und auch eine entscheidende Rolle dabei spielt, wenn wir unser Verhältnis zu Rußland ordnen wollen, stellt sich die Frage: Wie schaut die gemeinsame europäische Politik in bezug auf diese Region aus?, vor allem dann, wenn man sieht, daß England, Deutschland, Frankreich höchst unterschiedliche Positionen zum amerikanischen Verhalten in dieser Region abgegeben haben. Und daher bin ich sehr für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Aber sehr oft habe ich den Eindruck, wie sich am konkreten Beispiel zeigt, daß in der aktuellen Situation europäischer Zusammenarbeit immer dann, wenn es brenzlich wird, der politische Wille offensichtlich noch nicht so weit entwickelt ist. Und ich würde mir wünschen, daß sich dieser politische Wille entwickelt. Aber ohne den politischen Willen immer eine vorgezogene Debatte zu führen und zu sagen, na gut, wir müssen uns jetzt über die militärischen Angelegenheiten unterhalten und die Frage morgen auf die Tagesordnung stellen, ob wir jetzt irgendeinem Militärbündnis beitreten, ja oder nein, das halte ich in Wirklichkeit für keinen korrekten Diskussionszugang, weil er der realen Problemstellung, wenn man sich diesem Problem wirklich stellen will, nicht entgegenkommt und die Frage nicht präzise trifft.

Ein vierter Punkt in diesem Zusammenhang, der mir auch ein Anliegen ist: Es wurde über die weitere Entwicklung der Europäischen Union, die Ostöffnung und ähnliches diskutiert. In der Tat ist die Ostöffnung ein kompliziertes Thema, obwohl unsere politische Haltung völlig klar ist: Wir


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sind für die Osterweiterung der Europäischen Union, wir sind dafür, daß die Reformstaaten möglichst rasch integriert werden. Das ist klar, dafür gibt es politische, sicherheitspolitische, ökonomische Überlegungen. Trotzdem ist es aber, glaube ich, richtig, über das Wie und über die Zeitläufe dieser Integration zu diskutieren. Denn ich weiß nicht, ob es für alle osteuropäischen Staaten so gut wäre, morgen bereits Mitglied zu sein, ob ihre Wirtschaften bereits in einem Ausmaß wettbewerbsfähig sind, daß sie auch im rauhen Wind der Konkurrenz in der Europäischen Union so gut überleben können. Ob es nicht auch für die osteuropäischen Staaten günstiger ist zu sagen, das Ganze ist ein Projekt für die nächsten sechs oder sieben Jahre – wobei ich keine Prognosen abgeben möchte –, um diesen Übergang vernünftig zu absolvieren, steht im Raum.

Zweiter Punkt: Wir müssen natürlich politische und strategische Vorfragen klären. Jeder weiß, daß es die Erweiterung nur geben wird mit einer Institutionenreform. Und Institutionenreform der Europäischen Union heißt Reform der Machtverteilung: Wer hat einen Machtzugewinn, wer hat einen Machtverlust, wieviel an Souveränität ist man bereit, an europäische Organe zu delegieren? Das ist eine sehr, sehr heikle Angelegenheit, aber eine Vorfrage für diese Osterweiterung.

Der dritte Punkt, den man ehrlicherweise auch klären muß, ist: Wird die Osterweiterung zusätzliche Kosten verursachen? Führen diese zusätzlichen Kosten dazu, daß die Subventionen an die Mittelmeerländer gekürzt werden? Ist das politisch möglich? Führen diese zusätzlichen Kosten dazu, daß im Budget der Europäischen Union umgeschichtet wird und zum Beispiel aus bisherigen großen Ausgabentöpfen weniger ausgegeben wird – zum Beispiel Reform des Landwirtschaftssytems –, oder führt es dazu, daß sozusagen die Nettozahler einen erhöhten Beitrag an das Budget der Europäischen Union zu zahlen haben? Und auf welche demokratische Akzeptanz wird das in den einzelnen Mitgliedstaaten treffen?

Ich meine, das sind die konkreten Fragen, die sich in diesem Zusammenhang der Osterweiterung stellen und die wir vernünftig zu diskutieren und auszuhandeln haben. Denn eines soll auch verhindert werden: nämlich daß durch ein Übermaß an Euphorie, die über das real Mögliche hinausgeht, der Bevölkerung vorgespiegelt wird, der europäische Zug fährt mit 250 Stundenkilometern, obwohl er in Wirklichkeit nur mit soliden 80 oder 90 Stundenkilometern ganz gemütlich vor sich hindschunkelt. Die Leute könnten den Eindruck haben, daß sie überfordert werden, unabhängig vom realen Tempo.

Wahr ist, was Delors immer gesagt hat: Nichts ist gegen die Menschen oder ohne die Menschen möglich, nichts bleibt ohne die Institutionen. Daher brauchen wir auch für diesen Prozeß der Osterweiterung die demokratische Zustimmung der Bevölkerung. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.12

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Kollege Gusenbauer! Deine Analyse über das Verhalten Europas war durchaus richtig, auch der Gegensatz, den du aufgezeigt hast hinsichtlich der Aussagen des Herrn Außenministers in der Frage der Bewältigung des Konflikts im ehemaligen Jugoslawien, wo ja Europa und die Europäische Union wirklich versagt haben.

Herr Außenminister, die Staaten der Europäischen Union haben es ja nicht einmal geschafft, das Wirtschaftsembargo lückenlos durchzusetzen. Da gab es erstens einmal ständig Diskussionen darüber, und zweitens ist das Embargo ununterbrochen unterlaufen worden. Europa war ja gar nicht so weit, militärisch dort einzugreifen (Abg. Mag. Stadler: So ist es!), vielmehr war die Europäische Union nicht einmal in der Lage, das Wirtschaftsembargo lückenlos durchzusetzen.

Herr Außenminister außer Dienst Mock hat es ja gesagt: Aufgrund dieses späten Einschreitens waren die Amerikaner leider notwendig, um dort zumindest fürs erste Ordnung zu schaffen.


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Durch diese Handlungsunfähigkeit der Europäer, durch diese Handlungsunfähigkeit und das Zuwarten vor allem der Europäischen Union sind viele Zehntausende Menschen ums Leben gekommen.

Meine Damen und Herren! Herr Außenminister! Das hat auch die Europäische Union zu verantworten, das liegt in der Verantwortung des Scheiterns der Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Wir hätten uns auch erwartet, daß Sie dazu ganz konkret etwas sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Gusenbauer! Das richtigerweise zu kritisieren, aber auf der anderen Seite einer Politik das Wort zu reden, draußenzubleiben und nicht mitzuhelfen, daß der europäische Arm einer Sicherheitspolitik gestärkt wird – das wäre doch unsere Aufgabe! –, das ist doch wirklich ein Widerspruch und zeigt auch die Problematik der sozialistischen Sicherheitspolitik.

Denn auch der Abgeordnete Schieder hat hier völlig wider die Tatsachen argumentiert. Er hat gemeint, wir, die Freiheitlichen, bringen die Sicherheitspolitik jetzt in den Wahlkampf hinein. – Herr Kollege Schieder! Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Nicht die Freiheitlichen waren es, die die Sicherheitspolitik thematisiert haben, nicht heute in der Sitzung und auch nicht vor der Sommerpause. Es waren Ihr Abgeordneter Cap und Ihr Europaparlamentskandidat Swoboda, die diese Diskussion vom Zaun gebrochen haben, unter ganz anderen Prämissen, als sie jetzt plötzlich wieder zur Diskussion stehen. Und es ist Ihre Gemeinderatsfraktion, Ihre Landesgruppe Wien, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, die derzeit noch leise, aber möglicherweise später auch noch laut darüber nachdenkt, genau diese Frage der Neutralität als Thema in den Wahlkampf zu bringen.

Meine Damen und Herren! Kollege Schieder! Das müßten Sie als Wiener Abgeordneter doch wissen, also spielen Sie hier nicht mit falschen Tatsachen. Sie haben es zu verantworten, daß die Sicherheitspolitik hier so emotionell, so sachfremd und nicht sachgerecht diskutiert wird.

Aber, Herr Außenminister, es liegt in Ihrer Verantwortung als verantwortlicher Ressortchef, daß wir in der sicherheitspolitischen Diskussion eine derartige Konfusion in den letzten Jahren zu verzeichnen gehabt haben. Seit 1989, als klar war, daß unsere Funktion, auch unsere außenpolitische Funktion, als neutraler Pufferstaat zwischen den Blöcken der Vergangenheit angehören wird, haben Sie es nicht geschafft, diese Rolle Österreichs im Herzen Europas neu zu definieren. Sie haben es nicht geschafft, sich von den erstarrten und überholten Strukturen zu lösen und gemeinsam mit der Bevölkerung einen Bewußtseinsbildungsprozeß in Gang zu setzen, der unsere neue Rolle in diesem Europa definieren kann.

Das ist Ihre Verantwortung als Ressortminister, das ist auch Verantwortung Ihrer Fraktion, denn es reicht nicht, meine Damen und Herren von der Volkspartei, bei Fachtagungen und in persönlichen Gesprächen immer wieder zu sagen: Wir sind ohnehin einer Meinung, wir wollen ja auch die sicherheitspolitische Integration Europas, wir wollen die Kooperation mit der NATO, wir wissen, daß die Neutralität überholt ist – aber wir können es jetzt nicht sagen, denn wir haben ja einen Koalitionspartner, der ist dagegen, der hindert uns, wir können uns nicht durchsetzen, und in der Bevölkerung gibt es kein Verständnis dafür.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie sind doch angetreten als bürgerliches Korrektiv in dieser Regierung! Herr Außenminister, das ist Ihr Ressort! Auch der Verteidigungsminister gehört Ihrer Partei an. Wo bleibt denn Ihr Selbstbewußtsein, sich als bürgerlicher Politiker gegen die sozialdemokratischen Bremser in dieser Frage durchzusetzen? Das wären doch die wichtigen Dinge, wo Sie wirklich auch einmal Courage zeigen könnten, wo Sie bürgerliches Profil zeigen könnten und in Österreich, gemeinsam mit der Mehrheit der Bevölkerung (Beifall bei den Freiheitlichen) – denn das stimmt ja alles nicht, was da so postuliert wird, daß die Mehrheit für die sozialistische Sicherheitspolitik ist – und in diesem Hohen Haus die richtigen Weichenstellungen zu setzen.

Aber Sie sind ja auch völlig konfus in Ihren Aussagen, Herr Außenminister. Man muß sich nur Ihre Presseaussendungen ansehen: Im Mai 1995 haben Sie noch gesagt, Sicherheit hat Vorrang, auch NATO-Mitgliedschaft ist denkbar. Im Juli schon sagten Sie, es besteht kein


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Interesse an der NATO, und es hat überhaupt keine Priorität, das zu diskutieren. Bis September 1995 – also immerhin drei Monate lang – blieben Sie bei der ablehnenden Haltung gegenüber der NATO. (Abg. Mag. Stadler: Das ist das bürgerliche "Korrektiv"!)

Im Februar 1996 sagen Sie aber plötzlich, daß der Beitritt zur NATO Sie nicht schrecken würde und daß das durchaus ein Kalkül für die Zukunft ist. Im Februar sagen Sie gleichzeitig an einer anderen Stelle: Der Beitritt zur NATO kann sich ergeben.

Dann sagen Sie im Juli 1996 – also immerhin sind Sie fast ein halbes Jahr bei dieser Linie geblieben –: Wir wollen über die WEU-Schiene in die NATO hinein. – Wunderbar. Aber am 8. August 1996, also ein Monat später, kam wieder einmal ein Schwenk, da sagen Sie: Nicht kopfüber in das NATO-Bassin springen. Und am 27. August 1996 hat es sich endlich verfestigt: NATO-Beitritt steht nicht zur Debatte.

Herr Außenminister! Ist das Ihre klare Linie, wie Sie in Ihrem Ressort Maßnahmen setzen, Verhandlungspositionen abstecken, auch Vertrauen in der Bevölkerung finden wollen für die neue Sicherheitspolitik? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Nein, das ist das bürgerliche "Korrektiv"!) Also ich glaube, daß das wohl nicht der Fall sein kann.

Ich kann mich an ÖVP-Politiker erinnern, die hier im Hohen Haus von diesem Rednerpult aus gesagt haben: Die Neutralität gehört in die Mottenkiste der Geschichte. Ein anderer hat es besser formuliert: Sie gehört in die Schatzkammer, weil sie ja doch einen großen historischen Wert hat. Sie haben jetzt wiederum gesagt, man kann ja durchaus die Neutralität beibehalten, und es hat auch keine Aktualität, das zu diskutieren.

Es wird wahrscheinlich in Richtung Schatzkammer gehen, Herr Außenminister. Anscheinend gibt es da einen Einfluß Ihres EU-Kandidaten Habsburg, denn der Herr Verteidigungsminister hat gestern in einer Aussendung einen Vorschlag gemacht, wie in Zukunft dieser Spagat zwischen Neutralität und internationaler Sicherheitspolitik gelingen kann. Er hat vorgeschlagen – und ich will es jetzt nicht wörtlich zitieren –, daß man das so ähnlich machen könnte wie beim Kaiser Franz Joseph. (Abg. Mag. Stadler: Lies es vor, das ist gut!) Er sei ja auch "König von Jerusalem" gewesen, obwohl er nie selbst in Jerusalem gewesen ist und dort auch keinen Einfluß hatte, also sozusagen ein Titel ohne Mittel. (Abg. Dr. Schwimmer: Falsch! Er war in Jerusalem! – Abg. Dr. Khol: Zur Eröffnung des Suezkanals war er in Jerusalem!) Ich zitiere nur Fasslabend, Herr Kollege!

Ich muß es doch vorlesen. Also Fasslabend, Originalzitat zum österreichischen Neutralitätsstatus: "Da könnte das berühmte Beispiel eintreten, das beim alten Kaiser Franz Joseph der Fall war, der bis zum Ende seiner Monarchie auch den Titel eines ,Königs von Jerusalem‘ geführt hat, obwohl er nie in Jerusalem war und dort auch nichts bewirken konnte. Aber der Titel war vorhanden, und so ähnlich kann das auch mit anderen Institutionen wie der Neutralität sein." (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Das ist Ihr Verteidigungsminister, meine Damen und Herren von der Volkspartei! Also hat sich dieses monarchistische Denken offenbar bei Ihnen schon so weit verfestigt, daß Sie jetzt auch Rückgriffe auf Methoden aus der Habsburg-Monarchie treffen müssen, um diesen Spagat bezüglich Neutralität bewältigen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Außenminister! Ich glaube, das ist der falsche Weg. Es sollte auch wirklich, und damit wende ich mich an die Kollegen der Sozialdemokraten, dieses wichtige Thema Sicherheitspolitik nicht für Propaganda und für Angstmache hier verwendet werden. Ganz im Gegenteil: Man sollte offen und ehrlich darüber diskutieren, wie der künftige Weg in der Sicherheitspolitik aussehen soll.

Da kann man zwei Wege beschreiten: Der eine ist, wirklich isoliert von allen anderen Staaten, allein auf sich gestellt wie die Schweiz, mit einer ernstgenommenen Neutralität Sicherheitspolitik zu machen. Da muß man aber auch der Bevölkerung sagen, was das bedeutet, was es etwa kostet, ein Verteidigungspotential aufzubauen, um diese Aufgaben allein erfüllen zu können, was das auch für unsere internationale Reputation und Integration bedeutet. Zumindest wäre


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damit ein sofortiger Austritt aus der Europäischen Union verbunden, denn, Herr Außenminister, so kann es ja auch nicht sein, daß man meint, völkerrechtliche Instrumente selbst definieren zu können.

Ein völkerrechtliches Instrument und vor allem ein sicherheitspolitisches Instrument bekommt doch nur dann Sinn und hat nur dann auch wirklich eine Funktion, wenn es eine Außenwirkung bekommt. Und das kann man nicht selbst definieren, sondern da muß man eben die völkerrechtlichen Richtlinien einhalten, meine Damen und Herren. Das ist der eine Weg: eine ernstgenommene Neutralität. Meiner Ansicht nach ist es nicht der sinnvolle.

Der zweite Weg ist eine Kooperation mit anderen Staaten als vollberechtigter Partner mit allen Rechten und Pflichten, meine Damen und Herren. Und dann zu sagen, man müsse warten, bis sich etwas entwickelt auf der Welt und in Europa, ist doch auch völliger Nonsens. Frau Staatssekretärin, auch Sie waren ja schon in sehr viele sicherheitspolitische Diskussionen verstrickt, Sie haben dort Ihre Meinung zum Besten gegeben. Sie haben auch die Replik darauf gehört, und Sie wissen ganz genau, daß diese Diskussion über die Ziele der europäischen Sicherheitspolitik praktisch abgeschlossen ist.

Mit Jahresende 1996 werden Verhandlungen mit den nächsten Beitrittskandidaten für die NATO geführt. Es ist klargestellt, daß nur die NATO und alle Organisationen, die vorhanden sind rund um die NATO, am Aufbau dieses Sicherheitssystems beteiligt sein werden (Abg. Mag. Stadler: Das hat ihnen auch Schäuble gesagt!), daß die Westeuropäische Union vielleicht einmal, und wir hoffen es alle, ein starker europäischer Arm dieses Bündnisses werden kann, derzeit aber noch sehr weit davon entfernt ist.

Die ersten Beitrittskandidaten, meine Damen und Herren, werden Polen, Tschechien, Ungarn und Slowenien sein. Und Österreich, das ja angeblich überall eingebunden ist, sitzt in den parlamentarischen Versammlungen der NATO und der Westeuropäischen Union als Beobachter in der letzten Reihe, ohne Antragsrecht, ohne Rederecht. Wir dürfen dort zuhören, wie vor uns die Albaner, die Bulgaren und sogar die Russen mitdiskutieren und Anträge stellen. (Abg. Dr. Schwimmer: Das Rederecht haben wir!) Herr Kollege, im Gegensatz zu Ihnen sitze ich dort als österreichischer Vertreter (Beifall bei den Freiheitlichen), nämlich in der letzten Reihe, und wir werden Tag für Tag dort verhöhnt. Alle sagen: Ihr Österreicher hättet doch eigentlich eine Brückenfunktion übernehmen müssen, um die sicherheitspolitische Integration Europas voranzutreiben. Und jetzt sitzt ihr im letzten Kämmerlein und wartet, bis euch die Albaner vorzeigen, wie es wirklich geht. (Abg. Mag. Stadler: Die Spesenabrechnung braucht der Kollege Schwimmer! – Abg. Dr. Graf: Rundfunkgesetz! Da sind wir auch die letzten!)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schwimmer! Ich hätte mir erwartet, daß auch ein Vertreter Ihrer Fraktion beim Besuch des polnischen Verteidigungsministers hier im Parlament dabei gewesen wäre. Auch da wurden wir in Wahrheit beschämt, denn der polnische Verteidigungsminister hat uns Österreichern gesagt, wo die Zukunft der NATO liegt: in einer Wertegemeinschaft, einer demokratischen Wertegemeinschaft, die die demokratischen Entwicklungen auch im Ostblock irreversibel machen wird. Denn die wirtschaftliche Integration, über die so viel diskutiert wird, wird noch dauern. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die Wirtschaftssysteme auf einer Ebene sind. (Abg. Dr. Khol: Genauso habt ihr über die EU gesprochen, und als die Volksabstimmung kam, wart ihr dagegen!)

Herr Kollege Khol, die sicherheitspolitische Integration wäre ein Gebot der Stunde, denn ohne Sicherheit in Europa erübrigt sich jede Wirtschaftsdiskussion. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Zickzack! Zickzack!)

Wir würden uns erwarten, meine Damen und Herren, daß wir in einem Außenpolitischen Bericht nicht nur vier Seiten darüber lesen können, sondern daß die Volkspartei, die in bilateralen Gesprächen und im Ausland so tut, als wäre sie offensiv, auch hinsichtlich NATO-Beitritt endlich einmal hier zu diesen Worten stehen und nicht nur immer Lippenbekenntnisse abgeben würde. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Wer auf euch vertraut, hat auf Sand gebaut!)

12.25


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Moser gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit: 2 Minuten.

12.25

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ich möchte Herrn Bundesminister Schüssel tatsächlich berichtigen. Der Herr Bundesminister hat erklärt, er verstehe den Kollegen Frischenschlager nicht, weil Österreich sich nicht für eine Neutralität nach dem Muster der Schweiz bereit erklärt hat. (Abg. Dr. Schwimmer: Das können Sie ja nicht berichtigen!)

Das ist falsch. Ich bitte den Herrn Außenminister, im Moskauer Memorandum nachzulesen, und ich zitiere aus dem Moskauer Memorandum:

"Im Zuge der Besprechungen über den ehesten Abschluß des österreichischen Staatsvertrages in Moskau vom 12. bis 15. April 1955 wurde zwischen der sowjetischen und der österreichischen Delegation Einverständnis darüber erzielt, daß im Hinblick auf die weiteren Schritte folgende Erklärung abgegeben wird:

Im Sinne der von Österreich bereits auf der Konferenz von Berlin im Jahre 1954 abgegebenen Erklärung, keinem militärischen Bündnis beizutreten und militärische Stützpunkte auf seinem Gebiet nicht zuzulassen, wird die österreichische Bundesregierung eine Deklaration in einer Form abgeben, die Österreich international dazu verpflichtet, immerwährend eine Neutralität der Art zu üben, wie sie von der Schweiz gehandhabt wird."

Das ist der tatsächliche Sachverhalt! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Das ist keine Verpflichtung, das ist eine Verwendungszusage! Das ist internationale Praxis!)

12.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.27

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Abgeordneter Moser, wenn Sie den Ausführungen des Herrn Außenministers und Vizekanzlers gefolgt wären, ihnen gelauscht hätten, dann hätte sich Ihre sogenannte tatsächliche Berichtigung erübrigt. Aber vielleicht lesen Sie das im Protokoll nach.

Meine Damen und Herren! Für mich ist diese Diskussion zum Außenpolitischen Bericht interessant, vor allem im Hinblick darauf, daß um 15 Uhr eine dringliche Anfrage in bezug auf Neutralität behandelt werden wird. Die Neutralität wird bereits in der laufenden Debatte heftig diskutiert. Ich frage mich daher, warum die grüne Fraktion – Frau Abgeordnete Kammerlander, Sie haben sich des Themas Neutralität besonders angenommen – diese Anfrage nicht zurückzieht. Denn die Debatte darüber findet ja bereits statt. (Abg. Mag. Kammerlander: Weil es um einen Antrag geht!) Verzeihen Sie, aber ich hätte mich gefreut, zum Außenpolitischen Bericht von Ihnen auch noch einige andere Worte zu hören.

Sie haben sich befaßt mit der Eingangsbemerkung beziehungsweise dem Vorwort des Herrn Vizekanzlers zum Außenpolitischen Bericht, und Sie haben festgehalten, daß im gesamten Bericht überhaupt nichts hinsichtlich Neutralität enthalten sei. Dazu möchte ich folgendes sagen: Es steht auch nicht drinnen, daß Österreich ein demokratischer Staat ist. Seit Ende des Weltkrieges bekennen wir uns zur Demokratie, und wir betonen nicht ununterbrochen, daß wir ein demokratischer Staat sind. Seit über 40 Jahren sind wir neutral – warum sollten wir das ununterbrochen betonen? (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich ist in der Gemeinschaft der Welt anerkannt als demokratischer, neutraler Staat. Die Zielsetzungen der österreichischen Außenpolitik sind im Vorwort sehr gut ausformuliert: Die


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österreichischen Prioritäten liegen auf dem Gebiet der Friedenserhaltung, des Menschenrechts- und Minderheitenschutzes, der Abrüstung und der Nichtverbreitung von Kernwaffen.

Neben dem Beitritt zur Europäischen Union – dieses Ereignis wird besonders hervorgehoben im Außenpolitischen Bericht – möchte ich eines unterstreichen: Ich bin sehr dankbar für diesen Außenpolitischen Bericht, denn er ist ein hervorragendes Nachschlagewerk und eine Übersicht über alle außenpolitischen Aktivitäten.

Ich möchte gerade in diesem Zusammenhang erwähnen, daß mir vorkommt, daß der Abgeordnete Haider diesen Außenpolitischen Bericht nicht gelesen hat (Abg. Dr. Karlsson: Er ist auch nicht im Ausschuß gesessen!) – Sie haben recht, Frau Kollegin, aber den Außenpolitischen Bericht bekommt jeder Abgeordnete –, denn er behauptet, daß die Öffnung der Märkte für uns katastrophale Folgen hätte, und wir müßten abschotten.

Meine Damen und Herren! So wurde vor über 20 Jahren von ängstlichen Menschen argumentiert, als es darum ging, das Freihandelsabkommen EFTA mit der Europäischen Union abzuschließen. Damals hat es geheißen: Die österreichische Wirtschaft, die Arbeitsplätze sind in Gefahr, wenn die Zölle abgebaut werden. – Das Gegenteil ist eingetreten – natürlich nicht im ersten Jahr, sondern sukzessive. Und daß Wirtschaft etwas Lebendiges ist, sollte eigentlich wissen, wer immer vermeint, Wirtschaft zu vertreten. Wirtschaft kann nicht in geschützten Sektoren arbeiten, sondern muß offen und im Wettbewerb sein. (Zwischenruf des Abg. Dr. Salzl. )

Herr Kollege Dr. Salzl, Sie dürften sich nicht auskennen. Herr Ettl hat klarerweise gewisse Befürchtungen. (Abg. Dr. Salzl: Sie haben nicht zugehört und wissen nicht, was er gesagt hat!) Natürlich gibt es Befürchtungen, auch in der Textilindustrie, selbstverständlich. Aber gerade durch den Wettbewerb wird auch die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Branchen gestärkt.

Worauf ich hinausmöchte, ist folgendes: Warum es so wichtig ist, einer Gemeinschaft beizutreten und dieser Gemeinschaft anzugehören, zeigt der Außenpolitische Bericht ganz eindeutig. Wenn Sie in andere Länder kommen, Kontakte haben zu Kolleginnen und Kollegen aus anderen Parlamenten der Welt, dann werden Sie erfahren, daß auf der ganzen Welt gerade die Europäische Union das Vorbild ist für Friedenssicherung und Wohlstand. Darum haben sich Kanada, USA und Mexiko zwecks Zollabbau zur NAFTA zusammengeschlossen, nach diesem Vorbild. Aus diesem Grund haben die ASEAN-Staaten beschlossen, in der APEC zusammenzuarbeiten und die AFTA zu entwickeln, die 2003 entstehen soll. Und das hat bereits Auswirkungen. Die Europäische Union ist Vorbild dafür, daß das friedliche Zusammenwirken der Menschen Wohlstand bringt.

Natürlich ist die Konsolidierung der Staatshaushalte auch für die anderen Staaten Vorbild. Die Europäische Union hat sich die Maastricht-Kriterien zum Ziel gesetzt, aber auch die anderen Staaten der Welt, ob das Südamerika ist, ob das im Fernen Osten ist, versuchen sehr bewußt diese Kriterien heranzuziehen als Ziel für ihre Staatshaushalte, damit sie Beschäftigung schaffen für die Menschen in ihren Ländern, damit sie auch zu mehr Wohlstand kommen. Und dabei ist die Öffnung der Märkte von Vorteil.

Es zeigt sich auch immer stärker, daß es übergeordnete Zusammenschlüsse gibt. Die World Trade Organization, die WTO, hat sich Ziele gesetzt: freierer Welthandel, umweltpolitische Maßnahmen, und als nächstes sollen Ende dieses Jahres soziale Standards festgelegt werden, um die Kinderarbeit hintanzuhalten.

Um eines geht es aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade in diesem Zusammenhang: Man muß auch – und das wird verschiedentlich nicht so gesehen – die unterschiedlichen Kulturen verstehen lernen. Es ist die europäische Kultur nicht das Alleinseligmachende auf der Welt. Uns geht es darum, auch die Auseinandersetzung und die Diskussion mit anderen Kulturen zu führen und nicht allein unsere Standards als sakrosankt darzustellen. Das ist Überheblichkeit, und das bringt nur Auseinandersetzung. Das lehne ich vom Prinzip her ab. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Abg. Dr. Heindl. )


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Aus diesem Grund ist auch der Kulturteil im Außenpolitischen Bericht sehr interessant. Dazu möchte ich ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe bringen, der gesagt hat: Wir lernen die Menschen nicht kennen, wenn sie zu uns kommen. Wir müssen zu ihnen gehen, um zu erfahren, wie es mit ihnen steht. – Das ist auch eine Zielsetzung des Außenministeriums, und es zeigt sich, daß wir in kultureller Hinsicht, in wissenschaftlicher Hinsicht – und auch das zeigt der Außenpolitische Bericht – sehr aktiv sind.

Wir fördern und erhalten Österreicher in verschiedenen wissenschaftlichen Instituten – in Universitäten, aber auch in Kulturinstituten –, um Kultur dort kennenzulernen, aber auch, um unsere Kultur den verschiedensten Staaten der Welt näherzubringen. Das ist sehr wichtig, und ich bin dem Herrn Außenminister sehr dankbar, daß er angekündigt hat, daß in den Baltischen Staaten Botschaften errichtet werden und daß man trotz des Sparsamkeitsappells diese Richtung beibehalten wird. Es gilt darum, die Ressourcen, die das Außenministerium hat, nach gewissen Prioritäten einzusetzen.

Wichtig ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht den Zickzack-Kurs zu verfolgen, den Herr Abgeordneter Scheibner hier beschrieben hat. Er hat gemeint, der Herr Außenminister müßte bürgerliches Profil zeigen. Das bürgerliche Profil, das der Abgeordnete Scheibner meint, ist nicht das, was ich darunter verstehe. Die Freiheitlichen haben gezeigt, daß wir unter "bürgerlich" nicht dasselbe verstehen. Er hat von etwas gesprochen, das nicht unsere Auffassung ist: der Zickzack-Kurs hinsichtlich der Europäischen Union, der Zickzack-Kurs, den er betreiben würde bezüglich Neutralität, der Zickzack-Kurs, den er betreiben würde bezüglich NATO. (Abg. Dr. Graf: Deshalb wenden sich die bürgerlichen Wähler von Ihnen ab!) Herr Abgeordneter Graf, ich weiß nicht, was Sie unter "bürgerlichen Wählern" verstehen. (Abg. Dr. Graf: Wie viele Wähler hat die ÖVP noch? – Abg. Schwarzenberger: Wesentlich mehr als die FPÖ!)

Es gibt ein breites Spektrum an Wählern, aber wir haben ein anderes Verständnis von Bürgerlichkeit als Sie. Aus diesem Grund bin ich sehr froh, daß die klaren Linien des Außenministers gemeinsam mit dem Bundeskanzler Österreich bisher vor Schäden in der Welt bewahrt hat, und auch in Zukunft sollte es eine Zusammenarbeit unter Berücksichtigung auch der Interessen anderer Staaten geben, um gemeinsam zu Vorstellungen zu kommen und nicht überheblich und diktatorisch zu wirken – wie manche in diesem Haus. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Moser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.36

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Vorredner haben es schon angemerkt – und ich möchte mich ihnen anschließen –, daß dieser Tätigkeitsbericht, der Außenpolitische Bericht 1995, eine sehr gute Darstellung der Arbeit des Außenministeriums ist und daß ein derartiger Bericht aus meiner Sicht schon eine gewisse Vorbildwirkung haben könnte für andere Ministerien. (Abg. Dr. Graf: Hans Helmut, du wirst kein Minister mehr!) Das steht nicht zur Diskussion, mein lieber Freund! Ich möchte andere Ministerien anführen, die einen Nachholbedarf in dieser Frage hätten, wie beispielsweise das Verteidigungsministerium.

Ich glaube, wir sollten grundsätzlich an einer derartigen Berichterstattung festhalten. Sie gibt uns die Möglichkeit, über grundsätzliche Fragen der österreichischen Außenpolitik hier in diesem Hohen Haus zu debattieren. Sie erlaubt es, zu aktuellen Fragen Stellung zu nehmen, aber – und ich möchte das hier an die Spitze meiner Ausführungen stellen – sie gibt uns auch die Möglichkeit, die Tätigkeit unserer Diplomaten im Ausland entsprechend anzuerkennen.

Meine Damen und Herren! All diejenigen, die mit unseren Auslandsvertretungen zu tun haben, werden mir recht geben in der Beurteilung, daß wir einen ganz ausgezeichneten diplomatischen Dienst haben, daß es aber darauf ankommen wird, die Arbeitsbedingungen dieser unserer Vertretungen im Ausland in personeller Hinsicht und in administrativer Hinsicht entsprechend zu verbessern.


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Ich glaube, es wird auch notwendig sein, die finanzielle Ausstattung unserer Botschaften wesentlich zu verbessern. Frau Staatssekretärin, Sie wissen, daß unsere Botschaften an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Es müssen demnächst und unmittelbar Verbesserungen in Angriff genommen werden. Sie haben hier Handlungsbedarf, und ich erwarte mir vom Außenministerium, daß auch im Zusammenhang mit dem Sparpaket hinsichtlich der notwendigen Reformen im auswärtigen Dienst, der Notwendigkeit, unsere Botschaften im Ausland entsprechend arbeitsfähig zu erhalten, entsprechende Akzente gesetzt werden. Es wird sicherlich nicht der Weg zu gehen sein, von dem man jüngst gehört hat, nämlich "Botschaften light". Das wäre der falsche Weg, und ich glaube, man sollte dem eine klare Absage erteilen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Bundesminister Schüssel hat heute die Frage der Osterweiterung angesprochen und sich klar für diese Osterweiterung ausgesprochen. Man kann einer derartigen Notwendigkeit in außenpolitischer Hinsicht ja nur zustimmen. Eine Osterweiterung ist aus wirtschaftlichen Gründen notwendig, ist aus politischen Gründen notwendig. Es wird darauf ankommen, entsprechende Einstiegskriterien festzulegen.

Aber aus der Sicht der Liberalen kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, und zwar der sicherheitspolitische Aspekt der Osterweiterung.

Meine Damen und Herren! Die Idee der Europäischen Union war, ist und soll eine Friedensidee bleiben, nämlich die Idee, durch Integration Konflikte abzubauen, um den Völkern auf dem europäischen Kontinent Frieden und Freiheit zu geben. In diesem Sinne und unter diesem Aspekt erscheint mir die Osterweiterung der Europäischen Union als eine ganz große politische Notwendigkeit. Wir sollten daher alles daransetzen, daß die Staaten Osteuropas so rasch wie möglich in die Europäische Union aufgenommen werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es ist im Zuge der Debatte schon sehr viel zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union gesagt worden. Ich möchte dem Hohen Haus zumindest einen Befund aus dem vorliegenden Außenpolitischen Bericht nicht vorenthalten, weil ich meine, daß dieser ein sehr erschreckender Befund ist und eigentlich Anlaß zur Sorge geben muß. Ich darf aus dem Bericht, Seite 35, zitieren: Unter Kapitel 8: Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, wird unter anderem festgehalten: "Trotz der zur Verfügung stehenden Gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Instrumentarien ist es allerdings der EU bisher nicht gelungen, auf internationaler Ebene jene Rolle zu spielen, die ihr aufgrund ihres realen politischen Gewichts zukäme. Wie die Erfahrungen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien zeigen, ist der Erfolg eines umfassenden europäischen Krisenmanagements auch heute noch immer von einer massiven Beteiligung der USA abhängig."

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß ein solcher Befund Konsequenzen haben muß, Konsequenzen für die österreichische Außenpolitik, aber auch Konsequenzen für die Außenpolitik der Europäischen Union, weil es einfach nicht angehen kann und es nicht sein darf, daß ein Krisenmanagement auf dem europäischen Kontinent nur dann realistisch umgesetzt oder durchgesetzt werden kann, wenn ein Engagement der Vereinigten Staaten erwartet werden kann. (Beifall beim Liberalen Forum.) Was wir brauchen, ist eine Emanzipation der Europäischen Union von den Vereinigten Staaten. Es ist notwendig, daß die Europäische Union in Zukunft in der Lage ist, ihrer Friedensaufgabe, ihrer Aufgabe, auf dem europäischen Kontinent stabilisierend zu wirken, gerecht zu werden.

Aber das ist nicht nur eine Frage militärischer Möglichkeiten und militärischer Konzeptionen und Strategien oder militärischer Bündnisse. Ich bedauere es, daß wir heute festhalten und feststellen müssen, daß eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union noch in weiter Ferne liegt, daß noch immer nationalstaatliche Interessen vorrangig sind, und zwar der sogenannten Leitmächte der Europäischen Union. Ich meine – und da bin ich einer Meinung mit dem Kollegen Gusenbauer –, daß Konzepte, inhaltliche Positionen und Orientierungen in der europäischen Außenpolitik fehlen. Europa ist ideenlos, und eigentlich ist es ein Armutszeugnis, wie derzeit die politische Entwicklung am Balkan abläuft, daß nämlich ohne Amerikaner nichts geht. Da haben wir einen Handlungsbedarf, und ich glaube, daß es, damit es


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zu einer europäischen Außenpolitik kommt, notwendig ist, daß sich Österreich einbringt, und zwar ideell und nicht nur in Fragen der Institutionenreform in der österreichischen Außenpolitik.

Ein nächster Punkt, den ich hier nur ganz kurz streifen und bei dem ich auf die Ausführungen einiger meiner Vorredner replizieren möchte, ist die Frage der Neutralität und der Sicherheitspolitik. Sie hängt nämlich auch damit zusammen, daß Europa ideenlos ist, aber auch damit, daß diese Bundesregierung eigentlich nicht in der Lage ist, auf europäischer Ebene Ideen einzubringen; sie ist ja nicht einmal in der Lage, für das eigene Land entsprechende Konzepte auszuarbeiten und den Bürgern in angemessener Form nahezubringen.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist eine politische Union in den verschiedensten Bereichen der Politik. Ich glaube, daß es notwendig ist, die Europäische Union zu einer Wirtschafts- und Währungsunion weiterzuentwickeln, und ich sehe überhaupt nicht ein, warum sie nicht auch zu einer Sicherheitsunion weiterentwickelt werden kann. Österreich soll unter diesem Aspekt auch die notwendigen Schritte setzten, für sich, im eigenen Interesse. Wir sind Mitglieder der Europäischen Union geworden und wir haben daher die Möglichkeit, von uns aus – ich möchte in diesem Punkt dem Bundesminister widersprechen – der Westeuropäischen Union beizutreten. Wir brauchen daher nicht zu warten, bis wir eingeladen werden, sondern wir können von uns aus einen entsprechenden Antrag stellen. Ich glaube, daß es höchste Zeit wäre, einen solchen Schritt zu setzen. (Beifall beim Liberalen Forum. )

Ich möchte, da meine Redezeit begrenzt ist, nur noch auf einen Punkt eingehen, doch dieser erscheint mir sehr wichtig. Ich bedauere es wirklich, daß diese Frage im Zuge der bisherigen Debatte nicht zur Sprache gekommen ist, sie wurde weder von der Kollegin Kammerlander noch vom Kollegen Gusenbauer angesprochen, die sich zugegebenermaßen bisher sehr engagiert in Fragen der Entwicklungszusammenarbeit gezeigt haben. Ich bedauere es, festhalten zu müssen – das geht auch aus dem Außenpolitischen Bericht klar hervor –, daß die Entwicklungszusammenarbeit, die in Österreich eine sehr lange Tradition hat, zu einem Stiefkind der österreichischen Außenpolitik geworden ist.

Meine Damen und Herren! Entwicklungszusammenarbeit ist für uns eine humanitäre Verpflichtung, Österreich weist eine lange humanitäre Tradition auf. Es geht dabei darum, die Kluft zwischen Arm und Reich zu überbrücken beziehungsweise entsprechende Beiträge zu leisten, daß diese Kluft in entsprechendem Maße verkleinert wird. Daher möchte ich auch von dieser Stelle aus einmahnen und einfordern, das Versprechen, das Bundeskanzler Vranitzky auf einem Sozialgipfel vergangenen Jahres in Kopenhagen gegeben hat, zu halten, nämlich die Länder der Dritten Welt zu entschulden. Ich glaube, wenn nicht umgehend seitens Österreichs die entsprechenden Schritte gesetzt werden, dann sind wir dabei, unsere Reputation auf diesem Gebiet zu verlieren, dann verlieren wir unser Gesicht in den Augen der Länder der Dritten Welt. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Parfuss. )

Meine Damen und Herren! Frau Staatssekretärin, geben Sie das bitte weiter an Ihren Herrn Außenminister! In dieser Frage haben wir Handlungsbedarf. Es ist höchste Zeit, es ist nicht zwölf Uhr, es ist bereits fünf nach zwölf. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum. )

12.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Karlsson. – Bitte, Frau Abgeordnete.

12.48

Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Ich möchte mich mit einem im außenpolitischen Bericht sehr dünnen, aber nichtsdestotrotz wichtigen Kapitel beschäftigen, und zwar mit dem Kapitel Abrüstung. Der größte Erfolg des Jahres 1995, so stellt der außenpolitische Bericht fest, war die unbeschränkte Verlängerung des Nonproliferation Treaty, des Atomsperrvertrages. Inzwischen liegt auch der Atomteststoppvertrag zur Ratifizierung auf, und der österreichische Ministerrat hat in seiner letzten Sitzung dieser Woche diesen Vertrag über ein umfassendes Verbot von Atomwaffentests genehmigt.


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Der Vertrag sieht einen Verifikationsmechanismus vor, und für dessen Zentralstelle ist erfreulicherweise Wien vorgesehen – Wien in seiner Rolle als Sitz der UNO, aber auch als Sitz internationaler Organisationen, die für den Frieden in der Welt arbeiten können. Fortschritte gibt es in gewisser Hinsicht bei Verboten von konventionellen Waffen. Ein Beispiel dafür ist die Verabschiedung des Protokolls über Laserwaffen, über Waffen, die Blindheit hervorrufen. Allmählich gibt es – ein langwieriges Bemühen – auch Fortschritte beim Verbot von Antipersonenminen. Eine gemeinsame Aktion der EU sieht erstmalig ein Totalverbot vor, ein Exportmoratorium und, was ganz wichtig ist, Minenräumungsaktionen. Zur Unterstützung dieser gemeinsamen Aktion werden nun nationale Verbote, die wir in Österreich nicht zuletzt dank – und das möchte ich schon hervorstreichen – der Unterstützung des Außenministers und Vizekanzlers Schüssel nun hoffentlich endlich in nächster Zeit durchsetzen werden, angeregt. Fortschritte müssen vor allem bei der Minenräumung erzielt werden.

Minen sind leicht gelegt, aber nur schwer entfernbar. Anfang Juli dieses Jahres fand in Dänemark eine Konferenz über Minenräumtechnologie statt, die von den Medien weitestgehend unbeachtet blieb. Dort hat man sich der notwendigen Forschung, der Verbilligung und der effizienteren Gestaltung von Minenräumaktionen gewidmet, denn angesichts Hunderttausender verminter Quadratmeter müssen Minenräumungsaktionen billiger und effektiver werden.

Österreich hat nicht nur wirtschaftlich die Möglichkeit, sich da aktiv einzuschalten, denn wir haben in Österreich neben einer Firma, die Minenräumgeräte herstellt, auch eine Firma, die sich mit der Delaborierung, das heißt, der Zerlegung dieser schrecklichen Waffen beschäftigt. Auch das österreichische Bundesheer könnte sein Know-how auf diesem Gebiet entwickeln und einsetzen und in diesem Bereich aktiver werden.

Friedenspolitik und Sicherheitspolitik haben die außenpolitische Diskussion des heutigen Vormittags bestimmt. Viele meiner Vorredner haben Fragen der Friedens- und Sicherheitspolitik angesprochen, aber leider nur unter dem eng begrenzten Aspekt der Rüstung, der Rüstungspolitik. Echte Friedenspolitik kann aber nur Abrüstungspolitik sein.

Sie ist langwierig, sie ist schwierig, Abrüstungspolitik ist von zahllosen Rückschlägen gekennzeichnet, von Hoffnungen, die nicht erfüllt wurden, weil mächtige Lobbys der Waffenindustrie, der Waffenexporteure dagegenarbeiten und dagegenstehen. Trotzdem oder, mit Rosa Luxemburg gesprochen, trotz alledem muß Abrüstungspolitik weiterbetrieben werden, denn nur sie garantiert echte Friedenssicherung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer. Ich erteile es ihm.

Herr Abgeordneter Bauer ist nicht im Saal. (Abg. Dkfm. Bauer betritt in diesem Augenblick den Sitzungssaal.) Herr Abgeordneter Bauer, Sie sind am Wort. – Bitte.

12.53

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Ich bitte um Entschuldigung! – Hohes Haus! Ich möchte im Rahmen der Debatte über den Außenpolitischen Bericht einen – zugegebenermaßen sehr persönlichen – Eindruck über die derzeitige Außenpolitik unseres Landes hier deponieren.

Mir fehlt ein bißchen die eigenständige, akzentuierte, pointierte Politik, die ich und die wir unter dem Vorgänger des Herrn Außenministers Schüssel, nämlich bei Herrn Dr. Mock, registriert haben. Wenn Sie fair sind, dann werden Sie zugeben, daß wir das jetzt nicht im nachhinein sagen, sondern daß wir das auch während der Amtszeit von Herrn Dr. Mock das eine oder andere Mal angemerkt haben.

Der derzeitige Außenminister entspricht meinem Eindruck nach und meinen Erfahrungen nach mehr dem allgemeingültigen Klischee vieler Diplomaten und Außenpolitiker. (Abg. Dr. Khol: Haben Sie ein Vorurteil gegen Diplomaten?) Er redet sehr viel, sagt aber wenig. Er redet sehr viel, durchaus gekonnt, und davon lassen Sie sich und so manche andere vielleicht auch


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manchmal ein bißchen blenden und sagen: Na was ist denn das für eine tolle Angelegenheit! Aber, auf den Punkt gebracht: Er redet viel, von mir aus gekonnt, aber er sagt wenig. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Das ist ein Problem: Sie verstehen ihn nicht!) Auch das mag sein, Herr Dr. Khol. Aber, ohne mich überhöhen zu wollen oder sonst irgend etwas: Wenn ich ihn nicht verstehe, der sich ja doch ein bißchen, wenn Sie mir das zubilligen wollen, mit Außenpolitik beschäftigt und zu beschäftigen hat, also wenn wir ihn nicht verstehen, wie soll ihn denn dann die Bevölkerung verstehen? Das ist das eigentliche Problem, und den Eindruck habe ich. Also: Viel heiße Luft, wenn Sie wollen. (Abg. Dr. Maitz: Sie wollen ihn nicht verstehen!)

Zumindest in diesem Punkt besteht eine gewisse Harmonie zwischen dem Herrn Vizekanzler und dem Herrn Bundeskanzler: viel heiße Luft, viel geredet, wenig gesagt!

Ich weiß schon, daß man als Mitglied der EU, die sich ja in Richtung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bewegt, automatisch weniger Raum – das ist ja der Preis, den wir dafür bezahlen – für eine eigenständige, nationale Politik hat. Aber das kann doch nicht heißen, daß keine Initiativen, keine Akzente im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union gesetzt werden könnten.

Ich merke jedenfalls keinen nachvollziehbaren Einfluß der österreichischen Außenpolitik auf die Gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik der Europäischen Union. Und der Herr Vizekanzler und Außenminister Schüssel wäre der erste, wenn dem so wäre, wenn er einen Einfluß auf die europäische Außenpolitik hätte, der erste, der das mit der größten Trompete des Landes durch alle Bundesländer blasen würde.

Ich habe jetzt nach diesen meinen Vorbemerkungen eine sehr konkrete Frage und bitte um eine konkrete Antwort darauf, wobei ich aus eigener Erfahrung weiß – auch das gebe ich gerne zu –, daß sich da der Staatssekretär ein bißchen schwerer tut als der Minister. (Abg. Dr. Khol: Das war bei Ihnen der Fall, aber nicht bei der Frau Dr. Ferrero-Waldner! Sie haben sich immer schwer getan, daran erinnern wir uns!) Aber ich bitte trotzdem darum. Es wird doch in solch einer wichtigen Frage eine gemeinsame Grundlinie geben, Frau Staatssekretärin.

Es herrscht jetzt Frieden in Bosnien. Es haben dort demokratische Wahlen stattgefunden, und der alte und neue Präsident hat seine Landsleute zum Wiederaufbau seines Landes zur Rückkehr aufgefordert, weil er weiß – und wir wissen es ja auch –, daß ein Großteil der Flüchtlinge, die wir aufgenommen haben – nicht nur wir Österreicher; wir haben, glaube ich, Flüchtlinge sehr gerne aufgenommen, es war eine Selbstverständlichkeit –, daß der überwiegende Teil dieser Flüchtlinge nicht mehr nach Hause zurückkehren will, sondern bei uns oder in anderen europäischen Ländern bleiben möchte.

Konkrete Frage: Welche Haltung nimmt Österreich in der Frage der Repatriierung, oder wie immer Sie das nennen wollen, der Rückführung der Bosnienflüchtlinge in ihr Heimatland ein? Werden wir das auch bei denjenigen Flüchtlingen – und ich sage es noch einmal: Es geht dabei um den überwiegenden Teil der Flüchtlinge, es geht dabei nicht nur um ein paar Flüchtlinge, darüber kann man ja hinwegschauen und sagen: Na gut, die behalten wir! –, die nicht zurückkehren wollen, veranlassen? Werden wir sie dazu veranlassen? Wenn ja, wann und in welchem Zeitraum?

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur noch eines anführen, damit Sie sich vielleicht ein bißchen leichter tun, Frau Staatssekretärin: Der Minister und Ihr Parteifreund Kanther hat in diesem Zusammenhang folgendes angemerkt: "Aus dem vorübergehenden und gerne gewährten Obdach kann keine versteckte Einwanderung werden." – Zitat Kanther.

Daher wird Deutschland, beginnend mit 1. Oktober 1996, also in wenigen Tagen, mit der Rückführung der sich in der Bundesrepublik aufhaltenden Bosnien-Flüchtlinge beginnen.

Frage an die Frau Staatssekretärin: Werden wir: ja oder nein? Wenn ja, ab wann? (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)


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Hohes Haus! Ich habe vorhin von einer eigenständigen und akzentuierten Außenpolitik des Vorgängers des jetzt amtierenden Ministers gesprochen. Wenn ich in der Geschichte der österreichischen Außenpolitik noch weiter zurückgehe, dann fällt mir natürlich in diesem Zusammenhang auch der Name Dr. Kreisky ein. Ich erwähne ihn deswegen, weil ich eine weitere konkrete Frage an Sie, Frau Staatssekretärin, richten möchte, und zwar eine Frage im Zusammenhang mit einem Problem, deren Ursache in die sechziger Jahre zurückreicht, in eine Zeit, als jener erwähnte Dr. Kreisky und spätere Bundeskanzler Außenminister gewesen ist. Diese Frage steht im Zusammenhang mit dem in den sechziger Jahren stattgefundenen Südtiroler Freiheitskampf. Ich habe Herrn Dr. Kreisky in diesem Zusammenhang erwähnt, damit ich nicht weiter ausführen muß – ich will es auch gar nicht –, welche Haltung dazu von der offiziellen österreichischen Seite eingenommen wurde. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auf die Nennung des Namens Dr. Kreisky beschränken. Mehr möchte ich nicht tun.

Der Südtiroler Freiheitskampf wurde damals von offizieller österreichischer Seite geduldet. Sind wir uns da einig, Herr Dr. Khol? (Abg. Dr. Khol: Geduldet!) Geduldet! Fein. (Abg. Dr. Khol: Unterstützt!) Das ist sogar mehr als geduldet. Geduldet und unterstützt. Ich wollte das gar nicht sagen. Vielleicht bin ich selbst sogar zu sehr Diplomat, Herr Dr. Khol. (Abg. Dr. Khol: Ich bin kein Diplomat!) Das weiß ich. (Abg. Dr. Khol: Das ist im Sinne Ihrer Rede ein Kompliment!)

Es geht um folgendes: Es sollen in Zukunft mit einem neuen Auslieferungsübereinkommen, das sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnen sollen, auch eigene Staatsbürger an EU-Länder ausgeliefert werden können, wenn diese Staatsbürger gegen das Recht des die Auslieferung begehrenden EU-Staates verstoßen haben. Darunter würden auch politisch motivierte und von der Verjährung betroffene Straftaten fallen, soferne sie nicht in dem die Auslieferung begehrenden Land einer Verjährung unterliegen.

Das heißt, Österreich müßte im Falle eines Auslieferungsbegehrens von italienischer Seite die ehemaligen Südtirol-Aktivisten oder Freiheitskämpfer, wie immer man sie nennen möchte, an Italien ausliefern. Man könnte diesen Gedanken noch weiter spinnen: Es könnte ein Land etwa auch die Auslieferung von Personen verlangen, wenn es unter Hinweis auf sein eigenes Strafrecht erklärt, aus der Sicht seiner strafrechtlichen Bestimmungen handle es sich um verdächtige Personen, die einer kriminellen oder politischen Vereinigung angehören. Beispiel: Italien. Das italienische Strafgesetz – übrigens aus dem Jahre 1930, aus der faschistischen Ära, zum Teil unverfälscht und überwiegend noch geltend – bestraft auch antinationale Aktivitäten im Ausland. Das heißt, man könnte aus italienischer Sicht auch antinationale Aktivitäten, man könnte, wenn man böswillig ist, etwa auch Förderungsvereine, die die Südtiroler Minderheit in kultureller und finanzieller Hinsicht unterstützen, unter so eine Sache subsumieren. Daher meine konkrete Frage an Sie, Frau Staatssekretärin – das möchte ich wirklich heute hier im österreichischen Nationalrat möglichst eindeutig geklärt haben –: Wie gedenkt die österreichische Bundesregierung in dieser Angelegenheit, bei diesem Vorhaben der EU zu agieren? Welche Haltung wird Österreich dabei einnehmen?

Letzte Anmerkung, Frau Staatssekretärin. (Der Redner macht eine kurze Pause. – Abg. Dr. Khol: Das ist eine Hoffnung! Jetzt hast du es vergessen!) Nein, ich habe es nicht vergessen, ich möchte es nur kurz machen. – Österreich engagierte sich stets – und das tut auch der derzeitige Außenminister – für die Heimatvertriebenen. Man verweist auf zahlreiche bilaterale Gespräche, die zu diesem Thema geführt wurden, ohne jedoch bislang konkrete Ergebnisse vorzuzeigen und konkret zu sagen, in welche Richtung man sich dabei zu bewegen gedenkt. Ich sagte schon eingangs: Diese wenig pointierte, wenig akzentuierte Politik, die sich in diplomatischen Klischees und Worthülsen erschöpft, kommt auch in dieser Frage im Außenpolitischen Bericht zum Ausdruck.

Zur Frage der Heimatvertriebenen, über die sonst sehr viel in Sonntagsreden gesprochen wird – man sagt: Ja, wir werden, und Sie können sich auf uns verlassen, selbstverständlich –, steht im Außenpolitischen Bericht ein einziger Satz, und der lautet: "Die Diskussionen über strittige Themen in den bilateralen Beziehungen (grenznahe AKW)" – die AKW-Frage und die Frage der Heimatvertriebenen werden mit diesem einen Satz in einen Topf geworfen – "haben sich beruhigt." – Ende des Zitats.


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Das ist Ihre Antwort, die Sie den Heimatvertriebenen auf ihre berechtigten Fragen in Ihrem Außenpolitischen Bericht geben. Aber ich bin überzeugt, das wird Herrn Fasslabend, der am Wochenende bei der sudetendeutschen Tagung in Klosterneuburg auftreten wird, nicht daran hindern, dort die große Trommel zu rühren: Wir haben, und wir werden! Im Außenpolitischen Bericht ist das allerdings nicht nachvollziehbar.

Ich bitte Sie, Frau Staatssekretärin, auch zu dieser meiner dritten und letzten Frage eine konkrete Anwort zu geben: Wie halten Sie es denn wirklich mit den Heimatvertriebenen, von Sonntagsreden abgesehen?(Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.08

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Mir ist bei der Rede des Abgeordneten Dkfm. Bauer eine sehr plakative, wenn auch zugegebenermaßen sehr drastische Bezeichnung eingefallen, nämlich das Wort Chuzpe. Chuzpe ist, wenn ein Mann, der Vater und Mutter umgebracht hat, bei Gericht um mildernde Umstände bittet, weil er Vollwaise geworden ist. (Beifall bei der ÖVP.) Wenn der Abgeordnete Bauer im Rahmen seiner Rede anderen vorwirft, sie würden viel reden und wenig sagen, so ist das ein gutes Beispiel für das Wort Chuzpe. (Beifall bei der ÖVP.)

In der Frage des EU-Auslieferungsvertrages ist der ÖVP-Klub lang vor Ihnen aktiv geworden und hat vom Justizminister eine Klarstellung gewünscht, die auch erfolgt ist, und diese Klarstellung lautet, daß Österreich selbstverständlich aus politischen Gründen, wie im Falle der Südtiroler Freiheitskämpfer, keine Auslieferung vornehmen würde. Das kommt nicht in Betracht!

Ich kann Ihnen das dann auch gerne zeigen, ich habe es schwarz auf weiß. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nur wenige Worte sagen. Ich glaube, nach vieler Kritik, die – um ein Lieblingswort des Herrn Abgeordneten Stadler zu verwenden – im wesentlichen auf Propaganda im Hinblick auf die bevorstehende Europawahl zurückzuführen war, bleibt trotzdem als Resümee dieser Debatte: Es gibt zur Europäischen Integration und es gibt zur aktiven Teilnahme Österreichs an der Europäischen Integration keine Alternative. Die Bilanz, die wir aus unserer bisherigen Zugehörigkeit zur Europäischen Union ziehen können, ist eine absolut positive.

Wir haben eine – ganz wesentliche – Inflationsdämpfung seit dem Jahre 1994 auf unter zwei Prozent erreicht. Wir haben eine vom IHS festgestellte Steigerung des durchschnittlichen Lebensstandards der Österreicher durch die EU-Zugehörigkeit; das IHS spricht von einer Anhebung des Realeinkommens um 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wir haben eine Steigerung der Exporte in die EU-Länder von 11 Prozent. Das ist ein gewaltiger Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze in diesem Lande. Da kann auch das Miesmachen, wie es Herr Dr. Haider in seiner Rede versucht hat, nichts daran ändern.

Wir haben vor allem – das möchte ich als einer sagen, der aus der Stadt kommt und nicht aus einem ländlichen Gebiet – eine ganz wesentliche Steigerung unserer Lebensqualität dadurch erreicht, daß die österreichischen Bauern in einer wirklich vorbildlichen Art und Weise an den Umweltprogrammen der EU teilnehmen. Wenn heute die österreichischen Bauern rund die Hälfte der Biobauern in der gesamten Europäischen Union stellen, dann kommt das ja der gesamten Bevölkerung einfach durch bessere Produkte, durch eine wirkliche Steigerung der Lebensqualität zugute. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, da gibt es ganz einfach keine Alternative dazu. Es gibt aber genausowenig eine Alternative dazu, daß wir uns aktiv am Aufbau einer gesamteuropäischen Sicherheitspolitik beteiligen. Aber das geht nicht in Zickzackkursen, und das geht nicht mit Ho-ruck-Aktionen, sondern es geht darum, eine wirklich funktionierende europäische Sicherheitsstruktur aufzubauen. Es ist ja billig, wie es Herr Abgeordneter Scheibner gemacht hat, nämlich zu sagen,


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Bosnien habe die Handlungsunfähigkeit der EU gezeigt. Die Europäische Union ... (Zwischenrufe des Abg. Scheibner. )

Herr Abgeordneter Scheibner! Sie wissen das genausogut wie ich, und Ihnen mache ich den Vorwurf, wider besseres Wissen in diesem Fall geredet zu haben. Die Europäische Union war zum Zeitpunkt des Ausbrechens des Jugoslawien- bzw. des Bosnienkonfliktes in keiner Weise eine außerhalb ihres Territoriums wirksame Sicherheitsstruktur. Das konnte sie zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht sein. Was wir wollen, ist, daß mit der Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik die Möglichkeiten der EU auch außerhalb des eigentlichen Territorialbereiches wirksam werden und daß das, was innerhalb der EU wirklich eine historische Großleistung ist, nämlich einen Friedensraum zu schaffen, auf ganz Europa ausgedehnt werden kann. (Abg. Scheibner: Das müssen Sie dem Außenminister sagen!) Diesbezüglich ist der Außenminister voll auf der gleichen Linie. Es gibt überhaupt keine Diskussion darüber, daß Österreich auch im Rahmen der Politik der Bundesregierung sich dazu bekennt, an einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsstruktur mitzuwirken, wenn sie in den kommenden Jahren entsprechend entwickelt wird, und ich hoffe, daß das rasch geschehen wird.

Es gehört aber auch dazu, daß wir über die Europäische Union hinaus auch noch andere Möglichkeiten von Sicherheitsstrukturen auf diesem Kontinent nützen. Ich möchte hier ausdrücklich auch den Europarat nennen, denn dieser Kontinent muß auch ein Raum der Einhaltung und Wahrung der Menschenrechte sein. Die Wahrung der Menschenrechte ist ein ganz wichtiger Teil einer zukünftigen Sicherheitsstruktur. Dazu gehört auch der Schutz der Minderheitenrechte. Frau Staatssekretärin! Ich darf Ihnen sagen – und meinen persönlichen Wunsch hier auch mitgeben –, daß Österreich und unser Parlament einhält, was wir heuer im Jänner hier in einer Entschließung gewünscht haben, nämlich daß wir die Rahmenkonvention des Europarates zum Schutz der Minderheiten ratifizieren. Österreich war ein Vorreiter für die Minderheitenrechte und sollte daher zu den ersten zehn Staaten gehören, die diese Konvention ratifizieren, sodaß wir hier mit gutem Beispiel vorangehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, es ist keineswegs so, daß man der österreichischen Außenpolitik zum Vorwurf machen kann, sie sei inaktiv oder sie würde den Notwendigkeiten unseres Landes nicht gerecht werden. Es war erst gestern die Speakerin des britischen Unterhauses zu Gast im österreichischen Parlament, und eine der ganz wichtigen Fragen, die sie gestellt hat, die sie interessiert hat, war, was Österreich von der Osterweiterung der Europäischen Union hält, waren unsere Erfahrungen mit den Nachbarstaaten und was wir aktiv tun können zur Entwicklung. Das hat die Speakerin des großen EU-Mitgliedslandes Großbritannien von uns wissen wollen, weil wir einfach einen guten Ruf in Europa genießen und weil wir in dieser Frage wahrscheinlich mehr Know-how haben als andere Staaten in Europa. Das ist auch mit ein Erfolg der österreichischen Außenpolitik, und ich glaube, wir sollten diesen guten Kurs fortsetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Jäger. – Bitte.

13.17

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit der Debatte über den Außenpolitischen Bericht nützen, um über ein paar globale Trends und Herausforderungen zu sprechen, mit denen wir in der internationalen Politik derzeit beschäftigt sind. Ich möchte auch das Thema Entwicklungspolitik ansprechen, die als Teil einer aktiven Außenpolitik in Österreich leider noch immer zuwenig Stellenwert hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber vorweg, wie schon viele vor mir hier angesprochen haben, positiv anmerken, daß der Außenpolitische Bericht 1995 sehr umfangreich gestaltet ist, daß er sich auch querschnittmäßig mit Entwicklungszusammenarbeit befaßt, mit Themen wie internationale Abrüstung, Menschenrechte und internationale Bemühungen um die Gleichstellung von Männern und Frauen. Sicherlich sind auch einige Schwachstellen im Bericht. Meiner Meinung nach sind das manchmal zu distanziert und diplomatisch formulierte Stellen, aus denen ersichtlich


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wird, daß österreichische Wirtschaftsinteressen vor unserem Interesse an den Menschenrechten kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jahren eine weltweite Entwicklung, die zeigt, daß die globalen Probleme der Umweltzerstörung, der Armut und der ungerechten Weltwirtschaftsbeziehungen in keinster Weise gelöst wurden. Wir sehen, daß sich die Welt zunehmend vernetzt, daß sich aber unsere Problemlösungskapazitäten immer mehr begrenzen.

Ich möchte hier den SPD-Abgeordneten Ingomar Hauchler erwähnen, der in seinem neuen Buch "Globale Trends 1996" meint, daß die Schere zwischen Globalisierung und politischer Handlungsfähigkeit immer größer wird und daß sich die Erwartungen, die wir zum Beispiel in die UNO gesetzt haben, in die Vereinten Nationen gesetzt haben – es ist ja heute auch schon angesprochen worden –, zum Beispiel in Bosnien, daß sich diese Erwartungen dort nicht erfüllt haben. Das muß aber für uns heißen, daß wir diese internationalen Organisationen noch mehr unterstützen, daß diese internationalen Organisationen mehr Kompetenzen und Handlungsfähigkeiten bekommen. Deshalb ist es auch sehr wichtig, daß wir auch in die EU gegangen sind. Deshalb ist es auch wichtig, daß die EU und das Europäische Parlament gestärkt werden, damit es dort zu mehr Kompetenzen kommt, weil eben viele Probleme nur mehr international gelöst werden können.

Wir müssen dazu einen Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sehen auch, daß der Welthandel in den letzten Jahren stärker wächst als die Weltproduktion. Das steht im Zusammenhang mit den Industriestaaten, das heißt, daß einfach ausgenützt wird, daß in vielen Ländern billiger produziert werden kann und daß auch die zu billigen Transportmöglichkeiten ausgenützt werden. Und während unsere Welt ökonomisch, ökologisch und technologisch globalisiert wird, bleibt die politische, die soziale Welt zersplittert und isoliert. Und genau diese Kluft macht uns zunehmend zu schaffen.

In diesem Bericht ist angeführt, daß es eine ganze Reihe von Konferenzen in den letzten Jahren gegeben hat, die ganz richtig in der Beurteilung der internationalen Situation auch Ratschläge formuliert haben, was zu tun ist. Ich möchte drei Beispiele anführen, bei denen auch wir für Österreich mitgestimmt haben, wo wir uns für gewisse Dinge eingesetzt haben, die aber bis jetzt noch nicht eingelöst worden sind. Ich denke, dort, wo international das Problem immer schwieriger wird, etwas umzusetzen, sind wir noch mehr gefordert, national die Verantwortung, die wir übernommen haben, auch tatsächlich einzulösen.

Ich möchte jetzt diese drei Beispiele anführen:

Erstens das Problem des CO2-Ausstoßes. Herr Wirtschaftsminister Farnleitner hat neulich eingestanden, daß es nicht zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes, sondern daß es sogar zu einer Steigerung kommen wird. Nun haben wir uns sowohl in Toronto als auch bei der Rio-Konferenz für eine Reduktion des CO2-Ausstoßes eingesetzt. Es gibt auch eine ganze Reihe von positiven Beispielen. Ich möchte etwa das Klimabündnis der Städte und Gemeinden anführen. Es ist sehr viel in Österreich geschehen, aber es ist zuwenig geschehen, und es genügt nicht, daß wir diesen Bericht vom Wirtschaftsminister einfach hinnehmen. Wir müssen verstärkt daran arbeiten, wie wir diese internationale Verpflichtung, die wir eingegangen sind, auch in Österreich umsetzen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Das zweite – und Herr Abgeordneter Moser hat es heute schon angesprochen – war der Sozialgipfel in Kopenhagen. Dort ist das Versprechen der Schuldenstreichung gegeben worden – es wurde leider bis jetzt noch nicht eingelöst. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auf die Rede von Herrn Dr. Haider eingehen. Herr Dr. Haider! Wenn es darum geht, daß Österreich internationale Verpflichtungen eingeht, wenn wir auch für Projekte in anderen Ländern spenden, wenn wir das also machen und Sie genau dann hergehen und demagogisch darüber reden und die Neidgefühle der Österreicherinnen und Österreicher ansprechen, dann finde ich das von Ihnen wirklich sehr schäbig! (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich finde das schäbig, und zwar aus folgendem Grund: Wenn – das hat der Herr Vizekanzler heute schon angesprochen – Österreich nicht nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA den Marshallplan erhalten hätte – das war eine finanzielle Hilfe: von 1947 bis 1952 haben wir 960 Millionen US-Dollar alleine für Österreich bekommen! –, wenn wir das nicht bekommen hätten, hätte Österreich die Chance zu einer industriellen Entwicklung, so, wie wir heute dastehen, absolut nicht gehabt. Und das müssen wir einfach auch den Österreicherinnen und Österreichern erklären und ihnen klarmachen, daß Hilfe, die wir jetzt leisten, in Zukunft für unsere wirtschaftliche Entwicklung ganz dringend notwendig ist. Viele dieser Hilfen kommen im Zuge wirtschaftlicher Beziehungen zurück. Vor allem auch in den Ländern des Nahen Ostens gibt es ja genügend Beispiele dafür.

Einen Punkt aus dem Bericht möchte ich noch ansprechen. Mir scheint manchmal, daß man sich scheut, daß man zuwenig pointiert auf manches eingeht, weil man Wirtschaftsinteressen vor Augen hat. Es gibt darin einen Bericht über das Beispiel China. Und da steht also im Außenpolitischen Bericht: Die chinesische Außenpolitik scheint, vom zeitweise spannungsgeladenen Verhältnis zu den USA abgesehen, im Hinblick auf die Sicherung des wirtschaftlichen Aufbaus des Landes an einem möglichst konfliktfreien Umfeld interessiert zu sein. – Das ist alles. Kein Wort von den Menschenrechtsverletzungen in China, kein Wort, daß wir damit nicht einverstanden sind. Ich meine, wenn schon die Menschenrechte hintangestellt werden, dann sollten wir wenigstens so ehrlich sein und das auch offen aussprechen und sagen, für uns kommen eben die Wirtschaftsinteressen vor den Interessen der Menschenrechte.

Ich komme zum Schluß. Es gibt noch zwei Punkte auch auf internationaler Ebene, wo mir scheint, daß einfach Reformen nötig sind: das ist die Weltbank, und das ist der Internationale Währungsfonds. Viele der Weltbank-Projekte haben sich als ineffizient, ökologisch und sozial schädlich erwiesen, wie erst ein interner Kontrollbericht der Weltbank dargelegt hat.

Vor allem die demokratische Kontrolle und die Transparenz der Weltbank läßt zu wünschen übrig. Auch wir Österreicher zahlen sehr viel Geld in die Weltbank. Ich denke, es ist dringend notwendig, daß auch der österreichische Finanzminister gesetzlich verpflichtet wird, einen jährlichen Bericht über das Verhalten Österreichs in den internationalen Finanzinstitutionen dem Parlament vorzulegen, und daß sich auch der österreichische Vertreter einem Hearing von Abgeordneten, NGOs, Sozialpartnern und Experten zu stellen hat, so, wie es bereits in der Schweiz praktiziert wird.

Ich möchte zum Abschluß noch durchaus begrüßen, daß es in dem Bericht ein Konzept zum Thema "Afrika 2000" gibt, wo tatsächlich auch mit neuen Projekten, vor allem mit Frauenprojekten, versucht wird, der Benachteiligung auf diesem Kontinent entgegenzuwirken. Ich finde das sehr positiv.

Ich möchte abschließend noch einmal betonen: Das Ziel unserer Politik muß es sein, einen wirksamen Rahmen zu schaffen, um die ökonomischen Leistungen eines Landes an die globalen, ökologischen und sozialen Interessen zu binden. Aber auch die internationale Wirtschaft muß reglementiert werden, und dazu brauchen wir eben demokratisch kontrollierte Organisationen. Wir müssen auch Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe als ressortübergreifende Lösungsstrategie sehen. Entwicklungshilfe darf nicht nur beschränkt werden auf Transferleistungen, auf Projektpolitik, sondern muß zu einer politischen Schwerpunktaufgabe werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, daß gerade wir als Parlamentarier dazu aufgerufen sind, eine offensive Entwicklungspolitik voranzutreiben, oder, wie Willy Brandt und Erhard Eppler meinten: Die Entwicklungspolitik muß endlich von der Peripherie in das Zentrum der internationalen Politik rücken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)


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38. Sitzung / Seite 73

13.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.29

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Der Außenpolitische Bericht ist der erste Bericht über unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union, über das erste Jahr in dieser Europäischen Union. Lassen Sie mich diesen Bericht zum Anlaß nehmen, zwei Themen herauszugreifen, die alle Österreicherinnen und Österreicher, aber vor allem die jungen Menschen in diesem Land besonders interessieren.

Das eine sind die Fragen des Umweltschutzes, und das zweite sind vor allem die Fragen der Atomkraft und der atomaren Bedrohung in Europa. Wir haben in den Verhandlungen mit der Europäischen Union schon darauf hingewiesen, daß es eines unserer Ziele ist, die hohen Umweltschutzstandards, die Österreich erreicht hat, mit einem Beitritt zur Europäischen Union keinesfalls absenken zu müssen.

Das gleiche gilt für die Atomkraft.

Österreich hat ein klares Bekenntnis, nämlich eine klare Absage zur Nutzung der Atomkraft abgelegt und hat dies auch in den Verhandlungen zur Europäischen Union eingebracht. Wir haben während dieses ersten Jahres in der Europäischen Union auch sehr klar gezeigt, daß wir gegen die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie sind, weil sie immer wieder und immer noch Gefahren bildet und von den Menschen nicht absolut beherrschbar ist. Das war auch immer unsere Meinung in der Nachbarschaftspolitik Österreichs. Österreich ist ja umgeben von Kernkraftwerken, die nicht nur den westlichen Sicherheitsstandards nicht entsprechen, sondern ganz im Gegenteil oft in einer Kombination von sowjetischer Bauart und Versuchen einer westlichen Nachrüstung eine besondere Gefahr auch für die österreichische Bevölkerung bedeuten.

Wir haben uns in diesem letzten Jahr sehr vehement gegen die Fertigstellung des Kernkraftwerks Mochovce gewendet, und es ist uns in vereinten Anstrengungen gelungen – und hierbei ist vor allem auch die Rolle der Parlamentarier im Europäischen Parlament hervorzuheben –, daß die vorgesehenen Kredite der Europäischen Bank für Aufbau und Entwicklung nicht gewährt wurden. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, daß das Kernkraftwerk Mochovce für unsere Nachbarn in der Zwischenzeit abgeschrieben oder gar gestorben ist. Ganz im Gegenteil: Es gibt jetzt Bemühungen, dieses Kernkraftwerk mit Hilfe eines deutschen Kredits und mit Hilfe von Siemens fertigzustellen. Das bedeutet, daß wir in unseren Außenbeziehungen auch gegenüber unseren Freunden – und wir sind interessiert an freundschaftlichen Kontakten zu unseren Nachbarländern – sehr klar unsere Position und die Position der Österreicherinnen und Österreicher darlegen müssen: Es muß langfristig ein Ausstieg aus der Atomenergie in Europa erreicht werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Gerade die Ereignisse der letzten Tage im Kernkraftwerk Tschernobyl, das ja zu sehr trauriger Berühmtheit gefunden hat und das Tausenden und Abertausenden Menschen Krankheit und Tod gebracht hat, haben gezeigt, daß die Gefahr keinesfalls abgewendet ist. Es ist durchaus bedenkenswert und bedenklich, daß die europäischen Staaten, aber auch die G 7 bisher immer noch keine Einigkeit darüber erzielen konnten, wie das Kernkraftwerk Tschernobyl geschlossen werden kann, und nicht bereit sind, auch die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, daß es eine unserer Aufgaben sein muß, gerade im Bereich der Atomkraft auch alle Initiativen innerhalb der Europäischen Union zu setzen, um diesen Ausstieg zu ermöglichen.

In gleicher Weise sind unsere Bemühungen im Bereich des Umweltschutzes gefordert. Wir haben ja bei den Vertragsverhandlungen erreicht, daß jene Standards, die in Österreich höher sind als in der Europäischen Union, im Rahmen eines Review-Prozesses von der Union überprüft werden müssen. Gegebenenfalls soll die Union ihre Richtlinien an die Standards Österreichs angleichen – nicht nur Österreichs, sondern auch die der anderen beiden Beitrittsländer Schweden und Finnland, die in vielen Bereichen ebenso etwas vor der Europäischen Union lagen. Dieser Review-Prozeß ist nunmehr angelaufen, und es wird sich zeigen, daß Österreich, Schweden und Finnland in diesen Bereichen alle Kraft anstrengen werden, um diese Verbesserung der Standards zu erreichen. Das ist insbesondere notwendig, als im Hinblick auf die Osterweiterung der Europäischen Union gerade solche Länder in diese Europäische Union


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drängen, die in Fragen des Umweltschutzes einen enormen Nachholbedarf haben, aber auch einen enormen Bedarf zur Hilfestellung der Europäischen Union bei der Verbesserung der Umweltstandards in ihren Ländern. Dabei wäre es ganz wichtig, daß die Europäische Union jetzt schon entsprechende Mittel zur Verfügung stellt, um die Umweltsituation vor allem auch in den Nachbarländern Österreichs zu verbessern. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein ganz wesentlicher Punkt, meine Damen und Herren, ist aber die Aufnahme des Umweltschutzes in die Verträge der Europäischen Union, eine Initiative, die der Vizekanzler und Außenminister, Dr. Wolfgang Schüssel, dankenswerterweise unternommen hat, um gleichzeitig neben der Verankerung des Umweltschutzes in der Europäischen Union auch die Verankerung des Tierschutzes in den Verträgen der Europäischen Union zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, daß gerade die schrecklichen Bilder von Tiertransporten, wie wir sie in den letzten Monaten immer wieder auch gezeigt bekommen haben, die qualvollen Methoden, mit denen Tiere weltweit und europaweit behandelt werden, Anlaß genug dafür sind, einen Vorstoß zu unternehmen und europaweit Richtlinien sowohl für die Nutztierhaltung als auch für die Heimtierhaltung zu erreichen. Dabei geht es vor allem darum, Tiertransporte quer durch Europa zu verhindern, Lebensräume von Tieren zu schützen, eine grausame Behandlung von Tieren zu ächten, so zum Beispiel tierquälerische Wettkämpfe zu verbieten und nicht zu fördern, und zumutbare Bedingungen für absolut notwendige oder unvermeidbare Tiertransporte zu schaffen.

Es gibt noch eine Reihe von anderen Forderungen, die wir in einer entsprechenden Initiative auch eingebracht haben, und ich freue mich ganz besonders darüber, daß die Mandatarinnen und Mandatare der Österreichischen Volkspartei diese Initiative auch verfolgen und damit einen Beitrag dazu leisten werden, den Tierschutz europaweit zu verankern. (Beifall bei der ÖVP.)

13.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt nunmehr eine Wortmeldung von Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner vor. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

13.38

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Das Kriterium für die Berichterstattung über die Außenpolitik ist sehr oft ihr Sensationswert. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Prioritäten der österreichischen Außenpolitik ist nicht so sehr der Sensationswert, sondern die direkte oder indirekte Relevanz für Österreich notwendig. Deshalb müssen wir eine verantwortungsvolle Außenpolitik betreiben, oft aber eine nicht spektakuläre. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Außenpolitik hat sich seit unserem EU-Beitritt wesentlich geändert. Während früher unter Herrn Außenminister Dr. Mock hauptsächlich die Kandidatur Österreichs für die Europäische Union und – Gott sei Dank – das Hineinkommen in die Europäische Union das erste Ziel sein mußte, ist es heute umgekehrt. Heute sind wir bereits Mitglied in der Europäischen Union und haben deshalb innerhalb der Europäischen Union Initiativen zu setzen und in gemeinsamen Allianzen mit vielen anderen EU-Mitgliedstaaten zu versuchen, unsere Prioritäten voranzutreiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nur daran erinnern, daß ich zum Beispiel gerade heute vormittag den Staatssekretär der Niederlande, Patijn, bei mir hatte, einer der vielen Kontakte, die ich auf meiner Ebene pflege, aber die selbstverständlich auch der Außenminister auf seiner Ebene pflegt, auch im bilateralen Bereich, um möglichst eng über die jeweiligen Positionen informiert zu sein und gemeinsam Allianzen zu bilden mit den Beneluxstaaten, mit Irland, mit den skandinavischen Ländern, mit einem Wort: mit all den Staaten, die ungefähr unsere Größe haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn also der Eindruck entstehen sollte, hier werden keine spektakulären Initativen gesetzt, dann ist das jedenfalls falsch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die österreichische Außenpolitik ist stets auch für die Nichtanwendung, Reduzierung und letztendlich Eliminierung von Kernwaffen eingetreten und


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arbeitet jetzt ganz konkret an einem wichtigen Schritt hinsichtlich des Inkrafttretens des umfassenden Atomteststopp-Vertrages.

Dies ist zweifach wichtig für uns Österreicher: Erstens hat, wie Sie wissen, Österreich ausgezeichnete Chancen, Sitzstaat für diese Organisation – in Wien – zu werden, und Sie wissen, daß ich mich selber ganz besonders bemüht habe, diese Organisation nach Wien zu bringen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Bravo!) Zweitens wird der Herr Außenminister nächste Woche in New York diesen Vertrag für Österreich unterzeichnen. Das ist besonders erfreulich auch im Hinblick auf die von uns verfolgte Politik und zeigt eine konsequente Umsetzung. Dies bedeutet, wenn wir die CTBTO hier in Wien haben, nicht nur Arbeitsplätze, sondern es bedeutet auch eine wichtige Stellung für uns in der ganzen Welt.

Wir haben aber auch eine andere Organisation, die zwar klein ist, aber auch nicht zu unterschätzen ist, nach Wien gebracht, und zwar das sogenannte "Büro des Wassenaar Übereinkommens", der Nachfolgeorganisation des COCOM, das früher in Paris angesiedelt war. Dieses Übereinkommen kontrolliert den internationalen Handel mit konventionellen Waffen, aber auch mit jenen Technologien, die sowohl für zivile, als auch für militärische Zwecke eingesetzt werden können.

Somit, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir zusammen mit der OSZE, mit der Internationalen Atomenergiebehörde, mit der kommenden CTBTO und mit dem Wassenaar-Übereinkommen in Wien nun eine Reihe von Organisationen, sodaß sich Wien wirklich zur Schwerpunktstadt für Fragen der Rüstungskontrolle und Sicherheit entwickeln wird, und ich glaube, wir können stolz darauf sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte hier nicht in die Details der wirtschaftlichen Argumentation eingehen, aber um Ihnen nur eine einzige Zahl zu nennen: Die in Wien ansässigen internationalen Organisationen haben im Jahr 1994 insgesamt 4,2 Milliarden Schilling ausgegeben, ganz abgesehen von den normalen Einkäufen, von den Gütern und Dienstleistungen und von der gesamten Umwegrentabilität.

Ich glaube also, das ist auch wirtschaftlich sehr, sehr wichtig für uns.

Was die Frage Bosnien, Ex-Jugoslawien betrifft, vor allem die Frage der Rückführung der Flüchtlinge, möchte ich dem Hohen Haus folgendes mitteilen:

Von den rund 80 000 in Österreich aufgenommenen bosnischen Flüchtlingen besitzen, wie Sie wissen, zirka 60 000 eine reguläre Aufenthaltsgenehmigung. Anfang des Jahres wurden zirka 20 000 Flüchtlinge noch durch eine Bund-Länder-Aktion betreut. Derzeit hat sich die Zahl bereits auf 11 800 reduziert, da in den letzten Monaten eine starke Rückkehr in die Heimat erfolgt ist.

Seit 1. Juli steht übrigens das Übereinkommen über die Gestattung der sichtvermerksfreien Durchreise und Durchbeförderung zurückkehrender Bosnien-Herzigowna-Flüchtlinge in Kraft, das zwischen Deutschland, Österreich, der Schweiz und auf der anderen Seite Slowenien und Kroatien vereinbart wurde.

Es gibt auch ein Repatriierungsprogramm der Europäischen Kommission, das jetzt im Anlaufen ist. Davon könnten rund 6 000 in Österreich lebende Flüchtlinge betroffen sein.

Was unsere Position betrifft, kann ich ganz klar sagen, daß wir vorläufig vom Prinzip der Freiwilligkeit der Rückführung ausgehen, aber vor allem Anreize schaffen wollen, daß die zurückgehen, die dort Arbeitsplätze finden können. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei den Freiheitlichen: Ich seh’s ein bißchen anders!)

Zuerst, meine sehr geehrten Damen und Herren, muß der Wiederaufbau in Exjugoslawien vorangetrieben werden, dann werden Flüchtlinge auch freiwillig zurückgehen.

Ich möchte ganz kurz auch ein paar Worte über die Frage unseres Engagements hinsichtlich der Heimatvertriebenen verlieren. Sie sollten wissen, daß in allen bilateralen Verhandlungen diese Frage immer wieder angesprochen wird, nur glauben wir, daß hier stille Diplomatie im End


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effekt mehr bewirken kann als große Ankündigungspolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was die Frage der Auslieferung von ehemaligen Südtirolaktivisten betrifft, kann ich Ihnen sagen, daß der Justizminister bereits mit unserem Außenminister vereinbart hat, daß selbstverständlich ein Vorbehalt zum EU-Auslieferungsabkommen eingelegt wird, wobei wir gerade an der genauen Formulierung arbeiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Ing. Meischberger: Sehr gut!)

Hohes Haus! Die internationale Respektierung der Menschenrechte ist nicht nur grundsätzlich ein Faktor bei all unseren außenpolitischen Überlegungen, sondern ist auch Gegenstand ganz konkreter Initiativen, und ich kann hier sagen, sie wird keineswegs hintangestellt. So haben wir jetzt zum Beispiel für die Stärkung des UN-Hochkommissars für Menschenrechte zu arbeiten, für den Minderheitenschutz, und zwar vor allem durch die Stärkung vertrauensbildender Maßnahmen; für die rasche und umfassende Realisierung der Beschlüsse der Wiener Weltkonferenz für Menschenrechte und für den Schutz der sogenannten Binnenflüchtlinge, das heißt der intern vertriebenen Personen.

Auch was Forderungen von Amnesty International betrifft, kann ich Ihnen sagen, daß hier die Zielsetzungen des Außenministeriums mit denen von Amnesty International durchaus kongruent sind und wir weitgehend decken. Allerdings, sehr geehrte Damen und Herren, halten wir es nicht für sinnvoll, unsere Beziehungen zu all den Staaten abzubrechen, in denen Menschenrechtsprobleme existieren. Das halten wir nicht für sinnvoll. Vielmehr ist es sinnvoll, einen kritischen Dialog mit diesen Staaten zu führen und gleichzeitig eine Stärkung der zivilen Gesellschaft und auch der Demokratien zu versuchen (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Im übrigen wurden die Menschenrechtssprecher aller Fraktionen dieses Hauses eingeladen, in einer informellen Menschenrechts-Arbeitsgruppe mit dem Außenministerium mitzuarbeiten.

Hohes Haus! Ich möchte auch, nachdem die Entwicklungszusammenarbeit hier angesprochen wurde, sagen, daß sie in unserem Hause keineswegs ein Stiefkind ist. Im Gegenteil! Ich glaube, ich habe einige Initiativen gesetzt, die auch in Richtung mehr Privatinitiative gehen. So habe ich vor allem parallel zu den bereits abgewickelten Schwerpunktprogrammen das private österreichische EZA-Engagement zu unterstützen und zu fördern versucht. Es gibt jetzt ein neues, spezielles Programm für unbürokratische, generelle, aber prozentuell limitierte Zuschüsse im sogenannten Globalbereich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Dabei wurde von mir ein Ko-Finanzierungsreferat eingerichtet, wo sich die verschiedenen NGOs genau erkundigen können, wie ein Projekt abzuwickeln ist, um für uns in dem sogenannten Globalbereich möglichst eine EU-Ko-Finanzierung herauszuholen.

Wie Sie wissen, habe ich bei programmorientierten, vorwiegend staatlich finanzierten Projekten auch die Schwerpunktpolitik konsolidiert. Mit den Schwerpunktländern Uganda, Mosambik, Kap Verde, Bhutan, Nikaragua, Burkina Faso und Äthiopien werden genau definierte Länderprogramme erarbeitet, die die Wirksamkeit, Nachhaltigkeit und Erkennbarkeit der österreichischen Hilfe sicherstellen. Mir kommt es dabei vor allem darauf an, das meiste aus den vorhandenen Mitteln zu machen und Effizienz und Nachhaltigkeit möglichst zu steigern. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

1995 betrug die gesamte öffentliche Entwicklungszusammenarbeit zirka 7,7 Milliarden Schilling, wovon 12 Prozent auf die Projekt- und Programmhilfe entfielen.

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen jedenfalls am Grundkonzept der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit festhalten und selbstverständlich eine Weiterentwicklung im Lichte internationaler Entwicklungen und österreichischer Erfahrungen fördern.

Hinsichtlich der Wahrung der Minderheitenschutzrechte, die ebenfalls angesprochen wurden, möchte ich nur noch ausführen, daß bisher nur vier Staaten ratifiziert haben und Österreich gerade dabei ist, mit anderen Ressorts seine Position zu koordinieren, und wir sind sicher – das kann ich versprechen –, daß Österreich unter den ersten zehn Ländern sein wird, die ratifizieren werden.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit schließe ich meine Ausführungen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter hat dadurch, daß er den Platz des Berichterstatters verlassen hat, zu erkennen gegeben, daß er kein Schlußwort wünscht. (Heiterkeit.)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung .

Wir stimmen ab über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den vorliegenden Bericht III-28 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Jene Damen und Herren, die für die Kenntnisnahme dieses Berichtes sind, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Bericht ist mit Mehrheit angenommen worden.

2. Punkt

Erste Lesung des Antrages 239/A der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 geändert wird

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zum 2. Punkt der Tagesordnung: Erste Lesung des Antrages 239/A der Abgeordneten Dolinschek und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1978 geändert wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

13.52

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus!

Der Antrag 239/A von meiner Wenigkeit und meinen freiheitlichen Kollegen, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen geändert wird, beinhaltet eine flexible Arbeitszeitgestaltung während der Sommerzeit, eine Verschiebung der täglichen Arbeitszeit um eine Stunde für Jugendliche, keine Ausweitung, keine Ausdehnung, keine Einarbeitung der täglichen Arbeitszeit, keine Form von Durchrechnungszeitraum, sondern nichts anderes als die Möglichkeit einer Verschiebung der täglichen Arbeitszeit für Jugendliche um eine Stunde in den Abend hinein während der Sommerzeit.

Bei der Beschäftigung von Jugendlichen bestehen Probleme, wenn durch die Umstellung der Zeitzählung zwar die Sommerzeit gilt, sich der Bedarf nach einer Arbeitsleistung aber nach der astronomischen Zeit richtet. Eine Orientierung der Arbeitszeit ist, selbst wenn der Jugendliche dies wollte und die ununterbrochene Ruhezeit gewährleistet wäre, nach der derzeit geltenden Gesetzeslage nicht möglich.

Zu Schwierigkeiten führt dies, wie uns sicherlich allen bekannt sein wird, insbesondere im Gastgewerbe, wo sich die Bedürfnisse der Urlauber und sonstiger Gäste weniger nach der amtlichen Zeit, sondern eben nach dem Sonnenstand richten. Beispiele gibt es ja genug. Jeder von uns, der im Sommer etwas länger sitzen bleibt, weiß davon zu berichten. Wenn sich ein Jugendlicher in der Lehre befindet, sollte er natürlich auch die Möglichkeit haben, etwas länger in den Abend hinein seine Ausbildung zu genießen – wenn die Ruhezeit gleichbleibt, er in der Früh eine Stunde später anfängt und in der Nacht eine Stunde später aufhört.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Um diese Probleme zu beseitigen, sollte meiner Meinung nach die Nachtruhe während der Sommerzeit um eine Stunde zurückverlegt werden können, wenn dafür, wie ich schon erwähnt habe, in der Früh um eine Stunde später zu arbeiten begonnen werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag nicht das erste Mal eingebracht, sondern bereits das dritte Mal. Das erste Mal geschah es am 11. März 1991 im Sozialausschuß. Damals ist dieser Antrag vertagt worden. Die Koalition hat zwar Gesprächsbereitschaft signalisiert, aber gemeint: Ziehen Sie diesen Antrag zurück, die Sozialpartner haben noch nicht darüber beraten.

Wir haben diesen Antrag also seinerzeit zurückgezogen, behandelt ist er nicht worden, das ist verschoben worden. Er ist dann am 2. Februar ... (Heiterkeit der Abg. Silhavy. ) Sie brauchen nicht so blöd zu lachen, Frau Kollegin, das ist ein ernstes Problem! (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Wenn Sie eine so kleine Flexibilisierung nicht durchsetzen können beim Jugendbeschäftigungsgesetz, wie wollen Sie denn dann die anderen Probleme lösen, was die flexible Arbeitszeit betrifft? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Am 2. Februar 1994 ist dann dieser Antrag wieder abgelehnt worden. Am 17. November 1995 ist er hier im Plenum wieder eingebracht und wieder abgelehnt worden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich war das einfach immer unverständlich, und ich glaube, die Begründung war sehr fadenscheinig. Man hat es damit begründet, die Sozialpartner hätten nicht darüber beraten, und damit, daß der Betreffende, wenn er eine Stunde später aufhört, kein öffentliches Verkehrsmittel mehr hat, um nach Hause zu fahren.

Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Antrag ist beinhaltet, daß das nur im Zusammenhang damit geschehen kann, daß der betroffene Jugendliche, seine Erziehungsberechtigten, seine Eltern und, wenn in einem Betrieb ein Betriebsrat besteht, dieser das schriftlich unterzeichnet. Nur dann soll es möglich sein, sonst nicht.

Es wird dadurch die Begründung für Ihre Ablehnung meiner Meinung nach ad absurdum geführt.

Wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren, einer Flexibilisierung der Arbeitszeit das Wort reden, egal ob Arbeitgebervertreter oder Arbeitnehmervertreter: Sie werden sicherlich zu keinem Ergebnis kommen, wenn Sie nicht einmal in der Lage sind, diese Kleinigkeit zu bereinigen.

Wenn ich mir das so ansehe: Der Herr Kollege Stummvoll von der Industriellenvereinigung sagt: Wir wollen 48 Stunden, wir wollen den Samstag als reguläre Arbeitszeit sowie 10 Stunden tägliche Normalarbeitszeit. – Nach dem Arbeitszeitgesetz, sehr geehrte Damen und Herren, darf übrigens niemand länger als 10 Stunden arbeiten, und in den einzelnen Kollektivverträgen sind noch kürzere tägliche Arbeitszeiten vorgesehen.

Aber so einfach wird es halt nicht gehen, denn bei einer flexiblen Arbeitszeit wird man natürlich auch über Mobilitätsforderungen auch von Arbeitnehmervertretern reden müssen, zweitens über die Frage einer Ertragsbeteiligung bei einer Flexibilisierung der Arbeitszeit, es wird die Infrastruktur, und es wird die freie Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitnehmer zu berücksichtigen sein. (Zwischenruf der Abg. Wurm. ) Sehr geehrte Kollegin von der sozialistischen Fraktion! Hören Sie ein bißchen zu! Vielleicht bringen Sie das bei Ihrer Gewerkschaft unter in der Form, daß darüber sinnvoll verhandelt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn dieser Antrag in Zukunft im Sozialausschuß behandelt wird, erwarte ich mir doch die Zustimmung von Ihrer Seite. Ansonsten müßte ich mir ja die Frage stellen, ob nicht die Sozialpartner längst von der Entwicklung überholt worden sind und nur noch legitimieren, was bisher nicht sein konnte, weil es nicht sein durfte, aber dennoch geschah, denn bisher war es durchaus üblich, daß in diesem Bereich Jugendliche mit einer Zeitverschiebung um eine Stunde gearbeitet haben. Es bestünde nun aber die Möglichkeit, dies gesetzlich zu legitimieren.


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Ich hoffe, Sie werden diesem Antrag jetzt, im Zuge der Debatte über die Flexibilisierung der Arbeitszeit, auch zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Wurm.

14.00

Abgeordnete Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die erste Lesung dient normalerweise dazu, die verschiedenen Standpunkte der Parteien darzulegen, abzuklopfen, sozusagen zu sehen, wo man jeweils liegt. In diesem Fall brauchen wir diese Vorgangsweise aber nicht, denn hier scheinen die Standpunkte klar und eindeutig. (Abg. Dolinschek: Da brauchen wir nichts mehr abklopfen!)

Die FPÖ will, daß Jugendliche, vor allem Lehrlinge im Gastgewerbe, statt wie bisher bis 22 Uhr in Zukunft im Sommer sogar bis 23 Uhr arbeiten sollen. Dieses Ansinnen lehne ich entschieden ab! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dolinschek: Wieso?) – Hören Sie nur zu!

Dieser Antrag zielt, auch wenn er allgemein gehalten ist, vor allem auf das Gastgewerbe ab, wie auch in der Begründung nachzulesen ist. Nun gibt es aber bereits für das Gastgewerbe die Ausnahme im Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz, daß Jugendliche, die älter als 16 Jahre sind, jetzt schon statt bis 20 Uhr im Unterschied zu ihren altersgleichen KollegInnen im Sommer wie im Winter bis 22 Uhr beschäftigt werden dürfen. Darüber hinaus gibt es genauso für diese Branche ... (Abg. Trenk: ... in Diskotheken!) – Auch andere gehen in Diskotheken!

Darüber hinaus gibt es auch für diese Branche zahlreiche spezielle Bestimmungen, die auf die Bedingungen des Gastgewerbes Rücksicht nehmen, zum Beispiel spezielle Regelungen bei der Sonntagsarbeit. Das ist, so glauben wir, wirtschaftsfreundlich und großzügig genug. (Beifall bei der SPÖ.)

In der Begründung für diesen Antrag werden nun – typisch für die FPÖ; und ich kann mir das nicht verkneifen – Nebelbomben geworfen (Unruhe bei den Freiheitlichen), um diese Verlängerung oder, wie Sie sagen, Verschiebung logisch und sinnvoll erscheinen zu lassen. (Abg. Rossmann: Woher haben Sie eine solche Diktion?) Bei oberflächlichem Lesen könnte man sogar auf die Idee verfallen, daß die Jugendlichen im Sommer nicht so lange zur Arbeit herangezogen werden dürften beziehungsweise daß die Arbeitszeiten durch Einführung der Sommerzeit durcheinandergeraten würden. Dem ist aber nicht so.

Und wenn die FPÖ, wenn der Antragsteller, der Abgeordnete Dolinschek, von der "astronomischen" Zeit spricht: Was meinen Sie nun, die sonnen- oder die sternastronomische Zeit? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dolinschek: Die Sommerzeit!) – Aha.

Wenn die freiheitlichen Abgeordneten nun also diese astronomische Zeit bemühen (Abg. Schwemlein: Er nimmt die Zeit aus dem "Raumschiff Enterprise"! – Heiterkeit), um Jugendliche länger arbeiten zu lassen, und wenn Sie meinen, so dem Gast und seinen Bedürfnissen besser zu entsprechen, so muß erstens gesagt werden, daß die Sommerzeit gerade auch deshalb eingeführt wurde, damit der Gast beziehungsweise die Menschen überhaupt mehr vom Tag haben, daß sie sozusagen den Tag länger nützen können. (Abg. Mag. Stadler: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Frage!)

Viel wichtiger für die meisten Gäste wäre es, wenn die astronomische Zeit nicht für die arbeitenden Jugendlichen gelten würde, sondern für die Sperrstunde in den lauschigen, in den allzu früh schließenden Gastgärten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist die sogenannte Sperrstundenregelung. So könnte der Gast an lauen Sommerabenden um eine Stunde länger im lauschigen Gastgarten sitzen, essen und trinken und somit – und das müßte ja im Interesse aller sein – die darbende Tourismuswirtschaft in Schwung bringen und ankurbeln. (Abg. Scheibner: Sitzen Sie lieber in einem dumpfen Keller? – Abg. Haller: Nein, dieses klassenkämpferische Denken!)


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Um aber Gäste – das muß ja auch in Ihrem Sinne sein, Frau Haller – zwischen 22 und 23 Uhr zu bedienen, wird die SPÖ keine Lehrlinge heranziehen, denn auch der Lehrling im Gastgewerbe soll in erster Linie lernen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Trenk. ) Er soll in erster Linie lernen, und dafür ist wohl vor 22 Uhr Sommerzeit genauso wie vor 22 Uhr Winterzeit Zeit genug (neuerlicher Beifall bei der SPÖ), und das ist zum Lernen auch die bessere Zeit.

Darum überlassen wir Rotationspole der Erde, Zenit, Nadir und Meridian und all das, was zur Definition der astronomischen Zeit nötig wäre, den Astronomen und halten fest, daß für alle Bürger und Bürgerinnen in dieser Republik dieselbe Zeit gelten muß, weil sonst wirklich das Zeitchaos ausbrechen würde. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Es gibt eh schon keine Lehrlinge mehr im Gastgewerbe!)

Wenn es den Bauern mit ihren viel sensibleren Kühen, die ja nicht so vernunftbegabt sind wie der Mensch, gelungen ist, auf Sommerzeit umzustellen, dann dürfte es dem Gastgewerbe wohl auch möglich sein. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Doch nun Klartext. Worum geht es den freiheitlichen Abgeordneten, den Antragstellern in diesem Antrag wirklich? (Abg. Mentil: Haben Sie schon einmal im Gastgewerbe gearbeitet?) Ja, zum Beispiel im Gastgewerbe. In diesem Antrag findet man kein Wort darüber, wie man die Arbeitssituation der jungen Menschen im Gastgewerbe verbessern kann (Abg. Dr. Graf: Am besten ist die Selbstbedienung!), kein Wort darüber, wie die Ausbildungssituation der Lehrlinge verbessert werden kann, kein Wort darüber, wie man wirklich gegen Arbeitszeitverstöße, die es gibt, oder gegen das Mißverhältnis zwischen den offenen Lehrstellen und der Nachfrage vorgehen könnte. Es findet sich auch kein Wort darüber, wie die jungen Menschen, die sich diesen Beruf ausgewählt haben, lange und länger daran Freude haben könnten, und es ist sehr wichtig für Dienstleistungsbetriebe, für Dienstleistungsberufe, daß der Gast freundliches und engagiertes Personal vorfindet. Das ist ein sehr wichtiger Indikator – da wird mir Herr Abgeordneter Peter zustimmen – für Umsatzsteigerungen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Böhacker: Glauben Sie das wirklich, was Sie da sagen?)

Daher ist dieser Antrag ein weiterer Beweis dafür, daß die Freiheitlichen Lehrlinge und jugendliche Arbeitnehmer immer nur dann als schützenswerte Gruppe ansehen, wenn es der Polemik dient. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Konkret aber wollen Sie ... (Abg. Mentil: So viele Lehrlinge haben Sie noch gar nicht gesehen, als ich ausgebildet habe!) Ich war einer, zum Unterschied von Ihnen! In Wirklichkeit wollen Sie Verschlechterungen für Lehrlinge – in diesem Fall auf dem Umweg über astronomische Wortspielereien – einführen. (Abg. Scheibner: Das ist schon wieder die Sternwarte!) Das kommt von Ihnen, die astronomische Wortspielerei. Der sozialdemokratischen Fraktion geht es jedoch um die ... (Abg. Trenk: Glauben Sie selber, was Sie da reden?) Selbstverständlich! Das ist der Unterschied!

Der sozialdemokratischen Fraktion geht es jedoch um die Qualität der Ausbildung, die verbessert werden soll. (Abg. Mag. Stadler: Wo haben Sie sich so lange versteckt, sagen Sie einmal?) Es gibt gerade nächste Woche wieder Gespräche zwischen den Sozialpartnern und der Regierung, wo zum Beispiel, um nur einen Gesprächspunkt herauszugreifen, die Förderung von Mehrfachausbildungen zur Verbesserung der späteren Einsatzmöglichkeiten auf der Tagesordnung steht.

Aus all diesen Gründen können wir, ohne daß ich den Ausschußdebatten und etwaigen Änderungsvorschlägen vorgreifen will, dem Antrag in dieser Form und mit diesem Inhalt niemals zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Die ist gut! Die hat Talent!)

14.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Gatterer. – Bitte.

14.09

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es haben einige diesen Ausführungen nicht nur nicht mit tiefem Ernst folgen können, sondern sie haben sich ein Lachen manchmal nicht verkneifen können. Tatsache ist, daß wir gerade heute, am


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Weltkindertag, dieses Problem zumindest mitdiskutieren sollten. Ich möchte aber trotzdem noch, weil heute zuerst die Außenpolitik dran war, ein paar Zahlen zur Kinderarbeit heute, am Weltkindertag, bringen. Wir sollten hier auch über die Grenzen schauen, und wir diskutieren im Moment ja über Kinder- und Jugendarbeit.

Ich möchte gar nicht eingehen auf die Diskussionen über Gewalt an und Mißbrauch von Kindern. Wir haben ja gestern über Mißbrauch von Kindern, Kinderpornographie, Kinderprostitution gesprochen, und wir müssen auch wissen, daß das nach dem Waffen- und Drogenhandel die drittgrößte Einnahmequelle der kriminellen Organisationen ist.

Wir dürfen nicht vergessen, daß in Dritte-Welt-Ländern 100 Millionen Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten, unter Bedingungen, zu denen kein erwachsener Österreicher arbeiten würde. Ich möchte aber auch – gerade im Zusammenhang mit der gestrigen Diskussion – noch hinzufügen, daß über 200 Millionen Kinder als Prostituierte arbeiten müssen.

Wir sollen die Augen davor nicht verschließen, und ich verstehe es deswegen nicht ganz, daß die Kollegin Wurm in einer Diskussion, in der es darum geht, im Sommer eventuell eine Stunde länger zu arbeiten (Abg. Haller: Nicht länger! Zeitverschoben!) , am Abend zeitverschoben länger zu arbeiten, das Thema im Grunde so abhandelt, wie man es vielleicht abhandeln sollte, wenn man über die 100 Millionen Kinder spricht, die Kinderarbeit leisten müssen.

Wir haben uns in den letzten Tagen, zumindest aber gestern in der Aktuellen Stunde, schon sehr eingehend mit der Lehrlingsproblematik beschäftigt, und wir wissen heute, daß das Problem Lehrlingsausbildung ein ganz großes politisches Problem ist. Ich glaube, jedem Politiker hier herinnen wird angst und bange, wenn er daran denkt, die Jugendarbeitslosigkeit könnte weiter zunehmen. Ich glaube, Jugendarbeitslosigkeit ist das größte Schreckgespenst, das es in einem Land gibt.

Ich möchte jetzt gar nicht die Statistiken über die Zunahme der Gewalt an Kindern, der Gewalt von Kindern bringen, aber wir wissen, daß es allein vom Jahr 1994 auf das Jahr 1995 einen Rückgang bei der Zahl der Lehrlinge gegeben hat. 1994 waren noch 46,6 Prozent aller Jugendlichen in einer Lehre tätig, 1995 waren es nur mehr 42,2 Prozent (Abg. Haller: Man darf nicht nur jammern, sondern man muß gegensteuern!) , und ich glaube, daß es hoch an der Zeit ist, eine gemeinsame Offensive für die Lehrlingsausbildung zu starten, für die Lehrlinge etwas zu machen. Gerade in Zeiten, in denen es einen wirtschaftlichen Strukturwandel gibt und die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt nicht leichter werden, ist es noch wichtiger, daß wir den Jugendlichen ein gutes Angebot machen, daß wir die duale Ausbildung weiter erhalten.

Wir sprechen im Zusammenhang mit der Sicherung von Arbeitsplätzen immer wieder auch von flexiblen Arbeitszeitformen. Ich glaube aber, es ist nicht seriös, wenn wir von flexiblen Arbeitszeitformen, von flexibler Arbeitszeit sprechen und dabei die Jugendlichen ganz ausklammern, denn gerade die Jugendlichen sind im Grunde viel anspruchsvoller im Umgang mit ihrer Freizeit und wollen diese auch mitgestalten können.

Als Kärntnerin möchte ich schon auch das Problem Tourismus aufgreifen. Wir haben im Tourismus große Einbrüche. Das tut mir leid, denn obwohl wir einen Landesrat für Tourismus haben, der von Ihrer Fraktion kommt und der zum Beispiel etwas zeigen könnte, haben wir in den letzten fünf Jahren ein Viertel unserer Gäste verloren. Auch heuer ist eine ganz schlechte Saison. (Abg. Rossmann: Nicht erst seit einem Jahr! – Wie heißt der Landeshauptmann?)

Auch die Anzahl der Lehrlinge im Tourismusbereich – ich habe hier eine Zahl, die Sie vielleicht bestätigen werden – ist in den letzten zehn Jahren um 35 Prozent zurückgegangen, und 88 Prozent der Tourismusbetriebe sagen, sie bilden aus Gründen der Bürokratie, des zu strengen Jugendschutzes keine Lehrlinge mehr aus, sondern sie beschränken sich und nehmen Aushilfsanlernkräfte.

Das ist, glaube ich, weder im Sinn der Jugendlichen noch im Sinn der Betriebe. Wir sollten daher in der generellen Diskussion über offensive Lehrlingsausbildung durchaus auch diesen


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Vorschlag – neben vielen anderen Vorschlägen – berücksichtigen und einarbeiten. Mein Kollege Trinkl wird das noch weiter ausführen.

Wir müssen mit unseren Bestimmungen die Jugend schützen, aber nicht, indem wir einen Wall um sie errichten, den sie nicht überwinden kann, sondern indem wir gesicherte Wege in ihre berufliche Zukunft planen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Sie haben das Wort.

14.15

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Die Rückgänge im Tourismus in Österreich sind alles andere als lustig, und wir werden sie nicht durch eine Änderung der Arbeitszeit der Lehrlinge beeinflussen. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich weiß nicht, ob Sie nicht zu früh klatschen.

Ich glaube, daß wir hier eine ganz prinzipielle Diskussion führen und daß hier eine Menge von Menschen sitzen, die das Glück haben, in einer Arbeitswelt zu leben, die ihnen entspricht, die irgend etwas mit Montag bis Freitag zu tun hat, und deren Verständnis für diejenigen Menschen, die eine Arbeitswelt haben, die außerhalb dieses kollektiven Glückes liegt, nicht gegeben ist, die mit dieser Arbeitswelt nicht zurechtkommen – schlicht und einfach nicht zurechtkommen. Denn offensichtlich muß es ja so sein, daß es in unserer Gesellschaft für die Zeiten außerhalb des kollektiven Glücks, sprich für die Freizeit der Mehrheit der Menschen in unserem Land, andere Menschen geben muß, die bereit sind, Dienste zu leisten, denn eine Freizeit ohne Dienstleistung wäre wohl reichlich öd und fad.

Jetzt ist die Frage, ob das unbedingt junge Leute sein müssen, jetzt ist die Frage, wo man die Grenze setzt. Niemand hier im Hohen Haus – weder der Herr Dolinschek, der das beantragt hat, und schon gar nicht die Frau Wurm oder die Frau Gatterer – setzt die Bedeutung eines Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes herab. Es bedarf also offensichtlich auch dieser für Sie oder für viele von Ihnen exotischen Berufe. Für die, die in diesen Berufen arbeiten, sind sie gar nicht so exotisch. Die finden sie ganz normal und haben sie teilweise auch deswegen gewählt, weil sie eben nicht im kollektiven Trott der Gesellschaft leben wollen, weil sie einfach Schifahren am Montag, wenn die Pisten nicht überfüllt sind, schöner finden als am Sonntag, weil sie eben keine Herdentiere sind, die im Krapfenwaldl am Sonntag gemeinsam Wasser stampfen, sondern die ganz gerne am Dienstag baden gehen, die nicht wie die Wahnsinnigen am Montag noch geschwind etwas einkaufen rennen, weil die Ladenöffnungszeiten uns das Einkaufen verbieten. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist der nächste Tagesordnungspunkt!) Nein! Die sagen: Ich habe einen anderen Lebensrhythmus. Ich gehe am Dienstag vormittag einkaufen, wenn die Verkäuferinnen Zeit haben und auch noch Freundlichkeit herrscht.

Das ist das Problem, mit dem sich das Hohe Haus auseinandersetzt und das vor allem in der sozialdemokratischen Fraktion Heiterkeitsausbrüche gebracht hat.

Wir müssen offensichtlich zu Zeiten arbeiten, die außerhalb des kollektiven Glücks liegen, um Dienstleistung zu erbringen. Brauchen wir dazu junge Menschen? – Das ist eine ganz klare Frage. Ich kann sagen, es ist jede Arbeit in diesen Zeiten außerhalb des kollektiven Glücks für Jugendliche bis zu einem Alter von 16, 18, 19 Jahren – was immer Sie wollen – verboten. Soll mir auch recht sein. Das ist eine politische Willensentscheidung, die das Hohe Haus hier trifft, und dann ist es Gesetz dieser Republik. Nur: Was heißt das? – Wie beantwortet man die Frage: Was kommt danach?

Wir haben gestern über Lehrlingsausbildung diskutiert. Sie können natürlich der Meinung sein, Frau Wurm, daß im Tourismus keine Lehrlinge ausgebildet werden sollen, denn das wesentliche Merkmal in der Tourismuswirtschaft ist, daß – und das habe ich jedem der jungen Menschen, die als Lehrlinge zu mir gekommen sind, vorher gesagt – zu ungewöhnlichen Zeiten gearbeitet wird. Was wirst du am 25. Dezember tun?, habe ich sie gefragt. Ah, arbeiten wirst du? – Was wirst du am 26. Dezember tun? – Auch arbeiten? Ja bist du verrückt? Und was machst du denn


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am Neujahrstag, am Altjahrstag? – Da wirst du auch arbeiten! Und am 6. Jänner auch noch und so weiter und so fort. – Offensichtlich brauchen wir Menschen, die zu dieser Zeit arbeiten, damit Sie Silvester feiern können, und wir freuen uns darauf, Ihnen Freude zu bereiten, Ihnen einen schönen Abend zu bereiten.

Wenn wir also Kinder davon ausschließen – was legitim ist –, dann heißt das, daß wir dort keine Lehrlinge ausbilden sollen. Das ist eine ganz klare Weisung. Denn ein junger Mensch, der in diesen Beruf geht, weiß doch, daß er, wenn er den Beruf erlernt hat, zu Weihnachten nicht zu Hause sein wird.

Mir hat einmal ein grüner Abgeordneter aus Tirol erklärt, daß ich eigentlich ein sozialer Krüppel bin, weil meine Kinder Weihnachten nicht um Punkt 18 Uhr feiern. Herr Kollege Öllinger, ich habe ihm geantwortet: Wir feiern in meiner Familie Weihnachten um 16 Uhr, um um 18 Uhr das zu tun, was eigentlich Weihnachten ist: anderen Menschen eine Freude zu machen. – Auch das ist Tourismus, auch das ist Gastronomie, aber dazu brauche ich Mitarbeiter, die bereit sind, mitzutun.

Wenn wir also meinen, daß wir in Österreich Tourismus machen sollen, wenn wir meinen, daß wir anderen Menschen am Wochenende, am Feiertag, zu Weihnachten und zu Neujahr eine Freude machen sollen, und wenn wir uns dazu bekennen, daß wir in der Branche auch Lehrlinge ausbilden – bisher haben wir uns dazu bekannt –, dann ist offensichtlich die Ausbildung der Lehrlinge unter anderen Spielregeln zu sehen, als sie in den Branchen zu sehen ist, die am Freitag um 14 Uhr schließen, oder in den Ämtern, die am Mittwoch nachmittag schon schließen.

Die konkrete Frage ist jetzt: Passiert da etwas gegen den Willen der Eltern, ist es eine Ausbeutung der Arbeitskraft des jungen Menschen, oder geht es vielmehr um eine innerbetriebliche Regelung, der in vielen Fällen der Betriebsrat zustimmt, der der Jugendvertrauensrat zustimmt, von der die Eltern sagen, so wollen wir es, von der der Lehrling sagt, so will er es, und von der der Betrieb sagt, so will er es? – Ganz einfach.

Ich nenne Ihnen jetzt einige Beispiele: Wenn der Lehrling im Waldviertel wohnt und eine Lehrstelle in Tirol hat, so kann er nur dann, wenn er zehn Tage arbeitet und vier Tage frei hat, heimfahren. Das ist strikt verboten in Österreich. Warum eigentlich? – Nur um irgendeinem Büchel, irgendeiner willkürlichen Vorschrift, die Leute gemacht haben, die gar kein Verständnis für diese Situation haben, zu folgen?

Niemand soll den Lehrling dazu zwingen, am Sonntag zu arbeiten, wenn er es nicht will. Nur wohnen die meisten Lehrlinge der Gastronomie nicht zu Hause – es wird ungefähr die Hälfte sein –, sondern sie wohnen eben im Waldviertel und haben ihren Arbeitsplatz im Salzkammergut, sie wohnen in der Oststeiermark – ein typisches Gebiet, das Lehrlinge bis nach Vorarlberg schickt, wo sie dann in betrieblichen Heimen kostenlos verpflegt und untergebracht sind. Für die ist ein ganz anderer Tagesrhythmus von Relevanz als der, den Sie sich vorstellen können. Die wohnen am Arbeitsplatz. Da ist die Bruttoarbeitszeit und die Nettoarbeitszeit dieselbe, es gibt keine Pendelzeiten. Der Lehrling kommt um halb acht Uhr frühstücken, und um acht Uhr geht der Dienst los, wobei Frühstück, Mittag- und Abendessen inbegriffen ist.

Wenn Sie also den Mut haben, die Situation zu beurteilen, dann bitte ich Sie höflich, sich doch mit dieser ganz besonderen Situation auseinanderzusetzen. Mit Lachen werden wir es nicht lösen. Ich weiß schon, aus der Sicht Ihrer Welt ist es ganz skurril, aber stellen Sie sich vor: Auch das ist Österreich, auch das gibt es in diesem Land! Erstaunlicherweise gibt es das.

Wenn es also so ist, daß junge Leute in den Betrieben wohnen, und wenn es so ist, daß es dem 17- oder 18jährigen lieber ist, in der Sommerzeit einen Dienst bis 23 Uhr zu machen und dafür in der Früh erst um 10 oder 11 Uhr anzufangen – das gilt für alle Dienste; es gibt kein Mittagessen mehr, es gibt Frühstück, es gibt Abendessen –, dann wollen Sie ihm das aus höherer Einsicht verbieten, weil Sie das kollektive Glück kennen, weil Sie von Gott gesandt sind und die Gnade haben, zu wissen, wie Menschen glücklich sind?! – Wissen Sie, das ist eine grenzenlose Überheblichkeit. Sie sollten ein bißchen demütiger sein, ein bißchen mehr den Menschen zuhören


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und nicht beschließen, wie klug Sie sind. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

14.22

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Abgeordneter Peter, ich sehe es natürlich etwas anders als Sie, vor allem etwas weniger aufgeregt, weil ich glaube, daß sich in vielen, in sehr vielen Fällen die Fragen, die Sie hier sehr grundsätzlich stellen wollen, ganz anders stellen und ganz anders beantwortet werden können.

Sie fragen, warum soll ein Jugendlicher, wenn er länger arbeiten will, nicht länger arbeiten dürfen, wenn er dafür später aufstehen kann und will. – Wenn er das will, wird das auch kein Problem sein, sogar wenn die gesetzliche Regelung (lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen) – aber lassen Sie mich doch ausreden! –, sogar wenn die gesetzliche Regelung anders wäre. Es gibt ein Sprichwort: Wo kein Kläger, da kein Richter. Ich denke, in vielen Fällen wird sich das auch so regeln lassen. (Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das zweite: Ich denke, Sie müssen schon auch sehen – ich habe sehr viel mit jungen Menschen gearbeitet –, daß es Rechte von Jugendlichen gibt, die auch wahrgenommen werden müssen, und ich würde meinen, der Wunsch des Jugendlichen, im Sommer am Abend bis 23 oder 24 Uhr arbeiten zu wollen, wird sich in der Regel in Grenzen halten. (Ruf: Geh, da kennst du andere als ich!) Das ist keine Hypothese, soweit kenne ich Jugendliche auch.

Aber worum geht es? – Es geht um einen Antrag, in dem versucht wird, wegen der Sommerzeit die Nachtruhe, die Ruhezeit um eine Stunde zu verschieben. Ich muß Ihnen sagen, diese Aufregung und dieses Problem sind es eigentlich nicht wert, darüber eine Debatte abzuführen. (Ruf: Warum haben Sie sich dann zu Wort gemeldet?)

Kollege Wabl hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß es ohnehin ein Problem mit der Sommerzeit gibt, und zwar nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei den Viechern, weil sich die nicht an die Umstellung gewöhnen. Und natürlich gibt es auch bei den Menschen das Problem der biologischen Umstellung. Bevor Sie daher aufgrund dieser einen Stunde lange ideologische Debatten abführen, die sozusagen den Lehrlings- und den Jugendschutz prinzipiell über Bord werfen wollen oder auch nicht, würde ich Ihnen empfehlen: Schaffen wir doch lieber die Sommerzeit ab, dann sparen wir uns das Problem! Sie bringt uns ohnehin nicht viel. (Beifall bei den Grünen.)

14.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Frau Abgeordnete, ich wurde informiert, daß Sie eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten wünschen. Ich stelle daher die Uhr so ein.

14.25

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! An Herrn Kollegen Öllinger gerichtet: Wir Freiheitlichen sind schon der Meinung, daß Gesetze dazu da sind, daß man sie einhält und daß sie auch einhaltbar sind, daß sie so gemacht werden, daß sie praktikabel sind. Das unterscheidet uns natürlich gewaltig von der grünen Einstellung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Zum Beispiel bei den Werkverträgen!) Ich bemühe mich aber, bei diesem Problem sachlich zu bleiben.

Wir haben heute tatsächlich – das ist schon angesprochen worden – den Tag des Kindes, und es hat in der letzten Zeit in der Medienberichterstattung insgesamt zwei Themen gegeben, die Kinder besonders betroffen haben.


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Erstens ist das die sexuelle Ausbeutung von Kindern. Diese haben wir gestern hier im Hohen Haus behandelt, und da bin ich sehr wohl der Meinung, daß wir in Österreich in gewissen Bereichen Handlungspflicht hätten. Es hat sich ja dann auch im Verlauf der Debatte und der Anträge, die noch gekommen sind, gezeigt, daß man insgesamt dieser Meinung ist.

Was den Kinderschutz in bezug auf Arbeitsleistung betrifft – auch das war in letzter Zeit international medial ein Thema –, bin ich der Meinung, daß wir in Österreich – im internationalen Vergleich – sehr, sehr gut liegen. In Österreich haben wir ganz strenge Schutzbestimmungen, die durch das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz geregelt sind, Frau Kollegin Wurm, aber ich habe den Eindruck, Sie kennen das nicht, wenn Sie solche klassenkämpferischen Töne anschlagen. Man gewinnt den Eindruck, Sie wollen insgesamt die Arbeit für Jugendliche verbieten.

In diesem Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz ist im Abschnitt II die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen – vor allem jene von Kindern – ganz genau definiert, unterschiedlich bis zum zwölften Lebensjahr und darüber hinaus, und im Abschnitt III beginnen dann die Schutzvorschriften für Jugendliche, also auch für Lehrlinge, um die es heute geht.

Da gibt es genaueste Regelungen der Arbeitszeit, eine genaueste Aufteilung zwischen Schule und Arbeitszeit, eine genaueste Aufzählung der Ruhepausen, der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung und auch den § 17, in dem es um die Nachtruhe geht. Und dort wollen wir Freiheitlichen mit unserem Antrag eine kleine Ergänzung, eine kleine Anfügung, die sich dadurch ergeben hat, daß eben in Österreich die Sommerzeit eingeführt wurde.

Wenn ich das nun aus der Sicht des Schutzes für Kinder betrachte – da bemühe ich mich wirklich –, dann muß ich sagen, daß diese Regelung völlig unproblematisch ist, vor allem schon einmal deshalb, weil ausdrücklich von uns gesagt wird, daß sie nicht zu erfolgen hat, wenn es nicht die Zustimmung der Eltern gibt oder eventuell auch des Betriebsrates, sofern einer vorhanden ist. Also kann dann, auch wenn es im Gesetz steht, nicht der Arbeitgeber allein bestimmen: Du hast jetzt zu arbeiten!, sondern es braucht diese Zustimmung.

Es ist keine zeitliche Mehrbelastung, wie Sie uns hier klarzumachen versucht haben, es ist nur eine Zeitverschiebung, von der ich glaube, daß sie insgesamt dem Lebensrhythmus der Jugendlichen überhaupt nicht entgegensteht. Außerdem ist klar, daß es dann, wenn der Jugendliche das nicht will, auch nicht zum Tragen kommt.

Andererseits ist es schon so, daß diese Regelung mehr dem Erfordernis nach dem tatsächlichen Bedarf der Arbeitsleistung, vor allem in der Gastronomie, entsprechen würde. Und jetzt sind wir beim Thema, das ja auch in den vorhergehenden Wortmeldungen angeschnitten wurde. Von Ihnen ist Klassenkampf pur betrieben worden, vom Herrn Abgeordneten Peter ist jedoch in sehr eindringlicher und ausführlicher Weise versucht worden, auf die Problematik im Bereich der Beschäftigung von Jugendlichen im Tourismusgewerbe einzugehen. (Abg. Dr.  Mertel: Das war auch Klassenkampf!) Ich aber glaube, es ist vor allem auch ein legales Recht des Unternehmers, des Lehrherrn, Lehrlinge dann einsetzen zu wollen, wenn die Arbeit anfällt. Es soll ja bitte wirklich nicht so sein, daß er nur dazu da ist, Lehrlinge heranzubilden, also die Ausbildungsleistung zu erbringen, denn dann ist das derzeitige System, so wie es sich jetzt darstellt, noch viel ungerechter.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Berechnungen der Wirtschaftskammer, die ganz deutlich herausgearbeitet hat, daß es, auch wenn man die Arbeitsleistung der Lehrlinge in Zahlen in die Berechnung einbringt, immer noch in die Zigtausende Schilling jährlich geht, die der Lehrherr in diese Ausbildung investiert. Das ist je nach Beruf und je nach Lehrjahr unterschiedlich, aber das ist ein Faktum, das Sie nicht wegdiskutieren können. Der Lehrherr erbringt hier eine ganz gewaltige Leistung. Und daß es heute unter anderem vorwiegend Kostengründe sind, warum sich die Betriebe nicht mehr bereit erklären wollen und können, Lehrlinge verstärkt anzustellen, darüber braucht man, wie ich glaube, auch nicht zu diskutieren.

Ein weiterer Aspekt: Ich glaube, daß man hinsichtlich dieses Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes und vor allem hinsichtlich der anschließenden Verordnung, die über 20 Seiten – 20 Seiten! – nur Schutzvorschriften für Jugendliche enthält, in denen es nur darum geht, was sie


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nicht tun dürfen, und angesichts der Tatsache, daß es heute in der Praxis so aussieht, daß Jugendliche am ersten Schultag in der Berufsschule dahin gehend informiert werden, was sie nicht tun dürfen – zum Beispiel nicht zur Bank gehen oder nicht auf eine Leiter steigen, die mehr als 40 Zentimeter hoch ist –, wirklich einmal nachdenken muß, ob diese Verordnung nicht in gewissen Bereichen überzogen ist oder in der Praxis überzogen angewendet wird, wie ich es immer wieder bemerken muß.

Ich finde es einfach nicht richtig, daß Elektrolehrlinge, die man ausbilden soll, nicht auf eine Leiter steigen dürfen, die mehr als 40 Zentimeter hoch ist, oder nicht mehr als 40 Zentimeter in eine Grube hinabsteigen dürfen. Bitte, dann können sie auch nicht ausgebildet werden.

Ich glaube, man muß sich überlegen, ob man in der Praxis nicht teilweise des Guten zuviel gemacht hat, obwohl ich mich zu einem wirklich durchgehenden Schutz der Jugend bekenne.

Es wurde auch schon auf die beginnende Jugendarbeitslosigkeit hier in Österreich hingewiesen. Die dramatische Entwicklung steht vor unserer Tür, das brauche ich nicht zu beweisen. Daß es nicht nur die Gründe sind, die ich heute genannt habe, ist erwiesen, aber unter anderem auch diese. Ich glaube daher, die Koalition wäre wirklich gut beraten, zumindest in so kleinen Punkten zu signalisieren, daß sie flexibel ist. Es ist ein Erfordernis der heutigen Zeit. Wenn Sie dazu nicht fähig sind, dann – da möchte ich meinen Kollegen Dolinschek wiederholen – braucht es einen nicht zu wundern, wenn es in Österreich mit der Wirtschaft immer mehr bergab geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Dr. Trinkl gemeldet. – Bitte, Sie haben das Wort.

14.33

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern ausführlich über die Problematik der Lehrlingsausbildung in Österreich diskutiert. Wir haben, so meine ich, einvernehmlich festgestellt, daß dieses Ausbildungssystem unbestritten ist und daß wir um dieses System in ganz Europa beneidet werden. Mögen die Gründe dafür vielfältig sein, Tatsache ist jedenfalls, daß das Angebot an Lehrstellen dramatisch zurückgegangen ist.

Wenn man nun davon ausgeht, daß nur Betriebe Lehrplätze anbieten können, so muß man einfach fragen, warum immer mehr Betriebe von einer Lehrlingsaufnahme abgehen und sich immer weniger Betriebe dieser Aufgabe stellen. Und will man das Problem lösen, so muß man auf die Argumente dieser Betriebe eingehen. – So einfach ist das!

Ich habe kürzlich mit einem Tischlermeister gesprochen – sehr erfolgreich, ein toller Betrieb –, wie er das Problem der Lehrlingsausbildung sieht. Und er sagte mir: Die finanzielle Seite tut mir nicht so weh, die muß ich über die Kalkulation in den Griff zu bekommen versuchen. Was er aber nicht akzeptieren kann, was ihn belastet, das sind die Bestimmungen des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes und hier vor allem der dazugehörigen Verordnung, wonach er zum Beispiel Lehrlinge nur in der zweiten Hälfte der Lehrzeit an die Maschine lassen darf. Was macht aber ein Tischler mit einem Lehrling in den ersten eineinhalb Jahren? Es gibt in einer Tischlerei heute keine Tätigkeit, die ohne Maschine durchgeführt wird. Übrigens: Im Poly, in der berufsbildenden höheren Schule, in der Berufsschule, dort darf der Jugendliche an die Maschine – interessanterweise. Und er sagte mir auch, er ist einfach nicht mehr bereit, sich immer mit einem Fuß in der Illegalität zu bewegen. Er hat das nicht notwendig, und er tut das auch nicht mehr.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Ein Malerlehrling darf nicht aufs Gerüst; das hat die Kollegin schon angeführt. Jetzt hat mich ein Malermeister erst kürzlich gefragt, ob er Engerl mit Flügerln einstellen muß, die bei einer Fassade hinauffliegen. (Abg. Tichy-Schreder: Ja!)


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Oder: Ein Dachdecker darf nicht aufs Dach. Allerdings nur wenn er Lehrling ist, denn wenn ein Gleichaltriger Hilfsarbeiter ist, darf er hinauf.

Frau Wurm! Wirtschaftsfreundlich sind diese Bestimmungen nicht. (Abg. Haigermoser: Arbeitsplatzvernichtend!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschaft ändert sich täglich. Daraus ergeben sich auch Aufgaben für den Gesetzgeber. (Abg. Haigermoser: Aber die Abgeordneten wissen das nicht!) Wir müssen praxisfremde Vorschriften so anpassen, daß man den Betrieben die Ausbildung wieder ermöglicht und daß der Unternehmer nicht ständig Angst vor dem Arbeitsinspektor haben muß.

Grundsätzlich hinterfragen sollten wir meiner Meinung nach, wenn wir das Problem diskutieren, den Anwendungsbereich des Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetzes. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß sich die Gesellschaft in den letzten 40 Jahren verändert hat. Ein 18jähriger wird heute grundsätzlich als Erwachsener betrachtet. Er darf Auto fahren, er darf wählen, er darf zum Bundesheer, ja er darf, wie wir gestern gehört haben, seinen eigenen Pornofilm kaufen (Abg. Haigermoser: Mitspielen darf er nicht!) , und er darf selbst für seine Alimente aufkommen, nur arbeiten darf er nicht wie ein Erwachsener, das heißt, er darf schon – vorausgesetzt er ist kein Lehrling. Auch diese Bestimmung stößt auf Unverständnis bei Betrieben und Beschäftigten, und man tut auch den jungen Leuten nichts Gutes damit. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. – Abg. Haigermoser: Das müßt ihr ändern! Ihr seid in der Regierung! – Abg. Dr. Khol macht eine Geste in Richtung SPÖ.)

Wir sollten den Mut haben, auf solche gesellschaftlichen Veränderungen einzugehen. Im übrigen entspricht das auch voll der EU Richtlinie. (Abg. Haigermoser: Trinkl, du kannst das gleich beweisen!) Wir werden das beweisen, wir werden uns sehr bemühen. (Abg. Haigermoser: Du kannst gleich deinen Mut beweisen und mit uns mitstimmen!) Nur, in der ersten Lesung stimmen wir nicht ab, Herr Kollege. (Abg. Haigermoser: Der Kollege Peter macht auch mit, und dann ...!) Dann sind wir zu dritt. Jawohl! (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Du zeigst Mut nur vor dem eigenen Spiegel!)

Das wohl schwerwiegendste Problem für viele Ausbildungsbetriebe sind die starren Arbeitszeitregelungen. Es ist heute geradezu unmöglich, einen Lehrling auf eine Baustelle mitzunehmen, meine Damen und Herren, weil er andere Arbeitszeiten hat als ein Erwachsener. Wie soll er aber ein guter Facharbeiter werden, wenn er sein erlerntes Wissen nicht anwenden kann? Es ist heute weder eine Durchrechnung noch das Einarbeiten von Feiertagen möglich.

Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, daß die Anforderungen für die einzelnen Branchen unterschiedlich sind. Es ist ein Unterschied, ob jemand im Handel tätig ist oder in einem Industriebetrieb, in dem Schichtbetrieb herrscht. Flexibilität sollte kein Schlagwort sein, und ich bitte auch den Sozialpartner und auch den Koalitionspartner, hier ein wenig an Flexibilität zur Anwendung zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir die Betriebe bewegen wollen, wieder Lehrlinge aufzunehmen, dann müssen wir zeitgemäße Rahmenbedingungen geben. Ich bin der Meinung, wir sollten es tun. Im Interesse unserer Jugendlichen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 239/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu.

3. Punkt

Erste Lesung des Antrages 6/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Öffnungszeitengesetz 1991 (BGBl. Nr. 1992/50) aufgehoben wird


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4. Punkt

Erste Lesung des Antrages 14/A der Abgeordneten Mag. Helmut Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz – GewG) 1996

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung: Erste Lesung des Antrages 6/A der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Öffnungszeitengesetz 1991 (BGBl. Nr. 1992/50) aufgehoben wird, sowie erste Lesung des Antrages 14/A der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz – GewG) 1996.

Wir gehen in die Debatte ein.

Der Geschäftsordnung entsprechend erhält zunächst der Antragsteller, das ist Mag. Peter, das Wort. Ich erteile ihm zu beiden Anträgen das Wort und mache darauf aufmerksam, daß dieser Tagesordnungspunkt um 15 Uhr unterbrochen werden muß, weil wir einen Dringlichen Antrag zu behandeln haben.

Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

14.41

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident Dr. Neisser! Meine Damen und Herren! Präsident Fischer hat gestern einen Preis ausgelobt, nämlich in der Sendung "ZiB 2". Er hat gesagt: Wer ein Mittel gegen die Gesetzesflut weiß, kriegt den Preis. – Bitte, ich bewerbe mich heute um diesen Preis. Ich bewerbe mich um diesen Preis, weil ich meine, daß ganz einfach in unseren Köpfen etwas stattfinden muß. (Abg. Dr. Graf: Wie der Tausender der Frau Kollegin Ederer!) Ich werde sehen, vielleicht gewinne ich ihn doch. Ich habe zwar wenig Hoffnung, aber ich werde es probieren.

Es muß in unseren Köpfen etwas stattfinden. Wir brauchen nur Vertrauen zu den Menschen zu haben, denn die Menschen wissen – nicht alle, aber immer mehr –, was sie wollen. In zunehmendem Maß ist eine zunehmende Anzahl von Menschen, die über ihr Leben und ihre wirtschaftliche Tätigkeit entscheiden wollen, selbstbestimmt.

Verwechseln wir doch nicht immer wieder den unverzichtbaren Schutz der Mitarbeiter, den niemand in Frage stellt, mit Bevormundung, Entmündigung oder Detailregulierungen. Meine Damen und Herren! Nehmen wir als Politiker uns doch einmal ein bißchen zurück in unserem Anspruch, alles reglementieren zu können. Definieren wir Märkte, Spielräume, Rahmenbedingungen, und halten wir die Schutzbestimmungen, die dann noch notwendigerweise übrigbleiben, ganz rigoros ein, damit Mißbrauch nicht passieren kann. Das ist die Grundvoraussetzung, um diesen Preis gegen die Gesetzesflut gewinnen zu können.

Wir leben vor der Jahrtausendwende, Endzeitpropheten treten auf, sie schreiben Bücher – "die Globalisierungsfalle". Ich möchte an dieser Stelle Herrn Martin und Herrn Schuhmann für ihr hervorragendes Marketing für ihr Buch gratulieren. Ich hoffe, das Buch ist nur annähernd so gut wie das Marketing, das sie für dieses Buch betrieben haben. Die Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung sind ohne Zweifel keine neue protektionistische Falle. Die Antworten können nur sein, daß wir die marktwirtschaftlichen Regelmechanismen und die Deregulierung des Welthandels besser verstehen und in den wohlhabenden Industriestaaten lernen zu akzeptieren, daß die newly industrialized countries, die heute dort sind, wo wir vor 50, 60 oder 70 Jahren waren, mit denselben Mitteln aufholen, mit denen wir erfolgreich waren, daß sie uns eine schmerzhafte Konkurrenz geworden sind und der Weg zu gerechterer Wohlstandsverteilung auf dieser Erde nicht nur durch Entwicklungshilfe vor sich gehen kann, sondern vor allem durch eigene wirtschaftliche Leistung.

Die Antwort Österreichs – ich komme jetzt sehr bald zum Ladenschluß und zur Gewerbeordnung –, die Antwort eines hochentwickelten Industrielandes mit hohem Ausbildungsniveau,


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mit hoher Produktivität, mit Stabilität und Sicherheit auf diese weltweite Herausforderung ist nicht neuer Protektionismus, ist nicht neue Reglementierungswut. Die Antwort ist das Vertrauen in die Menschen unseres Landes, in ihre Ausbildung, in ihre Kraft, die Bildung neuer Spielräume für ihre Kreativität und das Fassen weiterer Rahmen, um die Menschen das leisten zu lassen, was sie gerne tun.

Beide Anträge, die wir heute in erster Lesung diskutieren, zielen in diese Richtung. Meine Damen und Herren! Die Aufhebung des Ladenöffnungszeitengesetzes ist schon lange überfällig. Wer die verkrampfte Diskussion zu diesem Thema in den letzten Wochen, Monaten, Jahren verfolgt hat, wer die Diskussion in Deutschland sieht und dann den Herrn Wirtschaftsminister hört, der sagt: Die Deutschen haben es gemacht, jetzt müssen wir es auch machen!, der muß feststellen: Das ist doch dieses Hohen Hauses und des Parlaments nicht würdig!

Meine Damen und Herren! Kundenwünsche sind nicht regelbar. Wenn Sie Kundenwünsche regeln, verlieren Sie sie. Das muß die Politik einmal verstehen! (Beifall beim Liberalen Forum.) Wer sich Kundenwünschen verweigert – ich werde nicht müde, das immer wieder hier zu wiederholen –, wird weniger Umsatz, weniger Wertschöpfung und weniger Beschäftigung haben. Das ist das eherne Gesetz, unter dem wir heute nun einmal leben.

Ich habe auf die Wichtigkeit des Mitarbeiterschutzes bereits hingewiesen, auf die Wichtigkeit des Mitarbeiterschutzes in einem Rahmen, den der einzelne Mitarbeiter mit allen innerbetrieblichen Mitbestimmungsebenen besser vertreten kann.

Wer sein Geschäft nicht aufsperrt, wird Kaufkraft verlieren, denn das Kaufkraftvolumen in Österreich ist nicht fix, es ist keine feste Größe. Wer nicht aufsperrt, wird an die Substitutionskonkurrenz Umsätze verlieren, und zwar an den Versandhandel und an Auslandseinkäufe, weil Österreicher im Ausland einkaufen gehen. Um 31 Milliarden Schilling haben Österreicher im Jahr 1995 im Ausland eingekauft. Darin stecken allein für den Herrn Finanzminister "lockerlich" – fürs Protokoll: "lockerlich" mit "lich" hinten – 4 Milliarden Schilling. Wer nicht aufsperrt, wird den Verlust von frei verfügbarem Einkommen im Bedienungshandel erleben und die Kaufkraft unserer Gäste verlieren, die in der erfolgreichen Tourismusstadt Wien herumgehen und nichts einkaufen können.

Meine Damen und Herren! Wer Beschäftigung im Handel will, muß das Öffnungszeitengesetz aufheben und sich auf die berechtigten individuellen Wünsche der MitarbeiterInnen in den Betrieben konzentrieren. Dort ist der einzige Regelungsbedarf – aber nicht hinsichtlich der Öffnungszeiten. Die Öffnungszeiten können Sie freigeben. Die Frage: Wie kann ich auf die individuellen Wünsche der Mutter mit Kindern eingehen? ist wichtig. Aber nur 25 Prozent der Haushalte in Österreich haben schulpflichtige Kinder. Warum dürfen die anderen nicht? – Hören Sie doch endlich auf zu glauben, daß wir den Menschen kollektiv vorschreiben können, wie es auf dieser Welt funktionieren soll.

Zweiter Punkt: Gewerbegesetz 1996. Wir Liberale haben uns die Mühe gemacht, die alte Gewerbeordnung nicht nur zu durchforsten und sie in einem feierlichen Akt in einen Biedermeierschrein im Gewerbemuseum einzusperren, sondern wir haben auch ein neues Gewerbegesetz entwickelt, das aus 58 Paragraphen besteht und der klare Vorschlag der Liberalen Partei dieses Landes ist. Er zeigt, wie wir meinen, daß man die Gewerbefragen regeln sollte.

Es ist ein ganz ähnlicher Fall wie bei der Ladenschlußdebatte und beim Öffnungszeitengesetz: Reglementierungen verhindern auch da die Nutzung von Marktchancen, Bürokratisierung tötet die Privatinitiative, und Überreglementierungen hemmen die Kreativität. (Beifall beim Liberalen Forum.) Bitte, ja, Sie sind jetzt dran. (Abg. Dr. Schmidt: Das paßt gar nicht! Bei so etwas kann man ja nicht klatschen!)

Qualität, Frau Dr. Schmidt, hat nichts mit Befähigungsprüfung von gestern zu tun. Qualität, Frau Vizepräsidentin Tichy-Schreder, muß täglich neu bewiesen werden. Jede Qualifikation ist zu befürworten. Aber die Meisterprüfung dient dem Kunden und nicht der Befriedigung der Zunftbehörde. (Beifall beim Liberalen Forum.) Jetzt ist es richtig!


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Der Kunde entscheidet, was Qualität ist, und nicht die Zurufe der Kommerzialräte. (Abg. Blünegger: Bravo!) Nicht Gewerbeberechtigung und Einverleibungsgebühren, sondern Kundenwünsche bestätigen die Tätigkeit des Unternehmers.

Unser von uns allen so geschätzter und geachteter Präsident Maderthaner hat in väterlicher Fürsorge und Güte bestimmt, wo wir Österreicher, wir Kunden einkaufen dürfen. Er hat uns das über den "Kurier" wissen lassen: Auf dem Plan von Leopold Maderthaner – so sprach er – für eine Entlastungsoffensive der Klein- und Mittelbetriebe: Die Nahversorger – horribile dictu – dürfen jetzt Tee und Kaffee ausschenken. Sie dürfen – was lese ich hier? – Putzereiaufträge übernehmen, einfache Besorgungsgeschäfte erledigen und kleine Reparaturen durchführen. – Ja was sagen dazu die Fachgruppen, die Innungen und die Kommerzialräte? – Das sagt der Präsident der Wirtschaftskammer.

Er sagt uns aber auch noch folgendes: Der Konkurrenz durch die bäuerliche Direktvermarktung hingegen wird der Kampf angesagt. – Das heißt also: Es gibt einen Mann in Österreich, unseren "großen Vater Maderthaner", der in seiner Weisheit genau festlegt, wer was darf und wer was nicht darf, wer Konkurrenz ist und was gut ist. Was werden denn die Reparaturgeschäfte sagen, wenn sie der Handel konkurrenziert?

Meine Damen und Herren! Merken Sie nicht, daß wir mit dem, was wir reglementieren, total in die Irre laufen? Haben wir doch den Mut, Gewerbefreiheit zu gewähren und den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt in den Vordergrund zu stellen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Die Lehrlingsausbildung – ich sage das, weil ich schon so oft bewußt mißverstanden wurde – ist davon unberührt; sie ist ein Teil der sekundären Bildungsstufe. Selbstverständlich ist die Lehrlingsausbildung an eine Meisterprüfung zu binden – diese ist ein großartiges Instrument, aber nicht als Zugangshürde –, an eine Ausbilderprüfung – selbstverständlich, denn da geht es um die sekundäre Bildungsstufe, um junge Menschen – und an ein Feststellungsverfahren.

Auch die Haftpflichtversicherungsfrage ist locker zu klären. Ich habe die Zwischenzeit genützt, um nicht nur mit österreichischen, sondern auch mit ausländischen Versicherungen zu sprechen. Diese sagen: Wir sind ja dazu da, Haftpflichtversicherungsfälle zu übernehmen. Es ist ja unser Brot, risk management zu machen. – Ich gebe allerdings zu, daß die eine oder andere Versicherung in Österreich das Wort "risk management" noch nicht in ihrem Vokabular hat.

Die Vereinfachung des Betriebsanlagenrechtes ist sehr wesentlich, um neue Betriebe anzusiedeln.

Meine Damen und Herren! Ich fordere das Hohe Haus allen Ernstes auf – vor allem die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses –, einen Antrag, der seit 15. Jänner 1996 in Ihrem Ausschuß liegt, gnädige Frau (Abg. Dr. Graf: Was?), der von Ihnen dort geparkt und nicht behandelt wurde, endlich zu behandeln, einen Unterausschuß des Wirtschaftsausschusses für die Frage Gewerberecht einzusetzen und dieses Thema nicht totzuschweigen, sondern darüber zu reden. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Ich mache Sie darauf aufmerksam: Ich muß Sie um Punkt 15 Uhr unterbrechen, und Sie müssen dann sagen, ob Sie nach der Unterbrechung fortsetzen wollen oder nicht.

14.51

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident, ich werde sicher nicht danach fortsetzen.

Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Mag. Peter, ich gratuliere Ihnen dazu, daß Sie sich wirklich der Mühe unterzogen haben, ein neues Gewerbegesetz vorzustellen. Hut ab davor! – Aber ich bin mir nicht sicher, ob Sie es auch gelesen haben, speziell, Herr Kollege Mag. Peter und auch Frau Dr. Schmidt, die Erläuternden


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Bemerkungen. Diese sind für mich amüsant. Ich habe darüber wirklich herzlich gelacht; Gott sei Dank kann man auch in der Politik lachen.

Ich darf Ihnen einige "Zuckerl" vorlesen, warum man verschiedene gebundene Gewerbe und so weiter nicht braucht. Ein Beispiel: Zu den Keramikern und Emailleuren ist festzuhalten, daß sich Produkte dieser Berufsgruppe in musealer Qualität in steinzeitlichen und pharaonischen Gräbern finden. – Aus diesem Grund braucht man keinen Gewerbeschein, denn damals gab es keine Gewerbeausbildung. Bei den Buchbindern bedenke man die Folianten aus dem 11. und 12. Jahrhundert.

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen – ich werde den Verdacht nicht los, da war ein Mann an einem Schreibtisch am Werke, der noch nie in einem Betrieb tätig war –: "Zu verweisen ist" – nämlich bei der Gruppe der Nahrungs- und Genußmittelgewerbe – "auf den Umstand, daß nahezu jeder Haushalt in Österreich imstande ist, Brot und Torten zu backen sowie Fleisch zu zerteilen. Auch das Mahlen von Getreide und das Herstellen von Käse wird durchaus erfolgreich im Haushalt praktiziert" – ich schaue es mir an bei ihm! –, "in großem Umfang betrieben ist aber für diese Gewerbe ein derartiger Kapitaleinsatz erforderlich, daß es dem gesunden Menschenverstand widerspräche ..." (Abg. Haigermoser: Dieser Antrag ist Käse, wie ich höre!)

Meine Damen und Herren des Liberalen Forums! Sie legen solch großen Wert auf das Wort, und "gesunder Menschenverstand" bin ich eher von den Freiheitlichen gewohnt und nicht vom Liberalen Forum (Abg. Haigermoser: Danke!) Diese Diktion findet sich nicht nur einmal hier, das möchte ich feststellen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Wir sind von der ÖVP diesen gesunden Menschenverstand nicht gewöhnt!)

Besonders amüsiert hat mich auch: "Das Gewerbe der Fußpfleger erbringt mit einiger Regelmäßigkeit jedermann an sich selbst." – Meine Damen und Herren! Es kann doch dieser Antrag mit diesen Erläuterungen nicht ernst gemeint sein. Ich hätte mich gefreut, Herr Mag. Peter, wenn Sie über die "Erläuterungen" – unter Anführungszeichen – etwas drübergegangen wären. Dann wäre nicht nur der "gesunde Menschenverstand" herausgekommen, sondern auch die Bedeutung der Ausbildung, die Sie Gott sei Dank zu recht angeschnitten haben.

Hinsichtlich des Betriebsanlagenrechts gehe ich in einigen Punkten mit Ihnen d’accord; auch bei diesen Listen, man könnte über einiges sprechen, selbstverständlich.

Herr Mag. Peter! Zu den Kommerzialräten: Sie wissen, das ist eine Eigenschaft der Österreicher, jeder bemüht sich um Titel, egal von welcher Fraktion. Wenn es noch keinen entsprechenden Titel gibt, wird einer erfunden. (Abg. Mag. Stadler: Sind Sie auch Kommerzialrätin?)

Herr Mag. Stadler! Ich komme jetzt zum Öffnungszeitengesetz des Liberalen Forums und muß Ihnen sagen: Ich freue mich ganz außerordentlich über die Vorschläge zur Ladenöffnung, darüber, daß alles liberalisiert werden soll. Auch die Betroffenen sind für Liberalisierung in gewissen Bereichen. Nur eines: Die Politik muß Rahmenbedingungen vorgeben.

Es geht darum, daß die Kunden selbstverständlich die Möglichkeit haben sollen, einzukaufen, ein erweitertes Angebot anzunehmen, aber es gibt darüber hinaus noch etwas anderes: Wir sprechen oft davon und weisen immer wieder auf die Bedeutung der Nahversorgung hin. Wenn Sie die Öffnungszeiten völlig liberalisieren – es kann jeder offenhalten, solang er will, rund um die Uhr, er kann es sich selbst einteilen –, kommt es darauf an, wo es stattfindet. Wir haben heute schon festgestellt – wir sehen das in den Städten und in den Dörfern –, daß die Einkaufszentren, die im Umkreis von Städten sind, einen hohen Zuspruch der mobilen Bevölkerung haben, aber die älteren Menschen – Gott sei Dank werden wir in Österreich älter – finden weniger Einkaufsmöglichkeiten vor, weil die Betriebe von den Stadtzentren, den Ortskernen abwandern. (Abg. Mag. Peter: Das ist der Effekt des Ladenschlusses!)

Herr Abgeordneter Mag. Peter! Es geht um mehr in diesem Zusammenhang, und ich bin überzeugt davon, daß wir eine Lösung finden werden, aber die totale Liberalisierung, so wie Sie sie


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sich vorstellen, wird nicht in diesem Ausmaß möglich sein, denn es hängt nicht nur davon ab, daß die Unternehmer öffnen wollen, sondern auch von der Bereitschaft der Arbeitnehmerschaft, die da andere Vorstellungen haben kann. Es wären heute schon viel mehr Betriebe bereit, täglich bis 19.30 Uhr, was jetzt schon möglich wäre, zu öffnen, wenn es nicht die Zuschlagsregelung im Kollektivvertrag gäbe, nämlich daß innerhalb der 38,5-Stunden-Woche ab 18.30 Uhr 70 Prozent Zuschlag zu bezahlen sind.

Meine Damen und Herren! Ich möchte an die Sozialdemokratische Partei, an die Vertreter der Gewerkschaft, die ja den Kollektivvertrag ausverhandeln, appellieren: Es dürfen in Zukunft in Österreich nicht mehrere verschiedene Normen parallel nebeneinander bestehen. Großbetriebe, in denen es um viele Arbeitsplätze geht, regeln es sich selbst, finden andere Vereinbarungen, Kleinbetriebe fallen in einen größeren Kollektivvertrag, und diesen diktiert man. Das ist mein Problem, denn wir brauchen nicht Ungleichgewichte in der Arbeitnehmerschaft. Es ist das daher für die Zukunft zu überlegen.

Ich bitte die Arbeitnehmervertreter, dafür zu sorgen, daß es nicht verschiedene Arten von Arbeitnehmern gibt, jene in den Großbetrieben, die sich selbst organisieren, und jene in den kleinen Betrieben, die kujoniert werden. Das müßten wir überlegen! (Beifall bei der ÖVP.)

14.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich unterbreche jetzt die Debatte zu diesen Tagesordnungspunkten und werde um Punkt 15 Uhr den Dringlichen Antrag 290/A (E) zur Behandlung aufrufen.

Die Sitzung ist bis 15 Uhr unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Abhaltung einer Volksabstimmung über die immerwährende Neutralität Österreichs (290/A) (E)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen jetzt zur Behandlung des Dringlichen Antrages 290/A (E).

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, das geltende Bundesverfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität zu beachten und zu vollziehen.

2. Der österreichische Vertreter bei der Regierungskonferenz über die Änderung der Unionsverträge möge keine Positionen einnehmen, die mit der österreichischen Neutralität unvereinbar sind. Bei neutralitätsrelevanten Entscheidungen im Rahmen der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" ist einer Änderung des Einstimmigkeitsprinzipes die Zustimmung zu verweigern.

3. Die Aussage von Botschafter Scheich, wonach Österreich für einen schrittweisen Übergang zu Mehrheitsentscheidungen im Rahmen der GASP eintritt, ist gegenüber den anderen EU-Mitgliedsstaaten zurückzunehmen.

4. Jede Revision des Maastrichter EU-Vertrages, die zu einer weiteren Einbindung der WEU in die Sicherheitspolitik der EU führt, ist ebenso wie ein österreichischer WEU- oder NATO-Beitritt, noch vor Aufnahme von Beitrittsverhandlungen einer Volksabstimmung zu unterziehen.


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5. Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, die für eine Volksabstimmung über Staatsverträge notwendigen verfassungsrechtlichen Grundlagen dem Nationalrat in Form einer Regierungsvorlage zuzuleiten.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieses Antrages unter Verweis auf § 93 Abs. 1 verlangt.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler zur Geschäftsordnung gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

15.00

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Der Dringliche Antrag der grünen Fraktion hat mehrere Mitglieder der Bundesregierung zum Adressaten.

Ich entnehme diesem Antag, daß expressis verbis im Punkt 1 als Adressat die gesamte Bundesregierung genannt ist.

Aus dem Antragspunkt 2 ergibt sich aufgrund des Bundesministeriengesetzes, daß der Adressat offenkundig der Außenminister ist.

Aus dem Antragspunkt 3 ergibt sich, daß ebenfalls der Außenminister, in dessen Vertretung Botschafter Scheich tätig ist, offenkundig Adressat ist.

Aus dem Punkt 4 ergibt sich, daß wiederum die gesamte Bundesregierung Adressat des Antrages ist.

Und im Punkt 5 wird wieder expressis verbis die Bundesregierung als Adressat des Antrages genannt.

Herr Präsident! Ich ersuche unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 74a Abs. 4, wonach das zuständige Mitglied – zuständig im Sinne dessen, was im Dringlichen Antrag genannt ist – eine Erklärung abzugeben hat, und zwar vor Eingang in die Debatte eine entsprechende Stellungnahme zum Gegenstand – hierüber muß der Nationalrat nicht eigens befinden, es ist ein gesetzlicher Imperativ –, daß zumindest der Herr Außenminister bei der Debatte anwesend ist, weil er aufgrund des Bundesministeriengesetzes in zwei Antragspunkten unmißverständlich als Adressat aufscheint, und daß der Herr Bundeskanzler klarlegt, ob er für die restlichen Punkte dieses Dringlichen Antrages einen entsprechenden Beschluß der Bundesregierung hat und berechtigt ist, für die gesamte Bundesregierung in diesen inhaltlichen Fragen Stellung zu beziehen. (Abg. Schieder: Das ist er immer!) Das ist nicht klar, Herr Kollege Schieder, denn aus dem Bundesministeriengesetz ergibt sich dies nicht eindeutig. (Abg. Schieder: Seien wir froh, daß Sie nicht die gesamte Bundesregierung verlangen!)

Herr Kollege Schieder! Das wird das nächste sein, denn wenn der Herr Bundeskanzler nicht auf einen derartigen Beschluß verweisen kann, wird sich das aufgrund der Gesetzes- und Verfassungslage nämlich ergeben. Das ist eine Frage, die man bei der Antragseinbringung hätte prüfen sollen.

Nun ist die Bundesregierung als Organ – ich brauche Ihnen hoffentlich die Verfassung nicht extra zu erläutern – zweimal expressis verbis und einmal inhaltlich Adressat des Antrages, daher ersuche ich, Herr Bundeskanzler, um Klarstellung darüber, ob Sie über entsprechende Beschlüsse verfügen.

15.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zur Geschäftsordnung hat sich auch Herr Klubobmann Dr. Khol gemeldet. – Bitte.


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15.04

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte dieser Interpretation dieses Paragraphen der Geschäftsordnung entgegentreten.

Wir haben seinerzeit bei der Beschlußfassung des Dringlichen Antrages klargestellt, daß er an ein Regierungsmitglied geht, das heißt, daß ein Bundesminister beziehungsweise ein Mitglied der Regierung hier zu antworten hat.

Da aufgrund des Wortlautes des Dringlichen Antrages die Bundesregierung angesprochen ist und der Bundeskanzler erstens aufgrund des § 1 des Bundesministeriengesetzes eine Koordinationsbefugnis hat und zweitens die Bundesregierung auch zu vertreten berechtigt ist, ist also durch die Anwesenheit des Bundeskanzlers der Geschäftsordnung Genüge getan.

15.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier erstmals um die Anwendung des § 74a Abs. 3, und die Frage ist von grundsätzlicher Bedeutung. Ich glaube, daß man von der Interpretation her zumindest den Standpunkt vertreten kann, daß der Außenminister auch teilnehmen müßte, weil sich das zuständige Mitglied nach dem Inhalt des Antrages bestimmt.

Ich unterbreche kurz die Sitzung und bitte die Klubobmänner zu mir.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 15.05 Uhr unterbrochen und um 15.09 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf .

Ich möchte mich zunächst entschuldigen: Ich habe durch einen Irrtum nur die Klubobmänner zu mir gebeten, aber freundlicherweise sind die Klubobfrauen von selbst gekommen. Ich bitte um Nachsicht für dieses Versehen. (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ich halte zunächst einmal fest, daß bei Beginn dieser Debatte der Herr Bundeskanzler anwesend ist, auf der Regierungsbank sitzt.

Es handelt sich zweifellos um eine Grundsatzfrage, die wir in der Präsidiale noch einmal diskutieren würden, aber ich vertrete folgenden Standpunkt: Der Bundeskanzler ist Vorsitzender der Bundesregierung. Er ist nach dem Ministeriengesetz zuständig für die Angelegenheiten der allgemeinen Regierungspolitik und hat darüber hinaus, auch wenn er keine Richtlinienkompetenz hat, eine generelle Koordinationskompetenz, das heißt, er ist jenes Regierungsorgan, das auch für die Umsetzung etwaiger Willenskundgebungen, die sich an die gesamte Regierung richten, verantwortlich ist.

Aus diesem Grunde glaube ich, daß es ausreichend ist, daß bei dieser Behandlung des Antrages der Herr Bundeskanzler die Regierung als Ganzes vertritt.

Bitte, Herr Mag. Stadler.

15.10

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Zur Geschäftsordnung. Diese Ihre Interpretation mag bei allem Hängen und Würgen für die Antragspunkte eins, vier und fünf gelten, und selbst dort ist sie fraglich. Mit Sicherheit gilt sie nicht für die Antragspunkte zwei und drei, wo expressis verbis als Adressat des Antrages der österreichische Vertreter bei der Regierungskonferenz genannt ist. Und ich stelle mit Erstaunen fest, daß die ÖVP soeben erklärt hat, daß der österreichische Vertreter bei der Regierungskonferenz entgegen allen früheren Aussagen in der Öffentlichkeit, wo es sogar einen Streit zwischen den beiden Koalitionsparteien und sogar mit dem Bundespräsidenten gegeben hat, offensichtlich jetzt der Bundeskanzler ist. Dies ist nicht im Einklang mit der Geschäftsordnung,


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ist nicht im Einklang mit dem Bundesministeriengesetz und ist nicht im Einklang mit dem, was als Adressat im Antrag aufscheint.

Der dritte Antragspunkt nennt expressis verbis sogar namentlich den Botschafter Scheich, der in der Europäischen Union den Außenminister vertritt und nicht den Bundeskanzler. Das heißt, also auch hier ist ganz eindeutig, daß der Außenminister Adressat dieses Antrages ist.

Nur weil der Herr Außenminister derzeit Herrn Primakow zu Gast hat und uns nicht die Gnade erweist, im Parlament zu erscheinen, wird meine Fraktion diese Rechtsbeugung nicht akzeptieren. (Widerspruch bei der ÖVP.) Wenn diese Rechtsbeugung stattfindet, wird meine Fraktion nur noch durch ein Mitglied vertreten sein. Wir werden an dieser Rechtsbeugung nicht mitwirken.

15.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Mag. Stadler! Ich möchte noch etwas sagen, und dann gehen wir in die Debatte ein. Ich möchte mich gegen den Ausdruck "Rechtsbeugung" deshalb verwahren, weil dieser mir unterstellt, daß ich wissentlich eine Interpretation wähle, die mit der Verfassung nicht vereinbar ist.

Ich möchte noch einmal die drei Punkte wiederholen, warum ich es für voll vertretbar halte, daß der Herr Bundeskanzler bei dieser Debatte das zuständige Regierungsmitglied ist: Er ist Vorsitzender der Bundesregierung, er ist nach dem Ministeriengesetz für die allgemeinen regierungspolitischen Angelegenheiten zuständig, und er hat die Koordinationskompetenz. Er hat also eine umgreifende Einfluß- und Gestaltungsmöglichkeit auf die Bundesregierung.

Konkret zu Ihrer Frage hinsichtlich der Stellung der Regierung zur Regierungskonferenz innerhalb der Europäischen Union: Bitte, auch hier ist klargestellt – das ist in diesem Haus bekannt, weil der Hauptausschuß sich mehrfach damit auseinandergesetzt hat –, daß der Standpunkt, den der österreichische Vertreter in dieser Regierungskonferenz einzunehmen hat, durch ein generelles Papier und durch eine generelle Beschlußfassung der gesamten Bundesregierung legitimiert ist. Daher glaube ich auch, daß man meine Überlegung der Legitimation des österreichischen Bundeskanzlers ruhig auch auf diesen Fall anwenden kann.

Ich sage Ihnen noch einmal: Wir werden darüber in der Präsidiale diskutieren.

Wir treten jetzt in die Diskussion über den Dringlichen Antrag ein.

Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. Petrovic als erster Rednerin und als Antragstellerin das Wort. Ihre Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Bitte, keine weitere Diskussion mehr zu diesem Thema. – Frau Abgeordnete, bitte beginnen Sie.

15.13

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! (Nach heftigen Zwischenrufen verlassen die Freiheitlichen – bis auf Abgeordneten Scheibner – den Sitzungssaal.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Ich bitte jetzt ernstlich darum, die erforderliche Disziplin zu wahren! Wir beginnen jetzt mit der Diskussion über den Antrag.

Bitte, Frau Dr. Petrovic, lassen Sie sich nicht abhalten und einschüchtern.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): In der Geschäftsordnungsfrage zu diesem ersten Dringlichen Antrag, den die grüne Fraktion einbringt, sind wir in der Tat davon ausgegangen, daß der Bundeskanzler diese tatsächlich die Bundesregierung betreffenden Fragen beantworten wird. An die Adresse der Freiheitlichen gerichtet meine ich, daß es doch auffällt, daß sie jetzt offenbar davon ausgehen, daß diese neue Geschäftsordnung sehr viele weitere Möglichkeiten gegenüber der alten Geschäftsordnung beinhaltet. Umso bedauerlicher ist es, daß sie bei der Beschlußfassung nicht zugestimmt haben. (Beifall bei den Grünen, bei der SPÖ und beim Liberalen Forum. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)


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In der Sache geht es im Rahmen dieses Dringlichen Antrags um einen ganz zentralen Punkt, und deswegen ist es auch wichtig, daß der Bundeskanzler der Republik Österreich dazu Stellung nimmt. Denn aller Voraussicht nach ist heute die letzte Gelegenheit, auch vor einer wichtigen Entscheidung über die weitere österreichische Vertretung in der Europäischen Union der Bevölkerung in einer ganz zentralen Frage Klarheit zu bieten, und zwar einmal mehr in der Frage der Neutralität.

Herr Bundeskanzler! Dieser Dringliche Antrag geht über die Dringliche Anfrage, die wir vor der Sommerpause gestellt haben, noch um einiges hinaus. Wir glauben auch, daß es Anlaß dazu gibt, von Ihnen heute endlich eine Klarstellung zu erhalten, so oder so. Nicht nur wir in diesem Haus haben diesen Anspruch, sondern auch die österreichische Bevölkerung.

Der zentrale Punkt des Dringlichen Antrags bezieht sich darauf, daß wir von Ihnen, Herr Bundeskanzler, verlangen, und zwar für die ganze Bundesregierung verlangen, daß jede Revision des Maastrichter EU-Vertrages, die zu einer weiteren Einbindung Österreichs in die WEU oder gar in die NATO führen wird, ebenso wie ein WEU- oder NATO-Beitritt vor Aufnahme von Beitrittsverhandlungen einer Volksabstimmung zu unterziehen ist. Das heißt, es geht auch um die vorbereitenden Schritte, die Österreich in Richtung einer allfälligen WEU- oder NATO-Mitgliedschaft führen. Daß es dafür gute Gründe gibt, diesen Dringlichen Antrag einzubringen, das erklärt sich nicht nur aus dem Koalitionsübereinkommen, sondern das erklärt sich auch aus Ereignissen vom heurigen Sommer, die unserer Meinung nach mit der österreichischen Neutralität und mit einer aktiven Neutralitätspolitik schon lang nicht mehr im Einklang stehen.

Ich fürchte, Herr Bundeskanzler, es passiert dasselbe wie mit den Versprechungen der Bundesregierung zur Wirtschaftspolitik, zur Sozialpolitik. Auch da habe ich ja noch im Ohr, daß praktisch alle Vertreter der Bundesregierung, Sie miteingeschlossen, damals, vor dem 12. Juni 1994, immer wieder erklärt haben, es wird an den österreichischen Standards nicht gerüttelt. Sie haben sogar eine Garantie abgegeben: ein Plus an Arbeitsplätzen und keine Mehrbelastungen im Weg von Steuern.

Die österreichische Bevölkerung ist heute wie ein gebranntes Kind, denn diese Versprechungen wurden ganz klar nicht eingehalten: Belastungspaket nach Belastungspaket! Mit der Neutralität halten Sie es jetzt allerdings ein bißchen anders. Dort wird nämlich bereits vor einem allfälligen WEU- oder NATO-Beitritt eine Politik der scheibchenweisen Aufgabe der österreichischen Neutralität praktiziert. Es sind keine Ankündigungen mehr, sondern das findet in der Realität statt.

Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996: Es wird das Interesse an einer weiteren Konvergenz bekundet, also an einem Zusammenführen von EU und WEU, und auch, daß Österreich im Rahmen der Regierungskonferenz dafür eintreten wird, daß eine Beteiligung bei den sogenannten Petersberger Aufgaben möglich sein wird. Die Petersberger Aufgaben – darauf komme ich im folgenden noch zu sprechen – beinhalten ganz klar auch offensive Militäroperationen. Da geht es nicht mehr um die Verteidigung, sondern da geht es um die Angriffsbereitschaft.

Weiters, Herr Bundeskanzler, August 1996: 39 österreichische Berufssoldaten nehmen an Manövern im Rahmen der NATO-"Partnership-for-Peace" teil, und es wird dort zum Beispiel geübt, wie man in Dörfern Heckenschützen ausschaltet. Diese Dörfer ähneln etwa südamerikanischen Ortschaften, in denen die USA bereits ganz offensiv ähnliche Einsätze nicht geübt, sondern praktiziert haben.

Herr Bundeskanzler! Die Aufweichung der österreichischen Neutralität oder die potentielle Aufweichung der österreichischen Neutralität geht noch weiter. Im zuständigen Ausschuß des Europäischen Parlamentes wurde ein Bericht verfaßt. Berichterstatter war Herr Leo Tindemans, ein maßgeblicher Vertreter der europäischen militärischen Sicherheitspolitik. Und dieser Bericht findet eine klare Sprache im Zusammenhang mit der österreichischen Neutralität und mit dem Weg für die Zukunft.


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Dort heißt es ganz klar, daß Staaten nur dann der EU beitreten können, wenn sie gleichzeitig Mitglieder der NATO werden, und in der WEU hat Österreich bereits mehr als einen Fuß. Wir sind dort assoziiert, und die Schritte der Annäherung sind im vollen Gange. (Abg. Scheibner: Das ist doch nicht wahr! Das stimmt ja nicht! Wir haben nur Beobachterstatus! – Abg. Dr. Khol: Hier oder woanders haben Sie Beobachterstatus?) Sie können sich ja dazu äußern. Ich beobachte sehr wohl, daß jedenfalls die Freiheitlichen einen sehr klaren Standpunkt zur österreichischen Neutralität haben, nämlich deren Aufgabe und den raschen Beitritt zur NATO. Die Grünen haben einen ebenso klaren entgegengesetzten Standpunkt: Bewahrung der immerwährenden Neutralität Österreichs und hier und heute durch den Bundeskanzler Abgabe einer Garantie, daß an dieser Neutralität in keinem Fall gerüttelt werden kann, ohne die österreichische Bevölkerung zu befragen. (Beifall bei den Grünen.)

Die anderen Parteien in diesem Haus lavieren irgendwo dazwischen. Jetzt, in Vorwahlzeiten, kommen immer die Lippenbekenntnisse für die Neutralität, gestern von Klubobmann Khol ganz anders als von Parteiobmann Schüssel, immer wieder in milder Form vom Herrn Bundeskanzler, ganz anders vom SPÖ-Spitzenkandidaten für die Europawahl, der am 11. Juni 1996 ausdrücklich gesagt hat: Österreich hat keine Berührungsängste mit sicherheitspolitischen NATO-Kooperationen.

Diese Berührungsängste hat vielleicht der SPÖ-Spitzenkandidat nicht, die österreichische Bevölkerung will in großer Mehrheit diese NATO-Kooperation nicht und spricht sich für die Beibehaltung der Neutralität aus, und das geht nur mit einer aktiven Neutralitätspolitik, nicht mit dieser schwammigen Nur-nicht-anstreifen-Politik.

Herr Bundeskanzler! In diesem Tindemans-Bericht heißt es ausdrücklich, daß die Neutralität für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf Unionsebene wenig förderlich sei. Das heißt, die Neutralität wird hier ausdrücklich in Frage gestellt.

Und es geht weiter, es geht nämlich, wie ich bereits sagte, nicht mehr um eine Verteidigung von Mitgliedstaaten oder der Union, sondern es heißt ausdrücklich im 4. Kapitel dieses Berichtes: Die Ziele einer Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Der Schutz der Interessen der Union und der Unionsbürger.

So wird etwa im Falle der Verletzung lebenswichtiger Interessen oder im Falle einer Blockade oder Behinderung der Versorgung vorgeschlagen, gezielte Angriffe oder einseitige politische Entscheidungen treffen zu können, um die Unionsinteressen auch außerhalb der Union durchsetzen zu können. Das heißt: gezielte Angriffsschläge, Angriffskriege, die über das Territorium der EU hinausgehen. – Herr Bundeskanzler! Das ist mit Sicherheit mit keinem auch noch so eingeschränkten Verständnis von Neutralität mehr vereinbar.

Einen solchen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, zu wissen, es gibt diesen Bericht, er ist durch den zuständigen europäischen Ausschuß gegangen, und hier kein klares Votum im Namen der Bundesregierung abzugeben, das, Herr Bundeskanzler, ist die größte Verunsicherungspolitik, die von dieser Bundesregierung wohl ausgehen kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Aber es geht auch noch weiter, es geht nämlich nicht nur um das Überschreiten der reinen Verteidigungsintentionen, es geht nicht nur um die klar formulierte Absage an die Position Neutraler, sondern es geht auch um atomare Aufrüstung.

So heißt es im 50. Punkt dieses Berichtes, daß auf Frankreich und das Vereinigte Königreich als Atommächte eine besondere Verantwortung zukomme und daß sie ihre Atomstreitmacht in den Dienst der Europäischen Union stellen sollten, dieser Europäischen Union, die, wie gesagt – so die sicherheitspolitischen Intentionen –, umfassend ist, keinen Platz für Neutrale hat und in der es eine praktische Identität von WEU und NATO gibt, mit atomarer Aufrüstung, beigestellt von Frankreich und Großbritannien.

Es wird auch ganz konkret gesagt, es sollen koordinierte Geleitzüge für Raketenunterseeboote aufgestellt werden, koordinierte Geleitzüge für Raketenunterseeboote, atomar bewaffnet. Und


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an diesem System soll Österreich beteiligt werden. (Abg. Hans Helmut Moser: Das ist ein Schmarrn!) Lustig finde ich das nicht, und ich glaube auch, daß das die österreichische Bevölkerung nicht lustig findet. Selbst wenn Sie, Herr Bundeskanzler, sagen, um das geht es nicht, wenn Sie sagen, auf österreichischem Territorium werden keine Angriffswaffen, atomar oder nichtatomar, stationiert werden, so muß ich dem entgegenhalten: Es geht darum, ob Österreich Teil eines Paktes wird, der sich insgesamt ganz klar auch offensive militärische Optionen vorbehält und bereit ist, zur Umsetzung dieser militärischen Optionen selbst Atomwaffen einzusetzen. Es geht um die Mitgliedschaft, es geht um die Mitfinanzierung, denn auch damit befaßt sich ein Punkt in diesem Tindemans-Bericht.

Dort heißt es ganz klar, daß die Staaten – und das sind alle EU-Mitglieder –, die dann Teil dieses Sicherheitssystems sind, den gleichen Level der Bewaffnung aufweisen sollen. Das heißt dann de facto für Österreich einen gewaltigen Aufrüstungsschub oder, ausgedrückt in Zahlen, Investitionen in Höhe von zig Milliarden Schilling. Was das in bezug auf Belastungen der österreichischen Bevölkerung heißt, das werden Sie zwar heute nicht gerne zugeben, aber die österreichische Bevölkerung ist diesbezüglich ja, wie gesagt, bereits ein gebranntes Kind.

Herr Bundeskanzler! Es gibt eine einzige Option, diese berechtigten Befürchtungen der österreichischen Bevölkerung ein für allemal zu zerstreuen, das ist nämlich, sich für den Dringlichen Antrag der Grünen auszusprechen und klarzustellen, daß jede Revision der Maastrichter Verträge, jede Annäherung an WEU oder NATO, geschweige denn die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Sicherheit nicht ohne das Votum der österreichischen Bevölkerung stattfinden wird. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Je mehr Sie jetzt in Vorwahlzeiten sagen, diese Frage stellt sich ja gar nicht, ist nicht aktuell, wir sind als Neutrale in die EU gegangen, das ist ja die offizielle Diktion, desto mehr werden wir sehen, was aus der Neutralität wird, wahrscheinlich eben dasselbe, was aus dem Versprechen geworden ist, keine Steuererhöhungen einzuführen.

Herr Bundeskanzler! Sie können diese Befürchtungen, wie gesagt, mit einer einfachen Bejahung der Frage der Volksabstimmung aus der Welt schaffen. Es haben sich ja auch namhafte Mitglieder dieses Hauses, auch Ihrer Fraktion dafür ausgesprochen. Es gibt auch keinen Grund dagegen zu sein. Gerade wenn Sie der Meinung sind, ohnehin nicht an der Neutralität rütteln zu wollen, dann geben Sie doch der österreichischen Bevölkerung vor dem 13. Oktober diese Sicherheit und diese Garantie.

Hinsichtlich der Kernwaffen heißt es dann weiter im Tindemans-Bericht, daß die Kernwaffen, wie gesagt, beigestellt von den Atommächten Frankreich und Großbritannien, fortan nicht länger mehr auf ein Land gerichtet sein sollen, das nicht als Feindesland gelten kann. Das ist eine Diktion, die in einem neutralen Land überhaupt etwas ganz Neues darstellt. Das heißt, offenbar dürfen diese Kernwaffen nicht auf Unionsmitglieder gerichtet sein und auch nicht auf befreundete Staaten. Sehr wohl aber gibt es andere, die in diesem Bericht als Feindesland bezeichnet werden.

Herr Bundeskanzler! Bisher bin ich, sind wir und ist, wie ich annehme, auch die österreichische Bevölkerung der Meinung, Österreich kennt kein Feindesland. Ja, es gibt internationale Konflikte, und wir sind kraft unserer Neutralität eigentlich dazu aufgerufen, schlichtend in diese Konflikte einzugreifen, so wie das früher einmal eine Tradition in diesem Lande war, auch eine Tradition der sozialdemokratischen Fraktion. Diese Tradition vermissen wir seit langem, etwa im Bosnien-Konflikt, auch in vielen anderen Konflikten.

Jetzt scheint es offenbar unter dem Einfluß der EU-Sicherheitspolitiker so etwas wie Feindesland zu geben. Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler: Wissen Sie, auf welche Staaten diese Atomwaffen gerichtet sind, wenn sie eben nur nicht auf befreundete Länder gerichtet sind? Und wie verhält sich die österreichische Bundesregierung dazu?

Selbst wenn Sie das nicht befürworten, wovon ich ausgehe, so hat doch der Chefverhandler Österreichs bei allen diesen Konferenzen, Botschafter Scheich – Sie kennen ja diese Erklärungen –, sehr deutlich im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits


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politik gesagt, daß Österreich nicht mehr für ein Einstimmigkeitsprinzip eintritt, sondern für eine qualifizierte Mehrheit. Das ist ausdrücklich ebenfalls schriftlich vermerkt und liegt uns vor.

Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler, denn mit diesem Vorwurf habe ich Sie bereits einmal konfrontiert, ohne daß das befriedigend geklärt wurde: Was ist passiert? Was wurde mit Botschafter Scheich besprochen, und inwieweit wurde die österreichische Position unmißverständlich gegenüber der EU oder auch innerhalb Österreichs klargestellt?

Ein Allerletztes, um klarzumachen, worum es eigentlich geht. Auch da spricht der Tindemans-Bericht eine klare Sprache. In Wahrheit geht es um die Interessen der europäischen Rüstungsindustrie. In den Schlußbetrachtungen im 7. Abschnitt dieses Berichtes heißt es, daß die Herausforderungen für die europäische Rüstungsindustrie angesprochen sind, daß es letztlich um die Interessen dieser Rüstungsindustrie geht und daß ein gemeinsamer Standard im Bereich der Rüstungsinvestitionen anzustreben ist, nicht zuletzt auch, um die europäische Rüstungsindustrie anzukurbeln.

Damit werden aber alle Intentionen, die es früher einmal gab, den österreichischen Betrieben zu helfen, aus der Rüstungsproduktion auszusteigen und nur mehr zivile Produktionen zu betreiben, ganz klar konterkariert.

Herr Bundeskanzler! Wie gesagt: Es ist hoch an der Zeit – und heute ist die letzte Gelegenheit vor der wichtigsten EU-Entscheidung –, daß Sie klarmachen, daß niemand in dieser Bundesregierung, niemand in diesem Haus die österreichische Neutralität gefährden kann, ohne daß die österreichische Bevölkerung darüber informiert und in einem zweiten Referendum dazu befragt wird. (Beifall bei den Grünen.)

15.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nach § 74a Abs. 4 der Geschäftsordnung hat nunmehr zur Abgabe einer Stellungnahme der Herr Bundeskanzler das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.34

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wieder einmal geht es um die Debatte über ein Konzept für unsere Sicherheit, das einer Welt entspricht, die sich laufend verändert. Ich habe deshalb schon mehrmals, auch von dieser Stelle aus, dafür plädiert, unser Verständnis von Sicherheit nicht ausschließlich auf den rein militärischen Aspekt zu reduzieren.

Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, man dürfe sich nicht immer nach der Volksmeinung richten, ist doch objektiv festzustellen, es geht bei Sicherheitsfragen um die Sorgen, auch in Zukunft einen sicheren Arbeitsplatz zu haben, um die Sorgen, daß Verschmutzung und Belastung der Umwelt außerhalb unserer Grenzen Österreich nicht zusätzlich belasten sollten. Es geht um die Sorgen über das Übergreifen internationaler Kriminalität auf unser Land. Es geht um die Sorgen im Zusammenhang mit Drogenhandel, Drogenmißbrauch, Menschenhandel, und es geht letztendlich um die Sorgen, einen gesicherten Lebensabend genießen zu können und den Jungen einen Ausbildungsplatz zu sichern. Natürlich macht man sich auch Sorgen darüber, daß Krieg und Gewalt, wie wir sie in der Welt leider immer wieder erleben müssen, nicht auf unser Heimatland, nicht auf Europa übergreifen. Das heißt also, das Bedürfnis der Österreicher nach Sicherheit wird nicht hauptsächlich von einer militärischen Bedrohung bestimmt.

Der kalte Krieg, die Ost-West-Auseinandersetzung gehören zum Glück der Geschichte an. Und wir Österreicher sind in der Zwischenzeit in ein neues, gemeinsames Europa aufgebrochen, in dem es um den wirtschaftlichen, den kulturellen Austausch, um gemeinsame Forschung und Entwicklung, um gemeinsame Gestaltung unserer Zukunft geht. Und weil wir in dieses neue Europa aufgebrochen sind, geht es jetzt darum, es auch zu gestalten. Ich glaube, daß Österreich sagen kann – wir haben das gestern erst hier debattiert, meine Damen und Herren –, daß es Erfolg hat, die Schaffung sinnvoller Arbeitsplätze zu einem Thema in diesem Integrationsmodell zu machen, daß es Erfolg hat, die gemeinsame Bekämpfung der internationalen Kriminalität voranzutreiben. Ich bin sicher, wir werden auch Erfolg haben, wenn wir für ein


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Europa eintreten, bei dem ein Sicherheitssystem zu gestalten ist, das unseren Bedürfnissen genauso entgegenkommt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Aber dazu bedarf es wirklich nicht der wiederholten Nachfrage nach der Neutralität. Und dazu brauchen wir auch nicht das gewissermaßen gebetsmühlenartig abgeforderte Bekenntnis zur Neutralität. Österreich hat über Jahre und Jahrzehnte ausreichend bewiesen, daß es die Neutralität anwendet, daß es diese Neutralität auch dazu benützt hat, in bestimmten historischen Konstellationen immer wieder Vermittlungsfunktionen zu übernehmen, und daß es vor allem Erfolg dabei hatte, dieses Prinzip seinem eigenen Sicherheitsbedürfnis immer wieder anzupassen.

Frau Abgeordnete Petrovic! Wenn Sie zuvor Präsidenten Chirac und seine Meinung hier angesprochen haben, mit dem Atomwaffenpotential Frankreichs quasi eine gemeinsame Verteidigungsarchitektur Europas vorwegzunehmen, dann bitte ich Sie, sich zu erinnern, daß ich es in der Zeit, in der wir über die Atomversuche im Pazifik diskutierten, strikt abgelehnt habe, für uns und für die Europäische Union einen solcherart Alleinvertretungsanspruch des atomaren Schutzschildes anzuerkennen.

Ich muß auch sagen: Ich teile Ihre Abneigung gegen Ausdrücke wie "Feindesland" völlig. Ich bekenne mich nicht zu dem, was Sie über Tindemans und andere vorgelesen haben. Ich bitte Sie nur, zu berücksichtigen, daß es sich dabei um keine offiziellen Regierungspapiere, Stellungnahmen oder Berichte handelt, sondern das sind eben Berichte, wie sie in einem großen Gebilde wie der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament immer wieder gegeben werden, ohne daß sich jener, der sie kennt oder hört, dazu gleich bekennt.

Ich meine, an dem Umstand, daß wir auch in Zukunft an keinen Kriegen teilnehmen wollen, daß wir keine fremden Truppen in unserem Land stationieren wollen, daß wir an keinem Militärbündnis teilnehmen wollen, hat sich überhaupt nichts geändert. Ich bin froh, muß ich Ihnen sagen, daß das Selbstverständnis der Österreicherinnen und Österreicher von ihrem Land, von ihrem Status, von ihrer Rolle im internationalen System so gefestigt ist, daß sie weder das künstliche Aufrechterhalten einer Neutralitätsdiskussion noch das Infragestellen der österreichischen Nation erschüttern kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun zur Regierungskonferenz, die soeben tagt. Meine Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung hat nicht selten von dieser Regierungsbank aus klargemacht, daß wir im nächsten Jahr bei Vorliegen erster gemeinsamer Ergebnisse die österreichische Position einer neuerlichen Überprüfung unterziehen werden. Das sind wir auch uns selber, dem Parlament, dem Land schuldig, um Bericht, um Rechenschaft darüber zu geben, was bei der Regierungskonferenz debattiert, was ausgearbeitet wurde. Gerade das ist eigentlich die Gegenposition, die Antithese zu dem immer gemachten Vorwurf des Verschleierns. Das ist kein Unterdrücken von Diskussion, sondern das ist heute schon die klare Zielvorgabe und die Ankündigung, daß wir uns dann dieser öffentlichen Diskussion und der Diskussion im Hohen Haus stellen werden.

Meine Damen und Herren! Im übrigen ist natürlich die Frage der Neutralität immer auch mit der Frage der Solidarität verbunden. Und Österreich hat es doch immer gut verstanden, diese beiden Ziele miteinander zu verbinden. Ich lehne es ab, zwischen Neutralität und Solidarität einen Gegensatz zu konstruieren oder bestehen zu lassen.

Es scheint mir auch einmal mehr angebracht, gerade weil ich Neutralität und Solidarität nicht als Gegensätze sehe, hier und heute angesichts dieser Debatte, die ich genau wie Sie für wichtig halte, den zigtausend Österreichern, die diese Solidarität als Mitglieder eines neutralen Staates geübt haben, den zigtausend Österreichern im Rahmen von UNO-Einheiten in den verschiedensten Teilen der Welt für ihren Einsatz zu danken, weil das ein typisches und klares Zeichen, ein Symbol ist, wie Neutralität und Solidarität zusammenpassen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es stimmt, es wurde auch schon angesprochen: Österreich hat sich nicht gescheut, im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik an friedenserhaltenden Aktionen der WEU, wie


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beispielsweise der Entsendung von Polizisten nach Mostar, teilzunehmen. Wir haben das als ein Mittel zur Erhaltung des Friedens, als ein Mittel zum Ausdruck von Solidarität verstanden.

In diesem Sinne haben wir uns auch durch Entsendung einer Einheit an die IFOR nach Bosnien beteiligt. Das zeigt, daß wir keine Berührungsängste haben, sondern daß wir eine Beteiligung an internationalen Aktionen auf der Grundlage des geltenden Rechts und abhängig vom Ziel der jeweiligen Operation von Fall zu Fall prüfen und nach Prüfung uns dann auch entscheiden, ob wir dann daran teilnehmen oder nicht.

Das heißt aber, wir drücken uns vor nichts, wir scheuen vor nichts zurück. Wir geben aber immer wieder darüber Rechenschaft, was unserer Sicherheit dient, und damit sind wir, meine ich, in der jüngeren österreichischen Geschichte doch sehr gut gefahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher besteht für eine Diskussion über die Teilnahme an einem Militärbündnis weder Anlaß noch Notwendigkeit. Ich verstehe schon: In einer freien Gesellschaft kann man solche Diskussionen nicht verbieten, und das würde ja überhaupt nicht in unser freies und demokratisches System passen.

Die Frage ist nur – und das muß halt jeder für sich selbst entscheiden –: Wie sinnvoll ist es, eine Diskussion beispielsweise über eine Mitgliedschaft in der NATO zu beginnen, wenn man weiß, daß diese NATO selbst erst am Beginn eines Diskussions- und Umwandlungsprozesses steht? – Ich meine, daß für Österreich daher derzeit weder aus sicherheitspolitischen noch aus allgemeinpolitischen Gründen ein Diskussionsbedarf über eine Mitgliedschaft in einem Militärbündnis besteht. (Beifall bei der SPÖ.)

Sollte es irgendwann einmal konkret anstehen, sich mit einer solchen Frage zu beschäftigen und damit auch ein wesentliches Element des politischen Selbstverständnisses Österreichs neu zu beurteilen, so bin ich der Meinung – Sie haben mich da richtig zitiert –, daß dann eine Volksabstimmung sicher ins Kalkül gezogen werden soll.

Da aber weder der NATO-Beitritt noch sonst eine Mitgliedschaft zu einem Militärbündnis Teil der Regierungspolitik ist, erachte ich diese Frage als nicht aktuell, auch wenn ich das immer wieder wiederholen muß. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zu Ihrem Antrag: Die Aufforderung an die österreichische Bundesregierung, sich gesetzeskonform zu verhalten, ist deshalb nicht notwendig, da sich die Bundesregierung im Sinne des Artikels 18 des Bundes-Verfassungsgesetzes selbstverständlich bei all ihren Aktivitäten an die geltende Rechtslage hält. Dies schließt die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Neutralität ein.

Für die Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäische Union hat der Verfassungsgesetzgeber durch die Novelle im Jahr 1994 eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen, in deren Rahmen wir uns bewegen. Das gilt sinngemäß auch für die Mitwirkung Österreichs an der Regierungskonferenz.

Ich verweise in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die österreichische Grundsatzposition zur Regierungskonferenz, die ja dem Hohen Haus zugegangen ist.

Da Österreich an einer effizienten Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union großes Interesse hat, wird sehr wohl die Position vertreten, daß in einzelnen nichtmilitärischen Fragen der Außenpolitik zum Mehrstimmigkeitsprinzip übergegangen werden könnte. Für den militärischen Bereich ist Österreich – und das gilt auch für alle anderen Mitgliedstaaten – jedenfalls für die Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips.

Weiters ist unter Bezugnahme auf Ihren Antrag festzuhalten, daß Österreich im Sinne seiner bisherigen Tradition angesichts der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen in Europa sehr wohl daran interessiert ist, daß humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze und friedenserhaltende Aufgaben und Krisenmanagement, also die Petersberger Aufgaben, auf breiter politischer Entscheidung in Europa wahrgenommen werden.


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Deshalb vertreten wir die Auffassung, daß diese Entscheidungen im Rahmen der Europäischen Union im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen getroffen werden sollten. Die Beauftragung zur Ausführung dieser Entscheidungen durch die WEU sollte von der Europäischen Union ausgehen können, wobei dies wohl nur auf der Basis von Beschlüssen der Vereinten Nationen erfolgen kann.

Eine Teilnahme Österreichs an solchen Maßnahmen ist als EU-Vollmitglied und als Beobachter der Westeuropäischen Union möglich, entspricht im übrigen der gängigen Praxis, und ein Beitritt zu einem Militärbündnis ist aus all diesen Gründen nicht erforderlich.

Meine Damen und Herren! Diese eben geschilderte Entwicklungsmöglichkeit im Verhältnis der EU zur WEU ist aus heutiger Sicht ein mögliches, ein vielleicht wahrscheinliches Ergebnis der derzeit laufenden Regierungskonferenz. Dieses Ergebnis würde die rechtlichen Grundlagen der Neutralität Österreichs nicht berühren und dennoch ein solidarisches Mitwirken Österreichs von Fall zu Fall ermöglichen. Daher stellt sich auch aus diesem Grund die Frage des Beitritts zu einem Militärbündnis nicht, und ansonsten verweise ich auf meine bisherigen Ausführungen.

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie ein, ergreifen wir die Gelegenheit, nicht zuletzt auch durch unseren zukünftigen Vertreter im Europäischen Parlament, all die Bereiche der Politik zu besetzen und zu gestalten, die wirklich den Sicherheitsbedürfnissen der Menschen entsprechen. Konzentrieren wir uns auf die Probleme, auf die Anliegen, die den Menschen wirklich am Herzen liegen und deren Lösung ein unmittelbares, individuelles Gefühl der Sicherheit vermittelt, in dem wir dafür sorgen, daß Politik gemacht wird, die für Beschäftigung, für soziale Sicherheit, für eine saubere und gesunde Umwelt spricht und die Regeln aufstellt, den Gefahren einer umfassenden Globalisierung entgegenzuwirken.

Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, daß wir in dieser Art und Weise, nämlich die Optionen klar auf den Tisch zu legen und uns auch nicht fortreißen zu lassen von sehr übereilt hervorgebrachten Forderungen, nun einem Militärbündnis beizutreten, uns nicht von den wahren und wirklichen Sicherheitsproblemen unserer Heimat ablenken lassen.

Arbeiten wir gemeinsam daran, daß wir hier nicht nur akademisch diskutieren, sondern daß wir der Bevölkerung durch klare und konkrete Handlungen, was die innere Sicherheit, die Zusammenarbeit mit anderen Ländern im sicherheitspolitischen Bereich betrifft, ein klares Bild geben, dann werden wir einen guten Beitrag zur Sicherheit in Österreich leisten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir treten nunmehr in die Debatte ein. Jedem Redner steht eine Redezeit von 10 Minuten zu, jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.48

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich am Beginn meiner Ausführungen gleich den rechten Bankreihen zuwenden. (Der Redner weist auf die leeren Bänke der Freiheitlichen, die – bis auf Abg. Scheibner – den Saal verlassen haben.) Es ist nicht so, daß mir die Abgeordneten der Freiheitlichen besonders abgehen würden, es gibt parlamentarische Schmerzen, mit denen man leicht leben kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich stelle mir nur die Frage, warum sie gerade bei diesem Thema es vorgezogen haben, den Saal zu verlassen. Denn eine wirkliche juristische Haarspalterei kann es ja bei Ihrer Lust an jedem veritablen Krach und jeder Auseinandersetzung nicht sein, der Sie an der Anwesenheit hindert. Sie haben doch bisher keine einzige Gelegenheit ausgelassen, hier Krach und Auseinandersetzungen zu suchen.

Wenn man sich diese Situation überlegt, dann gibt es nur eine Erklärung. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Es gibt nur eine Erklärung, sehr verehrter Herr Kollege, nämlich daß in den


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jüngsten Meinungsbefragungen der NATO-Beitritt von über 60 Prozent der Österreicher abgelehnt wird. (Abg. Scheibner: Befürwortet wird!) Damit lehnt die Mehrheit der Österreicher eine Forderung, die die FPÖ bereits vor Jahren erhoben hat, ab.

Unmittelbar vor Wahlen, nämlich den Europawahlen, wo es nicht zuletzt auch darum geht, ist eine solche juristische Haarspalterei die einfachste Möglichkeit, sich einer Stellungnahme zu entziehen.

Meine Damen und Herren! Das ist schlicht und einfach der Versuch, der Diskussion zu entgehen. In meinen Augen ist das durchaus Feigheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber die "Indizienkette", die die Kollegin Petrovic hier versucht hat aufzubauen, daß die Neutralität in Gefahr, ja bereits aufgegeben ist, sehr geehrte Frau Kollegin, ist brüchig und lückenhaft.

Die vornehmste Kritik, die ich an dieser heutigen Initiative anbringen muß ist, daß es im Grunde genommen ein neuer Aufguß genau dessen ist, was Sie bereits vor dem Sommer im Nationalrat zur Diskussion gestellt haben, nämlich die Diskussion zu einer nicht bestehenden Frage aufzunehmen. Sie haben am 10. Juli 1996 dieselben Antworten bekommen wie heute. Sie differieren in keiner Weise. (Abg. Öllinger: Das ist es ja!)

Österreich ist neutral und bleibt neutral. Alle gegenteiligen Behauptungen sind unrichtig. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Beschäftigen wir uns daher ein bißchen mit der Indizienkette der Abgeordneten Petrovic. (Abg. Dr. Kier: Vor den Wahlen!) Sie haben von einem Tindemans-Bericht gesprochen, der Ihren Worten zufolge bereits den Ausschuß des Europäischen Parlamentes passiert haben soll. Hier ist er, Frau Kollegin. (Der Redner zeigt einen Bericht vor.) Selbst von Ihrem Platz aus ist die Überschrift unschwer zu lesen: "Entwurf eines Berichtes".

Zur Information: Wie lange Abänderungsanträge zu diesem Antrag eingebracht werden können, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht einmal fixiert. Aber trotzdem kann ich Ihnen heute schon eines sagen: Die sozialdemokratische und sozialistische Fraktion im Europäischen Parlament wird ihm nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher: Alles, auf das Sie sich hier berufen haben, ist weder für Österreich noch für das Europäische Parlament, noch für die EU von irgendeiner Bindungswirkung. Es ist ungefähr so relevant, wie die Forderung, die sich in Ihrem Wahlprogramm findet, für die NATO und die WEU relevant ist, diese beiden Organisationen aufzulösen.

Frau Kollegin Petrovic! Bitte bauen wir in einem Wahlkampf keine Popanze auf. Das, was Sie hier behaupten, das, was Sie hier feststellen, hat mit der Realität nichts zu tun. Es gibt den Herrn Tindemans, der Mitglied des Europäischen Parlamentes ist, aber es gibt keine Meinungsbildung auf Basis dieses Berichtes auf europäischer Ebene. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie haben auch festgestellt, daß die Petersberger Aufgaben zu Kampfeinsätzen des österreichischen Bundesheeres im Ausland im Rahmen der NATO führen werden. Lassen Sie mich ganz pastoral und zurückhaltend sagen: "Fürchtet euch nicht!" Denn wir haben bereits in der letzten Debatte – der Herr Bundeskanzler hat das ausdrücklich gesagt – festgestellt, daß Österreich beim Eintritt in die Partnerschaft für den Frieden erklärt hat, nur soweit an dieser Partnerschaft teilnehmen zu wollen und zu können, soweit dies das Neutralitätsgesetz erlaubt. Aber darüber hinaus haben Sie Aussagen vom Botschafter Scheuch zitiert als ein Indiz für Sie. (Abg. Dr. Khol: Scheich!)

Wir haben immer gesagt – und das hat auch Botschafter Scheich erklärt –, daß wir für eine stufenweise Einführung einer Mehrheitsentscheidung in außenpolitischen Belangen sind, weil das letztendlich auch eine Chance für die kleinen Staaten darstellt, die großen Staaten zu überstimmen. Wir haben das jedoch immer und dezidiert für militärische Belange abgelehnt. Dabei


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bleibt es auch und das hat der österreichische Vertreter auf welcher Ebene auch immer gesagt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Letztendlich zur Frage, ob die Neutralität derzeit aktuell ist. Ich bin – das möchte ich zugeben – nicht sonderlich glücklich mit der Anfragebeantwortung des Herrn Vizekanzlers. Denn die Antwort, daß die Neutralität derzeit nicht aktuell ist, ist mißverständlich. (Abg. Dr. Frischenschlager: Nicht mehr!)

Die Neutralität ist ein geltendes Bundesverfassungsgesetz, und die Frage der Aufgabe der österreichischen Neutralität ist nicht aktuell, aus diesem und aus einer Reihe von anderen Gründen, und Sie hätten diese Frage nicht zu stellen brauchen.

Der Herr Bundeskanzler hat Ihnen bereits in der Sitzung des Nationalrates am 10. Juli 1996 ausdrücklich erklärt:

"Die Einschränkung oder gar die Aufgabe der Neutralität, wie Sie dies in Ihrer Frage behaupten, steht nicht zur Diskussion. Es erübrigt sich daher, Überlegungen in bezug auf die Durchführung einer Volksabstimmung anzustellen."

Meine Damen und Herren von der grünen Fraktion! Sie stellen dieselben Fragen, Sie bekommen dieselben Antworten. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß es diesbezüglich eine hohe Kontinuität der Argumentation gibt. Österreich ist neutral, Österreich bleibt neutral. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 bleibt in Kraft. Sie und die Mitglieder der Bundesregierung haben auch auf dieses Verfassungsgesetz einen Eid abgelegt. Die Gültigkeit dieses Gesetzes bedeutet jedoch nicht, daß wir uns der Verpflichtung zur Solidarität entziehen können. Sie von der grünen Fraktion haben erst heute vormittag mitgewirkt an Beschlüssen, sieben Kontingente im Rahmen von UNO-Mandaten zu verlängern.

Es ist ein gutes Ziel, das wir verfolgen, nämlich bei Wahrung der Neutralität, nicht an Kriegen teilzunehmen, keinen fremden Stützpunkt in Österreich zu haben und auch keine Militärbündnisse einzugehen, uns der Solidarität verpflichtet zu fühlen.

Es macht keinen Sinn, der NATO beizutreten, und zwar auch deswegen, weil es keine entsprechende Bedrohungslage gibt. Deshalb bin ich auch nicht bereit, die Diskussion zu führen, ob es eine Volksabstimmung geben soll oder nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies würde den Eindruck vermitteln, als ginge es nur um das Wann und nicht um das Wie. Wir sind neutral mit allem Selbstbewußtsein. Wir werden es bleiben. Ich bitte Sie, die österreichische Bevölkerung in dieser Frage nicht zu verunsichern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.58

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner gemeldet. Ich bitte, die Geschäftsordnung und die neue Redezeitbeschränkung von zwei Minuten zu beachten. (Abg. Schieder – zum Abg. Scheibner –: Das darfst du? Mußt du gar nicht den Stadler fragen?)

15.58

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Kollegen Kostelka dürfte ich gar nicht da sein. (Zwischenruf des Abg. Schieder .)

Herr Kollege Schieder! Der Herr Klubobmann Kostelka hat behauptet, daß sich meine Fraktion aus Angst vor dem Wahltermin dieser Diskussion entzieht und deshalb aus diesem Sitzungssaal ausgezogen ist. Das ist unrichtig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Durch die Ausführungen unseres Klubobmannstellvertreters Stadlers ist eindeutig festgehalten, warum wir diese Protesthaltung an den Tag gelegt haben. Wenn der Herr Kollege Kostelka die


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Rednerliste gesehen hat, wird er erkannt haben, daß ich als Wehrsprecher auf dieser Rednerliste bin, und er wird mir dann auch zuhören können, wie ich seine Argumente widerlegen werde.

Zum zweiten hat Herr Klubobmann Kostelka behauptet, es gäbe Meinungsumfragen, wonach 60 Prozent der Österreicher gegen einen NATO-Beitritt eingestellt sind. (Abg. Reitsamer: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) Das ist wohl eine tatsächliche Berichtigung, weil ich berichtige tatsächlich, daß das unrichtig ist. (Rufe bei der SPÖ: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Nach allen Meinungsumfragen ist eine Mehrheit von 55 bis 65 Prozent der Österreicher für einen NATO-Beitritt!

16.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich stelle fest, daß besonders die letzten Feststellungen jenseits der Grenze einer tatsächlichen Berichtigung waren.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.00

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! Es mag schon sein, so wie der Herr Bundeskanzler auch gesagt hat, daß es manchen von Ihnen wie eine Gebetsmühle erscheint, aber es ist keine Gebetsmühle, sondern es ist eine Notwendigkeit, dieses Thema immer wieder aufs Tapet zu bringen und zuletzt einen Antrag dazu zu formulieren.

Wenn man nämlich dem Herrn Bundeskanzler heute aufmerksam zugehört hat, hat man feststellen können, daß er gegen Schluß seiner Rede in Erwägung gezogen hat, daß doch irgendwann einmal die Frage eines Beitrittes zu einem Militärbündnis auftauchen könnte. (Abg. Schieder: Nein!)

Aus seiner Anfragebeantwortung, aus der Anfragebeantwortung des Herrn Außenministers, des Herrn Verteidigungsministers wissen wir (Abg. Schieder: Das ist unwahr, Frau Kollegin!) , daß diese Erwägung möglicherweise, oder, wie Sie sagen, nicht möglicherweise, Anfang 1998 aktuell sein wird.

Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, daß es dann, wenn das jemals eintritt, daß ein Beitritt oder eine gemeinsame Verteidigungspolitik auch die österreichische Verfassung tangiert, zu dieser Debatte kommt.

Und jetzt kommt die Formulierung des Herrn Bundeskanzlers: " ... sollte ins Kalkül gezogen werden." " ... sollte ins Kalkül gezogen werden", hat er gesagt! Das ist eine sehr wunderbare und eigenartige Formulierung, denn entweder zieht man etwas ins Kalkül oder man zieht etwas nicht ins Kalkül.

Aber mit so vielen Wenn und Aber und Möglichkeitsformen, " ... sollte ins Kalkül gezogen werden", überrascht der Vergleich zum schriftlichen Redemanuskript des Herrn Kanzlers. In diesem wird nämlich weitaus klarer festgehalten: Sollte aber eine solche Frage, nämlich die eines Militärbündnisses, einmal konkret anstehen und damit auch ein wesentliches Element des politischen Selbstverständnisses Österreichs neu beurteilt werden müssen, so wäre dazu sicher das Volk zu befragen und eine Volksabstimmung durchzuführen.

Daher fragen wir Grünen uns: Was bewegt oder hat den Herrn Kanzler bewogen, von seinem schriftlichen Redemanuskript abzugehen und die sehr klare Formulierung, die wir sofort unterstützen, daß dann nämlich sicher eine Volksabstimmung durchzuführen ist, in eine so eigenartige Formulierung umzuwandeln: " ... sollte ins Kalkül gezogen werden", womit überhaupt nichts beantwortet und gar nichts gesagt ist und die Dringlichkeit unseres Antrages umso mehr, Herr Klubobmann Kostelka, gerechtfertigt ist. Denn genau das ist es! Sie sagen, wir sollen nicht


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verunsichern, aber Sie sind es, die verunsichern, Sie (Beifall bei den Grünen ), Ihre Kollegen und Kolleginnen auf der Regierungsbank verunsichern, Ihre Repräsentantinnen und Repräsentanten verunsichern mit verschiedensten Beiträgen zur Debatte.

Zum heutigen Pressespiegel in der APA und als Replik auf die Antwort des Herrn Vizekanzlers und Außenministers Schüssel, der da sehr leichtfertig den Beitritt zu einer Westeuropäischen Union mit dem Beitritt zur UNO verglichen hat: Ich glaube, ich muß Ihnen nicht erklären – ich hoffe, daß ich es niemandem hier erklären muß –, daß ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen den Vereinten Nationen und der Westeuropäischen Union besteht – mit allen Konsequenzen, bis hin zu den Konsequenzen der österreichischen Verfassung. Ich muß es daher als sehr salopp bezeichnen, hier zu sagen: Wir sind ja auch neutral in die UNO gegangen, also werden wir halt auch neutral in die Westeuropäische Union gehen! – Nein, so leicht wird es eben nicht sein!

Das sind aber Ihre ganz müden, faulen Wahlversprechen, die Sie permanent machen. Wenn ich mir die Spitzenkandidatin der ÖVP anschaue, die heute laut APA frank und frei behauptet: Na ja, die NATO ist ja doch das Beste von allem, ein schlagkräftiger Verein, da könnten wir eigentlich dazu gehen!, muß ich sagen: Das ist ja eine "wunderbare" Verunsicherung. Und Sie werfen uns vor, daß wir verunsichern. Das finde ich ja wirklich das Beste an der ganzen Debatte.

Ihre Geschäftsführerin, Frau Kollegin Ederer, fühlt sich nämlich auch schon verunsichert. Laut APA hat sie gesagt: Diese Debatte, wie sie geführt wird, sieht sie als Anzeichen eines ÖVP-Verrates. Sie ist offensichtlich auch leicht bis schwer verunsichert über den Koalitionspartner, mit dem Sie da zusammenarbeiten, der jeden Tag etwas anderes sagt.

Wenn der Herr Vizekanzler und heute nachmittag der Herr Bundeskanzler für die ganze Regierung geradestehen – Herr Außenminister und Vizekanzler Schüssel hat das für sich heute auch in Anspruch genommen, der Herr Bundeskanzler muß es tun –, dann frage ich mich, ob diese Gesetzeskonformität der Bundesregierung wirklich existiert. Denn wir wissen von Verteidigungsminister Fasslabend, daß er etwas ganz anderes will, es offen ausspricht und sagt.

Herr Bundeskanzler! Der Tindemans-Report ist nicht irgend etwas. Herr Klubobmann Kostelka, Sie sollten es eigentlich wissen beziehungsweise den Ablauf der Beschlüsse im Europäischen Parlament nicht falsch darstellen: Ein Entwurf eines Ausschußberichtes ist ein Entwurf, bis er im Plenum verabschiedet worden ist. Das heißt, ist er in einem Ausschuß diskutiert, dann kommt er ins Plenum – aber bis dahin ist er der Entwurf eines Berichtes. Und aus diesem Entwurf eines Berichtes hat meine Kollegin zitiert. (Zwischenruf des Abg. Schieder . – Abg. Scheibner: Warum schreien Sie denn so?)

Herr Bundeskanzler! Herr Tindemans ist nicht irgend jemand. Der Bericht ist nicht so schlecht; er sagt die Wahrheit – nur Sie sagen in Österreich nicht die Wahrheit. In diesem Bericht steht genau das, was es wirklich ist (Beifall bei den Grünen ), genau das, was die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist und welche Konsequenzen sie hat. Nur Sie tun immer so, als würde das nicht existieren. (Zwischenruf des Abg. Schieder .)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas, Herr Bundeskanzler, und Ihnen, Herr Abgeordneter Schieder: Tindemans ist nicht irgend jemand, er kommt aus keinem Potpourritopf. Man kann daher nicht sagen: Es gibt schon so viele Meinungen in Europa – wer ist denn das schon? Herr Tindemans ist eine ziemlich bekannte Persönlichkeit in Fragen der Sicherheitspolitik.

Wenn Sie schon versuchen, ein solch lustiges Potpourri zu zeichnen, so nach dem Motto: Diese Meinung gibt’s halt auch! dann frage ich mich, ob ich den Herrn Botschafter Scheich auch in diesen Potpourritopf werfen darf und sagen kann: Er vertritt halt auch einmal etwas anderes, mein Gott, es gibt so viele Meinungen in Europa! Scheich hat halt auch einmal etwas anderes gesagt, darüber sollten wir uns nicht grämen!

Sie bleiben wieder einmal die Antwort schuldig, wer Österreich bei der Regierungskonferenz in diesen äußerst sensiblen Fragen vertritt. Wer? Können Sie, Herr Bundeskanzler, denn wirklich


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hier noch eine Garantieerklärung abgeben für die Gesetzeskonformität der Bundesregierung? Wir sehen allen Anlaß dazu, daß dem nicht mehr so ist, daß das nicht gewährleistet ist.

Die österreichische Bevölkerung hat das Recht, zu erfahren, was am 13. Oktober mit zur Abstimmung steht. Geben Sie doch diese Aufklärung! Stimmen Sie doch dem zu, daß jede Änderung des Maastricht-Vertrages, eine Änderung, die einen Beitritt zu einem Militärbündnis in Betracht zieht, einer Volksabstimmung zuzuführen ist! (Beifall bei den Grünen. )

Tun Sie nicht immer so – es so darzustellen haben Sie wieder versucht, Herr Bundeskanzler, ebenso Ihre Kolleginnen und Kollegen –, als wäre die NATO ein Friedensverein, die neue Friedenswerkstatt Europas. – Dem ist nicht so!

Da unsere Soldaten heuer im Sommer in Amerika – zu ihrer eigenen Verwunderung – keine Friedenseinsätze, sondern Kampfeinsätze gegen die Bevölkerung geübt haben, so nach dem Motto "Zuerst schießen und nicht lange fragen", frage ich Sie: Gegen die Bürger welchen Staates werden denn unsere Soldaten da einmal eingesetzt? – Die NATO ist keine Friedenswerkstatt! – und das steht im krassen Widerspruch zu unserer Verfassung. (Beifall bei den Grünen )

16.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich nun dem Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

16.08

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine sehr kurze Aufklärung geben. Ich habe in der mündlichen Darstellung meiner Beantwortung deshalb auf "ins Kalkül gezogen" umgestellt, weil das in Ihrem Antrag so steht.

Sie zitieren mich hier mit "grundsätzlich müßte eine Volksabstimmung ins Kalkül gezogen werden". Ich wollte keine zweite Formulierung einbringen, um ganz klar zu sein. Ich habe mich sicher gefühlt, weil Sie in Ihrer Begründung meine Formulierung als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnen und als positive Äußerungen hoher politischer Repräsentanten der Republik.

Daher: Bitte verstehen Sie mich nicht absichtlich miß. (Abg. Wabl: Nein, das tun wir nicht!) Wir verstehen einander diesbezüglich sehr gut, und daher bitte ich, das nicht als gegensätzliche und diskrepante Auffassung zu früher geäußerten Meinungen zu interpretieren.

Ich bin bei meiner Meinung geblieben und keine andere habe ich Ihnen heute gesagt. Und bin froh, daß Sie ihr zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. )

16.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.10

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden dem Dringlichen Antrag der grünen Fraktion – und das wird Sie nicht überraschen – nicht zustimmen. Wir sind im übrigen durch diese Antragstellung und durch diese Debatte in keiner Weise verunsichert, höchstens etwas ermüdet. Die Antworten auf die Fragen 1 bis 3, welche die grüne Fraktion heute stellte, wären bei einigermaßen gespannter Aufmerksamkeit den Ausführungen des Vizekanzlers heute vormittag klar zu entnehmen gewesen. Zuhören, meine Damen und Herren von den Grünen, und verstehen – das kann man in diesem Haus von einer Fraktion eigentlich schon verlangen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf


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des Abg. Wabl .)

Punkt 4 können wir deswegen nicht zustimmen, weil er nicht der geltenden österreichischen Bundesverfassung entspricht.

Zu Punkt 5 möchte ich – ähnlich wie mein Vorredner – sagen: Die Frage, die Sie da implizieren, nämlich die Aufgabe der immerwährenden Neutralität, steht in keiner Weise zur Debatte. (Beifall des Abg. Wabl .) Ich habe es bereits gestern bereits gesagt: Wir halten an der immerwährenden Neutralität fest. Daher ist die Frage einer diesbezüglichen Volksabstimmung in keiner Weise aktuell. Würde man zu dieser Frage Stellung beziehen, dann würde man eine Schlußfolgerung ermöglichen, die nicht notwendig ist.

Zu den Fragen 1 bis 3 möchte ich noch hinzufügen, meine Damen und Herren, daß ich hier die Information habe, was der Vertreter der österreichischen Bundesregierung und der Republik Österreich in den Straßburger und Brüsseler Organen gesagt hat. Daher sind die Fragen 1 bis 3, wie sie Schüssel heute in der Früh beantwortet hat, hier noch einmal wie folgt zu beantworten:

Erstens: Wir sind gegen Mehrheitsentscheidungen im Rahmen der GASP, die den militärischen Bereich betreffen.

Zweitens: Wir sind für die Einstimmigkeit von Entscheidungen, die in der GASP getroffen werden und die Petersberger Missionen, das heißt den militärischen Bereich, zum Gegenstand haben.

Drittens: Für uns ist klar, daß wir, wenn es Einstimmigkeit gibt, wie jeder Staat die Möglichkeit des Opting out, also der konstruktiven Enthaltung, haben sollen.

Ich darf dies noch einmal festhalten. Damit sind die Fragen 2 und 3 noch einmal so beantwortet, wie es Vizekanzler Außenminister Schüssel heute bei der Diskussion über den Außenpolitischen Bericht bereits getan hat. Und ich würde Sie bitten, das zur Kenntnis zu nehmen, denn diese Antworten sind in keiner Weise neu. Es gibt eine ermüdende Serie von Anfragen und Anfragebeantwortungen, die Sie immer wieder stellen und wo das Om mani padme hum der österreichischen Sicherheitspolitik gedreht wird. Jedes Mal sind die Anfragebeantwortungen gleich. Sie kennen sie vom Juni, vom Juli und vom September. Glauben Sie, daß die Bundesregierung hier unkoordiniert ist?

Natürlich werden die gleichen Anfragen auch immer gleich beantwortet. Sie können sie jeden Tag neu stellen, Sie werden jeden Tag die gleichen Antworten bekommen. Wenn Ihnen das Freude macht, meine Damen und Herren von den Grünen: Diese Freude machen wir Ihnen gerne!

Meine Damen und Herren! Zur Neutralität. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß für uns die Aufgabe der Neutralität weder derzeit noch irgendwann zur Debatte steht. Ich habe bereits gestern gesagt, daß wir im Rahmen der Europäischen Union das Prinzip Solidarität anwenden und daß, so wie es der Bundeskanzler heute gesagt hat, die Solidarität in der Europäischen Union ebenso wie die Solidarität im Rahmen der Vereinten Nationen unbestrittenermaßen in keinem Gegensatz zur österreichischen Neutralität stehen. Daher hat die österreichische Neutralität auch aus unserer Sicht, wie immer sich die Europäische Union entwickeln mag, eine wichtige Restfunktion im außereuropäischen Bereich.

Ich bleibe dabei, daß also diese Funktion wichtig ist und daß wir Österreicher in dieser Qualität für unsere Partner in Europa eine wichtige Rolle spielen können. (Zwischenruf des Abg. Dr. Frischenschlager. ) Das Vertrauen, das wir uns erworben haben, das Vertrauen, das wir am dritten Ort haben – bereisen Sie einmal den Nahen Osten, Sie werden feststellen, welches Vertrauen sich Österreich dort erworben hat –, und das können wir als Kapital in unsere Partnerschaft in der Europäischen Union einbringen. Konstruieren Sie doch bitte nicht immer diesen Gegensatz zwischen Solidarität und Neutralität, sondern konstruieren Sie so, wie es Sinn macht, wie es nützlich ist für den Frieden im Lande. (Beifall bei der ÖVP.)

Die beste Sicherheitspolitik ist für unser Land, für unsere Heimat gerade gut genug. Wir werden daher sehr sorgfältig, wie wir es in der Regierungsübereinkunft festgehalten, unterschrieben und in der Öffentlichkeit kundgetan haben, die Entwicklungen bei der Errichtung der Europäischen Friedensordnung in diesem Jahr, im nächsten Jahr und im übernächsten Jahr beobachten. Wir werden über die Fortschritte in der Europäischen Friedensordnung diesem Hohen Haus einen Bericht vorlegen, dann werden wir diskutieren, und schließlich werden wir die notwendigen Schritte setzen.


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Sie können doch von uns nicht das Beten eines Credos verlangen, dessen Text noch gar nicht feststeht. Wir wissen noch nicht, wie die Europäische Friedensordnung ausschaut, daher verlangen Sie von uns keine Positionierung. Wenn wir wissen, wie sie ausschaut, dann können wir eine Meinung dazu haben, und dann werden alle Verfahren der österreichischen Bundesverfassung dem Geiste nach und dem Wort nach eingehalten. Die beste Sicherheit ist für Österreich gerade gut genug! (Beifall bei der ÖVP.)

16.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Anschober. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.16

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klubobmann Dr. Khol, Sie erzählen uns auch wieder gebetsmühlenartig, aber erst seit den letzten Tagen, daß Sie nicht wissen, was 1998 herauskommen wird. (Abg. Dr. Khol: Wissen Sie es?) Interessant ist, daß Sie das in den letzten Tagen nicht mehr wissen, aber Ihre Spitzenkandidatin für die EU-Wahlen weiß es ganz genau. Auch Ihr Verteidigungsminister weiß es ganz genau. Da wird im Verteidigungsausschuß präzise und klar ausgedrückt, was seiner Ansicht nach und nach Ansicht der ÖVP sicherheitspolitisch nach 1998 der richtige Weg ist, nämlich die Annäherung an die NATO und der Beitritt zur NATO. – Also dieses Unwissen bei Dr. Khol und der ÖVP, das so plötzlich wenige Tage vor den Europawahlen ausgebrochen ist, scheint mir wenig glaubwürdig zu sein. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier eine sehr klare und deutliche Frage gestellt und die entsprechende Antwort darauf beantragt. Die Frage war jetzt nicht: Beitritt zur NATO, Beitritt zur WEU?, die Frage war: Volksabstimmung in diesem Fall – ja oder nein? Befragen Sie die Bürger und Bürgerinnen – ja oder nein?

Und darauf würde es eine sehr einfache Antwort geben: ja oder nein. Das sind ganz einfache Wörter, die wir hier eigentlich ganz normal verwenden könnten. Jede Partei könnte in diesem Fall ja oder nein sagen.

Wir haben heute eine substantielle Antwort bekommen, eine substantielle Antwort, die für mich tatsächlich neu war und die für mich ein positiver Fortschritt gewesen wäre. Diese substantielle Antwort erfolgte seitens des Bundeskanzlers, der formuliert hat oder formulieren hat lassen: So wäre dazu sicher das Volk zu befragen und eine Volksabstimmung durchzuführen. Das ist eine völlig klare Antwort. Ebenso klar wäre die Unterstützung von unserer Fraktion gewesen. Das wäre eine substantiell neue Antwort und eine klare Positionierung seitens der Bundesregierung gewesen.

Ich wiederhole noch einmal: eine Volksabstimmung durchzuführen ist. Aber, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, leider gilt halt das gesprochene Wort in diesem Haus, und das stand nur in Ihrem Redemanuskript. Jetzt frage ich mich: Warum, aus welchen nebulosen, nebensächlichen Gründen ist Ihnen Ihr eigenes Redemanuskript in dieser einen Zeile, nur in dieser einen Zeile, zu weit gegangen? Warum sind Sie hier vom Redemanuskript abgewichen und haben statt einer klaren Antwort, nämlich: Ja, das Volk ist in diesem Fall zu befragen!, völlig anders argumentiert und im alten Vranitzky- und Bundesregierungs-Stil formuliert: Es sollte ins Kalkül gezogen werden? Warum haben Sie das, was endlich einmal klar festgeschrieben war, wieder zurückgenommen und wieder Nebel, Nebel, Nebel in dieses Hohe Haus gebracht?

Ich sage Ihnen: Sie haben auf zweifache Art und Weise Angst vor dem Wähler. Sie haben erstens Angst vor dem 13. Oktober. Sie trauen sich nicht, hier klar zu sagen, ob Sie den Wähler in diesem Fall fragen würden und ob eine Volksabstimmung verpflichtend ist. Und Sie haben zweitens offensichtlich auch Angst vor der Volksabstimmung, denn sonst würde sich diese Bundesregierung klar positionieren und sagen: Jawohl, das ist eine demokratiepolitische Selbstverständlichkeit, eine Volksabstimmung würde natürlich durchgeführt. – Das war der eine Punkt.

Der zweite Punkt: Diese Unredlichkeit zieht sich ja in wesentlichen inhaltlichen Detailbereichen weiter durch.


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Ich habe mir einen wichtigen Bereich angeschaut, in dem die Österreicherinnen und Österreicher zu Recht Sorge haben, auch in Verbindung mit einem möglichen NATO-Beitritt, nämlich in der Frage Atomwaffenstationierung, Atomwaffentransport. Ich bringe kurz zwei Zitate, um diese Unredlichkeit einmal zu dokumentieren.

Der Herr Verteidigungsminister, der ja in den Ausschüssen sehr klar auf NATO-Kurs ist, hat formuliert – ich zitiere wörtlich –: "Gegen den Willen eines Staates ist die Stationierung von Atomwaffen nicht möglich. Eine entsprechende Bedingung wäre allenfalls auch von NATO-Neubewerbern bei den Aufnahmeverhandlungen einzubringen." – Das war eine Aussage des Verteidigungsministers vom 30. Juli 1996.

Und was sagt der NATO-Generalsekretär, zum genau gleichen Sachverhalt, meine sehr verehrten Damen und Herren? – NATO-Sekretär Solana hat potentielle Mitglieder der Allianz darauf hingewiesen, daß sie prinzipiell zur Stationierung von Atomwaffen auf ihrem Territorium bereit sein müssen. Ich wiederhole: daß sie prinzipiell zur Stationierung bereit sein müssen. Und natürlich ist die Frage eines Transportes da selbstverständlich mitzuberücksichtigen und stellt auch eine Selbstverständlichkeit dar. – Das ist die Unredlichkeit!

Warum trauen Sie sich nicht, den Bürgern zu sagen, was Sie wollen? Warum trauen Sie sich nicht, ganz ehrlich vor die Bürger hinzutreten und zu sagen: Das ist unsere Absicht. Das ist die Konsequenz. So schaut es aus. Stimmt zu! Stimmt ihr nicht zu, so geht diesen Weg ein Stück mit oder geht ihn mit anderen Fraktionen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das wäre eine anständige Politik. Die vermisse ich in diesem Zusammenhang. Und wenn ich mir ansehe, was alles in der NATO, im NATO-Bereich und natürlich auch im Bereich des Warschauer Paktes bezüglich dieser Atomwaffentransporte in den letzten Jahrzehnten geschehen ist, dann muß ich sagen: Die Sorge der Österreicherinnen und Österreicher in diesem Bereich ist sehr, sehr berechtigt. Wir haben in Europa nach wie vor ein enormes Atomwaffenpotential stationiert. Wir haben derzeit rund 520 stationierte Atomwaffen in Westeuropa, und das entspricht einer Gesamtsprengkraft von rund 98 Megatonnen, die 7500fache Menge der Hiroshima-Bombe.

Man sollte sich genau überlegen, was das bedeutet, was das an Risikopotential bedeutet, was das für die Sicherheit der Bevölkerung bedeutet. Da bedarf es klarer Worte und endlich einmal einer Beendigung dieses Slalomkurses, der hier laufend praktiziert wird, der auch vom Bundeskanzler ganz im Gegensatz zu seinem positiven schriftlichen Redeentwurf heute wieder praktiziert wurde. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.23

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon heute vormittag bei der Behandlung des Außenpolitischen Berichts darüber diskutiert, wie sinnvoll es ist, jetzt mitten im Wahlkampf dieses sensible, aber gleichzeitig auch für Österreich so wichtige Thema der Sicherheitspolitik auf eine derartige Weise heranzuziehen. Ich glaube, daß die Bemerkung der Frau Petrovic, die gemeint hat, dieser Dringliche Antrag wurde deshalb heute eingebracht, weil dies ja die letzte Gelegenheit vor der Wahl ist, über diese Fragen zu diskutieren, in diesen Fragen zu polarisieren, ganz eindeutig zeigt, mit welchem "Ernst" und vor welchen Hintergründen die grüne Fraktion diesen Antrag eingebracht hat.

Meine Damen und Herren von der grünen Fraktion! Wenn es so wäre, wie es Kollege Anschober hier vorgespielt hat, nämlich daß es wirklich nur darum geht, eine Volksabstimmung abzuhalten, die Bevölkerung objektiv zu fragen und darüber entscheiden zu lassen, wie der künftige Weg in der Sicherheitspolitik aussehen soll, dann hätten Sie sich wohl bei der Formulierung dieses Dringlichen Antrags etwas mehr Mühe gegeben. Er enthält nämlich eine Reihe von Widersprüchlichkeiten. Nur zwei Beispiele: Im ersten Punkt fordern Sie die Bundesregierung auf, das Bundesverfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität zu


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vollziehen. Sie selbst waren ja – meiner Ansicht nach berechtigt – der Meinung, daß mit dem Beitritt zur Europäischen Union genau diese Neutralität der Vergangenheit angehört, daß mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union die Neutralität de facto aufgehoben ist. Also welchem Verfassungsgrundsatz soll denn der Herr Bundeskanzler hier noch nachkommen?

Oder Punkt 4: Sie verlangen, daß jede Revision des Maastrichter Vertrages, die einen Fortschritt in der Außen- und Sicherheitspolitik hin zu WEU oder NATO darstellt, einer Volksabstimmung unterzogen werden soll. Meine Damen und Herren! Hat Ihnen Herr Kollege Voggenhuber nicht gesagt, daß ein Teil, eine wichtige Säule des Maastricht-Vertrages eben die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist, der Sie ja letztlich auch zugestimmt haben nach der Volksabstimmung? Sie haben gesagt, dieses Ergebnis werden Sie anerkennen. Also wie soll das sinnvoll vollzogen werden, wenn es in Wahrheit widersinnig und widersprüchlich ist?

Noch etwas, meine Damen und Herren: Sie haben doch auch bei der Volksabstimmung betreffend den EU-Beitritt im Jahr 1994 kritisiert, daß man vor dem Vorliegen des Verhandlungsergebnisses die Bevölkerung gefragt hat, daß sich also die Bundesregierung quasi einen Persilschein hat ausstellen lassen für die Verhandlungen des EU-Beitritts. Und genau dies, nämlich vor dem Vorliegen des Verhandlungsergebnisses, haben Sie jetzt wieder in diesem Antrag drinnen. Das ist doch wirklich widersinnig und unsinnig und kann doch nicht Ihr Ernst sein, meine Damen und Herren! Wenn man die Bevölkerung ehrlich über die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik fragen möchte, dann muß man doch das Paket auf den Tisch legen. Es kann dies doch nur so erfolgen, daß man zuerst verhandelt, zuerst in die Verhandlungen eintritt und danach das Verhandlungsergebnis einer Volksabstimmung unterzieht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb werden wir auch diesem Dringlichen Antrag nicht unsere Zustimmung geben, sondern wir haben einen eigenen Entschließungsantrag vorbereitet, Herr Kollege Wabl.

Meine Damen und Herren! Noch einige Worte zu Klubobmann Kostelka. Er hat uns ja Feigheit vorgeworfen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was ist das für ein Ton?) Abgesehen davon, daß ich diesen Ausdruck zurückweise, muß ich sagen, daß dieser Vorwurf in Wahrheit nicht schwer wiegt, weil er von jemandem kommt, dem man zumindest Unredlichkeit, Unehrlichkeit und Inkompetenz in dieser Frage vorwerfen kann. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka .)

Herr Kollege Kostelka! Von Ihnen brauchen wir uns keine Vorwürfe in der Sicherheitspolitik gefallen zu lassen, von jemandem, der ernsthaft gemeint hat, das österreichische Bundesheer brauche keine Abfangjäger, man solle doch mit Radarstrahlen und Lenkwaffen unseren Luftraum absichern. Das ist entweder im Sinne von Raumschiff Enterprise, oder Sie sind der Meinung, jedes Flugzeug, das unseren Luftraum verletzt, soll gleich abgeschossen werden. Das sind Ihre sicherheitspolitischen Ideen. – Na, schönen Dank, Herr Kostelka! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Sie haben uns ja Ihr sicherheitspolitisches Konzept zur Verfügung gestellt, Kollege Leikam. Sie haben gesagt, wir brauchen nicht der NATO beizutreten, sondern wir brauchen nur zu warten, bis alle Staaten rund um uns NATO-Mitglieder sind, dann besteht für uns kein Konfliktpotential mehr, darum ist alles wunderbar. Darauf brauchen wir nur zu warten.

Meine Damen und Herren! Das vom Klubobmann der stärksten Fraktion hier in diesem Hohen Haus zu hören und in Pressekonferenzen vernehmen zu müssen, wirft wirklich ein trauriges Bild auf die Sicherheitspolitik dieser Partei.

Aber auch die Volkspartei kann man nicht ganz aus der Verantwortung entlassen. Wenn Sie, Herr Klubobmann Khol, heute hier wieder einmal festhalten: An der Neutralität wird nicht gerüttelt, und zwar auch in Zukunft nicht!, dann frage ich Sie – und ich will jetzt nicht noch einmal diese Geschichte mit dem König von Jerusalem von heute vormittag zitieren, also das Konzept der Neutralität Ihres Verteidigungsministers –: Waren es nicht Sie, der gemeint hat, die Neutralität gehöre in Wahrheit in die Mottenkiste? (Abg. Dr. Khol: Nein, Schatzkammer!) Oder in die Schatzkammer, Herr Kollege Khol. Also wie ist das jetzt: Holen wir sie wieder heraus aus der


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Schatzkammer und behalten wir sie für alle Ewigkeit, oder hat das doch noch Gewicht, was Sie vor einigen Wochen gesagt haben? Man kennt sich leider nicht mehr aus.

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Auch hier sind wieder eindeutige Bekenntnisse zur Neutralität abgegeben worden. Was stimmt jetzt? Wer spricht für diese Fraktion? Ist das Wort eines Landeshauptmannes Stix überhaupt nichts wert, der sagt, Österreich könne bei der NATO-Erweiterung nicht zuschauen? Oder jenes des Abgeordneten Cap, immerhin stellvertretender Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses, der die Neutralität für überflüssig erklärt und sich für einen NATO-Beitritt ausgesprochen hat?

Wie ist denn jetzt die Linie der Sicherheitspolitik in der Regierung? (Abg. Dr. Khol: Das hat der Bundeskanzler klargemacht!) Wie hat er das klargemacht? (Abg. Dr. Khol: Er hat dem Cap nicht recht gegeben!) Er hat ihm nicht recht gegeben. Aber zum Landeshauptmann Stix hat er nichts gesagt, und die Linie, die er heute vertreten hat, ist für mich auch nicht ganz klar, weil sie in sich widersprüchlich ist, meine Damen und Herren. Aber er hat uns einmal klar zur Kenntnis gebracht, warum diese Regierung an dieser Neutralität festhalten muß.

Er hat einmal in einer Fragestunde hier auf unsere diesbezügliche Anfrage ganz klar geantwortet und gesagt: Österreich muß auch in der EU neutral sein, denn das haben wir der Bevölkerung vor der EU-Abstimmung versprochen. Genau das ist ja der Grund, meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler: Sie wollen nicht zugeben, daß Sie die Bevölkerung vor der EU-Abstimmung angelogen haben, daß Sie die Unwahrheit gesagt haben, nämlich Österreich könne in der Europäischen Union die Neutralität beibehalten. Das war die Unwahrheit. Stehen Sie heute endlich einmal dazu! Geben Sie zu, daß Sie die Leute hinters Licht geführt haben! Sie wissen ganz genau, daß in der Europäischen Union ein neutraler Staat, der diese Neutralität ernst nimmt, nicht zugelassen wird und daß das auch allen Grundsätzen der Europäischen Union völlig widerspricht, natürlich auch dem Grundsatz der Solidarität.

Herr Bundeskanzler! Wie soll denn das funktionieren: einerseits neutral zu sein, das heißt, zu signalisieren, ich werde mich aus jedem Konflikt heraushalten, und auf der anderen Seite zu sagen, wir sind solidarisch mit jenen, die in ihrer Sicherheit bedroht sind? Das ist doch wirklich ein eklatanter Widerspruch, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir treten dafür ein, daß man der Bevölkerung endlich die Wahrheit sagt, daß man ihr sagt, es gibt hinsichtlich der Gestaltung der Sicherheitspolitik in Zukunft zwei Möglichkeiten: Die eine ist, daß man die völkerrechtliche Neutralität ernst nimmt. Das bedeutet aber auch jede Abstinenz von Bündnissen, die Sicherheitsorganisationen vorsehen. Das bedeutet den Austritt aus der Europäischen Union, und das bedeutet auch eine Vervielfachung unserer Landesverteidigungsausgaben, denn dann würde unser Bundesheer allein und auf sich gestellt alle Bedrohungspotentiale abdecken müssen.

Oder: Der zweite Weg ist, nach dem Versicherungsprinzip mit vielen anderen Staaten gemeinsam am Aufbau einer europäischen Sicherheitsordnung mitzuarbeiten und nicht zuzuschauen, wie die anderen über uns bestimmen, sondern als gleichberechtigter Partner mit allen Rechten und Pflichten am Aufbau dieses Sicherheitssystems mitzuarbeiten. Das wäre doch das sinnvolle System.

Darüber sollte man, wenn Sie schon nicht in der Lage sind, eine Entscheidung zu treffen, die österreichische Bevölkerung abstimmen lassen. Verhandeln Sie einmal über die Bedingungen eines Beitritts, legen Sie auch die Konsequenzen eines Nichtbeitritts offen, und lassen Sie darüber die Österreicher abstimmen! Sie werden sehen, daß die Österreicher noch immer die vernünftigste Ansicht in der Sicherheitspolitik haben und gemeinsam mit den anderen Staaten den Weg einer demokratischen und sicheren Friedensordnung in Europa gehen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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16.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Moser. – Bitte.

16.33

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Ich möchte Kollegen Anschober tatsächlich berichtigen. Kollege Anschober hat erklärt, daß die Stationierung fremder Truppen beziehungsweise die Stationierung von Atomwaffen im Falle eines NATO-Beitritts eine Voraussetzung wäre. Das ist nicht richtig. Der Generalsekretär der NATO Solana hat bei der Parlamentarischen Versammlung der NATO in Athen im Mai dieses Jahres auf eine Anfrage eines polnischen Abgeordneten eindeutig und klar erklärt, daß eine Stationierung fremder Truppen und eine Stationierung von Atomwaffen auf dem Territorium von Beitrittsländern keine Voraussetzungen für einen NATO-Beitritt sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

16.34

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Klubobmann Kostelka hat heute bei dieser Debatte festgestellt, hier werde von den Grünen wieder einmal ein Thema aktualisiert, das nicht existent sei. Der Klubobmann der ÖVP hat festgehalten, dieses Thema steht jetzt nicht an. Er hat zwar irgendwann einmal behauptet, die Neutralität ist nur mehr ein Restposten, eigentlich ist sie ein wunderbares historisches Andenken, das wir in der Schatzkammer verfrachten sollten. Wenn man sich aber anschaut, wie diese nicht existente Diskussion, dieses nicht existierende Thema behandelt wird, dann fragt man sich, wieso eine solch massive Weigerung besteht, dieses Thema abzuhandeln.

Herr Bundeskanzler! Sie haben heute hier wieder davon gesprochen, daß die Diskussion eigentlich nicht aktuell ist. Sie haben gesagt, in einer Demokratie könne man das niemandem verbieten und Sie wollen das auch gar nicht. Ich will Ihnen das nicht unterstellen. Sie wollen auch gar nicht, daß man dem ehemaligen Bundesgeschäftsführer das verbietet, daß man der Frau Ederer das verbietet, dem Herrn Stix das verbietet, dem Herrn Schieder das verbietet. Die haben sich alle zu diesem Thema gemeldet. Herr Bundeskanzler! Sie sollten aber diese Ihre Meinung selbstverständlich auch der österreichischen Presseagentur endlich kundtun, denn die APA hat mit 15. Juli 1996 eine Fülle von Aussagen zusammengestellt, unter dem großen Titel: "Österreich/Parteien/SPÖ/NATO/Neutralität/Hintergrund

NATO-Beitritt: SPÖ-Haltung schwenkt von striktem Nein zu Ja.

Aussagen von SPÖ-Politikern seit 1990" – Jetzt will ich nicht alle Meldungen anführen, ich will nur die skurrilsten bringen:

Am 1. Oktober 1992 hat der damalige Staatssekretär Kostelka gesagt: NATO-Beitritt eine Schnapsidee. – Zuerst einmal war es in der Diskussion also eine Schnapsidee – von Alkoholisierten offensichtlich.

Dann hat Herr Josef Cap – damals noch Bundesgeschäftsführer – behauptet: NATO-Mitgliedschaft unvereinbar mit der Neutralität. Er hat auch noch die FPÖ geziehen, ein Sicherheitsrisiko zu sein, weil sie von einem NATO-Beitritt spricht.

Vranitzky hat eindeutig festgehalten: Gegen Teilnahme an Militärbündnis wie NATO.

Am 19. Mai 1995 hat Herr Cap gesagt: Klare Absage an Berufsheer. SPÖ-Kanzlerprogramm: Absage an NATO-Beitritt bekräftigt.

Vranitzky am 3. November: Kein schleichender NATO-Beitritt.

Bereits am 28. Februar – an meinem Geburtstag – sagte Vranitzky: Schließe NATO-Beitritt nicht für alle Zeit aus. – An meinem Geburtstag habe ich es erfahren, ich werde es vielleicht noch erleben.

Am 28. April: Hannes Swoboda: NATO und ihre Bedeutung anerkennen.


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Nachdem der Herr Bundeskanzler den NATO-Beitritt nicht mehr ganz ausschließt, sagt er am 29. April: Nicht automatisch einem Militärbündnis beitreten. – Also er wehrt sich dagegen, daß es hier eine Automatik gibt. Er möchte aktiv eintreten, wenn schon der Beitritt gefragt ist.

Schieder ist noch ein etwas Konservativerer in der SPÖ-Riege und sagt am 9. Mai: Keine Aktualität für NATO-Beitritt.

Am 5. Juni vermerkte der Bundeskanzler, daß in seiner Fraktion ein bißchen Nervosität aufkomme, und spricht sich hier als Super-Visionär und als Gruppentherapeut aus: Vranitzky gegen verkrampfte Berührungsängste zu WEU und NATO. – Also bitte, keinen Krampf, Herr Cap! Cap hat das natürlich ernst genommen.

Cap hat es ernst genommen, Fischer hat es registriert und am 13. Juli locker erklärt, er deutet Haltungsänderung der SPÖ zu NATO und WEU an.

Nachdem Kollege Cap nicht mehr Geschäftsführer war, also keine Verkrampfung mehr notwendig war, hat er am 14. Juli klar und deutlich behauptet und festgehalten: Cap plädiert für raschen NATO-Beitritt.

Meine Damen und Herren! Das ist die Chronologie der Diskussion über ein nicht existentes Thema, über ein Thema ohne Aktualität, ohne Notwendigkeit, ohne Priorität. Der Kanzler vermerkt: Man kann es ja nicht verbieten, denn in einer Demokratie – seien wir doch froh – dürfen wir alles sagen, was wir wollen.

Meine Damen und Herren! Wir Grüne sollten froh sein darüber, wie sich heute diese Debatte hier entwickelt hat. Besonders froh sollten wir darüber sein, daß es ein schriftliches Redemanuskript gibt, denn der Herr Bundeskanzler hat darin klar und deutlich festgehalten, auch wenn es in seiner mündlichen Antwort hier ein paar Worte gegeben hat, die nicht so deutlich waren – ich zitiere –:

Ich meine – und schließlich ist der Bundeskanzler ja nicht irgend jemand, der eine Meinung absondert, sondern das ist die Mitteilung des Bundeskanzlers hier an dieses Haus –, daß für Österreich daher derzeit weder aus sicherheits- noch aus allgemeinpolitischen Gründen ein Diskussionsbedarf – also Bedarf war ja keiner an diesen Äußerungen der SPÖ in den letzten Jahren, aber trotzdem – über eine Mitgliedschaft in einem Militärbündnis besteht. Sollte aber eine solche Frage einmal konkret anstehen – irgendwann einmal, man weiß ja nicht, die Welt ist ja oft sehr wandlungsfähig, es gibt ja oft Zusammenbrüche von ganzen Militärblöcken – und damit auch ein wesentliches Element des politischen Selbstverständnisses Österreichs neu beurteilt werden müssen, so wäre dazu sicher das Volk zu befragen und eine Volksabstimmung durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Das war doch eine klare Aussage. Herr Schieder wird darüber erfreut sein, ob es der Kollege Cap ist, weiß ich nicht. Kollege Khol wird natürlich damit Schwierigkeiten haben.

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Ich glaube, Sie haben Ihre Fraktion wieder voll auf Linie gebracht. In der heutigen APA ist nachzulesen – das wird vielleicht nur Herrn Khol irritieren –, daß Frau Geschäftsführerin Ederer von einem ÖVP-Verrat in dieser Frage spricht: Ederer sieht klare Anzeichen für ÖVP-Verrat an Neutralität.

Meine Damen und Herren! Ob das jetzt die richtige Wortwahl einer netten Koalitionspartnerin war, ist eine andere Frage. Diese Diskussion ist aber wichtig, ich erachte sie zum Teil als sehr konstruktiv, selbst diesen konträren Standpunkt des Kollegen Cap. Ich finde, sie ist notwendig. Wir müssen in diesem Haus und überall in Österreich diese Diskussion forcieren. Und ich meine, daß nach dieser Diskussion ein klarer Standpunkt dargelegt werden muß, insbesondere von Ihnen, Herr Bundeskanzler.

Herr Bundeskanzler! Sie haben heute zumindest zur verfassungsrechtlichen Vorgangsweise eine klare Position bezogen. Es wird notwendig sein, aufgrund dieser vielen Diskussionsgrund


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lagen, aufgrund dieser Meinungen, die von einzelnen Mitgliedern der SPÖ, von einzelnen Mitgliedern der ÖVP, von Regierungsmitgliedern – abgesehen davon, ob es Verrat oder nicht Verrat war – dargelegt worden sind, daß dann das Volk entscheidet. Und nur das haben wir heute hier beantragt.

Herr Bundeskanzler! Ich werte es heute als einen politischen Erfolg der Grünen, daß Sie zumindest in Ihrem schriftlichen Manuskript klar und deutlich dazu Stellung bezogen haben; offensichtlich ist das die Meinung der ganzen Regierung. – Ich danke sehr. (Beifall bei den Grünen.)

16.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Frischenschlager. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.43

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Kollege Wabl hat sich sehr liebevoll der SPÖ angenommen und von einer gemeinsamen Regierung gesprochen. Ich darf mich daher in diesem Fall jetzt der ÖVP zuwenden, die ja in der Regierung vertreten ist, und möchte mich insbesondere mit der Rolle des Herrn Außenministers und Vizekanzlers beschäftigen. Dieser hat in der heutigen Debatte wieder sehr stark versucht, herauszuarbeiten, daß sich durch die EU-Mitgliedschaft an der Neutralität gar nichts verändert hat – Maastricht-Vertrag hin, Maastricht-Vertrag her, Beitrittsgesetz hin, Beitrittsgesetz her –, obwohl mit der EU-Mitgliedschaft die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Finalität der Verteidigungspolitik ganz klar angesprochen wurden. Dazu gibt es genug Zitate.

Aber was mich im Hinblick auf den Wunsch der Grünen in Richtung Volksabstimmung besonders ärgert und was wirklich einer Verhöhnung der Bürger in Österreich nahekommt, ist, daß der Herr Vizekanzler in einer Aussendung vom 24. Juli dieses Jahres folgendes gesagt hat:

Die Debatte über eine Volksabstimmung für den Fall eines Beitrittes zur WEU und/oder NATO hält Schüssel für überflüssig. Die Wähler haben beim Referendum am 12. Juni 1994 über den Maastricht-Vertrag abgestimmt, der den Aufbau einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorschreibt und davon ausgeht, daß die WEU zum militärischen Arm der EU wird. Demnach sei Österreich der EU gegenüber auch nicht mehr neutral. – Das sagt Ihr Außenminister, Ihr Vizekanzler, der Angehöriger dieser Regierung ist.

Es wird so getan, als ob die ÖVP oder auch die SPÖ vor dem 12. Juni 1994 nicht klipp und klar gesagt hätten: Wir gehen in die Europäische Union, und an der Neutralität ändert sich gar nichts! Ich würde gerne den Herrn Klubobmann Khol, da der Herr Außenminister nicht da ist, bitten, ein einziges Zitat aus dem Mund der ÖVP vor dem 12. Juni 1994 vorzulegen, das belegt, daß gesagt worden wäre, innerhalb der Europäischen Union gebe es keine Neutralität mehr. Das ist nicht einmal gesagt worden, sondern es wurde von beiden Regierungsparteien zum Ausdruck gebracht, es ändere sich an der Neutralität nichts. Und deshalb glaube ich, daß es eine Verhöhnung des Wählers ist, jetzt, zwei Jahre später, zu sagen, es wäre damals über Maastricht, über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, über die Verteidigungspolitik abgestimmt worden. Das ist wirklich eine beschämende Vorgangsweise. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

Herr Kollege Khol! Da Sie heute und gestern mit aller Vehemenz die Neutralität als unverrückbar dargestellt haben, möchte ich jetzt doch auch das von Kollegen Scheibner angeschnittene Zitat bringen, nämlich Ihre Aussage in der EU-Beitrittsdebatte am 11. November 1994. Diese Passage muß man auf der Zunge zergehen lassen:

Meine Damen und Herren! Das Schloß hat sich geändert, und der Schlüssel Neutralität paßt nicht mehr, denn die Neutralität war nie Selbstzweck unserer Politik, sondern sie war immer Mittel zum Zweck. An oberster Stelle stand die Sicherheit unseres Landes. 1955 war die Neutralität ein Schlüssel, der die Tür zur Sicherheit aufsperrte. Heute, meine Damen und Herren, ist sie ein wertvolles Relikt, ein verehrungswürdiges Erinnerungsstück, das wir wie die


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Kaiserkrone in die Schatzkammer stellen sollten. Dort könnten wir sie bewundern und sagen: Sie hat uns einmal gute Dienste geleistet, aber sie wird nicht mehr getragen. (Abg. Wabl: Den Habsburg haben sie ja auch wieder herausgeholt! Jetzt holen sie die Neutralität auch wieder heraus!) Sie war für eine andere Zeit.

Ich habe die Kandidatur von Herrn Habsburg auf Platz 2 nie verstanden. Jetzt wird es mir aber auf einmal klar: Der Anhänger der Monarchie, Herr Habsburg, kandidiert, er möchte die Kaiserkrone aktivieren, und Herr Khol hat gestern und heute die Neutralität wieder aus der Kaisergruft herausgeholt und aktualisiert. Jetzt verstehe ich endlich den tieferen Sinn der Kandidatur von Karl Habsburg. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Das Liberale Forum hat vor dem Referendum klar gesagt: Mit dem Beitritt zur Europäischen Union gibt es keine Neutralitätspolitik mehr! Auch die Grünen haben es gesagt. Wir hatten unterschiedliche Ausgangspunkte. Sie, weil Sie die Neutralität erhalten wollen, wir, weil wir meinen, eine gemeinsame Sicherheitspolitik ist ein sicherheitspolitischer Fortschritt. Aber die Regierung hat vor dem 12. November mit dem Postulat, an der Neutralität ändere sich nichts, die Bevölkerung hinters Licht geführt. (Beifall beim Liberalen Forum und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Nun zur Volksabstimmung, zur Forderung der Grünen: Uns ist völlig klar: Das Einbinden Österreichs in eine gemeinsame Sicherheitspolitik auf europäischer Ebene ist ein tiefer Einschnitt, weil es den Abschied von der Neutralität bedeutet, und wir verstehen die tiefe Emotionalität der Bevölkerung in dieser Frage. Aber wir halten fest: Es ist legitim und aus unserer Sicht notwendig, sicherheitspolitisch weiterzudenken, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik anzustreben, und wir meinen, daß uns die Neutralität dabei nicht im Weg stehen soll.

Aber es geht darum – und dieser Appell richtet sich in erster Linie an uns, an die Repräsentanten –, diese Dinge klar zu debattieren, dann eine Willensbildung herbeizuführen, der Bevölkerung durch diese Diskussion auch eine Informationshilfe zu geben, und dann sind wir berufen, zu entscheiden. Und sollte es aber seitens der Bevölkerung den massiven Wunsch geben, diese Frage auch einer Volksabstimmung zu unterwerfen, dann sagen wir dazu ja. Wir sind nicht gezwungen dazu, aber wir halten das für eine demokratiepolitisch berechtigte Forderung.

Meine Damen und Herren! Über eines sollten wir uns dabei aber im klaren sein, gerade im Hinblick auf den Antrag der Grünen, der ja nicht nur diese Forderung in Richtung Volksabstimmung erhebt, sondern überhaupt zur Neutralität Stellung nimmt: Hier trennen sich die Wege, und deshalb können wir auch diesem Antrag der Grünen nicht zustimmen. Wir stehen vor dieser Weggabelung: entweder die gemeinsame Sicherheitspolitik oder den Versuch, im Rahmen der Neutralität eine eigenständig nationalstaatliche Sicherheitspolitik betreiben zu wollen. Das, so glauben wir, ist in der Perspektive nicht sinnvoll und daher auch nicht aufrechtzuerhalten.

Wir meinen, die Westeuropäische Union solle in die Europäische Union integriert werden, und wir sollten diese Außen- und Sicherheitspolitik gemeinsam betreiben. Wir halten die Perspektive in Richtung NATO für nicht notwendig, da es uns darum geht, daß Europa sicherheits- und außenpolitisch handlungsfähig wird und nicht an den Interessen der NATO und an ihrer US-Abhängigkeit hängenbleiben sollte. (Abg. Scheibner: Das ist eine Illusion!) Das ist keine Illusion. Amerika hat eigene Interessen, das beweist es uns gerade in diesen Tagen, in denen Raketenangriffe aus Wahlkampfgründen stattfinden. Wir brauchen die europäische Handlungsfähigkeit. Wir brauchen auch eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur mit Rußland. Es gibt auf diesem Kontinent keine Sicherheit, wenn nicht mit Rußland – es gibt keine Sicherheit gegen Rußland. Auch das sollte uns klar sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Schließlich bedeutet für uns die gemeinsame europäische Sicherheitspolitik kein Aufrüsten, sondern wenn diese Einigung auf eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur mit Rußland gelingt, dann ist das der Schlüssel zu einer Abrüstung dieses nach wie vor weit überrüsteten euro


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päischen Kontinents. So sieht unsere Perspektive aus, und wir sind sicher: Wenn wir diese Dinge, Herr Bundeskanzler, offen und zeitgerecht vor der Endbeschlußfassung der Regierungskonferenz debattieren, dann wird die Bevölkerung das nicht nur verstehen, sondern es unserer Meinung nach auch wollen, und das kann dann durchaus in einer Volksabstimmung bestätigt werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Sie ist nicht im Saal, ihre Wortmeldung ist daher verfallen. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 290/A (E) der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend Abhaltung einer Volksabstimmung über die immerwährende Neutralität. (Rufe bei den Grünen: Quorum! Quorum!) Ja, das ist richtig, danke schön. (Abg. Dr. Khol: Zur Geschäftsbehandlung!) – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.54

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Ich schlage vor, daß Sie einläuten lassen, damit die Kollegen aus ihren Arbeitsräumen in den Saal kommen können. Ich beantrage eine Sitzungsunterbrechung von 5 Minuten.

16.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich unterbreche die Sitzung.

(Die Sitzung wird für kurze Zeit unterbrochen. )

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf . Das Quorum ist gegeben.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 290/A (E) der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend Abhaltung einer Volksabstimmung über die immerwährende Neutralität Österreichs.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag stimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit . Der Antrag ist damit abgelehnt .

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 892/AB

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Inneres mit der Ordnungszahl 892/AB. Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits schriftlich verteilt worden, sodaß sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt.

Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé, die Debatte zu eröffnen. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.57

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben eine Anfrage eingebracht, und zwar wollten wir Aufklärung haben über eine Position, die im Sicherheitsbericht erwähnt worden ist, unter "Unterstützung für bosnische Flüchtlinge". Wir haben jetzt die Antwort vom Bundesminister erhalten, aus der hervorgeht, daß für


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Verpflegung, Unterkunft, Krankenhilfeleistungen, Schülerfreifahrten, für Deutschkurse und so weiter im Jahr 1994 ein Gesamtaufwand von 867 Millionen Schilling geleistet worden ist, das heißt also, fast eine Milliarde Schilling alleine im Jahr 1994. Und ich bin überzeugt davon, daß es 1993 und 1992 nicht weniger war, sondern mehr, was unter diesem Titel aufgewendet worden ist. Und wenn ich mich richtig erinnere, sind zumindest im Budget 1996 allein für die Krankenhilfeleistungen für bosnische Flüchtlinge 260 Millionen Schilling vorgesehen.

Das heißt also, daß die österreichische Bevölkerung im Laufe der Kriegshandlungen in Bosnien Milliarden für die Kriegsflüchtlinge aufgewendet hat, und das sicher auch aus gutem Grund, denn immerhin waren 80 000 Menschen von einer ungeheuren Notsituation betroffen, und die Österreicher haben eben da ganz spontan und wirkungsvoll Hilfe geleistet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Österreicher haben aber auch darauf vertraut, daß die Kriegsflüchtlinge wieder nach Hause kehren, sobald die Kriegshandlungen abgeschlossen sind, und da sind wir leider Gottes sehr enttäuscht worden. Immerhin ist es jetzt schon ein Jahr her, daß die Friedensverhandlungen abgeschlossen sind, und noch immer befindet sich der größte Teil der Flüchtlinge in Österreich. Und ich bin wirklich befremdet, sehr geehrter Herr Minister, daß Sie bei einer der Gelegenheiten, als über die bosnischen Flüchtlinge gesprochen worden ist, gesagt haben: Es besteht überhaupt keine Pflicht für die Flüchtlinge, heimzukehren! Wer will, kann dableiben, und wer möchte, kann auch heimgehen. Jetzt gibt es eine Fragebogenaktion von Ihnen, bei der genau eruiert werden soll, wem – nach Ihren Worten – zugemutet werden kann, in die Heimat zurückzukehren, und wem nicht.

In Anbetracht dieser hohen Kosten, die Österreich schon erwachsen sind und auch noch in Zukunft erwachsen werden. frage ich mich schon, Herr Minister: Wie können Sie es verantworten, daß Sie die Wahlmöglichkeit geben, ob jemand heimgeht oder nicht? – Ich bin überzeugt davon, daß die Bevölkerung kein Verständnis hat für die Wahlmöglichkeit, die Sie einräumen.

Sie haben mittlerweile auch versucht, die Bevölkerung, die schon ungeduldig geworden ist, eben weil die Kriegshandlungen bereits beendet sind, mehr oder weniger hinzuhalten, indem Sie immer wieder gesagt haben: Na ja, es besteht eine große Bereitschaft, nach Hause zurückzukehren. – Sie haben im Jänner gesagt, es bestehe eine relativ hohe Bereitschaft, zurückzukehren. Etwas später sagten Sie: Der Großteil wird nach Bosnien zurückkehren, wobei Sie aber – das möchte ich auch sagen – immer nur von den 20 000 beziehungsweise 18 000 oder jetzt 11 000 geredet haben, die sich noch in Bundesbetreuung befinden. Sie haben von den übrigen 60 000 überhaupt nicht geredet, sondern Sie haben die Bevölkerung immer wieder dahin gehend vertröstet, daß diese 11 000, 18 000 oder 20 000 zurückgehen werden. Tatsächlich aber sind im Laufe der Zeit nur ein paar Hundert zurückgekehrt.

Eines möchte ich Ihnen allen schon sagen: Insgesamt sind 1,3 Millionen Menschen aus Bosnien-Herzegowina, aus dem ehemaligen Jugoslawien geflüchtet. Erst 40 000 all dieser Flüchtlinge sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, und das, obwohl der Friedensprozeß jetzt schon ein Jahr lang dauert. Es ist also keine Rede davon, daß eine große Rückkehrbereitschaft besteht, keine Rede davon, daß man damit rechnen kann, daß die Leute freiwillig zurückgehen.

In dieser Situation kann man sich ja wirklich ausrechnen, was geschieht, wenn der Innenminister ihnen die Wahlmöglichkeit gibt. Sie müssen ja gar nicht zurückgehen, sondern sie können auch dableiben. – Wir können damit rechnen, daß alle dableiben, wenn wir eine solche Wahlmöglichkeit einräumen. Und damit sind wir sicher nicht einverstanden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Gerade deshalb, weil man ja weiß, daß die Rückkehrbereitschaft äußerst gering ist, hat beispielsweise Deutschland jetzt den 1. Oktober als fixen Starttermin für den stufenweisen Abtransport der bosnischen Flüchtlinge in die Heimat vorgesehen. Sie, Herr Minister, haben großzügig, wie Sie sind, nicht nur gesagt, es gibt die Wahlmöglichkeit, sondern vor dem 31. August braucht niemand auch nur zu überlegen, ob er möchte oder nicht. Das heißt also, Sie wissen ganz genau, daß die Österreicher riesige Belastungen zu tragen haben – das Sparpaket, Arbeitsplatz


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problematik –, durch die Flüchtlinge selbst Belastungen in Milliardenhöhe haben, aber Sie sagen großzügig: Der 31. August 1997 ist der erste Termin, über den wir überhaupt reden werden, der für eine Rückkehr in Frage kommt. Sie sind großzügig, aber auf Kosten der Österreicher, und die Österreicher müssen das alles bezahlen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Ich bitte Sie, Herr Minister, daß Sie uns heute sagen, wie Sie das eigentlich verstehen, warum Sie immer nur von den 18 000 bis 20 000 sprechen, die noch in Bundesbetreuung sind, die zurückkehren sollen, ob Sie sich damit abgefunden haben oder ob Sie es sogar akzeptieren und noch fördern, daß die übrigen 60 000 in Österreich bleiben. Es ist ja wirklich paradox: Da reist der bosnische Präsident Izetbegovi% in Europa herum, fordert die Bosnier auf, daß sie wieder heimkehren sollen, weil er dringend Leute zum Wiederaufbau braucht, und Sie, Herr Minister, konterkarieren diese Bemühungen. Sie sagen: Eigentlich braucht ihr gar nicht heimzufahren, bleibt lieber hier!, auf der anderen Seite sieht man aber, daß in diesem Land, das sich im Aufbau nach den Kriegswirren befindet, jetzt dringend Leute gebraucht werden.

Herr Minister! Bitte erklären Sie uns, wie Sie sich dieses Vorhaben vorstellen.

Im übrigen ist es den Österreichern überhaupt kein Trost, daß 51 200 Personen, wie Sie das so gerne anführen, eine Aufenthaltsberechtigung bekommen haben, und 25 600 eine Beschäftigungsbewilligung, denn diese Arbeitsplätze, die unter anderem von den Bosniern eingenommen werden, sind Arbeitsplätze, die den arbeitslosen Österreichern abgehen. Wir haben eine eklatant hohe Arbeitslosigkeit, und es ist eine Zumutung in dieser Zeit der hohen Arbeitslosigkeit, daß nicht dafür Sorge getragen wird, daß die Bosnier wieder zurückkehren, sondern daß sie Arbeitsplätze besetzen, die eigentlich den Österreichern zustehen und die sie für einen kurzen Zeitraum übernommen haben.

Wir alle haben angenommen, daß die Flüchtlinge wieder nach Hause zurückkehren, wie es für Flüchtlinge üblich ist. Sie kommen zu uns während einer furchtbaren Zeit, in der sie verschont werden sollen von den Kriegswirren, aber dann müssen sie auch wieder nach Hause zurückkehren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben nicht nur durch eine schlechte Wirtschaftspolitik Arbeitsplätze vernichtet, nicht nur durch das Sparpaket Arbeitsplätze vernichtet: Durch solche Aktionen tragen Sie noch zusätzlich zur Arbeitsplatzvernichtung bei! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich fordere Sie von der Österreichischen Volkspartei auf, sich endlich einmal in der Koalitionsregierung durchzusetzen. Herr Minister Schüssel hat seinerzeit gesagt, daß die Rückführung der bosnischen Flüchtlinge rasch begonnen werden soll. – Das war vor der Nationalratswahl. Bis jetzt hat man nichts davon gehört. Wenn das also nicht nur ein Wahlschlager der Österreichischen Volkspartei gewesen sein soll, dann versuchen Sie doch endlich, mit uns gemeinsam ein Programm zu erstellen, womit wir erreichen können, daß die bosnischen Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren, damit weitere Lasten für Österreich vermindert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Elmecker. – Bitte. Die Redezeit beträgt ab jetzt 5 Minuten.

17.07

Abgeordneter Robert Elmecker (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Partik-Pablé hat gerade von einem "Wahlschlager" gesprochen. Es tut mir leid, daß die Freiheitlichen dieses Thema heute in dieser Form hier diskutieren wollen – offensichtlich auch wegen einer bevorstehenden Wahl. Ich glaube aber, das Schicksal der Flüchtlinge, Frau Kollegin Partik-Pablé, ist absolut nicht dazu geeignet, in den Wahlkampf hineingezogen zu werden. (Beifall bei der SPÖ und Beifall der Abg. Mag. Stoisits. )


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Es wurde heute vormittag schon bei der Debatte über den Außenpolitischen Bericht von Herrn Vizekanzler Dr. Schüssel gesagt, daß es für die Österreicher und Österreicherinnen 1948 wichtig war, als wir durch den Marshallplan sehr großzügige Aufbauhilfe bekommen haben. Es war wichtig für dieses Land, für die Wirtschaft in diesem Land und den Aufbau dieses Landes, als wir diese Mittel aus den Vereinigten Staaten bekommen haben, und die Solidarität erfordert es, daß Länder, in denen Gott sei Dank Frieden und Eintracht herrscht, jenen, die jahrelang durch Krieg zerstört wurden, auch entsprechende Hilfe geben.

Nun aber zum Anlaß, der die Freiheitlichen dazu bewogen hat, diese Anfragebesprechung zu beantragen. Auch in Deutschland gibt es die Diskussion, das ist richtig, ab 1. Oktober die Rückführungen zu beginnen. Aber Frau Kollegin Dr. Partik-Pablé, Sie haben nicht erwähnt, daß der deutsche Innenminister wohl den 1. Oktober genannt hat, aber gesagt hat, die einzelnen deutschen Bundesländer können die Rückführung sehr flexibel handhaben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber bei uns ist es der 31. August 1997!)

Wir wissen von den deutschen Bundesländern, daß sie das natürlich sehr flexibel handhaben, mit Ausnahme von Berlin – in Berlin ist der Diskussionsstand offensichtlich ein anderer. (Abg. Dr. Partik-Pablé: In Bayern!) Ich nenne zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, wo Innenminister Franz-Josef Kniola sagte, daß die Entwicklungen zeitlich zu entzehren wären. Wenn nämlich alle Länder wie Berlin vorgingen, müßte auf einmal eine große Zahl von Flüchtlingen nach Bosnien zurückkehren. Außerdem wäre Nordrhein-Westfalen nicht dafür, daß diese Aktion in den Winter hineingenommen wird. In derselben Weise ist auch in Brandenburg der Stand der Diskussion. Das heißt also, auch in Deutschland, wo übrigens die Zahl der Flüchtlinge eine wesentlich größere ist, nämlich 320 000, hat man diese Diskussion geführt. Wir sprechen uns dafür aus, auf Freiwilligkeit zu setzen, und diese Freiwilligkeit sollte auch entsprechend in Unterstützungsmaßnahmen dokumentiert werden.

Die Aufwendungen Österreichs für die Bosnien-Aktion waren zweifellos sehr hoch. Wir haben aber das Geld offensichtlich sinnvoll für Integration und Rückkehrhilfe eingesetzt und nicht bloß für den Unterhalt ausgegeben. Dies beweist die Entwicklung der Zahlen in dieser Unterstützungsaktion. Waren es auf dem Höhepunkt der Aktion 54 000, so befanden sich zu Jahresbeginn davon nur mehr 19 000 in der Aktion – derzeit sind es knapp 12 000. Der Aufwand verringert sich also kontinuierlich. Dies steht im Gegensatz etwa zur Lage in der Schweiz oder auch in Deutschland, wo die Zahl der unterstützten Personen seit Jahren konstant ist und sich nicht verringert.

Das österreichische Unterstützungssystem sowohl für die Bosnier als auch für die bundesbetreuten Asylwerber ist sehr sparsam. Wir erbringen Sachleistungen und sehen davon ab, Bargeld auszuzahlen. Damit sind Mißbräuche ausgeschlossen. Mit Entschiedenheit ist der immer wieder ausgestreuten Fehlinformation entgegenzutreten, daß die Asylwerber und auch die Bosnier 200 S pro Tag bar in die Hand bekommen. Dieser Betrag ist jener Betrag, der für die tatsächlichen Kosten, die zum Beispiel der Gastwirt in Rechnung stellt, aufgewendet wird. Das Taschengeld beträgt 400 S pro Monat.

Wir haben übrigens die Bundesbetreuungseinrichtungen mehrfach auch betriebswirtschaftlich kontrollieren lassen, und Ergebnis ist, daß unsere Unterbringung und Verpflegung deutlich billiger ist als die privaten Gasthöfe.

Meine Damen und Herren! Wenn die Freiheitlichen meinten – und das wurde vorhin auch von Kollegin Partik-Pablé gesagt –, daß wir zuviel Geld in der Bundesbetreuung ausgeben, so sollte darauf hingewiesen werden, daß letzte Woche in einem Artikel im "Kurier" berichtet wurde, daß zum Beispiel die Caritas die viel zu geringen Ausgaben scharf kritisiert.

Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte. Wir geben weder zu wenig noch zuviel aus. Wir geben für diese humane Tat gerade jenen Betrag aus, der erforderlich ist, und das sollte unserer Meinung nicht in den Wahlkampf hineingezogen werden. (Beifall bei der SPÖ.)


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17.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Gleiche Redezeit.

17.12

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ihr Appell, Frau Kollegin Partik-Pablé, an die ÖVP und die Zitierung von Aussagen gehen natürlich, was die bosnischen Kriegsflüchtlinge betrifft, ins Leere.

Worauf basiert unsere Linie? – Auf dem Koalitionsübereinkommen, Kollege Stadler, das SPÖ und ÖVP am 11. März 1996 abgeschlossen haben. (Abg. Mag. Stadler: Zickzack-Linie! – Abg. Haigermoser: Ein Schlangenlinienkurs!) In diesem Koalitionsübereinkommen steht klar und unmißverständlich im Kapitel Innere Sicherheit – ich habe es mir herausgesucht; ich habe ja geahnt, daß Sie uns eine Zickzacklinie unterstellen wollen – auf Seite 30 zum Kapitel bosnische Kriegsflüchtlinge, ich zitiere:

"Österreich unterstützt die freiwillige Rückkehr bosnischer Kriegsflüchtlinge in enger Kooperation mit dem UNHCR und den anderen Staaten der EU. Hiezu wird eine entsprechende Rückkehrberatung und bei Bedarf Rückkehrhilfe angeboten werden. Projekte, die die Reintegration in Bosnien erleichtern, werden von Österreich vor Ort unterstützt. Die Bund-Länder-Aktion zur Betreuung bosnischer Kriegsflüchtlinge wird in enger Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern jedenfalls bis 31. August 1997 verlängert und läuft dann, falls der Friedensprozeß in Bosnien Erfolg hat, nach heutiger Planung aus." – Zitatende.

Frau Kollegin Partik-Pablé! Soviel zur Linie der ÖVP, einer Linie, die human ist, einer Linie, die konsequent ist, einer Linie, die im Dienste der Menschlichkeit mitgelebt werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ihr Appell geht deswegen ins Leere, weil wir alle miteinander spüren, was die Intention Ihrer Anfragebesprechung ist: Einmal mehr stehen Wahlen vor der Tür, noch dazu in Wien, und da heißt es ganz einfach, das gesamte Arsenal, die komplette Munition dessen, was die Freiheitlichen an permanenten Versatzstücken in Sachen Ausländerpolitik tagtäglich von sich geben, wieder einmal aus dem Fundus herauszuholen. Da heißt es ganz einfach aufzumunitionieren, da heißt es ganz einfach Stimmung zu machen, und da heißt es vor allem, Kraut und Rüben zu verwechseln.

Frau Kollegin Partik-Pablé! Was mich so verwundert hat in Ihrer Anfrage an den Innenminister: Sie haben nicht einmal den fachlichen Beweis geführt, daß Sie verstehen, was Sie fragen. Sie haben Kraut und Rüben vermischt, indem Sie Flüchtlinge laut Konvention einerseits mit Kriegsflüchtlingen andererseits und Asylbewerbern als drittes in einen Topf geworfen haben.

Dann haben Sie aus diesem Topf die Zahlen für die Wohnungen entnommen, die ja gerade in Wien so aktiv von den Freiheitlichen als Argument dazu benützt werden, um hervorzuheben, daß es den Einheimischen, den Österreichern, den Wiener so schlecht geht in dieser gar so arg und bös sozialistisch dominierten Stadt: Die Einheimischen kriegen keine Wohnungen, und die 40 000 Kriegsflüchtlinge bekommen natürlich welche. – Nebbich! Alles nicht wahr, alles falsch!

Frau Kollegin Partik-Pablé! Es ist eine Schande, daß Sie wider besseres Wissen – denn ich nehme an, Sie wissen es besser – das als Munition für Ihren Wahlkampf in Wien benützen. Pfui, Frau Kollegin! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Steigbügelhalter für Häupl!)

Wenn Sie dann noch mit der Mitleidsmasche kommen und von 876 Millionen Schilling an Aufwendungen sprechen sowie davon, daß Ihnen die Österreicher zutragen, wie sehr sie darauf warten, daß diese Menschen, die bosnischen Kriegsflüchtlinge, endlich nach Hause nach Bosnien ziehen – da haben Sie offensichtlich so viele Rückmeldungen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie nicht, Sie sind ja nicht bei den Menschen draußen!) –, dann muß ich Ihnen sagen, Frau Kollegin Partik-Pablé: Ich halte mich von Zeit zu Zeit in Wien auf. Ich bin in den Bundesländern unterwegs. Aber ich habe noch niemanden getroffen, der zu mir gekommen wäre und gesagt hätte: Geh, Paul Kiss, sorge dafür, daß die bosnischen Kriegsflüchtlinge heimgehen! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wenn es jemanden gibt, der das tut, dann deswegen, weil Sie Angst machen, weil Sie das fördern! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich nehme Sie mit!)


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Zum Schluß kommend: Wir von der Österreichischen Volkspartei sind der Auffassung, daß Übereinkünfte zu halten sind – pacta sunt servanda. Für diese Abmachung im Koalitionsübereinkommen stehen wir ein, etwas anderes können wir mit unserem Gewissen, jeder einzelne von uns, nicht vereinbaren. Wir glauben, daß wir das diesen Menschen, die Flüchtige sind, die in Österreich für eine bestimmte Zeit Aufenthalt gefunden haben, schuldig sind. Und ich stelle abschließend fest: Seien wir froh darüber, daß wir in einem Land leben, in dem es keinen solchen Krieg gibt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort.

17.18

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Da mir diese Anfragebeantwortung ja schon seit dem Zeitpunkt bekannt ist, als sie an alle Abgeordneten verteilt wurde, habe ich mich gefragt, was das Motiv ist, diese Anfrage heute immerhin zu einer kurzfristigen Erörterung auf die Tagesordnung zu setzen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das interessiert euch nicht!) Das interessiert uns schon sehr!

Ich habe bemerkt, daß es sich bei dem Thema der Anfrage um eine Materie handelt, in der mit Ausnahme der Freiheitlichen ein gemeinsamer Konsens vorhanden ist bei den übrigen Parteien – die sonst in der Frage der Behandlung von Ausländern gelegentlich durchaus divergierende Auffassungen haben –, eben weil es sich im konkreten Fall um eine ganz spezifische Flüchtlingsgruppe handelt, sodaß – aus welchen Motiven auch immer – hier ein hoher gemeinsamer Nenner vorhanden ist. Und mir war plötzlich klar, warum diese Anfragebeantwortung zur Diskussion steht: Sie ist bestens geeignet, vorzuführen: wir Freiheitliche gegen den Rest der Welt.

Das ist kein gutes Motiv, eine Ministerbeantwortung zur Diskussion zu stellen, die im übrigen hinsichtlich ihrer Ausführlichkeit vielleicht – ich weiß das jetzt nicht so im Detail – da und dort noch Zusatzfragen erlauben würde, die aber, wie zumindest mir als Kenner der Materie schien, relativ umfassend beantwortet wurde. Daher gibt es weder einen sachlichen Mangel primärer Art in dieser Anfragebeantwortung noch sonst etwas. Sie war für den Wissensgewinn sehr wertvoll – ich bedanke mich bei der freiheitlichen Fraktion für die Anfrage –, dadurch haben wir jetzt Material, aber einen dringlichen Diskussionsbedarf konnte ich nicht erkennen, bis mir aufgefallen ist, daß einer der guten Gründe sein mag, angesichts des 13. Oktober vorzuführen, daß außer den Freiheitlichen alle anderen in der Ausländerfrage – wieder verallgemeinert – offenbar Meinungen vertreten, die eben bewirken, daß möglicherweise eines Tages Wien Chicago wird.

Ich muß diesbezüglich zu meinem Bedauern feststellen, daß sich die USA in Angelegenheiten der bosnischen Flüchtlinge bisher nicht wirklich engagiert haben. Also in dem Fall ist der Vergleich mit Chicago vielleicht kein ganz so hinkender, wie er es im übrigen sonst ist. (Abg. Mag. Stadler: Er verwechselt ja alles!)

Daher meine ich, wenn man eine Anfrageerörterung aus solchen Motiven auf die Tagesordnung setzt, dann setzt man das fort, was am gestrigen Plenartag begonnen und heute wieder fortgesetzt wurde: Man versucht, das Parlament zur Tribüne für Dinge zu machen, die nicht parlamentarische Beratung sind, sondern Vernaderung der anderen Parteien – und das ist schade. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.21

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Stoisits. Ich erteile ihr das Wort. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Du hast das Wort "Hetze" vergessen! – Ruf bei der SPÖ: Geh, Bauer, schweig! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Was hast du gesagt? Ich soll mich schleichen, oder was? – Ruf bei der SPÖ: Nein, "schweig" hat er gesagt! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

17.21

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzter Herr Bundesminister! Ich habe beim Heruntergehen auf die linke Seite geschaut, um


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zu sehen, ob Herr Expräsident Abgeordneter Mag. Haupt im Raum ist. (Zwischenruf des Abg. Dkfm. Holger Bauer. )

Herr Kollege Bauer! Ich habe nicht Sie beachtet. Ich habe geschaut, ob Herr Kollege Haupt hier ist. Denn Kollege Haupt ist wie auch Kollege Großruck, Herr Kollege Moser und die Frau Vizepräsidentin des Bundesrates Haselbach letzte Woche Wahlbeobachter bei den Wahlen in Bosnien gewesen, und ich hätte gerne mit ihm hier diskutiert zum Thema Rückführung von Flüchtlingen. Kollege Haupt ist nämlich Wahlbeobachter in der sogenannten Republika Srpska gewesen. Ich kann vor allem Frau Kollegin Partik-Pablé nur dringend ans Herz legen, vielleicht ein paar Worte mit ihrem Fraktionskollegen zu sprechen, ohne jetzt das Thema mehr oder weniger bedeutend machen zu wollen. Fragen Sie ihn nur um seine Eindrücke.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenige von Ihnen sind während dieses Krieges in Bosnien gewesen, und wahrscheinlich auch nicht nach dem Krieg. Ich war während des Krieges auch nicht im ehemaligen Bosnien-Herzegowina, das ja heute in dieser Form nicht mehr besteht. Nur das, was ich jetzt, fast ein Jahr nach Beendigung des Krieges und nach Abschluß des Vertrages von Dayton, gesehen habe, das kann mich nur zu dem Schluß führen, daß jeder, der jetzt von Rückführung spricht, überhaupt keine Ahnung von den Dingen hat, absolut keine Ahnung hat, was dort passiert ist in den letzten Jahren und was sich heute noch abspielt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Müssen wir jetzt alle aufnehmen, die noch dort sind?)

Liebe Frau Dr. Partik-Pablé! Sie haben am allerwenigsten Ahnung. Ich glaube, Sie wissen nicht einmal, wo Bosnien-Herzegowina genau liegt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Sie haben ganz offensichtlich überhaupt keine Ahnung, denn sonst würden Sie nicht auf eine so unglaublich billige, nichtssagende Art und Weise dieses Problem (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das Herabsetzen von anderen, das ist Ihr Stil!), daß dort Hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben worden sind, in die sie nie mehr zurück können, zum Gegenstand einer so polemischen Diskussion machen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie können nichts anderes, als andere herabzusetzen!)

Liebe Frau Dr. Partik-Pablé! Sie haben in sehr vielen Bereichen, die Sozialpolitik betreffend, in der FPÖ zu Recht ein Image, das sehr abweicht von dem Ihrer Fraktionskolleginnen und -kollegen. Aber in diesen Fragen haben Sie keine Ahnung – oder sind Sie von Herrn Mag. Stadler und vom Herrn Parteiführer Haider so getrieben, hier wider besseres Wissen zu sprechen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie haben mich nicht zu qualifizieren! Beschäftigen Sie sich mit Sachfragen, aber nicht mit meiner Person!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich empfehle Ihnen nur: Reden Sie mit Kollegen Haupt darüber, was er dort gesehen hat! Mir ist es ein Anliegen, hier folgendes festzuhalten: Wenn es um eine Rückführungsdiskussion in Österreich geht ... (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wenn es um eine Rückführungsdiskussion in Österreich geht, dann sprechen wir heute von 12 000 Betroffenen, die – und das hat der Herr Bundesminister zwar heute nicht gesagt, aber Kollege Elmecker – heute noch von der Bund-Länder-Aktion unterstützt werden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Beantworten Sie mir eine Frage!)

Meine Damen und Herren! Frau Dr. Fenzl sitzt hier, die für genau diese Personengruppe zuständig ist im Innenministerium, der Herr Bundesminister weiß es auch, und einige von Ihnen, die schon Lager und sogenannte Großquartiere besucht haben, wissen, warum wir überhaupt noch 12 000 in der Aktion betreuen. Das sind jene, die auch von uns während dieser letzten Jahre die geringsten Chancen auf Integration bekommen haben. Sie sitzen in Kalch, im Dreiländereck Slowenien-Ungarn-Österreich, im letzten Winkel dieser Republik (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum beantworten Sie mir nicht eine Frage?), und haben, weil das Burgenland keine so prosperierende Gegend wie zum Beispiel Brunn am Gebirge ist, keine Chance, einen Arbeitsplatz zu finden, sich auf die eigenen Füße zu stellen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Beantworten Sie eine Frage!) Und wenn sie von dort weggehen, dann haben sie auch keine Chance, weiter vom Bund und von den Ländern unterstützt zu werden.


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Genau diese Menschen sollen wir jetzt rückführen? Menschen, die einmal Vertriebene waren, sollen jetzt wieder vertrieben werden, vertrieben werden aus einer relativen Sicherheit, die sie in Österreich haben, zurück in ein Land, das es für sie nicht mehr gibt, in eine Heimat, die in wahrlich fremden Händen ist?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (fortsetzend): So viel Zynismus habe ich wirklich bisher kaum noch in einer Ausländerdiskussion erlebt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Sie verwechseln Flüchtlinge mit Immigranten!)

17.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

17.26

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Frau Kollegin Stoisits! Auf Ihre Versuche, Kollegin Partik-Pablé ganz massiv persönlich anzugehen, will ich jetzt nicht eingehen. Wir sind nämlich eine sehr mütterfreundliche Partei und schonen die Mütter. Daher werde ich mich eher mit den Aussagen meines Vorvorredners auseinandersetzen, mit denen des Kollegen Kier.

Er meinte, eine Debatte über eine Anfragebeantwortung dürfe man überhaupt nicht mehr führen. – Das zeigt ja das Geschäftsordnungsverständnis der sogenannten Oppositionsfraktion, dieser Appendix-Partei Liberales Forum. Eine Anfragebeantwortung darf man nur debattieren, wenn eine Anfragebeantwortung des Ministers Einem fehlerhaft ist – dann werden wir permanent Anfragebeantwortungen debattieren – oder unzureichend ist oder Dringlichkeit hat.

Meine Damen und Herren! Diese Debatte einer Anfragebeantwortung hat Dringlichkeit, das entscheiden wir selber – wobei sie nicht einmal Dringlichkeit haben müßte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: Man hat bei all den Vorrednern gesehen, daß sie all ihre multikulturellen Integrationsträume kaum mehr zurückhalten können, die ja auch Kollege Kiss so verinnerlicht hat. Khol hat gesagt, er wünscht sich die multikulturelle Gesellschaft, daher Kommando für Kiss: Wir sind in der ÖVP für eine multikulturelle Gesellschaft, ab heute sind wir eine linke Partei, heulen mit den Linken in diesem Lande, sind für eine multikulturelle Gesellschaft. Kiss kann sich kaum mehr zurückhalten, wenn es darum geht, die Träume des Khol-Einem-Papieres, dieses sogenannten Zuwanderungspakets des "Andreas Einem" und des "Caspar von Khol", in der Öffentlichkeit zu vertreten. Er träumt von der multikulturellen Gesellschaft.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Sie können in der "Welt" vom 1. August lesen, daß – ich zitiere – diese multikulturelle Gesellschaft gescheitert ist, sowohl in den USA als auch in der Bundesrepublik Deutschland. Ich zitiere einen weiteren prominenten Soziologen, der sagt, es sei eine fehlgeschlagene Integration speziell der Türken. Über diese multikulturelle Gesellschaft, von der Sie alle träumen, von der der Herr Minister träumt, wird geschrieben. Ich zitiere:

"Viel stärker als die Erfolge springen jedoch die Katastrophen multikultureller Gesellschaften ins Auge: in Jugoslawien, in Ruanda, in Kurdistan oder in der früheren UdSSR, um nur einige Beispiele zu nennen." – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Das ist der Grund, warum bosnische Flüchtlinge in diesem Land sind: weil dort eine multikulturelle Gesellschaft – wie so oft in der Weltgeschichte – gescheitert ist – jenes Modell, das Sie, Herr Kollege Khol, mit diesem Minister einführen wollen! Und daher haben wir ein Gesetz vorbereitet, das wir in diesem Hohen Haus einbringen werden. Wenn Ihr Koalitionspakt mit diesem Zuwanderungspaket Khol-Einem – wobei ich nicht weiß, wer von Ihnen beiden der Khol und wer der Einem ist –, wenn dieses Paket Gesetz werden sollte, dann werden wir ein Volksbegehren durchführen: ein Volksbegehren, das ein ganzes Paket im Fremdenrecht, im Aufenthaltsrecht, im Asylrecht und im Bundesbetreuungsrecht zum Inhalt hat. Dort wird ganz klar feststehen, daß ein unbefristeter Sichtvermerk nur bei festgestellter Inte


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gration möglich, daß die Familieneinheit vorzugsweise im Heimatland der Betroffenen herzustellen ist, daß Terroristen nicht deswegen unabschiebbar werden, nur weil sie Terroristen waren – meine Damen und Herren, das ist nämlich jetzt der neueste Schmäh: Jetzt muß man sich als Türke zum PKK-Terroristen machen, dann schiebt der Herr Minister Einem niemanden mehr ab! –, daß niemand mehr für Schlepperei als Kavaliersdelikt in diesem Land auch noch die Bonifikationen unseres Systems genießt und daß wir ein neues Delikt der Anschlußschlepperei einführen.

Vor wenigen Tagen – wieder keine Aktualität – ist in dem Bundesland, aus dem ich komme – Herr Kollege Feurstein, Ihnen müßte der Fall geläufig sein –, folgender Fall bekannt geworden: 16 Menschen wurden aus dem Kosovo eingeschleppt. Unter diesen 16 eingeschleppten und mißbrauchten Menschen befanden sich zwei Kinder, und zwar ein dreijähriges und ein sechsjähriges Kind. Das regt niemanden auf! Keine Aktualität!

Kiss träumt weiterhin mit Khol und mit Minister Einem von der multikulturellen Gesellschaft, der wir eine ganz klare Absage erteilen. Wir sind auf der Seite von Alija Izetbegovi%, der seine Landsleute händeringend darum ersucht, in ihr Heimatland zurückzukehren und sich dort am Aufbau zu beteiligen (Beifall bei den Freiheitlichen), so wie unsere Väter und Großväter dieses Land haben aufbauen müssen und auch nicht in irgendein Land flüchten konnten und sich dort in einer Bundesbetreuung auf Kosten anderer Steuerzahler einen schönen Tag machen konnten. (Rufe bei der SPÖ: Ruhe! – Abg. Leikam: Unerträglich! – Abg. Dietachmayr: Ein großer Schauspieler ist das! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Bosnien braucht seine Menschen zum Wiederaufbau des eigenen Landes, das durch Ihre multikulturellen Träumereien, durch ein System Ihrer multikulturellen Träumereien zerstört und niedergebombt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Schwimmer: Sie sind ein Propagandist der schlechtesten Sorte!)

17.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

Ich bitte das Haus, sich gewisser Äußerungen zu enthalten.

Herr Bundesminister, bitte.

17.33

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! (Anhaltende Zwischenrufe bei allen Parteien.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wenigstens der Präsident muß ruhig bleiben, Kollege Kiss. Am Wort ist nun der Herr Bundesminister!

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem (fortsetzend): Zweiter Versuch. – Herr Präsident! Hohes Haus! In Österreich hat bisher ein breiter Konsens zu der Frage bestanden, wie wir in diesem Lande mit Flüchtlingen, Flüchtlingen, die aus kriegerischen Gründen oder aufgrund von Naturkatastrophen oder deswegen, weil eine Militärdiktatur über ein Land hereingebrochen ist, zu uns gekommen sind, verfahren. Dieser Konsens bestand darin, diese Flüchtlinge für die Dauer, in der sie in ihr Land nicht zurückkehren konnten, aufzunehmen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das bestreitet ja niemand!) Das ist ein Konsens, Frau Abgeordnete, der zwischen Bund und Ländern bestanden hat und der nach meinem Verständnis bisher auch zwischen allen Parteien bestanden hat. Ihnen, meine Herrschaften von den Freiheitlichen, ist es überlassen geblieben, diesen Konsens zu verlassen. (Abg. Haigermoser: Was soll diese Polemik?) Ich halte das für eine Schande für Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Unglaublich! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Benehmen Sie sich, wenn Sie im Parlament sind!)

Österreich hat sich auf diesem Gebiet seit 1956 oder, um es richtiger zu sagen, sogar seit 1945 weltweit einen Ruf erworben. Den wollen wir nicht wegen kurzfristiger wahlorientierter Polemik einer Oppositionspartei verlieren. (Abg. Haigermoser: Was soll diese Polemik hier?) Wir wei


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gern uns, einen Schaden für Österreich herbeizuführen, nur weil Sie sich das jetzt wünschen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Jetzt wissen wir, warum Sie Redeverbot bei der Wiener SPÖ haben! Sie geniert sich, Sie im Wiener Wahlkampf auftreten zu lassen!)

Ich bin aber darüber hinaus auch noch ein bißchen mehr entsetzt darüber, Herr Abgeordneter Stadler, daß Sie nicht nur im Begriffe sind, diesen humanitären Grundkonsens zu verlassen, sondern daß Sie darüber hinaus offenbar nunmehr auch in Österreich für ein Konzept ethnischer Trennung eintreten, das im jugoslawischen Krieg zur Grundlage eines mörderischen Kriegs geworden ist. Daß jetzt hier eine Partei für ethnische Trennung eintritt, halte ich für bemerkenswert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind Gast im Parlament! Merken Sie sich das! – Abg. Mag. Stadler: Mit Ihrer Ausländerpolitik sind sogar die Landesvorsitzenden nicht mehr einverstanden!)

Frau Abgeordnete Partik-Pablé! Sie haben in Ihrer Begründung zu dem Begehren, diese schriftliche Antwort auf eine schriftlich gestellte Anfrage zu diskutieren, unter anderem darauf hingewiesen – das ist auch in Ihren Zwischenrufen mehrfach angeklungen –, daß alle anderen Länder Europas einen anderen Weg als Österreich einschlagen. Das ist schlechterdings falsch, und Sie zeigen sich in dieser Frage nicht besonders gut informiert.

Es ist richtig, daß zu Beginn des heurigen Jahres die Schweiz und auch Deutschland ein Konzept der Rückführung der Flüchtlinge auch gegen deren Willen zunächst beschlossen haben. Aber es ist ebenso richtig, daß beide Staaten im Juni von diesem Konzept abgegangen sind, und zwar aus gutem Grunde. Es ist weiters richtig, daß Österreich diesen Weg im ersten Halbjahr zu keinem Zeitpunkt eingeschlagen hat, weil wir der festen Überzeugung waren, und zwar der sachorientierten Überzeugung, weil wir uns in Bosnien umgesehen haben, dort, woher die Flüchtlinge kommen, die in Österreich leben, daß eine Rückführungsaktion nicht möglich ist, und zwar deshalb, weil es weder Unterbringungsmöglichkeiten für die Zahl von Flüchtlingen gibt, die zurückkehren könnten, noch der Friedensprozeß, der mühsam in Gang gesetzt worden ist, die Rückkehr einer sehr großen Zahl von Flüchtlingen auf einmal oder in kurzer Frist vertragen würde.

Es ist aber auch jetzt, im Herbst, nicht richtig, was Sie sagen. Der einzige Staat, der eine Zwangsrückführung ins Auge faßt, ist Deutschland (Abg. Dr. Partik-Pablé: Dort sind die meisten Flüchtlinge!), und auch dort sind es nicht alle Bundesländer. Wahr ist, daß die Schweiz von diesem Konzept aus gutem Grunde zur Gänze abgegangen ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die hat nur wenig, viel weniger als Österreich!) Wahr ist, daß andere Staaten, wie etwa Schweden oder Dänemark, dieses Konzept ausdrücklich kritisieren. Und wahr ist weiters, daß das Konzept, das Österreich in diesem Zusammenhang verfolgt hat, das einzige ist, das nachhaltig erfolgreich ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Wir sind froh, daß er redet, denn bei der Wiener SPÖ hat er Redeverbot!) Herr Abgeordneter! Es wäre günstig, wenn Sie zuhören würden, denn dann wären Sie wenigstens nachher informiert, wenn Sie schon vorher nicht informiert sind. (Abg. Mag. Stadler: Ich hoffe, das kommt alles in die Zeitungen, was Sie hier sagen! Der Häupl wird sich bedanken und Mayr auch!)

Ja, es wäre günstig, Sie hörten wenigstens jetzt zu, denn dann wüßten Sie, daß Österreich den relativ größten Erfolg bei der Rückkehr von bosnischen Flüchtlingen nach Bosnien erzielt hat. Kein anderes Land kann von sich sagen, daß zwischen Jänner des Jahres 1996 und jetzt etwa ein Drittel aller Flüchtlinge, die noch Flüchtlingscharakter haben, zurückgewandert sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie reden nur von jenen, die in Bundesbetreuung sind!) Kein anderes Land kann dies sagen, und daher ist das Konzept der freiwilligen Rückkehr außerordentlich erfolgreich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie stellen das völlig falsch dar!)

Das andere Argument, Frau Abgeordnete Partik-Pablé, das Sie angeführt haben, nämlich daß diese Ausländer – für Sie sind Flüchtlinge auch nur Bürger unösterreichischer Staatsbürgerschaft (Abg. Dr. Partik-Pablé: Keine Inländer!) – jetzt den Österreichern die Arbeitsplätze wegnehmen, fällt an sich in das System dessen, was die Freiheitlichen nicht müde werden zu behaupten und was deswegen nicht mehr wahr ist. Sie wissen so gut wie ich, daß die Arbeitsplätze, die von Ausländern besetzt und angenommen werden, solche sind, die von


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Österreichern nicht angenommen werden und daß das System des Ausländerbeschäftigungsgesetzes aus gutem Grunde dafür sorgt, daß es so ist. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Hör auf!)

Es gilt dieser Grundsatz natürlich auch für die integrierten bosnischen Flüchtlinge. Diejenigen, die aus der betreuten Flüchtlingssituation in den Arbeitsmarkt und in ein selbständiges, aus eigener Arbeit finanziertes Leben eingetreten sind, sind jetzt in den Status des Gastarbeiters übergangen, kosten den Staat und seine Bürger nichts und nehmen auch keinem Inländer Arbeitsplätze weg. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist unglaublich! – Abg. Haigermoser: Ihre Rede ist absurd!)

Das letzte Argument, das Sie dazu angeführt haben, ist überhaupt gänzlich absurd, weil Sie auch behauptet haben, dadurch würden Arbeitsplätze vernichtet. (Abg. Haigermoser: Sie sind die lebendige Absurdität! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Sie sind ein Romantiker!)

Wenn solche vernichtet würden, Frau Abgeordnete, dann könnten diese Menschen nicht beschäftigt werden. Das Gegenteil ist wahr: Diese Menschen werden beschäftigt, sie nehmen niemandem den Arbeitsplatz weg und sie leisten einen Beitrag zur österreichischen Volkswirtschaft, für den wir dankbar sein können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Wir hoffen, daß das Redeverbot, das Sie bei der Wiener SPÖ haben, aufgehoben wird!)

17.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Diese Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir setzen nun die Debatte fort, die um 15 Uhr unterbrochen wurde. Im Zuge dieser Debatte ist nach meinen Aufzeichnungen Frau Abgeordnete Hostasch zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

17.39

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Damen und Herren des Liberalen Forums haben im Antrag 6/A ein Thema zur Diskussion gestellt, der sich mit der Aufhebung des Öffnungszeitengesetzes befaßt. Das Thema Öffnungszeiten ist wiederholt Gegenstand von Beratungen und Diskussionen in diesem Hohen Haus gewesen, und ich möchte mich daher jetzt nicht auf die verschiedensten Details und auf die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes konzentrieren, sondern einige grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Ihren Antrag und auch zu dessen Begründungen machen.

Es wird in der Begründung unter anderem folgendes angeführt – ich darf zitieren –: Durch eine umfassende Neuregelung der Arbeitszeit und die Aufhebung des Öffnungszeitengesetzes wird es nicht zu längeren Tages-, Wochen- und Jahresarbeitszeiten kommen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Alle unsere bisherigen Erfahrungen in den engen Kontakten zu den Beschäftigten im Handel zeigen jedoch, daß das in der Praxis anders ist, nämlich daß die persönliche Arbeitszeit, die Lage und die Dauer der Arbeitszeit an die längeren Öffnungszeiten angepaßt wird, daß es zu kapazitätsorientierten Arbeitszeiteinsätzen kommt, daß vermehrt Teilzeitbeschäftigte, aber auch geringfügig Beschäftigte eingesetzt werden. Durch diese Art von Arbeitseinsätzen wird bei längeren Öffnungszeiten gearbeitet. Das heißt, daß eine Verlängerung der Öffnungszeit de facto konkrete Auswirkungen auf die Arbeitssituation, auf die Arbeitszeitsituation der Beschäftigten hat, und damit auch sehr persönliche Auswirkungen, die insbesondere für die vielen Kolleginnen, die in dieser Branche beschäftigt sind – wir haben da über 70 Prozent Frauen beschäftigt –, zu zusätzlichen Belastungen führen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es wird hier sehr oft betont, der Arbeitnehmerschutz bliebe durch verstärkte innerbetriebliche Mitbestimmung gewährleistet. Ich sehe – und jetzt sage ich: leider – eine solche Entwicklung in keiner Weise. Gerade im Handel werden


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Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht sehr ernst genommen. Es gibt wiederholt erhebliche Beschwerden und auch vom Arbeitsinspektorat Meldungen, daß es in dieser Branche zu massiven Verletzungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen kommt. Ich warte daher auch auf jene Unterstützung, die von den Antragstellern in der Frage der vermehrten Mitbestimmung hier artikuliert wird, und ich bin neugierig, wie weit es gelingen wird, bei den Verhandlungen mit den Kollektivvertragspartnern, aber nicht zuletzt auch beim Gesetz, die Mitbestimmungsrechte der einzelnen Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, aber auch ihrer Interessenvertretungen und der Betriebsräte so zu verbessern, daß mehr Zeitautonomie, mehr Souveränität und mehr persönliches Recht umgesetzt werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren vom Liberalen Forum! Sie schreiben in Ihrem Antrag auch: Die völlige Abschaffung aller Ladenschlußzeitenregelungen gehört ebenso zu den unabdingbaren Rahmenbedingungen für eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich wie die Flexibilisierung von Arbeitszeit und so weiter.

Ich bin nicht der Meinung, daß der Wirtschaftsstandort Österreich durch eine totale Beseitigung des Öffnungszeitengesetzes verbessert wird. Ich glaube, daß es wesentlich wichtigere Faktoren für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes gibt, wie etwa eine funktionierende Infrastruktur, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, geordnete Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeziehungen, eine gute Kooperation zwischen ansiedlungswilligen Unternehmungen und der Regierung und auch den Sozialpartnern, die Form, wie wir Lebensqualität in unserem Land leben, aber auch die Tatsache, daß wir stabile soziale Verhältnisse haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bei dem Stichwort "stabile soziale Verhältnisse" ist es doch sehr wichtig, darauf hinzuweisen, daß dieses auch bedeutet, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Die einzelnen Bevölkerungsgruppen sollen die unterschiedlichen Interessenslagen mit Toleranz betrachten und respektieren, und man muß auf den anderen Rücksicht nehmen und erkennen, wo Bedürfnisse vorhanden sind.

Es hat heute hier Herr Kollege Peter vom Vertrauen in die Handlungsfreiheit gesprochen und gemeint, daß es keine rechtlichen Fesselungen geben soll. Ich meine, eine Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen und wie wir sie haben wollen, muß auch Vertrauen in Solidarität haben, muß auch Vertrauen dahin gehend haben, daß die Stärkeren auf der Seite der Schwächeren sind und daß Schwächere nicht unter die Räder kommen. (Abg. Dr. Schmidt: Ja!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich meine, daß wir aufgefordert sind, dafür Sorge zu tragen, daß der Individualismus, der in unserer Gesellschaft in den letzten vierzig, fünfzig Jahren stärker geworden ist, nicht in einem schrankenlosen Egoismus endet, damit Individualismus kein Gegensatz zu Solidarität ist. (Abg. Dr. Schmidt: Genauso ist es!)

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte doch auch etwas zur Betroffenheit der Angestellten in dieser Branche sagen. Noch einmal auf die Arbeitszeit bezogen: Alle unsere Erhebungen zeigen, daß eine Verlängerung der Öffnungszeiten auch die individuelle Arbeitszeit betrifft. Zwei Drittel der Einzelhandelsangestellten, die Überstunden leisten, erhalten keine Überstundenzuschläge und keine entsprechende Abgeltung. Vermehrt werden Teilzeitmehrstunden geleistet, aber nicht in dem Ausmaß bezahlt, wie es auch von den Kollektivverträgen vorgesehen ist. Ein besonderes Charakteristikum dieser Branche: Abschlußarbeiten und Vorarbeiten vor und nach den Öffnungszeiten werden nicht in die normale Arbeitszeit mit eingerechnet. Daher meine ich, daß es ganz wichtig ist, daß über den Kollektivvertrag die Rahmenbedingungen so verbessert werden, daß auch die Ansprüche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgesetzt werden können und berücksichtigt werden.

Lassen Sie mich auch ein paar Worte zu der öffentlichen Diskussion zu den Öffnungszeiten sagen. Es wird der Eindruck erweckt, daß die Bevölkerung eine schrankenlose Öffnungszeit haben möchte, rund um die Uhr einkaufen möchte. Wir haben profunde Untersuchungen und vor kurzem eine telefonische Umfrage bei Konsumenten und Handelsunternehmen und Betroffenen zu den Öffnungszeiten gemacht, und ich möchte nun ein paar Aussagen aus dieser telefonischen Umfrage zitieren: 86 Prozent der Konsumenten können mit den derzeit ange


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botenen Öffnungszeiten ihre Einkäufe problemlos erledigen. Weiters wird festgestellt, daß eine Erweiterung der täglichen Öffnungszeiten bis 21.00 Uhr von 85 Prozent der Händler als nicht wichtig angesehen wird, aber auch 84 Prozent der Konsumenten sind dieser Meinung. Ähnlich ist es bei dem Offenhalten der Geschäfte an jedem Samstagnachmittag. Hier sagen 82 Prozent der Händler: nicht wichtig, und 71 Prozent der Konsumenten: nicht wichtig! (Abg. Dr. Schmidt: Man soll ihnen ja nur die Gelegenheit geben!)

Sehr geschätzte Frau Dr. Schmidt! Es gibt bereits heute viele Möglichkeiten, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes erweiterte Öffnungszeiten anzubieten, diese werden jedoch von den Konsumenten gar nicht in der Form in Anspruch genommen, wie immer wieder versucht wird, den Eindruck zu erwecken.

Trotzdem, meine sehr geschätzten Damen und Herren, bin ich sehr froh, daß es konkrete und doch sehr konstruktive Verhandlungen und Gespräche zwischen den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressenvertretungen zu dieser Frage gibt, und es scheint doch ein Konsens in Richtung Erweiterung der Öffnungszeiten mit entsprechenden Rahmenbedingungen möglich zu sein.

Aus meiner Sicht ist aber eines in keiner Weise akzeptabel: daß auf der einen Seite erwartet wird, daß man noch länger aufsperrt, deutlich öfter aufsperrt, aber auf der anderen Seite hergeht und Zuschläge wegnimmt. Dieser Absicht erteilen wir eine klare Absage! Das kann kein Konzept sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es sollten daher sozialpartnerschaftliche Regelungen dahin gehend getroffen werden, daß einerseits die Einkaufsqualität für die Konsumenten verbessert wird, andererseits aber auch auf die Arbeitszeitqualität für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Bedacht genommen wird. Damit bin ich wieder dort, wo ich meine, daß es auch zu besseren Mitbestimmungsmöglichkeiten kommen muß und daß auch entsprechende gesetzliche und auch kollektivvertragliche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Diese stehen jetzt in Verhandlung. Ich hoffe, daß es zu einem positiven Abschluß kommen wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren vom Liberalen Forum! Ich möchte trotzdem noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, wo ich Ihnen im Grundsatz sehr recht gebe. Sie schreiben, daß die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich ein ganzes Maßnahmenbündel benötigt. Ich habe einige dieser Maßnahmen angesprochen. Ich verweise darauf, daß ich meine, daß auch Qualifikationsoffensiven und eine weitere Verbesserung unseres Ausbildungswesens mit dazu gehören. Die Aufhebung des Öffnungszeitengesetzes gehört meiner tiefen Überzeugung nach nicht dazu. Ich glaube, sie ist kein geeignetes Mittel, als Wirtschaftsstandort Österreich damit noch mehr Attraktivität zu gewinnen.

Ich meine, daß durch einen schrankenlosen Liberalismus der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet ist, aber nicht nur in dieser Frage, sondern grundsätzlich. Damit bin ich schon wieder beim Anfang. Ich meine, eine Gesellschaft, wie wir sie uns wünschen, muß dadurch ausgezeichnet sein, daß man aufeinander zugeht, gegenseitig Rücksicht nimmt, Toleranz übt und den Schwächeren in unserer Gesellschaft zur Seite steht. Interessensgegensätze überwinden, ohne zu übervorteilen, und den Schwächeren zur Seite stehen: Das ist unsere Politik! – aber nicht eine schrankenlose Liberalisierung, die letztlich allen nur schadet. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Neugebauer. )

17.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Wollen Sie die freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten? (Abg. Haigermoser: 8 Minuten!)

17.50

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Einige Eckpunkte in der Geschwindigkeit – aufgrund der von Ihnen beschlossenen Geschäftsordnung nicht anders möglich – und einige Anmerkungen aus unserer und insbesondere aus meiner Sicht als Handelstreibender. Ich habe das Vergnügen, auch morgen wieder hinter der Budel zu stehen, Frau Kollegin. Daher weiß ich, wovon ich spreche. Ich bin selten mit Ihnen einer Mei


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nung, meine aber, daß es falsch ist, über die schrankenlose Ladenöffnungszeit die Überschrift Liberalität zu setzen.

Ich meine, daß das falsch ist, weil schrankenlose Öffnungszeiten dazu führen würden, daß die Großen die Kleinen fressen. Und da muß ich sagen: Da haben Sie uns nicht an Ihrer Seite! Wir sind für Qualitätsarbeitsplätze. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich weiß wirklich, wovon ich spreche, und ich meine, daß die schrankenlose Öffnung auch die Vollzeit, den Qualitätsarbeitsplatz in Gefahr bringt und qualitativ schlechtere Teilzeitarbeitsplätze, obwohl diese auch notwendig sind, erzeugen würde. Das ist international nachgewiesen, das heißt aber nicht, daß wir Freiheitliche – und wir haben ja dazu Vorschläge gebracht – nicht für eine Angleichung an internationale Gegebenheiten eintreten, denn das zwingt uns, wenn man das schon sonst nicht wollte, der Markt auf; das bundesdeutsche Beispiel ist ja schon oft zitiert worden.

Es wird das Wichtigste sein, eine Rahmenöffnungszeit zu beschließen, damit nicht eintritt, daß die Multis wie ein Heuschreckenschwarm über Österreich herfallen und die Ausbildungsplätze zerstören. Wir wissen ja, daß die Multis – ich brauche keine Namen zu nennen – im weitesten Bereich keine Lehrlinge ausbilden und sich dadurch das Lehrlingsproblem wieder verstärken würde.

Ich glaube, dieses vernetzte Denken ist notwendig, das ich jedoch im Antrag des Liberalen Forums vermisse, der von einem Manchesterliberalismus ausgeht, der nicht einmal mehr in Amerika angewandt wird. Dort hat man auch entsprechende Schranken eingezogen. Ich nenne nur ein Beispiel: Was die Konzentration anbelangt, bereits in den dreißiger Jahren ein Antitrust-Gesetz. Also auch in den USA, in einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, gibt es gewisse gesetzliche Solidareinzüge, und ohne diese sollten wir, glaube ich, auch in unserer Gesellschaft nicht leben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Daß das Aufsperren dann, wenn es erlaubt werden soll, für den einzelnen Händler finanzierbar sein muß und nicht mit neuem bürokratischem Aufwand oder Kosten belastet werden darf, ist eine andere Sache, über die wir natürlich auch diskutieren müssen, Frau Kollegin, denn wenn wir bei den Vorschriften nicht entbürokratisieren und nicht entsteuern, was zum Beispiel die sooft zitierte Kommunalabgabe auf Lehrlinge betrifft, wenn wir also da nichts tun, dann nützen uns die "besten" Öffnungszeiten – unter Anführungszeichen – nichts, und wir werden einen Rückschlag für unsere Handelsbetriebe und damit auch für die nach- und vorgelagerte Industrie erleben müssen.

Meine Damen und Herren! Nun einige Anmerkungen zur Gewerbeordnung. Dutzende Anläufe hat es gegeben. Wir Freiheitliche sind – ich möchte fast sagen über Jahrzehnte – gegen die Gummiwand der Kämmerer gelaufen, die immer wieder abgemauert haben, und auch diese sozialistische Koalition hat immer wieder versprochen: Jetzt wird endlich in der Gewerbeordnung der Zopf abgeschnitten!

Man kann wahllos die Regierungserklärungen hernehmen und nachlesen: So hat zum Beispiel am 18. Dezember 1990 Herr Vranitzky die Erleichterung des Zugangs zur Gewerbeausübung versprochen. Dieses Versprechen findet sich wie das Amen im Gebet in jeder seiner Regierungserklärungen. Aber was ist geschehen? – Es gab kosmetische Operationen: Da wurde etwas weggezwickt, dort wiederum wurde etwas hinzugegeben, aber der große Gewerbeordnungswurf ist nicht erfolgt – wiewohl auch für eine notwendige Reform der Gewerbeordnung gilt, daß man nicht alles über Bord werfen sollte, so wie es der Vorschlag des Liberalen Forums tut. Dieser Vorschlag scheint auf den ersten Blick liberal zu sein, wenn man ihn aber hinterfrägt, entdeckt man darin irre Fußangeln, was das Selbständigwerden anlangt.

Ich bringe dafür nur ein Beispiel: die Versicherungspflicht, die Herr Abgeordneter Helmut Peter heute so groß gelobt hat und wo er gemeint hat, das würde von den internationalen Versicherungskonzernen überhaupt als das Ei des Kolumbus gesehen. Na das ist mir klar, nämlich daß die Versicherungskonzerne da fette neue Prämienpfründe wittern. Es ist mir klar, daß diese sagen: Na das ist klasse, jetzt bekommen wir wieder ein neues Geschäft! (Zwischenruf des Abg. Dr. Kier. )


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Kollege Kier! Was wird denn passieren, wenn ein Minderqualifizierter zur Versicherung geht und sagt: Ich möchte morgen eine Metzgerei aufmachen? Dann wird die Versicherung sagen: Ja welche Risken gehen wir denn da mit Ihnen ein? Und wenn die Risken groß sind, dann wird auch die Prämie groß sein, das ist klar, und dann hat der Betreffende eine finanzielle Zugangshürde, sodaß er sich überhaupt nicht selbständig machen kann. Das ist das Problem. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Daher ist euer Vorschlag – das erkennt man, wenn man ihn hinterfragt – Nonsens und ein Holler, und zwar genauso ein Holler – um mit Kollegen Guggenberger zu sprechen – wie das Gesetz über die Werkverträge.

Wir meinen, daß unser Vorschlag, den wir im Parlament eingebracht haben, wichtige Eckdaten enthält: Freiheit in der Ordnung, das ist eine ganz wichtige Überschrift, natürlich verbunden mit einem leichteren Zugang zum Gewerbe, der Anpassung an die EU-Situation, der Sicherheit für den Konsumenten, aber nicht durch eine Versicherung, einem entbürokratisierten Anlagenrecht. Das sind ein paar wichtige Eckpfeiler.

Wir wissen natürlich, meine Damen und Herren, daß auch in der bisherigen Vorgangsweise bei den Prüfungen und Zugangskriterien zum Selbständigwerden eine Riesengefahr liegt. Es sind in der Wirtschaftskammer Leute tätig, die ihre zukünftigen Konkurrenten prüfen – aber wie das Ergebnis im Zweifelsfall ausschaut, das wissen wir. Da wird einmal abgemauert. Ich habe hier Briefe jüngsten Datums vor mir liegen, die das belegen. So ist beispielsweise von der Verkehrsabteilung des Landes Oberösterreich eine Nachsicht für einen Taxifahrer ergangen, der sich hätte selbständig machen können, doch die Innung hat abgemauert und gesagt; Njet, da geht nix! – Wie im Ostblock.

Also dieser Mann, der 45 Jahre alt ist und sieben Jahre Taxifahrer war, kann sich nicht selbständig machen, weil die Betonierer – ich sage nicht Betonköpfe – in der Wirtschaftskammer sagen: Njet, da geht nix (Abg. Dr. Stummvoll: Na, na, na!), du wirst dich nicht selbständig machen, du kannst auswandern oder dich in die Arbeitslose verdrücken!

Da werden wir nicht mitmachen, meine Damen und Herren! Ja zu Liberalisierung und Öffnung, aber nicht so weit, daß man das ganze österreichische duale Ausbildungssystem, das sich in großen Leistungen der Gewerbetreibenden niedergeschlagen hat, wegrationalisiert und mit Manchesterliberalismus amerikanisiert. Da werden die Freiheitlichen mit Sicherheit nicht dabeisein, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun noch ein paar kurze Anmerkungen, zurückkommend auf die Vielfalt im Handel, auf die notwendige Nahversorgung – auch in den Sonntagsreden immer wieder zur Sprache gebracht.

Wenn wir der schrankenlosen Ladenöffnung zustimmen, werden – das wissen wir, das ist international hinterfragt – die Großen siegen. Und dann werden weiterhin die kleinen Erzeuger sterben, die Bauern werden nicht mehr die Märkte, die Geschäfte beliefern können, von Holland werden dann die Agrarlieferanten, die Großlieferanten hereinkommen, die jene Mengen, die die Großen brauchen, natürlich zur Verfügung stellen können.

Auch wenn es keines Beweises bedurft hätte, ein Beispiel: Die Walser Bauern in Salzburg haben heute große Sorgen. Es gibt kaum mehr Salzburger Gemüse im Regal, aber was sagt dazu der Sprecher dieser Bauern? – Bei den großen Handelsketten haben wir zurzeit keine Chance. Während die Walser an Einzelhandelskaufleute und "Konsum"-Geschäfte viel Gemüse geliefert hätten, würden Spar und Billa kaum Salzburger Ware kaufen. Der Salat verfault auf den Feldern.

Das heißt, wenn wir so weitermachen und den Großen, die internationales Kapital, aus Niedriglohnländern herbeigeschafft, in Österreich niedergehen lassen, alle Chancen geben, dann werden die kleinen Einheiten sterben, dann werden die Lehrlingsausbildungsplätze kaputtgemacht und dann werden die kleinen Erzeuger sterben. Und das alles nennen wir dann Liberalisierung.

Mit dieser Liberalisierung wollen wir Freiheitlichen nichts zu tun haben, meine Damen und Herren! Wir wollen offene Märkte, wir wollen Liberalität in der Ordnung! Mit diesen Thesen sind


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wir, Frau Dr. Schmidt, die Sie in dieser Sache wirklich null Ahnung haben, gut aufgehoben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Monika Langthaler. – Bitte sehr.

18.00

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der liberalen Fraktion! Wir haben ja sehr oft im Bereich der Grundrechte und auch vieler gesellschaftspolitischer Punkte große Übereinstimmung. Da haben Grüne und Liberale oft ähnliche Vorstellungen und ziehen an einem gemeinsamen Strang. Aber wenn es um Wirtschaftspolitik geht, und im besonderen hier um Ihre Maßnahmen der Liberalisierung, der einseitigen Liberalisierung, wie ich meine, zu Lasten einer guten sozialen Absicherung, trennen uns wirklich Welten. (Abg. Mag. Firlinger: Wo, Frau Kollegin?)

Vor allem die Vorschläge betreffend die grundsätzliche Abschaffung einer Ladenöffnungsregelung in Österreich halte ich für falsch. Ich halte diesen radikalen Wirtschaftsliberalismus, den Sie hier vertreten, für einen der ältesten Irrtümer, und es hat sich bereits vor hundert Jahren gezeigt, in welche Richtung das führt.

Es ist mir deshalb auch unverständlich, weshalb Sie hier sowohl der Regierung als auch den Grünen immer wieder vorwerfen, daß die Regierung und auch wir altmodische Konzepte vertreten, obwohl es doch eigentlich so ist, daß gerade diese Art von Beschleunigung von purem Kapitalismus das ursprünglichste und älteste Konzept war, das ganz einfach auch dazu geführt hat, daß es damals nicht nur zu keiner sozialen Absicherung, sondern vor allem auch zu keiner Weiterentwicklung der Demokratie in Europa gekommen ist.

Demokratische Standards und sozialpolitische Standards sind nicht voneinander zu trennen. Umso mehr verwundert es mich immer, daß dieser Widerspruch bei Ihnen besteht und daß Sie nicht versuchen, die wirklichen Schäden, die durch eine solche Regelung passieren würden, und die Lasten, die es gerade für Frauen in diesem Bereich geben würde, zu sehen und mit uns zu diskutieren.

Eines Ihrer Argumente bei der Diskussion um die Öffnungszeiten ist immer wieder, daß es aufgrund der Flexibilisierung im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zu mehr Arbeitsplätzen kommen würde. Die konkreten Beispiele in anderen Ländern zeigen aber, daß das ein Irrtum ist. Sowohl in Großbritannien als auch in den Vereinigten Staaten hat sich gezeigt, daß es nicht zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen gekommen ist, sondern – und da gebe ich Frau Kollegin Hostasch hundertprozentig recht – dazu, daß sich die Arbeitslosigkeit dahinter versteckt hat, daß man hinter den Begriffen von befristeten und geringfügigen sowie Teilzeit-Arbeitsplätzen das Problem wirklich viel zu spät gesehen wurde und daß wir uns damit von einem Ziel, das wir doch hoffentlich alle haben, immer weiter entfernen, nämlich von der Vollbeschäftigung.

Wenn es einen Konsens darüber gibt und wenn es unser politisches Ziel ist, in Österreich und in Europa dafür zu sorgen, daß es Vollbeschäftigung geben soll, dann kann eine generelle Abschaffung der Ladenöffnungszeiten beziehungsweise können Vorstellungen einer radikalen Liberalisierung und Deregulierung, wie Sie sie wünschen, nicht damit in Einklang stehen.

Obwohl ich Ihre persönlichen Erfahrungen auch kenne und teile, sind wir, die wir hier herinnen sitzen, aufgrund unserer Jobs extrem privilegiert. Jeder von uns hat das Erlebnis, daß man um 18 Uhr vor versperrten Geschäften steht und am Wochenende, gerade wenn man als gestreßter Politiker oder Manager – oder was immer – Zeit hätte, uns die Möglichkeit genommen wird, einzukaufen. Wir sind in dieser Weise extrem privilegiert und haben eine völlig andere Wahrnehmung.

Wenn ich dann aber sehr bewußt mit den Kassierinnen oder Verkäuferinnen der verschiedenen Supermärkte in Wien rede, dann erlebe und höre ich einfach, daß es nicht die Ausnahme ist, sondern immer mehr die Regel wird, daß Frauen, die um 4 Uhr früh aufstehen, nach Wien


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fahren, geringfügig beschäftigt sind, teilzeitbeschäftigt sind, es gar nicht mehr wagen, entsprechende Forderungen zu stellen. Das ist kein Phantom mehr, das ist keine Gefahr, sondern das ist tatsächlich gerade im Handel Realität!

Ich gebe Ihnen recht, daß wir mit dem Bereich der Einteilung unserer Arbeitszeit und mit dem Phänomen Arbeitslosigkeit phantasievoller umgehen müssen und neue Modelle entwickeln müssen, daß da vor allem von den Sozialdemokraten und auch von den Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern weit mehr zu verlangen ist, daß wir viele Jahre lang das Problem, so würde ich meinen, verschleppt und mißverstanden haben. Da gibt es ganz sicher die Notwendigkeit, sich auch an verschiedene Neuentwicklungen oder auch an die Regelung, wie sie jetzt etwa in Deutschland kommen wird, anzupassen. Aber dabei gilt es, insgesamt das Ziel der Vollbeschäftigung nicht aus den Augen zu verlieren. Vor allem geht es auch darum, Grundrechte, soziale Rechte, für die viele Menschen viele Jahre lang gekämpft haben, nicht einfach so schnell hintanzustellen. (Beifall bei den Grünen.)

Es war in dieser Woche gerade in Österreich sehr viel von Globalisierung, den Folgen der Globalisierung und der Beschleunigung des Kapitalismus, wie wir ihn in den letzten Jahren kennen, zu lesen und zu hören. Es wurde ein Buch vorgestellt, es wurden viele Artikel dazu publiziert. Ich glaube, daß sich dieses Parlament weit mehr als bisher und viel schneller als bisher dieser Frage annehmen muß. Ich meine, daß wir weit mehr als bisher Konzepte entwickeln müssen, die sich einerseits diesen Veränderungen wirklich stellen, uns aber andererseits nicht dafür schämen dürfen, bestehende Rechte, demokratiepolitische Rechte, soziale Rechte zu bewahren.

Es geht nicht darum, daß wir mit ostasiatischen oder auch mit amerikanischen Märkten konkurrieren können. Es kann doch nicht unser Vorbild sein, ähnliche soziale Standards zu erzielen, wie es sie in Ostasien oder Amerika gibt. Unser Ziel muß es doch sein, einerseits natürlich wettbewerbsfähig zu bleiben, andererseits aber demokratiepolitische und soziale Rechte, für die man ein Jahrhundert lang gekämpft hat, zu bewahren und zu versuchen, gleichzeitig unsere Demokratie und demokratiepolitischen Werte zu bewahren.

Diese Woche, am 16. September 1996, war ein Artikel in der "Financial Times", und zwar eine Prognose des Weißen Hauses, in der man nachlesen kann, daß sich die Löhne in Amerika in den nächsten Jahren noch um 20 Prozent vermindern werden, und zwar nicht nur die Löhne der Industriearbeiter, sondern vor allem die Löhne im Dienstleistungsbereich. Der Grund dafür ist einfach: Aufgrund der neuen Märkte, der neuen Konkurrenz kommt es einfach zu einem unglaublichen Druck auf bestehende Arbeitnehmerverhältnisse und zu einem wirklichen "Auseinanderdividieren" in unserer Gesellschaft.

Wenn wir diesem Druck einseitig nachgeben – ich habe in diesem Haus schon oft gesagt, daß es an der Zeit ist, sich weit offensiver diesem Problem zu stellen –, dann werden wir in Österreich ähnliche Entwicklungen erleben und vor allem mit dem Phänomen steigender Arbeitslosigkeit und immer weniger Vollbeschäftigung leben müssen.

Ganz kurz zur Gewerbeordnung und Ihren Vorstellungen hiezu: Ich habe schon einmal in diesem Zusammenhang erwähnt, daß auch wir für eine Konzentration von Verfahren sind, daß auch wir glauben, daß einiges an Entbürokratisierung möglich ist, daß es uns aber wichtig ist, bei der Bewilligung von Anlagen immer ökologische Folgekosten zu berücksichtigen, und daß wir auch dabei nicht hinter die bisherigen Errungenschaften fallen dürfen.

Es ist notwendig, diese Themen seriös zu diskutieren. Es ist wichtig, daß Sie diese Anträge einbringen. Ich hoffe sehr, daß es in den Ausschüssen gelingt, über die Folgen der Globalisierung, über die Folgen dieser Wettbewerbspolitik zu diskutieren, und daß es uns gelingt, sehr schnell Antworten zu finden, die praktikabel für Österreich, aber auch im Hinblick auf die europäischen Standards sind. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte. Maximal 20 Minuten.


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38. Sitzung / Seite 134

18.09

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Da mein Fraktionskollege Helmut Peter schon versucht hat, die grundsätzlichen Bemerkungen zu beiden von uns verfaßten Initiativanträgen darzustellen, möchte ich noch auf einige Details eingehen und auch versuchen, den einen oder anderen Irrtum aufzuklären, der sich hier im Verlauf dieser Debatte eingenistet zu haben scheint, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte zunächst auf das Gewerbegesetz kommen. Ich glaube, es handelt sich bei unserem Entwurf um ein einfaches, schlankes Gesetz, wenn Sie das in Relation zur bestehenden österreichischen Gewerbeordnung sehen, die ja im Endeffekt unserer Meinung nach jedenfalls nichts anderes ist als eine anachronistische, überbordende Zunftordnung, die wir mit diesem Initiativantrag außer Kraft setzen wollen, wenn wir eine entsprechende Mehrheit bekommen, weil wir glauben, daß dieses Konglomerat an ausufernden Bestimmungen durch eine bessere Lösung ersetzt werden kann.

Was die Intention dieses neuen Gewerbegesetzes betrifft, so knüpft schon der Begriff der Gewerbefreiheit an einen Zustand an, der in früherer Zeit schon einmal erreicht war, nämlich als im Jahre 1859 – Sie werden jetzt nicht sagen, das sei unter dem Zeichen des Manchesterliberalismus entstanden, Frau Kollegin Langthaler – ein wirklich umfassender freier Gewerbebegriff definiert wurde.

Natürlich ist aus einer in der damaligen Zeit sehr fortschrittlichen und für damalige Verhältnisse auch sehr modernen Ordnung, einer ersten Ordnung, im Zeitablauf ein immer komplexer werdendes Konglomerat entstanden, das heute sicher nicht mehr die Bezeichnung "eurofit" für sich vereinnahmen kann.

Das Problem, meine Damen und Herren: In der Gewerbeordnung sind 153 Berufe geregelt. Konkret: 96 Handwerke, 27 gebundene und 30 bewilligungspflichtige gebundene Gewerbe. Und für diese 153 Berufe wird, für einen nach dem anderen, der Befähigungsnachweis abgehandelt, normiert, wie er sich darstellt und so weiter. Ich glaube, daß angesichts einer sich dynamisch wandelnden Wirtschaft die Erbringung von Befähigungsnachweisen nicht mehr dem ursprünglichen Gedanken Rechnung trägt, nämlich dem Gedanken, den Konsumentenschutz sicherzustellen.

Meine Damen und Herren! In der Diskussion – das merkt man an den Argumenten von Frau Hostasch oder von Frau Tichy-Schreder – wird gerne übersehen, daß derjenige, der eine gewerbliche Leistung oder eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, diese ja im Regelfall nicht vom Konzessionsinhaber erhält, sondern von einem Angestellten, der diesen Befähigungsnachweis nicht hat, sondern eben angestellt ist. Daher gibt es auch keine Garantien für eine einwandfreie, makellose Durchführung der Arbeiten.

Wir sehen aber – das ist der Hauptgrund unserer Kritik und auch der Hauptgrund, warum wir uns diese Arbeit eines umfassenden Initiativantrages angetan haben – das Problem in erster Linie im nicht erleichterten Marktzugang für jemanden, der ein neues Unternehmen gründen will, der sich durch ein ganzes Konglomerat von wüsten Bestimmungen einmal durcharbeiten muß. Von der Eignungsprüfung der einfachsten Art bis hin zum komplizierten Befähigungsnachweis ist eine derartige Menge von Hürden aufgebaut, die viele davon abhält – und das ist das Problem! –, ein eigenes Unternehmen zu gründen.

Darum dreht es sich, meine Damen und Herren: Wenn wir uns nicht endlich angewöhnen, umzudenken und uns nicht bemühen, eine andere Wirtschaftsgesinnung in diesem Lande herbeizuführen und eine entsprechende Gründerinitiative in Österreich zu starten, um damit auch einen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu beginnen, dann sehe ich für dieses Land sehr schwarz! Als diese Intention – Öffnung des Zugangs zum Markt – sehen wir unseren Antrag. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir haben in unserem Antrag nur mehr acht Gewerbe vorgesehen. Das sind im großen und ganzen jene Gewerbe, bei denen es um besondere Qualifikationen geht. Darüber kann man


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natürlich streiten, wir stellen uns gerne dieser Diskussion, ob man jetzt acht, zehn oder zwölf Gewerbe braucht. Ich meine nur, 153 müssen es nicht sein.

Das Argument, daß der Konsument – ich höre das aus den Ausführungen der Kolleginnen, insbesondere von der SPÖ-Seite, aber auch von Frau Tichy-Schreder –, wenn der Befähigungsnachweis entfällt, keinerlei Schutzbestimmungen mehr geltend machen kann, stimmt nicht. Das kann man sicher – und ich bin mir zu 100 Prozent sicher – durch ein ausgeklügeltes System einer Betriebshaftpflichtversicherung ausgleichen.

Meine Damen und Herren! Ich halte es für notwendig, auch dazuzusagen: Natürlich – Kollege Haigermoser hat hier Einwände gebracht – wird es nicht gehen, nur zu sagen: Geh zu einem Versicherer und laß dich versichern! – Unsere Intention ist es, hier auch eine flankierende gesetzliche Maßnahme zu initiieren, bei der im Prinzip ein Kontrahierungszwang das Ziel ist. Denn es ist völlig klar, daß natürlich am Anfang eine schwierigere Situation eintreten kann, indem am Anfang ein mangelnder Versicherungsschutz besteht. (Zwischenrufe der Abg. Dr. Kier und Dr. Trinkl. ) Allerdings, Herr Kollege, wird sich das regeln, denn wenn dieser Versicherungsschutz eine zwingende Auflage ist, die Befähigung sozusagen nachzuweisen – als einziges Befähigungskriterium in formeller Hinsicht –, dann wird es auch entsprechend ausreichende Versicherungsleistungen geben. Ich glaube also nicht, daß das ein großes Hindernis sein wird. Das heißt, ein Quasikontrahierungszwang sieht vor, daß ein Anspruch auf eine Betriebshaftpflichtversicherung, auf eine Versicherungspolizze besteht und darauf, daß derjenige, der um eine Polizze ansucht, eine Ablehnung nur dann erfahren kann, wenn wirklich zwingende Gründe dagegen sprechen.

Meine Damen und Herren! Diese Neuregelung der Gewerbeordnung durch ein einfaches, schlankes Gewerbegesetz verfolgt auch das Ziel, eine EU-konforme Regelung herbeizuführen. Herr Kollege Stummvoll! Sie können sich doch nicht im Ernst einbilden, daß die bestehende Gewerbeordnung dem EU-Recht standhält. (Abg. Dr. Stummvoll: Niemand sagt, daß es so bleiben muß! Wer sagt das? Niemand!) Wenn nur einer einmal den Mut aufbringt, eine umfassende Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einzubringen, dann werden Sie auf der Kammerseite ganz schön Ihre Wunder erleben. (Abg. Tichy-Schreder: Diese Wunder erleben wir nicht! – Abg. Dr. Stummvoll: Wer sagt, daß es so bleiben soll?)

Kollege Stummvoll! Sie fragen: Wer sagt, daß es so bleiben soll? – Aber was haben Sie geändert in letzter Zeit? Sie machen eine kleine Reparatur nach der anderen. (Abg. Tichy-Schreder: Sind Sie Unternehmer? Eben nicht!) Nein, ich bin nicht uninformiert, ich weiß, was in der Gewerbeordnungsnovelle 1992 und auch in der von 1994 enthalten war. Bitte, Frau Kollegin, schieben Sie mir nicht etwas in die Schuhe, was nicht der Fall ist! Sie haben sich nicht mit einer grundlegenden Reform auseinandergesetzt. Wir haben das gemacht – das ist der Unterschied, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Tichy-Schreder: Ich habe den Vorschlag gesehen!)

Frau Kollegin Tichy-Schreder! Sie stoßen sich an einigen Formulierungen. (Abg. Tichy-Schreder: An mehreren!) Bitte sehr: Kommen Sie doch, artikulieren Sie sich im Ausschuß und sagen Sie, was Sie besser haben möchten. Ich lade Sie herzlich dazu ein! Wir werden diese Diskussion mit großem Interesse führen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Tichy-Schreder: Selbstverständlich!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auch noch einige Worte sagen zum Öffnungszeitengesetz. Kollegin Hostasch hat gemeint, dieser Neoliberalismus, der alles zerstört, sei schuld an Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die Flexibilisierung der Arbeitszeit würde mehr zerstören, als sie bewirken kann – so, glaube ich, war es gemeint. Ich möchte Ihnen eines entgegenhalten, Frau Kollegin: Niemand will – auch wir nicht –, daß ein Zwang zum Offenhalten besteht. Das wird immer ganz gerne verwechselt! Auch im Sprachgebrauch hat es sich anscheinend bei Ihnen und auf seiten der SPÖ eingebürgert, daß man "liberal", "libertär" und "libertinistisch" nicht mehr auseinanderhalten kann, aber da sind grundlegende Unterschiede zu sehen.


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Niemand will, daß Arbeitnehmer keinerlei Schutzbestimmungen mehr haben. Ich habe das schon vor einem Jahr gesagt, als wir hier eine Debatte abgeführt haben und der damalige Wirtschaftsminister Schüssel den "großartigen" Vorschlag gemacht hat, die Liberalisierung der Öffnungszeiten an die Betriebsgröße zu binden. Damals haben Sie eine Presseaussendung von sich gegeben und gesagt: Öffnungszeiten liberalisieren? – Dazu kommt von uns ein klares Nein! Njet! Aus! Pause!

Wir wollen nicht, daß der Arbeitnehmer ohne Schutz dasteht. Wir wollen auch nicht, daß der Arbeitnehmer nicht zu seinem Geld kommt. Aber, Frau Kollegin Hostasch, wollen Sie es mit der Devise halten: Lieber ein paar Tausend Arbeitslose mehr, als eine flexible Arbeitswirtschaft? – Wenn ich Sie so höre, dann gewinne ich diesen Eindruck.

Daher appelliere ich an Sie: Lehnen Sie das nicht kategorisch ab, schauen Sie sich die Vorschläge wirklich im Detail an. Treten Sie bitte nicht dauernd auf die Bremse, meine Damen und Herren, denn auch ich möchte nicht, daß ein anderer als der heute schon zitierte Zukunftsforscher, und zwar der Zukunftsforscher John Naisbitt, auf Dauer recht bekommt. Dieser hat nämlich auch eine Prognose für Österreich abgegeben – heute in "NEWS" nachzulesen. Ich darf kurz daraus zitieren:

"Woran krankt Europas Wirtschaft? – Die Wohlfahrtsstaat-Idee hemmt in vielen Ländern Europas eine positive Wirtschaftsentwicklung. Es gibt zuviel Staat und zuwenig Unternehmertum. In den letzten dreieinhalb Jahren wurden in den USA 10 Millionen neue Jobs geschaffen, in Europa steigt dagegen die Zahl der Arbeitslosen ständig an. Man muß junge, aggressive Unternehmer fördern, denn nur die sind eine Garantie für Wirtschaftswachstum. In Europa passiert gerade das Gegenteil, es gibt keinen Kontinent, in dem die Gründung von Unternehmen schwieriger ist als in Europa. Österreich ist da leider ein negatives Musterbeispiel. So wie hier der Staat mit zukünftigen Unternehmern umgeht, ist er ein Garant dafür, daß nur noch mehr Jobs verlorengehen werden." – "Nur noch mehr Jobs".

Bitte, Frau Kollegin Hostasch und auch Frau Kollegin Tichy-Schreder, sorgen Sie durch entsprechend konstruktive Vorschläge dafür, daß John Naisbitt in Österreich nicht recht behält! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Mag. Posch: Herr Firlinger! Warum garantieren aggressive Unternehmer ein Wirtschaftswachstum? – Abg. Tichy-Schreder: Warum gründen Sie kein Unternehmen? Schaffen Sie Arbeitsplätze!) Frau Kollegin Tichy! Da werde ich sicherlich auf Sie zukommen. – Danke schön.

18.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Ich erteile es ihr.

18.22

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Einige Anmerkungen als Konsumentin, aber auch als Arbeitnehmervertreterin zum Antrag der Liberalen bezüglich Öffnungszeitengesetz.

Ich denke, daß man Statistiken manchmal auch manipulieren oder unterschiedlich auslegen kann, zumal eine Market-Umfrage aus dem Jahre 1994 schon ergeben hat, daß 55 Prozent der befragten ArbeitnehmerInnen gesagt haben, sie wollen am Abend länger einkaufen, und auch am Samstag, so weit es möglich ist, den ganzen Tag. Also kann es nicht ganz stimmen, wenn es hier heißt, daß 86 Prozent zufrieden sind.

Es geht mir auch um die Auslegung, und es geht mir sehr wohl auch um die Handelsangestellten, zumal die meisten davon Frauen sind. Aber es geht auch darum, wie wir in Österreich beziehungsweise in diesem Europa jetzt mit den Öffnungszeiten umgehen. Es zeigen ja auch die anderen Länder, wie zum Beispiel Deutschland, daß es machbar ist, mit einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten – nicht mit einer generellen Aufhebung – etwas konsumentenfreundlicher vorzugehen.

Ich glaube auch, daß wir nachdenken müssen und in bezug auf diese Arbeitnehmerinnen nicht wieder Angstpolitik betreiben sollten, wenn wir von Ladenöffnungszeiten reden, indem wir etwa


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sagen, daß das eine totale Verschlechterung für diese Handelsangestellten wäre. Eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten bringt ja nicht mit sich, daß jetzt statt 38,5 Stunden 50 oder 60 Stunden lang gearbeitet werden muß, sondern es muß so sein, daß wir die Arbeit eben geballt durchführen können.

Es gibt auch eine Berechnung, die besagt, daß damit 8 000 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen werden könnten. Ich meine, gerade jetzt, wo es notwendig ist, daß wir mehr Arbeitsplätze schaffen, und zwar auch für Frauen, da die Frauenarbeitslosigkeit immer mehr steigt, ist das sehr wohl ein Argument dafür, daß wir uns auch überlegen und klar an die Fragen herangehen müssen: Wie gehen wir mit der Flexibilisierung der Arbeitszeit um? Wie gehen wir mit dem Arbeitsruhegesetz um? Was können wir machen, damit wir mehr Beschäftigte – jetzt speziell Frauen – bekommen und nicht weniger?

Ich meine, wenn man dann davon spricht, daß das eine Verlängerung der Arbeitszeit wäre, so ist das nicht richtig. Es muß nur eine klare Regelung erfolgen, auch darüber, wie es etwa mit den Zuschlägen ausschaut. Wenn man sich zum Beispiel bei den Zuschlägen in der Mitte trifft, so wäre das sehr wohl für beide, für Arbeitgeber wie auch für Arbeitnehmer, ein möglicher Ansatz im Zuge dieser Öffnungszeitendebatte. Von KAPOVAZ muß man, glaube ich, sehr wohl sprechen, aber zu sagen, daß alles abdriftet in Richtung geringfügig Beschäftigte und Arbeit auf Abruf, ist, so glaube ich, auch nicht richtig.

Ich spreche hier aber auch noch einmal als Konsumentin. Auch der Handelsforscher Erwin Bock sagt, daß eine weitreichende Liberalisierung notwendig ist. Ich denke etwa auch an den gesamten Bereich der Banken und Behörden, nicht nur an den Handelsbereich. Ich ärgere mich zum Beispiel darüber, daß ich am Freitag nachmittag nach 14 Uhr meine Bankgeschäfte nicht mehr durchführen kann. Ich weiß schon, ich sollte es über den PC machen, aber das will ich noch nicht. – In dieser Richtung müssen wir hier uns sehr wohl auch etwas überlegen.

Das heißt, daß auch das, was meine Kollegin Langthaler gesagt hat, nämlich daß es eine Verschlechterung der Arbeitsplätze ist und keine Vollbeschäftigung mehr gibt, nicht stimmen muß und sicher auch nicht stimmt. Daß eine Amerikanisierung nicht unbedingt das Beste ist, ist klar. Es soll keinen sozialen Abbau geben, und es wird auch keinen geben, wenn sich die Sozialpartner hoffentlich in der nächsten Zeit darauf einigen, daß es ein Entgegenkommen für die Konsumenten und Konsumentinnen, aber auch für diejenigen, die in diesem Bereich arbeiten, gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

18.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte.

18.27

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu den Kollegen des Liberalen Forums: Ich bin sehr froh darüber, daß einmal ein Konzept auf dem Tisch liegt, das man diskutieren kann, und ich bin auch froh darüber, daß man mit der Diskussion beginnt, denn ich glaube, in einer Frage sind sich sicher alle Fraktionen hier einig: Es wird ständig vom Standort Österreich, von der Erhaltung, von der Verbesserung gesprochen. Wenn man weiß, wie viele – nicht nur Unternehmen, sondern auch Beschäftigte – von den Wirtschaftsgesetzen und vom zentralen Gesetz, nämlich der Gewerbeordnung, betroffen sind, dann muß klar sein, daß es hier nicht nur um die Unternehmen geht, sondern auch um fast eineinhalb Millionen Beschäftigte.

Wir wissen, daß es um die Aus- und Weiterbildung geht. Wir wissen, daß es darum geht, daß wir hier raschest eine neue Situation schaffen müssen. Daher: Auch wenn ich mich jetzt mit einzelnen Passagen kurz kritisch auseinandersetze, dann sollten Sie das nicht als Ablehnung auffassen, auch wenn ich in der einen oder anderen Position durchaus nicht Ihrer Meinung bin, sondern sollten das so verstehen, daß ich überzeugt davon bin, daß es gut ist, wenn wir uns gegenseitig einmal unsere Vorschläge zukommen lassen. Ich habe das namens unserer Fraktion gemacht.


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Ich habe im Laufe des Sommers das Konzept, an dem wir intern in der SPÖ-Fraktion sehr, sehr lange mit unseren Kollegen aus den verschiedensten Organisationen gearbeitet haben, ausschicken lassen, weil ich überzeugt davon bin, daß das eine so wichtige Materie ist, daß wir unsere Meinungen in einzelnen Fragen nicht über Medien austauschen sollten.

Natürlich werden wir darum ringen, eine Position zustande zu bringen, die breitest getragen wird. Denn nur dann, wenn wir uns hier nicht sozusagen auseinanderdividieren, nur dann, wenn alle Fraktionen in diesem Haus sich bemühen, eine gemeinsame Lösung zu finden, wird man uns draußen auch verstehen. Wir müssen ja alle ansprechen, nicht nur Unternehmer, nicht nur solche, die unternehmerisch tätig werden, sondern auch die in diesen Unternehmen Tätigen.

Warum meine ich, daß das so wichtig ist? – Diese Gewerbeordnung beeinflußt den Zugang zum Markt, wenn wir so beginnen wollen, und damit beeinflußt sie auch die Qualität der Tätigkeit dort, sie beeinflußt die Qualität der Waren, sie beeinflußt die Qualität der Produktion, sie beeinflußt die Qualität der Dienstleistungen, die in diesen Bereichen erbracht werden. Die rechtliche Erlaubnis, ein Unternehmen zu gründen, ist daher nicht nur für die dort unternehmerisch Tätigen, sondern auch für die dort Beschäftigten von besonderer Bedeutung. Daher ist uns dieses Thema so wichtig.

Aber: Ein rigoroser Zugang zum Gewerbe ist unserer Auffassung nach ein ungerechtfertigter Konkurrenzschutz für etablierte Unternehmungen der jeweiligen Branche und erschwert natürlich die Gründung von neuen Unternehmen und damit auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Dies ist derzeit primär ein Problem der Gewerbetreibenden, denn im Handel und im Industriebereich haben wir schon eine weitestgehende Liberalisierung erreicht. Es muß uns aber um eine grundsätzliche Neuregelung der Gewerbeordnung gehen, die den aktuellen und, wie ich hoffe, auch den zu erwartenden zukünftigen Erfordernissen in der Wirtschaft Rechnung trägt.

Zu einer bloßen kosmetischen Operation wird es von unserer Seite diesmal keine Zustimmung geben. Es muß zu einer radikalen Reform kommen.

Und jetzt komme ich zu einigen Anmerkungen bezüglich der Bereiche, wo wir meiner Meinung nach nicht auf einer Linie liegen. Vielleicht kommen wir im Zuge der Diskussion aber wieder zueinander.

Im Gegensatz zu den Vorstellungen des Liberalen Forums sind wir der Auffassung, daß ein bestimmtes, wenn auch stark reduziertes Maß an Regeln beibehalten werden muß. Wir wollen einen fairen Wettbewerb begünstigen, der den Wirtschaftstreibenden so viele Freiheiten wie nur möglich einräumt und nur unbedingt notwendige Regulierungen vorsieht. (Beifall des Abg. Haigermoser. ) Gleichzeitig sind aber Schutzbestimmungen für Leben, Gesundheit und Vermögen einzubauen und im Interesse der Betroffenen wohl auch auszubauen – Stichwort: EU-Anpassungen.

Sie, meine Damen und Herren vom Liberalen Forum, haben in Ihrem Entwurf für eine neue Gewerbeordnung, wie Sie es bezeichnen, Vorschläge gemacht, welche bei genauer Durchsicht eher – ich weiß, es ist ein bißchen polemisch, was ich jetzt sage – in Richtung Abschaffung des Gewerberechtes gehen. Was bedeuten Ihre Vorschläge im einzelnen, wenn man sie hinterfrägt, wie Helmut Haigermoser es genannt hat?

Die Versicherung wird de facto Gewerbebehörde. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versicherungen ersetzen zum Großteil, wie Sie es sagen, Hunderte von Paragraphen. Wir wissen, wie schwer sich die Bürger tun mit dem vielen Kleingedruckten in Versicherungsverträgen. Der Konsumentenschutz würde in vielen Bereichen sehr, sehr stark reduziert werden, wenn nicht zum Teil, wenn man die entsprechenden Verordnungsermächtigungen aufhebt, sogar abgeschafft werden. Die Reduzierung in der Form, wie Sie es sich vorstellen, würde in manchen Bereichen eine Gefährdung der Berufsausbildung bedeuten. – Vielleicht irre ich mich. Ich merke nur kritisch an. Setzen wir uns damit auseinander!


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Ihr Entwurf gibt zwar vor, Paragraphen abzuschaffen, übersieht jedoch, daß eben diese abgeschafften Paragraphen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und anderen Gesetzen wiederauferstehen würden. Wir befürchten, daß es so in weiten Bereichen zu einer Beseitigung der Nachbarrechte kommen würde. Mehr als Hunderte oder Tausende, wie Sie es gesagt haben, Paragraphen in einschlägigen Verordnungen würden aufgrund Ihres Entwurfes wegfallen. Auf den ersten Blick – ich gebe das zu –, beim erstmaligen Durchlesen habe ich mir gedacht: Aha, wunderbar! Aber was kommt dann heraus? – Das habe ich kurz darzulegen versucht.

Ich hoffe, daß wir bei dieser kritischen Auseinandersetzung – Sie werden auch manches an unseren Vorschlägen kritisieren, davon bin ich überzeugt – da oder dort doch noch Gemeinsamkeiten finden.

Insgesamt bedeuten die Einführung der Haftpflichtversicherung und die Beseitigung der Nachbarrechte im Betriebsanlagenrecht einen Verlust an Rechtsstaatlichkeit – ohne Gewinn an Effizienz oder an Vorteilen für die Konsumenten.

Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion – ich habe es schon gesagt – hält eine radikale Reform des gesamten Gewerberechtes für dringend notwendig, und ich bin froh darüber – ich habe diesbezüglich mehrere Gespräche mit Minister Farnleitner geführt –, daß wir im Grundsatz und von der Zielrichtung her vollkommen übereinstimmen. Daß natürlich Kolleginnen und Kollegen der Österreichischen Volkspartei von ihrer Interessenlage her andere Positionen einnehmen als wir, ist durchaus verständlich. Wir haben auch in unserer Partei unterschiedliche Positionen vertreten. Das ist natürlich, da müssen wir durch, wir müssen es einfach.

Uns geht es vor allem um eines – ich sage es nur schlagwortartig –: um einen erleichterten Zugang zum Gewerbe, um die Schaffung integrierter Gewerbe mit dem Ziel, eine größere Flexibilität zu erreichen, um die Schaffung von Teilgewerben mit erleichtertem Zugang – nicht jede Tätigkeit erfordert mehr eine Meisterprüfung –, um die Bestellung eines suppletorischen Geschäftsführers auch für Einzelunternehmer, um die Beseitigung des Berufungsrechtes – das wird wahrscheinlich von euch kritisiert werden, von der Wirtschaftskammer (Abg. Tichy-Schreder: Irrtum!) – und um eine radikale Verwaltungsvereinfachung. (Beifall des Abg. Haigermoser. )

Es kann nicht sein, daß man monatelang auf eine Stellungnahme warten muß. Daher bin ich der Meinung, daß in verschiedenen Bereichen die Stellungnahme der Kammer überhaupt zu beseitigen sein wird. – Das ist ein Vorschlag, wir müssen uns das eben noch überlegen.

Was wir nicht wollen, meine Damen und Herren, ist jedoch ein nahezu ungeregelter Zustand. Daher sollten Zugangsbeschränkungen nur dort aufrechterhalten bleiben, wo sie zum Schutz von – ich sage es noch einmal – Leben, Gesundheit und Vermögen der Kunden als auch der Arbeitnehmer unentbehrlich sind. Auch da bin ich mit Kollegen Firlinger durchaus einer Meinung: Ob das jetzt 40, 50 oder 60 Gewerbe sind, wird letztlich davon abhängen, wie wir die Situation gemeinsam sehen werden. Das wird noch auszuverhandeln sein. Bei diesen zirka 50 integrierten Gewerben soll unserer Meinung nach aber die Meisterprüfung so wie die Lehrlingsausbildung als Zugangsvoraussetzung bestehen bleiben. Das ist eine Position, auf die wir uns eingeschworen haben. Im Gegensatz zu Plänen, wie ich sie etwa bei einer Pressekonferenz der Freiheitlichen gehört habe, sind wir der Auffassung, daß die grundsätzliche Abschaffung der verpflichtenden Meisterprüfung nicht zielführend ist. Wir treten für die Erhaltung der Meisterprüfung, mehr noch, für eine ... (Abg. Haigermoser: Nein, nein! Das stimmt nicht! Keine Zugangsnotwendigkeit für ausübendes Gewerbe!) Dann habe ich es falsch verstanden, Helmut Haigermoser; vielleicht habe ich es falsch verstanden. (Abg. Haigermoser: Ich stelle es ja nur richtig!)

Ich habe ja nur die Presseaussendung, und ich polemisiere nicht. Ich sage ja ausdrücklich immer wieder: Setzen wir uns damit auseinander! Ich habe es eben so empfunden.

Wir wollen den Meisterbetrieb erhalten, mehr noch, ich gehe sogar weiter: Ich stehe auf dem Standpunkt: Wenn einer ein guter Meister ist, wenn einer jahrelang erfolgreich gearbeitet hat, dann ist er für mich sogar reif für ein Hochschulstudium. Warum muß der eine Matura machen? (Abg. Haigermoser: D’accord! Da sind wir dafür!)


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Wir wollen den Meister als qualitätsorientierten Dienstleistenden besonders hervorheben, denn wir sind zutiefst überzeugt davon: Das wichtigste Kapital der Zukunft wird nicht das Geld sein, sondern die Qualität, das Fachwissen, die Verläßlichkeit, und die haben wir in Österreich. (Abg. Dr. Khol: Humankapital!) Daher sage ich immer, in diese Richtung muß es bei dieser Gewerbeordnung gehen, und wenn uns das gelingt und wenn wir aufhören, uns selber schlechtzumachen und immer nur zu sagen: Auf diesem Standort ist es eh nicht gut!, werden wir auch insgesamt erfolgreich sein.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von allen Seiten – ich nehme jetzt niemanden aus –: Wir haben es in der Vergangenheit bewiesen – ihr werdet jetzt sagen: Gut, genug, okay!, aber wir haben bewiesen –, daß unsere Wirtschaft krisenfest ist, daß sie in schwierigen Zeiten bestehen kann. Wir haben bewiesen, daß unser Export funktioniert. (Abg. Haigermoser: Jetzt wird es allgemein!) Warum hat er auch in der EU funktioniert? – Weil wir gute Qualität haben, weil wir Fachwissen haben. Und wenn wir weiter in diese Richtung gehen, wird uns, davon bin ich überzeugt, ein guter Wurf gelingen. Er muß nur rasch gelingen – wir haben nicht mehr viel Zeit –, und er sollte weitestgehend akkordiert sein. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächste Frau Abgeordnete Mares Rossmann. – Bitte sehr.

18.37

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil hier die hohen Vertreter der Wirtschaftskammer sitzen, frage ich sie: Warum ist noch nie das folgende Thema angeschnitten worden? Wir sind im 20. Jahrhundert und unterscheiden immer noch, speziell bei Betriebsanlagen in der Gastronomie, zwischen einer Gasthauskonzession, wo der Betrieb um 24 Uhr schließen muß, einer Kaffeehauskonzession – hier muß um 2 Uhr geschlossen werden (Ruf: 1 Uhr!) – ja, je nach Stadt – und einer Barkonzession, die es ermöglicht, bis 4 Uhr offenzulassen. Das wäre ja sofort zu beseitigen in einem Tourismusland wie Österreich, denn wenn Gäste da sind, soll man sie bedienen, egal, ob es sich um ein Gasthaus, ein Café-Restaurant oder eine Bar handelt. Ich glaube, da sind wir einer Meinung. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Das Problem sind die Anrainer!) Ja, aber die Rahmenbedingungen schafft die Gewerbeordnung!

Nun aber zurück zur Ladenschlußdebatte. Diese Frage ist meiner Meinung nach deshalb so kompliziert, weil man drei komplizierte Betrachtungsweisen unter einen Hut bringen muß: Es ist natürlich einmal der Aspekt der Kundschaft oder des Gastes, weiters der Aspekt der Unternehmer und der Aspekt der Arbeitnehmer – und im Handel speziell der Arbeitnehmerinnen. Das möchte ich betonen, denn das darf man bei dieser ganzen Diskussion nicht außer acht lassen.

Betrachten wir die Sache einmal unter dem Aspekt des Gastes oder der Kundschaft: Wir alle wissen, ein geändertes Kaufverhalten bedingt einen Erlebniseinkauf; jeder will etwas erleben, wenn er einkaufen geht. Oder man zieht sich zurück und kauft nur mehr bei Versand oder betreibt Shopping im Internet. Um das zu umgehen, wird man über gewisse Möglichkeiten diskutieren müssen, denn ein gewisses Einkaufserlebnis ist natürlich nur dann gegeben, wenn entsprechende Beratung erfolgt. Ein solcher Einkauf kann durch Versand oder Shopping im Internet nicht ersetzt werden. Ich glaube, darin sind wir uns einig.

Auf keinen Fall aber darf es zu einem solch dramatischen Kaufkraftabfluß wie im vergangenen Jahr kommen, wo dieser über 4 Milliarden Schilling betragen hat. Vielleicht hing das mit unserem EU-Beitritt zusammen, mit dem ersten Jahr unserer Mitgliedschaft, aber in Zukunft kann sich Österreich einen solchen Steuerausfall nicht mehr erlauben.

Auch gilt es, rechtzeitig die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Dann können wahrscheinlich auch die kleinen Unternehmer mit den Großbetrieben auf der "grünen Wiese" konkurrieren.


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Ich glaube, das ist vorrangig, denn auch sämtliche Innenstädte in Österreich leiden unter einer Abwanderung von Kaufkraft. Allein in Klagenfurt, so weiß ich, sind 60 Geschäfte leer und entsprechend viele Arbeitnehmer im Handel arbeitslos. Das ist natürlich eine Auswirkung des Belastungspaketes – auch wenn Sie das nicht hören wollen. Die Betriebe sperren zu und entlassen die Mitarbeiter, oder der Arbeitgeber steht allein drinnen, weil er sich keine Mitarbeiter mehr leisten kann (Abg. Dr. Mertel: ... und die Mieten zu hoch sind!) – und die Mieten zu hoch sind. Das stimmt auch, da gebe ich Ihnen vollkommen recht.

Die einzige Ausnahme in diesem Bereich bilden die Tourismusorte, und ich sage ganz klar: Es müssen so manche Städte noch umdenken und sich als Tourismusstädte deklarieren in der Form, daß, wenn Gäste in der Stadt sind, speziell Kongreßtouristen – es ist bekannt, daß die außergewöhnlich viel Geld für den Einkauf ausgeben –, diese auch einkaufen können (Beifall bei den Freiheitlichen), daß sie die Städte an einem Samstagnachmittag nicht leer kennenlernen und dann nach Norditalien weiterfahren und dort ihren Einkauf tätigen.

Aber eine andere Facette ist natürlich die Problematik der Arbeit aus Arbeitnehmerinnen sicht – und ich betone: Arbeitnehmerinnen sicht –, weil gerade im Handel mehrheitlich Frauen beschäftigt sind. Und da frage ich mich schon, wie es bei den jetzigen Rahmenbedingungen mit einer längeren Öffnungszeit aussehen soll. Wie kann eine Frau, die an einem Samstagnachmittag ständig arbeiten soll, überhaupt noch jemals mit der Familie gemeinsam Freizeit verbringen?

Ich gehe da nicht konform mit der Ausdrucksweise des Kollegen Peter, der von einem "kollektiven Erlebnis- und Glücksgefühl" in der Freizeit spricht. Das impliziert für mich unbedingt auch eine gemeinsame Freizeit mit der Familie. Sonst gibt es meiner Auffassung nach ja überhaupt keine Gemeinsamkeiten mehr.

Es sind hier also auch wieder Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Situation dieser Frauen erleichtert wird beziehungsweise sie auf keinen Fall in die Zwangslage geraten, am Samstagnachmittag oder am späten Abend arbeiten zu müssen.

Auch hier sind wir wieder bei den Städten mit der sogenannten sanften Mobilität, den Städten, wo die Arbeitnehmer ihr Auto am Stadtrand stehen lassen müssen. Ich frage mich: Wie kommen dann die Frauen spät am Abend, um 22 oder 23 Uhr, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die dann ja nur mehr sehr sporadisch fahren, zu ihrem Auto?

Das sind Rahmenbedingungen, die geändert werden müssen. Und nur unter der Voraussetzung, daß wir entsprechend motivierte Mitarbeiter in funktionierenden Betrieben haben, unter der Voraussetzung, daß auch die kleinen und mittleren Unternehmer im Handel noch eine Überlebenschance haben, daß sie auch bei einer längeren Öffnungszeit nicht gezwungen sind, "unendlich" lang im Betrieb zu stehen, werden Sie vielleicht in nächster Zeit in uns einen Partner finden. Eine Grundvoraussetzung dafür ist jedenfalls eine Erleichterung der Rahmenbedingungen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt als nächste Rednerin Frau Abgeordnete Maria Schaffenrath. – Bitte sehr.

18.43

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glaube, die grundlegende Notwendigkeit, heute diese beiden Anträge zu diskutieren, wurde bereits von meinen Vorrednern deutlich gemacht. Ich möchte jetzt noch aus der Sicht der Frau die Notwendigkeit der Diskussion und einer raschen Lösung unterstreichen.

Tatsache ist – das geht aus der Arbeitsmarktvorschau des AMS hervor –, daß sich Frauen immer stärker vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Verantwortlich für diese Entwicklung, für das Sinken der Erwerbsquote der Frauen, sind laut Arbeitsmarktservice eben politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Es ist aber gerade die Erwerbstätigkeit der


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Frau, die ihr die Unabhängigkeit sichert, die ihr eine sozialrechtliche Absicherung gewährleistet, eine Absicherung, die in der derzeitigen Situation in vielen Bereichen nicht gegeben ist.

Lassen Sie mich vorerst zur Gewerbeordnung kommen. Der Anteil der Frauen an der österreichischen Unternehmensquote, die ohnehin schon beschämend gering ist, beträgt ein Drittel, und natürlich sind gerade für Frauen die restriktiven Bestimmungen der Gewerbeordnung im Bereich des Befähigungsnachweises als Zugangsbarriere in diesem Bürokratiedschungel nicht gerade chancenfördernd. Ein Abbau dieser Hürden würde gerade Frauen mit ihren ganz individuellen Fähigkeiten die Möglichkeit einräumen, sozusagen einen ersten Schritt in die Selbständigkeit zu tun und sich als Kleinst- oder Kleinunternehmerinnen selbständig zu machen, anstatt daß sie wie bisher in die Schwarzarbeit, in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden, und das alles ohne jegliche sozialrechtliche Absicherung.

Meiner Meinung nach würden sich in vielen Bereichen Chancen für Frauen anbieten; ich nenne hier nur exemplarisch Schneiderin, Raumausstatterin, ein kleines Tagescafé. Und ich muß mich wirklich fragen, warum es nicht möglich sein sollte, daß sich Frauen ihren individuellen Fähigkeiten entsprechend zum Beispiel als Schneiderin selbständig machen können, ohne diese Eingangsbarriere einer Meisterprüfung als Befähigungsnachweis erbringen zu müssen?

Selbstverständlich ist uns Liberalen der Schutz des Konsumenten sehr, sehr wichtig, aber wir glauben schon, daß der Schutz des Konsumenten besser durch einen ausreichenden Versicherungsschutz als durch irgendeinen Befähigungsnachweis einer Meisterprüfung, die vor zehn oder 15 Jahren einmal abgelegt wurde, gewährleistet ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie mich auch noch ein paar Worte zu unserem Antrag betreffend Aufhebung des Öffnungszeitengesetzes sagen. Wir wollen den Unternehmungen die Möglichkeit geben, die Bedürfnisse der Konsumenten eben dann decken zu können, wenn diese Bedürfnisse entstehen, und ich sage ausdrücklich: dann decken zu können und zu dürfen, wenn sie entstehen, und nicht zu müssen. Natürlich erhoffen wir uns davon eine Belebung des Arbeitsmarktes. Es werden mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, auch Arbeitsplätze für die Frauen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, daß die Erwerbsquote bei den österreichischen Frauen eine traurige ist, eine deutlich unterdurchschnittliche ist. Wir haben einen Anteil von 61 Prozent, während im OECD-Durchschnitt die Frauenerwerbsquote immerhin bei 75 Prozent liegt.

Ich habe eingangs schon darauf hingewiesen, daß bedauerlicherweise die Erwerbsquote bei Frauen in Österreich auch noch rückläufig ist.

Frau Kollegin Hostasch! Wenn Sie sagen, es werden jetzt schon arbeitsrechtliche Bestimmungen, insbesondere Frauen betreffend, verletzt, dann muß ich Sie schon fragen, warum Sie nicht jetzt schon entsprechende Instrumente einsetzen, um ein Übertreten der arbeitsrechtlichen Bestimmungen hintanzuhalten. Da haben Sie als Vertreterin der Arbeiterkammer sicherlich ein breites Betätigungsfeld vor sich.

Was ich aber nicht verstehe, ist, daß Sie glauben, ein restriktives Öffnungszeitengesetz wäre eine geeignete Maßnahme, arbeitsrechtliche Verletzungen hintanzuhalten. Dieser Schluß ist mir, ehrlich gesagt, nicht ganz klar. (Zwischenruf der Abg. Hostasch. ) Natürlich, das ist es ja derzeit, und das wissen Sie auch.

Ich kann Ihnen auch die Situation in Tirol schildern. Da muß ich meiner Vorrednerin von der FPÖ recht geben: Gehen Sie durch Innsbruck, und Sie finden Touristen vor verschlossenen Geschäften, und Sie finden eine ausgestorbene Stadt, wenn keine Touristen in der Stadt sind. Gleichzeitig aber bewegen sich Kolonnen in Richtung Brenner, in Richtung Südtirol, weil dort Einkaufen an Samstagen eine Selbstverständlichkeit ist.


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Wie lange sich das der auch in Innsbruck in Bedrängnis geratene Handel noch leisten wird können, wie viele Arbeitsplätze dann verlorengehen, möchte ich hier an dieser Stelle nicht ausrechnen.

Längere Öffnungszeiten, das bedeutet mehr Arbeitsplätze, und wir sehen hier durchaus auch Chancen für ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Frau Kollegin Hostasch! Auch Sie haben wider besseres Wissen der Arbeiterkammer bei diesem Bonus-Malus-System mitgestimmt, das gerade die Chancen der älteren Arbeitnehmerinnen wesentlich einschränkt. (Beifall beim Liberalen Forum und Beifall des Abg. Meisinger. )

Natürlich muß bei einer flexibleren Öffnungszeit auf die besondere Situation der Alleinerzieherinnen Rücksicht genommen werden. Aber das ist nicht eine Frage der Öffnungszeit, das ist eine Frage von dringend notwendigen Schutzbestimmungen für Alleinerziehende, das ist eine Frage der Ausweitung und der Stärkung der innerbetrieblichen Mitbestimmung. Wir können uns sicherlich auch sehr gut den Österreichischen Gewerkschaftsbund als hilfreichen Partner zur Lösung von innerbetrieblichen Problemen vorstellen.

Es ist eine Tatsache, daß die Chancen der Frauen im Wirtschaftsleben, auf dem Arbeitsmarkt gering sind. Wenn ich mir nur die letzten drei Berichte – Bundeskanzler, Wirtschaftsminister und Finanzminister – zur wirtschaftlichen Lage in Österreich in Erinnerung rufe: Das Wort "Frau", das Wort "Frauenförderung" kam in allen drei Berichten nicht ein einziges Mal vor! (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Die Anträge 6/A und 14/A weise ich somit dem Wirtschaftsausschuß zu.

5. Punkt

Erste Lesung des Antrages 216/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1972 geändert werden soll

6. Punkt

Erste Lesung des Antrages 217/A der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nunmehr gelangen wir zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung: Erste Lesung des Antrages 216/A der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1972 geändert werden soll, sowie Erste Lesung des Antrages 217/A der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird.

Wir gehen die Debatte ein.

Als Antragsteller erhält zunächst Abgeordneter Öllinger das Wort.

18.51

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich sozusagen aktuelle Argumente zum Thema passives Wahlrecht bei Betriebsrats- und Arbeiterkammerwahlen vorbringen möchte, will ich es doch nicht verabsäumen, aus der Debatte, die zu diesem Thema im Jahr 1994 stattgefunden hat, einige Ihrer Argumente aufzufrischen, die Sie gebracht haben. Ich tue dies ohne Namensnennung, dann brauchen Sie sich nicht dafür zu schämen.


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Ein wichtiges Argument in dieser Debatte, die 1994, auch zu einem Antrag der Grünen, stattgefunden hat, war: Dieser Antrag kommt zu knapp vor der Wahl, wir können nicht seriös über diesen Antrag befinden, weil das zu knapp vor der Wahl ist. Da wird in ganz billiger Weise versucht, Wahlgeld herauszuschlagen.

Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir zwar heute die erste Lesung haben, aber noch nicht abzustimmen brauchen. Es wird also kein Kleingeld daraus geschlagen. Sie haben die Möglichkeit, sich im Ausschuß und dann, hoffe ich, auch noch im Plenum zum passiven Wahlrecht zu bekennen. (Abg. Mag. Guggenberger: Jetzt haben wir schon wieder Wahlen!)

Es hat aber auch noch andere Argumente gegeben, die nicht minder spannend oder lustig waren. Die Grünen, hat es damals geheißen, 1994, die wollen zwar nicht in die EU, aber wenn es ihnen paßt, dann wollen sie überpingelig sein bei der Erfüllung der EU-Richtlinien, dann bestehen sie drauf, daß EU-Richtlinien erfüllt werden. Das geht nicht!, hieß es damals.

Das ist sozusagen ein schwerer Vorwurf an die Grünen im Jahr 1994 gewesen: Gegen die EU sein, aber wollen, daß die EU-Richtlinien erfüllt werden! Ungeheuerlich!, hieß es, und das war ein wichtiges Argument damals, warum Sie, meine Damen und Herren, in Ihrer Mehrheit gegen dieses passive Wahlrecht Stellung genommen haben.

Ein wichtiges weiteres Argument war: Die Gastarbeiter selbst wollen das ja gar nicht, denn sie streiten zuviel und sind deshalb froh, wenn die Österreicher dieses Amt – sozusagen treuhänderisch – für die Gastarbeiter ausüben, die Gastarbeiter selbst seien dazu aufgrund ihrer Querelen eigentlich nicht in der Lage.

Ein wichtiges weiteres Argument war – Kollege Edler, du solltest dich vielleicht da angesprochen fühlen –: Jetzt nur zu beschließen, daß sie einmal wählen können, ohne daß wir – "wir" sind die Österreicher – uns um ihre Probleme in der Arbeitswelt und im Wohnbereich kümmern, das ist zuwenig, das hilft ihnen gar nichts, wir – wir, die Österreicher – müssen ihnen helfen.

Kollege Edler! Zwei Jahre danach können wir feststellen, daß wir, die Österreicher, die Regierungsparteien, sage ich einmal, nicht viel geholfen haben am Arbeitsplatz und im Wohnbereich. Das heißt, wir haben versagt, und es wäre daher eigentlich höchst an der Zeit, denen, denen wir ja helfen wollten, aber nicht konnten, tatsächlich das Recht zu geben, das sie in die Lage versetzt, für sich selbst zu sorgen, für ihre Probleme am Arbeitsplatz und im Wohnbereich selbst ihre Stimme zu erheben. Das ist ja einmal die wichtigste Vorraussetzung dafür, daß man für die eigenen Probleme tätig werden kann: daß man eine Stimme hat, daß man gehört werden kann.

Und dann gab es noch ein Argument, das da gelautet hat: Wegen des Befreiungsscheines geht es nicht, da sind große Gefahren damit verbunden. – Es wurde dies auch von der FPÖ gesagt, die interessanterweise nicht grundsätzlich gesagt hat, sie sei gegen das passive Wahlrecht – zumindestens war das aus den Debattenbeiträgen, die ich studiert habe, nicht erkennbar –, sondern die gesagt hat: Wenn wir das den Ausländern genehmigen würden, dann könnten über den Umweg Arbeiterkammermandat Tausende Ausländer über ihre fünfjährige Tätigkeit in den Kammern und über die vierjährige Tätigkeit im Betriebsrat sozusagen das Ausländerbeschäftigungsgesetz zum Kippen bringen. Dann hätten sie ja aufgrund der Beschäftigungsbewilligung nur für zwei Jahre ein Anrecht, hierzubleiben, und dann würden Zehntausende, Hundertausende Ausländer auf ihren Mandaten hocken und wären nicht mehr aus dem Land zu bringen. (Abg. Meisinger: Das ist aber eine leichte Übertreibung!) – Eine leichte Übertreibung, zugegeben, Kollege Meisinger, aber in diese Richtung ist argumentiert worden. Du selbst warst es ja auch, der dieses Argument verwendet hat.

Meine Damen und Herren! Um zurückzukommen auf diese Debatte im Jahr 1994: Natürlich habe ich mir einige Zuspitzungen in der Argumentation erlaubt, aber man kann aus der zeitlichen Distanz von 1994 auf 1996 erkennen, daß eigentlich substantiell – und das mache ich Ihnen schon zum Vorwurf, meine Damen und Herren – keine Einwendungen vorhanden waren. Substantiell haben Sie nichts zu sagen gehabt, warum Sie dagegen sind, außer Vorwände.


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Vorwände, die den Befreiungsschein betroffen haben, Vorwände wie: Die Ausländer streiten zuviel, die können das sowieso nicht richtig machen!, und was da noch alles gesagt wurde.

Meine Damen und Herren! Diese Debatte im Rückblick betrachtet – und ich glaube, wenn man noch weiter in die Annalen zurückgehen würde, würde man ähnliche Debatten wiederfinden – macht deutlich, wie man argumentiert, wenn es darum geht, den Ausländern Rechte zu geben, wenn es darum geht, soziale Rechte in Europa zu verwirklichen.

Meine Damen und Herren! Gestern haben wir eine wunderbare Debatte gehabt, und wir alle waren einer Meinung, es gehe darum, soziale Rechte in Europa zu verwirklichen, eine Sozialcharta zu verwirklichen. Ich möchte Sie schon darauf aufmerksam machen, daß das, was Sie hier den Ausländern heute noch immer vorenthalten, in der Sozialcharta des Europarates enthalten ist, in der Sozialcharta der Europäischen Union gewährleistet ist, in den ILO-Verträgen gewährleistet ist und natürlich auch im EU-Vertrag von uns verlangt wird. Nur Österreich kann – als einziges europäisches Land! – hergehen und trotz ratifizierter Verträge, trotz unterschriebener Verträge – wie dem EU-Vertrag – sagen: Das interessiert uns eigentlich nicht, wir haben ja gute Gründe, warum wir trotzdem dagegen sind. – Und das nicht nur Jahre, nachdem diese Verträge ratifiziert worden sind, sondern Jahrzehnte, nachdem sie ratifiziert worden sind.

Ich möchte Sie daran erinnern, daß das ILO-Übereinkommen Nr. 87, das die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes garantiert, in den fünfziger Jahren von diesem Parlament beschlossen wurde. Damals hat natürlich noch niemand daran gedacht, daß das passive Wahlrecht irgendein Problem werden könnte, weil es ja damals keine Gastarbeiter in diesem Sinne gegeben hat. Damals hat man diese Frage für nicht relevant erachtet bei der Prüfung, bei der Ratifizierung. Aber heute, meine Damen und Herren, müßte man – würde Österreich in die Lage versetzt, jetzt noch einmal dieses ILO-Übereinkommen aus 1947 ratifizieren zu müssen – zu dem Ergebnis kommen: Wir können es nicht ratifizieren, weil wir innerstaatlichen Anpassungsbedarf haben.

Das muß man sich einmal vorstellen! Wir haben einen Vertrag, einen gültigen Vertrag aus 1947, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt von 1950, und eigentlich ist die Vertragsgrundlage nach wie vor, 45 Jahre danach, von Österreich noch immer nicht erfüllt! Ich halte das eigentlich für unanständig, wie Österreich mit seinen Verträgen umgeht.

Es gibt aber nicht nur diesen ILO-Vertrag. Es gibt auch noch andere Verträge: Ich erinnere nur an einen Vertrag, den wir im Vorjahr – oder vor eineinhalb Jahren – beschlossen haben, an den Beitrittsvertrag zur EU. Auch der würde von uns verlangen, daß wir zumindest den türkischen Staatsangehörigen, die in unserem Land tätig sind – zumindest ihnen, weil wir ja auch das entsprechende Assoziationsabkommen mit der Türkei geschlossen haben –, das passive Wahlrecht garantieren, genauso garantieren, wie wir es allen EU-Bürgern und EWR-Bürgern in diesem Land garantieren müßten.

Bei den EU-Bürgern und EWR-Bürgern – ich erinnere an die Debatte von 1994 – hat es damals im Parlament geheißen: Das stimmt schon, wir sind ja ohnehin dafür, und natürlich ist ihnen auch das passive Wahlrecht garantiert. Wir schreiben es nicht extra ins Gesetz hinein, aber selbstverständlich gilt es. Wir wollen nur – wie es im Volksmund heißt – keine schlafenden Hunde aufwecken. Wenn wir das ins Gesetz hineinnehmen würden, wenn wir da eine Gesetzesänderung machen würden, dann könnte ja irgend jemand daherkommen und das für andere auch noch fordern. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Das ist unseriös! Es ist unseriös, wie sich Österreich und Sie als Regierungsparteien um die Behandlung, um die Erfüllung von internationalen Verträgen, um die Erfüllung des EU-Vertrages in dieser Frage, um die Erfüllung des Assoziationsabkommens mit der Türkei herumdrücken.

Es ist nicht viel mehr dazu zu sagen. Es ist ein Menschenrecht, das Sie diesen Menschen, die hier in diesem Land arbeiten, vorenthalten. Es gibt keinen Grund hierfür. Es werden keine Hoheitsrechte Österreichs dadurch verletzt, daß wir ihnen das passive Wahlrecht für die Arbeiterkammerwahl und für die Betriebsratswahl zugestehen. Es sind keine Hoheitsrechte dadurch


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betroffen. Es gibt keinen Grund, ihnen dieses Wahlrecht vorzuenthalten, außer die Angst, daß Sie in einer öffentlichen Debatte dafür geprügelt werden, genauso wie Sie diese Angst bei der Notstandshilfe und bei der Familienbeihilfe für ausländische Staatsangehörige gehabt haben.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen, genauso wie Österreich bei der Notstandshilfe vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wurde, wird diese Verurteilung bei der Familienbeihilfe kommen. Und ich hoffe, sie wird sehr bald auch kommen für dieses skandalöse Verhalten Österreichs beim Vorenthalten der Menschenrechte hinsichtlich des passiven Wahlrechtes für Betriebsrats- und Arbeiterkammerwahlen.

Ich hoffe, daß diese Verurteilung kommt, aber noch mehr hoffe ich, daß es doch gelingt, in diesen nächsten Monaten eine seriöse Debatte darüber zu führen, daß dieses Wahlrecht nicht länger vorenthalten werden darf. (Beifall bei den Grünen.)

19.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.03

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Im Antrag der Grünen heißt es, ausländische Arbeitskräfte haben in Österreich und in anderen mitteleuropäischen Staaten seit etwa Mitte der sechziger Jahre mit ihrer Arbeitsleistung entscheidend zum Wirtschaftswunder und zur Sicherung des Wohlstandes beigetragen.

Ich kann nur sagen, um die Grundeinstellung zu skizzieren, daß ich diese Ansicht durchaus teile (Abg. Edler: Was sagst du jetzt? – Abg. Öllinger: Abstimmen!) und daß es daher wichtig ist, daß ausländische Arbeitskräfte in den Genuß des gesamten Arbeitsrechtes und in den Genuß der gesamten Kollektivverträge in Österreich kommen.

Die Anwendung der Kollektivverträge und des Arbeitsrechtes ist natürlich nicht nur für die ausländischen Arbeitskräfte wichtig, sondern selbstverständlich auch für die österreichischen, weil mit aller Kraft verhindert werden muß, daß auch die österreichischen Arbeitnehmer in ihren Lohnvorstellungen und in dem, was sie an Arbeitsbedingungen zu akzeptieren bereit sind, unterboten und unterlaufen werden. Dazu gehört aber auch, daß der Zugang ausländischer Arbeitskräfte zum österreichischen Arbeitsmarkt beschränkt und reglementiert ist, insbesondere in Zeiten, in denen die Arbeitsmarktsituation schlechter ist.

Noch einmal: Es muß mit aller Kraft verhindert werden, daß es Dumping gibt, und zwar sowohl beim Lohn und Gehalt, aber auch bei dem, was man an Arbeitsbedingungen zu akzeptieren bereit ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ausländische Arbeitskräfte sind Mitglieder der AK, sind aktiv wahlberechtigt. Sie haben auch bei der Mitgliederbefragung mitgetan, und sie haben sich, wie wir aus Umfragen wissen, wie die österreichischen Arbeitnehmer auch in sehr, sehr hohem Umfang für die Existenz der Arbeiterkammer und für die gesetzliche Mitgliedschaft bei der Arbeiterkammer ausgesprochen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was am wichtigsten ist, ist völlig außer Streit gestellt, nämlich daß das gesamte Dienstleistungsangebot der Arbeiterkammer natürlich auch den ausländischen Arbeitskräften ohne irgendeine Einschränkung zur Verfügung steht. Allein in Niederösterreich zum Beispiel sind das 120 000 Beratungen pro Jahr, 15 000 Interventionen bei Arbeitgebern oder bei Lieferanten im Konsumentenschutzbereich und 7 000 Vertretungen vor Gericht.

Ausländische Arbeitnehmer machen von dem einen wichtigen Sektor des Dienstleistungsangebotes der Arbeiterkammer, nämlich von dem Sektor des Arbeitsrechtsschutzes, ganz besonders überproportional Gebrauch, weil sie natürlich überproportional häufig in Betrieben arbeiten, in denen es arbeitsrechtliche Probleme gibt, wo Entlassungen ohne Grund an der Tagesordnung


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sind, Überstunden nicht ausbezahlt werden et cetera et cetera. Der Arbeitsrechtsbereich ist also einer, der von den ausländischen Arbeitnehmern sogar etwas überproportional in Anspruch genommen wird.

Das ist die wichtigste Leistung und auch das wichtigste Faktum, was das Verhältnis Arbeiterkammer und ausländische Arbeitskräfte betrifft, denn man ist ja letzten Endes nicht Mitglied bei der Arbeiterkammer, um zu wählen oder gewählt zu werden, sondern um Leistungen zu bekommen, und da sind die Arbeitnehmer in keiner Weise diskriminiert oder ausgeschlossen, wenn sie nicht österreichische Staatsbürger sind.

Sie haben also das gesamte Dienstleistungsangebot für sich. Sie haben auch das aktive Wahlrecht, und das passive Wahlrecht wäre natürlich ein logischer nächster Schritt in dieser Entwicklung. Sie wissen genau, Herr Abgeordneter, daß es in der Wiener Arbeiterkammer aufgrund einer Petition einen Antrag gegeben hat, der dort mit Mehrheit beschlossen worden ist, in dem eben dieses passive Wahlrecht auch für ausländische Arbeitnehmer verlangt wird. Allerdings – das muß ich auch dazusagen – ist dieser Meinungsbildungsprozeß, der in Wien gelaufen ist, in den anderen Arbeiterkammern entweder noch gar nicht begonnen worden oder in manchen anderen Arbeiterkammern (Abg. Öllinger: Da sind Sie schlecht informiert!) – na sicher (Abg. Öllinger: In Oberösterreich!) – auch so beendet worden, daß die sich gegen das passive Wahlrecht von Arbeitnehmern ausgesprochen haben (Abg. Öllinger: Das stimmt!) , und es gibt einige Gründe dafür, die man hier aufzählen kann.

Erstens – das sei nur am Rande vermerkt –: Es gibt natürlich jetzt schon wahlwerbende Gruppen, in denen Leute kandidieren, die früher ausländische Beschäftigte waren, die mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt haben und die sich speziell um die Fragen ausländischer Arbeitnehmer annehmen; zum Beispiel in Niederösterreich die Gruppe "Demokratie für alle", die auch ein Mandat in der Niederösterreichischen Arbeiterkammer innehat.

Zweitens: Es gibt im Arbeiterkammergesetz das Institut der Fachausschüsse. Es können Fachausschüsse für einzelne Berufsprobleme gebildet werden, und es gibt zum Beispiel in Niederösterreich – ich glaube, auch in anderen Arbeiterkammern – einen Fachausschuß für die Probleme der ausländischen Arbeitnehmer. In diesen Fachausschuß können auch Mitglieder nominiert werden, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht haben. Auch das ist zunächst ein wichtiger Zwischenschritt und ein wichtiges Institut.

Es ist von einzelnen Arbeiterkammern, soweit ich weiß, auch die Sorge geäußert worden, daß wahlwerbende Gruppen sich möglicherweise dann nur nach Nationen und Nationalitäten orientieren könnten (Abg. Öllinger: Was ist bei den Österreichern?) und daß dann innerhalb der Gruppe der ausländischen Arbeitnehmer nicht die Probleme des österreichischen Arbeitsmarktes im Vordergrund stehen, sondern irgendwelche anderen nationalistischen Probleme, und ich glaube nicht, daß es zum Beispiel gut wäre, eine Plattform dafür zu bieten, daß es etwa eine serbische, eine kroatische und eine moslemische wahlwerbende Gruppe bei einzelnen Arbeiterkammern gäbe.

Ich sage das auch deswegen, weil das gar nicht so von der Hand zu weisen ist, denn wir kennen diese Probleme aus einigen Vereinen, die Ausländerberatung betrieben haben. In Niederösterreich zum Beispiel ist das ganz evident und klar geworden. Wir haben in Österreich von den insgesamt 270 000 ausländischen Beschäftigten immerhin 160 000, die aus Ex-Jugoslawien kommen.

Wenn es einmal ein passives Wahlrecht für ausländische Arbeitnehmer geben sollte, ist vor allem auch die Frage zu stellen, wie lange jemand in Österreich beschäftigt werden muß, um dieses passive Wahlrecht zu erhalten. In Ihrem Antrag sind zwei Jahre angeführt, also der Zeitraum, in dem man noch Anspruch auf die Arbeitserlaubnis hat. Es wäre auch möglich, diesen Zeitraum mit fünf Jahren, also mit dem Erhalt des Befreiungsscheines, zu limitieren. Es gibt schon das bedeutende Argument, daß sich der ausländische Arbeitnehmer nach zwei Jahren natürlich in einer besonderen, über das normale Ausmaß hinausgehenden Abhängigkeit vom


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Arbeitnehmer befindet, die sich dann mit dem Befreiungsschein wieder normalisiert, sodaß schon zu diskutieren ist, welcher Zeitraum dann gewählt werden soll.

Ich glaube, daß das im zuständigen Ausschuß wirklich eingehend diskutiert werden sollte. Es gibt noch genug Zeit dazu. Die nächste Arbeiterkammerwahl ist im Jahre 1999, und – es ist mir ein Anliegen, das auch hinzuzufügen – es wird von den Arbeiterkammern eine Reihe von anderen Wünschen geben, die insbesondere das Wahlrecht und die Wahl zur Arbeiterkammer betreffen, weil es ganz einfach völlig klar ist, daß die jetzige Wahlordnung der Arbeiterkammern an den Bedürfnissen der Beschäftigten tatsächlich vorbeigeht, und zwar deswegen, weil sie mit der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr mitkommt.

Wir haben zum Beispiel bei der letzten Arbeiterkammerwahl die Notwendigkeit durch das Gesetz gehabt, Personen einzusprengeln, und zwar dort, wo der Arbeitsplatz liegt, also am Arbeitsort, und wir haben festgestellt, daß es zwischen Stichtag und Wahltag allein in Niederösterreich fast 60 000 Personen gegeben hat, die den Arbeitsort oder den Arbeitgeber gewechselt haben. Wir brauchen also unbedingt ein Wahlrecht, das genügend flexibel ist und das die Möglichkeit bietet, der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt entsprechend gerecht zu werden.

In den Arbeiterkammern wird an einem diesbezüglichen Vorschlag gearbeitet, und ich halte es für zielführend, daß die gesamte Änderung zum Wahlrecht in einem diskutiert wird, also die Frage des passiven Wahlrechtes für Ausländer, aber auch die Frage allfälliger anderer Punkte im Arbeiterkammergesetz, soweit das Wahlrecht davon betroffen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Wahlrecht ist auch der letzte große Meilenstein in der Reform der Arbeiterkammer. Die Reform der Arbeiterkammer hat im eigentlichen Betrieb stattgefunden. Die Arbeiterkammern sind modernisiert, neu strukturiert, sie funktionieren und werden, wie die Mitgliederbefragung zeigt, auch in einem sehr, sehr hohen Maß akzeptiert. Ein letzter Meilenstein ist notwendig. Er betrifft das Wahlrecht, und man sollte alle offenen Punkte in diesem Wahlrecht dann auf einmal diskutieren. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

19.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Sie haben das Wort.

19.13

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zwei Wochen gab es in unserem Bundesland, in Vorarlberg, ein interkulturelles Fest. Es sind dort nebeneinander Türken, Slowenen, Kroaten, Serben, Trentiner, Südtiroler, Vertreter der österreichischen Bundesländer aufgetreten und haben sich vorgestellt mit ihren Besonderheiten im kulturellem Bereich, aber auch im wirtschaftlichen Bereich. Man hat gespürt, hier ist ein Zusammensein gegeben, und ich begrüße es, daß man auf jede Art und Weise versucht, die Zusammengehörigkeit im Betrieb, in den Interessenvertretungen zu fördern und auch darzustellen.

Dazu ist aber nicht das passive Wahlrecht entscheidend, sondern dazu ist entscheidend, daß man die entsprechenden Instrumente ausbaut. Ich denke hier vor allem an die Gastarbeiterreferate der Arbeiterkammern, ich denke daran, daß in den Landesregierungen besondere Referate für Ausländer eingerichtet werden, in denen man in Wohnbauförderungsfragen, in Fragen der Arbeit helfend mitwirkt.

Ich bin der Meinung, daß es sehr vorteilhaft wäre, wenn alle Betriebe, die Ausländer beschäftigen, auch in ihren Betrieben entsprechende Verantwortliche hätten, die sich eben dieser speziellen Probleme der Ausländer annehmen und Lösungen anbieten. Mit dem Vorschlag, das Wahlrecht so auszuweiten, daß die Ausländer auch ein passives Wahlrecht erhalten, lösen wir aber alle diese Probleme nicht. Es ist also wieder einmal nur ein Vortäuschen von gewissen Dingen, mit denen man versucht, in der Öffentlichkeit auftreten zu können, ohne einen Lösungsansatz für die eigentlichen Probleme zu bieten, die wir zweifellos haben und um die man sich in diesen verschiedenen Interessenvertretungen, aber auch in den Gebietskörperschaften wirklich seit Jahren bemüht.


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Wir haben daher – ich sage das ganz offen – Vorbehalte. Herr Abgeordneter Öllinger hat von Streitargumenten gesprochen. Ich habe keine Streitargumente. Ich wüßte nicht, wer mehr streitet – Österreich oder Ausländer? Das kann ich nicht sagen, das weiß ich nicht. Das ist jedenfalls kein Argument, das spielt auch keine Rolle, aber einen Lösungsansatz für die Probleme, die wir zweifellos haben, gibt es nicht.

Ich denke auch daran, daß sich das Arbeitsmarktservice speziell um die Vermittlung von Arbeitsplätzen für Ausländer bemüht, daß zum Teil im Arbeitsmarktservice Personen eigens dafür herangezogen werden. Das sind die wichtigen Dinge, und das erwarten die nichtösterreichischen Staatsbürger von uns: daß wir ihre Probleme in den verschiedenen Einrichtungen lösen.

Darum bemühen wir uns. Aber eine Diskussion in diesem Bereich halten wir nicht für zielführend, weil sie keinen Lösungsansatz bietet. Ich habe noch nie gehört, daß ein Ausländer, der Betriebsrat ist, die Probleme besser löst als ein Österreicher. (Abg. Öllinger: Es gibt ja keine!) Ich habe noch nie gehört, daß ein Kammerrat, der Österreicher ist, die Probleme schlechter löst als ein Kammerrat, der Ausländer wäre. Ich habe das noch nie gehört. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Was sie brauchen, ist die Vertretung ihrer Interessen, und das geschieht durch die verschiedenen Institutionen und Einrichtungen, die wir haben, und ich möchte Sie bitten, das zu bedenken.

An das Arbeiterkammerwahlrecht haben wir allerdings andere Wünsche – das wissen Sie, Frau Präsidentin (Abg. Hostasch: Wir auch!) –, und diese Wünsche werden wir bei passender Gelegenheit auch hier im Hohen Hause diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

19.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Abgeordneten Dolinschek. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.17

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Begründung der beiden Anträge von Kollegen Öllinger ist schon zitiert worden. Ich kann dazu nur eines sagen: Kollege Öllinger, es ist mir schon klar, daß die ausländischen Arbeitnehmer seinerzeit von den österreichischen Unternehmungen praktisch mit Anwerbungskampagnen geködert worden sind. Wir haben diese ausländischen Arbeitnehmer Mitte der sechziger Jahre auch gebraucht. Sie haben sicherlich mit dazu beigetragen, Österreich aufzubauen – keine Frage –, aber sie haben auch den Genuß gehabt, die österreichischen Löhne zu kassieren, das angesparte Geld entweder in ihrer Heimat zu verwenden und ihre Existenz aufzubauen, oder sie sind österreichische Staatsbürger geworden, leben heute als österreichische Staatsbürger bei uns und haben als österreichische Staatsbürger heute auch die Möglichkeit, als ehemalige ausländische Arbeitnehmer selbstverständlich auch das passive Wahlrecht bei Betriebsratswahlen, das passive Wahlrecht bei Arbeiterkammerwahlen auszuüben. Keine Frage!

Ich verwahre mich aber dagegen, dieses passive Wahlrecht jetzt im allgemeinen auf die Arbeiterkammerwahlen und auf die Betriebsratswahlen in Österreich überhaupt auszudehnen, denn man sollte doch berücksichtigen, daß die Beschäftigungsbewilligung für zwei Jahre erteilt wird und eben nach zwei Jahren ausläuft, die Legislaturperiode eines Betriebsrates dauert aber vier Jahre, die Legislaturperiode für die Arbeiterkammerwahl dauert fünf Jahre. Das wäre ein Umgehen dieses Gesetzes. (Abg. Öllinger: Wie viele betrifft das?)

Mit den übrigen Argumenten, die jetzt gerade Kollege Feurstein und Kollege Kaufmann vorgebracht haben, gehe ich eigentlich komplett konform. Einem österreichischen Betriebsrat, einem verantwortungsvollen Betriebsrat, dem muß es vollkommen egal sein, welcher nationaler Zugehörigkeit, welcher Parteizugehörigkeit jemand ist. Er muß für seine Klientel dasein und diese vertreten. (Abg. Öllinger: Ach, die Partei spielt keine Rolle?!) Ich mache das so als Betriebsrat, Kollege Öllinger. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich habe noch nie gefragt, bist du ein Grüner, bist du ein Slowene, denn ich komme aus dem zweisprachigen Gebiet in Kärnten. Das ist auch nicht ganz so einfach. Wir haben viele Grenzgänger, und ich habe auch mit vielen Kollegen aus dem benachbarten Slowenien zusammengearbeitet und habe nie Probleme gehabt.


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(Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das sagen alle so!) Ja, das ist Tatsache, Herr Kollege Öllinger. Ich spreche aus Erfahrung in diesem Fall. Wenn du mit ausländischen Kollegen sprichst, erkennst du, da ist überhaupt niemand neugierig auf eine extra Vertretung, überhaupt nicht, die haben eher Angst, daß es zu einer stärkeren Zuwanderung kommt und sie als nächstes gekündigt werden. Das ist die Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: So ist es! – Abg. Öllinger: Warum applaudiert dann der Meisinger, wenn er eh vom Koppler vertreten wird?)

Öllinger, es ist doch ganz klar, was die grüne Fraktion hier im Schilde führt. Sie plakatiert, sie ist nicht für alle da. Aber sie ist für die Ausländer da. Sie will das passive Wahlrecht bei Betriebsratswahlen und bei Arbeiterkammerwahlen. Das ist aber nur der Anfang, denn in Zukunft fordert man das natürlich auch bei Kommunalwahlen, bei Landtagswahlen und bei Nationalratswahlen, damit man eine größere Klientel hat, damit zu diesen 6, 7 oder 8 Prozent noch ein, zwei dazukommen. Das ist der ganze Hintergedanke dabei. Aber Gott sei Dank ist auch die Einsicht der SPÖ und der ÖVP so weit gediehen, daß man Ihnen hier nicht auf den Leim geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Kier. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Ihre Redezeit beträgt noch 6 Minuten.

19.22

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kürze der Redezeit zwingt zur Verkürzung der Darstellung.

Das, was interessant ist an den beiden Anträgen, die heute der ersten Lesung zugeführt werden, ist, daß in puncto Demokratie ein Fortschritt erzielt werden soll. Und wenn die KollegInnen, die hier hohe Skepsis bis aggressive Ablehnung zu dem Gedanken vorgebracht haben, nicht bemerken, daß es sich bei der Arbeiterkammer im speziellen um eine Form der Selbstorganisation und der Autonomie handelt und daß dort daher Bedenken – welcher Art auch immer – gegen das passive Wahlrecht von nichtösterreichischen Staatsbürgern nicht legitim sind, es sei denn, man verbindet die Staatsbürgerschaft mit der Zutrittsschranke zur Selbstorganisation in bestimmten Einheiten, dann kann ich das nicht nachvollziehen.

Das heißt nicht, daß diese Anträge jetzt auf Punkt und Beistrich zustimmungsfähig sein werden – sie werden im Ausschuß noch zu beraten sein –, aber ihre Philosophie ist geprägt davon, daß dort, wo gleiche Merkmale vorherrschen, nämlich die Zugehörigkeitsmerkmale zum Beispiel zur Arbeiterkammer oder eben die Zugehörigkeitsmerkmale zum Betrieb – die im übrigen offenbar auf der Ebene des aktiven Wahlrechtes keine Probleme machen –, auch das passive Wahlrecht ermöglicht werden soll.

Es ist ja doch vielleicht bemerkenswert, daß bereits die Vollversammlung der Wiener Arbeiterkammer im November 1995 sich ganz eindeutig hierzu geäußert hat, nämlich positiv. Also offenbar gibt es eine Teilorganisation in diesem Bereich, die kein Problem hat, die Demokratie zu öffnen, und wir sind der Meinung, wenn man sich nicht dem Verdacht aussetzen will, daß man andere Gründe hat – nämlich die, die Kollege Dolinschek vorgebracht hat –, dann muß man das so sehen, denn es geht hier um Demokratie und Wählbarkeit und nicht um Bevormundung und Gnadenerweis. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.24

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte.

19.24

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich nicht zum vorliegenden Antrag Arbeiterkammergesetz äußern, da gibt es wahrscheinlich Berufenere dazu, ich sage aber gleich auch, es würde mich gar nicht stören, wenn Persönlichkeiten aus der Arbeiterkammer sich nicht zum Wirtschaftskammergesetz äußern würden.


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Wenn ich zur Arbeiterkammer etwas sagen will, dann nur – weil die Frau Präsidentin hier ist –, daß ich nach wie vor wirklich beeindruckt bin, wie souverän die Arbeiterkammer die Mitgliederumfrage bewältigt hat. Nochmals auch von dieser Stelle aus große Anerkennung, große Wertschätzung. Es war, glaube ich, ein großartiger Erfolg (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) , der zeigt, daß die Sozialpartnerschaft und die Pflichtmitgliedschaft, bitte, wirklich von weitesten Kreisen der Mitglieder getragen werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich habe mich aber, meine Damen und Herren, zum Antrag Arbeitsverfassungsgesetz gemeldet, weil das ja die Basis der betrieblichen Partnerschaft, die Basis der Zusammenarbeit im Betrieb ist. Ich kann mich noch gut daran erinnern, ich war selber vor jetzt bereits 22 Jahren dabei, als wir 1974 dieses Arbeitsverfassungsgesetz sieben Monate lang verhandelt haben, das eine sehr tragfähige Basis für die betriebliche Zusammenarbeit darstellt.

Meine Damen und Herren! Ich habe mich bei einer Reihe von Betrieben – und ich komme sehr viel in Betriebe – erkundigt, wie das mit den ausländischen Arbeitskräften und ihrer Vertretung ausschaut. Aufgrund meiner Praxiserfahrung, aus Gesprächen mit Dutzenden Betrieben muß ich feststellen, daß hier offensichtlich kein Handlungsbedarf gegeben ist. Ich habe durchgehend Informationen erhalten und erhalte sie praktisch ständig, daß die österreichischen Betriebsräte genauso auch die Anliegen ihrer ausländischen Kollegen vertreten und daß überhaupt keine Notwendigkeit gegeben ist, das Gesetz in Richtung passives Wahlrecht zu ändern. Die Ausländer haben seit vielen Jahren das aktive Wahlrecht, aber ich glaube, wir können hier zu Recht sagen, daß unsere gewählten Betriebsräte durchaus in der Lage sind, sowohl die Interessen der Inländer als auch die der Ausländer zu vertreten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte eines auch sehr deutlich sagen: Wir haben heute in manchen Regionen unseres Landes eine Zusammenballung von Ausländern, sodaß in diesen Regionen, in diesen Bezirksteilen an sich eine Stimmung entsteht, die man mit Ausländerfeindlichkeit umschreiben könnte. Ich glaube, wenn wir diese Stimmung nicht eskalieren lassen wollen, sondern wenn wir eher versuchen wollen, dieser Stimmung entgegenzuwirken, dann täten wir nichts Gutes, wenn wir jetzt sagen: Und außerdem sollen die Ausländer noch das passive Wahlrecht bekommen.

Ich bitte, diesen Aspekt schon zu berücksichtigen, meine Damen und Herren. Ich glaube, es wäre klimatisch der falsche Weg. Daher ist meine Position ziemlich klar ein Nein zum passiven Wahlrecht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Das ist ja furchtbar! So eine Argumentation ist ja furchtbar!)

19.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Blünegger. – Bitte, Sie haben das Wort.

19.27

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Geschätzter Herr Präsident! Kollege Öllinger, ich muß mich eigentlich beherrschen (Abg. Öllinger: Ich bitte darum!) , um Ihnen nicht die Stimmung der Arbeitnehmer, der Arbeitslosen, der Arbeitssuchenden und der Gewerbetreibenden zu sagen, die an der Basis sind. Die haben sicher kein Verständnis für die jetzige Situation, in der wir uns eigentlich mit anderen Problemen beschäftigen müssen. (Abg. Öllinger: Ah, das war es also!) Das ist es nämlich: Die Arbeitslosigkeit bekämpfen, den Wirtschaftsstandort Österreich absichern, das sind Aufgaben, die wir jetzt in Angriff nehmen müssen. Daher will ich dir nicht unbedingt die Stimmung zur Kenntnis bringen, die es draußen an der Basis gibt.

Wir Freiheitlichen, Kollege Öllinger, haben gestern drei Anträgen von euch die Zustimmung gegeben, weil es sinnvolle Anträge waren. Die waren ja wirklich einwandfrei. Da können wir sagen, da wird für Österreich etwas getan, wenn das verwirklicht wird. Und genauso sollte es sein.


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Aber für diese beiden Anträge jetzt, mit denen das Arbeitsverfassungsgesetz und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden sollen, können wir uns sicher nicht hergeben in der jetzigen Zeit.

Werte Damen und Herren! Sie selber wissen es ja, im August waren 189 900 Arbeitnehmer ohne Jobs. Das sind Probleme, die wir zu bewältigen haben. Und im Winter droht uns eine Arbeitslosigkeit von zirka 300 000 Menschen. Das sind Aufgaben, die wir bewältigen müssen. Und diese Statistik, meine sehr geschätzten Damen und Herren, wird noch in der Art weitergehen. So schaut es aus!

Kollege Öllinger hat das ja gestern in der Aktuellen Stunde auch wunderbar gesagt und hat aufgezeigt, welche Probleme Ausländer in dem Fall in einem Land haben. Er hat in der Aktuellen Stunde sogar ein Beispiel über die Berufsausbildung in Amerika gebracht und hat gesagt, daß diese Menschen nicht einmal Englisch können. Und was haben wir in Österreich? In welcher Situation sind wir? – Mandatare in der Arbeiterkammer von seiten der Grünen können nicht einmal Deutsch. Und wenn sie Deutsch sprechen, dann müssen sie praktisch einen Übersetzer haben.

Wir in der Tiroler Arbeiterkammer haben einen Ausländerbeirat, mit dem wir genau die Problematik der Ausländer, also in dem Fall der Gastarbeiter, voll im Griff haben, und wir wissen, warum es diesen Ausländerbeirat gibt. Wir beschäftigen uns mit diesen Problemen, und da gibt es keine Diskriminierung, aber eines ist auch klar: Nur für Subventionen oder um ihre Klubs zu finanzieren, dafür sind wir eigentlich an und für sich auch nicht da. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte jetzt eine Presseaussendung vorlesen, die der Landeshauptmann von Tirol, Herr Wendelin Weingartner, gestern in der APA veröffentlicht hat: "Der Tiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner hat sich am Donnerstag besorgt über die Einbürgerungspraxis in Tirol gezeigt. Vor der Verleihung der Staatsbürgerschaften soll es in Zukunft Intensivdeutschkurse für Einwanderungswillige geben." – Ich glaube, meine sehr geschätzten Damen und Herren, damit sollten wir uns auch beschäftigen. (Abg. Öllinger: Manche Österreicher bräuchten auch einen!) Wir sollten für Ausländer und auch für unsere Gastarbeiter Deutschkurse durchführen.

Werte Damen und Herren der Koalition! Auch im Bundeskongreß des ÖGB wurde im Herbst vergangenen Jahres ein Antrag eingebracht, daß dort das passive Wahlrecht ermöglicht werden soll. Dieser Antrag ist bei der Abstimmung mehrheitlich angenommen worden. Tatsache ist aber – das möchte ich der Sozialdemokratischen Partei sagen –, daß Sie Ihre eigenen Betriebsräte und Personalvertreter fragen sollten, ob sie damit einverstanden sind. Die werden Ihnen wahrscheinlich etwas anderes sagen.

Meine Frage ist: Wo bleibt der Grundsatz der Gleichzeitigkeit? In keinem anderen Land haben wir Österreicher auf dieser Basis das Wahlrecht. (Abg. Öllinger: Selbstverständlich!) Wir sagen: Nein, wir wollen nicht, daß Österreich zu einer multikulturellen Gesellschaft wird. (Abg. Öllinger: In allen europäischen Ländern!) Wir sagen nein, weil wir nicht wollen, daß wir eines Tages von Ausländern regiert werden. Und wir sagen nein, weil wir die Interessen der Österreicher vertreten!

Für Ihren Antrag finden Sie in der österreichischen Bevölkerung sicher keine Mehrheit. Aber seien Sie ehrlich, meine sehr geschätzten Damen und Herren von den Grünen: Sie wollen das passive Wahlrecht nur deshalb einführen, weil Sie sich davon neue Wählerschichten erwarten. (Abg. Öllinger: Wählen dürfen sie uns eh jetzt schon! Blünegger, du verstehst das Wahlrecht nicht! Wählen dürfen sie uns jetzt schon!) Aber jeder, der in Österreich lebt, hat die Möglichkeit, auch die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Dann ist auch er passiv wahlberechtigt. – Bei den Österreichern haben Sie Ihr Potential in der linken Gesellschaft wahrscheinlich schon ausgeschöpft.

Wir sagen nein, denn wir wollen keine Diktatur Ihrer Auffassung, und daher werden wir diesem Antrag im Ausschuß sicher nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.32


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Letzter Redner, der bis jetzt zu diesem Tagesordnungspunkt gemeldet ist, ist Herr Abgeordneter Meisinger. – Herr Abgeordneter, auch Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.

19.33

Abgeordneter Josef Meisinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir führen heute die erste Lesung des passiven Wahlrechtes für Ausländer zur Arbeiterkammerwahl und zu den Betriebsratswahlen durch. Im Antrag 216/A ist unter anderem angeführt: Die Aufnahme von Ausländern "in das gesellschaftliche Leben Österreichs widerspricht häufig elementaren Grundsätzen der Menschenwürde. Unverständlich ist vor allem auch die Ungleichbehandlung durch die österreichische Rechtsordnung." Dem kann ich wirklich nicht folgen.

Weiter heißt es: "Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger ausländischer Herkunft und Staatsangehörigkeit unterliegen selbstverständlich österreichischen Gesetzen." – No na! Wie soll es anders sein? Sie sind ja Gäste in Österreich und haben sich auch unseren Gesetzen unterzuordnen.

Weiter steht darin: "Eine volle Beteiligung an der Vertretung ihrer Interessen wird ihnen jedoch immer noch verwährt." – Da finden wir nicht nur einen gewaltigen Rechtschreibfehler, denn "verwehrt" schreibt man mit "e", sondern da beginnt auch die Begründung unwahr und eher skurril zu werden, denn eines muß uns schon klar sein: Ausländer sind eben Gäste bei uns und sollten unsere Lebensart annehmen (Abg. Öllinger: Wie lange ist man Gast?), und es sollte nicht umgekehrt sein.

Die ständigen Aufrufe von linken Kreisen, die Gleichberechtigung aller Herkunftskulturen mit unserer Kultur ... (Abg. Dr. Kier: Das hat mit der Kultur nichts zu tun, sondern mit der Mitgliedschaft in der AK!) Sie beeinflussen die Ausländer, beherrschen so die Materie und verunsichern. (Zwischenrufe bei den Grünen. – Ruf: Das ist ein Wahnsinn!) Das ist kein Wahnsinn! (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.) Sie sind jene Gruppe, die die Ausländer zur Nichtintegrierung aufruft. Dem setzt die FPÖ die Forderung entgegen, daß sich Zuwanderer nach und nach an unsere Kultur und Lebensart gewöhnen und sich eingliedern sollen. Daher soll es auch keine vorzeitige Einbürgerung geben.

In Wien wurde bei der Einbürgerung mit lockerer Hand vorgegangen. Sie wissen, daß die Wartezeit auf vier Jahre gekürzt wurde. Von 1990 bis 1995 sind beinahe 50 000 Ausländer eingebürgert worden, davon 40 Prozent vorzeitig. Das kommt einem Ausverkauf der österreichischen Staatsbürgerschaft gleich. Es erhofft sich die SPÖ oder Teile der SPÖ, aber natürlich das linke (Ruf bei den Grünen: Spektrum!) Segment in Österreich neue Gruppen für Mehrheiten. (Abg. Dr. Nowotny: Deutsche Sprache!)

Wir Freiheitliche fordern die Beibehaltung der Wartefrist von zehn Jahren; diese soll die Voraussetzung für die Einbürgerung sein, um dann eben auch das passive Wahlrecht zu erhalten. (Abg. Öllinger: Thema verfehlt!) Für die Vergabe der Staatsbürgerschaft muß auch der Nachweis einer ordentlichen Lebensführung erbracht werden. Es sollten diese Personen – beispielsweise in Amerika und in anderen Ländern wird dies auch gefordert – auch der Deutschkenntnisse mächtig sein und einigermaßen Grundkenntnisse hinsichtlich der österreichischen Bundesverfassung und der österreichischen Geschichte haben. Es wäre auch zu prüfen, ob sich die Staatsbürgerschaftswerber in die österreichischen Verhältnisse eingliedern wollen.

Es soll kein passives Ausländerwahlrecht bei den allgemeinen Wahlen, aber auch nicht bei Arbeiterkammer- und Betriebsratswahlen geben. In einer demokratischen Gesellschaft soll das Wahlrecht eines der wichtigsten Bürgerrechte sein und daher nur von jenen ausgeübt werden, die sich mit dieser Gesellschaft und mit diesem Staat voll identifizieren (Abg. Mag. Kammerlander: Das wird gefährlich!) und die Wahlentscheidung auf Dauer tragen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es liegt aber auch an den gewählten Betriebs- und Arbeiterkammerräten, langjährige ausländische Mitarbeiter so zu vertreten, als wären es österreichische Arbeitnehmer. – Das ist heute


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schon mehrfach gesagt worden. Es darf keine Aufsplitterung in verschiedene Gruppen geben, wie dies derzeit ist, nämlich in Arbeiter, Angestellte und Bedienstete der Verkehrsbetriebe sowie in Gruppen von Inländern und Ausländern, Behinderte und Nichtbehinderte.

Die Integration von Menschen, die schon viele Jahre in Österreich leben, muß unser Ziel sein. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Ein paar Worte noch.

Geschätzte Damen und Herren! Auch die Doppelzüngigkeit der sozialistischen Arbeitnehmervertreter ist ein Verhängnis. Auf der einen Seite ist die windige Propaganda für die "Aktion Fairneß" des ÖGB, in der die einheitliche Behandlung der Arbeitnehmer vorgegaukelt wird, auf der anderen Seite haben wir das Post-Betriebsverfassungsgesetz oder das ÖGB-Betriebsverfassungsgesetz, das jetzt in Ausarbeitung ist, die Zeichen dafür sind, daß die Gleichbehandlung aller unselbständig Erwerbstätigen nicht gegeben ist und daß auch nicht der Wille dazu besteht, in Zukunft diese Gleichbehandlung einzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor, die Debatte ist daher geschlossen.

Ich weise die Anträge 216/A und 217/A dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zu .

7. Punkt

Erste Lesung des Antrages 215/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Einspeisungsgesetz 1996

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 7. Punkt der Tagesordnung: Erste Lesung des Antrages 215/A der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend Einspeisungsgesetz 1996.

Wir gehen in die Debatte ein.

Die Antragstellerin erhält zunächst das Wort, nämlich Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte.

19.40

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Sozialpolitik zur Umweltpolitik, obwohl ich zu den letzten Wortmeldungen noch gerne ein paar Anmerkungen machen möchte. (Abg. Scheibner: Das gehört jetzt nicht mehr dazu!)

Es war wirklich eine beschämende Debatte, und es ist vor allem bedauerlich, daß Sie – das gilt insbesondere für die ÖVP – nur jene Bereiche der Europäischen Union übernehmen wollen, die Ihnen unmittelbar wirtschaftliche Vorteile bringen. Aber jene Punkte, die im Bereich der Menschenrechte oder der Mitsprache bessere Bedingungen vorsehen, interessieren Sie offensichtlich nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Aber auch im Bereich der Energiepolitik, den wir hier diskutieren wollen, gibt es in einigen europäischen Ländern tatsächlich weit fortschrittlichere Regelungen als bei uns in Österreich. Auch diesbezüglich orientiert man sich in Österreich nicht an jenen Modellen, die es dort schon gibt und die zum Teil sehr erfolgreich praktiziert werden, sondern auch in der Energiepolitik versucht man, Machtpositionen zu sichern, den Einfluß der Politik abzusichern, einem wirklich absurden Föderalismus zu huldigen und eine Politik aufrechtzuerhalten, die ökologisch keinen Sinn macht, aber auch ökonomisch völliger Blödsinn ist.

Wir haben eingebracht und wollen heute hier debattieren ein Bundeseinspeisungsgesetz für Elektrizität, aus erneuerbaren Energieträgern produziert. Österreich hat sich ja schon vor vielen Jahren verpflichtet, das Toronto-Ziel zu erreichen, die CO2-Emissionen zu vermindern, und ursprünglich ein ambitioniertes Ziel formuliert: minus 20 Prozent CO2 bis zum Jahr 2005. – Wir sind noch weit davon entfernt, dies zu erreichen.


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Aufgrund der EU-Mitgliedschaft – das macht ja jetzt die Debatte spannend, sowohl was diesen Gesetzesantrag als auch die Energiepolitik insgesamt betrifft – muß es eine Umstrukturierung in der E-Wirtschaft geben. Wir haben ab 1998 eine harte Konkurrenz, wenn der erste Schritt der Liberalisierung eintritt. Daher muß es insgesamt zu neuen Modellen kommen.

Wir schlagen vor, daß man schon jetzt die Neustrukturierung in der Energiewirtschaft berücksichtigt und gleichzeitig einen Pfeiler, der Österreich aufgrund der geologischen und hydrogeologischen Bedingungen zugute gekommen ist, nämlich den Bereich der erneuerbaren Energieträger, ausbaut und fördert.

Es war ein Antrag der Grünen vor vier Jahren, der dazu geführt hat, daß es im Konsens einen Fünfparteienentschließungsantrag gab, laut dem jener Strom, der aus erneuerbaren Energieträgern produziert und dann ins öffentliche Netz eingespeist wird, begünstigt ist. Mit dem Entschließungsantrag, der damals verabschiedet wurde, wurde der Wirtschaftsminister aufgefordert, mit den Landesgesellschaften einen guten Tarif zu verhandeln, um die Erzeuger von Elektrizität aus Windkraft, Solaranlagen, Biomasse, aber auch kleinen Wasserkraftwerken entsprechend zu begünstigen. Wir wissen, daß diese Technologien noch nicht marktfähig sind, daß sie Förderungen bedürfen, und gute Einspeiseregelungen sind eines der wichtigsten Instrumentarien dafür.

Wir haben damals schon bei der Beschlußfassung dieses Entschließungsantrages sehr kritisiert, daß diese Regelung unserer Auffassung nach nur ein Hilfswerkzeug ist. Wir meinten schon damals, daß ein umfassendes Gesetz notwendig wäre, wie es in Deutschland schon seit 1990 besteht.

Der Wirtschaftsminister hat den Entschließungsantrag immer nur unzureichend umgesetzt. Er hat nämlich mehrere Schranken eingebaut.

Erster Punkt: Er hat ihn befristet, und die Frist läuft mit Ende dieses Jahres aus. Das bedeutet: Der Grund dafür, warum wir unseren Antrag gerade jetzt stellen, ihn jetzt diskutieren wollen und warum dieses Problem besonders schnell gelöst werden muß, ist, daß mit Ende des Jahres 1996 sämtliche begünstigten Einspeisetarife für Strom aus erneuerbaren Energieträgern auslaufen. Ab diesem Zeitpunkt wird es einfach keine Förderungen mehr geben, und es stehen dann tatsächlich ganz konkrete Projekte, aber auch schon finalisierte Anlagen vor dem Ruin: die Windkraftanlage in Michelbach und viele andere. Es gibt derzeit in Österreich über hundert Projekte, die vor der Realisierung stehen und seit Monaten darauf warten, was diesbezüglich vom Hohen Haus beschlossen wird.

Zweiter Punkt: Es gab auch eine Leistungsbegrenzung, die wir hier im Hohen Haus ursprünglich nicht im Entschließungsantrag hatten. Aufgrund dieser Regelungen kam es schon in den letzten Jahren zu keiner optimalen Umsetzung und zu keiner guten Förderung dieser alternativen Anlagen.

Im Zusammenhang mit dem Wort "alternativ" glauben leider nach wie vor viele, daß diese Technologien einfach noch das Hobby von einigen Ökoromantikern und noch nichts Reales sind. Tatsache ist, daß sich in den letzten vier, fünf Jahren in diesem Bereich unglaublich viel getan hat, besonders bei der Windkraft, die uns ein spezielles Anliegen ist. Österreich wäre geradezu prädestiniert, diese Form zu nützen, denn gerade im Winter, in dem wir nach wie vor Bedarf an ausländischer Elektrizität haben und es zeitweise zu Stromimporten kommt, setzen wir enorm viele fossile Energieträger ein – Öl, Gas –, und in dieser Zeit bräuchten wir Substitutionsmöglichkeiten, denn da hilft die Wasserkraft nicht weiter. Deshalb wäre ja beispielsweise auch ein Kraftwerk wie Lambach dafür überhaupt keine Lösung.

Eine Lösung und eine echte Alternative wäre die Errichtung von Windkraftanlagen. Es gibt seriöse Untersuchungen und Studien, die besagen, daß man bis zu 30 Prozent des österreichischen Strombedarfes mit Strom aus Windkraftanlagen abdecken kann. Es ist das eine sehr optimistische Zahl, aber selbst dann, wenn man nur die Hälfte annimmt, 15 Prozent, wäre es noch immer ein riesiges Potential. Das zeigt, wieviel in diesem Bereich tatsächlich möglich wäre.


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Was bewirken ordnungspolitische Rahmenbedingungen in diesem Bereich? – In Deutschland hat sich die Windkraftlobby vor einigen Jahren durchgesetzt. In Deutschland gibt es ein Bundeseinspeisegesetz, das einerseits besonders gute Tarife für Strom aus erneuerbaren Energien bereitstellt und andererseits zusätzliche gezielte Förderprogramme integriert hat.

In Deutschland ist es dazu gekommen, daß sich seit Inkrafttreten dieses Einspeisegesetzes im Jahr 1991 die Zahl der Windkraftanlagen von ursprünglich 500 auf mittlerweile 3 675 Anlagen erhöht hat. Innerhalb von vier Jahren ist es also in Deutschland zu einer Versiebenfachung gekommen. Immerhin decken diese Anlagen mittlerweile – auch wenn es wenig klingt, aber doch – 0,4 Prozent des dortigen Strombedarfs. Nur eine Vergleichszahl: In Österreich sind es 0,0068 Prozent, also eine wirklich vernachlässigbare Größe, eine Zahl, die einfach beschämend ist, verglichen mit dem, was man in Österreich machen könnte.

Diese Woche haben die drei Umwelt- und Energiesprecher der Oppositionsparteien mit dem Präsidenten von Eurosolar eine Pressekonferenz zu diesem Thema abgehalten. Eurosolar hat ausgerechnet und auch für Österreich festgestellt, daß gerade dieser Bereich auch arbeitsplatzpolitisch interessant ist, daß man nicht nur den ökologischen Vorteil durch den Ausstieg aus fossilen Energieträgern hat, sondern auch ein wichtiges Arbeitsplatzargument hätte.

Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, wie notwendig es prinzipiell ist, aus fossilen Energieträgern auszusteigen, sich ein bißchen von der Abhängigkeit von Gas- und Ölimporten zu entkoppeln, wie wichtig es wäre, heimische Ressourcen in diesem Bereich zu nutzen.

Das, was ich gerade jetzt hinsichtlich der Windkraft ausgeführt habe, gilt selbstverständlich auch für die Biomasse. Gerade für den Bereich der Landwirtschaft gäbe es da Möglichkeiten, unmittelbar einzusteigen und zum wichtigen Anbieter von Strom zu werden.

Wir haben uns – ich hoffe, wir werden das in den Verhandlungen im Ausschuß genau zeigen können – ein sehr umfassendes Konzept überlegt, das eben hineingreift in den Bereich einer Neuorganisation der Elektrizitätswirtschaft, verbunden mit einer Entflechtung der derzeit vertikal strukturierten E-Wirtschaft. Es geht dabei darum, dezentrale kleine Versorger zu ermöglichen und zu fördern. Wir glauben, daß unser Bundeseinspeisungsgesetz, so wie wir es ausgearbeitet haben, ein sehr wichtiges Instrument wäre, um unmittelbare Förderungen bereitzustellen.

Ganz kurz: Wie sieht unser Gesetz im Detail aus? – Wir schlagen vor, daß die Elektrizitätsversorgungsunternehmen jene elektrische Energie, die aus Wind und Sonne produziert wird, mit 90 Prozent, jene, die aus Biomasse, Klär- und Deponiegas sowie aus Kleinkraft-Wärme-Kopplungsanlagen und Wasserkraftanlagen entsteht, mit 80 Prozent des jeweiligen Haushaltstarifs vergüten. In absoluten Zahlen hieße das, daß es einen Zuschlag von zirka 50 Groschen pro Kilowattstunde zu den bisher üblichen Einspeisetarifen geben würde.

Ich sage gleich dazu: Das ist weniger als der Tarif und das Förderprogramm, das es in Deutschland gibt. Wir haben versucht, hier einen sehr realistischen Vorschlag zu machen, einen, der den Elektrizitätsunternehmen ohne weiteres zumutbar ist.

Die Kostenbelastung klingt im ersten Moment vielleicht für viele zu hoch, wenn man sich aber anschaut, wie hoch die Einsparungsmöglichkeiten aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen und Maßnahmen hinsichtlich der Struktur innerhalb der E-Wirtschaft sind, stellt man fest, daß sie vernachlässigbar ist. Ich stelle Ihnen die beiden Zahlen gegenüber: Unser Vorschlag würde zusätzliche Belastungen für alle neun Landes-EVUs im Ausmaß von 125 Millionen Schilling bedeuten oder – umgelegt auf die Kosten des Strompreises – rund 0,25 Groschen pro Kilowattstunde; ein Betrag, der zweifellos akzeptabel ist.

Zur anderen Zahl: Es gibt von mehreren Ökonomen – einen möchte ich nennen: Professor Schleicher; er hat das vor kurzem auf einem Symposion angemerkt – Zahlen, was die Rationalisierung innerhalb der E-Wirtschaft betrifft, die unglaublich sind. Da sprechen wir nicht von Millionenbeträgen, sondern von Milliardenbeträgen. Der geringste Betrag, der von allen Ökonomen gesagt wird, ist, daß es ein Einsparungspotential von 20 Milliarden Schilling gibt – das muß man sich einmal vorstellen –, der höchste lag bei 40 Milliarden Schilling.


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Das sind die Größenordnungen, auf die man achten sollte, wenn man über unseren Vorschlag spricht. Die aus diesem Vorschlag resultierende Summe ist von den Landeselektrizitätsversorgungsunternehmen locker zu verkraften, vor allem dann, wenn parallel dazu die so dringend notwendigen Struktur- und Effizienzmaßnahmen gesetzt werden. Und diese müssen, meine Herrschaften, auf jeden Fall kommen, denn wenn es auf europäischer Ebene zur Liberalisierung kommt, dann müssen wir einfach runter mit den Preisen, weil die Konkurrenz sehr groß ist.

Wenn Sie meinen, daß es ein Widerspruch wäre, wenn ich einerseits meine, daß man mit den Preisen runter muß, und andererseits, daß man Förderzuschläge geben muß, dann sage ich Ihnen: Es ist das kein Widerspruch, sondern ein logischer Bestandteil, wenn wir über neue Energieorganisation reden. Wir stellen uns einen österreichischen Energieverbund vor, der nicht so wie bisher in neun föderalen Strukturen bestehen bleibt. Man muß aber, bevor man einen Eigentümerwechsel durchführt, die Struktur wirklich konkret überlegen und neu organisieren. Ich würde sehr davor warnen, daß es jetzt aufgrund ökonomischen Drucks einzelner Landesgesellschaften, allen voran der EVN in Niederösterreich, überhastet zu Veränderungen in bezug auf die Eigentümer und zu Verflechtungen kommt, die eine wirklich vernünftige österreichische Lösung unmöglich machen.

Normal sind es immer die Freiheitlichen, die sehr für österreichische und nationale Lösungen sind. Im Bereich der Energiepolitik macht eine zuerst österreichische Lösung aufgrund von vielen Argumenten tatsächlich Sinn. Ich glaube, daß wir auf diesem Gebiet mit europäischen Partnern zusammenarbeiten müssen und sollen, aber wenn wir erneuerbare Energieträger nutzen wollen, wenn wir verhindern wollen, daß Atomstrom in Europa in Zukunft das Angebot dominiert, dann brauchen wir zuerst eine österreichische Lösung, eine vernünftige Struktur, bevor wir über Eigentümerstrukturen reden können, die auch ausländische Beteiligung zulassen.

Ich möchte wirklich davor warnen, hier überhastet vorzugehen, und vorschlagen, mit uns zusammenzuarbeiten, weil ich glaube, daß es bei den Oppositionsparteien insgesamt – ich nehme für uns in Anspruch: bei uns im besonderen – ein hohes Know-how und viele Papiere dazu gibt.

Abschließend: Was wir uns von den Regierungsparteien wünschen – wir wissen, dies ist die erste Lesung; es kann heute noch nichts entschieden werden, sondern es findet nur ein erster Meinungsaustausch statt –, ist, daß dieser unser Vorschlag in einem Unterausschuß seriös diskutiert wird, gemeinsam mit einem Energieorganisationsgesetz. Das Problem, das ich dabei sehe, ist, daß ein Energieorganisationsgesetz viel länger dauert und nicht am 1. Jänner 1997 in Kraft treten wird, aber genau am 1. Jänner 1997 läuft die alte Regelung aus, und wir brauchen neue Regulative für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern. Deshalb unser Vorschlag und unser Kompromiß auch in diesem Bereich – ich würde gerade die Abgeordneten Oberhaidinger und Kopf bitten, auf das einzugehen –: Wenn es nicht dazu kommt, ein vernünftiges Bundeseinspeisungsgesetz bis 1. Jänner 1997 hier in diesem Haus zu verabschieden, muß es möglich sein, die derzeit geltende Regelung zu verlängern, und zwar mindestens so lange, bis ein einheitliches Bundeseinspeisungsgesetz für Strom aus erneuerbaren Energieträgern hier beschlossen wurde.

Ich hoffe auf eine sachliche und vernünftige Diskussion und vor allem darauf, daß man sich die Vorschläge der Oppositionsparteien in diesem Bereich tatsächlich genau anschaut. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.

19.55

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Kollegin Langthaler, mit Ihrem grundsätzlichen Anliegen beziehungsweise mit der Intention Ihres Gesetzesantrages rennen Sie bei uns sicher nicht gegen verschlossene Türen. Sie haben völlig recht: Das Toronto-Ziel mit seinen Reduktionszielen, die wir uns ja selbst im Bereich von CO2-Ausstoß gesetzt haben – wir bekennen uns dazu –, zwingt uns, Maßnahmen in den verschiedensten Bereichen zu setzen. Ein Bereich, der uns in letzter Zeit wieder Sorge gemacht hat, als von 1994


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auf 1995 die CO2-Emissionen angestiegen sind, war eben der Bereich der Stromerzeugung, aus dem ein Teil dieser Steigerungen leider resultierte.

Unser erster Ansatz aber muß es sein, die Effizienz des Energieeinsatzes zu steigern. Es ist zumindest unser Ziel, daß wir da weitere Verbesserungen erzielen. Darin liegen sehr viele Möglichkeiten, auch beschäftigungspolitischer Art – das wissen Sie so gut wie ich. Es gibt im Bereich des Einsatzes erneuerbarer Energieträger auch bei der Stromerzeugung, aber nicht nur, eine wesentliche Substitutionsmöglichkeit gerade, wie Sie es richtig erwähnt haben, in den Wintermonaten, in denen wir jetzt mit der Wasserkraft sicher unsere Probleme haben, also sozusagen einen azyklischen Einsatz erreichen, den wir eben mit einem weiteren Ausbau zum Beispiel im Bereich der Wasserkraft in diesen Monaten nicht erreichen können, wenngleich sie natürlich, unbestritten, ihre Vorteile hat.

Den Status quo haben Sie auch schon erwähnt: Das Generalübereinkommen läuft ab. Wir kommen allerdings mit diesem Ablauf des Generalübereinkommens in eine Phase – auch das haben Sie erwähnt –, in der eine Neuordnung der E-Wirtschaft ansteht, aufgrund der EU-Richtlinie, aufgrund der Binnenmarktrichtlinie, die uns als Gesetzgeber eine neue Herausforderung bereitet, aber auch die Lösung der Frage des Einsatzes erneuerbarer Energieträger nicht erleichtert, da die verschärfte Wettbewerbssituation, die auf die energieerzeugenden Unternehmen zukommt, nicht leicht sein wird. Und das fällt jetzt eben zusammen mit dem legitimen Wunsch – aus umweltpolitischen Gründen – und der Notwendigkeit des Einsatzes anderer Energieträger.

Wir sind der Meinung, daß wir diese Frage gemeinsam mit dem Energieorganisationsgesetz lösen müssen – das haben Sie auch schon erwähnt.

Nur ganz kurz, aber doch zu den Eckpunkten Ihres Gesetzesantrages: Ich stelle mir den Inhalt etwas anders vor als die Lösung, die Sie jetzt vorschlagen. Ich meine, daß wir die direkten Unterstützungszahlungen durch die EVUs durch einen zwischengeschalteten Fonds abfangen müssen, weil es sonst zu regionalen Verzerrungen im Wettbewerb kommt, da die erneuerbaren Energieträger in der regionalen Streuung unterschiedlich eingesetzt werden würden und es dadurch Benachteiligungen und Bevorzugungen verschiedener Gesellschaften geben könnte.

Ich stelle mir auch vor, daß wir im Stile des englischen Modells hergehen und einen Ausschreibungsmodus einsetzen, um sicherzustellen, daß wir höchstmögliche Effizienz beim Mitteleinsatz erreichen können und ein paar andere Dinge mehr. Es wird der Kombination ... (Abg. Wabl: Für welchen Einspeisetarif sind Sie ungefähr?) Herr Kollege! Wollen wir das jetzt schon auf Groschen festlegen? (Abg. Wabl: Ungefähr!) Ich habe keine Freude an Ungefähr-Diskussionen. Es ist noch ein weiter Weg bis dorthin.

Wichtig ist, daß über diesen Mechanismus eine höchstmögliche Förderungseffizienz erreicht werden kann und daß die Technologieentwicklung unterstützt wird. Ich glaube, das sind die wichtigen Eckpunkte dabei. Das wird in einer vernünftigen Kombination von Investitionsförderung und Einspeisetarifunterstützung erfolgen müssen. Aber das gemeinsame Ziel ist – und da bin ich für eine sehr offene Diskussion auch bei uns im Ausschuß – klar dem Toronto-Ziel untergeordnet. Wir müssen diesen erneuerbaren Energien durch eine vernünftige Regelung bei der Einspeisung zum Durchbruch verhelfen, weil das dazu beiträgt, das Toronto-Ziel zu erreichen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte, Sie haben das Wort.

20.01

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Langthaler hat zu Recht die geänderte Ausgangslage, die durch die EU-Binnenmarktrichtlinie geschaffen wurde, angesprochen. Ich möchte in aller Kürze einige Eckpunkte daraus anläßlich dieser ersten Lesung ansprechen.


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Es ist für uns klar, daß sich die Möglichkeit, die für Großabnehmer geschaffen wurde, Strom beim Lieferanten ihrer Wahl zu beziehen, stark auf die Strompreisgestaltung auswirken wird. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Netz- und Erzeugungskosten in Zukunft nach dem Prinzip des teilweisen Unbundling getrennt zu berechnen und auch auszuweisen sein werden. Es werden in Zukunft außerdem keine wettbewerbsverzerrenden Quersubventionen einzelner Anbieter und Abnehmergruppen mehr zugelassen werden.

Kunden, meine Damen und Herren, die zum Elektrizitätsbinnenmarkt zugelassen sind, können mit Sicherheit in Zukunft nicht mehr verhalten werden, überhöhte Einspeisungstarife zu stützen. Damit werden wir uns auseinandersetzen müssen. Die Last müßte also von den Kleinabnehmern getragen werden, die etwa 50 Prozent des Stroms beziehen. Wir alle wissen, daß Strom aus erneuerbaren Energieträgern nicht immer zu wettbewerbsfähigen Preisen erzeugt werden kann. Es gibt dafür eine Reihe von Ursachen, auf die ich jetzt bei dieser ersten Lesung aus Zeitgründen nicht näher eingehen möchte.

Meine Damen und Herren! Tatsache ist, daß sich die politische Diskussion zurzeit auf die zu niedrigen Einspeisungstarife konzentriert. Kollege Wabl, du hast das gerade jetzt mehrmals angesprochen. Je nach politischem Druck wird derzeit unterschiedlich hoch und auch ziemlich ungezielt gefördert. Wir arbeiten gegenwärtig an einer Fondslösung, und wir gehen ziemlich d’accord mit Ihren Vorstellungen, Frau Kollegin Langthaler, daß wir alle EVUs in diese Fondslösung miteinbeziehen sollten. Wir haben zurzeit einen Umsatzerlös von etwa 55 Milliarden Schilling in der E-Wirtschaft. Wenn jedes EVU – Hausnummer – etwa 0,2 Prozent in diesen Fonds einzahlt, so würde das in etwa 110 Millionen Schilling ergeben. Und wenn wir auch die Energiesteuer einmal zweckmäßig und zweckentsprechend einsetzen, dann könnte die Bundesregierung aus der Energiesteuer diesen Betrag verdoppeln, sodaß wir rund 210 bis 220 Millionen Schilling zur Verfügung hätten. – Das ist nur ganz kurz eine Überlegung zur Mittelaufbringung.

Für Gespräche, wie die Mittel dann verwendet und vergeben werden sollten, werden wir, glaube ich, sicherlich genügend Gelegenheit in einem Unterausschuß oder im Ausschuß haben.

Ich halte es für zweckmäßig, die neue Einspeisungsregelung beim Energieorganisationsgesetz mitzuverhandeln und in dieses miteinzubinden. Ich kann versprechen, daß ich Sie und alle Betreiber im Bestreben unterstützen werde, daß die Bundeseinspeisungsverordnung nicht mit 31. 12. ausläuft, sondern so lange weitergeführt wird, bis wir eine akzeptable Lösung im Rahmen des Energieorganisationsgesetzes gefunden haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Wortmeldung kommt vom Abgeordneten Mag. Schweitzer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. Ist das richtig? – Gut.

20.05

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Oberhaidinger! Es war interessant, Sie sagen zu hören, daß Sie irgendwann einmal die Energiesteuer zweckmäßig einsetzen werden. – Das bedeutet für mich, daß dies im Moment nicht der Fall ist. Umso wichtiger ist es daher, daß wir uns relativ rasch auf das einigen, wofür ohnehin bereits viel Konsens besteht. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. )

Es gibt zwei sehr triftige Gründe für die Erlassung dieses Einspeisungsgesetzes.

Das Auslaufen des Generalübereinkommens zur Gewährung des Förderzuschlages ist mehrfach angesprochen worden. Kollege Kopf hat mir im Rahmen mehrerer Gespräche gesagt, daß er beim zuständigen Minister vorstellig werden wird, sodaß eine Verlängerung dieses Generalübereinkommens sozusagen bereits sichergestellt ist und keine Gefahr besteht, daß es betreffend die Biomasse in Hinkunft wieder Probleme geben könnte. Dieses Generalüberein


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kommen wird also verlängert. Das habe ich deinen Aussagen entnommen. Du wirst dafür sorgen, daß es verlängert wird. (Abg. Kopf: Hast du mir zugehört?)

Ich habe mit dir Gespräche geführt, in denen du mir das bestätigt hast. Um gleich auch auf diese Frage einzugehen: Du hast gesagt, daß kein Umweltausschuß notwendig ist. Ich habe mich sehr bemüht, einen Ausschuß schon für die nächste Zeit zustande zu bringen, man hat mir jedoch seitens der ÖVP zu verstehen gegeben, daß das überhaupt nicht notwendig ist. Das Generalübereinkommen werde ohnehin verlängert, und irgendwann werden wir dann in Ruhe über eine völlige Neuordnung reden können. Aber diese Verlängerung sei auf alle Fälle sichergestellt. Ist das richtig? (Abg. Kopf: Das stimmt nicht ganz, aber ungefähr!)

Es gibt noch einen zweiten Grund für die Notwendigkeit dieses Einspeisungsgesetzes: die Liberalisierung des europäischen Marktes für elektrische Energie. – Ich glaube, die beiden genannten Gründe stellen im Moment eine große Gefahr für die Entwicklung der Nutzung erneuerbarer Energieträger dar, und deshalb ist eine nationale Regelung tatsächlich die Überlebensgarantie für die Energieerzeugung aus Photovoltaik, durch Nutzung der Biomasse oder der Windkraft. Deshalb müssen das Recht auf Einspeisung und das Recht auf Marktzugang endgültig festgeschrieben werden. Die bisherigen Bemühungen sollten also verstärkt werden.

Wir stellen uns vor, daß Stromimporteure in Hinkunft verpflichtet werden sollen, einen Teil aus erneuerbaren Bereichen zu produzieren oder zuzukaufen, und zwar in steigendem Maße. Beginnend mit 1997 sollten es zumindest einmal 3 Prozent sein, und alle zwei Jahre sollten weitere 2 Prozent dazukommen, sodaß der Stromanteil, der aus erneuerbarer Energie produziert wird, tatsächlich größer wird.

Der Grundpreis sollte durchaus im Bereich des derzeitigen Einspeisungstarifs liegen. Zusätzlich sollte aber eine Prämie aus einem zu schaffenden Fonds kommen – wie von Kollegen Oberhaidinger bereits angekündigt –, was wir sehr begrüßen würden. Dieser Fonds sollte aus einer Primärenergiesteuer dotiert werden. Das ist eine Vorstellung, mit der wir uns durchaus anfreunden können. Dies würde sicherlich zu einem raschen Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energie führen und somit die Abhängigkeit Österreichs von Energieimporten entsprechend verringern.

Bis heute habe ich aber das Gefühl, daß in den Koalitionsparteien nicht alle den politischen Willen haben, die erneuerbare Energie markt- und konkurrenzfähig zu machen, aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen. Damit könnten wir die dezentrale Anbieterstruktur entsprechend fördern, unter Umständen 30 000 bis 40 000 neue Arbeitsplätze schaffen. So kommt es zu einer vermehrten Wertschöpfung in Österreich, was immer wieder der Wunsch aller ist.

Zudem erinnere ich an das Jahr 1994: Damals wurde auch von Österreich ein Rahmenübereinkommen zum Thema Klimaveränderung unterzeichnet, in dem wir uns verpflichtet haben, entsprechende Maßnahmen zu beschließen, daß die CO2-Ausstöße reduziert werden. Wenn Österreich als verläßlicher Partner gelten will, dann müßte die Stromerzeugung neue Wege gehen, wie es schon von allen Parteien beschrieben wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Redezeit von exakt 4 Minuten.

20.10

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Ich möchte in aller Kürze die Positionierung des Liberalen Forums zum Antrag von Kollegin Langthaler und Fraktion beschreiben: Wir halten ihn deswegen für wertvoll und wichtig, weil er sicher eine hervorragende Diskussionsgrundlage ist, und zwar für ein Problem, das jedenfalls vorfristig gelöst werden muß. Denn meine Sorge ist, daß, wenn – wie wir hoffen – doch bald einmal die Diskussion betreffend das neue Organisationsstatut der österreichischen Elektrizitätswirtschaft in Gang kommt, sich die Aufmerksamkeit voll auf dieses sicherlich in seiner Mächtigkeit bedeutendere Thema konzentrieren wird, und dann besteht die Gefahr, daß die derzeitigen institutionellen EVUs diesen negativen


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Windschatteneffekt benützen könnten, um die ungeliebten Einspeiser zumindest wieder einmal für einige Monate oder vielleicht sogar Jahre an die Wand zu drücken.

Daher ist es auf jeden Fall notwendig, zu einer politischen Lösung zu kommen, möglicherweise auf der Grundlage dieser Gesetzesvorlage, jedenfalls aber spätestens zwischenfristig zum 1. Jänner 1997, denn die Diskussion des von seinem Umfang und auch von seinen strukturellen Schwierigkeiten her mächtigeren Themas, nämlich Findung einer neuen Organisationsform für die österreichische Elektrizitätswirtschaft, müssen wir sehr konsequent führen.

Dabei gibt es tatsächlich einige wesentliche Gesichtspunkte, wie zum Beispiel den Umstand, auf den Kollegin Langthaler hingewiesen hat, daß es nämlich tatsächlich den positiven EU-Effekt gibt: Dadurch, daß es zu Marktöffnungen kommt, ist jetzt auf einmal ein komparativer Reformdruck entstanden. Tatsächlich waren Ineffizienzen im österreichischen elektrizitätswirtschaftlichen System bereits die letzten 20 Jahre hindurch vorhanden. Das Hauptproblem im Hinblick auf deren Beseitigung war jedoch die Unwilligkeit der betroffenen Unternehmen, die nicht erkennen konnten, warum es für sie vernünftig sein soll, sich aus bestimmten Gewohnheiten zu lösen, weil sie ihre Preise ohnedies unterbringen konnten. Ich habe noch Diskussionen auch mit Betriebsräten im Verbundkonzern im Hinterkopf, in denen mir durchaus vernünftige Leute erklärten: Wie sollen wir unserer Belegschaft plausibel machen, daß wir hier oder dort jetzt straffer führen müssen, wenn wir den Preis auch bei nicht straffer Führung auf jeden Fall bekommen, weil wir in einem geschützten Versorgungsgebiet leben?

Das heißt, dieser doppelten Herausforderung ist zu begegnen, und ich meine, daß es auf jeden Fall nützlich sein wird, hier in Ruhe und mit parlamentarischer Sorgfalt vorzugehen. Daher richte ich auch den Appell an die beiden Kollegen aus den Regierungsfraktionen, an Herrn Kollegen Oberhaidinger und Herrn Kollegen Kopf, einen besonderen Ausschuß einzurichten. Denn ich meine, daß es sinnvoll ist, diese Thematik aus der Tagesarbeit des Wirtschaftsausschusses etwas herauszulösen. Wir werden vielleicht auch Expertenhearings brauchen, und wir werden vor allem Experten dazu einladen müssen, die nicht ausschließlich aus der österreichischen Elektrizitätswirtschaft kommen, denn sonst beraten uns Leute, deren eigenes Feld wir reformieren müssen, und das ist zu allen Zeiten sehr riskant. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

20.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Freund. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

20.15

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Förderung und die Produktion erneuerbarer Energie aus Biomasse und Wasserkraft waren schon immer ein zentrales Anliegen der Österreichischen Volkspartei. (Abg. Wabl: Ja, genau!) Diese Politik, die von der gesamten Bundesregierung getragen wird, hat insbesondere unter Wirtschaftsminister Dr. Schüssel wesentliche Impulse in Richtung Alternativenergien erhalten. Das Ergebnis dieser Politik ist, daß bereits heute 15 Prozent des Energiebedarfs durch Energie aus Biomasse gedeckt werden und Österreich europaweit eine führende Position einnimmt.

Natürlich spielt auch der gute Einspeisungstarif für erneuerbare Energien eine wichtige Rolle für die Erzielung dieses Ergebnisses. Die damalige Entscheidung, eine solche Vereinbarung zu treffen, war also richtig. Viele große und auch kleinere Anlagen machen unser Land unabhängiger vom Ausland und tragen obendrein dazu bei, Arbeitsplätze für unsere Region zu schaffen.

Auch über meine Initiative wurde in Oberösterreich bereits vor Jahren ein Förderpool für Alternativenergien geschaffen, der von der OKA, der Erdgasgesellschaft, der Linzer ESG und dem Land Oberösterreich gespeist wird. Meine Vorredner haben davon gesprochen, daß man österreichweit einen solchen Pool schaffen sollte. Ich bin zuversichtlich, daß man auf diesem Gebiet zu einer entsprechenden Lösung kommt, weil wir in Oberösterreich bereits Erfahrung sammeln konnten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Aus diesem Pool, der derzeit insgesamt mit zirka 10 Millionen Schilling dotiert ist, werden Anlagen gefördert, die mit Photovoltaik, Hackschnitzeln, Biogas oder Windkraft arbeiten. Die OKA verwendet Millionenbeträge, um die Verwirklichung dieser Anlagen umzusetzen, und sie leistet wirklich die beste Unterstützung. Natürlich danke ich besonders jenen Betreibern solcher Anlagen, die wirklich Risikobereitschaft, Engagement und Investitionsfreudigkeit an den Tag gelegt haben. Sie schaffen Arbeitsplätze, und die Wertschöpfung bleibt im eigenen Land. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Einspeisungsregelung hat sich für viele Anlagenbetreiber bestens bewährt. Deshalb trete ich dafür ein, daß diese Vereinbarung nach deren Ablauf unbedingt verlängert werden muß, bis ein neues Energieorganisationsgesetz vorhanden ist. In diesem Punkt finden wir uns, wie ich glaube, insbesondere auch mit den Grünen.

In Eberschwang in Oberösterreich und an anderen Orten Österreichs wurden Windkraftanlagen errichtet, mit denen man bereits beste Erfahrungen gemacht hat. Bauwirtschaft und Baunebengewerbe profitieren von großen und kleinen Projekten. An dieser Stelle möchte ich besonders auch die Wasserkraft erwähnen, zum Beispiel den Bau des Donaukraftwerkes Freudenau in Wien, wo zirka 900 Leute beschäftigt sind. (Abg. Wabl: Das ist falsch!) In Oberösterreich soll das Traunkraftwerk Lambach errichtet werden, das ebenfalls Hunderte Arbeitsplätze bringt und noch dazu die umweltfreundlichste Energie liefert. Warum der sozialdemokratische Landeshauptmann-Stellvertreter Hochmair, der freiheitliche Landesrat Achatz und die Grünen dagegen sind und mit allen Mitteln dagegen kämpfen, verstehen ich und mit mir auch ein Großteil der oberösterreichischen Bevölkerung nicht. (Beifall bei der ÖVP.) Wie kann ein Grüner gegen die Wasserkraft sein? Es müssen andere Motive sein, vielleicht politische, die hier den Ausschlag geben. (Abg. Wabl: Pfui!) Die Volkspartei bekennt sich zur Wasserkraft und zum Ausbau der alternativen Energieträger, weil das die Zukunft ist. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Um einen weiteren Ausbau gewährleisten zu können und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu haben, brauchen wir ein europaweites Modell der begünstigten Einspeisungstarife. Dafür müssen wir uns einsetzen. Im Süden Europas werden Sonne und Wind eine größere Rolle spielen, weil diese Länder, anders als wir, nicht über große Waldflächen verfügen. Der Energiemarkt wird sich in Zukunft dem Wettbewerb stellen müssen. Aufgabe der Politik muß es sein, dafür zu sorgen, daß die Bedingungen des Wettbewerbes fair und vertretbar bleiben. Erneuerbare Energieträger können nur dann bestehen, wenn die Förderungen entsprechend gestaltet werden und attraktive Einspeisungstarife auch künftig gewährt werden. Nachkommende Generationen und die Umwelt werden uns dankbar sein.

Die Volkspartei wird sich auf jeden Fall auch in Zukunft für erneuerbare Energieträger stark machen! (Beifall bei der ÖVP.)

20.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. Ist das richtig? – Keine? – Bitte!

20.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das freiwillige Gerneralübereinkommen läuft mit 1996 aus. Eine neue Regelung ist – und das meine nicht nur ich, sondern diese Forderung wurde, glaube ich, jetzt von allen Fraktionen laut – unabdingbar erforderlich. Es gibt unterschiedliche Ansätze dafür.

Sie, sehr geehrte Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, weisen darauf hin, daß es zu einer Verlängerung kommen wird. Aber was machen Sie dabei? – Sie bringen all jene, die in diesem Bereich Investitionen getätigt haben und die in diesem Bereich einen Beitrag dazu geleistet haben, den Anteil der erneuerbaren Energie zu erhöhen, in eine gewisse Unsicherheit. Vor allem ziehen Sie damit die Bremse für alle jene an, die bereit sind, in diesem Bereich – und dies wäre und ist sinnvoll – Investitionen zu tätigen. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. ) Sie schaffen Investitionsunsicherheit, und es stellt sich natürlich die Frage, ob es sein soll und muß, daß Sie


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jene, die Strom ressourcenschonend, umweltschonend und zukunftsorientiert erzeugen, daran hindern, Aktivitäten zu setzen.

Sie, sehr geehrte Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, haben ein Arbeitsübereinkommen getroffen. Sie beziehen sich darin auf den nationalen Umweltplan und wollen das, was dort festgeschrieben ist, verwirklicht wissen. Die Frage ist: Was setzen Sie tatsächlich um? Was bewegen und bewirken Sie? Was tun Sie für erneuerbare Energien? (Zwischenruf des Abg. Murauer. )

Kollege Freund spricht die oberösterreichische Situation an und verweist auf die Wasserkraft in Lambach. Kollegin Langthaler hat in ihrer Rede ausgeführt, daß es nicht sinnvoll ist, gerade jenen Bereich auszubauen, bei dem wir ohnedies bereits Überschuß produzieren. Es soll vielmehr auf einen azyklischen Verlauf Bedacht genommen werden. Es soll versucht werden, die kalorische Energie gerade dort zu ersetzen, wo es sinnvoll ist, nämlich dort, wo wir einkaufen, unter anderem selbstverständlich auch Atomstrom.

Was tun Sie, sehr geehrte Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, um das Toronto-Ziel tatsächlich oder wenigstens annähernd zu erreichen? (Abg. Murauer: Zum Beispiel die Wasserkraft nützen!) Ich höre zwar immer unisono von den Regierungsparteien und ihren Vertretern, genauso wie von den Oppositionsparteien, daß sie für eine Steigerung der Produktion der erneuerbaren Energien sind. So hörte und hört man es zumindest bei diversen Podiumsdiskussionen, beispielsweise auch bei der Eröffnung der Windkraftanlage in Eberschwang. Jetzt, sehr geehrte Damen und Herren, höre ich von Kollegen Kopf, zuerst gebe es einmal den Ansatz der Effizienzsteigerung. Dem, Kollege Kopf, kann ich nur beipflichten. Eine Effizienzsteigerung ist sicherlich positiv und umweltschonend. Nichtverbrauch von Energie infolge von Verbesserungen ist natürlich eine hervorragende Sache und nur zu befürworten. Aber ich möchte nicht, daß Lösungsansätze auf die lange Bank geschoben werden. Diese Tendenz, Kollege Kopf, ist jedoch deinen Worten zu entnehmen, wenn du darauf verweist, daß wir aufgrund des Zusammenfallens der Neuordnung der Stromwirtschaft mit dem zu beschließenden Energieorganisationsgesetz quasi abwarten müssen, was die bestehende Unsicherheit hinsichtlich Investitionen in diesem Bereich weiterhin aufrechterhält.

Kollege Kopf! Du hast zu Kollegen Wabl, der in einem Zwischenruf einen konkreten Vorschlag gemacht hat, gesagt: Es ist noch ein weiter Weg bis dorthin. (Zwischenruf des Abg. Kopf. ) Auf diese Art und Weise verhindert man zwar, aber im Endeffekt wird das Ziel, das ÖVP und SPÖ gemeinsam festgeschrieben haben, mit Sicherheit nicht erreichen werden.

Wir haben ein hervorragendes Potential an erneuerbarer Energie, das wir zum Einsatz bringen können. Verbunden damit ist selbstverständlich eine Reduzierung der Auslandsabhängigkeit bei unseren Importen. Eine Stärkung der heimischen Energieträger ist wichtig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Tatsächlich verhält es sich so, daß wir im Bereich der erneuerbaren Energien, von der Wasserkraft abgesehen, einen sehr, sehr geringen Anteil aufzuweisen haben, insbesondere im Bereich der Biomasseanlagen, der Windkraftanlagen und selbstverständlich auch im Bereich der Solarenergie und der Photovoltaik. Das sollte Ihnen zu denken geben. In anderen Staaten hat sich gezeigt, daß vernünftige Regelungen hinsichtlich einer Einspeisung durchaus möglich sind. Sie sollten daher die nun auf uns zukommenden Veränderungen im Bereich der Energieversorgung nicht dazu nutzen, weiterhin diese Situation, weil Sie, sehr geehrter Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, Ihre geschützten Bereiche auch weiterhin schützen wollen, in dieser Form aufrechtzuerhalten, wie Sie es offensichtlich machen. Die politische Nähe zu den Energieversorgern dürfte tatsächlich der Grund dafür sein, und deshalb kommt es zu der Aufteilung, wie sie in diesem Lande Österreich offensichtlich üblich und in diesem speziellen Fall mit Sicherheit gegeben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es nützen keine Schönwetterreden und Zusagen, wie beispielsweise die des Herrn Landeshauptmannes Stix, der an den Umweltminister schreibt und der auch im Fernsehen verspricht, daß er sich dafür einsetzen wird, daß eine Tarifregelung für die Betreiber von erneuerbaren Energieanlagen abgesichert wird. Ähnlich ist auch die Aussage


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so mancher anderer Politiker. Und Herr Umweltminister Bartenstein verkündet, daß ein Umstieg von fossiler auf erneuerbare Energie umweltpolitisch notwendig ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es hindert Sie nichts und niemand daran, bereits jetzt Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben, sondern tatsächlich eine Umsetzung erfolgt. Die Rahmenbedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energie und für deren Einspeisung, sehr geehrte Damen und Herren, haben Sie zu schaffen, und Sie sollten dabei nicht permanent auf der Bremse stehen. Sie wissen genau, daß die derzeitige Regelung 1996 ausläuft. Sie wissen aber auch, daß sinnvolle Investitionen nur dann gemacht werden können und eine Investitionssicherheit gegeben ist, wenn der Zeitraum für die Anlagenerrichtung, für die Abschreibung und für deren Nutzung entsprechend lang ist und damit Sicherheit gewährleistet wird.

Warum geschieht nichts? Es gibt einige Vorzeigeprojekte, die von Kollegen Freund bereits angeführt wurden, die es der einen oder anderen Landesgesellschaft ermöglichten, zu sagen: Wir haben in diesem Bereich selbstverständlich aktiv Beiträge geleistet, wir haben zum Beispiel eine Solaranlage auf dem Hochlecken errichtet, und wir haben eine Windkraftanlage in Eberschwang errichtet. – Das ist recht schön und gut, das sind jedoch nur Einzelmaßnahmen, die aufgrund politischer Überlegungen genehmigt werden, bei denen ein einigermaßen akzeptabler Preis für die Einspeisung zugestanden wird.

Das löst jedoch das Problem nicht, sondern es handelt sich hierbei um Feigenblattaktionen, die gestartet werden, damit man sich darauf berufen kann, daß auch in diesem Bereich besondere Maßnahmen gesetzt werden. Die Stromnetze müssen vielmehr auch Privaten zugänglich gemacht werden, die von Ihnen aufgebauten Barrieren, die diesem Zugang entgegenstehen, müssen endlich abgebaut werden, damit eben der Zugang für jedermann, der bereit ist, in diesen Bereich zu investieren, möglich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. – Herr Abgeordneter, ich lade Sie ein und erteile Ihnen das Wort. (Heiterkeit und Zwischenrufe.)

20.28

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider ist der Minister aus den Reihen der Volkspartei nicht hier, sodaß er diese sehr wichtigen Wortmeldungen des Abgeordneten Freund, des Abgeordneter Murauer und des Abgeordneten Kopf nicht mitverfolgen konnte. Die Genannten haben hier behauptet, es gäbe keinen Überschuß an Strom. Ich weiß schon, daß Sie selten fernsehen, weil das ORF-Programm im Augenblick etwas schlechter wird. (Abg. Murauer: Bleib sachlich!) Trotzdem hätten Sie sich gestern die Fernsehsendung "Schilling" anschauen sollen. Da hat der sehr verehrte Herr Minister Farnleitner ... (Abg. Schwarzenberger: Da war ja Plenarsitzung! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Ich habe es auf Video aufgezeichnet (Heiterkeit), und ich hätte Sie auch eingeladen, Herr Schwarzenberger!

Herr Kopf! Herr Freund! Liebe Genossen und Kameraden aus der ÖVP! Herr Minister Farnleitner hat jedenfalls gesagt, es gibt in Österreich Überkapazitäten, und genau das ist das Problem, warum wir in dieser Frage nicht weiterkommen.

Kollege Oberhaidinger und Kollege Kopf sind alle immer grundsätzlich dafür: Küߒ die Hand, Frau Langthaler! Selbstverständlich ist das ein hervorragender Antrag. Wir alle wollen erneuerbare Energie fördern. Selbstverständlich! Österreicher und Österreicherinnen, seid mutig, investiert in erneuerbare Energieanlagen! Der Gesetzgeber wird verläßliche Gesetzgebung machen, wird dafür sorgen, daß erneuerbare Energie gefördert wird.

Und was machen Sie, Herr Kopf, Herr Freund? – Sie machen ein Gesetz, worin eine Befristung bis zum Jahre 1996 enthalten ist und in dem Sie nur Anlagen bis zu 1,1 Megawatt fördern. Wenn jedoch jemand eine größere Anlage oder mehrere Anlagen in einem Energiepark macht, dann wird es schon nicht mehr gefördert. Was ist der Hintergrund? – Wollen Sie die alternative


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Energie? Wollen Sie erneuerbare Energie aus Wind und Sonne, oder wollen Sie es nicht, Herr Freund? Das ist das Problem.

Wenn der Bürgermeister von Zurndorf, ein wirklich gestandener Sozialdemokrat, einen Energiepark plant, durch alle Medien geistert, ihm von allen Genossen und Genossinnen heftig auf die Schulter geklopft wird und Förderungen zugesagt bekommt, warum zögert er dann noch? – Er zögert deshalb, weil er weiß, daß dieses Haus immer nur stückchenweise gesetzliche Regelungen fomuliert, die keine verläßliche Grundlage für einen seriösen Investor bieten.

Das ist das Problem, das wir hier im Hohen Haus und in Österreich haben, während in Deutschland, meine Damen und Herren, jeder Unternehmer, jeder Kraftwerkserrichter im Alternativbereich weiß, er erhält für eine Kilowattstunde einen bestimmten Betrag, und damit kann er kalkulieren. Jeder Unternehmer, jeder Financier müßte ja dumm sein, wenn er in Österreich in Alternativenergie investiert. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schreien Sie nicht so!) Schauen Sie sich die Bioanlagen in der Steiermark an! Einer nach dem anderen geht bankrott, weil Sie nicht in der Lage sind, Herr Murauer, hier ein seriöses Gesetz zu machen. – Er kann ja die Anlage ein bißchen leiser schalten, wenn es hier zu laut ist.

Herr Murauer, Sie müßten endlich einmal begreifen, daß Ihr Gebet bezüglich der Wasserkraft völlig falsch ist. (Abg. Mag. Stadler: Er heißt Freund, nicht Murauer!) Ich wünsche mir dieselbe Kalkulation für die Winterenergie und für die Biomasse wie für das Kraftwerk Freudenau, für dieses Tourismusprojekt in Wien. Da kostet nämlich eine Kilowattstunde zwischen 1,40 S und 2 S, Herr Murauer. Fragen Sie beim Verbund einmal nach! Dort hat man gesagt, es wäre besser gewesen, man hätte das Geld investiert und die EVUs – soweit dies möglich gewesen wäre – aufgekauft, damit wir hier keine Troubles haben. Bauen wir doch nicht diese Kraftwerke, die nicht mehr richtig kalkuliert sind! Diese sind während einer Zeit geplant worden, als das Monopol noch uneingeschränkt wirken konnte.

Das Problem ist: Es gibt keine Kostenwahrheit. Außerdem haben wir eine Reihe von Öfen in Österreich, meine Damen und Herren, die nicht mehr eingeschaltet werden, aber trotzdem gewartet werden müssen: Dürnrohr nicht mehr ausgelastet, Melach nicht mehr ausgelastet, Werndorf nicht mehr ausgelastet, Voitsberg nicht mehr ausgelastet.

Meine Damen und Herren! Deshalb treten die EVUs nicht dafür ein, daß alternative Energie besonders gefördert wird. Und genau das ist das Problem! Da können Sie hundertmal hier zum Rednerpult kommen, Herr Kopf, und sagen: Liebe Frau Langthaler, grundsätzlich sind wir für Ihren Antrag, aber ich will noch keine genauen Zahlen sagen, wie wir es fördern, denn das wäre unseriös. Ich war auch noch nie in Deutschland, um mir das anzuschauen, denn das wäre etwas zu weit weg von unserer Heimat. Deshalb müssen wir noch lange darüber nachdenken, ehe wir auch diese Projekte fördern können. Dann kommen Sie und Ihre Kollegen wieder mit Lambach. Wissen Sie, wieviel die Kilowattstunde in Lambach kostet? Wissen Sie das? Herr Freund! Was kostet die Kilowattstunde in Lambach? (Rufe bei der ÖVP: 82 Groschen, 70 Groschen, 80 Groschen!) Nach der Kalkulation der OKA 90 Groschen, nach seriösen Kalkulationen mehr als einen Schilling.

Das wünsche ich mir für die Winterenergie, das wünsche ich mir für jene Pioniere in Österreich, die endlich in erneuerbare Energie investieren wollen. Sie haben immer noch nicht verstanden, worin das Problem bei der Wasserkraft liegt. Es ist wunderschön, das Wasser rinnt und rinnt, nur im Winter rinnt es leider so wenig. Da hilft es nichts, wenn Ihre Tränen in Lambach vergossen werden! Das reicht nicht aus, Herr Freund! Das ist zu wenig! Es gibt trotzdem zuwenig Strom, und das wollen Sie, meine Damen und Herren, nicht einsehen.

Würden Sie nämlich wirklich für erneuerbare Energien eintreten, wovon Riegler seinerzeit geträumt hat, was Molterer bei jeder Ansprache in den Mund nimmt, was auch Farnleitner sich wünscht, dann hätten Sie schon längst ein konkretes Gesetz auf den Tisch gelegt und gesagt, mit welchem Betrag erneuerbare Energie gefördert wird, wieviel Geld dafür aufgebracht wird. Das ist nämlich eine Investition in die Zukunft.


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Herr Hofmann hat recht: Sie zögern deshalb, weil Sie in vielen Bereichen mit den EVUs verfilzt sind und dann den Leuten, den Unternehmern, den Chefs bei den EVUs an den Kopf geworfen werden wird, daß sie jahrelang eine falsche Energieprognose prophezeit und damit eine falsche Energiepolitik betrieben haben, indem sie den Österreicherinnen und Österreichern immer wieder eingeredet haben: Wir brauchen Wasserkraftwerke und kalorische Kraftwerke.

Meine Damen und Herren! Ich verlange nicht, daß Sie heute ans Rednerpult oder vor die österreichische Bevölkerung treten und zugeben, daß Sie sich verrechnet haben, daß Sie Fehlplanungen in Milliardenhöhe begangen haben. Das will ich gar nicht. Es wäre ausreichend, wenn Sie an dieses Rednerpult kommen und sagen würden: Ja, wir fördern das verläßlich, damit in diesem Bereich konkrete Unternehmensentscheidungen getroffen werden können Das würde schon reichen, Herr Kopf.

Ich kann jeden Satz, den Sie hier gesagt haben, unterstreichen, doch es war nur die halbe Rede. Das ist das Problem! Die halbe Rede war ja in Ordnung, aber die letzte Hälfte der Rede hat gefehlt, in der Sie konkret gesagt hätten: Ja, wir wollen, daß 90 Prozent des Verbraucherpreises an die Erzeuger ausgezahlt werden – oder ein anderer Betrag, das ist ja gleichgültig –, denn dann kann sich jeder alternative Energiebauer überlegen, ob sich das rechnet oder nicht rechnet. Wissen Sie, wie groß der Zorn jener Menschen ist, die sich in der Steiermark, wo besonders viele Bioanlagen existieren, damals auf dieses Experiment eingelassen haben und die jetzt von Erdgas und anderen Energiebereichen konkurrenziert werden, weil keine Kostenwahrheit herrscht. Die sind alle empört und verärgert und haben einen Zorn auf all jene, die ihnen eingeredet haben, dieses Werk zu bauen.

Und das müssen Sie verantworten, Herr Kopf, wenn Sie nicht in der Lage sind, innerhalb angemessener Zeit ein Gesetz auf die Beine zu stellen, mit dem alternative Energiebetreiber klar und deutlich bevorzugt werden.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen nur eine Zahl: In Deutschland ist, seitdem dieses Bundesgesetz besteht und sich jeder Kalkulant, jeder Unternehmer verläßlich ausrechnen kann, ob sich seine alternative Energieanlage rechnet oder nicht – seit fünf Jahren besteht das Gesetz dort –, das siebenfache Potential an Anlagen für erneuerbare Energie gebaut worden. Das Siebenfache!

In Deutschland werden 1 800 Millionen Kilowattstunden so erzeugt, Herr Kopf. Das besagt eine ganz konkrete Zahl, die Sie heute nicht nennen wollten, weil Sie seriös sein wollten. Seien Sie ernsthaft! Reden Sie mit Herrn Oberhaidinger, vereinbaren Sie meinetwegen die Fondslösung, obwohl ich diese nur für ein Zwischending halte und nur wieder für einen Kompromiß mit den EVUs, aber geben Sie jenen Pionieren, die in Österreich alternative Energieanlagen bauen wollen, die Sicherheit, daß sie sich zumindest während der nächsten Jahre darauf verlassen können, daß ihre Kalkulationen nicht falsch waren und daß ihre Investitionen nicht in den Wind zu schreiben sind oder vielmehr in den Kanal der ÖVP.

Ich möchte mit dem wunderschönen Zitat von Herrn Kostelka schließen: Fürchtet euch nicht! (Beifall bei den Grünen.)

20.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegen keine Wortmeldungen vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 215/A dem Wirtschaftsausschuß zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsanträge

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu Abstimmungen .


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38. Sitzung / Seite 167

Wir stimmen ab über den Fristsetzungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 287/A der Abgeordneten Böhacker und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden, eine Frist bis 27. September 1996 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag der Abgeordneten Böhacker und Genossen sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Fristsetzungsantrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, dem Ausschuß für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 284/A der Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz betreffend Aufhebung der Bestimmungen über die Sozialversicherungspflicht von Werk- und sogenannten freien Dienstverträgen eine Frist bis 1. Oktober 1996 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 290/A bis 299/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1217/J bis 1280/J eingelangt.

Schließlich wurde eine Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Madeleine Petrovic an den Präsidenten des Nationalrates eingebracht.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich unmittelbar im Anschluß an diese Sitzung ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.41 Uhr