Stenographisches Protokoll

102. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 10. Dezember 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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102. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 10. Dezember 1997

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 10. Dezember 1997: 12.01 – 22.40 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes (Zweite Lesung)

2. Punkt: Bericht über den Antrag 533/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich (Stellenbesetzungsgesetz)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 641/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 1997 geändert wird

4. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird

12. Punkt: Bericht über den Antrag 472/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend die Fortführung der Fachschule für Mode und Bekleidungstechnik der Gemeinschaft der Kreuzschwestern in Bruck/Mur

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102. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 18

Geschäftsbehandlung

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend "Tag der Menschenrechte" 18

Mitteilung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend Festsetzung des Termins für die Aktuelle Stunde 21

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 21

Beschluß über Vertagung der dritten Lesung des Gesetzentwurfes in 974 d. B. gemäß § 74 Abs. 1 der Geschäftsordnung 35

Antrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic gemäß § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Ablehnung 95, 95

Verlangen gemäß § 66 Abs. 3 der Geschäftsordnung, bei der Abstimmung über den Antrag auf Anwesenheit des Bundeskanzlers die Zahl der "für" und "gegen" Stimmenden bekanntzugeben 95

Wortmeldungen betreffend Abstimmung über den Antrag auf Anwesenheit des Bundeskanzlers:

Dr. Helene Partik-Pablé 96

Dr. Peter Kostelka 96

Feststellung des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder zur Wortmeldung der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé 96

Antrag der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen, die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (983 d. B.), in der Fassung des Ausschußberichtes 1013 d. B., gemäß § 73 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Unterrichtsausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 120, 140

Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen, den Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage 983 d. B. betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Unterrichtsausschuß rückzuverweisen – Ablehnung 122, 140

Ausschüsse

Zuweisungen 18

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Defizite der österreichischen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik (3388/J) 61

Begründung: Karl Öllinger 66

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 70


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Debatte:

Mag. Doris Kammerlander 76

Friedrich Verzetnitsch 78

Ingrid Tichy-Schreder 81

Reinhart Gaugg 8


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3

Dr. Volker Kier 86

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 88

Marianne Hagenhofer 90


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Mag. Dr. Josef Höchtl 91

Mag. Herbert Haupt 93

Dr. Martina Gredler 96

Doris Bures 99

Josef Schrefel 100

Sigisbert Dolinschek 101

Mag. Gabriela Moser 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen betreffend EU-Beschäftigungspolitik – Ablehnung 97, 104

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes (974 d. B.) (Zweite Lesung) 21

Redner:

Mag. Johann Ewald Stadler 22

Dr. Peter Kostelka 24

Dr. Volker Kier 26

Dr. Andreas Khol 27

Dr. Alexander Van der Bellen 29

DDr. Erwin Niederwieser 30

MMag. Dr. Willi Brauneder 32

Dr. Gottfried Feurstein 33

Franz Kampichler 34

Annahme des Gesetzentwurfes in 974 d. B. (Zweite Lesung) 35

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 533/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich (Stellenbesetzungsgesetz) (975 d. B.) 35

Redner:

Dr. Jörg Haider 36

Dr. Johannes Jarolim 38

Mag. Terezija Stoisits 41

Dr. Jörg Haider (tatsächliche Berichtigung) 42

Mag. Cordula Frieser 43

Dr. Michael Krüger 43

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 44

Mag. Terezija Stoisits (tatsächliche Berichtigung) 45

Dr. Volker Kier 46

Annahme des Gesetzentwurfes in 975 d. B. 46

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 641/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 1997 geändert wird (977 d. B.) 47

Redner:

Dr. Volker Kier 47

Franz Riepl 47

Karl Donabauer 48

Dr. Jörg Haider 49

Marianne Hagenhofer (tatsächliche Berichtigung) 51

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 52

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 53

Mag. Reinhard Firlinger 55

Helmut Haigermoser 56

Annahme des Gesetzentwurfes in 977 d. B. 57

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 977 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Ausschreibungen durch ausgegliederte Rechtsträger sowie Länder und Gemeinden (E 93) 58

4. Punkt: Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird (976 d. B.) 58

Redner:

Dr. Günther Kräuter 58

Annahme des Gesetzentwurfes in 976 d. B. 59

5. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (944 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird (989 d. B.) 59

Redner:

Dr. Michael Krüger 59, 104

Dr. Josef Cap 105

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 107

Franz Morak 109

Klara Motter 110

Inge Jäger 112

Dr. Günther Leiner 114

Heidemaria Onodi 114

Dr. Sonja Moser 115

Sonja Ablinger 116

Annahme des Gesetzentwurfes in 989 d. B. 118

6. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (938 d. B.): Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (1013 d. B.) 119

Redner:

Elfriede Madl 119

Werner Amon 120

Dr. Volker Kier 122

Dr. Dieter Antoni 127

Karl Öllinger 128

DDr. Erwin Niederwieser (tatsächliche Berichtigung) 132

Mag. Dr. Josef Höchtl 133

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 134

Mag. Dr. Udo Grollitsch 135

DDr. Erwin Niederwieser 136

Katharina Horngacher 138

Dr. Johann Stippel 139

Annahme des Gesetzentwurfes in 1013 d. B. 140

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (934 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1014 d. B.) 140

8. Punkt: Bericht und Antrag des Unterrichtsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung geändert wird (1015 d. B.) 140

9. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (935 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1017 d. B.) 141

10. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (936 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (1018 d. B.) 141

11. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (937 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird (1016 d. B.) 141

12. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 472/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend die Fortführung der Fachschule für Mode und Bekleidungstechnik der Gemeinschaft der Kreuzschwestern in Bruck/Mur (1021 d. B.) 141

Redner:

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 141

Mag. Dr. Josef Höchtl 143

Maria Schaffenrath 145

Dr. Dieter Antoni 148

Karl Öllinger 150

Dr. Gertrude Brinek 153

MMag. Dr. Willi Brauneder 154

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 156, 166

Dr. Robert Rada 157

Elfriede Madl 158

Franz Stampler 159

Brunhilde Fuchs 161

Dr. Christa Krammer 162

Mag. Dr. Udo Grollitsch 163

Emmerich Schwemlein 164

Mag. Walter Posch 166

Annahme der Gesetzentwürfe in 1014, 1015, 1017, 1018 und 1016 d. B. 167

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1021 d. B. 169


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102. Sitzung / Seite 6

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1017 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Weiterentwicklung der Schulbuchaktion (E 96) 168

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl, Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend Maßnahmen für eine drogenfreie Schule – Annahme (E 95) 144, 169

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Höchtl, Dr. Dieter Antoni und Genossen betreffend Erziehung zur Gewaltfreiheit – Annahme (E 94) 144, 169

Eingebracht wurden

Petitionen 19

Petition betreffend "Der Gesetzgeber soll handeln, bevor es zu spät ist!" (Ordnungsnummer 30) (überreicht von der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat )

Petition betreffend "eine Novellierung des Adoptionsrechts" (Ordnungsnummer 31) (überreicht von den Abgeordneten Brigitte Tegischer und Dr. Elisabeth Hlavac )

Petition betreffend "Berggesetz" (Ordnungsnummer 32) (überreicht von den Abgeordneten Karlheinz Kopf und Dr. Gottfried Feurstein )

Petition betreffend den "Sofortigen Stopp der Rechtschreibreform" (Ordnungsnummer 33) (überreicht von den Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder, Dr. Martin Graf, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Mag. Johann Ewald Stadler )

Petition betreffend die "Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (Ordnungsnummer 34) (überreicht vom Abgeordneten Dr. Volker Kier )

Regierungsvorlagen 18

907: Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren

918: Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG

949: EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz 1997

950: Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird

951: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze

952: Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich; Übereinkunft über die vorläufige Anwendung zwischen einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union des Übereinkommens auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich; Protokoll auf Grund von Artikel K. 3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabent


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102. Sitzung / Seite 7

scheidung; Erklärung zur gleichzeitigen Annahme des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich und des Protokolls betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung; Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 2 des Protokolls auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung

Gesetzesantrag des Bundesrates 19

953: Gesetzesantrag des Bundesrates vom 20. November 1997 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

Bericht 21

III-107: Förderungsbericht 1996; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Doris Bures und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz geändert wird (646/A)

Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, insbesondere gegen den Alkoholmißbrauch im Straßenverkehr (647/A) (E)

Mag. Gabriela Moser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (648/A)

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), das Führerscheingesetz (FSG), die Gewerbeordnung 1994 (GewO) und das Strafgesetzbuch (StGB) geändert werden (649/A)

Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Maßnahmen zur Hebung der Verkehrssicherheit speziell im Zusammenhang mit Alkohol am Steuer (650/A) (E)

Sonja Ablinger, Mag. Thomas Barmüller, Dr. Andreas Khol, Mag. Gabriela Moser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (651/A)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend die Novellierung des ASVG, des GSVG und des B-KUVG – Gleichstellung von Lebensgemeinschaften (Zu 616/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert und ein generelles Nachtfahrverbot für Lkw über 7,5 t eingeführt wird (Zu 618/A)

Zurückgezogen wurden die Anträge der Abgeordneten

Klara Motter und Genossen betreffend Ausbildungsreform für Heilmasseure und Heilbademeister (168/A) (E) (Zu 168/A) (E)

Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Einbeziehung der Schafhalter in die BSE-Kompensationen (358/A) (E) (Zu 358/A) (E)

 


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102. Sitzung / Seite 8

Anfragen der Abgeordneten

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Planstelleneinsparungen im Bereich des Gendarmeriezentralkommandos und der Gendarmeriezentralschule (3355/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Ausrüstung der Fliegerdivision mit Luftfahrzeugen (3356/J)

Ernst Fink und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Ausnahme vom Nachtarbeitsverbot für Frauen (3357/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Autofahren und Telefonieren (3358/J)

Maria Rauch-Kallat und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Nichtumsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in Österreich (3359/J)

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den Situationsbericht über Linksextremismus in Österreich (3360/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Auflösung Korpskommando III (3361/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Panzerbeschaffung (3362/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Jagdpanzer Jaguar (3363/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Leopard (3364/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Frauen und Österreich diskriminierende Sätze (Seite 44, 1. Punkt) in der Publikation von "Mini Europe" Brüssel unter der Patronanz der Europäischen Union (3365/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Frauen und Österreich diskriminierende Sätze (Seite 44, 1. Punkt) in der Publikation von "Mini Europe" Brüssel unter der Patronanz der Europäischen Union (3366/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Durchführung des Grundlehrganges für Zivildiener (3367/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Ablegung der mündlichen Diplomprüfung am Institut für Politikwissenschaften ohne ausreichende Deutschkenntnisse (3368/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend österreichische Amalgam-Lobbyisten in Brüssel (3369/J)

Mag. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Lebensmittelkontrolle (3370/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundeskanzler betreffend überlange Mitgliedschaften im "Beirat für Bildende Kunst" (3371/J)


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Andreas Wabl und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Vertretung Österreichs in NATO-Rüstungsgremien (3372/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Vertretung Österreichs in NATO-Rüstungsgremien (3373/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Vertretung Österreichs in NATO-Rüstungsgremien (3374/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Geschäftsessen zur Beschaffung von TER und ZZW (3375/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Novellierung des Psychologengesetzes (3376/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die in Österreich noch weitgehend unbekannte Krankheit MCS (Multiple Chemical Sensitivities) (3377/J)

Mag. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Export von Zwentendorf-Komponenten nach Rußland (3378/J)

Mag. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Export von Zwentendorf-Komponenten nach Rußland (3379/J)

Mag. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Export von Zwentendorf-Komponenten nach Rußland (3380/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Sozialplan für Angestellte der Österreichischen Bundesforste (3381/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Bezahlung von Arbeiterkammerumlage im Österreichischen Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal (ÖFPZ) (3382/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Arbeiterkammer-Pflichtmitgliedschaft in der Europäischen Union (3383/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Witwenversorgung in der Arbeiterkammer (3384/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Blei im Trinkwasser (3385/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend bakteriologisch-serologische Untersuchungsanstalten (3386/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Maßnahmen im öffentlichen Dienst (3387/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Defizite der österreichischen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik (3388/J)

Dr. Peter Kostelka und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Spruchpraxis bei von alkoholisierten Lenkern verursachten Verkehrsunfällen (3389/J)


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102. Sitzung / Seite 10

Mag. Herbert Kaufmann und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Multiplex-Verordnung" von Landeshauptmann Pröll (3390/J)

Klara Motter und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Anfragebeantwortung bezüglich der Initiative gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen (3391/J)

Mag. Franz Steindl und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Krankenversicherung für Studenten (3392/J)

Dkfm. Dr. Günter Puttinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Fälschungssicherheit ausländischer Dokumente (3393/J)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherheit im Bezirk Wien-Umgebung (3394/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Import eines artengeschützten Ameisenbären zur Imagepflege von Regierungsmitgliedern (3395/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Import eines artengeschützten Ameisenbären zur Imagepflege von Regierungsmitgliedern (3396/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Import eines artengeschützten Ameisenbären zur Imagepflege von Regierungsmitgliedern (3397/J)

Dr. Brigitte Povysil und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Unsicherheit bei der Reaktorsicherheitsforschung (3398/J)

Dr. Alois Pumberger und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend EU-Förderung des Tabakanbaues (3399/J)

Robert Wenitsch und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Kooperation mit dem Wawilow-Institut (3400/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend unrichtige Anträge auf Flächenprämien, zu hohe Milchquoten in anderen EU-Mitgliedstaaten (3401/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Verwendung der Milchhygieneverordnung zur wirtschaftlichen Ausgrenzung von Selbstvermarktern (3402/J)

Anna Elisabeth Aumayr und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Verwendung der Milchhygieneverordnung zur wirtschaftlichen Ausgrenzung von Direktvermarktern (3403/J)

Robert Wenitsch und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Kooperation mit dem Wawilow-Institut (3404/J)


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102. Sitzung / Seite 11

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend dessen bis heute meritorisch nicht erledigte Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage der Abg. Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen vom 27. Februar 1997 zu 2054/J (3405/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Telefonsystem im Bereich des Militärkommandos Wien (3406/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Verpachtung der Bundessportschule am Spitzerberg in Bad Deutsch-Altenburg an den sozialistischen Aeroklub (3407/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundeskanzler betreffend den Österreichischen Bundesfachverband für Kickboxen (3408/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den Österreichischen Bundesfachverband für Kickboxen (3409/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend den Österreichischen Bundesfachverband für Kickboxen (3410/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundeskanzler betreffend VfGH-Erkenntnis zur Familienbesteuerung (3411/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend steuerliche Absetzbarkeit von Geldspenden an Schulen (3412/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Schaffung eines Notariats in Bischofshofen (3413/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Reform der Polytechnischen Schulen (3414/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Bau der B 301 (Wiener Südumfahrung) (3415/J)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Gewährung von Sonderkarenzurlaubsgeld (3109/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (2942/AB zu 2921/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2943/AB zu 2961/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2944/AB zu 3000/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (2945/AB zu 3088/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (2946/AB zu 2939/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2947/AB zu 2965/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Mares Rossmann und Genossen (2948/AB zu 2985/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2949/AB zu 2959/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Kukacka und Genossen (2950/AB zu 2930/J)


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102. Sitzung / Seite 12

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2951/AB zu 2960/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Walter Meischberger und Genossen (2952/AB zu 2970/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Walter Meischberger und Genossen (2953/AB zu 2971/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
102. Sitzung / Seite 13

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (2954/AB zu 2996/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Kurt Gartlehner und Genossen (2955/AB zu 2942/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2956/AB zu 2986/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2957/AB zu 3013/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (2958/AB zu 2936/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (2959/AB zu 2934/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (2960/AB zu 2922/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen (2961/AB zu 2987/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (2962/AB zu 2958/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (2963/AB zu 3055/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen (2964/AB zu 3066/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Harald Ofner und Genossen (2965/AB zu 3003/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2966/AB zu 3031/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2967/AB zu 3045/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (2968/AB zu 3105/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (2969/AB zu 2990/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (2970/AB zu 2994/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (2971/AB zu 2997/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (2972/AB zu 3111/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (2973/AB zu 2988/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2974/AB zu 3012/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2975/AB zu 3053/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen (2976/AB zu 3158/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (2977/AB zu 3254/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (2978/AB zu 2989/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (2979/AB zu 2992/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Jung und Genossen (2980/AB zu 2993/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2981/AB zu 3049/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen (2982/AB zu 3079/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2983/AB zu 3032/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (2984/AB zu 3227/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2985/AB zu 3041/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2986/AB zu 3050/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen (2987/AB zu 3068/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (2988/AB zu 3081/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (2989/AB zu 3007/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (2990/AB zu 3092/J)


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102. Sitzung / Seite 14

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (2991/AB zu 2995/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (2992/AB zu 3011/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (2993/AB zu 3023/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen (2994/AB zu 3060/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen (2995/AB zu 2998/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2996/AB zu 3004/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (2997/AB zu 3192/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2998/AB zu 3001/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (2999/AB zu 3080/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (3000/AB zu 3018/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (3001/AB zu 3019/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3002/AB zu 3029/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3003/AB zu 3033/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3004/AB zu 3046/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3005/AB zu 3047/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (3006/AB zu 3016/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Annemarie Reitsamer und Genossen (3007/AB zu 3014/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3008/AB zu 3036/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3009/AB zu 3038/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3010/AB zu 3051/J)


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102. Sitzung / Seite 15

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen (3011/AB zu 3063/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (3012/AB zu 3093/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (3013/AB zu 3020/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen (3014/AB zu 3024/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3015/AB zu 3039/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3016/AB zu 3052/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3017/AB zu 3035/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3018/AB zu 3048/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen (3019/AB zu 3010/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (3020/AB zu 3022/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen (3021/AB zu 3021/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (3022/AB zu 3059/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Genossen (3023/AB zu 3061/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen (3024/AB zu 3062/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen (3025/AB zu 3064/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (3026/AB zu 3058/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (3027/AB zu 3078/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (3028/AB zu 3002/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (3029/AB zu 3015/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (3030/AB zu 3017/J)


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102. Sitzung / Seite 16

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3031/AB zu 3028/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (3032/AB zu 3057/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen (3033/AB zu 3104/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (3034/AB zu 3077/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (3035/AB zu 3110/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen (3036/AB zu 3025/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen (3037/AB zu 3056/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Kurt Gaßner und Genossen (3038/AB zu 3108/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen (3039/AB zu 3116/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (3040/AB zu 3125/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (3041/AB zu 3095/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (3042/AB zu 3096/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (3043/AB zu 3097/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (3044/AB zu 3098/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (3045/AB zu 3099/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (3046/AB zu 3100/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (3047/AB zu 3101/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Lafer und Genossen (3048/AB zu 3102/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Franz Löschnak und Genossen (3049/AB zu 3065/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen (3050/AB zu 3067/J)


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102. Sitzung / Seite 17

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen (3051/AB zu 3086/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen (3052/AB zu 3126/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (3053/AB zu 3082/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Karl Schweitzer und Genossen (3054/AB zu 3083/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (3055/AB zu 3094/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (3056/AB zu 3103/J)


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102. Sitzung / Seite 18

Beginn der Sitzung: 12.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, und eröffne die 102. Sitzung des Nationalrates, die für heute, 10. Dezember 1997, 12 Uhr, einberufen wurde.

Ich darf daran erinnern, daß der 10. Dezember auch der "Tag der Menschenrechte" ist, daß vor 49 Jahren die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte beschlossen wurde, daß sich heute ein Fünfparteienkomitee konstituieren wird, das Vorbereitungen für das 50. Jubiläum des "Tages der Menschenrechte" im kommenden Jahr treffen wird; und diese Arbeit werden wir mit großem Ernst und hoher Aufmerksamkeit leisten.

Das Amtliche Protokoll der Sitzung vom 19. November ist aufgelegen und unbeeinsprucht geblieben.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Abgeordneten Mag. Schweitzer, Wurmitzer und Dipl.-Ing. Kummerer.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich auf die im Sitzungssaal aufliegende schriftliche Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3355/J bis 3387/J.

Zurückziehung: 3109/J.

2. Anfragebeantwortungen: 2942/AB bis 3056/AB.

3. Initiativanträge:

Zurückziehungen: 168/A (E) und 358/A (E).

Zurückziehungen der Fristverlangen auf Abhaltung einer ersten Lesung innerhalb von 3 Monaten: 616/A und 618/A.

4. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG (918 der Beilagen),

EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz 1997 (949 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (950 der Beilagen).


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102. Sitzung / Seite 19

5. Gesetzesanträge des Bundesrates:

Gesetzesantrag des Bundesrates vom 20. November 1997 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (953 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 30 betreffend "Der Gesetzgeber soll handeln, bevor es zu spät ist!", überreicht von der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat,

Petition Nr. 31 betreffend "eine Novellierung des Adoptionsrechts", überreicht von den Abgeordneten Brigitte Tegischer und Dr. Elisabeth Hlavac,

Petition Nr. 32 betreffend "Berggesetz", überreicht von den Abgeordneten Karlheinz Kopf und Dr. Gottfried Feurstein,

Petition Nr. 33 betreffend den "Sofortigen Stopp der Rechtschreibreform", überreicht von den Abgeordneten MMag. Dr. Willi Brauneder, Dr. Martin Graf, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Mag. Johann Ewald Stadler,

Petition Nr. 34 betreffend die "Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (938 der Beilagen)", überreicht vom Abgeordneten Dr. Volker Kier;

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Petition Nr. 22 für eine gesetzliche Anerkennung des Berufes der AltenfachbetreuerInnen und FamilienhelferInnen, überreicht vom Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger;

Bautenausschuß:

Petition Nr. 21 betreffend "Schutz der Anrainer von Bundesstraßen", überreicht von der Abgeordneten Mag. Brigitte Ederer;

Finanzausschuß:

Petition Nr. 18 betreffend "Wider die Parkplatzsteuer", überreicht von dem Abgeordneten Mag. Johann Maier;

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Bürgerinitiative Nr. 9 betreffend "Freiheit für das Gewissen!";

Landesverteidigungsausschuß:

Petition Nr. 15 betreffend "Vorrang für Österreichs Sicherheit durch eine Österreichische Sicherheitsdoktrin und die Anpassung des Landesverteidigungsplanes 85 (LVP 85)", überreicht vom Abgeordneten Herbert Scheibner;

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Petition Nr. 28 betreffend "Kennzeichnungspflicht genmanipulierten Saatguts", überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic;


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102. Sitzung / Seite 20

Verfassungsausschuß:

Petition Nr. 23 betreffend Anerkennung der Gebärdensprache, überreicht vom Abgeordneten Dr. Volker Kier,

Petition Nr. 25 betreffend Forderung nach mehr Untertiteln im Fernsehen an den Österreichischen Rundfunk, überreicht vom Abgeordneten Dr. Volker Kier,

Petition Nr. 26 betreffend Rassismus; Presseförderung, überreicht von der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits,

Petition Nr. 27 betreffend "Österreichische Note – Präzisierung des Rundfunkgesetzes", überreicht von den Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger und Dr. Günther Kräuter,

Bürgerinitiative Nr. 12 betreffend Wiederholung der EU-Volksabstimmung;

Verkehrsausschuß:

Petition Nr. 19 betreffend "Das Österreichische Tiertransportgesetz muß bleiben!", überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic,

Petition Nr. 24 betreffend "Tariferhöhung im Verkehrsverbund Ostregion", überreicht vom Abgeordneten Peter Rosenstingl,

Bürgerinitiative Nr. 11 betreffend "Schutz vor alkoholisierten Fahrzeuglenkern".

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Außenpolitischer Ausschuß:

Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren (907 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird (930 der Beilagen);

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze (951 der Beilagen),

Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich;

Übereinkunft über die vorläufige Anwendung zwischen einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union des Übereinkommens auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich;

Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung;

Erklärung zur gleichzeitigen Annahme des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich und des Protokolls betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung;

Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 2 des Protokolls auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung

(952 der Beilagen).


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b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Budgetausschuß:

Förderungsbericht 1996 der Bundesregierung (III-107 der Beilagen).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung möchte ich mitteilen, daß die für diese Sitzungswoche in Aussicht genommene Aktuelle Stunde aufgrund eines Einvernehmens in der Präsidialkonferenz ausnahmsweise und ohne Präjudiz für Donnerstag, 11. Dezember 1997, 9 Uhr, festgesetzt wird.

Wir werden vielleicht in der Geschäftsordnung eine Bestimmung schaffen, die in diesem Zusammenhang mehr Flexibilität ermöglicht, was in der Praxis offensichtlich notwendig ist.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der grüne Klub hat – auch das darf ich bekanntgeben – gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 3388/J der Abgeordneten Öllinger und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Defizite der österreichischen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik dringlich zu behandeln.

Ich nehme den Aufruf dieser Dringlichen Anfrage für 15 Uhr in Aussicht.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 7 bis 12 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Somit werden die Punkte 7 bis 12 der heutigen Tagesordnung unter einem debattiert.

Ich gehe nun in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über Dauer und Gestaltung der Debatten der heutigen Tagesordnung wie folgt erzielt: Es wurde eine Tagesblockredezeit von 8 "Wiener Stunden" in Aussicht genommen, sodaß sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 120 Minuten, ÖVP 112 Minuten, Freiheitliche 104 Minuten, Liberales Forum 72 Minuten, Grüne 72 Minuten.

Gibt es gegen diesen Vorschlag einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Somit hat das Hohe Haus diesen Vorschlag so beschlossen.

1. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes (974 der Beilagen) (Zweite Lesung)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.


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102. Sitzung / Seite 22

Ein Vorschlag auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor, daher gehen wir sofort in die Beratung dieser Vorlage in zweiter Lesung ein.

Als erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Redezeitlimit: 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.06

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Die zur Debatte und in Verhandlung stehende Gesetzesvorlage zielt auf die rechtliche Grundlage zum Abschluß eines Gliedstaatsvertrages für den Österreichischen Städtebund und den Österreichischen Gemeindebund ab. Der Hintergrund ist die Schaffung eines Konsultationsmechanismus, der angeblich notwendig ist, um die Maastricht-Kriterien zu erreichen und auf Dauer einhalten zu können. Dafür würde das bisher vorhandene rechtliche Instrumentarium nicht ausreichen, wird behauptet.

Herr Präsident! Ich bin froh darüber, daß Sie die letzte Debatte zu diesem Gegenstand, die letzte Verfassungsdebatte zum Anlaß genommen haben, bremsend auf den kleineren Regierungspartner einzuwirken, da die Eingriffe in den Parlamentarismus doch so gravierend sind, daß Ihr mäßigender Einfluß in Ihrer Eigenschaft als Präsident dieses Hauses mehr als notwendig war.

Ich freue mich auch darüber, daß Kollege Neisser – der Dritte Präsident sieht es übrigens genauso – die Dinge differenzierter sieht als seine eigene Fraktion. Es steht nämlich auch dem Zweiten Präsidenten an, in erster Linie auf die Rechte des Hauses zu achten und sich den Wünschen einer Fraktion nicht zu beugen.

Meine Damen und Herren! Das vorhandene Begutachtungsverfahren hinsichtlich der Auswirkungen von Gesetzen, insbesondere der finanziellen Auswirkungen, reicht völlig aus, um die erforderlichen Informationsflüsse vom Bund an die Länder sicherzustellen.

Es gibt Einspruchsrechte der Bundesregierung gegenüber Gesetzesbeschlüssen der Länder – das stellt ebenfalls sicher, daß es nicht zu Belastungen einer Gebietskörperschaft durch die anderen Gebietskörperschaften kommen kann.

Es gibt in diesem Haus eine Ländervertretung, nämlich den Bundesrat, der die Aufgabe hätte (Abg. Haigermoser: "Hätte"!)  – ich betone: hätte –, zu verhindern, daß Belastungen der Länder durch die gesetzgebende Körperschaft Nationalrat stattfinden, um zu gewährleisten, daß die Rechte der Länder, insbesondere die finanziellen Rechte der Länder, gewahrt werden.

Meine Damen und Herren! Es gibt eigentlich schon ausreichend Regelungen, die dafür sorgen, daß Kostenwahrheit, Kostentransparenz und Kostendisziplin stattfinden. Bezeichnend war, daß im Hearing des Unterausschusses des Verfassungsausschusses sämtliche Experten, namhafte Experten, namhafte Vertreter der österreichischen Rechtswissenschaft, der Verfassungslehre und der Verfassungstheorie, diesen Entwurf verworfen haben, und zwar samt und sonders.

Professor Pernthaler hat im Zusammenhang mit dieser Gesetzesvorlage gemeint, sie sei schlichtweg eine Katastrophe. – Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Professor Pernthaler ist jemand, der Ihnen nicht so ferne steht, der Verständnis für die Anliegen des Föderalismus hat; er ist ja der Leiter des Institutes für Föderalismusforschung, getragen von den Bundesländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Er hat gesagt, der Weg, der da beschritten wird, sei schlichtweg eine Katastrophe. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Einwände von Professor Brünner – ein ehemaliges ÖVP-Mitglied, später Abgeordneter des Liberalen Forums – waren vom Feinsten. Er sagte: Durch die vorliegende Gesetzesvorlage wird das demokratische Bauprinzip der Bundesverfassung nachhaltigst beeinträchtigt, weil eine Delegation von Verfassungsrechtserzeugung an Vollzugsorgane erfolgt. – Keiner der in der Sitzung des Unterausschusses oder auch des Verfassungsausschusses Anwesenden war in der Lage, diesen Einwand eines hervorragenden Verfassungsrechtlers zu entkräften.


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Es wird maßgeblich in das demokratische Bauprinzip unserer Bundesverfassung eingegriffen, daneben auch in das parlamentarische Bauprinzip. Der wichtigste Einwand lautete, daß die Einflußnahme von Vollzugsorganen auf den Gang der Gesetzgebung mit unseren Verfassungsstrukturen unvereinbar ist. Auch ist eine parlamentarische Verantwortlichkeit der Vertreter des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes gegenüber allgemeinen Vertretungskörpern, wie sie unser Verfassungssystem vorsieht, nicht vorhanden.

Professor Brünner hat des weiteren nachgewiesen, daß die Regelung, die vorgeschlagen wurde, einen maßgeblichen und tiefen Eingriff in das gewaltentrennende Prinzip unserer Bundesverfassung darstellt; auch in das bundesstaatliche Prinzip unserer Bundesverfassung, meine Damen und Herren. Die Regelung, daß in Zukunft auf Länderebene Verfassungsrecht mit einfacher Mehrheit verändert werden kann, zeigt, welchen Mißbrauch diese Koalition mit der Bundesverfassung betreibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht nämlich um eine "Lex Wien" und eine "Lex Kärnten". In diesen beiden Bundesländern haben nämlich Rot und Schwarz nicht mehr die für Verfassungsgesetze erforderliche Mehrheit und müssen fürchten, in Verfassungsfragen von der Opposition überstimmt zu werden, sodaß man erstmals den Weg geht, das grundsätzliche Rechtserzeugungsquorum für Verfassungsrecht, nämlich die Zweidrittelmehrheit, zu verlassen und auf die einfache Mehrheit auch bei Verfassungsrecht überzugehen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben immer wieder mit durchaus berechtigtem Stolz darauf hingewiesen, daß Ihnen die tragenden Prinzipien unserer Verfassung und die tragenden Prinzipien unserer demokratisch verfaßten Grundrechtsordnung ein Anliegen sind. Warum Sie jetzt gegenüber der Österreichischen Volkspartei, die das aus durchsichtigen Motiven will, nachgeben und diese tragenden Prinzipien opfern, obwohl sogar Ihr eigener Präsident vor dem Weg, der da begangen werden soll, in Einklang mit namhaften Verfassungsjuristen gewarnt hat, ist mir schleierhaft. Nur um des Koalitionsfriedens willen sollte man das nicht machen. Man sollte die Verfassung nicht mit Füßen treten, nur weil Herr Khol und ein paar Landeshauptleute das wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) So sollte man mit unserer Verfassung nicht umgehen. Man sollte insbesondere nicht Spezialbestimmungen für zwei Bundesländer aufnehmen, in denen man sich gegenseitig nicht mehr zur Verfassungsmehrheit verhelfen kann.

Meine Damen und Herren! Es kommt auch ein gravierender Einwand aus der Wissenschaft, was das rechtsstaatliche Prinzip anlangt: Die Änderung der Kompetenzlage im Bundesstaat durch Gliedstaatsverträge ist nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes völlig unzulässig! Der Verfassungsgerichtshof hat eindeutig festgelegt, daß die Kompetenzlage zwischen Bund und Ländern durch Gliedstaatsverträge nicht verändert werden kann. Aber genau dieser Weg soll jetzt beschritten werden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es nützt nichts, daß Sie festgehalten haben, daß das quasi eine neue Form der Gliedstaatsverträge sei, ein Quasi-Artikel-15b-Gliedstaatsvertrag. Letztlich ändert es nichts daran, daß man mit einem Gliedstaatsvertrag, der zudem noch Gebietskörperschaften als Vertragspartner mit aufnimmt, die diese Staatsvertragsqualität an sich gar nicht hätten, die Kompetenzlage zwischen Bund und Ländern – diesmal zu Lasten des Bundes – verschiebt.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns dagegen wehren, daß wir die Zuständigkeit als Finanzverfassungsgesetzgeber auf die Landeshauptleutekonferenz, auf die Landesfinanzreferentenkonferenz oder auf irgendeinen Konsultationsmechanismus verlagern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang wäre einmal ein Blick über den Koalitionszaun erforderlich, um zu sehen, daß da ein unglaublich schlechter Umgang mit der Bundesverfassung Platz greift.

Die Delegation von Bundesverfassungsgesetzgebungs-Zuständigkeiten an die Konsultationsgremien halte ich für einen unerträglichen Umgang. Ich befinde mich mit dieser meiner Auffassung in Einklang mit namhaften Vertretern der österreichischen Rechtswissenschaft, die vor diesem Weg warnen. Sie warnen davor, dies aus durchsichtigen koalitionären Gründen, nämlich um die


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Gebietskörperschaften in einen Prozeß einzubinden, der mit Maastricht begründet wird, aber letztlich ganz andere Hintergründe hat, über den parlamentarischen Weg durchzuziehen.

Ich sage Ihnen heute folgendes voraus: Wenn diese Vorlage beschlossen wird, dann ist das der Beginn der Diskussion über die Abschaffung des Bundesrates. Denn wenn das der zukünftige Weg der Bundesgesetzgebung ist, der Wahrung der Rechte der Länder und der Gemeinden, dann brauchen wir den Bundesrat nicht mehr, dann können wir die 66 Vertreter des Bundesrates nach Hause schicken! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da brauchen wir dann keine Bezüge und keine Pensionen mehr, der Bundesrat kann dann aufgelöst werden. Wenn diese Regelung beschlossen wird, dann ist der Bundesrat ab heute für die Katz, Herr Kollege Kostelka. Er ist dann nur noch da, um ein paar Sekretäre zu versorgen, hat aber keine Kompetenzen, weil Sie gemeinsam mit der Österreichischen Volkspartei einen ganz anderen, an der Verfassung vorbeiführenden Weg beschreiten, der unsere Verfassungskultur in nachhaltiger Weise schädigt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.15

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Europa entwickelt sich so etwas wie ein neuer Geist des Miteinander. In Frankreich ist ein Prozeß der Dezentralisierung der Verwaltung, aber auch der Selbstbestimmung im Gange. In Großbritannien werden Länderparlamente gegründet. Die Europäische Union hat sich im Vertrag von Maastricht zum Subsidiaritätsgedanken bekannt, und dieser ist neuerlich gestärkt und gefestigt worden durch den Vertrag von Amsterdam, in dem zusätzliche Prozesse in diese Richtung zu finden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch in Österreich bedarf es eines neuen Miteinander, weil das Verhältnis zwischen dem Bund, den Ländern und Gemeinden gerade im Zusammenhang mit finanziellen Angelegenheiten dies gebietet. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden bedarf einer Stärkung. Es haben in der Vergangenheit verschiedene Seiten offensichtlich Sünden begangen, die dazu geführt haben, daß Ergebnisse von Finanzausgleichsverhandlungen nicht mehr in dem Ausmaß umgesetzt werden, wie das in der Vergangenheit stets der Fall war.

Meine Damen und Herren! Aus meiner Sicht ist es vor allem notwendig, daß man endlich beginnt, über Zahlen zu sprechen; offen und ehrlich über Zahlen als Konsequenzen dessen, was gesetzgeberische Akte im einzelnen nach sich ziehen. Sehr oft – das muß man durchaus mit einem gewissen Maß an Schuldbewußtsein bekennen – war es ja so, daß wir bei Gesetzesbeschlüssen nicht in ausreichendem Maße geprüft haben, welche Konsequenzen in finanzieller Hinsicht sich daraus ergeben.

Die Finanzverfassung scheint eine klare Regelung vorzugeben, nämlich die Regelung, daß derjenige die Kosten zu tragen hat, der für den Vollzug der Bestimmung auch wirklich berufen ist. Diese Regelung bedeutet aber – das ist beim Blättern im neu erschienen Bundesgesetzblatt sehr oft feststellbar –, daß das Budget neu zu ordnen ist, wenn die Gesetzgebung eine Änderung der Budgets mit sich gebracht hat.

Diese unbefriedigende Situation wird mit einem Konsultationsmechanismus überwunden. Es gibt eine Umkehr gemäß § 2 des Finanz-Verfassungsgesetzes, demzufolge für nicht akkordierte, nicht abgestimmte gesetzliche Regelungen jene Gebietskörperschaft die Kosten für die anderen Gebietskörperschaften – das müssen nicht immer die Länder sein, es können auch die Gemeinden oder der Bund sein – zu tragen hat, die die gesetzliche Regelung erlassen hat.

Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Zusammenhang aus guten Gründen tiefgreifende Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommen, und zwar aus Gründen, die in der demokratiepolitischen Notwendigkeit zu finden sind, den Gesetzgeber da in vollem Umfang zu respektieren.


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Herr Kollege Stadler! Sie vergießen hier Krokodilstränen. Wir werden heute zwar einen Beschluß in zweiter, nicht aber in dritter Lesung fassen. Wir unterlassen damit nicht nur einen Gesetzesbeschluß, der sich mit der Bundesverfassung selbst befaßt, sondern darüber hinaus auch den Beschluß des Artikel 15a-Vertrages, also der Vereinbarung selbst (Abg. Mag. Stadler: 15b!), weil wir diese noch – wie vereinbart – am Beginn des nächsten Jahres im Verfassungsausschuß zu beraten haben werden.

Wir haben uns also in diesem Zusammenhang – da gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Stadler – entschlossen, diesen Vertrag, der dem Artikel 15a ähnlich ist, in einer zweiten Phase zu beschließen und fürs erste die verfassungsgesetzliche Grundlage zu schaffen. Diese verfassungsrechtliche Grundlage wird aber heute nicht endgültig beschlossen werden, sondern dies wird erst dann der Fall sein, wenn die Vereinbarung mit den Ländern ausgiebig beraten worden ist.

Aber heute kann man schon sagen, daß auch an diesem Verfahren, wie es uns vorgelegt worden ist, tiefgreifende Änderungen vorgenommen werden, Änderungen, die sicherstellen, daß eine Beratung nur mit Parlamentariern gemeinsam in den Konsultationsausschüssen stattfinden wird. Darüber hinaus – das ist für mich das Entscheidende – wird in einer Änderung dieser Vereinbarung sichergestellt werden, daß es keinen Konsultationsmechanismus bei parlamentarischen Änderungen gibt, daß immer dann, wenn das Parlament Änderungen vornimmt, automatisch eine Umkehrung der Kostentragungspflichten gemäß dem Finanzverfassungsgesetz kommen wird. Somit kann ein konsultativer Eingriff in den Gesetzgebungsprozeß definitionsgemäß überhaupt nicht stattfinden.

Meine Damen und Herren! Die verfassungsgesetzlichen Bedenken von Professor Brünner sind in diesem Zusammenhang zweifelsfrei überzogen. Eine Diskussion, die, um wirksam zu werden, erst einen Gesetzesbeschluß im Nationalrat notwendig macht, ist kein Eingriff in Gesetzgebungsrechte des Nationalrates und auch nicht der Landtage.

Ich kann darüber hinaus dieser Regelung durchaus auch Positives abgewinnen, nämlich daß uns erspart blieb, was in der Vergangenheit immer wieder zu sehr tiefgreifenden Schwierigkeiten geführt hat, nämlich daß die Länder erst dann begonnen haben, gegen Regelungen, gegen die sie teilweise durchaus auch sachliche Einwände gehabt haben, die Diskussion aufzunehmen, wenn das Begutachtungsverfahren bereits lange vorbei war. In nicht wenigen Fällen, nachdem bereits in Kenntnis der Länder ein Beschluß des Ministerrates gefaßt wurde, konnte mitunter erst dann eine Diskussion mit den Ländern auf Initiative der Länder aufgenommen werden, wenn die Ausschußberatungen abgeschlossen waren, und in einigen Fällen gab es sogar die besonders unbefriedigende Situation, daß die Diskussion über Regelungen, die die Länder nicht mittragen wollten oder bei denen sie auch durchaus berechtigte Einwände gehabt haben, erst zwischen dem Zeitpunkt des Beschlusses im Nationalrat und jenem im Bundesrat stattgefunden hat. Das wird in Zukunft durch eine zeitliche und inhaltliche Ordnung der Gespräche vermieden werden.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend noch einige Worte zur Bundesstaatsreform selbst sagen. Ich bin davon überzeugt, daß wir im Jahr 1994 schlicht und einfach zu kurz gegriffen haben, und dies insbesondere in zwei Zusammenhängen: einerseits im Zusammenhang mit der Kompetenzbereinigung.

Die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern ist derzeit absolut unbefriedigend. Sie ist veraltet, nämlich aus dem Jahr 1925 stammend, und es ist darüber hinaus aufgrund der politischen Ereignisse und Diskussionen in den letzten 70 Jahren zu einer solchen Atomisierung gekommen, daß eine Neuordnung ausreichend begründet ist, notwendig ist, ja sogar geboten ist.

Ich habe nach Diskussion in meiner Fraktion in der Öffentlichkeit den Vorschlag gemacht, von 177 Kompetenzregelungen auf 17 zu reduzieren. Es kommt in diesem Zusammenhang, wie in vielen anderen Bundesstaaten, zu einer konkurrierenden Gesetzgebung, aber unter dem Harmoniegebot, das dazu führt, daß sich dort, wo eine konkurrierende Gesetzgebung vorliegt, Bundesrecht durchsetzt.


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Ein zweiter Bereich im Verhältnis zwischen Bund und Ländern scheint aber ebenfalls noch zwingend neu geregelt werden zu müssen, und das ist der Bereich der Verwaltungsverfahren. Ich glaube, daß es zu einer Konzentration der Verwaltungsverfahren kommen muß, und zwar nicht nur im Interesse der Bürger, die ein Anrecht auf kurze und vor allem verbundene Verfahren haben. Die Bürger sollen bei einer Angelegenheit nicht fünf oder sechs verschiedene Bescheide anstreben müssen, sondern einen Bescheid, die Angelegenheit eines Komplexes betreffend, beispielsweise einer Bauangelegenheit.

Eine solche Verfahrenskonzentration und Verfahrensreform setzt aber auch eine Behördenreform voraus, und dieser Vorschlag wird, so hoffe ich, in absehbarer Zeit diskutiert und dann auch entsprechend umgesetzt werden. Meine Damen und Herren! Er ist ein Beweis dafür, daß wir bei der Bundesstaatsreform nicht davon ausgehen dürfen, daß Föderalismus ein Synonym für Beharren in Tradition ist. Subsidiarität ist ein sehr dynamisches Konzept, und wir fühlen uns diesem Konzept verpflichtet! (Beifall bei der SPÖ.)

12.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort. – Gleiche Redezeit.

12.26

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zu der Materie, um die es hier geht, dem sogenannten Konsultationsmechanismus, möchte ich ein paar Bemerkungen vorausschicken.

Wir haben in den Diskussionen im Ausschuß sehr deutlich die Intentionen gehört, und sie waren teilweise auch schon debattengegenständlich. Es geht den Ländern offenbar darum, sich hinter der Überlegung zu verschanzen: Wer anschafft, soll zahlen! – Das ist auf den ersten Blick nicht unplausibel, aber die Länder übersehen dabei etwas, und ich möchte es von dieser Stelle aus auch deutlich sagen: So richtig es aus ihrer Sicht sein mag, daß derjenige zahlen soll, der anschafft, so richtig ist das Sprichwort aber in seiner richtigen Reihenfolge, nämlich: Wer zahlt, schafft an!

Wenn die Länder nicht begreifen, daß sie durch das, was sie jetzt dem Anschein nach für sich herausholen wollen, in Wirklichkeit eine Auszehrung ihrer De-facto-Kompetenzen einleiten, dann tut mir das leid. Wenn das gewollt ist, dann ist es mir recht, und ich wollte es von dieser Stelle aus deutlich sagen. Denn wer nur auf seine Geldtasche schaut, gleichzeitig aber eine Gebietskörperschaft, ein Landtag oder ein Landeshauptmann sein will und nicht begreift, daß Verantwortung auch heißt, sich bei der Umsetzung an der Leistung zu beteiligen, der hat einen anderen Zugang als jemand, der die volle Verantwortung zu übernehmen bereit ist.

Ich würde sagen, der Bund wird das dann sein müssen, wenn sich die Länder aus der Verantwortung stehlen wollen, indem sie den Konsultationsmechanismus dazu benützen, unter dem Vorwand: Sonst müßte es auch bezahlt werden!, etwas zu verhindern. Denn: Nahezu alle Abgaben hebt der Bund ein. Das ist immer nur eine Frage des Finanzausgleiches, und dieser soll schon fair sein, aber ihn sozusagen zu einer permanenten Diskussion zu machen, halten wir für verfehlt.

In bezug auf die Vorlage, um die es geht, beziehe ich mich bewußt auf meine Vorredner, sowohl auf Kollegen Stadler als auch auf Kollegen Kostelka.

Professor Brünner, mein Kollege und Landtagsabgeordneter des Liberalen Forums in der Steiermark, hat das als Experte im Ausschuß auf den Punkt gebracht. Es sind einige schwere Ungereimtheiten in diesem Gesetz enthalten. Die schwerste von allen ist wohl, daß Sie vorsehen, daß Landesverfassungsrecht mit einfacher Mehrheit zustande kommen können soll. Das, so meinen wir Liberalen, ist einerseits ein schwerer Eingriff und andererseits eine offenbare Gefälligkeitsgesetzgebung. Sie wollen das, weil Sie in manchen Bundesländern offenbar befürchten, die Verfassungsmehrheiten für das, was beabsichtigt ist, nicht zustande zu bringen.


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Ich sage Ihnen: Das ist ein derart gravierender Fehler, daß es allein dieser Punkt annähernd unmöglich macht, diesem Gesetz zuzustimmen. Nur aus Gründen der Gefälligkeit die Verfassungen der Länder in einem ganz bestimmten Punkt in einem Bundesverfassungsgesetz für beliebig zu erklären, das halte ich für verfehlt.

Ein zweiter Punkt, der uns wirklich sehr stört, ist: Der Österreichische Städtebund und der Österreichische Gemeindebund sind so wertvoll und wichtig, wie sie sind, und sie kommen auch an einer Stelle in der Bundesverfassung vor, aber es sind freiwillige Zusammenschlüsse.

Nunmehr sollen diese freiwilligen Zusammenschlüsse durch die Bundesverfassung in den Rang von Vertragspartnern gehoben werden, die für die Gemeinden Verträge abschließen können, ob die Gemeinden das wollen oder nicht.

Wir waren der Meinung, daß das unsymmetrisch ist, und haben verlangt, daß daher auch die einzelnen Gemeinden den Weg zum Verfassungsgerichtshof gehen können sollen, wenn in der Folge eine Vereinbarung zustande kommt, welche einer einzelnen Gemeinde anfechtungsbedürftig erscheint. Aber das ist nicht vorgesehen. Wiederum nur der Gemeindebund und der Städtebund können allenfalls den Verfassungsgerichtshof anrufen. Wenn Sie in dieser Form mit der Gemeindeautonomie umgehen, denn werden Sie uns Liberale nicht an Ihrer Seite finden.

Noch dazu scheint mir das Ganze in diesem Zusammenhang auch legistisch mißlungen zu sein, denn das, was Sie hier machen, sind Quasi-15a-Verträge. Wir haben im Ausschuß mit den Experten lange genug darüber gesprochen. Es sind keine Artikel-15a-B-VG-Verträge, sondern Quasi-15a-B-VG-Verträge. Die Anfechtungsmöglichkeiten, die Sie einräumen, die Überprüfungsmöglichkeiten, also die Antragslegitimation bezieht sich ausdrücklich auf Artikel 138 Abs. 1 B-VG. In diesem Artikel sind aber nur 15a-Verträge geregelt und nicht das, was Sie neu beschließen. Das heißt, Sie machen in Wirklichkeit eine "Schlaufe", die leerläuft.

Daher meine ich, es wird wohl sehr gut sein, wenn heute nur eine zweite Lesung stattfindet, denn möglicherweise wird bis zur dritten Lesung noch die eine oder andere Besinnung einkehren. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

12.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Freiwillige Redezeit: 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.32

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bis jetzt mehrere Argumente gehört, aber um die Kernfrage hat jeder herumgeredet. Wir haben in Österreich seit 1920 einen bestimmten Aufbau der Verwaltung im Lande, haben die Bundesländer, die Gebietskörperschaften, die Gemeinden. Wir haben eine hypertrophe Zweigleisigkeit in den Verwaltungen, und es ist höchste Zeit, durch eine Bundesstaatsreform in Österreich eine moderne Gliederung einzuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die längste Reise beginnt bekanntlich mit einem kleinen Schritt. Das Gesetz, das wir heute beschließen, ist der erste kleine Schritt auf einer langen Reise. Was wir heute machen, ist folgendes: Wir schaffen eine eigene verfassungsgesetzliche Grundlage dafür, daß die Länder und die Gemeinden mit dem Bund Verträge abschließen können. Nur darum geht es. Da kann man jetzt herumrabulistieren und sagen, das sei schlimm, und fragen, ob das 15a oder 15b sei. Meine Damen und Herren! Es ist so einfach (Abg. Mag. Stadler: Um das geht es nicht!) : Bund, Länder und Gemeinden sollen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abschließen können. Sie brauchen das, vor allem die Gemeinden brauchen das. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, was die Länder dem Bund vorwerfen, nämlich daß der Bund ständig den Ländern in den Hosensack fährt und ihnen das Geld herausnimmt, ohne sie zu fragen, werfen die Gemeinden den Ländern vor. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Das war ein altes Prinzip des deutschen Föderalismus. Die Bayern waren immer unglaublich föderalistisch gegenüber Bonn und haben ihre Gemeinden nach der Tradition des Grafen Montgelas geknechtet; österreichische Analogien sind mir fremd. Die Gemeinden müssen ihre Rechte bekommen, die Länder müssen ihre


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Rechte bekommen, und wir schaffen dafür die Grundlage. Um viel mehr geht es nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Auf der Grundlage dieses Verfassungsgesetzes soll dann ein Vertrag abgeschlossen werden, der zwischen den fünf Jahren des jeweiligen Abschlusses eines Finanzausgleiches die Finanzströme regelt und die Finanzkraft der Gemeinden und der Länder sichert. Es ist an sich eine kleine Sache, die aber wichtig ist: Alle fünf Jahre kommen Bund, Länder und Gemeinden als Finanzausgleichspartner zusammen, schauen, was an Einnahmen in den Staatstopf kommt, welche Aufgaben die einzelnen Gebietskörperschaften haben, und verteilen dann die Mittel aus dem Steueraufkommen auf die Gemeinden, auf den Bund und auf die Länder. Das findet alle fünf Jahre statt. Alle kommen schluchzend in die Verhandlungen, und alle gehen nach einem halben Jahr Verhandlungen zufrieden heraus.

Das Problem ist nur, daß in den fünf Jahren dazwischen derartige Finanzströme in der Vergangenheit nicht geregelt wurden und daher der Bund Gesetze beschließen konnte, die bedeuteten, daß die Länder, ohne dafür Geld zu bekommen, dafür bezahlen mußten. Das konnten Hunderte von Millionen Schilling sein. Dasselbe galt für die Länder, die den Gemeinden in den Sack gefahren sind.

Mit einem Konsultationsmechanismus – ein furchtbares Wortungetüm –, mit diesem Vertrag zwischen den drei Säulen unseres Gemeinwesens wird es in Zukunft so sein, daß derjenige, der ein Gesetz beschließt, also der Bund durch uns zum Beispiel, auch dafür bezahlt – es sei denn, es ist vorher eine andere Einigung getroffen worden. Das ist richtig, das entspricht dem Stabilitätskurs dieser Regierung, und das ist auch ehrlich und redlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Klubobmann der Freiheitlichen hat Professor Pernthaler angesprochen, einen eminenten Staatsrechtslehrer. Ich kann diesbezüglich beruhigen: Professor Pernthaler hatte größte Einwände dagegen, daß auch zu dem Zeitpunkt, zu dem Bundesgesetze bereits in diesem Hohen Haus oder Landesgesetze in den Länderparlamenten waren, die Länder beziehungsweise die Gemeinden sozusagen die Stopptaste hätten drücken und sagen können: Was im Landtag ist, kann nicht beschlossen werden, bis wir nicht zustimmen!, oder: Was im Nationalrat ist, kann nicht beschlossen werden, bevor es nicht konsultiert wurde! (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Das haben wir abgeändert. In Zukunft gestaltet dieser ganze Mechanismus nur die Sphäre bis zum Beschluß einer Regierungsvorlage, da wird konsultiert. (Abg. Mag. Stadler: Sein Einwand bezieht sich auf das einfache Quorum!)

Der zweite Punkt, der in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig ist, ist, daß wir endlich zu Schätzungen der Kosten, die durch Gesetze entstehen, kommen. Es ist für uns Nationalratsabgeordnete immer wieder schwierig. Wir bekommen Gesetzentwürfe der Bundesregierung, bei denen es ein Vorblatt gibt – sehr verdienstvoll –, auf dem steht: EU-Konformität gegeben, Kompetenz da und dort, Kosten.

Wenn der Minister und die Regierung wollen, daß das Gesetz durchgeht, steht dort: Kosten unwesentlich, oder: Kosten im ersten Jahr eine "A-Kraft" (Umstellung), zwei "B-Kräfte" und drei "Kanzleikräfte", im zweiten Jahr schon weniger, und im dritten Jahr kostet das nichts mehr. Wenn man dann hinterher schaut, was die Gesetze im Vollzug tatsächlich kosten, dann sieht man, daß da oft dreistellige Millionenbeträge herauskommen.

Daher ist es richtig, daß sich Bund, Länder und Gemeinden darüber klar werden, was ein Gesetz den einzelnen Gebietskörperschaften kostet. Der seinerzeitige Föderalismusminister, Minister für Verwaltungsreform Jürgen Weiss, hat in den Jahren seiner Ministerschaft ein umfangreiches Werk in Auftrag gegeben, das unter dem Titel "Was kostet ein Gesetz" erschienen ist. Es ist eine Schande, daß daraus noch nichts geworden ist. Als man unlängst im Bundeskanzleramt nachfragte, ob man einige überzählige Exemplare haben könnte, wurde uns mitgeteilt, man habe diese Exemplare der Altpapierverwertung zugeführt. – Gut, der Text ist erhalten, und aufgrund dieses Textes werden jetzt die Kostenschätzungen durch eine Kabinettsrichtlinie festgelegt und mit Bund und Ländern verhandelt. Das ist ein zweiter wichtiger Schritt.


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Ich habe zu Beginn meiner Rede gesagt, daß die Bundesstaatsreform absolut notwendig ist. Ich glaube, daß wir in den eineinhalb Jahren bis zu den Wahlen, die wir noch vor uns haben, unsere Gestaltungskraft nützen müssen, um zielbewußt die nächsten Schritte zu setzen. Der nächste Schritt muß sein, den Konsultationsmechanismus in den nächsten zwölf Wochen abzuschließen und dem Nationalrat vorzulegen. Der übernächste Schritt muß sein, den Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu beschließen. Das heißt, daß die Defizite in den Haushalten der Gemeinden, der Länder und des Bundes begrenzt und kontrolliert werden. Das ist im Sinne der Volkspartei als Partei, die einen finanziellen Stabilitätskurs verfolgt. Der nächste Schritt ist die Umsetzung des Perchtoldsdorfer Abkommens, das heißt, die Übertragung von Kompetenzen an die Länder und die Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit der Länder.

Wenn wir das noch mit einer Beseitigung der zweigleisigen Verwaltung in den Ländern verbinden, dann haben wir eine Bundesstaatsreform bewältigt, die wir heute mit einem bescheidenen, aber wichtigen Schritt beginnen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.40

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Khol, Sie haben gesagt, das sei der erste, wenn auch bescheidene Schritt zur Bundesstaatsreform. – Bescheiden ist er auf jeden Fall, aber ich weiß nicht, ob die Bundesstaatsreform gut beginnt, wenn der Bund in die Verfassungsrechte der Länder eingreift, und ob das speziell Ihrer Tradition, der der Volkspartei, in Föderalismusfragen entspricht. Die Grünen sind jedenfalls damit nicht einverstanden.

Zweitens: Sie haben gesagt, es ginge heute "nur" um die Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes. – Schön wär’s. (Abg. Dr. Khol: Der Länder und des Bundes!) Länder und Bund. Aber es geht eben nicht nur um diese Ermächtigungen, sondern der Gesetzentwurf geht trotz seines Titels weit darüber hinaus. Das ist eine Unsitte, die ich immer wieder hier im Hohen Haus beklage, daß nämlich unter irgendeinem Titel ganz andere Dinge mitverkauft werden. Ich werde dann gleich darauf zurückkommen.

Herr Kollege Khol! Gegen Artikel 1 Abs. 1 wäre ja nichts einzuwenden. Dieser enthält genau das, was Sie angeschnitten haben. Artikel 1 Abs. 2 ist legistisch ein bißchen problematischer, weil da nur von Kosten die Rede ist. Da haben wir die üblichen Terminologieprobleme: Im Bundeshaushaltsrecht beziehungsweise in der Geschäftsordnung ist zum Teil von "Ausgaben", von "finanziellen Auswirkungen" – jedenfalls terminologisch von ganz anderen Dingen – die Rede, die mit "Kosten" nicht identisch sind. Was der Konsultationsmechanismus eigentlich bedeutet, werden wir erst sehen. Davon gibt es bereits die x-te Variante. Ich stimme Ihnen dahin gehend zu, daß einige der schlimmsten Dinge inzwischen ausgeräumt sind. Nach den ersten Entwürfen wäre ja das parlamentarische Procedere des Bundes völlig auf den Kopf gestellt worden.

Ich stimme Ihnen auch dahin gehend zu, daß die zusätzliche Information, die da generiert werden soll, grundsätzlich zu begrüßen ist. Die Vorarbeiten im Finanzministerium dazu laufen schon seit längerer Zeit. Bei Ihrer Kritik des Vorblattes, Herr Kollege Khol, habe ich mir allerdings gedacht, daß das eine würdige Rede für einen Oppositionspolitiker wäre, denn während der letzten zehn Jahre wurden die Regierungsvorlagen immer noch von SPÖ und ÖVP gemacht. Die unvollständigen, zum Teil unverständlichen Vorblätter liegen zu 50 Prozent in Ihrer Verantwortung. (Abg. Dr. Khol: Ich rüge das immer! Bei den Regierungssitzungen rege ich das immer an!)

Zu Abs. 3 des Artikels 1: Dort wird der innerösterreichische Stabilitätspakt angeschnitten. Es gibt da ein Problem im Zusammenhang mit Artikel 104c des EG-Vertrages; doch über diesen innerösterreichischen Stabilitätspakt ist bis heute absolut nichts bekannt. In bezug auf den Konsultationsmechanismus haben wir verschiedene Entwürfe gesehen. Ich befürchte, daß sich der Bund da in eine unangenehme Ausgangsposition begibt, da er zwar über den Konsultationsmechanismus tendenziell eher Rechte zugunsten der Länder und Gemeinden abgibt, aber die


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Frage bleibt, ob dies nicht eine Eigendynamik bekommt, der Bund Rechte abgibt, die er über den Stabilitätspakt nicht wieder zurückbekommt.

Diese Fragen sind aus heutiger Sicht Peanuts. Letzten Endes ist der Kern tatsächlich der Artikel 2, in dem es um den Eingriff in die Verfassungsgesetzgebung der Länder geht. Ich denke mir manchmal: Gott sei Dank bin ich kein Jurist. Ich rätsle aber schon, was die Bestimmung in Artikel 2 Abs. 1 Z 3 heißen soll, die da lautet: "Die Genehmigung der Vereinbarungen kann in den Landtagen mit einfacher Mehrheit erfolgen."

Abgesehen davon, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber da eindeutig in die Verfassungsrechte der Länder eingreift – Kollege Stadler hat schon darauf hingewiesen, wie dies im Unterausschuß kritisiert wurde –, abgesehen davon, daß es sich um eine Anlaßgesetzgebung mit Rücksicht auf jene Länder handeln dürfte, in denen eine Zweidrittelmehrheit von SPÖ und ÖVP eben schwer zu erreichen ist, frage ich mich schon: Was heißt: "kann in den Landtagen mit einfacher Mehrheit erfolgen"? Wer bestimmt denn, ob der Landtag ein Verfassungsgesetz mit einfacher Mehrheit oder – wie es die Verfassung vorsieht – mit Zweidrittelmehrheit beschließt? Beschließt dann eine einfache Mehrheit, daß die einfache Mehrheit angewendet werden kann? – Ich finde, Sie begeben sich da verfassungsrechtlich in eine ganz eigenartige Situation.

Ich hoffe, daß die späteren Erörterungen über den Konsultationsmechanismus und insbesondere über den Stabilitätspakt, über den wir noch rein gar nichts wissen, den heutigen Entwurf des Bundesverfassungsgesetzes in seiner Bedeutung noch irgendwie relativieren können. Wie wir Artikel 2 Abs. 1 Z 3, der geradezu das Brechen der Verfassungsrechte der Landtage enthält, wieder reparieren können, steht noch in den Sternen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

12.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.46

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Eigentlich müßte dieses Gesetz bereits über die Bühne gegangen sein, denn wenn ich die Ausgabe der von uns allen geschätzten Zeitschrift "Kommunal aktuell" von Jänner 1997 zur Hand nehme, sehe ich, daß dort steht, daß "Anfang Jänner 1997 die Beschlußfassung des Konsultationsmechanismus durch das Parlament erfolgt ist". (Abg. Dr. Schmidt: Wer ist der Herausgeber dieser Zeitung?) Der steht hier nicht. (Abg. Dr. Schmidt: Das würde die Sache vielleicht erklärbar machen!)

Hier steht aber, worum es geht. Ich meine, daß der Inhalt des Zeitungsartikels und das, was inzwischen passiert ist, schon wichtig ist. Die Zwischentitel lauten: "Einzigartige Zusammenarbeit europaweit." – Das betrifft die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie Städten. Und weiters: "Ein hohes Maß an Verantwortung" und "sparsame, wirtschaftliche und zweckmäßige Vollziehung" und dergleichen mehr steht hier zu lesen.

Dieser Artikel ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert; jedenfalls zeigt er, daß sich das Parlament durchaus seiner Rechte bewußt ist, wenn es nämlich um seine eigenen Rechte geht. Und das zeigt weiters, daß wir Präsidenten an unserer Spitze haben, die in solchen Situationen ihre Stimme erheben und sagen: Auf diese Art und Weise können wir uns das nicht vorstellen. – Das ist meiner Meinung nach für Parlamentarier eine gute und wichtige Erfahrung.

Dies ist auch ein Gesetzentwurf – das ist ein Vorteil, Kollege Van der Bellen –, den man tatsächlich auch hier vom Rednerpult aus in einigen Minuten Punkt für Punkt durchgehen kann. (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Solche Gesetzentwürfe haben wir ja nicht jeden Tag – bei manchen stünden Sie einige Stunden hier –, aber der vorliegende ist von einer derartigen Klarheit, daß es auch an der Überschrift eigentlich nicht sehr viel auszusetzen gibt. Es geht um eine Ermächtigung, wobei wir für das Wort "Ermächtigung" – das gebe ich zu – keine bessere Bezeichnung gefunden haben. So ganz gefällt es uns allen nicht, aber es geht darum, daß sowohl der Konsultations


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mechanismus als auch der Stabilitätspakt abgeschlossen werden können. Dafür schaffen wir verfassungsmäßig eindeutige Voraussetzungen.

Da darf ich schon auf die Ausführungen des Kollegen Stadler und die einiger anderer Vorredner eingehen, die Experten aus der Ausschußsitzung zitiert haben. Ich meine, es war eine ziemlich selektive Wahrnehmung, die vorhin Kollege Mag. Stadler hier vorgenommen hat, als er nämlich Professor Pernthaler zitiert hat, daß das eine "Katastrophe" sei. Mit dem Wort "Katastrophe" hat Abgeordneter Stadler recht gehabt; dieses Wort ist gefallen. (Abg. Dr. Fuhrmann: Welcher Bärentaler? – Abg. Dr. Haider: Was ist da los? – Heiterkeit.) Professor Pernthaler hat aber gesagt – Pernthaler, der Verfassungsrechtler aus Innsbruck –, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber selbstverständlich, wie es in der mehrfach zitierten Bestimmung des Artikels 2 steht, in diese Materie eingreifen kann, weil das Bundes-Verfassungsgesetz dies auch mehrfach tut. – Professor Pernthaler hat Bedenken föderalismuspolitischer Art geäußert und gesagt, das sei "föderalismuspolitisch eine Katastrophe". Das hat Professor Pernthaler tatsächlich gesagt. Er hat das aber verfassungsrechtlich ebenso ausdrücklich als "zulässig" bezeichnet. – Und es ist, meine ich, schon wichtig, das festzuhalten.

Es wurde auch von allen Experten betont, daß man offensichtlich nicht beides haben kann: einen Konsultationsmechanismus, der von allen begrüßt wird, einen Stabilitätspakt, der von allen als wichtig erachtet wird, und gleichzeitig dessen Umsetzung oder ein Inkrafttreten, welches erst dann möglich ist, wenn alle Landtage zugestimmt haben. Das geht ohne eine solche Bestimmung nicht – das ist realpolitisch einfach ein Faktum –, und diese Bestimmung ist verfassungsrechtlich zulässig. Daher meine ich, daß wir sie in dieser Form beschließen können.

Wir können und werden dieses Gesetz aber erst dann endgültig beschließen – auch darauf ist ausdrücklich Wert zu legen –, wenn wir die Texte zum Stabilitätspakt und zum Konsultationsmechanismus wirklich kennen, wenn wir auch unsere Interessen als Abgeordnete wahrgenommen haben und in Zukunft bei der Gesetzgebung wahrnehmen können, wenn wir feststellen, daß die vom Volk an das Parlament übertragene Souveränität auch tatsächlich ausgeübt werden und nicht durch irgend jemanden, den niemand kennt, behindert werden kann, was ich für ganz wichtig halte. Also wenn all diese Punkte auf dem Tisch liegen, werden wir dieses Gesetz auch in dritter Lesung beschließen können.

Heute nachmittag steht im Rahmen des Unterrichtskapitels ein Punkt auf der Tagesordnung, bei dem dieser Konsultationsmechanismus unmittelbar zum Tragen käme. In den Berufsschulen soll es nämlich in Zukunft möglich sein, daß zusätzlicher Unterricht für jene stattfindet, die sich auf die Berufsreifeprüfung – eine Maßnahme, die das Parlament beschlossen hat – vorbereiten wollen. Laut neuem Lehrplan der Berufsschulen gibt es diese Möglichkeit zur Berufsreifevorbereitung. Berufsschulen sind nun allerdings auch Ländersache; die Länder sind Schulerhalter, und sie zahlen einen Teil der Kosten für die Berufsschullehrer. Daher könnte jedes Land nach dieser Sitzung des Unterrichtsausschusses in einem solchen Fall sagen: Wir wollen darüber nochmals Konsultationsverhandlungen führen!

Ich habe beim Schulgesetz über die Integration behinderter Kinder selbst erlebt, daß die einen Bundesländervertreter gesagt haben, das werde 10 Millionen Schilling kosten, und die anderen Bundesländervertreter gemeint haben, das werde 100 Millionen Schilling kosten. – Nach dem ursprünglichen Entwurf wäre dieses Werk zum Stillstand gekommen, und wir könnten eine so einfache Sache wie zusätzlichen Unterricht in der Berufsschule nicht einmal beschließen.

All diese Bedenken konnten inzwischen ausgeräumt werden, sodaß wir diesem Gesetzentwurf heute mit gutem Gewissen in zweiter Lesung zustimmen können. Es ist ein wichtiger Schritt hin zu einem kooperativen Bundesstaat. Es ist ein ganz wichtiger Schritt hin zu jenen Mechanismen des politischen Aushandelns, die man zunehmend unter dem Begriff "Runder Tisch" kennt. Und es ist sicherlich auch ein wichtiger Schritt – über die anderen möchte ich mir noch gar nicht den Kopf zerbrechen – hin zu einem besseren Verständnis zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften, zwischen Bund, Nationalrat, Landtagen, Gemeinden und Städten. Insofern ist dieser


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Konsultationsmechanismus auch ein wichtiges Gesetz im Rahmen unseres Bundesstaates. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.54

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es war einmal – das klingt tatsächlich wie ein Märchen –, da sprach man von der "Architektur der Verfassung" und hat das im positiven Sinne gemeint, daß die Architektur eben schön sei und man diese Schönheit nicht verändern solle. Nun kann man Architektur sehr wohl verändern, auch in einer ganz anderen Weise, als sie sich ursprünglich darstellte. Der Redoutensaal etwa ist dafür meiner Meinung nach ein sehr gutes Beispiel; dort wurde Modernes eingefügt, was zwar mit den alten Wänden sozusagen nicht übereinstimmt, aber harmoniert.

Aber mit diesem Gesetz – und es ist dieses nicht das einzige – sind wir vom "Redoutensaal" noch meilenweit entfernt. Wir sind eher bei einem Redoutensaal, der verwinkelt ist, mit kleinen Treppchen, mit kleinen Zimmern, mit Zwischenmauern und allem Möglichen, was die Nützung dieses Raumes eher hindert. Ich sehe ja wohl, daß unsere Verfassung zum Teil eine Architektur aufweist, die es sehr erschwert, bauliche Maßnahmen in klarer, übersichtlicher Form anzufügen. Da sind etwa die Kompetenzbestimmungen, die Kompetenzverteilungen in unserem Bundesstaat, die in einem Punkt – jedenfalls in einem Punkt – zu kritisieren sind: Man kann sagen, die Gebietskörperschaften dürfen Dinge tun und beschließen, wofür sie kein Geld haben. Unter diesem Aspekt ist so etwas Ähnliches wie ein Konsultationsmechanismus vielleicht ein gutes Motiv für eine Verfassungsreform.

Wenn man sich aber einmal ansieht, was alles in letzter Zeit geschehen ist, wenn man dazu noch einen internationalen Vergleich zieht, so stellt man folgendes fest: Es gibt die Landeshauptleutekonferenz, die Landesamtsdirektorenkonferenz und die Integrationskonferenz der Länder. Der Konsultationsmechanismus wird demnächst auch in Geltung kommen; wir haben die ersten Schritte dazu gesetzt. Vergleicht man das etwa mit den diesbezüglichen Gegebenheiten in der Bundesrepublik Deutschland, so sieht man, daß dies Kompetenzen sind, die dort zu einem großen Teil vom Bundesrat wahrgenommen werden, und dieser ist in der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen ein Organ der Landesexekutive.

So besehen schärft das den Blick darauf, daß wir bei uns in Österreich permanent die Exekutive stärken und nicht unseren Bundesrat und damit Wege beschreiten, die an unserem Bundesrat vorbeiführen. – Ich meine, diese Architektur ist unschön. Sie ist schief, sie schwankt.

Nun noch einige Bemerkungen zum vorliegenden Gesetzentwurf. Auch ich meine, daß der Titel – wie das mehrere meiner Vorredner schon gesagt haben – unrichtig ist. Es handelt sich dabei durchaus nicht nur um ein "Bundesverfassungsgesetz, mit dem der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund ermächtigt werden" und so weiter. Es handelt sich dabei nicht nur um Ermächtigungen, die in diesem Gesetzestext geschrieben stehen. Ich möchte nur zwei Beispiele anführen:

In Artikel 2 Abs. 2 wird Artikel 138 a Abs. 1 B-VG erweitert und ergänzt. In Artikel 3 wird Artikel 137 B-VG erweitert und ergänzt. – Das hat mit Ermächtigungen nichts mehr zu tun, sondern das sind Eingriffe in die Bundesverfassung jenseits einer schönen Architektur. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was wir hier vielmehr vor uns haben, ist ein Maßnahmengesetz, ein Gesetz, welches die Grundlage für bestimmte Maßnahmen – und das nur temporär – gewähren soll. Artikel 2 zeigt das ja ganz deutlich: "Auf die Vereinbarungen gemäß Artikel 1 sind die für Vereinbarungen gemäß Artikel 15a Abs. 1 B-VG geltenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften mit folgenden Abweichungen anzuwenden": erstens, zweitens, drittens, wobei drittens die schon erwähnte antiföderalistische Maßnahme mit dem Eingriff in die Landesverfassungen darstellt.


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Aber auch der weitere Inhalt dieses Gesetzes überrascht, und zwar gerade unter dem Gesichtspunkt der Architektur, denn er bringt tatsächlich Neues. Es ist ja schon gesagt worden, daß auf dieser Grundlage eine neue Art von Vereinbarungen abgeschlossen werden kann, die eben nicht Artikel-15a-Vereinbarungen sind, sondern Vereinbarungen sui generis sein werden.

Auch in diesem Zusammenhang will ich einen Kritikpunkt zum Inhalt anbringen. Wenn es im Artikel 2 Abs. 2 heißt – ich sage das verkürzt –: Gemeindebünde sind berechtigt, Anträge gemäß Artikel 138a Abs. 1 B-VG zu stellen, und wenn dann dort steht, daß eben andere Organe beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen können, ob eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 15a Abs. 1 vorliegt – und es ist das eine neue Art von Vereinbarung –, so müßte eigentlich der Verfassungsgerichtshof permanent diese Frage verneinen, weil das eben keine Artikel-15a-Vereinbarungen sind.

Herr Klubobmann Khol hat gesagt, dieser Gesetzentwurf sei ein erster Schritt in Richtung Bundesstaatsreform. – Wenn dem so ist, dann muß ich sagen: Dieser Schritt geschieht – ich wollte eigentlich sagen: mit einem eingegipsten Bein –, nein, ich korrigiere mich: Dieser Schritt geschieht nicht einmal mit einem eingegipsten oder geschienten, sondern mit einem gebrochenen Bein; vielleicht sogar mit zwei gebrochenen Beinen. Und es ist nicht der Schritt, den ich mir in Richtung einer vernünftigen und notwendigen Bundesstaatsreform vorstelle.

Vielleicht ist die einzig positive Bestimmung dieses Bundesverfassungsgesetzes der Artikel 4, der da lautet: "Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt gleichzeitig mit den in Artikel 1 genannten Vereinbarungen außer Kraft. Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt weiters außer Kraft, wenn die Vereinbarungen gemäß Art. 1 bis zum Ende dieser Gesetzgebungsperiode nicht zustande kommen." – Das ist der einzig positive Punkt, den ich an diesem Bundesverfassungsgesetz, das mit Sicherheit beschlossen werden wird, sehe. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.00

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist interessant, daß Herr Präsident Brauneder im Ausschuß wesentlich andere Stellungnahmen abgegeben hat als hier vom Rednerpult aus. Es geht bei diesem Verfassungsgesetz, das wir jetzt beschließen, im Grunde darum, daß die drei Gebietskörperschaften gleichberechtigt mitein-ander Konsultationen, Beratungen vornehmen und Verträge abschließen können. Bund, Länder und Gemeinden sollen gleichberechtigt sein und gleichberechtigt auch verschiedene Dinge für sich regeln können. Das ist das Wesentliche. Das wollen wir ermöglichen, und darum geht es eigentlich bei diesem Bundesverfassungsgesetz, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist richtig, wie Abgeordneter Khol gesagt hat, daß dieses partnerschaftliche Verhältnis, insbesondere was die Gemeinden, die Städte angeht, in der Vergangenheit nicht so beachtet worden ist, wie wir das gerne haben möchten. Die Gemeinden und die Städte sind in diesem staatlichen Gemeinwesen für uns genauso Partner wie Bund und Land, und sie sollen nun zusammenwirken können. Wenn die finanziellen Überlegungen im Vordergrund dieser Konsultationen stehen, die nun ermöglicht werden, so ist das verständlich, denn es geht natürlich in erster Linie um Finanzfragen, wenn zusammengearbeitet werden soll und zusammengearbeitet werden muß.

Lassen Sie mich aber einige Grundvoraussetzungen für unsere Seite noch einmal klar skizzieren und klar festlegen. Die erste Grundvoraussetzung ist, daß diese Konsultationen auf der Ebene der Regierungen zu erfolgen haben: Bundesregierung, Ministerrat mit Landesregierungen, mit den Verantwortlichen der Städtebünde und des Gemeindebundes. Es soll also nicht eine Konsultation sein, die in die Gesetzgebung unmittelbar eingreift, sondern eine, die die Gesetzgebung im wesentlichen unbeeinflußt läßt. Natürlich soll die Gesetzgebung Rücksicht nehmen auf das, was vereinbart worden ist.


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Ein zweiter wichtiger Punkt ist für uns, daß die Regierungsvorlage, und zwar die 15a-Vereinbarung, die vorgelegt worden ist, grundsätzlich überarbeitet wird. Es ist im Ausschuß bereits festgelegt worden, daß ein Expertenteam eine neue 15a-Vereinbarung auszuarbeiten und vorzulegen hat.

Ein dritter Punkt ist – und der ist ganz wesentlich –, daß gleichzeitig mit der Konsultationsvereinbarung auch der Stabiliätspakt zustande kommen soll. Für uns ist dieser Stabilitätspakt klar. Es geht dabei um ein Verfahren, das es möglich macht, daß übermäßige Defizite nicht zustande kommen beziehungsweise daß diese, sollten sie doch zustande kommen, gleichgültig wo sie entstehen, auch abgebaut werden können.

Ein letzter und für uns wichtiger Punkt ist, daß das alles natürlich im Zusammenhang mit der Bundesstaatsreform gesehen wird. Ich sage hier ganz offen für meine Fraktion: Die Vorschläge, die vor einigen Wochen von Herrn Abgeordneten Kostelka diesbezüglich vorgelegt worden sind, sind interessant, aber sie bringen uns der Lösung des Problems nicht näher. Für uns ist es wichtig, daß die Zweigleisigkeit – mittelbare Bundesverwaltung und Landesverwaltung – beseitigt wird, daß wir zu einem Behördenaufbau, zu einem Verfahren kommen. Besonders wichtig ist das für den gesamten Bereich des Anlagengenehmigungsverfahrens. Da wollen wir sehr rasch erreichen, daß einheitliche Behörden eingerichtet und einheitliche Verfahren geschaffen werden.

Und natürlich ist auch ein dritter Schritt, ein letzter Schritt wichtig, nämlich die Neuordnung der Kompetenzen, meine Damen und Herren. Für uns bedeutet das ein neues Verständnis zwischen Bund, Ländern, Gemeindebund, Städtebund. Wir erwarten, daß ein partnerschaftliches Verhältnis aufgebaut wird. Es geht aber nicht darum, daß irgendwelche Rechte gegenseitig ausgetauscht werden, sondern daß man eben partnerschaftlich miteinander umgeht. Wenn uns das gelingt, haben wir einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dem bundesstaatlichen Prinzip in unserer Verfassung zum Durchbruch zu verhelfen, das bundesstaatliche Prinzip, das ganz wesentlich ist für unser Gemeinwesen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kampichler. – Bitte.

13.05

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zum Unterschied von meinem Vorvorredner, dem Herrn Abgeordneten Brauneder, finde ich sehr viel Positives an der heutigen Beschlußfassung. Wir schaffen mit dem heutigen Beschluß eines Bundesverfassungsgesetzes über die Ermächtigung des Gemeinde- und des Städtebundes die Grundlage für das Funktionieren des Konsultationsmechanismus. Wir schaffen damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Fundament dafür, daß die Städte und Gemeinden als ebenbürtige Verhandlungspartner auftreten können, wenn es um neue Gesetze geht. Mein Klubobmann, Herr Dr. Khol, hat das bereits sehr präzise ausgeführt.

Es wird dadurch in Zukunft nicht möglich sein, daß den Kommunen ohne deren Zustimmung von Bund oder Land durch Gesetze oder Verordnungen finanzielle Belastungen aufgebürdet werden. Die Gemeinden und Städte sind damit in der Lage, ihre Infrastruktur zu erhalten und auszubauen und weiterhin als größter Auftraggeber Arbeitsplätze abzusichern.

Meine geschätzten Damen und Herren! Als Bürgermeister bin ich sehr froh darüber, daß es heute zu dieser Beschlußfassung kommt – ich spreche hier im Namen zumindest der ÖVP-Bürgermeister in diesem Saal, in ganz besonderer Weise natürlich im Namen des Vizepräsidenten des Gemeindebundes, Hermann Kröll –, denn gerade in Zeiten, in denen öffentliche Haushalte zu rigorosen Sparbudgets gezwungen sind, ist die Gefahr sehr groß, daß diese Sparmaßnahmen die letzten in der Kette der Verteilung der Steuermittel am härtesten treffen.

Geschätzte Damen und Herren! Die Gemeinden sind jene Körperschaften, die am nächsten beim Bürger sind; und jede Entscheidung in den Gemeinden wirkt sich für alle Bürger spürbar aus. In den Gemeinden merkt die Bevölkerung die Auswirkungen der Politik am deutlichsten und


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kann auch unmittelbar Druck ausüben. Es ist streng darauf zu achten, daß die Gemeinden nicht zwischen den beiden Druckblöcken zu Schaden kommen.

Ich kann Ihnen aber versichern, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gemeinden werden das neue Instrument sehr verantwortungsbewußt handhaben. Unsere Verhandler werden immer sehr streng darauf achten, daß es unter den Gebietskörperschaften nicht zu Lastenverschiebungen durch Gesetze oder Verordnungen kommt und daß die Kosten einer Gesetzesänderung sehr deutlich dargestellt werden. Damit ist auch ein zweiter positiver Effekt, und zwar der Effekt der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit zu erwarten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ermächtigungsgesetz ist die Voraussetzung zum Abschluß eines Konsultationsmechanismus, der auch die Haushalte der Gemeinden schützt. Diesem Schritt muß unbedingt der zweite Schritt folgen. Es müssen sehr rasch die Vereinbarungen über den Konsultationsmechanismus abgeschlossen werden. Im Interesse aller Gemeinden appelliere ich an die Verhandlungspartner, auch diese Materie erfolgreich abzuschließen.

Namens der Gemeinden möchte ich mich sehr herzlich für den Weitblick aller Verhandlungspartner und für die generelle Bereitschaft, diesen Konsultationsmechanismus einzurichten, bedanken. Das erzielte Ergebnis ist nicht nur ein großer Erfolg für die Länder und Gemeinden, sondern ein großer Erfolg für das gesamte Staatswesen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.09

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Daher ist die Debatte geschlossen.

Von seiten des Berichterstatters wird kein Schlußwort gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung, und ich bitte, die Plätze einzunehmen, weil es sich dabei um eine Zweidrittelmaterie handelt.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 974 der Beilagen. Da es sich bei der Vorlage um ein Bundesverfassungsgesetz handelt, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Zahl der anwesenden Mitglieder des Hauses fest.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die der Vorlage zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Im Hinblick auf die Präsenz bei der Opposition stelle ich fest, daß die Vorlage mehrheitlich, und zwar mit der verfassungsgesetzlich erforderlichen Zweidrittelmehrheit, angenommen wurde.

Entsprechend einem Einvernehmen in der Präsidialkonferenz schlage ich gemäß § 74 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, die dritte Lesung auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen.

Ich unterbreite diesen Vorschlag dem Hohen Haus und bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, daß die dritte Lesung vertagt wird, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit so angenommen.

Damit ist der 1. Punkt der Tagesordnung erledigt.

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 533/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich (Stellenbesetzungsgesetz) (975 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Wünscht der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Stippel, das Wort? – Dies ist nicht der Fall.


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Wir gehen daher sofort in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Haider. Redezeit: 12 Minuten. – Bitte.

13.11

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In einer Reaktion auf die tragischen Vorkommnisse anläßlich des Freitodes von Dr. Praschak bei der Oesterreichischen Kontrollbank hat der amtierende Bundeskanzler fünf Punkte verkündet, denen zufolge es jetzt eine Transparenz bei der Stellenbesetzung in öffentlichen Unternehmensbereichen geben soll. Es ist dies eine Ankündigung, die als solche nicht notwendig gewesen wäre, wenn man weiß, daß über Initiative des damaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky bereits im Jahre 1982, nämlich am 29. Oktober 1982, ein diesbezügliches Gesetz verabschiedet wurde, in dem ebenfalls eine Vergabe öffentlicher Funktionen in öffentlichen Unternehmungen vorgesehen war, aber dieses Gesetz wurde offenbar überhaupt nicht zur Anwendung gebracht. Deshalb hat man eben jetzt wieder eine Pflichtübung gemacht, indem man gesagt hat: Die Angelegenheit mit dem Herrn Praschak ist peinlich genug, wir decken das zu, indem wir sagen, wir machen ein neues Gesetz.

Klima dekretierte fünf Punkte, aber kaum war es getan, hat man die Dinge schon wieder vergessen. Kaum war der Fall Praschak ein bißchen vergessen, hat man schon wieder weitergemacht wie bisher. Ich denke nur daran, daß etwa der Vorstand der Österreichischen Bundesbahnen ohne entsprechende Berücksichtigung dieser Glaubensbekenntnisse, wie sie hier niedergelegt worden sind, von drei auf fünf aufgestockt worden ist: Während man gleichzeitig an die 9 500 Eisenbahner abbaut, erhöht man den Vorstand, weil der Sekretär von Herrn Landeshauptmann Pröll, von der SPÖ zugestanden, versorgt werden mußte. Und da mußten natürlich zwei, ein Roter und ein Schwarzer, im Vorstand aufgestockt werden.

Das gleiche spielt sich in der österreichischen Mineralölwirtschaft ab, wo 1 000 Leute abgebaut werden, aber entgegen diesen Ankündigungen, daß bei solchen Unternehmungen besondere Vorsorgepflichten der öffentlichen Hand vorliegen, wird der Vorstand auf sechs Personen erhöht, damit der Sekretär von Minister Klima, Marc Hall, noch eine Position bekommt.

Dasselbe haben Sie bei der Post, wo der abgehende Wirtschaftsminister Ditz als Finanzdirektor Unterschlupf findet und gleichzeitig dafür verantwortlich dafür ist, daß 10 000 Postler ihren Arbeitsplatz verlieren.

Das alles, meine Damen und Herren, sind Vorgangsweisen, die weder dem Gesetz 1982 noch dem entsprechen, was Klima in seinen fünf Punkten vorgegeben hat, noch dem entsprechen, was Sie heute gesetzlich beschließen wollen.

Oder ein anderes Beispiel aus der jüngsten Zeit: Herr Universitätsprofessor Heinrich Otruba bestätigt in einem Brief vom 2. September 1997, daß, obwohl ein aufrechtes Ausschreibungsverfahren läuft, ihn Minister Einem, zuständiger Minister für die neue Telekommunikationskontroll GesmbH gewonnen hat. Einem hat ihm gesagt, es läuft zwar noch die Ausschreibung, aber, lieber Otruba, mach’ du das, wir kümmern uns doch gar nicht um das Ausschreibungsergebnis, sondern entscheidend ist, daß wir unsere Freunde dort unterbringen. Das bestätigt Professor Otruba sogar noch mit Brief und Siegel in einem Dokument, das uns hier vorliegt.

Oder schauen Sie sich an, was sich in der Steiermark mit der Frau Konrad abgespielt hat! Es läuft ja alles auf derselben Ebene. Nur durch den Druck der Öffentlichkeit haben Sie sich korrigieren müssen, weil der Sozialdemokratie selbst der Boden zu heiß geworden ist.

Und wenn Sie nach Salzburg schauen: Dort führt ein sozialistischer Landeshauptmannstellvertreter sogar eine Datenkartei, in der penibel ausgerechnet wird, wie viele rote und schwarze Abteilungsleiter in welcher BH, in welcher Abteilung der Landesregierung noch nachzubesetzen sind, damit der Proporz unter den Mächtigen in diesem Lande stimmt.

Das sind die Dinge, meine Damen und Herren, wo Sie immer wieder demaskiert werden im Hinblick auf Ihre schönen Ankündigungen, die Sie in Gesetze fassen, aber bevor das Gesetz noch


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beschlossen wird, werden Sie zu Verfassungsbrechern, weil Sie Menschenrechte, Bürgerrechte mit Füßen treten, weil Menschen durch Parteibücher traktiert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Thema beschäftigt uns deshalb, weil es meiner Meinung nach bezeichnend ist, daß nicht einmal der Fall Praschak zu einem Umdenken geführt hat. Da scheidet jemand aus dem Leben, weil er die Art und Weise, wie mit Parteibüchern Druck ausgeübt wird, wie politischer Druck bei Postenbesetzungen im öffentlichen Bereich gemacht wird, nicht mehr aushält; das ist ja ausreichend dokumentiert. Und nicht einmal das führt dazu, daß Sie sich Ihren Stil abgewöhnen!

Und wenn man sich ansieht, wie da argumentiert worden ist: Mit Engelszungen wurde die Öffentlichkeit beschworen: Wir brauchen drei Vorstandsdirektoren in der Oesterreichischen Kontrollbank! – Es mußte ja der scheidende Minister Scholten versorgt werden. Scholten war ja, wie Sie wissen, in der Kontrollbank, aber er hat keinen Anspruch auf den Posten eines Vorstandsdirektors gehabt. Also mußte man einen dritten schaffen, um sozusagen Scholten dort hineinzukatapultieren. Aber jetzt auf einmal, wo Praschak ausgeschieden ist, braucht man keinen dritten Vorstandsdirektor mehr, jetzt genügen wieder zwei. Und warum mußte Scholten dort hinein? – Um all die Verfehlungen und finanziellen Manipulationen der Politiker von Rot und Schwarz in der Kontrollbank sozusagen unter den Teppich zu kehren.

Ein letzter Fall. – Ich frage Sie, meine Damen und Herren, ich frage Sie, Herr Staatssekretär: Warum sitzt etwa bei Wirtschaftsverhandlungen in Moskau, anläßlich des Besuchs von Bundeskanzler Klima, dem Bundeskanzler nicht der österreichische Botschafter zur Seite, wie das üblich ist, sondern der Herr Direktor der Oesterreichischen Kontrollbank, Scholten, und führt dort die Verhandlungen? Warum ist zwei Tage vorher Altbundeskanzler Vranitzky in Moskau zu entsprechenden vorbereitenden Verhandlungen über offene Fragen der kontrollbankfinanzierten Kredite Österreichs für Rußland? Warum braucht man Scholten dort? – Aus einem ganz einfachen Grund: Man hat eine Reihe von Projekten finanziert, wo das Geld verschwunden ist.

Beispiel 1 – ich nenne Ihnen ein Beispiel, damit wir uns leichter tun in dieser Frage –: Da gab es doch, auch in den Medien sehr beachtet, die Stiftung des Österreich-Platzes in St. Petersburg. St. Petersburg wurde von der Kanzlergattin, Christine Vranitzky, im Beisein des Herrn Bundeskanzlers Vranitzky mit großem Gepränge – Maderthaner, glaube ich, war auch dabei, ebenso viele andere – eingeweiht. Österreich stiftete mit österreichischen Geldern den Österreich-Platz. Finanziert hat das die Creditanstalt mit einem Kreditrahmen, der in die Milliarden geht. Besichert ist dieses Geschäft, aus dem auch der Österreich-Platz finanziert wurde, mit einem Kredit der Oesterreichischen Kontrollbank, und gemanagt hat das der Bürgermeister von St. Petersburg, der, wie man Medienberichten entnehmen kann, ein dicker Freund des Altkanzlers, der Frau Altkanzlerin, aber auch des Herrn Bundeskanzlers Klima ist, der ja auch bei diesem Festakt dabeigewesen ist. Nur sitzt dieser Bürgermeister von St. Petersburg in der Zwischenzeit wegen Betruges und Unterschlagung im Gefängnis, und es taucht jetzt plötzlich bei der neuen Administration in St. Petersburg die Frage auf: Wo ist denn das Geld, das Österreich für den Österreich-Platz zur Verfügung stellen will? Das Geld ist nie angekommen.

Der gute Freund der Familien Vranitzky und Klima, die bei der Eröffnung mit dem Altbürgermeister zusammen waren, dürfte irgend etwas mit diesen Finanzmitteln gemacht haben. Deshalb muß der gute Freund Scholten in Moskau am Verhandlungstisch sitzen, um den Mantel des Schweigens über ein grobes finanzielles Debakel der österreichischen Bundesregierung, des Alt- und des Neukanzlers zu breiten. – Das ist die Realität! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Milliarde Schilling ist auf der Strecke geblieben. Das ist auch der Grund, warum Sie Postenbesetzungen nach roten und schwarzen Gesichtspunkten machen müssen: Weil der Herr Scholten der verläßlichste Partner beim Zudecken statt beim Aufdecken von Mißständen ist, weil dort österreichisches Geld verschwendet wurde, weil dort in kriminelle Bereiche hineingearbeitet worden ist und weil Sie selbst wissen, daß da etwas nicht in Ordnung ist, bedienen Sie sich Ihrer Parteibuchakrobaten, die letztlich zum Schaden der österreichischen Steuerzahler tätig werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Das ist der Grund, warum wir sagen, das alles ist in einem hohen Maße unglaubwürdig. Sie interessiert das alles ja nicht, es geht ja "nur" um Milliardenbeträge, es geht ja "nur" um Haftungen der Oesterreichischen Kontrollbank. Es geht ja "nur" darum, daß der österreichische Steuerzahler bereits mit mehr als 103 Milliarden Schilling bei der Oesterreichischen Kontrollbank die Ausfallshaftung zu übernehmen hat, und zwar die Ausfallshaftung für Kredite an Osthandelsländer, die heute bereits nicht mehr einbringlich sind. Das wissen Sie ja alle. Aber da geht es nur um "kleine" Summen, dafür zahlt ja der Steuerzahler. 103 Milliarden Schilling sind ja keine große Summe, die hier unterzubringen ist, aber dafür büßen die Bürger dann mit Sparpaketen. – Das sind die Dinge, die wir Ihnen anläßlich dieser Debatte vorhalten wollen.

Wir wissen ganz genau, daß Sie sich nicht ändern werden – auch durch dieses Gesetz nicht, denn dieses Gesetz ist so zahnlos wie vieles andere auch. Und wir wissen auch ganz genau, daß Sie sich nicht ändern wollen , sonst hätten Sie ja seit dem Fall Praschak die Gelegenheit ergriffen, bei der Post, bei der OMV, bei den ÖBB zu zeigen, daß es Ihnen ernst damit ist. Sonst müßten Sie nicht Computerlisten in den Landesregierungen führen, wie die Parteigenossen organisiert sind, und wo noch Posten nachzubesetzen sind. Sonst müßten Sie nicht mit Parteibuchdiktat arbeiten und sonst müßten Sie nicht den Herrn Scholten nach Moskau schicken, damit er dafür sorgt, daß die finanziellen Debakel, die ein Altkanzler und ein Neukanzler zu verantworten haben, nicht vor den Augen der Österreicher ausgebreitet werden.

Das ist es, was Sie tun: Sie erzeugen einen Staat, in dem das Unrecht zum Prinzip erhoben wird. Sie erzeugen einen Staat, in dem die Mißverwaltung durch die Macht Ihrer Parteibücher unter den Teppich gekehrt werden soll. Und Sie erzeugen damit eine Diskussion, die wir führen werden, und die so lange nicht zur Ruhe kommen wird, solange Sie nicht bereit sind, die Karten auf den Tisch zu legen und uns auch hier offen darüber zu informieren, wo denn die Geldbeträge sind, die in der Geschenkpolitik von Altkanzler und Neukanzler plötzlich verschwunden sind! Gute Parteigänger sollen dann schnell den Mantel des Schweigens darüber breiten, damit die Österreicher ja nicht erfahren, wie angeblich anständige Sozialdemokraten mit den Geldern der Steuerzahler umgehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

13.23

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! – Herr Kollege Haider! Sie haben es zustandegebracht, zu einem Tagesordnungspunkt, der da lautet: Beschlußfassung über ein neues Gesetz, so gut wie überhaupt nichts zu sagen, außer, das Gesetz sei zahnlos. Sie sind uns dafür jede Rechenschaft und jedes Argument schuldig geblieben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich an sich natürlich mit dem Gesetz befassen, aber es ist relativ schwer, nach einem Paradefall Ihrer Politik, die Sie uns hier permanent vorführen, sachlich zu bleiben. Ich möchte mich daher ganz kurz mit der Frage auseinandersetzen, mit welcher Rechtfertigung Sie sich eigentlich hierher stellen und relativ schwer nachvollziehbare Dinge behaupten. Sie stellen zum Beispiel Dinge in den Raum, wie: Da muß irgend jemand irgend etwas getan haben, meine Damen und Herren, und das sind ja die Punkte, über die wir hier reden.

Ich glaube, es ist müßig, darüber zu reden, daß diese Art und Weise, diese Art der Politik, natürlich eine Politik ist, die wir jedenfalls nicht haben wollen. Das ist eine Politik, durch die letztlich nicht mehr klar erkennbar sein soll, wofür eine Partei eigentlich steht. Das haben Sie uns ja besonders eindrucksvoll bei der 0,5-Promille-Regelung bewiesen, bei der Sie ursprünglich dagegen gestimmt haben, um heute in einer Pressekonferenz zu erklären, daß Sie eigentlich der Erfinder dieser Regelung sind.

Auch in vielen anderen Bereichen betreiben Sie eine solche Politik, die ich eigentlich als Kreiselpolitik bezeichnen möchte, weil man bei ihr eigentlich nicht mehr weiß, wer wofür steht. (Abg. Dr. Graf: Der Wähler weiß es schon, Sie wissen es nicht!) Es ist Ihnen offensichtlich angenehm, daß irgend jemand aus Ihrer Partei irgendeine Position einnimmt, nur damit man später, wenn es notwendig sein sollte, sagen kann: Wir haben auch diese Position besetzt.


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Herr Kollege Haider! Ich möchte Sie jetzt persönlich mit etwas konfrontieren. Ich hatte ursprünglich nicht vor, das zu tun, aber Sie zwingen mich dazu. Ich frage mich nämlich, mit welcher Rechtfertigung Sie eigentlich hier herausgehen und sich hier als großer Moralist aufspielen. Sie sagen, das Gesetz, das heute hier beschlossen werden soll, ist zahnlos. – Ich vermute, Sie kennen das Gesetz gar nicht, Sie haben es sich gar nicht durchgelesen, sonst könnten Sie eine derartige Erklärung nicht abgeben, denn dieses Gesetz stellt gegenüber dem alten Gesetz eine bedeutende Verbesserung in Richtung Objektivierung, eine Weiterentwicklung dar. Es ist daher völlig illegitim, zu sagen, dieses Gesetz sei zahnlos, denn es ist eine substantielle Verbesserung.

Was Ihnen vorschwebt, wenn Sie hier sagen, es sei zahnlos, ist offensichtlich, daß Sie darüber hinaus noch erhöhte Objektivierungen ansetzen wollen und daß Sie daher die Durchsetzung von Parteistandpunkten, von Standpunkten, die nicht objektiv sein könnten, verhindern wollen.

Ich möchte etwas zitieren, was Sie selbst zu diesem Thema erklärt haben, und zwar zur Frage: Bestellung in Führungsfunktionen, Ausübung von Führungsfunktionen, Demokratieverständnis in Führungsfunktionen. Das läßt sich nämlich mit dem, was Sie heute hier gesagt haben, überhaupt nicht in Einklang bringen. Sie haben am 9. September 1991 – im "profil" nachlesbar – erklärt: "Ich werde ein einheitliches Erscheinungsbild in der ganzen Partei durchsetzen. Das ist eine Führungsaufgabe, die noch zu erledigen ist." – Zitatende.

Sie werden also ein einheitliches Erscheinungsbild durchsetzen, das ist die Führungsaufgabe. – Sie haben auch einmal erklärt: "Die heutige Form des Zusammenlebens ist denaturiert. Das ist kein Ideal im nationalen Sinn." Zitat Haider bitte! "Partnerschaft besteht aus einem führenden und dem dienenden Teil. So ist das." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Jemand, der das gesagt hat, stellt sich heute hier heraus und spricht einem Gesetzentwurf, der – da kann man sagen, was man will – eine Weiterentwicklung, eine signifikante Verbesserung darstellt, die Berechtigung ab. Da frage ich mich natürlich: Wie ernst kann ich das nehmen, was von dieser Person argumentiert wird? Wie ernst muß ich das nehmen? Ich meine – das ist an und für sich natürlich kein Punkt für die Demokratie, und es ist auch für dieses Haus nicht gut –, daß man letztlich vieles von dem, was Sie, Herr Dr. Haider, hier gesagt haben, einfach nicht mehr ernst nehmen kann, und zwar auch deswegen nicht, weil man nicht weiß, ob das, was Sie heute sagen, auch morgen tatsächlich noch gültig ist.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit gar nicht darauf hinweisen – vielleicht komme ich zum Schluß, wenn mir Zeit bleibt, noch einmal darauf zu sprechen –, welche unglaublichen Entgleisungen Sie sich eigentlich geleistet haben. Das ist besonders bemerkenswert im Zusammenhang damit, daß Sie immer sagen, die Freiheitliche Partei sei frei von jedem Makel.

Ich denke etwa an diesen leidigen Vertrag, den Sie damals in Klagenfurt abgeschlossen haben, als die Möglichkeit bestand, daß die Freiheitliche Partei Funktionen besetzen könnte. Da wurden schon Posten aufgeteilt, bevor überhaupt die Bestellung erfolgt ist, meine Damen und Herren, unter absoluter Mißachtung der am Vorgang Beteiligten. Da wurde erklärt: Wir möchten diese Positionen und jene Positionen haben, und es wurde festgeschrieben, was Sie alles haben wollten.

Daß Sie, Herr Dr. Haider, der Sie zu vertreten haben, daß zum Beispiel der Herr Gaugg die Wiedereinstellung in einer Bank verlangt, obwohl er überhaupt nicht in der Lage ist, dort eine Funktion auszuüben (Abg. Mag. Trattner: Wie können Sie das beurteilen?!), und daß er sich dann noch darüber beschwert, daß er den Betrag von 60 000 S, um den es damals gegangen ist, nicht bekommen hat, daß Sie so etwas machen, ist nahezu unglaublich!

Oder: Es gibt die Einrichtung Ihres Sozialfonds, in den die sogenannten arbeitslosen Einkommen einbezahlt werden sollen, die dann unter freiheitlichen Abgeordneten "umverteilt werden". Aber Sie sagen, die 60 000-S-Regelung wird erfüllt. Ich kann dazu nur sagen: Ich finde das erschütternd!


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Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt auf das Gesetz zu sprechen kommen. Herr Abgeordneter Haider hat die Diskussion darüber weitestgehend ausgespart und hat lediglich erklärt, es gebe ein Gesetz davor, und das Gesetz, das derzeit gelte, sei weitestgehend zahnlos. – Das ist es nicht, und das möchte ich hier kurz argumentieren. Der Gesetzentwurf ist im Ausschuß diskutiert und von Ihrer Fraktion übrigens auch dort negiert worden, was nicht besonders erstaunlich ist.

Es gibt unter anderem eine Vertragsschablone. Diese Vertragsschablone wird unter Heranziehung einer Kommission vervollständigt, die aus Fachleuten, Wirtschaftsexperten, Rechtsanwälten und Wirtschaftstreuhändern besteht, die sagen, wie in der betreffenden Branche spezifische Führungsverträge üblicherweise aussehen.

Es geht dabei darum, daß die Verträge zur Bestellung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern in Gesellschaften, die der Rechnungshofkontrolle unterliegen, einen gewissen einheitlichen Standard bekommen.

Aber man kann doch nicht hergehen und sagen, daß das etwas Zahnloses ist, wenn man weiß, daß eine Studie darüber erstellt wird, wie die durchschnittlichen Entgelte, die durchschnittlichen Gehälter aussehen und daß diese Studie für den Abschluß neuer Verträge verbindlich sein wird. Das ist auch in Verbindung damit zu sehen, daß die Positionen vor der Bestellung auszuschreiben sind und daß nach der Bestellung auch bekanntgegeben wird, wer diese Position bekommen hat, und zwar im Gegensatz zu früher nicht nur in der "Wiener Zeitung", sondern auch in einem anderen Massenblatt. Darüber hinaus ist auch mitzuteilen und aufzuzeigen, welche Aufsichtsräte am Bestellungsvorgang teilgenommen haben, und zwar unabhängig davon, wie die Bestellung erfolgt ist.

Meine Damen und Herren! Man kann doch nicht einfach hergehen und sagen, das ist alles nichts, das ist in Wirklichkeit keine Verbesserung, wir ignorieren das wieder, wie Kollege Haider das gemacht hat, der zu diesem Tagesordnungspunkt über irgend etwas anderes geredet hat, einfach, weil es in sein Konzept paßt und weil es bei Ihnen üblich ist, trotz Tagesordnung irgendwelche anderen Dinge hier zu erzählen.

Es ist in Wirklichkeit eine signifikante Verbesserung, und es ist letztlich das, was sich die Koalitionsparteien umzusetzen vorgenommen haben, nämlich das Fünf-Punkte-Programm, das einer erhöhten Objektivierung dient, das dazu dient, in der Öffentlichkeit transparent zu machen, wie Bestellungsvorgänge im einzelnen abgelaufen sind.

Dies ist ein Gesetz, das es absolut nicht ermöglicht, sich darüber hinwegzusetzen, weil es einfach normative Punkte enthält. Ich gebe zu, ich hätte mir gewünscht, daß es auch für die Länder verpflichtend wäre. Wir können hier aber nur über den Bund, über Bundesangelegenheiten abstimmen. In diesem Bereich ist es verpflichtend.

Ich muß sagen, ich sehe Ihre Kritikpunkte nicht – aber eigentlich waren es gar keine Kritikpunkte, weil Sie gar nicht auf das Gesetz eingegangen sind, sondern hier nur Ihre Wahlrede vom letzten Wahlkampf wiederholt haben – und kann daher auch nicht mehr darauf eingehen. (Abg. Böhacker: Es fällt ihm nichts mehr ein! – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Zum Praschak fällt Ihnen wahrscheinlich nichts ein, Herr Rechtsanwalt!)

Herr Kollege! Ich kann Ihnen vielleicht noch in Erinnerung rufen – weil Sie da so von oben herunterrufen –, was das war, was Sie damals in Kärnten abgeschlossen haben. Ich darf Ihnen ganz kurz daraus vorlesen, weil es ja immer so leicht aus der Erinnerung entschwindet.

Ich zitiere jetzt aus dem Vertrag, der lustigerweise zirkuliert ist: "Mit der FPÖ wird eine gemeinsame Vorgangsweise über Personalfragen und die Wahl der Vorsitzenden in untergeordneten Gremien vereinbart." – Meine Damen und Herren! Das ist Objektivität der Marke FPÖ. Das war zu einem Zeitpunkt, als die Verhältnisse noch nicht geklärt waren und daher auch noch nicht absehbar war, ob die FPÖ überhaupt etwas zu reden haben würde, oder, wie sich dann herausgestellt hat, daß sie nichts zu reden bekommen würde.


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Und weiter heißt es hier: "Die Kärntner Tourismusgesellschaft wird organisatorisch reformiert. Die FPÖ erhält eine Option" – ich betone: eine Option! – "auf die neue Besetzung des Vorsitzenden im Aufsichtsrat."– Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Daß Sie, wenn Sie solche Vereinbarungen schließen, die Stirn haben, sich hier herauszustellen und über einen neuen Gesetzentwurf zu schwadronieren, erstaunt mich schon sehr.

Weiter heißt es: "Der Landtagsdirektor wird neu bestellt, diese Position steht der FPÖ zu. Bei der Besetzung der Ausschüsse im Kärntner Landtag erhält die FPÖ den Obmann des Rechts- und Verfassungsausschusses." – Und so geht es seitenweise weiter, meine Damen und Herren. Ich sage das nicht, weil es unmittelbar zu diesem Tagesordnungspunkt gehört, sondern damit es das relativiert, was von den Freiheitlichen heute zu diesem Gesetz gesagt wurde beziehungsweise noch gesagt werden wird, meine Damen und Herren.

Ich meine, daß dieser Gesetzentwurf mit seinen Bestimmungen eine bedeutende Verbesserung in Richtung Objektivierung darstellt, und bin davon überzeugt, daß Sie das bald sehen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits zu Wort. – Bitte sehr. Ihre Redezeit ist auf 10 Minuten eingestellt. (Abg. Mag. Stoisits: So lange brauche ich gar nicht!)

13.34

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das Ganze nicht einen so traurigen Anlaßfall hätte, nämlich den Tod des Herrn Dr. Praschak, der Grund für diese Initiative der Koalitionsparteien gewesen ist, dann wäre das, was wir heute bisher gehört haben, eigentlich wirklich ein Theater.

Herr Dr. Haider kam hier heraus und hat als Opposition die Regierungsparteien ob ihrer sattsam bekannten Art, ohne Rücksicht auf sonstige Gegebenheiten Posten nach dem Proporzsystem zu vergeben, gegeißelt. Herr Dr. Jarolim hat ihm und uns allen soeben präsentiert, wie denn das wäre, wenn der Herr Dr. Haider könnte, wie er wollte. Der Vertrag zwischen FPÖ und ÖVP in Kärnten hat es ja ganz deutlich gezeigt: Dann macht sich die FPÖ ganz ungeniert aus, wie man die Republik – in diesem Fall war es halt das Bundesland – aufteilt, welche FPÖ-Funktionäre oder FPÖ-Günstlinge oder von der FPÖ unterstützten Personen auf welche Posten kommen sollten.

Herr Dr. Haider! Ihr Problem ist, daß Sie zwar recht mit dem haben, was Sie kritisieren – auch in Ihrer Rede von vorhin zum Stellenbesetzungsgesetz; im Gegensatz zu Ihnen war ich ja im Ausschuß und habe dort die Diskussion und auch die Beiträge Ihrer Fraktionskollegen mitbekommen –, Sie haben recht, aber Sie sind unglaubwürdig, weil Sie vorleben, wie Sie handeln, wenn Sie an den sogenannten Schalthebeln der Macht sitzen. Kärnten war ja ein wunderbares Beispiel dafür.

Die Vorgeschichte zu dem heute zu beschließenden Gesetz hat einen sehr ernsthaften Kern, denn das alte Stellenbesetzungsgesetz, das einige Jahre lang gegolten hat – ich glaube, seit 1982 –, war tatsächlich zahnlos, und deshalb wird es aufgehoben. Wenn es nicht zahnlos gewesen wäre, dann wäre es nicht zu einem neuen Gesetz gekommen. Ich bin allerdings davon überzeugt, daß auch das neue Gesetz nicht jenen Ansprüchen gerecht wird, die sich die Regierung und in diesem speziellen Fall der Herr Bundeskanzler selbst gestellt haben. Diese Ansprüche werden durch das, was heute zur Beschlußfassung vorliegt, nicht erfüllt.

Diese berühmten, oder besser, bekannten – denn berühmt sind sie deshalb noch lange nicht – fünf Punkte, die der Herr Bundeskanzler in seiner Eigenschaft als SPÖ-Vorsitzender nach einer SPÖ-Präsidiumssitzung der Öffentlichkeit im Mai bekanntgemacht hat und die auch veröffentlicht wurden, sind in diesem Gesetz, das ja relativ kurz und knapp ist, nicht umgesetzt – in einigen Punkten wohl, in anderen nicht.


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102. Sitzung / Seite 42

Ich bin nach Überlegungen und Diskussionen in meiner Fraktion zu dem Schluß gekommen, daß diese Vorlage nicht die Erwartungen erfüllt, die auch wir in die Initiative des Herrn Bundeskanzlers gesetzt haben und die nach dem tragischen Tod des Herrn Dr. Praschak als eine Konsequenz, die man der Öffentlichkeit präsentieren kann, auch gerechtfertigt wären.

Für mich sind folgende Punkte unverständlicherweise nicht umgesetzt beziehungsweise so vage formuliert, daß wir unsere Zustimmung nicht geben können:

Der erste Punkt ist die Frage: Warum konnte man sich in Anbetracht der heftigen Kritik, die es in der Öffentlichkeit gibt, nicht dazu durchringen, etwas zu schaffen, was tatsächlich eine effiziente Gültigkeit hat? So gibt es jetzt etwa den Passus, daß die Landesgesetzgebung befugt ist, in ihren Bereichen etwas zu schaffen. Sie ist zwar befugt, aber niemand kontrolliert, ob sie es tut oder nicht. Diese Unsitten, die es gibt, werden also unter Umständen fortgeführt, allerdings ohne daß der Bundesgesetzgeber künftig die Möglichkeit hat, einzugreifen. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt betrifft die von Herrn Dr. Jarolim angesprochenen sogenannten Musterverträge; im Gesetz heißen sie jetzt Vertragsschablonen. In diesem Zusammenhang hat der Herr Bundeskanzler davon gesprochen, daß man nach internationalen, aber auch nationalen Branchenvergleichen marktgerechte Bezüge verpflichtend festlegen werde. Davon ist im Gesetz überhaupt keine Rede mehr, und auch die Transparenz ist nicht gegeben, weil diese Vertragsschablonen nicht bekanntgemacht werden. Diese Musterverträge sind interessant, aber wie erfährt die Öffentlichkeit, wie sie aussehen? – Ich meine, es werden sehr viele Dinge in der "Wiener Zeitung" veröffentlicht, Geburtstagsgratulationen und alle möglichen Sachen, aber für so wesentliche Dinge wie diese Vertragsschablonen gibt es keine Veröffentlichungspflicht. – Das ist ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt.

Auch die Frage der marktgerechten Bezüge ist im vorliegenden Gesetz nicht in der Form, wie in dem Fünf-Punkte-Papier vom Herrn Bundeskanzler angekündigt, umgesetzt worden.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, darum geht es ja! Das ist nämlich genau der Punkt, der die Öffentlichkeit am meisten interessiert. Die Öffentlichkeit interessiert vor allem, was für welche Leistung verdient wird. Die Frage der Transparenz ist es ja, die die öffentliche Diskussion anleitet, und dieses Gesetz wird, auch wenn es einen guten Kern hat, dem Anspruch vermehrter Transparenz nicht gerecht, und deshalb können wir diesem Gesetz unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Grünen.)

13.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider zu Wort gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.41


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102. Sitzung / Seite 43

Abgeordneter Dr. Jörg Haider
(Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Stoisits hat behauptet, es ergebe sich ein Widerspruch zwischen unseren richtigen Forderungen und dem Handeln dort, wo wir tatsächlich handeln könnten, wie etwa in Kärnten. – Diese Behauptung ist unrichtig! Es gab nur ein einziges Mal einen freiheitlichen Personalreferenten auf Ebene einer Landesregierung, und zwar war von 1989 bis 1990: Das war ich persönlich. Und als Landeshauptmann und Personalreferent habe ich das Objektivierungsgesetz im Landtag und in der Landesregierung initiiert und umgesetzt, was dazu geführt hat, daß es das erste Mal keine Dreiervorschläge mehr gegeben hat, sondern verbindliche Ergebnisse der Objektivierungskommission beziehungsweise eine erstmalige Bestellung von Bezirkshauptleuten, die keine parteipolitische Bindung hatten, daß es Beamte auf Zeit gegeben hat, wie etwa Primarärzte, die auf fünf Jahre befristet bestellt worden sind (Abg. Öllinger : Das ist nicht das Thema!) , und daß ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Haider! Die tatsächliche Berichtigung hat sich auf die Behauptung der Existenz eines Paktes zu beziehen.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Herr Präsident! Sie dürften den Ausführungen der Frau Abgeordneten nicht zugehört haben! Sie hat nicht von einem "Pakt" gesprochen, sondern vom tatsächlichen Handeln. Ich korrigiere: Tatsächliches Handeln der Freiheitlichen in der Zeit der Verantwortung eines freiheitlichen Landeshauptmannes hat zu einem Objektivierungsgesetz, zu Beamten auf Zeit, zur Bindung des Personalreferenten an die Ergebnisse der Objektivierungskommission und zur Beseitigung der politischen Willkür und der Parteibuchwirtschaft geführt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte, mir das Protokoll der Rede der Frau Abgeordneten Stoisits zu beschaffen.

Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Mag. Cordula Frieser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.43

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei wird dem Stellenbesetzungsgesetz ihre Zustimmung erteilen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wider Erwarten!) Wider Erwarten? (Abg. Dr. Graf: Wider Erwarten!)

Wie einige meiner Vorredner schon erwähnt haben, bringt dieses Gesetz natürlich mehr Transparenz gegenüber dem auch schon erwähnten Gesetz aus dem Jahre 1982. Es bringt mehr Transparenz in bezug auf die Person, die bestellt werden soll, es bringt mehr Transparenz in bezug auf die entscheidenden Personen, nämlich diejenigen Personen, die die Funktionen besetzen, und es bringt natürlich auch mehr Transparenz in bezug auf die finanziellen Auswirkungen. Insofern ist mit diesem Gesetz auf jeden Fall ein wesentlicher Schritt gesetzt worden.

Ich möchte aber auch daran erinnern, daß wir schon davor für Transparenz gesorgt haben. So gibt es beispielsweise den Einkommensbericht des Rechnungshofes, in dem die Bezüge der staatsnahen Betriebe sehr wohl offengelegt werden, und wir haben vor kurzem auch im Bezügebegrenzungsgesetz vorgesehen, daß eine Liste aller Bezüge in staatsnahen Unternehmungen, die über 80 000 S betragen, für das Jahr 1998 und 1999 veröffentlicht wird.

Ein völlig neuer Auftrag im Stellenbesetzungsgesetz ist die sogenannte Vertragsschablone; das wurde auch schon erörtert. Frau Kollegin Stoisits, ich teile Ihre Bedenken nicht. Es ist meiner Ansicht nach kein Mangel, daß diese Musterverträge nicht in ihrer vollen Länge veröffentlicht werden müssen. Stellen Sie sich vor, man müßte so einen Dienstvertrag, der oft über zehn Seiten geht, in einer Tageszeitung oder in der "Wiener Zeitung" veröffentlichen! Ich meine, das wäre zu umfangreich. Außerdem glaube ich, daß die Öffentlichkeit ausschließlich die Bezugshöhe und zusätzliche Abgeltungen wie Abfertigungen beziehungsweise die Höhe einer eventuellen Pension interessiert.

Ich möchte aber abschließend doch festhalten, daß es wohl einzigartig ist, daß wir in Österreich Vorgangsweisen, die in allen anderen Industriestaaten selbstverständlich sind, gesetzlich regeln müssen.

Ich wiederhole nochmals, daß wir diesem Gesetz unsere Zustimmung erteilen werden, meine aber, daß es letztendlich nicht nur auf die Gesetze ankommt, sondern auf die Personen, die dann diese Gesetze auszuführen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Er hat das Wort.

13.46

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Nach diesen eher lustlos vorgetragenen Verteidigungsreden von Abgeordneten der Regierungsparteien doch ein paar kritische Anmerkungen zu diesem Gesetz. Ich möchte an die Adresse des


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102. Sitzung / Seite 44

Kollegen Jarolim, der hier von Vereinbarungen gesprochen hat – ich glaube, er ist jetzt im Plenum nicht anwesend –, sagen: Ich frage mich, wenn man von einer Republik der Sekretäre in Österreich spricht, wer denn diese Sekretäre sind oder wo denn diese Sekretäre heute sitzen. Ich kann Ihnen sagen, wer diese Personen sind: Es ist einmal der Herr Sereinig – er fällt mir da spontan ein –, der ehemalige Sekretär des Bundeskanzlers Vranitzky, nunmehr wohlbestalltes Mitglied eines um zwei Personen erweiterten Vorstandes der Verbundgesellschaft. Außerdem fällt mir der Herr Mailath-Pokorny ein, der alle Regeln hierarchischer Strukturen und alle Regeln des Aufbaus einer Beamtenkarriere übergangen hat und sehr schnell zu einem höchsten Amt in der Bundessektion aufgestiegen ist. Es fällt mir auch der Herr Kothbauer ein, der in einem staatsnahen Betrieb tätig ist, der über den Banken- in den Versicherungsbereich gelangt ist. Das heißt mit anderen Worten: Das alles sind nicht Sekretäre – so lautet ja der Vorwurf des Kollegen Jarolim – des Jörg Haider oder der FPÖ oder von Abgeordneten der FPÖ, die ohne besondere Vorkenntnisse in lichte Höhen aufgerückt sind, sondern es sind eindeutig Mitarbeiter eines Bundeskanzlers der SPÖ.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Gesetz ist nichts anderes als ein Placebo-Gesetz, denn es wiederholt eigentlich nur das Bundesgesetz aus dem Jahr 1982, es ändert nichts Substantielles daran. Ich prophezeie Ihnen eines: Genauso wenig, wie Sie sich an das Gesetz aus dem Jahr 1982 gehalten haben, genauso wenig werden Sie sich jetzt an dieses neue Stellenbesetzungsgesetz halten. Ich kann Ihnen dies auch beweisen. Ich kann Ihnen beweisen, daß es Ihnen nicht ernst ist, diesem Gesetz tatsächlich auch Leben einzuhauchen. In § 1 ist der Geltungsbereich angeführt. Er besagt, daß dieses Gesetz für die "Bestellung von Mitgliedern des Leitungsorgans ... von Unternehmungen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen", gelten soll.

Meine Damen und Herren! Würden Sie die Ausgliederung der Bundestheater beschließen, so wäre dieses Gesetz in dieser Form zweifellos anwendbar. Sie haben aber auf das Verlangen der Opposition, Stellen in den Bundestheatern auszuschreiben, gebetsmühlenartig immer wieder das Argument vorgebracht, das sei zu heikel, das könne man dem Bewerber nicht zumuten. Ja wenn Sie bei dieser Argumentation bleiben, dann frage ich mich, wie sehr Sie dann den Geltungsbereich dieses Gesetzes für diese Position anwendbar erklären wollen. Also da hapert es wirklich vorne und hinten. Dieses Gesetz ist daher nichts anderes als ein Placebo-Gesetz, inhaltlich eigentlich nichts anderes als eine Art Wiederverlautbarung eines ineffektiven Gesetzes aus dem Jahr 1982. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Anlaß zu diesem Gesetz ist ein tragischer. Ich kann Ihnen eines versichern: Als Dr. Praschak mit seinem Leben Schluß gemacht hat, wird er wohl auch von seinen Genossen, von seinen Gesinnungsfreunden eine andere Reaktion auf seinen Tod erwartet haben.

Ich sage Ihnen dazu folgendes: Dieses Gesetz ist auch des Dr. Praschak unwürdig. Wenn Sie glauben, daß Sie sich über diese Affäre, die tiefe Risse in der Sozialdemokratie verursacht und eindrucksvoll ein Sittenbild der Sozialdemokratie gezeigt hat, langfristig mit so einem Placebo-Gesetz hinwegretten können, dann irren Sie! Ich glaube, daß Sie der Wähler dafür bestrafen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staatssekretär. – Bitte, Herr Staatssekretär.

13.51

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die hier von Herrn Abgeordneten Haider aufgestellten Behauptungen möchte ich in ihrem Wahrheitsgehalt ein bißchen zurechtrücken. Falsch ist auf alle Fälle die an den Haaren herbeigezogene Verbindung des Namens des Herrn Bundeskanzlers mit einer Finanzierung in St. Petersburg. Es handelt sich dabei um eine Finanzierung eines Wirtschaftsunternehmens und nicht um eine politische Finanzierungsangelegenheit. (Abg. Dr. Haider: Wer war bei der Eröffnung? Der Klima und der Vranitzky!)


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102. Sitzung / Seite 45

Zweiter Punkt: Dr. Scholten war nicht anstelle des Herrn Botschafters Delegationsmitglied, sondern der Herr Botschafter war jeweils anwesend bei den Gesprächen. Dr. Scholten war Mitglied einer Wirtschaftsdelegation, und zwar in seiner Funktion als Vorstandsdirektor der Kontrollbank, die die offizielle Stelle der österreichischen Exportgarantie- und Exportförderungsangelegenheiten ist. In dieser Eigenschaft sind Garantien beziehungsweise Förderungssysteme auch für Rußland zu erarbeiten. Diese Delegation umfaßte mehr als 20 Wirtschaftsangehörige, die Vertragsabschlüsse mit Rußland erhoffen beziehungsweise Vertragsabschlüsse mit Rußland vorbereiten, und dafür sind Garantien und Förderungen der zuständigen Exportbank notwendig. Daher ist die Anwesenheit eines Vertreters dieser Bank in einer Wirtschaftsangelegenheit kein großes Mirakel, sondern eine Notwendigkeit, wie es bei allen anderen Wirtschaftsdelegationen im Rahmen von Staatsbesuchen der Fall ist.

Nun zur dritten Behauptung, es gäbe eine Verhaftung des Bürgermeisters. Diese Behauptung dürfte sich auch als falsch erweisen. Laut einer Auskunft der russischen Botschaft befindet sich der Bürgermeister seit Mitte Oktober in Frankreich wegen einer Herzoperation. (Abg. Dr. Haider: Mit unserem Geld!) Ich möchte hier festhalten: Es handelt sich dabei um eine Auskunft der russischen Botschaft!

Zum Gesetz selbst möchte ich festhalten, daß die fünf Punkte, die anläßlich der Vorkommnisse um die Besetzung von Posten durch den Bundeskanzler zugesagt wurden, nunmehr eine Umsetzung erfahren. Es handelt sich bei diesem Gesetz um ein Gesetz, das die Transparenz und die Offenlegung von Ausschreibungen gewährleistet. Es wurde die Übernahme von Schablonen- beziehungsweise Standardverträgen darin festgelegt. Es ist die Festlegung der Bezüge der Aufsichtsräte und anderer vergleichbarer führender Positionen in einem verpflichtenden Vergleich mit national und international üblichen Branchenvergleichen herbeizuführen. Es wird eine namentliche Veröffentlichung der Entscheidungsträger erfolgen. Das sind vier Punkte, die in diesem Gesetz verwirklicht wurden.

Der fünfte Punkt, nämlich die vollständige Offenlegung aller Bezüge von Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern, wurde bereits im Bezügebegrenzungsgesetz geregelt. Somit sind alle fünf Punkte, die in Frage gestanden sind, nunmehr verwirklicht und können angewendet werden. Ich glaube, daß damit der Transparenz und der Offenlegung der Vergabe von Posten Rechnung getragen wurde. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Stoisits gemeldet. Ich bitte, die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu beachten.

13.55

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Krüger hat hier behauptet, daß die Bestellung von Dr. Andreas Mailath-Pokorny zum Sektionsleiter im Bundeskanzleramt unter Verletzung aller Regeln der hierarchischen Strukturen erfolgt wäre und er so in ein höchstes Amt gebracht worden wäre.

Ich berichtige tatsächlich: Mir ist nicht bekannt, daß es nach den Objektivierungsrichtlinien und nach dem Ausschreibungsgesetz Regeln von hierarchischen Strukturen gibt, die irgendwo festgeschrieben sind. Vielmehr nehme ich an, daß Dr. Mailath-Pokorny nach einem Ausschreibungsverfahren, das gesetzlich korrekt war, mit dieser Position betraut wurde, aber nicht über irgendwelche obskuren hierarchischen Strukturen hinweg, denen Herr Dr. Krüger offensichtlich nachhängt.


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102. Sitzung / Seite 46

13.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Frau Abgeordnete! Die Formulierung "nehme ich an" schließt auch aus, daß das eine tatsächliche Berichtigung war, denn es sind keine Annahmen wiederzugeben, sondern Fakten festzustellen.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kier. Wird eine freiwillige Redezeit gewünscht? (Abg. Dr. Kier: 7 Minuten!) 7 Minuten. – Bitte sehr.

13.56

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es sind schon einige Mutmaßungen in der heutigen Debatte geäußert worden. Ich möchte mit einem Mißverständnis aufräumen: Die liberale Fraktion wird zwar diesem Gesetz zustimmen – ich werde dann auch begründen, warum –, aber wir sind nicht so naiv, anzunehmen, daß dann, wenn wir dieses Gesetz haben, das durchaus einiges Positives bringen wird, wie zum Beispiel die Offenlegung der Bezüge, das Einführen von Schablonenverträgen zur Vereinheitlichung von Strukturen, in denen ausdrücklich auch allfällige Gewinn-Umsatz-Beteiligungen ausgewiesen sein müssen, erfolgsabhängige Komponenten, die Veröffentlichung aller, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, und so weiter und so fort, also Transparenz, alles in Ordnung ist. Das alles wird nichts helfen, wenn nicht gleichzeitig auch Redlichkeit angewendet wird. Wir sind nicht so naiv, anzunehmen, daß durch so ein Gesetz an und für sich irgend jemand anständiger werden wird. Das glauben wir nicht. Aber es wird wesentlich schwieriger sein, unanständig zu sein. Daher ist dieses Gesetz ein großer Fortschritt. Denn: Je transparenter etwas ist, desto weniger läßt sich etwas durch Munkelei, durch Diskutieren hinter verschlossenen Türen, durch Packelei, durch Paktieren machen. Aber möglich wird das immer sein. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher wird es uns gerade in jenem Bereich der Unternehmen, die von der Kontrolle des Rechnungshofs betroffen sind, nicht erspart bleiben, auch unsere Kontrollfunktion als Abgeordnete des Nationalrates zusätzlich einzusetzen. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Dieses Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, es bringt mehr Transparenz, und es verknüpft außerdem das Bezügebegrenzungsgesetz mit dem Bereich der öffentlichen Wirtschaft, der unter dem Regime der Rechnungshofkontrolle steht.

Wer das für negativ hält, der ist, glaube ich, naiv, und zwar insofern, als er offenbar meint, daß man in ein Gesetz einen moralischen Verhaltenskodex hineinschreiben kann. Das wird nicht gelingen. Ob eine ganz bestimmte Person für eine bestimmte Position geeignet ist, ist zum Teil nach objektiven Kriterien feststellbar, wie zum Beispiel den Qualifikationen. Es gibt aber auch die subjektive Verantwortung derer, die die Entscheidungen treffen: des Aufsichtsrates, der Hauptversammlung oder wer auch immer das ist. Es gibt die sogenannte culpa in eligendo. Natürlich ist man berechtigt, eine getroffene Personalentscheidung zu kritisieren. Das muß sich dann aber in der Praxis bewähren. Die begleitende Kontrolle bedeutet eben, daß man sich, auch wenn Entscheidungen schon getroffen sind, damit nicht zufriedengeben darf.

Ich hoffe, durch meinen kurzen Beitrag daran erinnert zu haben, daß ein Gesetz allein nicht alles ist, daß die gelebte Praxis viel wichtiger ist. Hoffentlich ist alles, was in diesem Gesetz steht, ernst gemeint. Ich würde mich freuen, wenn in diesem Fall künftig die Mehrheit vom Geist dieses Gesetzes Gebrauch machen und nicht versuchen würde, um die Buchstaben herum Slalom zu fahren. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen daher – da auch ein Wunsch des Berichterstatters auf ein Schlußwort nicht vorliegt – zur Abstimmung, und ich bitte, die Plätze einzunehmen. Es ist ein erhöhtes Quorum erforderlich.

Wir stimmen ab über den Gesetzesantrag samt Titel und Eingang in 975 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in zweiter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ein Zeichen geben. – Dies ist bei entsprechendem Quorum mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit so beschlossen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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102. Sitzung / Seite 47

Ich darf bitten, daß jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, ein diesbezügliches Zeichen geben. – Ich stelle fest, daß die Vorlage auch in dritter Lesung bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Abgeordneten mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde.

3. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 641/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz 1997 geändert wird (977 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Ein Wunsch auf Berichterstattung liegt nicht vor.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

14.01

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich werde mich ganz kurz fassen und prägnant auf den Punkt, warum wir dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht geben können, zugehen.

Wir haben es reiflich erwogen und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß das, was hier beschlossen werden soll, den behaupteten Zweck verfehlt. Die vorgeschlagene Entschließung ist bestenfalls Politikjournalismus, und es ist dies der untaugliche Versuch, so zu tun, als ob man für Lehrlinge etwas machen würde. Bei solchen Dingen, die wirklich nur für das Schaufenster sind, machen wir nicht mit! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

14.03

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Die Situation im Zusammenhang mit Jugendbeschäftigung und Fragen der Berufsausbildung sind Themen, die zu Recht heftig diskutiert werden, die oft unterschiedliche Auffassungen mit sich bringen, bei denen es aber doch immer wieder möglich ist, Mehrheiten in Detailbereichen, manchmal auch breite Mehrheiten, zu finden. Aus meiner Sicht ist es besonders erfreulich, daß der Antrag der sozialdemokratischen Abgeordneten auf Änderung des Bundesvergabegesetzes im Ausschuß breite Zustimmung gefunden hat und auch heute, so hoffe ich, im Plenum breite Zustimmung finden wird.

Bedauerlich ist, daß das Liberale Forum meint, daß diese Maßnahme nur für das Schaufenster ist und keine inhaltliche Verbesserung der Situation damit verbunden ist. Ich möchte auf die wenigen Sätze, die mein Vorredner gesagt hat, gar nicht näher eingehen. Ich bedauere aber, daß wir in dieser Frage nicht zu einer einheitlichen Auffassung kommen konnten.

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Behebung des Lehrstellenmangels ist ein nationales Anliegen, und daher sollten auch alle mithelfen, diesem Anliegen zu entsprechen und eine Verbesserung der Situation zustande zu bringen. Dabei sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen.

Eine Möglichkeit – diese werden wir heute beraten und beschließen – ist eine Änderung des Bundesvergabegesetzes, wonach die öffentlichen Auftraggeber verpflichtet werden sollen, jene Unternehmer, Anbieter und Betriebe, die Lehrlingsausbildung betreiben, besonders zu berücksichtigen. Letztendlich ist es auch eine Anerkennung für diese Betriebe – eine Anerkennung der Ausbildungsbereitschaft und der Ausbildungsleistung –, wenn sie im öffentlichen Vergaberecht anders, besser beurteilt werden, als es bisher der Fall war.


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102. Sitzung / Seite 48

Ich glaube, es ist wichtig festzustellen, daß die Voraussetzung dafür, daß ein Betrieb bei der Vergabe entsprechend berücksichtigt wird, eine angemessene Zahl von in diesem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern unter 19 Jahren ist.

Wichtig erscheint es mir auch, darauf hinzuweisen, daß sämtliche Vergaben des Bundes miteinbezogen werden sollen. In der dem nunmehr zur Beschlußfassung stehenden Ausschußbericht beigefügten Entschließung wird an die Bundesregierung appelliert, auf die Länder und Gemeinden, aber auch auf die ausgegliederten Rechtsträger dahin gehend zu wirken, daß sie in gleicher Weise vorgehen.

Der eine wird sich bei dieser Art der Vergabe leichter tun, der andere vielleicht etwas schwerer. Beispielsweise in Wien haben wir seit vielen Jahren einen Auftragnehmer-Kataster, und es ist laut Rücksprache mit den Verantwortlichen der Stadt Wien kein Problem, den Vorschlag, den wir heute zu beschließen haben, prompt umzusetzen. Es besteht nur die Notwendigkeit, den Betriebsangaben im Auftragnehmer-Kataster auch die Angaben über den Lehrlingsstand beizufügen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Abschließend meine ich, daß wir mit dieser kleinen Detaillösung der Lehrlingsausbildung insgesamt und der Motivation für die Lehrlingsausbildung einen guten Dienst erweisen, und ich freue mich, sagen zu können, daß meine Fraktion diesem Gesetzesvorschlag zustimmen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

14.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster hat sich Herr Abgeordneter Donabauer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

14.07

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Man kann im Leben nicht alles per Gesetz regeln, aber wenn man von Gesetzes wegen nichts unternimmt, dann kann auch nichts geschehen.

Wir haben in Österreich zurzeit eine hohe Beschäftigungsquote, wir haben 3 120 000 Beschäftigte. Wir haben aber trotzdem Probleme im Zusammenhang mit der Beschäftigung: Wir haben eine zu hohe Arbeitslosenquote – davon sind insbesondere die Frauen betroffen, Bürgerinnen und Bürger über 50 Jahre und nicht zuletzt auch Jugendliche. Da kann man nicht zusehen, da muß etwas geschehen!

Ich meine, die Jugend hat ein moralisches Recht darauf, das wir alle einzulösen haben, nämlich im höchstmöglichen Ausmaß in den Arbeitsprozeß eingebunden zu sein. Dabei muß es unser Ziel sein, daß die Jugend nicht nur Beschäftigung hat, sondern qualitativ entsprechende Arbeit findet. Vor allem aber müssen wir dafür sorgen, daß die Jugend auch in Zukunft eine gute Ausbildung bekommt. Ich glaube, das ist wichtig für die Weiterentwicklung unserer Wirtschaft, denn nur gut ausgebildete junge Menschen sind auch gute Facharbeiter von morgen, die unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit auf den Märkten erhöhen werden.

Wir müssen aber eingestehen, daß es Probleme gibt. Sehr viele Betriebe klagen darüber, daß die Ausbildungskosten zu hoch sind. Sehr viele klagen darüber, daß es strenge Bestimmungen im Jugendbeschäftigungsgesetz hinsichtlich der Lehrlingsausbildung gibt. Wir haben geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine mit anderen Staaten innerhalb der Europäischen Union vergleichbare Wettbewerbsfähigkeit zu haben. Das wird eine große Aufgabe für uns sein, darum werden wir uns tagtäglich zu bemühen haben.

Der Bundesregierung ist diese Situation nicht nur klar, sondern ein Anliegen. Sie hat daher mit Beschluß vom 10. Juni auf die Lehrlingssituation Bezug genommen und alles unternommen, um Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Die heutige Gesetzesvorlage bringt einen Lösungsansatz.

Mit dem vorliegenden Gesetzesantrag soll das Bundesvergabegesetz so geändert werden, daß vor allem jene Unternehmungen bei der Vergabe berücksichtigt werden, die Jugendliche beschäftigen. Wir haben mit unserem Abänderungsantrag im Ausschuß auch vorgesehen, daß


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nicht nur der Jugendbeschäftigung großer Stellenwert eingeräumt wird, sondern auch der Umweltgerechtheit.

Zurück zur Jugendbeschäftigung. Es ist so, daß dieses Gesetz nicht nur österreichweit angewendet werden soll, sondern es muß auch mit dem EU-Recht kompatibel sein. Deshalb kann eben nicht nur auf den Status der Lehrlingsausbildung, sondern es muß auch auf die Beschäftigung von Jugendlichen unter 19 Jahren, vor allem mit dem Hinweis, daß sie in Ausbildung stehen sollen, Bezug genommen werden. Wir wollen damit wirklich erreichen, daß man gerade solchen Betrieben die Chance gibt, sich bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen besser einbringen zu können.

Wir glauben, daß es zuwenig wäre, wenn nur der Bund eine klare und ehrliche Absicht deponierte und diese in Form eines Gesetzes auch zum Ausdruck brächte, es war richtig und wichtig, einen Entschließungsantrag einzubringen, wonach nicht nur der Bund angehalten ist, diese Neuregelung in Anwendung zu bringen, sondern auch die anderen Gebietskörperschaften, vor allem die Länder und Gemeinden, von dieser Maßgabe Gebrauch machen sollen.

Ich persönlich meine, daß wir nur dann dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit zu Leibe rücken werden können, wenn wir alle uns darum bemühen. Diese Gesetzesvorlage ist eine optimale und gute Voraussetzung für viele Unternehmungen. Es ist dies eine große Verpflichtung für den Bund und auch für die weiteren Gebietskörperschaften, vor allem aber eine zusätzliche Chance für unsere Jugend, und deshalb ist das eine gute, qualitativ hochwertige Vorlage. Sie wird auch unsere Zustimmung finden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Haider das Wort. Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten. – Bitte.

14.12

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Donabauer hat richtigerweise gesagt, daß man alles tun muß, um den jungen Leuten Beschäftigung zu ermöglichen. Wir haben derzeit nach wie vor eine angespannte Situation, insbesondere auf dem Lehrlingssektor – ob man das jetzt wahrhaben will oder nicht. (Abg. Kampichler: Man hat 10 000 Lehrlinge mehr aufgenommen!) Man hat durch kurzfristige Maßnahmen, Herr Kollege, 7 000 junge Menschen in Kursen beim WIFI und beim BFI untergebracht. Jeder weiß, daß das kein Ersatz für eine Lehrausbildung und für einen Arbeitsplatz in einem Betrieb ist. Das bedeutet, wir werden nächstes Jahr eine kumulierte Problematik vorfinden.

Jedermann weiß, daß etwa 6 000 junge Menschen derzeit noch auf der Suche sind und keinen Lehrplatz haben, obwohl es vor dem Sommer des heurigen Jahres das eindeutige Versprechen des Bundeskanzlers gab, daß im Herbst alle Lehrplatzsuchenden eine Ausbildungsstelle haben würden. – Das ist bis heute nicht der Fall. Und es kommt letztlich auch zu einem Vertrauensverlust der jungen Menschen in die Lösungskompetenz der Politiker, wenn große Ankündigungen getroffen werden und das Ergebnis dann so aussieht wie das, was heute hier vorliegt: eine kleine, eine winzige Änderung des Bundesvergabegesetzes. Das ist die einzige Änderung, die dieser Bundesregierung seit Monaten in Fragen der Lehrlingsausbildung und der Jugendbeschäftigung gelungen ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo sind die anderen Maßnahmen? (Abg. Haigermoser: Wo denn?) Wo sind die Dinge, die vom Redner der ÖVP angesprochen worden sind? Angeblich arbeitet die Bundesregierung Tag und Nacht daran, die Probleme zu lösen. Warum gibt es keine Steuerreform in die Richtung, wie sie auch die ÖVP vorgeschlagen hat, nämlich daß man einen 30prozentigen Ausbildungsfreibetrag für die Betriebe schafft? (Abg. Donabauer: Sie würden nicht mitgehen!) Ich garantiere Ihnen: Sie haben ab sofort um Tausende Lehrstellen mehr, wenn Sie einen Teil der Ausbildungskosten von den Betrieben wegnehmen. Wo ist eine diesbezügliche Initiative? (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wo ist eine Initiative zur Durchführung einer Berufsschulreform? Wo ist eine Initiative zur Umwidmung des polytechnischen Lehrgangs? Wo ist eine Initiative, um den Bereich der betrieblichen Strukturen, was die Schutzbestimmungen betrifft, endlich in Ordnung zu bringen?

Wir alle wissen, daß all diese Dinge letztlich nur dann geschehen, wenn Sie von der Koalition die Bereitschaft haben, das mit Mehrheit zu beschließen. Sie haben es daher in der Hand, ob Tausende junge Menschen ohne Arbeitsplatz sind oder ob Tausende junge Menschen eine Chance bekommen. Mit uns traut ihr es euch ja nicht zu machen! (Abg. Donabauer: Sie machen zu viele oberflächliche Vorschläge und zu wenige konkrete!) Wir sind zwar übereinstimmend für bestimmte Maßnahmen, aber immer dann, wenn Sie hier heraußen am Rednerpult stehen, verläßt Sie die Zivilcourage. Mit den Freiheitlichen eine Mehrheit zu bilden, das ist für Sie einfach nicht drinnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da verraten Sie lieber die Interessen von Tausenden jungen Leuten – überhaupt keine Frage –, da verraten Sie lieber die Interessen der Gewerbetreibenden, denen Sie versprechen, daß Sie ihre Probleme lösen werden, Kollege Donabauer! (Abg. Haigermoser: Interessant!) Natürlich, so ist es.

Aber wir sind schon zufrieden, daß wenigstens eingestanden wird, daß man etwas machen muß. Jetzt versuchen Sie es über die Vergabe nach dem Bundesvergabegesetz. Wir wissen aber andererseits, daß etwa das Arbeitsmarktservice Linz bereits bekanntgegeben hat, daß alle Lehrlingsförderungen mit 1. Jänner 1998 gestrichen werden, weil kein Geld mehr vorhanden ist, weil im Herbst alles hinausgepulvert wurde. Die fortführenden Förderungen für Lehrlinge, die schon zugesagt sind, sollen zurückgenommen werden. (Abg. Riepl: Das stimmt nicht!)

Entschuldigen Sie, ich habe das ja hier! Wenn Sie wollen, kann ich es Ihnen vorlesen, lieber Herr Kollege. Das Rundschreiben des Arbeitsmarktservice Linz, in dem das explizit drinsteht, ist bis heute nicht vom Arbeitsmarktservice dementiert worden.

Daher meine ich, daß das, was wir hier tun, wirklich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Wenn wir heute zustimmen, dann soll das eigentlich die Regierung nur ermuntern, daß sie auch in anderen Bereichen entsprechend die Initiative ergreift.

Ich muß noch einmal Kollegen Donabauer zitieren. Er hat gesagt: Nicht alles kann man per Gesetz regeln. – Richtig, Kollege Donabauer! Aber weil wir gerade beim Bundesvergabegesetz sind: Zumindest die Korruption kann man per Gesetz bekämpfen. Das wäre eine Möglichkeit! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weil der Herr Staatssekretär hier ist: Das Bundesvergabegesetz hat ja primär nicht die Aufgabe, Lehrlinge zu fördern oder Jugendliche unterzubringen, sondern Mißbräuche und Mißstände zu verhindern. Und das funktioniert leider auch nicht.

Ich habe hier ein ganzes Paket von Absprachen in der Bauwirtschaft bei öffentlichen Aufträgen. (Abg. Haigermoser: Interessant!) Etwa bei der Hochleistungs AG, Abgabetermin: 26. Juli 1996, 10 Uhr; dabei geht es um eine Summe von 139 Millionen Schilling, das ist ja keine Kleinigkeit. Man könnte viele Jugendarbeitsplätze fördern, wenn der Best- und Billigstbieter den Auftrag erhielte. Obwohl am 26. Juli 1996 Abgabetermin war, fanden bereits am 16. Juli 1996 um 8.30 Uhr zwischen den Baufirmen – Arbeitsgemeinschaft Stettin, Porr, Gebrüder Haider, Alpine – Gespräche statt, um eine Absprache durchzuführen. Und man hat vereinbart, daß jene Firma, die bereit ist, auf einen Zuschlag zu verzichten, im Falle der Deckung eine Million Schilling Abstandszahlungen bekommen soll. Diese Million soll aufgrund von zwei fingierten Rechnungen fließen; das wurde auch genau vereinbart.

Es gab noch ein zweites Gespräch, und zwar zwischen dem Geschäftsführer der Firma Stettin und dem Chef der Baufirma Haider, nämlich am 17. Juli 1996 um 9.10 Uhr. Dabei wurde ein Betrag von einer Million Schilling netto fixiert. Als Ansprechpartner für die Preisabsprache der begünstigten Arbeitsgemeinschaft Porr-Alpine-Haider wurde der Geschäftsführer der Gebrüder Haider, Erwin Haider, bestimmt, und nach der Auftragserteilung sollte unverzüglich die Summe, für die sozusagen eine Abstandszahlung gezahlt wurde, überwiesen werden. Um 10.10 Uhr war


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nach den mir vorliegenden Unterlagen bereits alles unter Dach und Fach. Die Vereinbarung wurde durch Herrn Esterbauer der Firma Alpine schriftlich mit Fax bestätigt, und mit dem Vermerk: Okay, Baulos funktioniert!, galt die Absprache als vollzogen. – Das habe ich hier schön dokumentiert. (Abg. Haigermoser: Na, was sagen Sie jetzt? – Abg. Ing. Reichhold : Wie in Sizilien!)

139 Millionen Schilling, Absprache Firma Porr – sie ist ja den Sozialdemokraten nicht unbekannt, ein hoher Sozialdemokrat ist Generaldirektor. Da sind sie alle drinnen. Ich habe noch viele solche Beispiele von Absprachen in der Bauwirtschaft.

Herr Staatssekretär! Es wäre gut, nicht nur über die Frage, wie man Jugendliche bei öffentlichen Aufträgen unterbringt, nachzudenken, sondern auch darüber, wie man die Millionenverluste aufgrund von Korruption einspart. Damit könnten wir Tausende Arbeitsplätze in diesem Lande sichern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen noch etwas – ich werde es erst später veröffentlichen –: Da gibt es zum Beispiel einen Text, aus dem hervorgeht, daß die Baufirmen, die alle große Auftragnehmer der öffentlichen Hand sind und fast ausschließlich von der öffentlichen Hand leben – Universale, die Bau Holding des Herrn Haselsteiner, ich frage mich übrigens, wo er heute ist (Abg. Haigermoser: Wo ist der Haselsteiner?), Tiefbau, Stettin, Porr, Stuag, Strabag, AST, Hofman & Maculan –, Adressaten eines Vertragsentwurfes sind, wonach bis zum Jahre 1999 Absprachen über alle Tunnelbaulose bei der Eisenbahn und im Straßenbau stattfinden sollen, mit Pönalezahlungen und ähnlichen Dingen (Abg. Haigermoser: Das ist ja wie bei der Mafia!), Schutzgeldzahlungen wie bei der Mafia.

Ich frage Sie jetzt wirklich, Herr Staatssekretär, ob diese Vorgänge, über die auch Sie informiert wurden, nicht Grund genug wären, einzuschreiten. Mehrere Minister haben diese Dokumente bekommen – keiner ist bisher eingeschritten, keiner hat verlangt, diese Firmen zu sperren, wie es im Bundesvergabegesetz vorgesehen ist. Keiner ist eingeschritten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich behalte mir vor, all diese Dinge schrittweise zu veröffentlichen, damit klar wird, wie heuchlerisch in Österreich gehandelt wird. Hier stellt man sich heraus und sagt: Wir wollen für die jungen Leute etwas machen!, gleichzeitig verschließt man aber dort die Augen, wo millionenschwere Korruption auf Kosten der Steuerzahler durchgeführt wird und letztlich Tausende Arbeitsplätze vernichtet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Hagenhofer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. – Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen das Wort. Redezeit: 2 Minuten. Bitte beginnen Sie mit dem Sachverhalt, den Sie berichtigen wollen. (Abg. Schwemlein: Sag es ihm hinein! – Abg. Haigermoser: Da bin ich jetzt neugierig, was sie sagen wird!)

14.20

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Dr. Haider hat hier gesagt, er kenne ein Rundschreiben des AMS Linz, in dem steht, daß alle Lehrstellenförderungen gestrichen sind. (Abg. Dr. Haider: Per 1. Jänner!) Per 1. Jänner.

Ich berichtige: Tatsache ist, daß zwar die zusätzliche Lehrstellenförderung gestrichen oder ausgesetzt worden ist (Abg. Dr. Haider: Und was berichtigen Sie da?), nicht aber die Lehrstellenförderung für Behinderte, für sozial Benachteiligte und für langzeitarbeitslose Jugendliche. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwemlein: Alle, hat er gesagt! Er hat gesagt: alle! – Abg. Haigermoser: Das ist ein Kraut-und-Rüben-Spiel! – Abg. Schieder: Alles ist alles! Oder nicht? – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)


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14.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Frau Abgeordnete, bitte.

14.21

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Hagenhofer, das war eine eher traurige tatsächliche Berichtigung. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn Sie wissen wie wir alle – oder zumindest diejenigen, die intensives Interesse an der sozialen Verwaltung haben –, daß nicht nur keine Ausweitung, sondern zumindest in Oberösterreich eine drastische Einschränkung bei den Lehrlingsförderungen erfolgt und daß es insbesondere bei Beschäftigungsprojekten sehr radikale Einschnitte gibt.

Ich bin überzeugt davon, daß Sie dieselben Hilfeersuchen auf Ihrem Schreibtisch liegen haben, in denen es um spezielle Projekte geht, um besonders betroffene Gruppen, deren Projekte vor dem Zusperren stehen. Ich meine es überhaupt nicht polemisch, wenn ich sage, daß wir uns wirklich überlegen sollten, wofür in diesem Staat Geld zur Verfügung steht, da wir mittlerweile jeden Schilling schon mehrmals umdrehen müssen und es sich trotzdem nicht mehr ausgeht.

Die Grünen werden dieser Initiative mit einem lachenden und einem weinenden Auge zustimmen. Zum einen ist es besser als nichts, wenn einmal eine Gruppe der jungen Menschen in Österreich erwähnt wird und wenn nunmehr festgehalten wird, daß für Lehrlinge etwas getan werden muß. Aber wir sind wirklich nicht glücklich über das jetzt vorliegende Bundesgesetz. Frau Abgeordnete Hagenhofer! Sie wissen so gut wie ich, daß die SPÖ auch in dieser Materie einen Rückzieher gemacht hat.

Der ursprüngliche Gesetzestext war anders und hätte mir viel besser gefallen, denn darin war die Berücksichtigung von Lehrlingen als Verpflichtung formuliert, und zwar bei sonstigem Ausschluß von den Förderungen. Ich garantiere Ihnen, das hätte sehr viel bewirkt. Auf Drängen Ihres Koalitionspartners ist dieses Gesetz dann weitgehend verwässert worden, und jetzt heißt es dort: Es ist "auf die Beschäftigung von Personen im Ausbildungsverhältnis Bedacht zu nehmen."

Bedachtnahmepflichten haben wir in der österreichischen Rechtsordnung schon genug. Es geht dann, wie gesagt, auch nach dem Prinzip, ob etwas möglich ist oder ob es sonst irgendwelche Sachzwänge gibt. "Bedacht nehmen" bedeutet keine Verpflichtung. Ich hätte mir im Interesse der österreichischen Lehrlinge gewünscht, daß es eine Verpflichtung gibt, die Interessen von Lehrlingen zu berücksichtigen, wenn man schon öffentliche Leistungen und öffentliche Förderungen anspricht. (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiterer Punkt, und damit spreche ich insbesondere den Herrn Staatssekretär an: Wenn ich die Art und Weise sehe, wie um soziale Förderungen gekämpft und gerungen wird, sowie die Art und Weise, wie sie dann bei den Betrieben steuerlich berücksichtigt werden, dann verstehe ich die Grundsatzphilosophie der Sozialdemokraten und -demokratinnen eigentlich nicht mehr. Wie Sie wissen, sind derartige Förderungen, wie sie etwa zur Ermöglichung der Beschäftigung von jungen Menschen gegeben werden, von der Lohn- beziehungsweise Gehaltssumme in Abzug zu bringen. Das heißt, sie erhöhen insofern das steuerliche Ergebnis.

Bei den reinen Wirtschaftsförderungen wird das anders gemacht, Herr Staatssekretär. Daher haben die Förderungen, die wir in den diversen Förderungsberichten ausweisen, sehr unterschiedliches Gewicht. Sie erinnern sich daran, daß wir die Debatte bei den Förderungen für Kunst- und Kulturschaffende hatten. Jetzt haben wir die Förderungen zur Einstellung von benachteiligten Personen oder von Personen, die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben, weil sie zum Beispiel noch nicht entsprechende Erfahrungen sammeln konnten.

Es hat für die Betriebe eine ganz andere Gewichtung, wenn das Geld dort als Geld aus Steuertöpfen ankommt, als wenn betriebliche Förderungen gewährt werden. Diese sind echt steuerbefreit und gelangen 1 :  1 in die Betriebskassen. Es werden daher eigentlich auch in den Budgets verzerrte und insofern falsche Zahlen ausgewiesen. Ich denke, auch darüber sollte die Bundesregierung nachdenken.

Über einen dritten Punkt, der mir wesentlich ist, werden wir heute im Rahmen einer Dringlichen Anfrage der Grünen noch Gelegenheit haben zu reden. Es ist der Bevölkerung überhaupt nicht


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mehr klarzumachen, wie die Probleme auf dem Arbeitsmarkt gelöst werden sollen, wenn man dauernd gegenüber irgendeiner Gruppe Druck entfaltet. Man versucht zum Beispiel, die älteren ArbeitnehmerInnen möglichst frühzeitig in Pension zu schicken. Es sind leider auch Betriebe, an denen die öffentliche Hand Anteile hat, Betriebe, die eine starke Nahebeziehung zur öffentlichen Hand haben, etwa Banken, Betriebe im Versicherungssektor, die Bundesforste, in denen Druck ausgeübt wird auf Frauen ab 50 und Männer ab 55 Jahren; diese werden förmlich in Pension geekelt.

Ich denke, Sie müßten endlich einmal auch über eine Umverteilung der vorhandenen Arbeit reden, statt einmal eine Gruppe besonders zu fördern und auf die anderen Druck auszuüben. Es gibt genug Arbeit für alle, aber es wird so nicht weitergehen. Wir müssen die Strukturen auf dem Arbeitsmarkt überdenken und endlich einmal bereit sein, auch über eine generelle Arbeitszeitverkürzung offen und ehrlich zu diskutieren. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Niederwieser. )

Ein allerletzter Punkt: Die grüne Frauensprecherin Mag. Kammerlander und ich werden einen Antrag einbringen, der dem Gleichbehandlungsausschuß zugewiesen werden soll, weil er momentan wahrscheinlich keine Chance hätte, Ihre Zustimmung zu finden. Ich denke, daß es bezeichnend ist, daß im Rahmen eines sehr erfolgreichen Frauen-Volksbegehrens die Frauen eine ähnliche Forderung aufgestellt haben wie jene, die jetzt für die Lehrlinge verwirklicht wird.

Die Frauen haben die damals belächelte und lächerlich gemachte Forderung aufgestellt, daß Unternehmen öffentliche Förderungen und Aufträge nur dann erhalten sollen, wenn sie mit der Gleichstellung von Frauen Ernst machen. Ich habe dieses Anliegen der Frauen auch in den Verfassungsausschuß eingebracht und war sehr erstaunt darüber, daß nicht dieselbe Bereitschaft besteht, zumindest diese weiche Formulierung auch in den Antrag aufzunehmen, so, wie wir jetzt die Lehrlingsförderung und die Bedachtnahme auf Umweltgerechtheit drinnen haben.

Wie gesagt, wir werden das in den Gleichbehandlungsausschuß einbringen. Ich gehe davon aus, daß es ein Mindestmaß an Respektierung der direkten Demokratie in Österreich sowie ein Mindestmaß an Einsicht in die Notwendigkeit von Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Frauen gibt und daß Sie die ernsthafte Bereitschaft haben, diesen Antrag im Gleichbehandlungsausschuß nicht zu schubladisieren, sondern daß es schon bald zumindest eine ähnliche Beschlußfassung wie jetzt für die Lehrlinge zugunsten der Frauen in Österreich geben wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Herr Abgeordneter, Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

14.30

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, zu den Ausführungen der beiden Vorredner je eine Bemerkung zu machen.

Zu jenen des Herrn Kollegen Haider: Herr Kollege Haider! Wir diskutieren hier ein wirklich sehr ernstes Thema, nämlich die Frage der Jugendbeschäftigung, der Berufsausbildung und der Zukunftschancen unserer Jugend. Sie haben versucht, dieses Thema mit einem Skandalisierungsthema zu überlagern. Wir können hier in der Geschwindigkeit nicht überprüfen, ob das, was Sie hier vorgetragen haben, auch den Fakten entspricht. Sollten Sie tatsächlich Unterlagen haben, die – wie Sie gesagt haben – mafiose Vorgänge in der Bauwirtschaft nachweisen, dann fordere ich Sie hiemit auf, Herr Kollege Haider: Geben Sie diese Unterlagen den Gerichten und der Staatsanwaltschaft, und versuchen Sie nicht, daraus politisches Kleingeld zu wechseln! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Schieder: Staatsanwaltschaft!)

Uns ist das Thema Jugendbeschäftigung zu ernst, um es hier mit Skandalisierungskampagnen der Freiheitlichen Partei zu überlagern. (Abg. Dr. Haider: Korruption! Ihr habt es zu prüfen!) Wenn diese Vorwürfe stimmen, dann geben Sie die Unterlagen dem Staatsanwalt und den


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ordentlichen Gerichten, Herr Kollege Haider! (Abg. Dr. Haider: Die ganze Bundesregierung schaut zu!)

Zu den Ausführungen der Frau Kollegin Petrovic: Frau Kollegin Petrovic! Sie haben hier beklagt, daß die Formulierung im Zuge der parlamentarischen Beratungen abgeschwächt wurde, haben aber gleichzeitig eine ähnliche Bestimmung für die Frauen verlangt. Ich sage Ihnen folgendes: Ich habe immer festgestellt, daß dieses Gesetz ein wichtiges Signal ist, aber nicht mehr. Wir müssen jedoch auch so ehrlich sein zu sagen, daß wir mit diesem Signal eine gewisse Haltung, eine gewisse Bewußtseinsbildung erzeugen wollen.

Wenn wir Ihren Vorschlag hinsichtlich der Frauen durchdenken, Frau Kollegin Petrovic – Sie haben damit ja schon begonnen –, dann kommen wir zu dem Ergebnis, daß wir mit der Zeit für jede Zielgruppe ein eigenes Gesetz haben wollen. (Abg. Mag. Kammerlander: Frauen sind aber keine Zielgruppe, sondern sie sind die Mehrheit!) Wir sollen die Jugendlichen berücksichtigen, wir sollen die Frauen berücksichtigen, wir sollen die Behinderten berücksichtigen, wir sollen die älteren Arbeitskräfte berücksichtigen, und am Schluß kommt folgendes heraus: Es bekommt nur noch derjenige Betrieb einen öffentlichen Auftrag, dessen Beschäftigungsstruktur genau dem österreichischen Gesamtdurchschnitt entspricht. Das ist doch praxisfremd, Frau Kollegin Petrovic! Sehen Sie das nicht? – Man muß doch auch als Grüne noch ein bißchen einen Bezug zur Praxis haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Petrovic: Praxis heißt Diskriminierung!)

Aber nun zum eigentlichen Thema, meine Damen und Herren! Wir haben hier vor dem Sommer ein Lehrlingspaket beschlossen, von dem die Wirtschaft gesagt hat, daß es ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Dieses Lehrlingspaket hat einen Trend gebrochen, nämlich den Trend der sinkenden Ausbildungsbereitschaft der Betriebe. Wir haben derzeit – Ende November – ungefähr 50 000 neue Lehrverträge; das ist ein Plus von 5,7 Prozent. Damit wurde ein langjähriger Trend gestoppt, und ich denke, die diesbezüglichen Bemühungen von Regierung, Parlament und Wirtschaft waren erfolgreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir wissen aber auch, daß uns ein sehr schwieriges Jahr bevorsteht, weil 1998 noch ein starker Geburtenjahrgang in den Arbeits- und Lehrstellenmarkt drängen wird. Ich gehöre daher zu jenen, die dafür eintreten – und damit fangen wir ja auch schon an –, daß wir uns heute schon im vorparlamentarischen Raum zusammensetzen – Herr Präsident (in Richtung des Abg. Verzetnitsch), ich weiß, daß wir da einer Meinung sind –, um ein Paket darüber zu schnüren, wie wir das Jahr 1998 im Bereich der Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung bewältigen.

Ich gebe gerne zu, daß das Paket, das wir im heurigen Sommer beschlossen haben, erfolgreich war und damit ein erster Schritt getan wurde, aber ich denke, daß wir weitere Maßnahmen brauchen werden, um das Problem der Lehrlingsbeschäftigung, der Jugendbeschäftigung, der Ausbildung unserer Jugend auch im nächsten Jahr zu lösen.

Ich sage dazu nur einige Stichworte – ich weiß, daß wir da noch nicht in allen Punkten einer Meinung sind –, Stichworte, was in einem entsprechenden Gesamtpaket enthalten sein sollte.

Wir müssen ohne Tabus die Problematik jener jungen Menschen diskutieren, Herr Präsident, bei denen die Kriterien der Lernfähigkeit und der Lernwilligkeit in Diskussion stehen.

Ich denke, daß wir, wenn wir verhindern wollen, daß junge Menschen auf den Hilfsarbeiterstatus abgleiten, sehr wohl das Thema der Teillehre diskutieren müssen, auch wenn das von manchen Gewerkschaften immer wieder vehement abgelehnt wird. Teillehre bedeutet Teilqualifikation, und damit gilt es zu verhindern, daß die jungen Menschen letztlich als Hilfsarbeiter arbeitslos sind.

Meine Damen und Herren! Wir werden auch darüber diskutieren müssen, ob es wirklich gerecht ist, den Betrieben auch für die Zeit des Berufsschulbesuches die Lehrlingsentschädigung aufzu


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erlegen. Es gibt keine andere Bevölkerungsgruppe, durch deren Schulbildung die Betriebe belastet werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir muten dem Steuerzahler zu, daß unsere Hochschulen jedes Jahr Tausende Soziologen, Politologen und Psychologen ausbilden, die wir in der Wirtschaft – ich sage es einmal so – alle nicht brauchen können. Aber über die dringend benötigten Fachkräfte sagen wir: Dafür sollen die Betriebe in vollem Umfang bezahlen, auch für die Schule sollen sie bezahlen. So einfach wird das nicht zu machen sein, meine Damen und Herren!

Ich komme zum Schluß. Ich bin froh darüber, daß wir heute dieses Signal setzen. Es ist dies kein Patentrezept, sondern ein kleiner Mosaikstein auf dem Weg, die Probleme zu lösen, die zweifellos Zukunftsfragen unseres Landes sind. Denn das wichtigste Kapital, das wir in der Wirtschaft haben, sind die menschlichen Ressourcen, und die beste Investition, die es gibt, ist die Investition in die Ausbildung unserer Mitarbeiter, vor allem der jungen Mitarbeiter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nach dem derzeitigen Stand der Redeordnung ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger der letzte Redner in der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt. Herr Abgeordneter! Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 8 Minuten. – Bitte.

14.36

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich auf die Aussagen der Kollegin Hagenhofer zu sprechen kommen. Das, was Frau Kollegin Hagenhofer betrieben hat, war Haarspalterei. Sie hat gesagt, daß es das alles nicht gibt und Kollege Haider unrecht hat. (Abg. Hagenhofer: Das sagt so nicht das AMS!) Dann ist sie zum Rednerpult gekommen und hat eine so kleine Korrektur angebracht.

Frau Kollegin Hagenhofer! Ich möchte Ihnen folgendes sagen: Lesen Sie einmal nach, was Ihr eigenes Arbeitsmarktservice darüber geschrieben hat, was alles mit Wirkung vom 1. Jänner 1998 in Kraft treten wird – herausgegeben vom Arbeitsmarktservice, 20. November 1997. (Abg. Hagenhofer: Das weiß ich!) Behaupten Sie daher hier nicht solch verdrehende Tatsachen! Ich muß das mit aller Deutlichkeit einmal sagen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Selbst Ihr Fraktionskollege, Herr Ackerl, moniert das in der Ausgabe der "Krone" vom 27. November: "Lehrlingsgeld fehlt bei Sozialprojekten". Er schlägt Alarm. Das alles ist für Sie nichts, Sie negieren das. (Zwischenruf der Abg. Hagenhofer. )  – Lesen Sie es bitte nach!

Am gleichen Tag, am 27. November, schreibt Herr Erhard Gstöttner in der Tageszeitung "Oberösterreichische Nachrichten" einen umfassenden Artikel dazu. – Lesen Sie zuerst einmal die Zeitungen, und gehen Sie bitte erst danach heraus! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Hagenhofer: Das habe ich nicht bestritten! Ich habe nur auf die Korrekturen hingewiesen!)

Aber kommen wir nun zum eigentlichen Problem, meine Damen und Herren! Es hat zwar Entrüstung gegeben, als Dr. Haider einmal mehr der Korruption den Kampf angesagt hat, insbesondere der Korruption im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens (Abg. Schwemlein: Unerträglich!), aber in diesem Zusammenhang hat niemand eine tatsächliche Berichtigung vorgenommen, hat niemand gesagt, daß das nicht stimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Dr. Stummvoll ist händeringend hierher getreten und hat in einem Akt der Hilflosigkeit gesagt: Das ist erst zu beweisen! (Abg. Schwemlein: Du erweckst den Eindruck, als wärst du die Rosinante für den Don Quichotte!) Ich sage Ihnen, Herr Kollege Stummvoll: Dr. Haider wird die Unterlagen und das Beweismaterial den Gerichten übergeben, aber dann, wenn er es für richtig hält, und nicht, wenn Sie es ihm vorschreiben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Damit die Firmen vorgewarnt sind!)  – Warum diese große Aufregung? (Abg. Mag. Steindl: Dummheit! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Zum Bundesvergabegesetz möchte ich folgendes sagen: Einige der Vorredner haben schon angedeutet, daß es ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist. Aber man muß sich über die Tragweite im klaren sein: Man wird damit vielleicht 400 bis 500 Lehrstellen sichern können, aber der große Wurf ist es nicht. Der große Wurf hätte in einer Zeit geschehen sollen, in der Sie von den Koalitionsparteien auf Teufel komm raus gestritten haben. Da haben Sie Haarspalterei betrieben, es wurden Worte in die Waagschale geworfen, und zum Schluß haben Sie gesagt: Wir brauchen einen Koalitionsausschuß. Das ist die Realität, meine Damen und Herren! Aber in der Lehrlingsfrage haben Sie nichts weitergebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Und in der Zwischenzeit hast du Lehrlinge eingestellt?)

Jetzt kann man vielleicht ein paar hundert Lehrstellen durch diese sinnvolle Bestimmung im Bundesvergabegesetz auffangen, aber es ist das, wie gesagt, nur der Anfang. Das Problem besteht nämlich darin, daß es aufgrund der geltenden EU-Richtlinien Schwellenwerte gibt, bei deren Überschreiten EU-Normierungen in Kraft treten.

Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Sie haben einen Gewerkschaftspräsidenten, der in der Europäischen Union die Funktion eines EGB-Präsidenten ausfüllt, die Funktion eines Präsidenten des Europäischen Gewerkschaftsbundes. (Abg. Schwemlein: Wir sind stolz darauf!) Seine Aufgabe wird es sein, zu den EU-Behörden zu gehen und die EU-Kommission darauf aufmerksam zu machen, daß man entweder die Schwellenwerte erhöhen muß oder daß man andere Bestimmungen in die geltende EU-Richtlinie hineinreklamiert, sodaß der Lehrling europaweit entsprechenden Schutz genießt und die Vergaben europaweit mit einer Lehrlingsklausel ausgestattet werden müssen.

Denn eines ist klar: Ein Schwellenwert von beispielsweise 69 Millionen Schilling in der Bauwirtschaft ist schnell erreicht, da kann man nur bedingt etwas machen. Ein Schwellenwert von 1,8 Millionen Schilling für sonstige Beauftragungen – das ist der derzeitige Schwellenwert, bis zu dem die nationale Politik Handlungsspielraum hat – ist auch sehr schnell erreicht. Hier müssen Sie endlich – Sie behaupten ja immer, Sie seien so stark in der Europäischen Union verankert – die entsprechenden Maßnahmen setzen, damit auch die Europäische Union jetzt endlich ein Lehrlingskapitel realisiert, entgegen der bisherigen Praxis der Ankündigungen und des Nichts-in-die-Tat-Umsetzens. Das möchte ich Ihnen schon sagen, meine Damen und Herren!

Zum Vergabegesetz möchte ich einen letzten Punkt anmerken. Ich weiß nicht, ob folgendes allen bekannt ist: Es gibt dabei verfassungsrechtliche Bedenken, zuletzt geäußert vom Staatsrechtler Professor Dr. Korinek. Er hat gesagt, daß das Bundesvergaberecht in einigen Bestimmungen verfassungswidrig sei, und hat eine umfassende Reform angeregt. Unsere Fraktion wird sich diese Sache jetzt sehr gründlich überlegen – wir werden es uns nicht einfach machen – und Ihnen in den Ausschüssen entsprechende Vorschläge unterbreiten. Selbstverständlich wollen wir ins Bundesvergaberecht ganz klare Spielregeln hineinreklamieren, damit jeder Zweifel darüber, wie man die eine oder andere Sache interpretieren kann, aus den bestehenden Regeln ausgeräumt wird. Meine Damen und Herren! Wir wollen klare Verhältnisse, und wir wollen dafür sorgen, daß der Korruption in diesem Land mit klaren Bestimmungen endgültig der Kampf angesagt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich noch Herr Abgeordneter Haigermoser zu Wort gemeldet. Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

14.43

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Stummvoll mußte einen ja zu einer kurzen Stellungnahme animieren.

Die unendliche Geschichte der Lehre – ein positiver Schritt, der heute gesetzt wird, ein kleines Schrittchen, je nachdem, wie man es sieht. Faktum ist – das sollte das Hohe Haus wissen –, daß Sie den Gesamtkomplex der Lehrlingsausbildung wieder einmal in einem Unterausschuß schubladisiert haben. Leider Gottes sind Sie unserer Forderung in der jüngsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses, das Lehrlingspaket abzuhandeln und zu beschließen, nicht nachgekommen. Herr Kollege Stummvoll! Das wäre ein echtes – unter Anführungszeichen – "Weih


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nachtsgeschenk" für die Lehrlinge und für die ausbildenden Betriebe gewesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zu Ihrem Vorschlag, Kollege Stummvoll – es ist mir wichtig, daß wir herausarbeiten, worin wir uns unterscheiden –: Was die Lehrlinge anlangt, rufen Sie jetzt nach mehr Staat. Präsident Maderthaner ist dabei der Wortführer. Mehr Staat wollen Sie dergestalt, daß Sie sagen: In der Berufsschulzeit solle die Lehrlingsentschädigung gekürzt werden, und den Ausgleich in der Bezahlung solle das Arbeitsmarktservice durchführen. (Abg. Dr. Stummvoll: Die Betriebe sollen das tun?)

Meine Damen und Herren! Dieser Ruf nach mehr Staat verwundert mich, und zwar deswegen, weil Sie bis dato nicht bereit waren, unseren Entsteuerungsvorschlägen zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Maderthaner: Das ist ein Ruf nach Entlastung der Lehrbetriebe!) Wir sagen: Herunter mit der Besteuerung und herunter mit den Lohnnebenkosten, damit der Lehrling das Geld vom Betrieb auf die Hand bekommt, um sich noch mehr als bisher mit seinem Betrieb zu identifizieren!

Wissen Sie nicht, daß Ihre Forderung der zweite Schritt zu den staatlichen Lehrwerkstätten ist? – Die Genossen lauern schon darauf, meine Damen und Herren! Es wird sehr schnell gesagt werden: Wenn die öffentliche Hand das finanziert, dann ist das sowieso der Tod der dualen Ausbildung!

Daher bin ich baß erstaunt, Herr Kollege Stummvoll, daß Sie bis dato nicht unseren Forderungen zugestimmt haben, welche die Mitversicherung der Lehrlinge bei den Erziehungsberechtigten beinhalten, ausgenommen hinsichtlich der Pension. Das brächte eine taugliche Entlastung der Lehrlingskosten und wäre damit ein Schritt zu mehr Lehrausbildungsplätzen in diesem Lande, meine Damen und Herren!

Herr Kollege Stummvoll! Sie wissen ganz genau, daß ein Subventionsschilling drei Steuerschillinge kostet. Selbstverständlich: Drei Schillinge werden aus der rechten Tasche herausgenommen, und in die linke Tasche kommt ein Schilling hinein. Daß die ÖVP einen derartigen Weg mitbeschreitet, ist enttäuschend, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Schwache Vorstellung!)  – Ich habe schon verstanden, was ihr wollt. Ihr seid wieder einmal im Liegen umgefallen.

Ich könnte fast schließen mit dem Bibelwort: Denn sie wissen nicht, was sie tun. Aber davon gehe ich bei Stummvoll nicht aus. Ihr wißt offensichtlich, was ihr tut, aber ihr geht in die falsche Richtung. Die falschen Wege werden beschritten. Unsere Anträge auf Entsteuerung und Senkung der Lohnnebenkosten sind der richtige Weg.

Sie könnten den Lehrlingen ein Weihnachtsgeschenk machen, indem zum Beispiel Sie, Herr Präsident Maderthaner, für die Wirtschaftskammer heute signalisieren, daß Sie im nächsten Jahr bereit sind, die Prüfungstaxen seitens der Kammer zu übernehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Maderthaner: Sie haben beim Kammertag nicht aufgepaßt!) Dann hätten Sie einen Beitrag geleistet, wenn auch nur einen symbolischen; einen symbolischen, weil damit signalisiert würde, daß bei den Lehrlingen nicht noch eine Prüfungstaxe eingehoben wird, die zwar der Unternehmer zu zahlen hat (Abg. Dr. Stummvoll: Die Unternehmer sollen nur zahlen?), sondern daß uns die Lehrlingsausbildung mehr wert ist als Ihre leeren Worthülsen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Stummvoll: Schrecklich war das!)

14.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt zu diesem Punkt keine weitere Wortmeldung vor. Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstattung hat ein Schlußwort nicht gewünscht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 977 der Beilagen.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Die Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen erheben sich von ihren Sitzen.) – Ich wiederhole noch einmal den Abstimmungsgegenstand: Der Abstimmungsgegenstand ist der Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 977 der Beilagen. (Abg. Haigermoser  – in Richtung SPÖ und ÖVP –: Das ist aber sehr peinlich für Sie, dieser Aufruf! – Weitere Zwischenrufe und Heiterkeit.)

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mit Mehrheit angenommen. – Gründe für Heiterkeit bestehen in dieser Situation überhaupt nicht.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Diejenigen, die dem Entwurf in dritter Lesung zustimmen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 977 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entschließungsantrag ist mehrheitlich angenommen. (E 93.)

4. Punkt

Bericht und Antrag des Verfassungsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird (976 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Es liegen bisher zwei Wortmeldungen vor. Ich mache darauf aufmerksam, daß ich um 15 Uhr diese Debatte, sofern sie nicht schon beendet ist, zur Aufrufung der Dringlichen Anfrage unterbrechen muß.

Erster Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.50

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Bei dem §-27-Antrag Kräuter, Donabauer geht es zum einen um formale Arrondierungen – darauf werde ich nicht näher eingehen –, zum anderen um einen Akt der Behördenentlastung. Es geht um eine Starthilfe für den Bundesasylsenat, der mit 1. Jänner 1998 seine Tätigkeit aufnehmen wird, es geht um eine Behördenentlastung, die präventiv wirkt, und nicht um eine Reaktion auf überbordende Aktenschränke. Ich denke, das ist auch einmal ein wichtiger Akt der Rechtskultur.

Inhaltlich geht es darum, daß eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn die Aktenlage und die Berufung den Sachverhalt klar erkennen lassen. – Für mich ist es eine rechtspolitische Güterabwägung: zum einen des Vorteils rascherer Entscheidungen – hier wird eine Nadelöhrsituation beseitigt, was grundsätzlich im Interesse aller Berufungswerber liegt –, zum anderen kann es in einigen wenigen Fällen dazu kommen, daß der Sachverhalt zu Unrecht als geklärt erscheint; das ist die Kehrseite der Medaille, ist aber nicht ganz auszuschließen. In diesen Fällen allerdings wird dann der Verwaltungsgerichtshof nach Anrufung aktiv.

Meine Damen und Herren! Es geht also um einen Akt der Verwaltungsentlastung, um Elemente der Rechtssicherheit, und ich denke, daß das ab 1. Jänner 1998 recht gut funktionieren wird.


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In der sicheren Erwartung, daß diese Bestimmung nicht exzessiv beansprucht wird, und unter der Voraussetzung, daß der Verwaltungsgerichtshof als Regulativ wirken wird, kann ich die Zustimmung zu diesem Antrag empfehlen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist noch Herr Abgeordneter Mag. Stadler. (Ruf: Wo ist er denn?)  – Herr Abgeordneter Stadler ist nicht im Saal, sein Debattenbeitrag findet daher nicht statt.

Es liegt keine weitere Wortmeldung mehr zu diesem Tagesordnungspunkt vor.

Ich schließe die Debatte und bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen, da ein Schlußwort des Berichterstatters nicht gewünscht worden ist, zur Abstimmung.

Ich bitte, in den Saal zu kommen, denn wir haben derzeit nicht das erforderliche Beschlußquorum. – Das Beschlußquorum ist jetzt gegeben.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 976 der Beilagen.

Jene Damen und Herren, die diesem Entwurf ihre Zustimmung geben, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist in zweiter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte auch in diesem Fall um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

5. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (944 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird (989 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf mündliche Berichterstattung wurde verzichtet, wir beginnen daher sofort mit der Debatte.

Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Krüger zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort, um 15 Uhr muß ich Sie jedoch unterbrechen.

14.54

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mit der zur Beschlußfassung anstehenden Novelle des Filmförderungsgesetzes hätte ein besonderes Husarenstück bewerkstelligt werden sollen. Ein Husarenstück deshalb, weil es ein geradezu einmaliger Vorgang ist, daß der geistige Urheber dieser Filmgesetznovelle, der Direktor des Österreichischen Filminstitutes, Herr Schedl, seine eigene Vertragsverlängerung mittels eines Gesetzes bewirken wollte.

Die Situation war die: Der Vertrag des Herrn Schedl läuft in zwei Jahren aus, und in Kenntnis dieser Tatsache hat er dem Herrn Staatssekretär eine Regierungsvorlage untergejubelt, deren Verabschiedung eine Verlängerung seines Vertrages um weitere fünf Jahre nicht durch einen Kontrakt, sondern per Gesetz bewerkstelligt hätte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat unumwunden zugegeben, daß er selbst dem geistigen Urheber dieser Novelle zum Opfer gefallen wäre, da es ihm selbst nicht aufgefallen ist. Erst über ein Aufheulen der Fachjournalisten und auch der Politik wurde diese Lex Schedl nicht zu einer großen Lex Schedl mit einer von Gesetzes wegen dekretierten Vertragsverlängerung, sondern nur zu einer eingeschränkten Lex Schedl.


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Und warum ist das so? – Ganz einfach deshalb, weil die Macht dieses Direktors des Österreichischen Filmförderungsinstitutes einzementiert wurde. Ich glaube, es ist symptomatisch für das Sittenbild in öffentlichen Haushalten, deren Gestionen von den Regierungsparteien beeinflußt werden, daß man Direktoren, die nachgewiesenermaßen über einen langen Zeitraum äußerst erfolglos sind, wenn schon nicht eine Vertragsverlängerung per Gesetz, so doch eine Stärkung ihrer eigenen Position einräumt.

Es ist wirklich ein Kuriosum, meine Damen und Herren, daß jemand, der über viele Jahre – auch durch Schwächen des Gesetzes, das gebe ich schon zu – in Letztverantwortung tätig war – man hat ja erkannt, daß da ein dringender Novellierungsbedarf besteht –, für seine Erfolglosigkeit auch noch belohnt wird, indem man seine Befugnisse ausdehnt, indem man seine Rolle stärkt und indem man ihm ganz einfach mehr Imperium in die Hand gibt. Das ist wirklich ein Kuriosum! Normalerweise müßte man solche Leute in die Wüste schicken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines: Es fehlt Ihnen jeglicher Reformwille! Denn wie kann ich eine Reform durchziehen, wenn ich denjenigen, der über viele Jahre im Österreichischen Filminstitut nichts zusammengebracht hat, wieder an die Spitze stelle und mit noch mehr Befugnissen ausstatte, als er schon bisher hatte?

Ein Kuriosum ist auch die Frage der Verantwortlichkeit. Sie wissen, daß die Entscheidungen über eine Filmförderung dem Grunde nach der Auswahlkommission vorbehalten sind. Ich habe Sie, meine Damen und Herren, darauf aufmerksam gemacht, daß die Regierungsvorlage in dem Punkt unsinnig ist, daß die Zahl der Mitglieder der Auswahlkommission zwischen drei und fünf angesiedelt sein soll, weil es tatsächlich wenig Sinn macht, entweder drei, vier oder fünf Mitglieder zu bestellen und das Ergebnis von Abstimmungen von der Zahl dieser Mitglieder abhängig zu machen. Wenn es vier sind, können sie 2 : 2 oder 3 : 1 stimmen, andernfalls 3 :  2 oder 2 : 1. Ich habe gehört, daß es dazu einen einvernehmlichen Abänderungsantrag von vier Parteien geben soll, der vorsieht, daß jedenfalls eine bestimmte Zahl von Auswahlkommissionsmitgliedern die Entscheidungen treffen soll. (Ruf bei der SPÖ: Fünf!) Fünf sind es jetzt.

Aber worin besteht diese Unsinnigkeit? – Sie besteht darin, daß man zwar die Auswahlkommissionsmitglieder dem Grunde nach entscheiden läßt, über die Höhe aber entscheidet der Direktor allein. Das ist wirklich ein Unding der besonderen Art!

Ich begrüße nun auch den Herrn Bundeskanzler, der, wie man den Medien entnimmt, während der letzten Tage versucht hat, in der Kulturpolitik verlorenes Terrain aufzuholen und sich in großen Runden kundig zu machen.

Aber wenn Sie sich, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, auch in Filmfragen kundig gemacht und die Experten eingeladen hätten, sich mit Ihnen an einen Tisch zu setzen und vernünftig zu diskutieren, so hätten Sie dieser Unsinnigkeit nie zustimmen dürfen, daß die Auswahlkommission dem Grunde nach entscheidet, der Höhe nach aber der Leiter des Filminstitutes. Indirekt entscheidet natürlich nur er, denn ...


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter! Es ist 15 Uhr, ich muß Sie unterbrechen. Wollen Sie jetzt Ihren Debattenbeitrag beenden oder nachher fortsetzen? (Abg. Dr. Krüger: Fortsetzen!) Gut.

Ich unterbreche jetzt die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt, und Sie sind dann bei der Fortsetzung der Debatte sofort wieder der erste Redner. (Abg. Dr. Krüger: Kann ich nur den einen Satz noch beenden?) Bitte, aber schnell! An sich muß ich 15 Uhr genau einhalten.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): Die Unsinnigkeit besteht darin, daß man die Kommission dem Grunde nach entscheiden läßt, der Höhe nach läßt man jedoch den Direktor entscheiden, der dadurch natürlich das Votum der Auswahlkommission zunichte machen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Meine Damen und Herren! Ich unterbreche die Verhandlungen über den 5. Tagesordnungspunkt, damit wir jetzt – um 15 Uhr – zur Durchführung der Debatte über die Dringliche Anfrage kommen können.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Defizite der österreichischen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik (3388/J)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zur Diskussion steht die schriftliche Anfrage 3388/J. Diese Anfrage ist in der Zwischenzeit an alle Abgeordneten verteilt worden. Eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt sich daher.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Bundeskanzler Klima, 29. Jänner 1997, Erklärung des Bundeskanzlers:

"Der Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik darf nicht das Verwalten und das Versorgen von Arbeitslosen sein. Der Schwerpunkt muß eine aktive Arbeitsmarktpolitik sein, die all den nachteiligen Folgen des Verlustes eines Arbeitsplatzes – vom Qualifikationsverlust über den Verlust des Selbstwertgefühls und der Motivation bis hin zu den zunehmenden Schwierigkeiten für die Wiedereingliederung – entgegenwirkt und eine effiziente Vermittlung darstellt."

Bundesminister Edlinger, 8. Juli 1997, Zur Wirtschaftlichen Lage:

"Für uns ist das Erreichen von Vollbeschäftigung in Österreich keine Utopie, sondern ein politisches Ziel. Wir werden dieses Ziel nicht von heute auf morgen schaffen. Aber – auch wenn wir noch große Anstrengungen vor uns haben – es bleibt das Ziel dieser Bundesregierung und wir werden nichts unversucht lassen, um in Österreich wieder Vollbeschäftigung herzustellen."

Der Beschäftigungsgipfel in Luxemburg Ende November hat, basierend auf dem neu geschaffenen Beschäftigungskapitel des Amsterdamer Vertrages, zu beschäftigungspolitischen Leitlinien geführt, die bis zum EU-Gipfel in Cardiff in nationale beschäftigungspolitische Aktionspläne mit in Zahlen ausgedrückten Zielen umformuliert werden müssen und am österreichischen EU-Ratsgipfel Ende 1998 einer erstmaligen Prüfung unterzogen werden.

Nach Ansicht der Grünen stellen die Beschlüsse von Luxemburg zwar aufgrund der auch im Vertrag von Amsterdam verankerten Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vorlage mehrjähriger Beschäftigungsprogramme und deren Überprüfung einen Schritt in die richtige Richtung dar, verbleiben jedoch infolge der Sanktionslosigkeit unverbindlich und sind daher insgesamt als zu wenig weitgehend und effektiv zu bewerten. Auch ihre Unterordnung unter die Grundzüge der Wirtschaftspolitik (insbesondere die Konvergenzkriterien der Wirtschafts- und Währungsunion und den Euro-Stabilitätspakt) stellt von vornherein eine Beschränkung der Möglichkeiten aktiver Beschäftigungspolitik in den Mitgliedstaaten dar. Die formulierten "Leitlinien" beinhalten zwar einige konkrete Zielvorgaben (zum Beispiel Eingliederung arbeitsloser Jugendlicher in den Arbeitsmarkt innerhalb von sechs Monaten), sind jedoch sowohl infolge ihrer wie bereits erwähnten weitgehenden Unverbindlichkeit als auch aufgrund ihrer zum Teil bedenklichen inhaltlichen Ausgestaltung (Ratspräsident Juncker sprach sich wiederholt für Arbeitszwang für Arbeitslose aus) aus grüner Sicht äußerst problematisch.

Es besteht die nicht zu unterschätzende Gefahr, daß Österreich die EU-Beschlüsse dazu mißbraucht, weitere Sozialabbaumaßnahmen durchzuführen, Zwangsvermittlungen für Arbeitslose einzuführen und die Bekämpfung der steigenden Armutsgefährdung hintanzustellen.

So ist nicht auszuschließen, daß die in Luxemburg beschlossenen, mittel- bis langfristig ausgerichteten beschäftigungspolitischen Leitlinien in der folgenden nationalen Ausgestaltung die Dringlichkeit kurzfristiger (sofort wirksamer) arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Maßnahmen unberücksichtigt lassen, daß durch eine Fokussierung auf ausschließlich beschäftigungsorien


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tierte Maßnahmen die reale Gefahr, das Problem der steigenden Armut und zunehmenden sozialen Ausgrenzung, auch in Österreich in den Hintergrund gedrängt wird, daß die Mittelaufbringung für in der EU herzeigbare Leistungen im Bereich aktiver Arbeitsmarktpolitik durch weitere Kürzungen der Arbeitslosenversicherungsleistungen erfolgen könnte, daß bislang in Österreich nicht umsetzbare Maßnahmen mit dem Verweis auf die EU-Beschlüsse nun doch rascher und schärfer zur Umsetzung gelangen, etwa Arbeitszwang ohne nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten.

Trotz der offensichtlichen Defizite der EU-Sozial- und Beschäftigungspolitik bezeichnet die österreichische Bundesregierung sowohl den Amsterdamer Vertrag als auch den Luxemburger Beschäftigungsgipfel als großen politischen Erfolg, der nicht zuletzt auf ihre eigene aktive EU-Politik zurückzuführen sei.

Obwohl wiederholt hervorgehoben wird, wie gut die heimische Beschäftigungslage im internationalen Vergleich sei, besteht tatsächlich großer Anpassungsbedarf in sämtlichen in den Luxemburger Leitlinien angeführten Bereichen, insbesondere jedoch bei der Zahl der durch aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen geförderten Personen. Den ersten Aussagen Bundeskanzler Klimas zufolge besteht hingegen seitens Österreichs keine Absicht, bei den für die noch zu detaillierenden Aktionen notwendigen zusätzlichen Mitteln bedeutende Umschichtungen vorzunehmen. Die ersten Stellungnahmen von Politikern der Regierungsfraktionen waren vielmehr darauf ausgerichtet, den Eindruck zu vermitteln, daß Österreich bezüglich der in Luxemburg vereinbarten beschäftigungspolitischen Leitlinien nur geringen Nachholbedarf hätte und dazu keine bis wenige zusätzliche Finanzmittel aufgebracht werden müßten. Ganz gegenteilig äußerten sich dazu jedoch bereits einige Experten. Der Arbeitsmarktexperte des IHS, Dr. Pichelmann, meinte unter anderem, Österreich müsse sich bei der Erstellung des nationalen Aktionsplanes gehörig anstrengen und eine deutliche Mittelsteigerung vornehmen, um das Luxemburger Ziel, insbesondere bei den aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, zu erreichen.

Österreich hat in den letzten Jahren nicht nur keinerlei Anstrengungen unternommen um die Mittel für aktive Arbeitslosenversicherung zu erhöhen, es wurden vielmehr massiv Mittel aus dem Bereich Arbeitslosenversicherung für die Finanzierung der Pensionen umgeschichtet. Dies obwohl Österreich im OECD-Vergleich bei den Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik an vorletzter Stelle liegt. Die Entnahmen werden sich für den Zeitraum seit der Ausgliederung des AMS bis Ende 1999 auf über 25 Milliarden summieren.

Der Leiter des AMS selbst stellt fest, daß die Leistungen nur unter folgenden Bedingungen aufrechterhalten werden könnten: keine Steigerung der Arbeitslosigkeit, gleichbleibendes Beschäftigungsniveau und keine Änderungen im Arbeitslosenrecht. Schon jetzt ist klar, daß diese Bedingungen nicht erfüllbar sind. Wenn auch die EU-Quote konstant bleibt, so ist durch die Registerarbeitslosigkeit nach wie vor ein Anstieg der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr erkennbar. Die im Rahmen der Pensionsreform beschlossenen Maßnahmen wie Bildungskarenz, Freistellung und Solidaritätsprämienmodell stellen eine Erweiterung des Leistungskataloges des AMS dar, für das keine zusätzliche Vorsorge (geschätzte Höhe 1,6 Milliarden) getroffen wurde. Alleine der zusätzliche Jugendschwerpunkt kostet etwa 1,4 Milliarden, die ebenfalls nicht separat dotiert wurden und eindeutig zu Lasten anderer Zielgruppen und bestehender Maßnahmen gehen. So sind beispielsweise in Oberösterreich bereits konkrete Auswirkungen dieser nicht ausreichenden Dotierung bei zusätzlichen Maßnahmen klar absehbar.

Zahlreiche Ausbildungsprojekte werden geschlossen beziehungsweise massiv gekürzt, um die erforderlichen 300 Millionen für das Jugendbeschäftigungsprogramm aufbringen zu können. Betroffen davon werden etwa 400 Ausbildungs- und Arbeitsplätze sein.

In einigen Bundesländern mußten offensichtlich bereits für 1997 die vorgesehenen Budgets überschritten werden, was zu einer zusätzlichen Verschärfung im nächsten Jahr führen wird.

Hier werden Zielgruppen von Beschäftigungsmaßnahmen brutal gegeneinander ausgespielt, was sich beispielsweise drastisch im Anstieg der älteren Arbeitslosen zeigt. So ist etwa die Zahl


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der mindestens 50jährigen Arbeitslosen im November gegenüber dem Vorjahr um 17,4 Prozent gestiegen.

Österreich müßte also bei der nationalen Vorgangsweise große Anstrengungen unternehmen, könnte aber auch im Rahmen der Luxemburger Beschlüsse ("Follow up" von Luxemburg) eine bedeutende Rolle spielen. Einerseits erfolgt die erstmalige Überprüfung der nationalen beschäftigungspolitischen Aktionspläne während der österreichischen Ratspräsidentschaft, andererseits werden auch die neuen beschäftigungspolitischen Leitlinien für 1999 am Dezember-Gipfel unter österreichischem EU-Ratsvorsitz festgelegt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage:

1. Österreichischer Aktionsplan:

1.1. Bis wann wird der erste österreichische nationale Aktionsplan erstellt?

1.2 Welche quantitativen Ziele wird er voraussichtlich beinhalten (Art, Größe, Zeitrahmen); sind Angaben seitens der Gewerkschaft, die eine Reduzierung der Arbeitslosenquote von derzeit 4,5 Prozent auf 3,5 Prozent bis zum Jahr 2002 vorschlagen, eine realistische Größe, und was bedeuten diese Prozentsätze nach der nationalen Registerarbeitslosenquote ?

1.3 Wie hoch setzen Sie in diesem Zusammenhang jene Arbeitslosenrate an, die noch als Vollbeschäftigung ausgewiesen werden könnte?

2. Aufbringung und Verteilung der nationalen finanziellen Mittel:

In den Schlußfolgerungen (Punkt 15) heißt es in bezug auf die Ausgestaltung der einzelstaatlichen Aktionspläne: "Die Mitgliedstaaten legen die Fristen fest, die zur Erreichung des gewünschten Ergebnisses unter anderem angesichts der verfügbaren administrativen und finanziellen Mittel erforderlich sind."

2.1 Werden die Maßnahmen des österreichischen Aktionsplanes auch kurzfristig wirksam oder eher nur langfristig orientiert sein?

2.2 In welcher Form wird sichergestellt, daß es nicht zu einem Ausspielen von unterschiedlichen Zielgruppen von Beschäftigungsmaßnahmen kommen wird?

2.3 In welchem Verhältnis soll Ihrer Meinung nach der Aufwand für aktive Arbeitsmarktpolitik zwischen jenen Gruppen aufgeteilt werden, die schon arbeitslos sind, und jenen, die eine Beschäftigung haben, aber eine geförderte Zusatzqualifikation erhalten, und wie können Sie sicherstellen, daß in Zukunft Förderungen nicht für die Persönlichkeitsbildung von Spitzenmanagern verwendet werden?

2.4 Wie wird in diesem Zusammenhang damit umgegangen, daß einige Bundesländer schon im Jahr 1997 mit dem vorgegebenen Budget für aktive Arbeitsmarktpolitik nicht das Auslangen finden konnten? Werden diese Mittel zusätzlich aufgebracht werden, oder müssen die betroffenen Länder dieses "Manko" im nächsten Jahr zusätzlich zum gesteigerten Aufgabenumfang ausgleichen?

2.5 Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung unternehmen, um die durch eine unzureichende Dotierung bereits entstandenen Probleme wieder zu beseitigen?

2.6 Wie wollen Sie den wegen fehlender Mittel gestrichenen rund 400 Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in oberösterreichischen Beschäftigungsprojekten helfen? Können Sie den von den Streichungen betroffenen Projekten, hinter denen jahrelange Aufbauarbeit und Erfahrung steht, den Weiterbestand garantieren?


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2.7 Wie werden Sie dafür Sorge tragen, daß auch in anderen Bundesländern bereits zugesagte Förderungen nicht zugunsten von Lehrlings- oder Aktionsplanmaßnahmen wieder gestrichen werden?

2.8 Wie werden Sie sicherstellen, daß durch neue "EU-konforme" Maßnahmen Rand- und Problemgruppen nicht zugunsten leichter integrierbarer Gruppierungen benachteiligt werden?

2.9 Wird Österreich die Bezugnahme auf die "verfügbaren administrativen und finanziellen Mittel" dahin gehend interpretieren, daß eventuell arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die zwar notwendig wären, aber unter den derzeit verfügbaren budgetären Mitteln und der Budgetplanung der Bundesregierung nicht vorgesehen sind, nicht durchgeführt werden?

Punkt 23 beinhaltet des weiteren die Anregung, aktive Maßnahmen der beruflichen Eingliederung systematisch gegenüber passiven Unterstützungsmaßnahmen zu bevorzugen.

2.10 Wie wird dieser Punkt auf österreichischer Seite interpretiert?

2.11 Bedeutet dies eine Ausweitung des Mitteleinsatzes für aktive Arbeitsmarktpolitik, wenn ja, in welchem Umfang / Zeitraum?

2.12 Können sie ausschließen, daß dieser Passus dazu verwendet wird, passive Leistungen – die im internationalen Vergleich in Österreich ohnedies schon ein sehr geringe Ersatzrate darstellen – noch weiter abzusenken?

Wenn nein, in welchen Bereichen ist mit Änderungen beziehungsweise Verschlechterungen zu rechnen?

Punkt 53 beinhaltet in der Folge jene Bestimmungen, bei denen Österreich den größten Nachholbedarf aufweist. Die Anhebung der Zahl jener Personen, die in den Genuß einer aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahme kommen sollen, von derzeit etwa 7 Prozent auf mindestens 20 Prozent würde laut Aussagen des Arbeitsmarktexperten Pichelmann eine Verdoppelung des bisherigen Aufwandes in den nächsten 5 Jahren erfordern.

2.13 Wie hoch schätzen sie den finanziellen Mehrbedarf, um diese Zielvorgabe zu erreichen?

2.14 Wodurch sollen die erforderlichen Mittel aufgebracht werden?

2.15 Welche Etappen stellen sie sich bei der Umsetzung vor, und wann kann dieses Ziel voraussichtlich erreicht werden?

3. Berücksichtigung individueller Bedürfnisse:

In Punkt 23 sowie einigen weiteren Punkten der Schlußfolgerungen des Vorsitzes wird auf die Bedeutung der frühzeitigen Ermittlung der individuellen Bedürfnisse hingewiesen.

3.1 Welche Maßnahmen werden derzeit in Österreich gesetzt, um individuelle Bedürfnisse zu ermitteln, und welche weiteren Maßnahmen wird es in Zukunft zur Erfüllung dieses Punktes geben?

3.2 Kann in diesem Zusammenhang sichergestellt werden, daß eine Vermittlung von nichtexistenzsichernden Arbeitsplätzen, die ja keine Lösung der individuellen Probleme darstellt, ausgeschlossen wird? Können Sie garantieren, daß die Verweigerung der Annahme nichtexistenzsichernder Arbeitsplätze keinesfalls den Ausschluß vom Bezug arbeitsmarktpolitischer Leistungen nach sich zieht?

3.3 Wie interpretieren sie unter diesem Blickwinkel die Äußerungen von Ratspräsident Juncker, die im Zusammenhang mit "Arbeitszwang" für Arbeitslose stehen?

3.4 Wie sind unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse jene morgen zu beschließenden Gesetzesänderungen zu verstehen, die auch eine Nichtannahme von vorübergehenden


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Beschäftigungen unter die gleichen Sanktionen stellen wie die Nichtannahme von existenzsichernden Beschäftigungen?

4. Vorgaben für Maßnahmen für Jugendliche und arbeitslose Erwachsene

Punkt 50 geht speziell auf Maßnahmen für Jugendliche ein und verlangt Maßnahmen für alle Jugendliche, ehe sie sechs Monate arbeitslos sind. In Österreich werden jugendliche Arbeitslose derzeit nicht erfaßt, sofern sie sich nicht selbst beim Arbeitsamt melden beziehungsweise PflichtschulabgängerInnen sind.

4.1 Wie wird die Erfassung aller arbeitslosen Jugendlichen erfolgen, um rechtzeitig Maßnahmen setzen zu können?

4.2 Welche Maßnahmen werden insbesondere für AbgängerInnen höherer Schulen und Universitäten gesetzt werden?

4.3 Bereits derzeit werden spezielle Maßnahmen für Jugendliche ohne Lehrstelle finanziert – dies geht jedoch, da es dazu keine separate Dotierung gab – zu Lasten anderer bisher finanzierter Maßnahmen. Mit welchen Mittelerfordernissen ist für diese zusätzlichen Maßnahmen zu rechnen, und wie sollen sie aufgebracht werden?

Punkt 51 beschäftigt sich mit Maßnahmen für arbeitslose Erwachsene.

4.4 Wie soll sichergestellt werden, daß auch Personen, die keinen Leistungsanspruch haben (Wiedereinsteigerinnen; Frauen, die wegen des Ehegatteneinkommens keinen eigenen Leistungsanspruch mehr haben) von diesen Maßnahmen erfaßt werden können?

4.5 Welche Maßnahmen wird die österreichische Bundesregierung für besonders gefährdete Gruppen am Arbeitsmarkt wie etwa ältere Arbeitslose, Schwervermittelbare und Behinderte bei den neuen arbeitsmarktpolitischen Programmen vorsehen?

5. Arbeitsumverteilung durch Arbeitszeitverkürzung

In Punkt 70 wird auch die Reduzierung von Überstunden und Arbeitszeitverkürzungen vorgeschlagen.

5.1 Wird Österreich die in Frankreich und Italien vorgezeichneten Wege der Arbeitszeitverkürzung ebenfalls vollziehen?

5.2 Wenn ja, in welchem Umfang und Zeitrahmen, wenn nein, warum nicht?

5.3 Welche Maßnahmen werden gesetzt werden, um Überstunden zu reduzieren?

6. Frauen am Arbeitsmarkt und Vereinbarkeit von Familie und Beruf

6.1 Punkt 75 beschäftigt sich mit Maßnahmen für Chancengleichheit. Wie wird in Österreich aktiv dafür gesorgt werden, daß ein höheres Beschäftigungsniveau von Frauen erreicht wird?

6.2 Wie wird die neue von Sozialministerin Hostasch im Sommer angekündigte Regelung für Frauen mit Betreuungspflichten aussehen, durch welche die negativen Auswirkungen der Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes betreffend Verfügbarkeit und Zumutbarkeit abgewendet werden?

6.3 Wie kann in Zusammenhang mit dem zu erarbeitenden Aktionsplan die 6. Forderung des Frauen-Volksbegehrens betreffend die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern erfüllt werden?

Punkt 77 regt Anstrengungen an, daß Angebot an Versorgungseinrichtungen für Kinder zu verbessern. Österreich hat in den einzelnen Regionen höchst unterschiedlichen Nachholbedarf. Die meisten Länder kommen ihren Kompetenzen in diesem Bereich nur äußerst ungenügend


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nach. Insbesondere die Versorgung von Kindern unter drei Jahren hinkt auch im EU Vergleich stark nach.

6.4 Welche weiteren Maßnahmen und Mitteleinsätze sind auf Bundesebene zu erwarten, und mit welchen Maßnahmen wird ausreichend Druck auf die Länder ausgeübt werden, ihren Nachholbedarf abzudecken?

7. Schwerpunkte der Österreichischen Ratspräsidentschaft

Unter österreichischem EU-Ratsvorsitz werden beim Dezember-Gipfel 1998 die "beschäftigungspolitischen Leitlinien" für 1999 erstellt sowie die einzelstaatlichen Aktionspläne für 1998 erstmals überprüft. Inwiefern wird Österreich seine Funktion als EU-Ratspräsident nützen, um

7.1 inhaltliche Veränderungen beziehungsweise eine Weiterentwicklung der Leitlinien zu erreichen,

7.2 die Verbindlichkeit der Leitlinien sowie der einzelstaatlichen Aktionspläne zu verstärken,

7.3 im Rahmen des Beschäftigungskapitels des Amsterdamer Vertrages die Erstellung von Empfehlungen an die Mitgliedstaaten (mit qualifizierter Mehrheit möglich) zu forcieren,

7.4 auf eine Weiterentwicklung der EU-Sozial- und Beschäftigungspolitik hinzuwirken?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93 Abs. 2 GOG verlangt."

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile nunmehr Herrn Abgeordneten Öllinger als erstem Fragesteller das Wort zur Begründung der Anfrage, wobei gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Wir haben die Anfrage zum Thema Defizite der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik an Sie, Herr Bundeskanzler, gerichtet, weil Sie das Thema Beschäftigung, Arbeitsmarktpolitik in der Vergangenheit und auch bei Ihrem Regierungsantritt durchaus auch als ein zentrales Thema Ihrer Arbeit beziehungsweise der Arbeit der Bundesregierung betrachtet haben.

Wir haben deshalb auch ein entsprechendes Zitat an den Anfang unserer diesbezüglichen Dringlichen Anfrage gerichtet. Da heißt es: "Der Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik darf nicht das Verwalten und das Versorgen von Arbeitslosen sein. Der Schwerpunkt muß eine aktive Arbeitsmarktpolitik sein, die allen nachteiligen Folgen des Verlustes eines Arbeitsplatzes – vom Qualifikationsverlust über den Verlust des Selbstwertgefühls und der Motivation bis hin zu den zunehmenden Schwierigkeiten für die Wiedereingliederung – entgegenwirkt und eine effiziente Vermittlung darstellt." – Das haben Sie am 29. Jänner 1997 erklärt.

Einige Monate später hat Ihr Bundesminister für Finanzen, Edlinger, eine Erklärung abgegeben, die nicht das Thema Arbeitsmarktpolitik betroffen hat, sondern das Thema Beschäftigung beziehungsweise Vollbeschäftigung als den Mittelpunkt seines Bestrebens als Bundesfinanzminister im Auge gehabt hat und worin er erklärt hat, für ihn und auch für diese Bundesregierung sei das Erreichen der Vollbeschäftigung ein wichtiges politisches Ziel.

Wir haben in der Vergangenheit in mehreren Anfragen an die Bundesregierung, an einzelne Minister herauszubekommen versucht, wie sich diese österreichische Bundesregierung im Rahmen der EU-weiten Koordinierung und der Versuche, Beschäftigungspolitik zu machen, positionieren wird, und da war neben den üblichen Standardsätzen natürlich immer wieder das Be


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kenntnis zu einer Vollbeschäftigungspolitik zu hören und auch zur Verantwortung des nationalen Gesetzgebers beziehungsweise der Exekutive für diese Politik.

Es gab dann vor wenigen Wochen einen Beschäftigungsgipfel in Luxemburg, auf dem zwar keine EU-weite Koordinierung beschlossen, aber sehr wohl festgelegt wurde, daß die einzelnen Länder nationale Beschäftigungsprogramme zu entwickeln haben.

Da es in der Zwischenzeit auch schon einige Ankündigungen von Mitgliedern Ihrer Bundesregierung und einige Positionierungsversuche von Parteien gegeben hat und da nicht sehr viel Zeit bleibt, um die Fragen eines nationalen Beschäftigungsprogrammes zum Gegenstand einer politischen Erörterung zu machen, weil im Frühjahr 1998 schon die Antworten präsent sein müssen und weil das Jahr 1998 für uns auch innenpolitisch für die Festlegung der Schwerpunkte nicht nur der Arbeitsmarktpolitik, sondern auch der Beschäftigungspolitik ein zentrales Jahr ist – das werde ich dann noch im Detail zu erläutern versuchen –, haben wir diese Dringliche Anfrage an Sie gerichtet, Herr Bundeskanzler. Denn es gibt da einige Vorfälle – nicht zuletzt im Zusammenhang auch mit der Budgetdebatte, die wir hier in diesem Haus hatten –, die uns beunruhigen. Zum Beispiel: Woher sollen die Mittel für diese Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik kommen? Woher wollen Sie diese Mittel nehmen, wenn nicht von denen, die jetzt in der Arbeitslosigkeit sind?

Das beunruhigt uns, Herr Bundeskanzler, und hat dazu geführt, daß wir diese Dringliche Anfrage an Sie gestellt haben, denn wir rechnen damit, daß hier einiges passieren wird oder passieren könnte und weil einiges zum Beispiel schon morgen in diesem Haus beschlossen werden wird, von dem wir überzeugt sind, daß es mehr Risken mit sich bringt, als es Probleme lösen kann.

Herr Bundeskanzler! Wir haben die Angst, daß dieser Versuch, einen nationalen Beschäftigungsplan, ein mittelfristiges Beschäftigungsprogramm zu erstellen, dazu führen könnte, daß zunächst einmal die kurzfristigen Ziele in der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik vergessen werden. Und diese Angst ist nicht unbegründet, wenn man zum Beispiel die Zahlen auf dem Arbeitsmarkt ansieht.

Es ist derzeit so, daß es eine Zunahme der Arbeitslosigkeit bei den über 50jährigen um mehr als 17 Prozent gibt, bei den über 55jährigen – nicht nach Geschlecht differenziert – gibt es eine Zunahme um fast 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr, bei den über 60jährigen Männern eine Zunahme der Arbeitslosigkeit um 40 Prozent und bei den über 55- bis 60jährigen Frauen um 35 Prozent.

Das sind Zahlen, Herr Bundeskanzler, die beunruhigend sind, und diese Zahlen sind erklärbar, weil – nach unserer Vermutung, aber dafür gibt es auch andere Anhaltspunkte – die Arbeitsmarktpolitik in diesem Jahr ganz eindeutig darauf ausgerichtet war, die relativ kostspieligen, aber durchaus auch sinnvollen – würde ich meinen, auch wenn das genauer betrachtet werden müßte – Lehrlings- und Jugendbeschäftigungsprogramme zu finanzieren. Dagegen gibt es überhaupt nichts zu sagen, das Problem mit der Finanzierung ist allerdings, daß das Arbeitsmarktservice keine Mittel hat, weil es diese zur Finanzierung der Pensionen verwendet hat und weil die möglichen Mittel, die nicht nur 1997, sondern auch schon 1996 im Budget zur Verfügung gestanden hätten, für anderes ausgegeben wurden.

Ich habe Ihnen bei den diesbezüglichen Debatten die Zahlen genannt, und ich nenne sie Ihnen gerne noch einmal, damit man sieht, welche Spielräume für eine aktive Arbeitsmarkt- und auch Beschäftigungspolitik bereits vergeben wurden. 1995 wurden 870 Millionen Schilling aus dem Budget der Arbeitslosenversicherung transferiert, 1996 wurden 4,9 Milliarden Schilling zur Sicherung der Pensionen transferiert, 1997 wurden 4,9 Milliarden Schilling zur Sicherung der Pensionen transferiert und 1998 werden es 7,2 Milliarden Schilling sein, die transferiert werden, und auch 1999 werden rund 8 Milliarden Schilling zur Sicherung der Pensionen transferiert werden.

Ich brauche Ihnen nicht vorzurechnen, daß man mit diesen Summen – rund 25 Milliarden Schilling in fünf Jahren – nicht nur wesentlich mehr an aktiver Arbeitsmarktpolitik finanzieren, sondern auch Beschäftigungspolitik betreiben könnte, Programme entwickeln könnte für Bereiche,


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in denen es Sinn macht, etwa in sozialen, in ökologischen Diensten, im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich. Auch die Forschungs- und Technologie-Milliarde, über die hier schon lange diskutiert und geredet wurde, wäre schon längst als langfristige Maßnahme finanzierbar gewesen, wenn Sie nur die Mittel anders verwendet hätten und nicht Mittel aus der Arbeitslosenversicherung zur Pensionssicherung entnommen hätten.

Wir haben die Angst, daß diese kurzfristigen Maßnahmen vergessen werden, und wir haben auch die Angst – das sage ich Ihnen auch sehr deutlich, Herr Bundeskanzler –, daß durch die Fokussierung auf ausschließlich beschäftigsorientierte Maßnahmen vergessen wird, was oftmals durchaus mit neuen Jobs einhergeht, wenn man nicht genau darauf achtet, welche neuen Arbeiten da entwickelt werden: zusätzliche Armut und soziale Ausgrenzung. Dazu kann es kommen, wenn es nicht um kollektivvertraglich entlohnte Beschäftigungsverhältnisse geht, sondern wenn es darum geht – was offensichtlich in ÖVP-Kreisen schon diskutiert wird, und zwar sehr ernsthaft diskutiert wird –, daß man die Flächentarifverträge abschaffen möchte, daß man hier einiges vorhat, um Beschäftigung zu schaffen, was zwar Arbeitsplätze bedeutet, aber schlechte Arbeitsplätze – McJobs.

Ich fordere Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, auf, sich hier klar zu erklären: Wollen Sie wirklich die Kollektivverträge aufkündigen? Wollen Sie wirklich, daß Leute um 5 000 oder 6 000 S beschäftigt werden? Wollen Sie wirklich, daß die Personen, die so beschäftigt werden, dann auch noch staatliche Unterstützung erhalten, weil die Arbeitgeber gerne hätten, daß auch in diesen Fällen noch Zuschüsse bezahlt werden, so wie das beispielsweise der Präsident der Wirtschaftskammer, Herr Maderthaner, gefordert hat? Er hat gesagt: Wir sind gerne bereit, für 1998 die Beschäftigung aller Lehrlinge zu garantieren, unter der Voraussetzung, daß das Arbeitsmarktservice die Lehrlingsentschädigungen finanziert. – Das ist eine Aussage aus dem Pressedienst der Bundeswirtschaftskammer. (Abg. Tichy-Schreder: Dann haben Sie es nicht richtig gelesen!)

Darf ich Ihnen vorlesen? – "Wenn das Arbeitsmarktservice sinnvollerweise die Kosten der Lehrlingsentschädigung übernimmt, wenn es zur Einführung der Teillehre kommt und wenn ein spezieller Steuerabsetzbetrag eingeführt wird, dann kann ich im Namen der österreichischen Wirtschaft den Lehrlingen Vollbeschäftigung zusagen."

Da ist nicht von Schulzeitfinanzierung, sondern da ist von den Kosten der Lehrlingsentschädigung die Rede. Na selbstverständlich wäre das dem Herrn Maderthaner angenehm. Er verwechselt offensichtlich die Zeit, zu der er diese Aussage gemacht hat, schon mit Weihnachten. Man kann sich sehr viel vom Christkind wünschen, aber, meine Damen und Herren von der ÖVP, das kann doch nicht im Ernst Ihre Vorstellung sein, wie in Österreich Beschäftigung geschaffen werden kann und soll.

Meine Damen und Herren! Wir haben nicht nur Angst, daß ein zunehmender Sektor von Billiglohnarbeit hier angepeilt wird, sondern wir haben auch Angst, daß die Mittelaufbringung für weitere Maßnahmen, die ja im Budget nicht vorgesehen ist, durch Kürzungen bei den Arbeitslosenversicherungsleistungen geschehen soll. Und – das werden wir dann auch morgen diskutieren – es gibt die berechtigte Angst, daß mit einigen der Maßnahmen, beispielsweise etwa mit der Zuverdienstmöglichkeit für Arbeitslosengeld- und Notstandshilfebezieher, so etwas wie Arbeitszwang bei vorübergehender Beschäftigung verbunden werden soll. Das ist natürlich eine ganz spannende Sache, die Sie sich da ausgedacht haben, aber eine grundverkehrte Sache, daß man es jenen Personen, die arbeitslos sind, zwar ermöglicht, zusätzlich etwas zu verdienen, aber dann, wenn vom Arbeitsmarktservice Beschäftigung für fünf oder sechs Tage angeboten wird – also keine dauerhafte, eine vorübergehende Beschäftigung – und die Person diese ablehnt, eine Sperre des Arbeitslosengeldes erfolgen soll.

Das kann ja nicht Ihr Ernst sein, daß Sie sich vorstellen, daß das Arbeitsmarktservice, der Partner der Arbeitslosen, in Zukunft so auftreten soll: einen Job für fünf Tage anbieten und sagen: Wenn du ihn nicht annimmst, dann bist du leider gesperrt!, obwohl es kaum eine Zuverdienstmöglichkeit gibt.


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Es geht also um ganz konkrete Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Natürlich ist das im Zusammenhang zu sehen mit dem, was auf europäischer Ebene diskutiert wird. Natürlich gibt es in einigen Ländern mit einer ganz anderen Tradition, auch mit einer ganz anderen Ausgestaltung von Arbeitsmarktpolitik, von Beschäftigungspolitik, mit anderen sozialen Verhältnissen durchaus auch Versuche, Arbeitslose durch Zwangsmaßnahmen wieder in den Arbeitsmarkt hineinzubekommen. Und ich, Herr Bundeskanzler, möchte gern von Ihnen und auch von Ihnen, Frau Bundesministerin – ich begrüße Sie –, von Mitgliedern der Bundesregierung hören, ob das auch eine österreichische Politik werden soll, ob das geplant ist oder ob unter Arbeitsmarktpolitik doch etwas anderes verstanden werden kann, nämlich Arbeitslose zu befähigen, wieder auf dem Arbeitsmarkt auftreten zu können, ihnen durch Qualifizierungsmaßnahmen zu helfen, ihnen vorübergehende Einstiegshilfen zu bieten, ihnen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Wenn Sie das vorhaben, meine Damen und Herren und Herr Bundeskanzler, dann müssen Sie allerdings erklären, warum in Oberösterreich genau jene Arbeits- und Ausbildungsprojekte eingestellt werden, die diesen Teilbereich abdecken. Sie verschaffen den Menschen eine Ausbildung und Transitarbeitsplätze, womit der Einstieg in den Arbeitsmarkt für schwer vermittelbare Personen erreicht werden sollte. Es geht in Oberösterreich, und das ist momentan das Auffälligste, um 400 Personen, denen diese Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten gestrichen werden sollen.

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Wir fordern eine Erklärung in dieser Richtung: Welche Arbeitsmarktpolitik intendieren Sie? Sollen Arbeitslose in den Arbeitsmarkt hineingepreßt werden, ohne daß zusätzliche Beschäftigung angeboten wird, um sie sozusagen nur auszutesten und sie dann ohne Arbeitslosengeld wieder nach Hause zu schicken, oder hat die österreichische Bundesregierung konkrete Pläne? Wenn Sie diese haben, dann fordern wir diese konkreten Pläne, dann wollen wir darüber diskutieren. Wir haben deshalb eine Reihe von Fragen an Sie gestellt. Wir wollen auch wissen, Herr Bundeskanzler, mit welchen zeitlichen Zielen Sie eine Reduktion der Arbeitslosenrate hier in diesem Land erreichen wollen. Wann wird die österreichische Arbeitslosenrate reduziert werden?

Sie selbst, damals waren Sie noch Finanzminister, haben im Jahr 1996 bei der Diskussion über das Budget erklärt: 1996 ist das Worst-case-Szenario für die Arbeitslosigkeit 6,8 Prozent, 1997 ist es 7 Prozent. – Worst-case! Sie gehen nicht davon aus, daß dieses Worst-case-Szenario tatsächlich eintritt. Sie haben einige Maßnahmen gesetzt, auch im Bereich der Arbeitslosenstatistik, auch im Bereich der Ausgrenzung von Arbeitslosen, die es realistisch erscheinen lassen, daß wir knapp an dieser Marke vorbeischrammen, aber die Arbeitslosigkeit steigt in Österreich, die Arbeitslosigkeit steigt gerade bei den Problemgruppen weiter an. Und das ist ein Problem, dessen wir uns sehr ernsthaft annehmen sollten. (Bundeskanzler Mag. Klima: Bei der Jugend Gott sei Dank nicht!)

Bei der Jugend, Gott sei Dank, im Moment nicht. Sie selbst wissen, Herr Bundeskanzler – gut, daß Sie mir dieses Stichwort geliefert haben –, daß die Situation bei den Jugendlichen im nächsten Jahr unverändert sein wird. Das bedeutet, es wird die gleichen, sehr hohen Mittel für die Jugendlichen geben, was aber für die anderen Problemgruppen am Arbeitsmarkt zusätzliche Verschärfungen bringen wird. Das sagen ja auch die Leiter des Arbeitsmarktservice, daß diese Situation auf Dauer nicht haltbar ist. Natürlich macht es Sinn, Jugendliche zu fördern, selbstverständlich treten wir dafür ein, daß Jugendliche gefördert werden, daß ihnen vernünftige Stellen angeboten und vermittelt werden, aber wenn die Mittel so beschränkt werden, wie Sie das getan haben, indem Sie die Mittel woanders hintransferieren, dann bleibt für die anderen nichts mehr. Dann bleibt nichts mehr für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, und dann fehlt noch immer eine Beschäftigungspolitik. Sie müssen sich auch zu beschäftigungspolitischen Maßnahmen erklären. Das können wirtschaftspolitische Maßnahmen sein, das können Arbeitszeitmaßnahmen sein. Sie müssen hier ein Konzept auf den Tisch legen, das sichtbar macht, daß Sie innerhalb einer erkennbaren Zeit – und das ist ja auch der Sinn dieser nationalen Beschäftigungsprogramme – die Arbeitslosigkeit in diesem Land tatsächlich reduzieren wollen.


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Vizekanzler Schüssel hat erklärt, die ÖGB-Vorgabe, die Reduktion von 4,5 – OECD-Rate – auf 3,5 Prozent geht ihm viel zuwenig weit. Er möchte gern mehr haben, das ist zuwenig ehrgeizig. Er hat dann aber auch dazugesagt, man muß dem Arbeitsmarkt die Fesseln nehmen. – Ich hätte gern gewußt, Herr Bundeskanzler, ob Sie auch dem Arbeitsmarkt die Fesseln nehmen wollen und was Sie darunter verstehen, ob "die Fesseln nehmen" heißt, daß wir in Zukunft bei zu beschäftigenden Personen darauf verzichten, kollektivvertragliche Löhne und dauerhafte Beschäftigung anzubieten, was ja ein Teil dessen ist, was wir morgen beschließen. Oder geht es der Bundesregierung schon noch darum, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen, Arbeitsplätze, die Einkommen sichern können, und nicht nur Arbeitsplätze, mit denen man arm bleiben muß?

Das sind die Themen, zu denen wir etwas von Ihnen hören wollen: Um welche Art von Beschäftigung geht es? Wieviel Beschäftigung wird geschaffen, und in welcher Frist wird sie geschaffen? – Wir fordern von Ihnen konkrete Erklärungen ein.

Wir wollen von Ihnen wissen, ob Sie in Zukunft gedenken, die einzelnen Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin gegeneinander auszuspielen. Wir wollen von Ihnen wissen, ob Sie Maßnahmen setzen, die tatsächlich denen, die heuer bestraft wurden, nämlich den älteren Arbeitslosen, jenen Menschen auf Transitarbeitsplätzen in den konkreten Beschäftigungsprojekten, auch eine Zukunftsperspektive bieten können, ob Sie hier Wege gehen wollen, die den Betroffenen und nicht nur den Kerngruppen auf dem Arbeitsmarkt, sondern denen am Rand, den Behinderten, den Langzeitarbeitslosen, den schwer Vermittelbaren, eine Perspektive schaffen, die es ihnen ermöglicht, auch wieder durch Arbeit Fuß zu fassen in dieser Gesellschaft, oder ob Sie von vornherein diese Gruppen aufgeben wollen.

Wir wollen von Ihnen wissen, welche konkreten Projekte Sie im nächsten Jahr entwickeln und wo Ihre Schwerpunkte liegen, nicht die Kerngruppen betreffend. Wir wollen von Ihnen wissen, ob Sie daran denken, die Finanzierungen auszuweiten und woher Sie das Geld für die Arbeitsmarktpolitik nehmen wollen. Wir wollen vor allem von Ihnen wissen, Herr Bundeskanzler, ob in den nächsten Tagen nach dieser Erklärung den Ankündigungen auch Taten und den Versprechen auch Programme folgen werden und wann wir mit einem nationalen Beschäftigungsprogramm rechnen können.

Herr Bundeskanzler! Wir wollen nicht eine weitere Debatte abführen, wie wir sie schon so oft zum Thema Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik in diesem Haus gehabt haben, wo Sie sich und auch andere Vertreter der Bundesregierung hier herausstellen und uns einmal mehr erklären, daß Sie ja ohnehin an Programmen arbeiten. Wir wollen etwas Konkretes wissen, und wir wollen, daß Sie sich für die Arbeitslosen in diesem Land einsetzen. Wir wollen, daß Sie nicht Politik machen auf Kosten der Arbeitslosen, nicht gegen sie, sondern für sie. (Beifall bei den Grünen.)

15.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Herr Bundeskanzler hat sich zur Beantwortung der Anfrage zu Wort gemeldet. Herr Bundeskanzler, Sie haben das Wort. Ihre Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

15.22

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den vielen Fragen, die mir der Herr Abgeordnete Öllinger gestellt hat, und bei dem Anspruch auf umfassende Beantwortung werde ich mich bemühen müssen, mit 20 Minuten auszukommen. Erlauben Sie mir, Herr Abgeordneter Öllinger, eingangs ein paar Bemerkungen auch in Richtung der Begründung Ihrer Anfrage zu machen.

Ich bedanke mich vorerst, daß Sie in Ihrer Begründung das Ergebnis des Gipfels von Luxemburg als Schritt in die richtige Richtung qualifizieren und auch als solchen anerkennen. Ich glaube, daß wir Österreicherinnen und Österreicher zu Recht darauf stolz sein können, daß es unser gemeinsames Ansinnen und unser gemeinsamer Kampf war, die dazu geführt haben, daß das Thema Beschäftigung ein europäisches Anliegen geworden ist, daß es zu diesem Beschäftigungskapitel im Vertrag von Amsterdam kam und daß es auch zu diesem Sondergipfel für


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Beschäftigung in Luxemburg gekommen ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wissen, daß dieser Gipfel von Luxemburg natürlich erst der Beginn ist, der Beginn eines Prozesses, und wir sind auch nicht der Meinung, daß jetzt alles schon perfekt und in Ordnung ist, sondern daß es weiterhin der gemeinsamen Anstrengung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bedarf, auch in Österreich, um zukunftssichere Arbeitsplätze bieten zu können. Und das ist ein zutiefst politisches Anliegen, weil wir davon überzeugt sind, daß ein Europa mit Millionen von Arbeitslosen kein Europa der Zukunft ist. Und ich will kein Europa haben, das den Menschen nicht in den Mittelpunkt stellt, wo der Mensch nur ein Kostenfaktor auf zwei Beinen ist, und daher werden wir auch weiterhin gemeinsam – und ich lade Sie dazu ein – für diese Umsetzung kämpfen müssen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben, sehr geehrter Herr Abgeordneter, in Ihrer Begründung ein Zitat aus meiner Regierungserklärung gebracht – völlig zu Recht, weil ich glaube, daß die Bundesregierung ihr Bemühen in diesem Bereich auch unter Beweis stellt. Mit über 7 Milliarden Schilling für 1997 hat sie ein Rekordbudget für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorgesehen, und das wird auch in den kommenden Jahren so bleiben. Es wird 1998 sogar noch mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik geben, denn ich – wie wir alle – bekenne mich dazu, daß Arbeit für die Menschen ein, wie ich glaube, Kernanliegen ist, daß es nicht darum geht, den Menschen nur einen Scheck in die Hand zu drücken, sondern darum, daß wir die Menschen, wie Sie richtig gemeint haben, für diesen Arbeitsmarkt fit machen müssen, daß sie die Chancen selber wahrnehmen können – Stichwort: Empowerment der Menschen.

Ich trete daher wirklich sehr stark dafür ein, daß wir Arbeit schaffen, statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Das ist eine gerechtere Lösung für die Menschen, die ihnen nicht nur über den nächsten Tag hinaus eine notwendige Hilfe bietet, sondern die ihnen vor allem auch Zuversicht und Hoffnung für die Zukunft gibt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich glaube, daß das die einzig richtige Art ist, mit den Sorgen und der Unsicherheit der Menschen umzugehen.

Wenn ein Betrieb, ein Industriebetrieb Hunderte Mitarbeiter abbaut, dann sind natürlich alle anderen auch verunsichert, und es ist heute auf dem Arbeitsmarkt eine große Unsicherheit festzustellen. Ich trete sehr klar dafür ein, daß wir das nicht nützen, um die Arbeitslosenentschädigungen, die Überbrückungshilfen zu senken und damit den Menschen, indem wir ihnen weniger Sicherheit geben, wenn sie länger arbeitslos sind, gleichsam sagen: Schafft euch schnell einen neuen Arbeitsplatz. Es geht darum, daß wir den Menschen Sicherheit geben, indem wir ihnen eine ausreichende Versorgung sichern, falls sie wirklich von der Arbeitslosigkeit betroffen werden, und sie gleichzeitig in die Lage versetzen, tatsächlich neue Chancen wahrnehmen zu können. Es geht also nicht um einen zusätzlichen Druck auf die Menschen durch Senkung der notwendigen Arbeitslosenunterstützungen, wie Sie es vielleicht gesehen haben. Das wird nicht in Frage kommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, daß die Bundesregierung gezeigt hat, daß es ihr um die Investition in die Fähigkeit der Menschen, in den Ausbildungssektor geht, und das ist auch ein wesentlicher Schwerpunkt dieser Leitlinien, die beim Gipfel in Luxemburg beschlossen wurden.

Daß die Qualifikationslücke eine große Bedrohung für Europa ist, das wird von der Europäischen Kommission und von jedem verantwortlichen Politiker gesehen. Das heißt, wir müssen sehr früh bei der entsprechenden Ausbildung der Menschen ansetzen.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Mir ist schon bewußt, daß wir heute in dieser Widersprüchlichkeit leben: Auf der einen Seite haben wir – Gott sei Dank – mehr Beschäftigte, aber auf der anderen Seite leider auch mehr Arbeitslose. Aber trotz der steigenden Arbeitslosigkeit muß man sagen, daß es höchst erfreulich ist, daß Österreich ein Sinken der Jugendarbeitslosigkeit zu verzeichnen hat. Dieser Umstand ist wertvoll, weil es ein wichtiges politisches Ziel ist, der Jugend nicht schon das Signal zu geben, daß sie in dieser Gesellschaft nicht gebraucht wird, daß sie sich diesbezüglich keine Hoffnungen zu machen braucht. Wir haben die Jugend


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arbeitslosigkeit in Österreich mit massiven Anstrengungen senken können und sind, was das betrifft, die besten in Europa, und darauf können wir stolz sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auf der anderen Seite sei sofort zugestanden, daß wir ein Problem im Bereich der 50-bis 60jährigen haben, was Sie auch angesprochen haben. Ich habe hier an dieser Stelle schon einmal gesagt, daß ich es zutiefst bedauere, daß anscheinend Firmentreue, Erfahrung, Wissen nicht mehr zählen, sondern daß viele Unternehmen wegen des Vorteils, einen ein wenig geringeren Lohn zahlen zu müssen, ältere Arbeitnehmer freisetzen, rausschmeißen – sagen wir es ganz klar und deutlich! Ich weiß aber, daß da gute Appelle nichts nützen, und daher werden wir mit konkreten Maßnahmen – zum Beispiel sind im Bereich des Pensionspaketes einige enthalten – dafür Sorge tragen, daß wir auch älteren Arbeitnehmern die Chance geben, jenen, die arbeiten wollen und sollen, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Das ist ein Ziel der Bundesregierung für das nächste Jahr: Schwerpunktprogramm für die 50- bis 60jährigen.

Ich glaube, daß wir für diese Menschen, auf denen genug Druck lastet, Maßnahmen setzen müssen. Wir haben in der Zwischenzeit wirklich sehr viele Anreize für ältere Menschen geschaffen, tatsächlich länger zu arbeiten, und jetzt müssen wir dafür sorgen, daß sie auch Arbeitsplätze zur Verfügung haben, wenn sie länger arbeiten wollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte nun, sehr geehrter Herr Abgeordneter, sehr konkret auf Ihre Fragen eingehen.

Zum ersten Fragenkomplex:

Ich glaube, es ist ein sehr großer Erfolg, daß es nicht nur die Leitlinien der Beschäftigungspolitik verpflichtend für Europa gibt. Hier haben Sie in Ihrer Anfrage, glaube ich, eine kleine Unschärfe, denn es ist ohne Zweifel so, daß der Beschäftigungsgipfel in Richtung Gleichgewichtigkeit der wirtschaftspolitischen Leitlinien zu den beschäftigungspolitischen Leitlinien etwas erreicht hat.

Es wird jetzt nämlich keinesfalls eine Unterordnung formuliert, wie Sie festgestellt haben, sondern daß die beschäftigungspolitischen Leitlinien auf gleicher Ebene wie die wirtschaftspolitischen Leitlinien, also als gleichwertig gesehen werden müssen. Im Rahmen dieser Leitlinien müssen nationale Aktionspläne ausgearbeitet werden. Das wird für unser Land nicht einfach sein. Es wird deswegen nicht einfach sein, weil Österreich aus gutem Grund die Fahne der Beschäftigungspolitik in Europa immer an vorderster Stelle getragen hat. Daher werden wir besonders gefordert sein, und es wird von der internationalen Gemeinschaft besonders genau kontrolliert werden, wie dieser nationale österreichische Aktionsplan aussehen wird.

Außerdem möchte ich Ihnen sagen, daß wir uns natürlich auch in einzelnen Fragen, zum Beispiel in der Erfüllung der Verpflichtung, einem Jugendlichen innerhalb von sechs Monaten einen Arbeitsplatz, eine Beschäftigung, eine Ausbildungsmöglichkeit anzubieten, noch sehr engagieren. Wir haben zwar die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, wir sind die Besten in der Jugendbeschäftigung in Europa, aber auch diesbezüglich haben wir als Österreicher – und das zeigt, wie engagiert diese Leitlinien eigentlich sind – noch ein sehr anstrengendes und sehr forderndes Programm vor uns.

Die Bundesregierung wird unter Einbindung der Sozialpartner bis März kommenden Jahres den nationalen Aktionsplan fertigstellen. Wir haben vor, uns nicht nur eine geschätzte Zielsetzung, sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger, sondern auf Basis von sorgfältig erarbeiteten Grundlagen auch quantifizierte Ziele, zum Beispiel in bezug auf Arbeitslosigkeit, zu geben. Ich habe sehr viel Sympathie für die 3,5 Prozent, die Herr Präsident Verzetnitsch genannt hat. Wir wollen aber den ergänzenden Weg wählen, daß wir erstens Maßnahmen diskutieren, zweitens von diesen Maßnahmen die beschäftigungspolitischen Wirkungen ableiten und drittens daraus gesamthaft ein erreichbares Ziel an Senkung der Arbeitslosenquote als gemeinsame Herausforderung anstreben. Daher wird dieses Beschäftigungsprogramm im Sinne dieser Zielvorgaben auszuarbeiten sein.


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Sie wissen, daß die Beurteilung, was ein Vollbeschäftigungsniveau ist, zeitlich sehr schwankt. In der alten Kreisky-Zeit wurde bei ungefähr 2,5 bis 3 Prozent Arbeitslosigkeit von Vollbeschäftigung gesprochen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )  – Ich kann ja nicht alles wiederholen, was der Kreisky gesagt hat. Das geht doch nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Ein bißchen etwas kann man schon nützen; darauf können wir durchaus stolz sein.

Zum zweiten Fragenkomplex:

Herr Abgeordneter Öllinger! Ich darf Ihnen sagen, daß dieser Aktionsplan natürlich auch die entsprechende mittelfristige Wirkung zu umfassen haben wird. Das heißt, die Maßnahmen des Aktionsplanes werden für einen Zeitraum von etwa fünf Jahren ausgearbeitet sein.

Zu den Fragen 2.2 und 2.3:

Über die Zielvorgaben für das Arbeitsmarktservice legt die Sozialministerin die aktuellen arbeitsmarktpolitischen Schwerpunkte fest. Damit werden natürlich auch Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt entsprechend berücksichtigt. Von einem Ausspielen verschiedener Gruppen gegeneinander ist bisher weder von mir noch von der Sozialministerin die Rede gewesen. (Abg. Öllinger: Es geschieht!) Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir niemanden gegeneinander ausspielen wollen, sondern natürlich entsprechende beschäftigungspolitische Schwerpunkte zu setzen haben werden.

Zur Frage 2.4:

Die einzelnen Bundesländer werden 1997 entgegen der aufgestellten Behauptung natürlich die finanziellen Mittel, mit denen sie ihr Auslangen finden, haben werden. Jene Maßnahmen, die in das Jahr 1998 beziehungsweise 1999 hineinreichen, werden in den jeweiligen Jahresbudgets auch ihre Bedeckung finden.

Zur Frage 2.5:

Ich glaube, daß Sie mit dieser Aussage nicht recht haben. Diese Aussage ist falsch. Die zu Jahresbeginn festgelegten Ausgabenvereinbarungen werden wie vorgesehen ausgeschöpft werden können.

Zu den Fragen 2.6 und 2.7:

Das Arbeitsmarktservice wurde beauftragt, dafür zu sorgen, daß gemäß dem effektiven und effizienten Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Mittel im Sinne der arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben die Projekte eingereicht und auch entsprechend fortgeführt werden können.

Zur Frage 2.8:

Die arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben stellen sicher, was Sie im Rahmen dieser Frage ansprechen. Darüber hinaus sehen gerade die Leitlinien der EU beispielsweise zentrale Maßnahmen für Langzeitarbeitslose vor.

Zur Frage 2.9:

Darauf gibt es eine einfache Antwort: Nein.

Zur Frage 2.10:

Es wurden bereits Regelungen in diese Richtung in die österreichische Arbeitsmarktpolitik mit eingebracht, so zum Beispiel bei den älteren Arbeitslosen oder diese besondere Eingliederungsbeihilfe, die Sie als sehr wirksames Instrument kennen und, wie ich hoffe, schätzen.

Zu den Fragen 2.11 und 2.12:

Das kann ich mit einem ganz einfachen Ja beantworten.


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Zu den Fragen 2.13, 2.14 und 2.15:

Sie wissen, daß diesbezüglich eine Reihe von unterschiedlichen Maßnahmen vorzusehen sein werden, vor allem Ausbildungs- und Berufsberatungsmaßnahmen, die auch jeweils auf die individuellen Bedürfnisse der Arbeitslosen abzustimmen sind. Daher ist der Mittelbedarf zurzeit im Detail noch nicht konkret feststellbar. Die Arbeitsmarktpolitik wird aber weiterhin bemüht sein, konkrete Maßnahmen für Problemgruppen zu entwickeln und in den nationalen Aktionsplänen dann die Details festzulegen.

Zur Frage 3.1:

Das Arbeitsmarktservice verfügt bereits jetzt über differenzierte Betreuungsleistungen, die Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen angeboten werden können, wobei für die bestehenden Erfordernisse Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stehen.

Zur Frage 3.2: Ja.

Zur Frage 3.3:

Ich darf in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß die Zumutbarkeitsbestimmungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz ja heute schon die Arbeitslosen verpflichten, eine zumutbare Beschäftigung oder Ausbildungs- oder Integrationsmaßnahme anzutreten. Darüber hinausgehende Überlegungen stehen nicht zur Diskussion.

Zur Frage 3.4:

Ich verweise auf die soeben gegebene Antwort.

Zur Frage 4.1:

Es besteht derzeit ein lückenloses Erfassungssystem beim Arbeitsmarktservice, sodaß ein Informations- und Betreuungsangebot gemeinsam mit den betroffenen Jugendlichen entwickelt und auch umgesetzt werden kann.

Zur Frage 4.2:

Ich darf in diesem Zusammenhang auf die bereits bestehenden Serviceeinrichtungen des Arbeitsmarktservice verweisen, die individuelle Informations- und Betreuungsangebote gemeinsam mit den betroffenen AbgängerInnen höherer Schulen und Universitäten entwickeln und umsetzen.

Zur Frage 4.3:

Ich glaube, daß diese Feststellung nicht zutrifft. Sie trifft nicht zu, da in der Vergangenheit und auch in der Zukunft für ausreichende Mittel zur Berufsvorbereitung sowie Berufsorientierung und zur Lehrstellenförderung vorgesorgt wurde beziehungsweise vorgesorgt werden wird.

Zur Frage 4.4:

Wie schon bisher werden den angesprochenen Personengruppen auch in Zukunft ausreichend Informations- und Betreuungsangebote des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stehen.

Zur Frage 4.5:

Die arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben für das Arbeitsmarktservice schließen diese Personengruppen ausdrücklich mit ein. Sie werden auch in Zukunft in der Maßnahmenplanung des Arbeitsmarktservice entsprechend berücksichtigt werden. Ich glaube, daß insbesondere passive Unterstützungsleistungen aus der Arbeitslosenversicherung für die Arbeitsmarktförderung aktiviert werden können.


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Zu den Fragen 5.1, 5.2 und 5.3:

Die Sozialpartner werden in die Erstellung dieses nationalen Aktionsplanes, wie bereits erwähnt, mit eingebunden. Die Details zu Fragen der Arbeitszeitverkürzung, zur Behandlung von Überstunden und all diesen Dingen mehr werden in diesem Rahmen zu klären sein. Dies aus gutem Grunde, weil in Österreich zum Beispiel die Frage von Arbeitszeitverkürzungen immer eine Frage der Sozialpartner war und sich die branchengerechte Lösung mittels Kollektivverträgen bewährt hat und daher auch in Zukunft vorgesehen sein soll.

Zur Frage 6.1:

Die Chancengleichheit von Frauen und Männern auf allen politischen Gebieten ist generell ein Schwerpunkt dieser Bundesregierung und insbesondere natürlich auch im arbeitsmarktpolitischen Bereich. Die gesamten arbeitsmarktpolitischen Instrumente kommen auch für die Zielsetzung eines höheren Beschäftigungsniveaus von Frauen zum Einsatz. Ich darf hier ergänzend auf spezielle Maßnahmen für Wiedereinsteigerinnen hinweisen.

Zur Frage 6.2:

Der Entwurf eines Erlasses zur Regelung wird derzeit überarbeitet und nach Fertigstellung allen Parlamentsklubs von Frau Bundesministerin Hostasch zur Verfügung gestellt werden.

Zu den Fragen 6.3 und 6.4:

Erlauben Sie mir, daß ich eingangs festhalte, daß die Bundesregierung bereits heuer mit den "Kindergarten-600-Millionen" – es ist ja keine Milliarde geworden – einen wichtigen Impuls zum Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und somit zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegeben hat.

Es wurden im Finanzausgleichsgesetz 1997, wo der Bund den Ländern einmalig Zweckzuschüsse in der Höhe von diesen genannten 600 Millionen Schilling zur Errichtung und Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen gewährt hat, die entsprechenden Verfahren festgelegt. Ein Großteil dieser Mittel wurde den Bundesländern zwischenzeitlich bereits von der Bundeskommission, die dafür eingerichtet wurde, auch tatsächlich zuerkannt.

Parallel zur Vergabe der 600 Millionen Schilling zur Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen befaßt sich das Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz bereits intensiv mit den Vorarbeiten zum Beispiel zum Berufsbild Tageseltern. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Schritt, bei dem es darum geht, dieses bewährte Modell auszubauen und einen bundesweit einheitlichen Qualitätsstandard dieses möglichen neuen Berufsbildes zu schaffen.

Ich möchte abschließend noch festhalten, daß insbesondere die Bundesländer, in deren Kompetenzbereich, wie Sie wissen, die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen fällt, ihrer Verantwortung in Zukunft verstärkt nachzukommen haben. Die Bundesregierung wird wiederholt mit entsprechendem Nachdruck diese Verantwortung auch einfordern, und dementsprechend wird anläßlich der nächsten Finanzausgleichsverhandlungen der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen wieder ein wesentlicher Schwerpunkt sein. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Zu den Fragen 7.1 bis 7.4:

Es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß der Beschäftigungsgipfel einen sehr klaren zeitlichen Fahrplan für das Jahr 1998 und damit auch für die österreichische Präsidentschaft festgelegt hat. Dieser Fahrplan entspricht unseren Absichten, die Aufrechterhaltung dieses politischen Momentums in der Beschäftigungspolitik als einen der Schwerpunkte der österreichischen Präsidentschaft zu wählen. Beschäftigungspolitik ist ein zentraler Bestandteil der integrationspolitischen Bestrebungen zur Sicherung des europäischen Wohlfahrtsniveaus.


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Dieser Fahrplan lautet: Nach der Annahme der beschäftigungspolitischen Leitlinien durch den Rat der Arbeits- und Sozialminister im Dezember dieses Jahres wird die Erarbeitung der nationalen Aktionspläne erfolgen, die dann der Prüfung auf dem Europäischen Rat von Cardiff im Juni 1998 unterzogen werden. Und die erste umfassende Evaluierung dieser Aktionspläne sowie die Festlegung der neuen beschäftigungspolitischen Leitlinien für 1999 haben dann auf dem Europäischen Rat in Wien zu erfolgen.

Die Verbindlichkeit dieser Leitlinien ergibt sich aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sie in ihrer Umsetzung zu berücksichtigen und sich der Überprüfung der nationalen Aktionspläne durch ein multilaterales Überwachungsverfahren, also dem Monitoring, tatsächlich zu unterziehen. Ich glaube, das erzeugt einen Überwachungsdruck, einen Umsetzungsdruck, den man insgesamt nicht unterschätzen darf. Daß die Veröffentlichung von nicht erreichten Zielen ein sehr großer Motivationsfaktor für jede Regierung ist, ist Ihnen bekannt. Sie ist wahrscheinlich ein größerer als das Hinterlegen von Geld und der Zinsverlust, wie wir ihn im Bereich der Währungsunion diskutieren.

Die Überprüfung der bisherigen Umsetzung auf dem Europäischen Rat von Wien wird, sofern sich dies als notwendig erweist, natürlich auch zu einer Anpassung, zu einer Adaptierung und somit zu einer Weiterentwicklung der beschäftigungspolitischen Leitlinien für 1999 führen.

Ob der Amsterdamer Vertrag im Dezember 1999 schon in Kraft sein wird, das kann ich Ihnen derzeit nicht sagen, weil die Voraussetzung dafür natürlich der Abschluß des Ratifikationsverfahrens in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist. Sie wissen aber, daß die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Amsterdam eine operationelle Vorziehung der beschäftigungspolitischen Bestimmungen vorsehen, und ich glaube, daß das nichts am Ergebnis verschlechtern wird.

Ich möchte abschließend noch feststellen, daß Österreich alles dazu tun wird, daß die Umsetzung des Beschäftigungskapitels zu konkreten, spürbaren Verbesserungen der arbeitsmarktpolitischen Situation Österreichs und der Union führen wird. Und nur durch diese aktive Haltung kann und wird es zu einer Weiterentwicklung der EU-Sozial- und -Beschäftigungspolitik kommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Ich rufe in Erinnerung, daß gemäß der Geschäftsordnung die Gesamtredezeit für jeden Klub 25 Minuten beträgt. Kein Redner darf länger als 10 Minuten sprechen.

Ich erteile nunmehr als erster Rednerin in der Debatte Frau Abgeordneter Mag. Kammerlander das Wort. – Bitte.

15.46

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, Sie haben Ihre Ausführungen mit den Worten begonnen, daß Sie für die Umsetzung der Maßnahmen, wie sie auf dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg beschlossen worden sind, kämpfen werden.

Was mich immer wieder bei den österreichischen Politikern, die zu Ratsgipfeln und Ratstreffen fahren und vorher in Österreich große Versprechungen machen, wofür sie alles kämpfen werden, wofür sie sich einsetzen werden, verblüfft und verwundert, ist, daß sie im nachhinein nicht so viel kritische Distanz aufbringen können, zu sagen: Wir haben mehr gewollt, aber haben es nicht erreicht!, sondern daß sie sich dann hierher stellen und erklären, es sei alles so wunderbar und sie würden jetzt für die Umsetzung kämpfen. – Das, Herr Bundeskanzler, nimmt Ihnen inzwischen niemand mehr ab, außer vielleicht noch einige Ihrer Abgeordneten oder Ihrer Genossinnen und Genossen.

Wenn man das europaweite Feedback der Öffentlichkeit und die öffentliche Wahrnehmung nach dem Ergebnis von Luxemburg betrachtet, so kommt klar zutage, daß das allgemeine Echo


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war: All das, was versprochen wurde, was man zu erreichen vorgehabt hatte, wurde nicht erreicht. Wieder einmal ein Gipfel vieler Worte ohne Ergebnis, Herr Bundeskanzler!

Ich frage mich daher, wo Sie sozusagen Ihren Kampfeinsatz hinlegen werden, wo Sie kämpfen werden, wenn dort eigentlich kaum etwas herausgekommen ist. Lassen Sie mich das anhand von einigen Dingen, die Sie auch erwähnt haben, konkretisieren.

Was die Situation Österreichs betrifft: Wir sind, was die aktive Arbeitsmarktpolitik betrifft, Schlußlicht in der europaweiten Statistik. Wir haben Ihnen das hier schon einmal vorgehalten. Wo werden Sie da also kämpfen? Wir haben bereits jetzt im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten ein absolutes Defizit bei den Ausgaben, was die aktive Arbeitsmarktpolitik betrifft. Und Sie sagen, Sie wollen Arbeit schaffen anstatt Arbeitslosigkeit unterstützen!

Sie haben in den letzten Jahren mit Ihrer Politik genau das Gegenteil gemacht. Sie haben immer wieder bei genau diesen Töpfen eingespart: Sie haben die Maßnahmen reduziert, Sie haben die Mittel gesenkt, die in die aktive Arbeitsmarktpolitik gegangen sind, Sie haben notdürftig, weil das natürlich nicht zu umgehen war, Arbeitslosigkeit unterstützt, aber natürlich auch da mit den Sparpaketen der vergangenen Jahre drastische Maßnahmen gesetzt.

Sie haben das Gegenteil gemacht von dem, was Sie sagen und wofür Sie vorgeben zu kämpfen. Ihre Glaubwürdigkeit, Herr Bundeskanzler, ist diesbezüglich auf dem Nullpunkt angelangt. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben in Ihrer Beantwortung gesagt, daß wir 1997 7 Milliarden Schilling für die aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben haben. Dabei verschweigen Sie aber, daß das im europaweiten Durchschnitt erbärmlich wenig ist. (Bundeskanzler Mag. Klima: Mehr als vorher!) – Mehr als vorher! Aber noch einmal: Im europaweiten Durchschnitt ist es erbärmlich, und wir sind hinsichtlich der aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen noch immer das Schlußlicht.

Wenn Sie sagen, wir wollen und werden den Menschen Sicherheit geben, dann frage ich mich, wer von den vielen Arbeitslosen draußen, also außerhalb dieses Hauses, wer von den vielen arbeitslosen Frauen, wer von den vielen arbeitslosen Jugendlichen Ihnen das noch glaubt. Sie versprechen ja schon seit Jahren, daß Sie Sicherheit geben wollen, daß Sie Maßnahmen setzen werden. (Bundeskanzler Mag. Klima spricht mit Abg. Dietachmayr.) – Ich wäre froh, Herr Kollege Dietachmayr, wenn Sie nachher mit dem Herrn Bundeskanzler sprechen würden.

Herr Bundeskanzler! Luxemburg war nicht der erste Gipfel, bei dem Maßnahmen und Überprüfungsverfahren beschlossen wurden. Es gibt eine lange Liste. Seit 1974, aber spätestens seit dem Essener Gipfel haben sich die nationalen Regierungen zu aktiven Maßnahmen, zu nationalen Programmen und zu Überprüfungsverfahren verpflichtet. Ich frage Sie: Wo sind diese Maßnahmen, Herr Bundeskanzler, im Zuge der Sparpakete und Reduzierungen, die Sie vorgenommen haben? Wo sind denn die Ergebnisse dieses Überprüfungsverfahrens in Österreich? – Es gibt keine Ergebnisse, es gibt keine Evaluierung, es gibt keine Sanktionierung all dieser Maßnahmen, die Sie seit Jahren versprechen! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! In welchen Bereichen wollen Sie den Menschen Sicherheit geben? Glauben Sie, daß dieses Versprechen noch ankommt bei den Menschen draußen, die arbeitslos sind und die ausgegrenzt werden – auch und vor allem durch Ihre Politik?

Sie sagen, es geht uns um die Qualifikation und um die Ausbildung junger Menschen. – Gerade hinsichtlich der Qualifikation und Ausbildung junger Menschen könnte ich Ihnen eine lange Liste der Einsparungsmaßnahmen in allen Ausbildungsbereichen, in allen Bildungsbereichen vorlegen. Das beginnt bei der Schule und geht über die Lehrberufe bis hin zur Hochschule. Überall wurde der Sparstift angesetzt, und zwar auf Kosten der Qualifikationsmaßnahmen, auf Kosten der Qualität dessen, was Qualifikation und Ausbildung sein soll.

Glauben Sie denn, Herr Kanzler, daß Sie angesichts eines solchen Programms der Einsparungen noch glaubhaft machen können, daß Sie Qualifikation und Ausbildung der jungen


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Menschen im Auge haben? – Da hätten Sie in den vergangenen Jahren ganz andere politische Schwerpunkte setzen müssen.

Sie haben weiters darauf verwiesen, daß wir die Besten hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit sind, daß wir die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen reduziert haben. Sie scheinen aber die Kleinigkeit übersehen zu haben, daß wir gar keine statistische Erfassung von Jugendarbeitslosigkeit haben. Ich frage mich daher, wie Sie so etwas überhaupt behaupten können. Wie haben Sie die Jugendarbeitslosigkeit festgestellt, außer vielleicht in persönlichen Gesprächen bei Wahlkampfveranstaltungen? Woran können Sie messen, daß die Jugendarbeitslosigkeit zurückgegangen ist, wenn wir gar keine Statistik darüber haben? Wir haben vor allem im Bereich der Schulabgänger keine, und wir haben auch keine im Bereich der Hochschulabgänger. Das heißt also, wir haben keine statistische Erfassung all jener Jugendlichen, die noch nie auf dem Arbeitsmarkt waren, die noch nie die Möglichkeit gehabt haben, eine Arbeit, einen Job zu bekommen. – Herr Kanzler, wie können Sie dann guten Gewissens sagen, wir haben die Jugendarbeitslosigkeit gesenkt? Das stimmt einfach nicht! (Beifall bei den Grünen.) Sie wissen gar nicht, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit und wie hoch die diesbezügliche Dunkelziffer ist.

Sie sagen in Ihrer Beantwortung, für die älteren Arbeitnehmer gibt es ganz Konkretes im Pensionspaket. Gerade angesichts Ihrer Maßnahmen, die Sie setzen, werden die älteren Arbeitnehmer verzagen! Vor Jahren haben Sie die älteren Arbeitnehmer mittels Anreizen dazu gebracht, in Frühpension zu gehen, und haben geglaubt, damit die Arbeitslosigkeit reduzieren zu können. Jetzt setzen Sie in diesem Bereich Sanktionen und meinen, es wieder ausgleichen zu müssen. Welche Attraktivitäten soll es hier geben?

Zum Schluß möchte ich Ihnen etwas vorlesen, was für mich wesentlich ist. Es wird zu keinem Ausspielen der verschiedenen Gruppen, die arbeitslos sind, kommen, haben Sie gesagt. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Es kommt zu einer Ausweitung der Maßnahmen. – Sie sagen nicht, wann, Sie sagen nicht, wie hoch, Sie verschweigen auch, daß Mittel aus dem Arbeitsmarktservice entnommen worden sind. Sie sagen, es gibt kein Gegeneinander-Ausspielen. Ich habe hier aber einen Brief aus Oberösterreich, in dem steht, daß 300 Millionen Schilling für Jugendbeschäftigungsprogramme aufgebracht und dafür eine Reihe von Projekten und Maßnahmen eingespart werden sollen. Das sind 11 Ausbildungsprojekte, die 200 KursteilnehmerInnen betreffen, 17 Ausbildungsprojekte mit Qualitätsanspruch und so weiter. Es gibt eine lange Liste, welche Maßnahmen nur in Oberösterreich auf Kosten anderer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gehen. Und Sie sagen, es gibt kein Gegeneinander-Ausspielen!

Das stimmt einfach nicht! Wir haben in letzter Zeit immer wieder Briefe von Betreibern von Ausbildungsprojekten, von Qualifikationsprojekten, die zum Beispiel Frauen betreffen, bekommen, daß diese Projekte eingespart werden, daß sie keine Mittel mehr bekommen, daß Mittel reduziert werden. Wie können Sie, Herr Kanzler, hier heraußen, ohne rot zu werden, sagen, es wird kein Ausspielen der verschiedensten Gruppen untereinander geben? (Abg. Dr. Mertel: Er ist rot!) Das stimmt einfach nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Mein Schlußsatz zur Ratspräsidentschaft: Herr Bundeskanzler! Es ist erbärmlich wenig, wenn Sie uns hier den Kalender dessen vortragen, was im nächsten Jahr vorgesehen ist, und nicht dazusagen, wofür sich Österreich einsetzen wird, nämlich für ganz klare Quantifizierungen, für klare Sanktionsmechanismen. Alles andere ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. Das wissen wir seit Essen, und wir erwarten uns von Ihnen, daß Sie diese konkreten Maßnahmen noch nachtragen werden. (Beifall bei den Grünen.)

15.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Bitte.

15.58

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde heute von den Vorrednern schon mehrfach angesprochen, daß die Feststellung sehr wohl zutreffend ist, daß der Gipfel, der vor kurzem in Luxemburg stattgefunden hat, ein Zeichen ist. Das mag dem einen zuviel, dem anderen zuwenig er


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scheinen. Ich persönlich bin überzeugt davon, daß dieser Gipfel eine Trendumkehr innerhalb von Europa einleiten wird.

Wir müssen immer wieder feststellen, daß Geld anscheinend wichtiger ist als der einzelne Mensch, wenn es um Arbeitsplätze geht. Das konnte man jetzt wieder anläßlich einer neuerlichen Bankenfusion in der Schweiz feststellen. Sie wissen, ich habe meine diesbezüglichen Vorstellungen immer wieder in der Öffentlichkeit geäußert. Ich meine, daß man durchaus in der Lage gewesen wäre, den gleichen Weg zu gehen wie bei den monetären Kriterien, bei denen man sich sehr locker auf ein politisches Ziel – 3 Prozent und weitere vier Kriterien – geeinigt hat, ohne in den einzelnen Ländern die Umsetzung zu klassifizieren und darzustellen. Dennoch bin ich überzeugt davon, daß es ein Erfolg ist, daß diese Maßnahmen in Luxemburg festgelegt worden sind.

Die österreichische Bundesregierung hätte es leicht gehabt. Sie hätte sich zurücklehnen und sagen können, die österreichische Arbeitslosenrate entwickelt sich im internationalen Vergleich traumhaft. Sie hat es aber nicht getan. (Abg. Gaugg: Aber geh!) Die österreichische Bundesregierung war eine der wenigen Regierungen in Europa, die angetreten ist und gesagt hat, wir brauchen Beschäftigungskriterien, wir brauchen konkrete Ziele, die wir auch dementsprechend umsetzen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es hat diesen Weg ja schon gegeben, angefangen bei Präsident Delors, der im Jahr 1994 in seinem Weißbuch schon auf die Problematik hingewiesen hat, bis hin zu dem heute schon angesprochenen Treffen in Essen, aber auch in Amsterdam. Ich bin überzeugt davon, daß es – auch wenn es da oder dort noch Bedenken gibt – unser Anliegen sein muß, auch im eigenen Lande die Beschäftigungssituation dementsprechend weiter zu verbessern. Wir dürfen uns nicht mit den 4,5 Prozent Arbeitslosenrate nach EU-Maßstab zufriedengeben, denn das bedeutet, daß knapp 250 000 Menschen ohne Beschäftigung sind.

So viele waren noch nie beschäftigt, das darf man dabei auch nicht vergessen. (Abg. Böhacker: Wie viele Teilzeitbeschäftigte gibt es?) Das heißt aber nicht, daß man auf die Arbeitslosen vergißt, und deswegen glaube ich auch, daß wir unsere Hausaufgaben im eigenen Land machen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Daß es uns ernst ist mit der Frage der Beschäftigung, zeigt sich unter anderem auch daran, daß am kommenden Montag in Luxemburg die Sozialminister mit den Sozialpartnern über die Durchführung konkreter Maßnahmen auf europäischer Ebene sprechen werden, damit nicht wieder wie in Essen, wie von Delors oder wie in Amsterdam nur geredet und nichts konkret umgesetzt wird.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Wir werden aber jene Vorschläge, die Ihre Kollegen in Niederösterreich von sich geben, bestimmt nicht umsetzen, wie zum Beispiel die totale Abschaffung der ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen, die in den Augen des FPÖ-Abgeordneten nur wirtschaftsfeindlich sind. Daß Lehrlinge Läuse sind, die die Betriebe lahmlegen (Abg. Koppler: Das ist Wahnsinn! Typisch!), das ist FPÖ-Diktion und nicht unsere! – Das stammt von Ihren eigenen Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, daß es vielmehr unsere Aufgabe ist, alle europäischen Institutionen davon zu überzeugen, daß der österreichische Weg ein anderer ist. Daß die Nationalbank neben dem Geldwert auch für Beschäftigung verantwortlich ist, paßt bestimmt vielen in Europa überhaupt nicht. Ich bin aber stolz darauf, daß das in Österreich bei der Neuordnung der Nationalbank ein Thema ist und daß es nicht so ist wie in anderen Ländern, wo ein Herr Duisenberg sagen kann: Naja, wer weiß, ob das richtig ist!, oder ein Herr Tietmeyer sagt: Ich bin nur für das Geld verantwortlich, nicht für die Beschäftigung! – Ich glaube, daß das ein wichtiger Ansatz ist, meine Damen und Herren! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Es geht um vier Hauptstrategien. Erstens: um die Verbesserung der Vermittelbarkeit. Frau Kammerlander! Ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie fragen, wie man Jugendarbeitslosigkeit feststellen kann. Man kann Jugendarbeitslosigkeit sehr wohl feststellen. Ab dem Moment, wo ein junger Mensch zum Arbeitsamt geht und sagt: Ich möchte Arbeit haben!, ist dieser Mensch –


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egal ob Mann, Frau, jung, alt – registriert. Er ist vorhanden und nicht nicht vorhanden, wie Sie es hier behauptet haben. Ich glaube auch zum Beispiel ... (Abg. Öllinger: Was soll der beim Arbeitsamt?) – Moment. Es hat geheißen, wir können die Jugendarbeitslosigkeit nicht feststellen.

Zweiter Punkt. Es geht auch darum, eine Lösung für Doppelmeldungen, die es in Schulen gibt, die es bei Lehrbetrieben gibt, zu finden. Das kann mit einem aus meiner Sicht ganz einfachen Mittel bekämpft werden. Wir sollten die Sozialversicherungsnummer als Registrierung heranziehen, dann wissen wir, wer sich doppelt gemeldet hat beziehungsweise wo Anstrengungen notwendig sind. Ich gebe durchaus zu, daß wir zurzeit da oder dort immer damit konfrontiert sind, daß einerseits der Bedarf irrsinnig hoch ist, andererseits man nicht weiß, ob es Doppelmeldungen gibt. Das kann man sehr einfach lösen. Ein diesbezüglicher Vorschlag liegt auf dem Tisch, er müßte nur umgesetzt werden. Jeder, der sich in der Schule oder am Arbeitsamt meldet, wird mit seiner Sozialversicherungsnummer registriert. Das kann man dann zusammenspielen. Dann haben wir die Mittel in der Hand, um auch dementsprechend klar und deutlich sagen zu können, da oder dort sind schulische Maßnahmen zu setzen, da oder dort ist mehr auf dem Lehrstellensektor zu tun.

Meine Damen und Herren! Es sind der Lehrstellensektor und auch das Fitmachen angesprochen worden: Ich verstehe unter Fitmachen nicht niedrige Löhne oder das Abschaffen von Feiertagen (Abg. Gaugg: Warum lassen Sie es dann zu?), ich verstehe unter Fitmachen nicht, daß man entsprechende Arbeitsbedingungen verändert. Ich verstehe unter Fitmachen ein gemeinsames Aufeinanderzugehen in der Frage der Flexibilität, in der Frage der neuen Arbeitsorganisation. Das halte ich für viel sinnvoller als jenes Fitmachen, das andere meinen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es mag der FPÖ vielleicht schon entfallen sein, daß sie im Zusammenhang mit der VOEST und der verstaatlichten Industrie vom Zusperren gesprochen hat. Das haben Sie in Ihrem Parteiprogramm auch dementsprechend zum Ausdruck gebracht. Das sollte man bei solchen Diskussionen nicht vergessen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß auch das Fördern von neuen Unternehmen dazugehört (Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen), aber auch die neue Arbeitsorganisation, bei der es darum geht, den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken und nicht laufende Kündigungsprogramme zu erstellen, wie wir das auch jetzt wieder erleben.

Ich glaube, daß wir uns in Österreich sicherlich nicht zurücklehnen können, aber auf einem guten Weg sind. Ich möchte sehr bewußt auf die Bauprogamme, die wir im Vorjahr gemeinsam dargelegt und auch umgesetzt haben, hinweisen. Auch die Frage des Road-Pricing für LKW ist noch nicht gelöst, darauf dürfen wir nicht vergessen. Wir sollten uns nicht hinter Deutschland verstecken, sondern wir sollten ganz konkrete Maßnahmen und Taten setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch die Frage der Überstunden angesprochen worden. Ich sage das hier sehr offen: Es ist gar nicht so leicht, an die Frage der Überstunden heranzugehen. Gehen Sie in einen Betrieb und sagen Sie zur Kollegenschaft: Die Überstunden sollten abgebaut werden. Wie oft hört man dann: Zahlst du mir meine Rechnung? Zahlst du mir meine Rate? Zahlst du mir dieses und jenes? Dennoch bin ich überzeugt davon (Zwischenruf des Abg. Meisinger ), daß es nicht darum gehen kann, Überstunden zu steigern, sondern daß unsere Maßnahme in eine andere Richtung gehen muß, nämlich Überstunden abzubauen, Vollzeitarbeitsplätze zu schaffen und nicht dafür zu sorgen, daß Arbeitslosigkeit verwaltet wird. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Setzen Sie im öffentlichen Bereich an!) Dann sind wir, so glaube ich, auf dem richtigen Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

Da kann man in vielen Bereichen ansetzen, egal, wo das ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Im öffentlichen Bereich!) Ich gehe aber nicht so blauäugig an die Sache heran, daß ich sage, es ist völlig egal. Ich meine, man muß mit den Menschen reden und sie davon überzeugen. Einen neuen Weg gibt es zum Beispiel bereits im Druckereibereich, der im Kollektivvertrag verankert ist,


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nämlich daß der Betriebsrat entscheiden kann, wo es Arbeitslose gibt, ob Überstunden gemacht werden oder nicht. Das sind richtige Ansätze, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin überzeugt davon, daß wir nur dann richtig liegen – wir werden einen Erfolg des Luxemburger Gipfels nur daran messen können –, wenn es uns tatsächlich gelingt, die vorhandenen Kriterien als ersten Schritt – nicht als Lösung des Problems – und als Arbeitsauftrag für das kommende Jahr zu sehen, damit sich die Menschen in unserem Lande den Euro auch verdienen können. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.07

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Zur Dringlichen Anfrage der Grünen möchte ich folgendes sagen: Herr Abgeordneter Öllinger, ich akzeptiere und begrüße es, daß Sie positiv vermerkt haben, daß sich die Bundesregierung auch im Rahmen der Europäischen Union für mehr Beschäftigung eingesetzt hat. Ich akzeptiere, daß Sie es akzeptieren. – Jetzt schmunzeln Sie. Sie meinen es, mit einem Wort gesagt, nicht ernst. Aber ich glaube, das ist ein Zeichen dafür (Abg. Öllinger: Sie haben es gesagt, aber nicht getan!), wie wichtig es ist, daß Österreich im Rahmen der Europäischen Union mitsprechen kann.

Wir tun uns auch deshalb leichter, weil wir gerade im Rahmen der Europäischen Union zu jenen Ländern zählen, die die geringsten Arbeitslosen- und die geringsten Jugendarbeitslosenzahlen haben, aber wir sind uns auch der Verantwortung bewußt, daß wir nicht nur für unser Land sprechen, sondern für Gesamteuropa, weil jedes Land in diesem Bereich voneinander abhängig ist. Das heißt, wir müssen die Arbeitslosenzahlen gesamteuropäisch gesehen reduzieren. Wir wissen aber auf der anderen Seite auch, daß Europa einer besonderen Herausforderung gegenübersteht, nämlich dem Wettbewerb mit den Märkten in Fernost und im amerikanischen Raum. Europa steht im internationalen Wettbewerb mit den Märkten in Fernost und in Amerika. Und angesichts dessen müssen wir auch sehen, daß Europa hinsichtlich der Beschäftigung und in der Sozialpolitik immer einen anderen Weg gegangen ist als diese Länder. Und diesen europäischen Weg wollen wir auch in Zukunft gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir diesen Weg in Zukunft gehen, dann müssen wir uns auch bewußt sein, daß jeder Mensch, der einen Arbeitsplatz verliert, einen Arbeitsplatz sucht, vermittelt werden soll und daß man sich mit diesem Menschen befassen und ihm auch eine Möglichkeit geben muß, daß er wieder in den Arbeitsprozeß einsteigen kann. Daher habe ich mich etwas gewundert, Herr Abgeordneter Öllinger, daß Sie in Ihrer Anfrage anführen, daß Sie in der Fokussierung von beschäftigungsorientierten Maßnahmen eine Gefahr sehen. – Ich habe das nicht verstanden; ich mußte diesen Absatz dreimal lesen. Sie meinen, daß die Gefahr besteht, daß das Problem der steigenden Armut und der zunehmenden sozialen Ausgrenzung in den Hintergrund gedrängt wird.

Herr Abgeordneter Öllinger! Ich möchte Ihnen folgendes sagen: Menschen, die Arbeitsplätze verlieren, klagen darüber, daß sie vereinsamen und kaum soziale Kontakte haben. Darum ist es besonders wichtig, daß man auch bei der Arbeitsmarktpolitik beschäftigungsorientiert vorgeht. Nichts ist schlimmer, Herr Abgeordneter Öllinger, als wenn Menschen sozial isoliert sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Öllinger! Sie haben angesprochen, daß dadurch Flächentarifverträge gekündigt werden sollen et cetera. Es geht dabei um etwas ganz anderes, und ich glaube, das sollte man auch beachten.

In den Vereinigten Staaten ist ein ganz anderes Beispiel herangezogen worden, das man auch beachten soll. Auf der einen Seite haben Menschen, die lange arbeitslos waren und in Betriebe vermittelt werden, deswegen, weil sie am Anfang die geforderte Leistung nicht erbringen können, einen geringeren Betrag als Tariflohn, aber von der öffentlichen Hand, von der Regierung


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bekommen sie zusätzlich Unterstützung. Gleichzeitig läuft in diesen Firmen parallel dazu ein Prozeß der Weiterbildung, damit diese Menschen wieder die Kraft bekommen, sich selbst um eine Beschäftigung zu bemühen, sie zu erhalten und sich auch weiter fortzubilden. Das ist wichtig!

Wir haben bei vielen Langzeitarbeitslosen festgestellt, daß man sie nicht von heute auf morgen in einen Arbeitsprozeß eingliedern kann, weil sie es nicht schaffen, täglich einer geregelten Arbeitszeit nachzugehen. Das sind besonders schwere Fälle und Schicksale der einzelnen, und darauf muß man eingehen. Man soll nun versuchen, Möglichkeiten zu schaffen, um diese Menschen dorthin zu vermitteln, wo sie ihre Arbeitskraft noch nicht voll einbringen müssen, wobei sie vom Arbeitsmarktservice und vom Betrieb noch einen teilweisen Zuschuß bekommen.

Herr Abgeordneter Öllinger! Mit Menschen zu verhandeln, zu sprechen, ist eine Aufgabe und bedarf auch eines Arbeitseinsatzes der Betriebe. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe einen Betrieb mit unterschiedlich qualifizierten Mitarbeitern. Der Einsatz der einzelnen Mitarbeiter ist unterschiedlich. Es geht um jeden Menschen, man muß auf jeden Menschen eingehen können.

Herr Abgeordneter Öllinger! Aus diesem Grund möchte ich Ihnen noch etwas sagen: Die Aussendung der Wirtschaftskammer Österreich, des Präsidenten Maderthaner, war so zu verstehen – Präsident Maderthaner hat auch gesagt, was die Lehrlingsausbildung betrifft, sind wir mit der Bundesregierung einer Meinung –, daß die Kosten, die heuer entstanden sind, um möglichst viele Lehrplätze in den Betrieben zu schaffen, enorm waren, und daß die Mittel ungerecht verteilt worden sind. Jene Betriebe, die immer Lehrlinge ausgebildet haben, haben den kleinsten Anteil davon bekommen, und jene Betriebe, die erstmals neue Lehrlinge eingestellt haben, haben zusätzliche Förderungen bekommen. Das ist in diesem System ungerecht, und das muß jetzt auf neue Beine gestellt werden.

Ein Ansatzpunkt, um Betriebe gleichmäßig zu entlasten, ist, daß die Schulzeit, die die Jugendlichen und Lehrlinge in der Berufsschule verbringen, abgegolten wird und daß die Betriebe dafür nicht auch eine Lehrlingsentschädigung bezahlen sollen. Das ist damit gemeint, und das hat Präsident Maderthaner auch eindeutig im Plenum gesagt. Darum geht es, und das gilt es in Zukunft zu verhandeln. Schüler aus Mittelschulen oder berufsbildenden Schulen bekommen ja auch nichts dafür bezahlt, daß sie in die Schule gehen. Das ist ein Ansatzpunkt dazu.

Ganz wichtig ist, daß Österreich erkannt hat – die Bundesregierung gemeinsam mit den Sozialpartnern –, daß Jugendarbeitslosigkeit das Schlimmste ist. Natürlich müssen wir auch die anderen Arbeitnehmer, die Langzeitarbeitslosen, durch besondere Programme – es gibt Programme und Förderungsmaßnahmen – wieder einer Arbeit zuführen.

Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Öllinger! Wenn Sie die Thematik der Arbeitslosigkeit wirklich ernst nehmen, wie man das in Zukunft schaffen kann, dann muß ich Ihnen eines sagen: Um 12 Uhr mittag eine dringliche Anfrage mit 38 Punkten zu stellen, die der Herr Bundeskanzler eingehend bis ins kleinste Detail um 15 Uhr beantworten soll und zu dem Thema er Ihnen auf Heller und Pfennig Rede und Antwort stehen soll, ist nicht seriös. (Abg. Mag. Kammerlander: Das ist ihm alles so wichtig! Das wird er ja wissen!)

Frau Kollegin Kammerlander! Ich vermisse es, hier im Haus Grundsatzdebatten zu führen, und Ihre Anfrage ist eine Grundsatzdebatte wert. Sie ist es wert, daß wir uns damit auseinandersetzen. Aber bei einer Dringlichen Anfrage hat jeder nur eine bestimmte Redezeit zur Verfügung. Und das Ansinnen heute ist ein anderes und in Wirklichkeit nicht ernst genug. Ich bin dafür, daß wir diese Debatte ernst nehmen sollen. (Abg. Mag. Firlinger: Ihr macht das "nie"! Ihr macht "nie" Abänderungsanträge! – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Wir haben in den Ausschüssen Zeit. Was Dringliche Anfragen bedeuten, haben wir hier erlebt. Es ist zum Teil schade um diese Dringlichen Anfragen, und Sie sehen auch, wie gering das Interesse ist, weil jeder nur eine Rede hält, aber meist nicht auf den Vorredner eingeht, sondern nur sagt: "Hugh, ich habe gesprochen". – Die Debatten hier im Haus sind viel weniger lebendig, als sie früher waren, als man gemeinsam um Grundsätze ringen konnte. Teilweise passiert das


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in den Ausschüssen. Ich werde mich aber bemühen, in dem Ausschuß, den wir eingesetzt haben, im Unterausschuß zur Lehrlingsfrage eingehend Grundsatzdebatten zu führen und darüber zu diskutieren. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie verteilen nur Zensuren!)

Frau Kollegin Dr. Partik-Pablé! Meine Redezeit ist beschränkt. Ich sage es Ihnen dann, wenn Sie es nicht wissen sollten. Änderungen in der Geschäftsordnung gibt es aufgrund verschiedener Maßnahmen, die dem Parlamentarismus eigentlich geschadet haben. (Abg. Mag. Firlinger: Wer hat die Geschäftsordnung gebogen? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wer hat denn verhindert, daß wir ordentliche Redezeiten haben?) Jeder Abgeordnete hat Vorstellungen, die er gerne erörtern möchte, und das ist leider in diesem Sinne nicht mehr möglich. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir wollen öfters diskutieren!)

Eines möchte ich aber ganz eindeutig sagen: Die wirtschaftliche Lage in Österreich und auch die Stimmung der Betriebe, die Leute aufnehmen wollen, sind besser als die Stimmung, die hier verbreitet wird. (Abg. Öllinger: Wir haben nicht über die Wirtschaft gesprochen, nur über die Arbeitslosen!)

Von Betriebsbesuchen bei verschiedensten Firmen weiß ich, diese suchen qualifizierte Arbeitnehmer und bekommen sie dort und da nicht. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, damit wir die Vermittlung besser bewältigen können. Wir müssen überlegen, wo wir Förderungsmaßnahmen setzen können, damit die Betriebe, die Zukunftschancen haben, die exportieren, jene Arbeitskräfte bekommen, die sie auch brauchen, nämlich gut ausgebildete Mitarbeiter, kreative Leute.

Ein wichtiger Punkt – für dessen Erwähnung bin ich dem Herrn Bundeskanzler sehr dankbar – ist (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aus lauter Jux und Tollerei gehen Betriebe in den Konkurs!), daß die einzelnen Menschen genug Kraft und Selbständigkeit bekommen, um ihr Engagement und ihre Arbeitskraft in der Wirtschaft einsetzen zu können, denn Arbeit ist nicht nur Arbeitsleid, sondern auch Arbeitsfreude und bestimmt das Leben der Menschen in diesem Land sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

16.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.17

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Tichy-Schreder, Sie bekommen mit Sicherheit die "goldene Kanzlerverteidigungs-Medaille". Es ist geradezu abenteuerlich, daß Sie sich beschweren, daß der Bundeskanzler nur drei Stunden Zeit hat, eine Anfrage vorzubereiten. Ich werde Ihnen ein anderes Beispiel sagen: Heute wurde für 55 000 aktive Eisenbahner und für knapp 25 000 pensionierte Eisenbahner das Pensionsrecht geändert. Die Sitzung hat um 8.30 Uhr begonnen, die Unterlagen sind um 9.15 Uhr gekommen, und um 9.30 Uhr sind die beiden Regierungsparteien in altbewährter Manier wieder einmal drübergefahren. So wird die Sacharbeit von Rot und Schwarz in diesem Haus gesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz. )

Wenn ich mir die Redebeiträge der Abgeordneten der beiden Regierungsparteien anhöre, dann bin ich der Meinung, sie sollten eine Schönfärberei aufmachen und Herrn Verzetnitsch als Geschäftsführer einsetzen. Es ist schon traurig, wenn hier von Ihnen ausschließlich Absichtserklärungen beklatscht werden. Wenn Ihnen die Beschäftigung in Europa solch ein Anliegen gewesen ist, dann frage ich mich, warum Sie das nicht schon vor dem EU-Beitritt eingefordert haben. Jetzt, nachdem der Karren verfahren ist, kommt man drauf, daß es eigentlich an der Zeit wäre, für die Beschäftigung etwas zu tun, daß, wie Verzetnitsch sagt, die monetären Kriterien nicht die einzig ausschlaggebenden sein können, sondern auch jene der Beschäftigung Berücksichtigung finden müssen.

Ich frage mich schon, wie er es als Präsident des ÖGB hält: Einerseits tritt er in Österreich vehement dafür ein, daß die Lohnnebenkosten nicht gesenkt werden dürfen, und als Europa


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präsident tritt er für die Senkung der Lohnnebenkosten ein. – Das ist in den Zeitungen nachzulesen. (Abg. Verzetnitsch: Nachlesen!)

Man gewinnt den Eindruck, daß sich bei dem sogenannten EU-Beschäftigungsgipfel in Luxemburg der "Klub der Meineid-Bauern" getroffen hat. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Denn all das, was in den Absichtserklärungen steht, ist nicht neu. Darin steht die Senkung von Lohnnebenkosten, die Verhütung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit und ähnliches mehr. Das sind sehr schwache Charaktere, die solche Dinge dann als entsprechende Leistungen verkaufen wollen.

Einzelne Titel in Zeitungen lauten: "Eiertänze und Leerformeln zum Beschäftigungsgipfel", "Ein Beschäftigungsgipfel zwischen Traum und Wirklichkeit", "Der Beschäftigungsgipfel der EU ist ein Flop". – Für einige nicht. Für einige war der Beschäftigungsgipfel durchaus ein Erfolg, und zwar für ungefähr 130 Spitzenfunktionäre des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, die zu einem Betriebsausflug nach Luxemburg geflogen sind. Ich hoffe, sie haben eine angenehme Reise gehabt. Das war bestimmt recht lustig. (Abg. Dr. Mertel: Waren Sie mit? – Abg. Silhavy: Waren Sie dabei?)

Es wird auch ein positives Klima und ein Ergebnis für die Teilnehmer gegeben haben, aber für die betroffenen Beschäftigungslosen hat es nichts gebracht; null! Null Komma null an Ergebnissen. Das anschließende gegenseitige Schulterklopfen bringt auch keinen Arbeitsplatz.

Das anschließende Einander-auf-die-Schultern-Klopfen läßt die Arbeitslosenzahlen in Österreich noch immer gewaltig steigen. Und Herr Verzetnitsch, wie er wörtlich gesagt hat, kehrte befriedigt vom Luxemburger Gipfel zurück. Das kann man jetzt deuten, wie man will, aber anscheinend ist in seinem Penthouse die Luft schon etwas dünn, sodaß das klare Denken etwas fehlt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Seine krausen Ideen anläßlich seines 10-Jahr-Jubiläums als Präsident des ÖGB, nämlich jedem Arbeitslosen entweder einen neuen Arbeitsplatz oder eine Ausbildungsstätte zur Verfügung zu stellen, bleiben nur sein Wunsch. Da frage ich mich, warum er das für die 241 000 Arbeitslosen nicht sofort umsetzt. Was ist los? – Vor wenigen Monaten hatten Sie die 10-Jahres-Feier, und Sie tun nichts! Sie tun gar nichts! Sie verlieren täglich Mitglieder. Das ist der einzige "Erfolg", den Sie verzeichnen können. (Abg. Verzetnitsch: Große Reden!)

Wo ist Ihre Stellungnahme zu der Situation der Lehrlinge? Warum attackieren Sie nicht einmal Ihren Bundeskanzler und die Regierung, die da oben sitzt? – Sie haben versprochen, daß alle Lehrlinge einen Arbeitsplatz haben werden. 6 000 suchen noch immer einen Arbeitsplatz. Jetzt sage ich Ihnen, es ist mit schönen Reden nicht mehr getan! Es wird immer alles als so schön verkauft, in Wirklichkeit schaut die Welt ganz anders aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder Herr Vizekanzler Schüssel wird zitiert – ich hoffe, er hat es auch tatsächlich gesagt, denn das weiß man bei ihm nicht so genau –: Das Thema der Beschäftigung tritt immer mehr in den Vordergrund. Jetzt muß ich aber schon schön langsam fragen, wie lange denn der Herr Vizekanzler bereits in der Regierung sitzt. Kommt er jetzt drauf, daß die Beschäftigungsfrage wichtig ist? – Ich frage: Hat er die letzte Zeit geschlafen?

Wir haben in Österreich einen traurigen Rekord. Wir werden heuer im Winter eine Rekordarbeitslosigkeit haben, wie sie die Zweite Republik noch nicht erlebt hat. Wo sind Ihre Maßnahmen? Wo sind denn die Initiativen? – Alles, was Sie machen, ist eine Netto-Neuverschuldung von über 100 Milliarden Schilling und null Investitionen! Das ist Ihre Beschäftigungspolitik! (Abg. Gradwohl: Die Frage war nach der Beschäftigtenzahl!) Und darunter leiden alle, die heute Arbeit suchen. 241 352 Arbeitslose haben wir per 30. November, Herr Kollege, und Sie haben kein Mittel, obwohl Sie in der Regierung sitzen! Der Anstieg der arbeitslosen Über-50jährigen beträgt 17,4 Prozent! (Abg. Gradwohl: Die Frage war nach der Beschäftigtenzahl!) Am Bau haben wir 100 000 Arbeitslose, aber ihr beklatscht euch da immer gegenseitig, wie großartig der Luxemburger Gipfel war.


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Die öffentliche Hand reduziert ihre Aufträge, weil die Baulobby mit ihren korrupten Fällen noch immer nicht weiß, wie sie den Kuchen verteilen soll. International gesehen rutscht Österreich bei allen Wirtschaftsdaten ständig nach unten. Ein ständiges Nach-unten-Rücken in den Wirtschaftsdaten bereitet Ihnen keine Sorge. Ich kann Ihnen die Ursache sagen: Das ist eine verfehlte Sozial- und Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Zugang zur Selbständigkeit ist nach wie vor erschwert, die Kammern sind ein einziger Verhinderungsverein! Wenn man heute durchschnittlich 18 Monate braucht, bis man eine Gewerbeberechtigung bekommt, dann wundert es mich nicht, daß noch immer sehr wenige nach Selbständigkeit rufen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Keppelmüller. )

Ich habe das Gefühl, daß gerade diese Kammerfunktionäre, von denen die ÖVP hier besonders viele sitzen hat, die Zukunft und das gemeinsame Europa noch immer nicht erkannt haben. (Abg. Dr. Puttinger: Nicht eine alte Rede vorlesen!) Wir feiern jetzt die Aufnahme eines Beschäftigungskapitels als Erfolg. Das ist ein Trauerspiel. Dazu hätte es einen Luxemburger Beschäftigungsgipfel nicht geben müssen, denn daß es eine Beschäftigungsinitiative auf nationaler Eben geben müßte, ist ja wohl eine Selbstverständlichkeit. Dafür wird eine Regierung gewählt, daß sie Arbeitsplätze schafft und nicht für sich selbst Reisen organisiert. Das war das einzige, was Luxemburg gebracht hat (Beifall bei den Freiheitlichen): eine Reise für die Regierungsmitglieder und für die Gewerkschaftsfunktionäre, das war es. (Abg. Dr. Keppelmüller: Sie machen das einfach! Sie schreiben einen Brief an die Unternehmer und schnorren!)

Sie haben einen eigenen Erklärungsbedarf wie die Gewerkschaft. Diese finanziert sich in ihren Zeitungen ganzseitig mit BAWAG-Inseraten und ähnlichem mehr, lieber Freund! Darüber können wir gerne reden. (Abg. Dr. Keppelmüller: Schnorrer und Buchstabierer!)

Dann sagt der Bundeskanzler: Es kann alles passieren – bei den Kosten, bei den Einkommen in Form einer Umschichtung. – Jetzt frage ich mich: Ist eine Umschichtung ohne Budgetbelastung dann die wundersame Geldvermehrung? Wie soll das funktionieren? – Dann sagen Sie klipp und klar, wem Sie etwas wegnehmen wollen und zu wessen Gunsten! Jetzt heißt es schon wieder: Wir führen zur Senkung der Lohnnebenkosten die Öko-Steuer ein. Die Arbeitskosten müssen gesenkt werden. – Diese Phrase haben Sie schon einmal genannt, nämlich bei der Einführung der Energiesteuer. Da wurde auch gesagt, diese werde nur deshalb kommen, weil die Arbeitskosten entlastet werden. "Schnecken"! Alles, was Sie erreicht haben, ist eine Budgetentlastung von rund 7 Milliarden Schilling, anstelle die Arbeitskosten zu bekämpfen.

Jetzt zur wesentlichsten Frage zum Beschäftigungsgipfel von Luxemburg: Welche Konsequenzen sind bei Nichterfüllung der bescheidenen Vereinbarungen zu ziehen? Gibt es dann einen Rücktritt vom Herrn Kanzler? Gibt es einen Rücktritt vom Herrn Vizekanzler? Wie schaut das aus? Wo sind dann Konsequenzen zu ziehen, wenn das nicht eintritt? – Wir erleben das immer wieder. Jetzt haben wir einen Bundeskanzler, der seit einem Jahr im Amt ist und gesagt hat, er werde eine Beschäftigungsinitiative starten. – Das tut er nicht. Die Lehrlinge bringt er nicht unter, all das sind Verzweiflungsaktionen, die gestartet wurden, sozusagen eine maximale Kraftanstrengung in Österreich, und das Resultat ist, daß noch immer 6 000 Lehrlinge einen Arbeitsplatz suchen. Da frage ich mich wirklich, ob Sie in der Lage sind, die Zukunft zu meistern. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wissen Sie, warum die Deutschen und die Holländer gegen europaweite Beschäftigungsprogramme sind? – Weil zusätzliche Zahlungen für ineffektive Beschäftigungsprogramme ausgegeben werden müssen. Das ist die Wahrheit. Das bedeutet, daß in der korrupten EU wieder Gelder verschwinden, anstatt innerstaatlich sinnvoll eingesetzt zu werden. Es wäre schon einmal wichtig, daß die Intensivierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik stattfindet. (Abg. Dr. Keppelmüller: Das ist er, der Schnorrerbriefe an die Unternehmer schreibt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben uns immer gesagt, die Sozialpartner werden im Ausland gelobt. – In Wirklichkeit stehen wir an letzter Stelle, was die Förderung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen betrifft. Die Umänderung des Namens von Arbeitsamt in Arbeitsmarktservice wird noch nichts bringen. Das ist die einzige Maßnahme, die Sie setzen. Auch wenn man im Arbeitsmarktservice nicht


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mehr der Herr Direktor, sondern der Herr Geschäftsführer ist, muß ich sagen, daß das Denken noch nicht um sich gegriffen hat.

Alle bisher angekündigten Maßnahmen wurden nicht erfüllt. Die Forschungs- und Entwicklungsmilliarde wartet. Die Privatisierung der ertragreichen verstaatlichten Betriebe wartet. Jetzt kommt der Euro, wobei schon alle ernstzunehmenden Fachleute darauf hinweisen, daß es zu Arbeitsplatzverlusten kommen wird. Die Regierung reagiert nicht. Es kommt zur Osterweiterung, und es ist auch eines interessant – gerade weil ÖGB-Präsident Verzetnitsch so Großartiges von sich gegeben und die Regierung verteidigt hat –: Ausgerechnet diese Regierung verteidigt oder begünstigt eine Kapitalisierung ... (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )  Sind Sie krank? Tut Ihnen irgend etwas weh? (Abg. Dr. Mertel: Sie haben recht, Ihre Worte schmerzen! – Abg. Dr. Keppelmüller: Wir wollen etwas über Ihre Schnorrerbriefaktion wissen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie sollten sich untersuchen lassen, Frau Kollegin! Es wäre vielleicht ganz günstig, wenn Sie sich untersuchen lassen würden.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Die Stenographen werden sich schwertun, das festzuhalten, was Sie jetzt von sich gegeben haben, denn das machen normalerweise ungefähr drei Monate alte Kinder! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte!

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Ich kann nur sagen: Diese Regierung leistet dem Kapital Vorschub und schenkt dem Problem der Arbeitsplätze viel zuwenig Aufmerksamkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.28

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir aus der Dringlichen Anfrage nur einen Teilaspekt herausgenommen und diesem besondere Aufmerksamkeit geschenkt, nämlich was der Herr Bundeskanzler dazu gesagt hat. Leider hat er sich mit Punkt 3 der Dringlichen Anfrage inhaltlich nicht wirklich auseinandergesetzt.

Es war hinter diesem Punkt 3 mehr verborgen, als selbst die Anfragesteller vermuten. Da muß ich Kollegen Öllinger inhaltlich und sachlich deutlich kritisieren: Er hat das Problem erkannt, aber er hat die Diagnose in die falsche Richtung ausgelegt. Er hat erkannt, daß sich der Arbeitsmarkt so entwickelt, daß möglicherweise Arbeiten, Teilzeitarbeiten nachgefragt werden, die prekär und daher nicht geeignet sind, die individuellen Bedürfnisse desjenigen, der diese Arbeit aufnehmen möchte, zu befriedigen. Das hat er richtigerweise erkannt.

Allerdings ist die Anfrage in die Richtung ausgebaut worden, daß man den Arbeitsmarkt verändern muß, damit er nur Arbeiten nachfragt, die auch der Erfüllung der individuellen Bedürfnisse dienen können. Das ist der Denkfehler. Das wird nämlich nicht geschehen. Arbeit wird nicht deswegen nachgefragt, weil man damit zwangsläufig, und zwar im kompletten Sinn, als Paket, individuelle Bedürfnisse desjenigen befriedigen will, der die Arbeit aufnimmt, sondern Arbeit wird nachgefragt, weil sie für einen bestimmten Zweck benötigt wird. Sie soll auch ordentlich honoriert werden, darauf komme ich noch zu sprechen.

Aber wenn die Arbeit nur wenige Stunden ausmacht, dann wird selbst die ordentlichste Honorierung zu einem Ergebnis führen, das zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse desjenigen, der arbeitet, nicht ausreicht. Ich glaube, es wäre eine Sackgasse, wenn man versuchen


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würde, daher quasi per Gesetz anzuordnen, daß nur die klassische Vollzeitarbeit nachgefragt werden darf.

Wir brauchen daher soziale Systeme, die flexibel auf diesen Befund reagieren. Wir brauchen einen grundrechtlichen Anspruch auf existentielle Absicherung als Fundament, damit sich die Menschen überhaupt bewegen können, und zwar auch dann, wenn sie keine Arbeit oder eine nur quasi zumutbare Arbeit finden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn wir zu einer derartigen grundrechtlichen Position finden, dann muß ich sagen, daß eine derartige Diskussion, wie sie hier geführt wird, und auch die Möglichkeit, Menschen zwangszuverpflichten, eine bestimmte Arbeit anzunehmen, gar nicht mehr notwendig sein werden. Es wird aber andererseits den Menschen dann möglich sein, Arbeit aufzugreifen in der Arbeitswelt, die für sich allein genommen nicht geeignet wäre, die individuellen Bedürfnisse zu befriedigen. – Diese Gabel ist aufzulösen.

Da ist die internationale Diskussion schon wesentlich weiter, als man vermuten würde, wenn man sich in diesem Haus befindet. Das Europäische Parlament hat nicht zuletzt angesichts des damals noch bevorstehenden Beschäftigungsgipfels in einer Entschließung ausdrücklich formuliert, daß vor dem Hintergrund der Analyse, die ich Ihnen gegeben habe, auf die Wechselwirkung zwischen Steuersystemen und Systemen der sozialen Sicherheit mit dem Ziel hinzuwirken ist, daß die Hemmnisse bei der Akzeptanz von weniger gut bezahlten Arbeitsplätzen verringert werden, und zwar durch ein weiteres Ausloten innovativer Konzepte im Bereich der Sozialpolitik wie Basiseinkommen und negative Einkommensteuer.

Das ist mehrheitsfähig im Europäischen Parlament. Das heißt, dort hat die intensive Suche danach begonnen, wie wir dieser Falle entkommen und unsere Sozialsysteme so gestalten können, daß sie einen Rechtsanspruch statuieren, grundrechtsfähig sind und auf die modernen Formen der Arbeitswelt auch flexibel reagieren können. Dabei wird man sehr gut aufpassen müssen, daß es nicht zu einer Spaltung kommt. Man wird sehr gut aufpassen müssen, daß dies keine desintegrierende Wirkung hat. Das ist ein sehr anspruchsvolles Projekt. Und man wird sich vor allem auch mit dem, was vielfach als sogenannter Mindestlohn herumgeistert, einmal ganz neu auseinandersetzen und sich überlegen müssen, ob es dabei nicht nur darum gehen kann, Mißbrauch bei den Stundenlöhnen zu vermeiden und nicht irgendeinem fiktiven Monatslohn nachzulaufen, den es dann deswegen nicht gibt, weil die Vollarbeitszeit, die diesem Monatslohn entsprechen würde, gar nicht in allen Fällen nachgefragt wird.

In diesem Fall an die Adresse der Kolleginnen von der ÖVP gerichtet möchte ich folgendes sagen: Wenn man von Basiseinkommen und negativer Einkommensteuer spricht, dann wird man gelegentlich mit dem Vorwurf, es handle sich um Kommunismus, konfrontiert. Ich sage Ihnen: Das halten wir gerne aus, denn dieser Vorwurf zeugt von Unwissenheit. Dies ist zwar schmerzlich, aber man muß es nicht ganz so ernst nehmen.

Ernster muß man den erbitterten Widerstand jener nehmen, die die Besitzstände des jetzigen vermeintlich sozialen, aber längst nicht mehr sozialen Systems mit Zähnen und Klauen verteidigen, und sei es auch um den Preis einer tatsächlichen Spaltung der Gesellschaft, um den Preis, daß immer mehr Leute frühzeitig ausgesteuert werden müssen, daß letztlich im Alter nicht abgesicherte Frauen weiter unabgesichert bleiben, und so weiter und so fort – ich könnte Ihnen hier jetzt die ganze Latte aufzählen –, nur damit am bestehenden System vor 40, 50 Jahren ausgedachter sozialer Instrumente nichts geändert werden muß, damit man insbesondere auch unter sich bleiben kann, nämlich die Arbeitbesitzenden, die die Arbeit nicht mit jenen teilen wollen, die Arbeit suchen. Und Arbeit teilen heißt im Prinzip in der Lage sein, arbeitszeitmäßig weniger zu arbeiten, ohne dabei zugrunde zu gehen.

Solche Ansätze kombiniert selbstverständlich mit dem, was das Liberale Forum, aber auch andere Fraktionen gebetsmühlenartig seit Jahren zur Frage der ökologischen Steuerreform hier vortragen, was seit Jahren von allen Experten und von vielen Fraktionen gebetsmühlenartig zur Entlastung der Lohnnebenkosten vorgetragen wird und so weiter und so fort, hätten wir uns in


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einer Beantwortung durch den Herrn Bundeskanzler erhofft. Sie sind – wie immer – ausgeblieben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.35

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz kurz vorweg zu den Ausführungen meines Vorredners: Herr Kollege Kier, ich gebe Ihnen absolut recht, daß es nicht nur um die Frage geht, wie Vollzeitarbeitsverhältnisse herstellbar und förderbar sind, sondern es geht einerseits um die Frage, was Vollzeitarbeit bedeutet und was mit einer Arbeitszeitverkürzung ist. Es geht aber auch um die Frage der Vereinbarkeit von Arbeitseinkünften und Sozialleistungen.

Ich bin überzeugt davon, daß ein Gespräch zwischen uns oder zwischen Ihnen und Kollegen Öllinger sehr schnell zu gemeinsamen Bestrebungen führen könnte. Aber das, was Karl Öllinger hier warnend vorgebracht hat, hat schon einen sehr harten Hintergrund. Denn wenn der Vizekanzler dieser Republik – also nicht irgendwer – im Hauptausschuß sagt, man müsse doch zumindest vorübergehend über eine Beschäftigung unter Kollektivvertrag nachdenken, dann sind, so meine ich, die Warnungen vor Beschäftigungsverhältnissen, in die Menschen gedrängt werden, von deren Einkünften sie aber nicht mehr leben können, kein Hirngespinst, sondern eine drohende, vielleicht schon bald eintretende Realität in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

Noch eine Vorbemerkung, ein Wort zu den Ausführungen der Frau Abgeordneten Tichy-Schreder. Frau Abgeordnete! Wenn die Regierungsparteien klagen, wir hätten zuwenig Zeit zu Grundsatzdebatten, dann nehme ich Ihnen das nicht ganz ab. Frau Abgeordnete Tichy-Schreder! Wann immer die Opposition einen Anlauf genommen hat, über dieses sehr, sehr ernste Thema zu reden – und da, muß ich sagen, nehme ich wirklich die Bestrebungen vieler Fraktionen ernst, ob es sich um eine Sondersitzung der freiheitlichen Fraktion, eine Dringliche Anfrage der Grünen oder um Vorstöße des Liberalen Forums in Richtung einer Grundsicherung handelt –, habe ich nicht wirklich die Bereitschaft der Regierung gespürt, mit der Opposition ernsthaft über diese Themen zu reden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Frau Abgeordnete Tichy-Schreder, so Sie noch ein Ohr für mich finden! (Abg. Tichy-Schreder: Immer!) Ich bin überzeugt davon, ohne das vorher abgestimmt zu haben, daß die Abgeordneten des Liberalen Forums und wohl auch die Abgeordneten der freiheitlichen Fraktion gerne mitgehen werden, wenn wir hier und heute als ein Ergebnis dieser Dringlichen Anfrage einen nationalen Beschäftigungsgipfel planen, um die Frage zu behandeln, wie wir mit den von allen als ernst eingeschätzten Problemen in Zukunft umgehen wollen. Ich lade Sie ein: Machen wir eine Enquete dieses Parlaments! Lassen wir doch so eine Grundsatzdebatte einmal zu, und geben wir ihr den gebührenden Raum! Ich bitte Sie, sich dann auch bei Ihrem Klubobmann oder beim Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion dafür einzusetzen, daß diese permanenten Vorstöße der Opposition nicht andauernd schubladisiert oder abgelegt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn ich das schon als eine Bemühung Ihrerseits werten darf, dann, so meine ich, könnten wir gleich im Rahmen dieser Sitzung auch diesen Antrag auf Abhaltung einer nationalen Beschäftigungsenquete positiv erledigen. Wir von den Grünen sind sicherlich mit dabei.

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Ich nehme es Ihnen ab, daß Ihnen Fragen der Beschäftigung sehr am Herzen liegen. Ich glaube Ihnen, daß Sie ernsthaft bemüht sind, nicht nur für die schon Arbeitslosen, sondern auch für die Arbeitsuchenden oder vielleicht die gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Aber ich nehme es Ihnen nicht ab, und die Zahlen sprechen für sich, daß Sie gegenüber Ihrem Koalitionspartner wirklich ernsthaft das Gewicht der stärksten Fraktion in diesem Hause auf die Waagschale geworfen haben, um alles zu tun, daß niemand mehr auf der Straße stehen muß und keine Beschäftigung hat. (Beifall bei den Grünen.)


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Welche Maßnahmen wurden gesetzt? Und wurde wirklich alles versucht? Herr Abgeordneter Verzetnitsch sagt ja, ich sage nein. (Abg. Verzetnitsch: Ich habe nein gesagt!) Vielleicht war es nicht laut genug. Ich fürchte auch, es ist nicht alles passiert.

Es wurde hier gesagt, wir könnten die Jugendarbeitslosigkeit messen, wir könnten die Zahl derer feststellen, die zum Arbeitsamt gehen und sagen: Ich möchte ... (Abg. Verzetnitsch: Sonst geht es nicht!) Es ginge schon anders, Herr Abgeordneter Verzetnitsch, es ginge schon anders! Wir wissen, daß es auch Möglichkeiten gibt, im Wege von Befragungen festzustellen, wer denn gerne arbeiten würde, aber schon jede Chance schwinden sieht.

Herr Abgeordneter Verzetnisch! Warum sollte zum Beispiel eine Frau, die vielleicht nicht aus einer Stadt in Österreich ist, die irgendwo auf dem Land wohnt, wo es keine öffentliche Verkehrsverbindung gibt, die vielleicht ein oder zwei kleine Kinder hat, die in weiterer Umgebung keinen Kinderbetreuungsplatz findet, schon gar nicht für Kinder unter drei Jahren, die vielleicht auch kein eigenes Kraftfahrzeug hat, weil der Mann den einzigen verfügbaren PKW benützt, zum Arbeitsamt gehen und sagen, daß sie gerne arbeiten möchte, wenn sie weiß, daß sie keine Chance mehr hat? Warum sollte sie sich täglich beim Arbeitsamt frustrieren lassen, wenn ihr gesagt wird, daß sie keine Chance hat? Wer tut sich denn das an? Da muß man ja wirklich eine extrem masochistische Veranlagung haben, um sich das überhaupt noch anzutun.

Wir wissen auch aus parlamentarischen Anfragen der Grünen, daß die Zahl jener Frauen, die aufgrund fehlender ganztägiger Kinderbetreuungsplätze, vor allem für Kleinkinder, keine Arbeit suchen, mindestens 50 000 beträgt. Das weiß auch das Arbeitsmarktservice. Es weiß, daß so Frauen vom Arbeitsmarkt gedrängt werden. Und ich sage: Es gibt Kräfte in diesem Haus, die das wollen! Es gibt ja auch einen Verteidigungsminister, der den Frauen empfiehlt, mehr Kinder zu bekommen, da dies ja die eigentliche Zweckbestimmung der Frauen sei.

Ich frage nur: Was tut die Sozialdemokratie dagegen? Haben Sie wirklich alles getan, um auch einmal die Koalitionsfrage zu stellen, um zu fragen, ob es überhaupt noch die politische Bereitschaft gibt, hier alles in die Waagschale zu werfen? Herr Abgeordneter Verzetnisch, das haben Sie nicht getan! (Beifall bei den Grünen.)

Oder die jungen Leute. Glauben Sie, daß jemand, der vielleicht sogar ein Hochschulstudium abgeschlossen hat, zum Arbeitsamt geht, um sich dort immer wieder eine Abfuhr zu holen?

Ich sage Ihnen, was die jungen Leute tun: Sie jobben irgendwie, vielleicht sogar – und die Leute sprechen das immer offener aus – teilweise an den Steuern, an der Sozialversicherung vorbei, versuchen, sich irgendwie etwas auf die hohe Kante zu legen, weil sie von diesem Staat pro futuro nichts mehr erwarten. Es gibt kein Mindestarbeitslosengeld, es gibt keine Mindestnotstandshilfe, es gibt keine echte Mindestpension in Österreich, ja es gibt nicht einmal Aussagen über die Chancen, die die Jugend in Zukunft haben wird.

Da gibt es durchaus Kräfte, die die Globalisierung förmlich inszenieren. Es wird immer wieder die Rute im Fenster sichtbar, indem gesagt wird: Schaut, da gibt es Staaten, die noch viel weniger an Sozialpolitik haben. Umweltstandards haben diese erst recht nicht. Da können wir ja nicht aufbauen! Die Globalisierung wird inszeniert, um den Sozialabbau voranzutreiben, um Druck auf Löhne zu machen, um Druck auf Frauen zu machen, daß sie gar nicht mehr zu den Arbeitsämtern gehen.

Ich sage Ihnen eines: Wir haben in Österreich eine unterdurchschnittliche Frauenbeschäftigung im Vergleich mit fortschrittlichen Staaten, wie etwa Skandinavien. Wir haben in Österreich immer noch ein früheres reales Pensionseintrittsalter als im europäischen Durchschnitt. Das geht sich hinten und vorne nicht mehr aus! Wir müssen die Arbeit umverteilen. Ich sage gerne dazu: Wir sollen gleichzeitig auch beim Geld umverteilen, und zwar in den obersten Etagen nicht mit vollem Lohnausgleich, aber unten muß noch etwas dazukommen.

Wenn Sie nicht diese Antworten geben, wenn wir immer nur Luftblasen von uns geben und sagen, wir sollen uns nach Möglichkeit anstrengen, dann kommt das heraus, was jetzt in Oberösterreich passiert: Zwölf Ausbildungsplätze, Arbeitsplätze für arbeitslose Frauen werden – und


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das in einem reichen Staat! – gestrichen. Selbst jene Frauen, die zum Zeitpunkt der Projektauflösung ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben, ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Den Schlußsatz bitte, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): ...müssen ohne Abschluß der Ausbildung in die Arbeitslosigkeit zurückkehren. Frau Tichy-Schreder! Sie suchen qualifizierte Arbeitskräfte. Sie suchen vielleicht qualifizierte Frauen. Hier werden sie mit einer abgebrochenen Ausbildung in die Arbeitslosigkeit hinauskomplimentiert. Dazu möchte ich gerne den Herrn Bundeskanzler hören.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete! Bitte den Schlußsatz zu Ende zu sprechen!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Ich fürchte, der Herr Staatssekretär wird uns zu dieser Thematik nichts sagen können. Aber das ist eben die Beschäftigungspolitik à la große Koalition! (Beifall bei den Grünen.)

16.46

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

16.46

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Vorsitzender! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Regierungen gemeinsam ein Ziel verfolgen, dann führt dies auch zum Erfolg – siehe Maastricht-Vertrag und eben die ausgemachten monetären Zielgrößen! Ich glaube, der Beschäftigungsgipfel in Luxemburg ist ein Schritt in diese Richtung.

Ich bin sehr stolz darauf, daß die Europäische Union nationale Beschäftigungsinitiativen gewürdigt hat, und zwar konkret zwei aus Österreich. Das sind zum einen unsere Arbeitsstiftungen und zum anderen die duale Ausbildung. Was die Arbeitsstiftungen betrifft, nimmt Österreich eine Vorreiterrolle ein. Dazu möchte ich Ihnen aus der praktischen Erfahrung ein paar Zahlen nennen.

In Oberösterreich sind seit 1992 5 000 Personen durch verschiedene Arbeitsstiftungen gegangen. Von diesen 5 000 Personen sind 4 100 Personen – und das muß man sich schon auch vor Augen halten: 4 100 Personen! – wieder in neuen Berufen im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätig. Diese Angaben beruhen auf Erhebungen sechs Monate nach Ausscheiden aus der Ausbildungsmaßnahme. Darauf können und müssen wir stolz sein! Und ich frage: Was hindert uns daran, diese Arbeitsstiftungen auch landesweit einzuführen? Alle Betriebe sollten verpflichtet werden, dort in einen Topf einzuzahlen. So hat jeder Betrieb die Möglichkeit, bei Strukturproblemen dafür zu sorgen, daß sein Arbeitnehmer oder seine Arbeitnehmerin eine neue Qualifizierung erwirbt. Also was hindert uns daran? (Beifall bei der SPÖ.)

Noch eine letzte Zahl, auf die ich persönlich sehr stolz bin. Bei uns im Bezirk Braunau haben drei von fünf Arbeitsstiftungen eine Erfolgsquote von 100 Prozent. Das heißt, alle Personen, die durch diese drei Stiftungen gegangen sind, haben neue Arbeitsplätze oder neue Ausbildungsbereiche gefunden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Alles in Butter!) Nein, es ist nicht alles in Butter! Aber ich meine, daran sollte man arbeiten, und zwar österreichweit.

Wir könnten auch eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn wir die Möglichkeit der im Rahmen der Pensionsreform beschlossenen Bildungskarenz bei den Betrieben bekanntmachten und auch entsprechend forcierten. Wir sollten zu deren Inanspruchnahme aufrufen und nicht immer alles als negativ und schlecht hinstellen. Ich würde auch meinen, daß die Pensionsreform einen weiteren positiven Anreiz für arbeitsmarktorientierte Ausbildung gesetzt hat, nämlich dahin gehend, daß Berufsinformation bereits in der dritten und vierten Hauptschulklasse und in der dritten und vierten Gymnasialklasse angesetzt wird und nicht erst im letzten Moment, wenn das Schuljahr zu Ende geht und man vor der Frage steht, was das Kind jetzt machen soll.


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Man soll vorzeitig aufklären, wissend – da hat die Regierung sehr vorausschauend gehandelt –, daß der Trend in Richtung Fachmärkte anhält. Hiebei möchte ich einmal das Wort "Fach" unterstreichen. Ich spreche nicht von Supermärkten, sondern von Fachmärkten; der Bedarf der Fachmärkte werden schlichtweg Fachkräfte sein. In diesem Punkt sehe ich diese Kombination von seiten unserer Regierung als sehr weitblickend.

Österreichs Modell der dualen Ausbildung war das zweitbeste praktische Beispiel von elf praktischen Beispielen innerhalb der Europäischen Union, das besonders hervorgehoben wurde. Was hindert uns daran, daß wir einen – sage ich jetzt einmal – Lastenausgleich zwischen ausbildenden Betrieben und nichtausbildenden Betrieben einführen? – Ich denke, auch daran haben wir noch zu arbeiten und sollten wir auch arbeiten.

Ich möchte abschließend noch auf meine tatsächliche Berichtigung eingehen, die ich im Rahmen des Debattenbeitrages von Herrn Dr. Haider gemacht habe. Herr Kollege Firlinger hat gemeint, meine tatsächliche Berichtigung sei Haarspalterei, Frau Kollegin Dr. Petrovic hat gemeint, meine tatsächliche Berichtigung sei mager. – Tatsache ist, daß sie korrekt ist. So wie Sie von den Freiheitlichen und auch Sie von den Grünen in Anspruch nehmen, korrekt zu sein, so gestatten Sie auch mir, für die SPÖ und für das AMS, das immer um Korrektheit bemüht ist, diese korrekte tatsächliche Berichtigung gemacht zu haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. – Bitte.

16.52

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei Verfolgung dieser Debatte habe ich manchmal den Eindruck, daß es hier nur darum geht, eine Art Schwarzweißmalerei zu betreiben. Ich meine, es ist wirklich notwendig, folgendes zu sagen: Zweifellos hat sich das, was sich auch die Regierungsparteien vorstellen und wünschen, nicht bis zum letzten Punkt erfüllt. Zweifellos ist unsere Ansicht jene, daß jeder und jede der über 200 000 Arbeitslosen immer ein Arbeitsloser oder eine Arbeitslose zuviel ist, und zwar in jedem einzelnen Fall. Ich hoffe, daß das die gemeinsame Auffassung aller Fraktionen ist.

Bei der Rede der Kollegin Mag. Kammerlander mußte man als Nichtinformierter fast den Eindruck gewinnen, wir wären in Österreich beschäftigungspolitisch gesehen ein Entwicklungsland. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, das Wichtige bei aller Bereitschaft, über alle Verbesserungen zu diskutieren, ist, daß man eine Situation seriös erörtert und seriöse Vorschläge macht. Auf diese kann man dann eingehen. Für Verbesserungen sind die Regierungsparteien immer offen. Aber Österreich in der Beschäftigungspolitik quasi als Entwicklungsland hinzustellen, entspricht weder den Tatsachen noch einer seriösen Verhandlung. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich werde versuchen, auf einige Punkte einzugehen. Wir haben in diesen Monaten, wenn wir einen Vergleich mit den vergangenen Jahren ziehen, einen Rekord an unselbständig Beschäftigten in Österreich. Wir haben 12 000 unselbständig Beschäftigte mehr als im Jahre 1996. Natürlich hätte ich lieber 200 000 mehr unselbständig Beschäftigte, natürlich gäbe es viele Maßnahmen, die wir gemeinsam finden müssen, um dies auch noch zu verbessern. Doch alleine die Tatsache, daß 12 000 Leute mehr beschäftigt sind als im vergangenen Jahr, ist doch etwas, was nicht weggewischt werden kann. Das kommt vor allem nicht von irgendwo, sondern geschieht durch extrem große Bemühungen von einzelnen Initiativen, von einzelnen Betrieben, durch Zusammenarbeit der Sozialpartner in vielen Bereichen. Das heißt also, darauf stolz zu sein, ist nicht etwas Schlechtes. Es ist gut, darauf hinzuweisen und zu sagen: Das ist eine gute Basis, die wir nützen müssen, um weitere Initiativen zu setzen! – Das ist meines Erachtens jene Grundlage, von der wir ausgehen sollten, wo wir weiterhin – auch im kommenden Jahr – zusätzliche Initiativen zu setzen haben.

Zweiter Punkt: Österreich ist kein Land, das irgendwo völlig alleine – weder in Europa noch in der gesamten Welt – existiert. Politik in Österreich machen heißt auch über Einflüsse, die von


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außen kommen, reflektieren. Das bedeutet aber auch, daß wir uns jeweils im Vergleich zu messen haben. Wenn wir uns im Vergleich mit allen anderen Staaten der Europäischen Union messen, muß auch ich sagen, daß wir in Österreich – bis auf Luxemburg, ein Land mit knapp 400 000 Einwohnern – beschäftigungsmäßig beste Möglichkeiten zu bieten haben; das heißt, wir haben die zweitniedrigste Arbeitslosenrate in der EU. Das schlechtzumachen, ist doch nicht Sinn einer seriösen Beurteilung dessen, was wir alle gemeinsam erreicht haben.

Ich betone immer und bin völlig d´accord, daß es wichtig ist, noch besser zu sein, etwas noch besser zu machen. Das ist jedoch eine Leistung, auf die man hinweisen muß und für die wir all diejenigen hervorzuheben haben und uns bei ihnen zu bedanken haben, die so vielen Österreicherinnen und Österreichern die Chance geben, Geld zu verdienen, einen Arbeitsplatz zu haben, ihre Familie zu versorgen. Ich meine, das ist in gutem Einvernehmen zwischen den Betrieben und den Arbeitnehmern geschehen. Das gilt es weiterzubearbeiten und weiterzuentwickeln. Das ist die Grundlage einer guten Entwicklung, die wir im österreichischen Arbeitsmarkt vornehmen können.

Knapp über 95 Prozent der arbeitswilligen Österreicher haben einen Arbeitsplatz. Über 95 Prozent! Wenn wir das beispielsweise mit unserem Nachbarland Deutschland, wo es über 11 Prozent Arbeitslose gibt, mit Schweden mit über 11 Prozent und mit anderen Ländern vergleichen, muß ich sagen, daß die Bemühungen, die in Österreich gesetzt worden sind, nicht ohne Erfolg geblieben sind. Wenn hier im Hohen Haus und am Rednerpult in den einzelnen Beiträgen gesagt wird: Gut, auch der Beschäftigungsgipfel von Luxemburg, aber was hat er denn gebracht?, muß ich diesen Rednern folgendes sagen: Vor einem Jahr war überhaupt keine Rede von einem Beschäftigungsgipfel und davon, daß wir in den Vertrag selbst ein eigenes Kapitel zur Beschäftigungspolitik einbringen. Ich meine, es gilt doch wirklich die Kirche im Dorf zu lassen und zu vergleichen, was vor einem Jahr war und was jetzt erreicht worden ist. Auf das, was wir erreicht haben, sind wir stolz. Daß wir noch nicht alles, was wir wollen, erreicht haben, ist etwas anderes. Aber es sind der Ansporn und die Herausforderung, die in der Politik notwendig sind und denen man sich zu stellen hat. Wir als Volkspartei zusammen mit dem Koalitionspartner sind jedenfalls bereit, diese Herausforderung anzunehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist immer wieder Beschwerde geführt worden, daß es beispielsweise verschiedene Schwierigkeiten bei Neugründungen gibt. Wir haben im Hohen Haus die neue Gewerbeordnung lange diskutiert und beschlossen. Es sind nun nicht mehr – so wie in vielen anderen Staaten – 200 Tage für eine Neugründung notwendig, sondern nur rund drei Monate. Das ist doch ein Fortschritt! Oder: Wir haben lange über das Gründungssparen diskutiert. Es ist verwirklicht worden.

Oder wenn wir die Entwicklung der neugeschaffenen Unternehmungen der letzten zehn Jahre betrachten, dann sehen wir, daß es im heurigen Jahr, also 1997, um über 50 000 Unternehmungen mehr gibt als im Jahre 1987. Das geschieht nicht durch irgend etwas, sondern durch viele Initiativen und Rahmenbedingungen, die von der Politik geschaffen werden, um solche Neugründungen zu ermöglichen. Das heißt, wir haben uns zweifellos in den letzten Jahren in der Beschäftigungspolitik den neuen Bedingungen angepaßt und neue Initiativen gesetzt. Das gilt nicht nur für die Lehrlingsinitiative dieses Jahres, sondern wir haben in vielen Bereichen Bedingungen geschaffen, die Beschäftigungspolitik dynamisch begreifen. Dynamik ist auch notwendig, weil es jedes Jahr andere Bedingungen gibt.

Wenn wir alle einladen, einen Beitrag zu Ideen und auch zur Realisierung dieser Ideen zu leisten, dann deswegen, weil wir mit dem nicht zufrieden sind, was wir erreicht haben. Wir haben das Bestreben, alle zu vereinen, damit der Punkt, der im nächsten Jahr zu verwirklichen ist, besser verwirklicht wird als heuer. Das heißt, einige von jenen, die jetzt noch das Schicksal der Arbeitslosigkeit zu beklagen haben, werden im nächsten Jahr einen Arbeitsplatz haben. Das ist unsere Aufgabe, das ist unsere Herausforderung, und dieser widmen wir uns! (Beifall bei der ÖVP.)

17.01


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte.

17.02

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte ist einiges an Kuriositäten zu hören gewesen, was mich dazu veranlaßt, darauf zu replizieren.

Frau Kollegin Tichy-Schreder! Sie sollten sich – auch wenn Sie jetzt nicht anwesend sind – wieder einiges in Erinnerung rufen. Erstens: In Österreich gibt es trotz der Bemühungen der österreichischen Bundesregierung im Vergleich zum OECD-Durchschnitt um 140 000 Selbständige zu wenig. Jeder, der sich selbständig macht, "verursacht" – im positiven Sinne – im ersten Jahr drei und im zweiten und dritten Jahr etwa sieben neue Arbeitsplätze.

Alleine die Bemühung der Bundesregierung, in diesem Bereich tätig zu werden und neue Selbständige zu schaffen – ein Punkt, der auch im Beschäftigungsgipfel von Luxemburg heftig moniert wurde –, wird in Österreich das Problem der mehr als 200 000 Arbeitslosen, die wir jetzt haben, und der vermuteten 300 000 Arbeitslosen im Jänner nächsten Jahres nicht beseitigen. Das ist ein leicht zu lösendes mathematisches Problem. (Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein. )

All das, was Kollege Höchtl zu den Erleichterungsmaßnahmen durch die neue Gewerbeordnung gesagt hat – Herr Kollege Feurstein, Sie wissen es selbst –, hat nicht gegriffen, greift nicht und ist in entsprechender Form in Österreich, was den Zuzug zur Selbständigkeit betrifft, zumindest derzeit nicht abzusehen. Im Gegenteil, Herr Kollege Feurstein: Gerade in dem Bereich, für den Sie ja auch zuständig sind, nämlich im Gesundheitswesen, kann man gerade jetzt einen Rückzug von der Selbständigkeit, zumindest bei den Ärzten, feststellen und einen deutlichen Trend zurück in die Krankenanstalten. Dort haben die Maßnahmen der Bundesregierung den gegenteiligen arbeitspolitischen Effekt gehabt.

Ich frage mich dann sehr wohl, was es eigentlich soll, wenn die Bundesregierung zur gleichen Zeit verkündet, daß sie gerade im Dienstleistungsbereich neue Initiativen setzen will. Da sollte man als Oppositionspolitiker fragen: Sind das Drohungen, die Situation zu verschärfen, oder kann man die Hoffnung daran knüpfen, daß aus den Fehlern der Vergangenheit endlich gelernt wird und nicht neue Arbeitsplätze wegrationalisiert, sondern endlich im wichtigen Dienstleistungsbereich neue Arbeitsplätze geschaffen werden?

Herr Kollege Feurstein, Sie lächeln. Sie werden sich noch an Bundesminister Busek erinnern können, der schon von einer "Technologiemilliarde" gesprochen hat. Dann gab es die nächste "Technologiemilliarde" unter Ditz, inzwischen haben wir unter Bundesminister Dr. Farnleitner die dritte "Technologiemilliarde". Wir unterschreiben auf internationaler Ebene laufend Papiere, die uns verpflichten, in diesem wichtigen Zukunftsbereich Initiativen zu setzen, Arbeitsplätze in Österreich zu schaffen und die Qualifizierung zu verbessern.

Was ist nun passiert, Herr Staatssekretär? – Die Milliarden sind nie angekommen. Für Klein- und Mittelbetriebe, die am Beschäftigungsgipfel von Luxemburg als besondere Zielgruppe für die neuen Technologien apostrophiert worden sind, hat sich in Österreich nichts geändert. Ganz im Gegenteil: Die neuen Posttarife haben noch eine zusätzliche Belastung und Verschlechterung der Situation gebracht.

Ehemalige Reformländer wie Ungarn oder Slowenien sind in der Grundausstattung im Technologie- und Informatikbereich schon teilweise weiter als wir. Sie sind schon flächendeckend mit den in der EU gebräuchlichen GSM-Handies und den dazugehörigen Netzen ausgestattet, während wir in Österreich noch immer in der Aufbauphase sind, weil Ihr Ministerium nicht einmal in der Lage war, entsprechende Genehmigungen zu erteilen.

Wir unterschreiben jedoch auf internationaler Ebene Dokumente und hören vom Herrn Gewerkschaftspräsidenten, daß wir damit einen Erfolg der österreichischen Politik auf internationaler Ebene verzeichnen konnten. Auch das, was uns immer im Sozialausschuß gesagt wird, nämlich


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daß sehr viele Länder auf Österreich schauen und unsere arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen als die besten der Welt loben, kann nicht stimmen. Denn warum hat man dann ausgerechnet in die Verträge von Luxemburg geschrieben, daß die aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen gefördert werden? – Österreich ist bei den aktiven Arbeitsmarktförderungsmaßnahmen mit 10 Prozent Schlußlicht der europäischen Länder.

Frau Kollegin Hagenhofer hat völlig recht, wenn sie meint, daß es ausgezeichnete Arbeitsstiftungen gibt. Wir Freiheitlichen haben bei jenen ausgezeichneten Arbeitsstiftungen mitgestimmt, bei denen es darum ging, zumindest 60 Prozent der dort Beschäftigten umzuschulen, damit sie eine neue Beschäftigung finden konnten. Wir haben nur in jenen Punkten nein gesagt, bei denen es das einzige Ziel der Arbeitsstiftung war, Frühpensionisten zu schaffen und Leute, die arbeitswillig waren, aus der Beschäftigung zu nehmen, sie nicht nachzuqualifizieren, sondern auf ein Abstellgleis zu stellen.

Sie erinnern sich selbstverständlich, Herr Kollege Verzetnitsch, daß wir seinerzeit im Sozialausschuß gemeint haben, daß man den einen oder anderen Punkt dieser Stiftungen in den sozialen Überleitungsgesetzen vergessen hat. Daraufhin hat uns Kollege Nürnberger ausgerichtet, um seine Stahlarbeiter in der Steiermark kümmere er sich selbst. Zwei Monate später trat er im Fernsehen auf, um zu sagen, daß er in diesem Bereich etwas vergessen und nun etwas repariert habe, was die Arbeiterkammer Steiermark und wir Freiheitlichen von Anfang an in die Diskussion eingebracht haben.

Man sieht es ja auch bei einigen Nachbesserungen im Sozialbereich im heurigen Jahr. Selbstverständlich kann Flexibilisierung nicht so funktionieren, daß nur die Betriebe den Rahm abschöpfen und für die Arbeitnehmer nichts übrigbleibt. Sie wissen genau, Herr Kollege Verzetnitsch, daß es dort, wo freiheitliche Betriebsräte bei Flexibilisierungmodellen federführend mitgearbeitet haben, noch nie darum gegangen ist, die Unternehmer stärker zu machen, sondern darum, die Unternehmungen abzusichern, indem zumindest ein Drittel in die Verbesserung der Unternehmensstruktur und zwei Drittel an die Arbeitnehmer gehen. Andere Arbeitsmodelle haben wir in jenen Bereichen, in denen wir als Betriebsräte mitgearbeitet haben, nicht unterstützt. Ich bin es eigentlich leid, daß die Freiheitlichen immer als jene dargestellt werden, die die Arbeitnehmer "auffressen", die nichts für Arbeitnehmer übrig haben und die Betriebe in diesem Land gefährden.

Im Gegenteil: Wir haben uns sehr vieles überlegt; wir haben sehr fortschrittlich gedacht, aber wir waren vielleicht der Zeit oftmals voraus. Da gebe ich Ihnen schon recht, denn ich kann mich auch noch erinnern, als Flexibilisierungsmodelle, die heute von der Gewerkschaft gefeiert werden, wie etwa das Flexibilisierungsmodell der Metaller vom letzten Oktober, noch vor zwei Jahren als Arbeitsmarktdemontage, als Niederlage für die Arbeitnehmer und als unsoziale Vorstellungen der freiheitlichen Arbeitnehmer bezeichnet wurden; nachzulesen auf den Schwarzen Brettern der Betriebsräte.

Ich meine daher, daß es sinnvoller wäre, aus dem Beschäftigungsgipfel von Luxemburg folgendes zu lernen: Das Auseinanderdividieren von Arbeitnehmerinteressen und Wirtschaftsinteressen hat noch nie jemandem etwas gebracht außer dem internationalen Spekulantentum. Ich meine daher, daß es höchste Zeit wäre, eine geschlossene Einheit zu bilden, um hier den Weg zu ebnen. Ich darf auch darauf hinweisen, daß wir eine Verbreiterung wollen, nämlich dahin gehend, daß das Pensionsmodell der Freiheitlichen nicht nur auf den Faktor Arbeit abstellt, sondern es sind auch jene Leute, die ohne Arbeit rein durch Spekulation Gewinne erzielen, mit in die Ziehung zu nehmen. Dadurch würde das Modell des Shareholder-value-Gewinnes etwas verbreitert, unattraktiver gemacht, verbessert und etwas arbeitnehmerfreundlicher gestaltet. Sie wissen, Herr Kollege Verzetnitsch, daß unsere freiheitlichen Vorstellungen nicht nur Tagespolitik sind, sondern auch in Form von Anträgen in den Ausschüssen liegen, aber dort werden sie ewig auf die Seite geschoben.

Nun auch etwas zur Bildungspolitik in Österreich. Wir Freiheitlichen sind nicht müde geworden, hier im Hohen Hause ein Berufsfortbildungsjahr zu verlangen, weil wir das für zweckmäßiger halten als den verunglückten Polytechnischen Lehrgang. Sie wissen ganz genau, daß sehr viele


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internationale Bemühungen nach Sprachforschungen, nach Grundausstattungen der Lehrlinge, der Arbeitnehmer dort hineinkommen könnten und das die unsinnigen Forderungen der Wirtschaft, die Schulzeiten teilweise rückerstattet zu bekommen, ad absurdum führen würde, weil die Lehrlinge dann tatsächlich nur eine Berufsausbildung bekommen würden und nicht mehr die Grundschule nachholen müßten. All diese Modelle sind abgelehnt worden.

Ich glaube, daß der Gipfel von Luxemburg nicht mehr war als der Gipfel von Florenz und der Gipfel von Essen. Eine ernsthafte Bemühung für die Zukunft ist nicht abzusehen. Die österreichische Bundesregierung wird sich im Herbst 1998 in Wien gehörig anstrengen müssen, daß nicht Hunderttausende Demonstranten am Ballhausplatz sein werden, sondern für die Arbeitnehmer in Europa endlich ein Signal kommt, daß die Arbeitslosigkeit in Europa wieder sinkt. Derzeit gehen die Signale in eine andere Richtung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsordnung!)

17.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Kollegin Petrovic hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.11

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben nach reiflicher Überlegung diese Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler gestellt, weil wir glauben, daß die Situation der Arbeitslosigkeit eine koordinierte Vorgangsweise der gesamten Regierung verlangt. Wiewohl ich die Vertretungsrechte in der Bundesregierung kenne, scheint es mir doch bei dieser Thematik und auch angesichts der Bedeutung, die die Regierungsparteien dem Thema beimessen, wirklich nicht angebracht, daß jemand, nämlich der Herr Staatssekretär, der den Beginn der Debatte ja nicht mitverfolgen konnte, jetzt hier einsteigt, wo es doch auch massive Vorwürfe gab, wo es Anregungen gab, auf die er eigentlich nicht antworten kann.

Ich hatte gehofft, daß der Herr Bundeskanzler nur kurzfristig abwesend ist. Da dies offenbar nicht der Fall ist, stelle ich den Antrag , daß der Nationalrat verlangen möge, daß der Herr Bundeskanzler der Behandlung dieser Dringlichen Anfrage weiterhin beiwohnt.

17.12

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Danke, Frau Kollegin Petrovic.

Über diesen Antrag ist als Geschäftsordnungsantrag unverzüglich abzustimmen. Sollte der Antrag eine Mehrheit finden, ist der Herr Bundeskanzler zu bitten, daß er wieder hier im Plenum erscheint.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen daher über diesen Antrag ab. Ich bitte, zu diesem Zwecke die Plätze einnehmen zu wollen.

Wir treten jetzt in das Abstimmungsverfahren ein. (Ruf bei den Freiheitlichen: Da kommen dauernd welche herein!) Ich bitte, keine weiteren ...

Ich bitte jetzt jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen wollen, ein Zeichen der Zustimmung zu geben. (Abg. Dr. Petrovic: Bitte auszählen!)

Es ist Auszählung verlangt worden. Ich bitte, zum Zwecke der Auszählung sozusagen deutlich stehen zu bleiben. Wenn Sie jetzt bitte mitzählen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das gilt auch für Sie da hinten! Koppler, Oberhaidinger, draußen bleiben! – Abg. Dr. Kostelka kommt in den Sitzungssaal und begibt sich zu seinem Platz.) Bitte, wir sind im Abstimmungsverfahren, Herr Kollege! – Es wurden 37 Pro-Stimmen und 38 Gegenstimmen gezählt. Der Antrag ist damit abgelehnt. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.)

Ich stelle ausdrücklich fest, daß nur jene gezählt worden sind, die vom Beginn des Abstimmungsverfahrens an ihre Sitzplätze eingenommen haben. Ich habe beispielsweise den Herrn


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Klubobmann Kostelka nicht mitgezählt. Ich enunziere: 38 Gegenstimmen, 37 Pro-Stimmen. Der Antrag ist damit abgelehnt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Zur Geschäftsordnung!)  – Bitte.

17.14

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Die Abgeordneten Oberhaidinger und Koppler sind während des Abstimmungsvorganges in den Saal hereingekommen. Die sind mitgerechnet worden bei der Abstimmung.

17.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich habe enunziert: Nach unserer Auszählung sind nur jene mitgezählt worden, die zu Beginn des Abstimmungsverfahrens hier ihre Plätze eingenommen haben. Im übrigen wäre es auch so, daß bei einem Hereinkommen während des Abstimmungsvorganges diese Stimmen mitzuzählen wären, da es von der Geschäftsordnung her nicht möglich ist, im Saal anwesende Abgeordnete ihres Abstimmungsrechtes zu berauben. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsordnung!)

Herr Klubobmann Kostelka zur Geschäftsordnung. – Bitte.

17.15

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte darauf hinweisen, daß die Kritik an Abstimmungsergebnissen, die hier vom Präsidenten enunziert werden, noch dazu in diesem Zusammenhang, für mich äußerst ungewöhnlich ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Ziehen Sie doch Ihren Schafspelz aus! Nehmen Sie die Hörner herunter! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

17.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Meine Damen und Herren! Wir setzen in der Rednerliste fort.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da schleichen sie sich herein! – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

17.16

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auch ich finde es bedauerlich, daß der Herr Bundeskanzler eigentlich nur zwei Stunden Zeit gefunden hat, sich dem Thema Arbeitslosigkeit beziehungsweise Beschäftigung zu widmen. Auch ich halte es für notwendig, daß er mit seiner physischen Präsenz seinem Interesse mehr Ausdruck verleiht, wie das Hohe Haus mit diesem Problem umgeht. Offensichtlich ist es ihm aber relativ egal. Es ist ihm wichtiger, sich mit Vertretern anderer Regierungen filmen zu lassen, als mit seinem eigenen Parlament zu debattieren.

Zur Antwort des Herrn Bundeskanzlers zu Punkt 2.8: Ich würde Sie bitten, Herr Staatssekretär, da der Herr Bundeskanzler offensichtlich wichtigeren Geschäften nachzugehen hat, ihm mitzuteilen, daß ich mit seiner Antwort zu diesem Punkt nicht zufrieden gewesen bin. Die Frage war: "Wie werden Sie sicherstellen, daß durch neue ,EU-konforme‘ Maßnahmen Rand- und Problemgruppen nicht zugunsten leichter integrierbaren Gruppierungen benachteiligt werden?" Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: Ja. Dann hat er gesagt, was ihm dazu einfällt: Es gibt Leitlinien der EU für Langzeitarbeitslose. Mehr ist ihm dazu nicht eingefallen.

Ich halte es eigentlich für eine Zumutung, eine Frage, die nicht schnöde ist, sondern die wirklich einer eingehenden Betrachtung bedarf, so zu beantworten.

Wenn die Frau Tichy-Schreder sagt, daß man in drei Stunden eigentlich keine Anfrage in der Tiefe beantworten kann, dann muß ich mich wundern, denn der Herr Bundeskanzler beschäftigt sich ja mit dem Thema Beschäftigungspolitik in der EU seit mehr als drei Stunden. Er hat zumindest an einem Gipfel teilgenommen, wo er sich offensichtlich eingehend mit dieser Materie beschäftigt hat. Deshalb verstehe ich überhaupt nicht, warum er das kritisieren kann, zumal man der Opposition wesentlich mehr zumutet. Das wissen Sie genau.


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Wir redeten gestern zwei Stunden über das Thema Erweiterung der EU. Ich halte diese Begrenzung auf nur zwei Stunden für absolut unnotwendig. Ich halte das Thema für fundamental wichtig, und die Bundesregierung beziehungsweise der Bundeskanzler gibt sich nur zwei Stunden her, das zu debattieren. Das ist doch der wahre Skandal! Wir hätten gerne längere Debatten geführt. Das wird uns aber unmöglich gemacht, weil die Herrschaften der großen Koalition nicht in der Lage sind, dafür mehr Zeit aufzuwenden. Bitte schreiben Sie sich das selbst hinter die Ohren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang und weil dem Herrn Bundeskanzler offensichtlich nicht genügend dazu einfällt, einen Entschließungsantrag der liberalen Fraktion verlesen, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Kier, Dr. Gredler und PartnerInnen betreffend EU-Beschäftigungspolitik

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich in Hinblick auf den im Juli 1998 beginnenden österreichischen EU-Ratsvorsitz dafür einzusetzen, daß

die Umsetzung der im Weißbuch für ‘Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung’ von 1993 sowie der bei den folgenden Europäischen Räten und in Berichten der Kommission aufgezählten Maßnahmen zur Förderung von Beschäftigung durch die Mitgliedstaaten auf die derzeitige Lage adaptiert und beschleunigt wird,

in einer Abstimmung von Steuer- und Sozialsystemen eine Reformnotwendigkeit erkannt wird, der durch neue Maßnahmen wie Grundsicherung und negative Einkommensteuer entsprochen werden kann,

eine Senkung der Gesamtsteuerlast für Privatpersonen und Unternehmen forciert wird,

eine europaweite Energiesteuer bei entsprechender Senkung der Arbeitskosten eingeführt wird,

konkrete Maßnahmen zur Harmonisierung jener Eckpunkte der Steuersysteme in der EU bis zum Jahr 2007 gesetzt werden, die zur Umsetzung einer ökologischen Steuerreform erforderlich sind,

arbeitsplatzschaffende klein- und mittelständische Unternehmen durch Senkung und Vereinfachung der administrativen Belastung sowie durch den Auf- und Ausbau von Risikokapitalmärkten gefördert werden,

mittelfristig die EU-Haushaltsausgaben für Forschung, Bildung, Transeuropäische Netze sowie Informationstechnologien zumindest verdreifacht werden,

die Ausgaben für Struktur- und Kohäsionsfonds einer Evaluierung unterzogen, konzentriert – unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips – eingesetzt und um ein entsprechendes Ausmaß erhöht werden, das auch den künftigen Anforderungen der Osterweiterung entspricht; dafür müssen im Zuge einer umfassenden Agrarreform die produktionsabhängigen Ausgaben für Agrarpolitik entsprechend gesenkt werden."

*****

Soweit unser Entschließungsantrag.

Und weiter: Die Arbeitslosigkeit in Österreich und in der EU wird immer weiblicher. Die Bundesregierung hat aus Anlaß dieses Beschäftigungsgipfels ein Positionspapier erarbeitet. Auf den immerhin 13 Seiten sind genau 13 Zeilen den Frauen gewidmet worden. Ich halte das


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eigentlich für ein Alarmsignal in puncto Frauenbeschäftigung und Initiativen der Regierung. Ich werde darauf aber noch zurückkommen.

Bezüglich der "Technologiemilliarde" hatte Herr Bundesminister Einem zugegeben, daß er 463 Millionen Schilling verteilen kann, und im November waren noch immer 200 Millionen Schilling auf der "hohen Kante". Die hat er noch nicht verteilt gehabt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lukesch. ) Herr Lukesch! Sie haben selbst die Antwort des Herrn Bundesministers gelesen beziehungsweise auch mitgehört. Ich erwarte mir, daß dieses Geld zumindest bis Ende Dezember ausgegeben wird. Auf 200 Millionen Schilling warten immerhin Forscherinnen und Forscher, die unter Umständen jetzt keinen Job haben, insbesondere junge.

Dann geht es weiter – und jetzt erwarte ich mir eigentlich einen Applaus von der SPÖ –: Es geht darum, daß man beim Arbeitsmarktservice in Oberösterreich 300 Millionen Schilling organisieren muß, um die Initiative der Bundesregierung zu unterstützen, welche Mittel für die Jugendbeschäftigung braucht.

Jetzt hat die ÖGB-Frauenvorsitzende Irmgard Schmidleithner, die dem Liberalen Forum wirklich nicht nahesteht, gesagt, da es keine zusätzlichen Gelder gebe, gehe diese Aktion zu Lasten anderer benachteiligter Gruppen wie der Frauen und Langzeitarbeitslosen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Und Behinderten!) Das hat sie in einer APA-Aussendung vom 1. Dezember kritisiert; nachzulesen unter Nr. 276.

Die eigenen Frauen warnen die Bundesregierung davor, daß sie Aktionen plant mit den Geldern, die eigentlich für Maßnahmen dienen, um Langzeitarbeitslose und Frauen wieder einer Beschäftigung zuzuführen. Und was geschieht? Es wird hier nicht einmal applaudiert, wenn man die eigenen Leute zitiert! Ich frage mich wirklich, was ich dann noch als Quellen heranziehen muß! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Danke.

Oberösterreich: Ich habe einen Brief erhalten, der am 29. November von einem Verein zur Förderung der Qualifikation von Frauen und Berufsausbildung geschrieben wurde. Da heißt es: Am Donnerstag, 27. November 1997, um 10.45 Uhr wurde von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice informiert, daß drei Frauenprojekte ab Mitte 1998 gestrichen werden. – Eine Tischlerinnen-Ausbildung wird gestrichen; zwölf Frauen bekommen daher keine Arbeit. Dadurch, daß das gestrichen wird, wird auch die Lehrwerkstätte für zwölf Jugendliche in den Grundressourcen gefährdet, und daher kann sie nicht erhalten werden. Projekt Via Vista, Glaserinnen-Ausbildung und Arbeitstraining: weitere zwölf Ausbildungsplätze werden gestrichen.

Sie sprechen in diesem Brief davon, daß 41 Arbeits- und Ausbildungsplätze gestrichen werden und der Verlust von zehn Jahren Aufbauarbeit, Ressourcen und Know-how in Kauf genommen wird.

Das halte ich eigentlich für ein Alarmzeichen. Es gibt jetzt nicht mehr oberösterreichische Wahlen, und offensichtlich schlägt man nach den Wahlen zu, und zwar ganz heftig. (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Weiters: Ausbildungsinstitut "Aqua". "Aqua" hat Geld bekommen unter der Bedingung, daß es mindestens 50 Prozent der Frauen innerhalb von sechs Monaten vermittelt. "Aqua" hat es geschafft, 75 Prozent der Frauen innerhalb von drei Monaten zu vermitteln. Und was passiert? – Das Geld ist gestrichen.

"Kassandra" in Mödling: detto. "Mira": detto. Also alle Initiativen, die gesetzt werden, um Frauen in eine Beschäftigung zu bringen oder damit sie sich qualifizieren können, werden offensichtlich von der Bundesregierung gestrichen. Kritisiert wird das von Frau Schmidleithner, toleriert wird das von den Frauen der Regierungsparteien hier im Haus. Ein Skandal!

Abschließend, da meine Redezeit zu Ende geht: Ich habe hier die Analyse der Frau Bundesministerin zur Arbeitsmarktlage in Österreich Ende November. Da wird davon gesprochen, daß es bei den über 50jährigen eine Steigerung der Arbeitslosigkeit innerhalb eines Monats von 17,4 Prozent gibt. Das ist wirklich bedrohlich, und zwar deswegen, weil ich genau weiß, daß


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diese Frauen sehr schwer vermittelbar sind. Und was wird hier gemacht? – Es wird einfach toleriert. Es fällt dem Bundeskanzler zu diesem Thema offensichtlich wirklich nichts mehr ein. (Beifall beim Liberalen Forum sowie der Abg. Dr. Petrovic. )

17.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Bures vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.26

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich schwerpunktmäßig damit beschäftigen, wie unterschiedlich die Einschätzungen über den Beschäftigungsgipfel in Luxemburg sind, die auch sehr viel mit den Erwartungshaltungen zu tun haben.

Ich glaube vor allem, daß wir als Österreicher – und vor allem als Parlamentarier – sehr stolz darauf sein können – und das sollten wir auch sagen –, daß es ein österreichischer Erfolg ist, daß das Thema Beschäftigungspolitik nun einen wesentlichen Stellenwert innerhalb der Europäischen Union einnimmt und nun europaweit dieses Thema der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit nachweislich diskutiert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir können auch stolz darauf sein, daß Bundeskanzler Klima federführend beim Einbringen von sozialpolitischen und beschäftigungspolitischen Themen war, Bundeskanzler Klima, der nachhaltig und beharrlich diese Themen eingebracht und auch weiterverfolgt hat. (Abg. Gaugg: Gnädige Frau! Arbeitsplätze schaffen, nicht nur reden!)

Die Beschlüsse von Luxemburg sind – und da teile ich die Auffassung, daß es noch weitergehende Forderungen gegeben hätte – nichtsdestotrotz ein Etappenziel, denn Sie sollten nicht vergessen, daß bis vor kurzem innerhalb der EU-Wirtschaftspolitik ausschließlich die Durchsetzung finanzpolitischer, monetaristischer Ziele im Vordergrund gestanden ist. Es ist also sehr wohl ein zwar erster, aber positiver Schritt in die richtige Richtung getan worden.

Es zeigt sich nunmehr, was mir sehr wesentlich erscheint, ein Abgehen von der auch innerhalb der EU noch bis vor kurzem vorherrschenden Ideologie, daß Arbeitslosigkeit eine Individualschuld ist. Von dieser Meinung beginnt sich Europa mit dem Beschäftigungsgipfel und dem Ergebnis von Luxemburg nun zu verabschieden.

In einem Gastkommentar hat Erich Fröschl das sehr treffend formuliert. Er meint – und ich möchte das zitieren –, daß sich Europa von der Ideologie zu verabschieden beginnt, wonach Arbeitslosigkeit ein unvermeidbares und naturnotwendiges Nebenprodukt von Marktwirtschaft ist, an der die Arbeitnehmer zudem primär selbst schuld sind, weil sie entweder zuwenig qualifiziert sind oder weil sie zu alt sind, weil sie zuwenig leistungsbereit sind und überdies zu anspruchsvoll sind.

Ich glaube, daß es – mit Ausnahme der F-Fraktion – doch gelungen ist, sich nicht nur in Österreich, sondern europaweit aufgrund dieses Beschäftigungsgipfels von der bisherigen Einstellung, Arbeitslosigkeit sei eine Individualschuld, zu verabschieden, daß man erkannt hat, daß das Verhindern von Arbeitslosigkeit ein zentrales politisches Thema sein muß. (Beifall bei der SPÖ.)

Nichtsdestotrotz wäre es meiner Meinung nach – das ist auch die Position des Bundeskanzlers Klima, der das heute hier formuliert hat, und der österreichischen Gewerkschaften – noch sinnvoller gewesen, verbindlichere Ziele zu formulieren und diese auch mit Sanktionspflichten auszustatten. Einschränkend muß dazu jedoch zur Kenntnis genommen werden, daß es für diese Vorgangsweise leider bis zur Stunde innerhalb der EU noch keinen Konsens gegeben hat.

Ich teile die Einschätzung, daß gerade Österreich, welches, wie schon gesagt, bei der Thematisierung der Beschäftigungsfrage federführend war, bei der Erstellung des eigenen, nationalen


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Aktionsplanes ganz besonders gefordert ist, dies auch deshalb, weil Österreich in der Beschäftigungspolitik – dies ist ein weiterer Erfolg – zu den erfolgreichsten Ländern innerhalb der EU gehört. Wir sind auch deshalb besonders gefordert, weil Österreich während der ersten geplanten Überprüfung der nationalen Aktionsprogramme den Vorsitz in der Europäischen Union haben wird. Wir stehen daher ohne Zweifel ganz besonders im Rampenlicht.

Wir sind schon immer dafür eingetreten, Arbeitslosigkeit zu verhindern, Beschäftigung und Arbeitsplätze zu schaffen, auch weil uns die Verhinderung von Jugendarbeitslosigkeit und die Frage der Steigerung der Frauenerwerbsquote am Herzen liegen. Ich meine, daß es nicht sinnvoll ist, diese Gruppen gegeneinander auszuspielen, sondern daß es wichtig ist, daß eine Reihe von Förderungsprogrammen im Bereich der Wiedereinstiegshilfen für Frauen und vieles anderen mehr geschaffen wurde. Gerade deshalb sind wir gefordert, einen sehr wirksamen und konkreten nationalen Aktionsplan zu erarbeiten.

Bundeskanzler Klima hat gesagt, daß dieser Aktionsplan kein Regierungsdekret sein soll, sondern unter Einbeziehung der Sozialpartner und unter Einbeziehung von Experten und Parlamentariern zu erarbeiten sein wird. Das hat auch gute österreichische Tradition, die in der Vergangenheit sehr erfolgreich war. Österreich hat erkannt, daß Beschäftigungspolitik ein nationales Anliegen ist.

Zusammenfassend möchte ich festhalten, daß der Beschäftigungsgipfel in Luxemburg aufgrund des österreichischen Engagements ein wichtiger erster Schritt zur Bewußtseinsbildung in einer existentiellen Schlüsselfrage für die Mehrheit der Menschen, in der Frage der Absicherung des Arbeitsplatzes, war. Es wurde mit diesem Gipfel das Problem der Arbeitslosigkeit in Europa weder gelöst noch beseitigt. Ebensowenig, wie die Zahl der 18 Millionen Arbeitslosen innerhalb der EU von einem Tag auf den anderen entstanden ist, ebensowenig wird sie durch einen Gipfel von einem Tag auf den anderen beseitigt werden und verschwinden. Es liegt an uns, aus den in Luxemburg gefaßten Beschlüssen das Beste für die österreichische Beschäftigungsfrage und -lage zu machen, und das werden wir auch tun! (Beifall bei der SPÖ.)

17.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schrefel. Restredezeit für Ihren Klub: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.33

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Das neugeschaffene Beschäftigungskapitel des Amsterdamer Vertrages, das schließlich auf dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg Ende November die Mitgliedstaaten verpflichtete, mehrjährige Beschäftigungsprogramme vorzulegen, ist sicher ein richtiger Schritt, denn ohne wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird es kein sozial stabiles Europa geben.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen zählt vorwiegend zu den nationalen Aufgaben, aber die EU-Politik muß natürlich die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen. Insgesamt lautet die für die Entwicklung der ländlichen Räume – und mit diesen möchte ich mich kurz befassen – wichtigste Frage der EU: Wie löst man das Problem der fehlenden Arbeitsplätze?

Meine Damen und Herren! Wenn der ländliche Raum funktions- und lebensfähig erhalten werden soll, dann muß es dort genügend Beschäftigung geben. Als vom EU-Beschäftigungsgipfel in Luxemburg noch lange keine Rede war, gab es in Österreich bereits ein Arbeitsforum – es gibt dieses auch heute noch –, welches sich schon seit vielen Jahren mit der Beschäftigungspolitik im ländlichen Raum und mit der Frage auseinandersetzt, wo neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das sogenannte Ökosoziale Forum Österreichs – unter dem Obmann und ehemaligen Vizekanzler Riegler –, dem hochkarätige Fachleute aus den verschiedensten politischen Lagern angehören, brachte die Sorge um die Arbeitsplätze beim jüngsten Symposium in Brunn am Gebirge auf den Punkt. Die dramatische Aussage lautete, daß seit 1996 allein in der EU 230 000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verlorengegangen sind.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Landwirtschaft ist mehr als ein Produktionszweig. Es muß das Bewußtsein dafür geschärft werden, daß heute nur mehr 5 Prozent der Bevölkerung den Kultur- und Lebensraum der restlichen 95 Prozent pflegen. Unter Hinweis darauf, daß sich die EU zwar um Beschäftigung bemüht, gleichzeitig aber jährlich 230 000 bäuerliche Arbeitsplätze in ihrem Bereich aufgegeben werden, fordern wir Chancengleichheit für den ländlichen Raum, und zwar über den bäuerlichen Bereich hinaus.

Wir erheben daher an Brüssel die Forderung, daß im Zuge der Neuordnung der Strukturfonds ein beträchtlicher Teil der Finanzmittel für die neuen Ziel-2-Gebiete – die sich aus der Zusammenlegung der bisherigen Ziel-2- und 5-b-Gebiete ergeben – für ländliche Regionen reserviert werden muß. Damit sollen die ländlichen Gebiete gegenüber den Ballungsräumen nicht mehr weiter benachteiligt werden.

Neben der Einkommenssicherung, der Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe und des Arbeitsplatzes Bauernhof müssen neue Beschäftigungsmöglichkeiten und zusätzliche Quellen der Wertschöpfung im ländlichen Raum erschlossen werden, um die Landflucht zu stoppen. Im besonderen gilt es, auch die Potentiale im Bereich der Biomassenutzung voll auszunützen, was für Österreich rund 50 000 Dauerarbeitsplätze bringen würde, sowie die Veredelung von Rohprodukten und das Anbieten von Dienstleistungen im Freizeitbereich oder auf dem kommunalen Sektor zu forcieren.

Es war sehr positiv, zu hören, daß vor wenigen Wochen der Herr Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemeinsam mit dem Umweltminister einen Ökoenergiefonds eingerichtet hat, der mit 300 Millionen Schilling dotiert ist. Damit ist auch weiterhin gewährleistet, daß der erfolgreiche Weg, nämlich die weitere Substituierung von fossiler Energie und die Förderung von alternativen Energien, fortgesetzt wird und somit Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort in hohem Maße gesichert werden.

Auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung werden neue Akzente gesetzt. In einer Ausbildungsoffensive für den ländlichen Raum wird im Jänner 1998 in Niederösterreich das "Projekt Leben" gestartet, in dessen Rahmen gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice und der Öko-Plus-Regionalberatung als erstes ein strukturfondsübergreifendes Förderungsprogramm für die Landwirte in 5-b-Gebieten angeboten wird.

Meine geschätzten Damen und Herren! Diese wenigen Beispiele zeigen, daß wir uns nicht erst seit dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg mit der Arbeitsplatzpolitik in Österreich beschäftigen, was uns in den Beschäftigungsstatistiken der EU ja auch den Spitzenplatz eingetragen hat.

Ein Defizit in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sehe ich eher in der EU, die die Rahmenbedingungen für den ländlichen Sektor deutlich stärken muß. Durch unsere Mitgliedschaft haben wir aber die Möglichkeit, in entsprechenden Verhandlungen diesem Ziel näher zu kommen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dolinschek. Restredezeit für Ihren Klub: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.39

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dem vom ehemaligen Kommissionspräsidenten Delors 1993 vorgelegten, aber nicht umgesetzten Weißbuch über Beschäftigung war der Beschäftigungsgipfel des Europäischen Rates, der am 20. und 21. November dieses Jahres in Luxemburg stattgefunden hat, ein neuerlicher Versuch – ich betone: Versuch; mehr war es nicht –, Maßnahmen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu setzen. Das Ergebnis, das bei diesem Gipfel herausgekommen ist, ist eher dürftig und bringt den Arbeitslosen vorerst einmal gar nichts. Durch die festgeschriebenen Wünsche und Forderungen wird weder ein einziger Arbeitsplatz geschaffen, noch wird es dadurch in Europa einen einzigen Arbeitslosen weniger geben.


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Vielmehr wird den Teilnehmern an diesem Gipfeltreffen bewußt geworden sein, wie groß die Unterschiede in der Wirtschaftspolitik der einzelnen EU-Mitgliedsländer sind. Immerhin haben die Staats- und Regierungschefs demonstriert, daß das Beschäftigungskapitel, welches zum Abschluß der Regierungskonferenz in Amsterdam im Juni dieses Jahres in einem eigenen Kapitel in die Gemeinschaftsverträge Eingang gefunden hat, einigermaßen ernst genommen wird.

Herr Kollege Schrefel hat gesagt, wenn es keine Beschäftigung gibt, dann gibt es kein stabiles Europa. In diesem Punkt kann ich ihm voll beipflichten.

Frau Kollegin Bures hat gemeint, es sei ein Etappenziel. Das mag schon sein, aber wir können uns damit nicht zufriedengeben, denn der Vertrag von Amsterdam beinhaltet kein wirksames Instrumentarium, das die Mitgliedstaaten im Interesse der Beschäftigung zur Durchführung bestimmter Maßnahmen oder zum Einhalten gewisser Grenzen verpflichten würde. Vorgesehen sind lediglich jährlich festgelegte Leitlinien, Berichte des Rates und der Mitgliedstaaten, eine jährliche Prüfung durch den Rat und die Möglichkeit, Empfehlungen an die Mitgliedstaaten zu richten, die aktive Arbeitsmarktpolitik zu forcieren oder die Jugendarbeitslosigkeit einzudämmen. (Beifall des Abg. Dr. Pumberger.  – Abg. Dr. Stummvoll: Schwacher Applaus!)

Es ist jedoch unbedingt erforderlich, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit angesichts der Zahl von 18 Millionen Arbeitslosen im gesamten EU-Raum zumindest denselben Stellenwert erhält wie die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zur Erreichung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Freiheitlichen fordern daher einen europäischen Pakt für Beschäftigung, der die Mitgliedstaaten ihrer primären nationalen Verantwortung in der Beschäftigungspolitik nicht entzieht, sondern sie vielmehr zu wirklicher Anstrengung in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verpflichtet. Um Druck auf nachlässige Regierungen ausüben zu können, wäre meiner Meinung nach ein Sanktionsmechanismus sinnvoll. Damit könnte verhindert werden, daß den Konvergenzkriterien, die die unabdingbare Voraussetzung für eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion sind, Vorrang gegenüber dem Ziel einer deutlichen Senkung der Arbeitslosenzahl gegeben wird. Außerdem sollte meiner Meinung nach dadurch auch sichergestellt werden, daß eine gemeinsame Währungsunion sinnvollerweise erst dann umgesetzt wird, wenn auch im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit Erfolge erzielt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Beschäftigung müßte uns mehr wert sein als eine gemeinsame Währung – oder zumindest ebensoviel wie diese! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.43

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Moser. Restredezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.43

Abgeordnete Mag. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! International bekannt ist, daß Österreich im internationalen Vergleich an einer der letzten Stellen liegt, was aktive Arbeitsmarktpolitik anlangt. Vor diesem Hintergrund ist die nationale und internationale Hoffnung auf eine aktivere Rolle Österreichs angesichts des Luxemburger Beschäftigungsgipfels sicherlich zu begrüßen. Heute wurde uns von seiten der Regierung wieder nur Schönfärberei präsentiert. Daher ist es seitens der Opposition notwendig, einige harte Fakten und Daten auf den Tisch zu legen, die Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, endlich auf den Boden der Realität bringen und Sie endlich dazu bewegen, verstärkt massive aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben.

Erstes Faktum – ich beziehe mich dabei auf eine ganz konkrete Situation in Oberösterreich, in der Landeshauptstadt Linz –: 1990 mußten noch durchschnittlich vier Personen um einen Arbeitsplatz kämpfen, 1996 waren es schon 14. – Das ist bitte, wenn ich das so sagen darf, mehr als eine Verdreifachung des Kampfes um einen Arbeitsplatz. (Die Rednerin hält eine Graphik in die Höhe.) Ich kann Ihnen das auch graphisch dargestellt zeigen.


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Zweites Faktum: Sie wissen sicherlich, daß mindestens jeder zweite Arbeitslose armutsgefährdet ist. (Die Rednerin zeigt abermals eine Graphik.) Das alles kann man auch graphisch sehr eindrucksvoll darstellen. Allein in Linz sind rund 15 000 Menschen arbeitslos, das heißt, etwa 7 000 Menschen sind dort konkret armutsgefährdet.

Drittes Faktum: Der Anteil der NotstandshilfeempfängerInnen an den Linzer Arbeitslosen wächst laut Statistik ständig und wächst gewaltig. Im Jahr 1995 war es noch ein Viertel der Arbeitslosen, voriges Jahr, 1996, war es bereits ein Drittel. Ein Drittel der Arbeitslosen ist bereits auf Notstandshilfe angewiesen.

Viertes Faktum: Bereits ein Viertel der Linzer Arbeitslosen erhält weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe. (Die Rednerin zeigt neuerlich eine Graphik vor.) Schaut man sich das graphisch veranschaulicht an, dann sieht man, wie von 1995 auf 1996 der Balken hochgeschnellt ist: 1995 waren es noch 15 Prozent, 1996 waren es schon 26 Prozent der Arbeitslosen, die weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe erhalten haben. Das ist eine massive Verelendung, eine massive Zunahme der Zahl der Armutsgefährdeten!

Wenn wir die Sache differenziert betrachten, dann sehen wir, daß vor allem der Anteil der Jugendlichen, der AusländerInnen und schwer Vermittelbaren ständig steigt. Derzeit sind das schon 23,3 Prozent der Arbeitslosen. Die Situation bei den Lehrlingen ist ja allgemein als katastrophal bekannt. Aus der Landeshauptstadt Linz kann ich Ihnen berichten: 11,5 Prozent der Bewerber haben 1996 keine Lehrstelle erhalten, 11,5 Prozent sind praktisch ohne Ausbildung. Das sind junge Menschen, die unbedingt Arbeit brauchen.

Die Konsequenz dieser Entwicklung ist auch deutlich erkennbar (die Rednerin hält abermals eine Graphik in die Höhe): An die 5 000 Haushalte in Oberösterreich sind nicht mehr zahlungsfähig! Ich betone: In Oberösterreich, mitten im Zentrum von Österreich, gibt es eine erhebliche Zahl von nicht zahlungsfähigen Haushalten, Haushalten, die zahlungsunfähig sind.

Besonders hervorzuheben ist natürlich noch die Situation der Frauen: Jede sechste Frau verdient weniger als 8 500 S netto, befindet sich damit schon nahe der Armutsgrenze und sicherlich in dem Bereich, der zusätzlich gefördert werden müßte.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Was halten Sie nun diesen Fakten und Tatsachen in Ihren Redebeiträgen angesichts und im Zusammenhang mit unserer Dringlichen Anfrage entgegen? – Sie haben gesagt, es werde eine Ausweitung erfolgen, und zwar eine Ausweitung der Unterstützung. Es ist aber nicht klar, wie und in welchem Ausmaß diese Ausweitung erfolgen soll.

Konkret sind hingegen die Einengungen, die schon anhand des Projektes der Sozialvereine Oberösterreichs dargelegt wurden. Der Kahlschlag unter den Sozialprojekten ist evident. Wir haben schon gehört: 11 Ausbildungsprojekte wurden gestrichen, 17 Ausbildungsprojekte müssen massive Kürzungen hinnehmen, und EU-Förderungen können nicht in Anspruch genommen werden, weil der österreichische Anteil fehlt.

Sie haben gesagt, die Budgets würden nicht verlagert. Aber was passiert? – Die Vereine werden gegeneinander ausgespielt. Eine diesbezügliche Liste kann ich Ihnen persönlich überreichen.

Sie haben gesagt, es werde Maßnahmen zu Arbeitszeitverkürzungen im Zuge der Verhandlungen mit den Sozialpartnern geben. – Das ist bitte geradezu eine Garantie für die "lange Bank" und dafür, daß nichts in dieser Richtung vorangetrieben wird.

Sie haben auch gesagt, daß ...


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Frau Abgeordnete, bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Mag. Gabriela Moser (fortsetzend): Sie haben die Einsetzung von Mitteln angekündigt. – Ich möchte nur wissen, wo diese Mittel sind. Mir sind Informationen zugegangen, wonach im Budget an sich genug Geld vorhanden ist, daß aber diese Mittel sehr eindimensional eingesetzt werden, nämlich ausschließlich zur Verhinderung der Jugendarbeitslosigkeit und zur Senkung der Zahl der Langzeitarbeitslosen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Frau Abgeordnete! Bitte den Schlußsatz auch zu Ende zu bringen!

Abgeordnete Mag. Gabriela Moser (fortsetzend): Ich bin schon beim Schlußsatz: Was hier im Raum steht, ist die Diskrepanz zwischen Ihren Gemeinplätzen, Ihren diffusen Zusagen einerseits und den konkreten Daten und Fakten andererseits. Es besteht die konkrete Notwendigkeit, endlich etwas zu tun, damit der Beschäftigungsgipfel von Luxemburg auch wirklich positive Ergebnisse in Österreich bringt! (Beifall bei den Grünen.)

17.49

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, den jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kier und Genossen betreffend EU-Beschäftigungspolitik.

Wer diesem Antrag die Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über den 5. Punkt der Tagesordnung betreffend Änderung des Filmförderungsgesetzes wieder auf.

Zu Wort ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.50

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Bundesministerin! Ich leite meine Rede durch das Vorlesen eines Abänderungsantrages ein.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Krüger, Mag. Dr. Grollitsch, Dr. Partik-Pablé, Dr. Preisinger, Scheibner und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird (944 d.B.), in der Fassung des Ausschußberichtes 989 d.B.

Der Ausschuß wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

Der Ausschuß hat beschlossen:

§ 6 Abs. 1 in Z 14 wird wie folgt geändert:

In § 6 Abs. 1 wird nach dem 4. Satz folgender Satz eingefügt:

"Filmproduzenten oder Vertreter von Filmproduzenten, die Mitglieder der Auswahlkommission sind, sind auf Dauer ihrer Zugehörigkeit zur Auswahlkommission von der Filmförderung nach diesem Bundesgesetz ausgeschlossen." vgl.Jn

*****

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie ein, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen. Ich darf auch die Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion beruhigen und gleichzeitig


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einladen: Sie können diesem Antrag ruhigen Gewissens zustimmen, weil Sinn und Zweck der Novelle ja auch die Beseitigung bestehender Unvereinbarkeiten ist. Wenn Sie es also damit ernst meinen, dann stimmen Sie diesem Antrag zu.

Einer der Hauptkritikpunkte, die aus dem Kreis der Filmschaffenden, aus dem Kreis der Filmkritiker und der Praktiker erhoben wurde, war ja die Tatsache der Unvereinbarkeit. Es fördern nämlich Mitglieder der Auswahlkommission indirekt ihre eigenen Projekte. Das ist überhaupt keine Frage. Naturgemäß existieren im Gesetz Bestimmungen, daß im Falle einer unmittelbaren Kollision der einzelne Förderungswerber, der in der Auswahlkommission sitzt, hinausgeht und sich durch seinen Ersatzmann vertreten läßt. In der Praxis geschieht dies so. Das ist – überhaupt keine Frage – rein formal in Ordnung, aber natürlich inhaltlich nicht, denn der Förderungswerber geht zwar hinaus, aber der Ersatzmann stimmt in seinem Sinne ab. Daß es da wechselseitig zu Tausch- und Gegengeschäften kommt, liegt auf der Hand. Und wenn Sie das der Opposition nicht glauben, so glauben Sie es doch wenigstens den Sachverständigen, die wir im Filmausschuß angehört haben, insbesondere dem Filmproduzenten und Filmhändler Dr. Kloiber, der sagt, daß eine derartige Regelung absolut unvereinbar und gegen das demokratische Prinzip und bar jeder Seriosität und Transparenz ist. (Beifall bei den Freiheitlichen)

Meine Damen und Herren! Ich darf zusammenfassen: Die vorliegende Novelle zum Filmförderungsgesetz ist keine Reform, sie ist bestenfalls eine Feigenblattreform. Wesentliche Kritikpunkte werden dadurch nicht entkräftet. Es ist kein Reformwille spürbar.

Sie sprachen sich dafür aus, gegen das Intendantenprinzip aufzutreten. Ich habe Ihnen gesagt, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, ich vertrete diesbezüglich die Auffassung Ihres Genossen, des Generalintendanten Zeiler, der von einem "notwendigen Intendantenprinzip" spricht. Und das Intendantenprinzip ist notwendig, um die Verantwortlichkeit festzumachen. Nach der vorliegenden Novelle gibt es jedoch keine Verantwortung, weil die Entscheidung für eine Filmförderung dem Grunde nach der Auswahlkommission und der Höhe nach dem Direktor zusteht. Ich garantiere Ihnen eines: Wenn es zu einer Überprüfung der einzelnen Filmprojekte kommt, wenn eine Bewertung der Filmprojekte im nachhinein durchgeführt wird, dann wird die Verantwortung abgeschoben. Die Mitglieder der Auswahlkommission werden sagen: Schuld ist der Direktor, der nicht in entsprechender Höhe gefördert hat! Der Direktor wiederum wird sagen: Mir waren die Hände gebunden, dem Grunde nach ist die Entscheidung durch die Auswahlkommission gefallen! Ich hatte mich diesem Entscheid zu fügen und lediglich über die Höhe zu bestimmen! Das heißt, der Sinn der Reform, klare Verantwortlichkeiten festzumachen, eine klare Evaluierung des Gesetzes zu ermöglichen, wird geradezu ins Gegenteil verkehrt.

Ich halte fest, daß hier lediglich eine Feigenblattreform vorliegt. Aus der ursprünglichen Pragmatisierung von Herrn Schedl gkl.Jn ist nichts geworden. Aus diesem "Leger" ist nichts geworden. Der Herr Staatssekretär und die Damen und Herren von den Regierungsparteien sind rechtzeitig draufgekommen, daß da offensichtlich mit unlauteren Mitteln versucht wird, über den Gesetzgeber eine nicht gerechtfertigte Pragmatisierung des bisher schon erfolglosen Direktors herbeizuführen.

Es ist ein verdecktes Intendantenprinzip, das Sie nicht haben wollen, es gibt keine klare Verantwortlichkeit, und die Unvereinbarkeiten bestehen weiterhin. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.56

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Im Gegensatz zu meinem Vorredner bin ich der Auffassung, daß die Novelle des Filmförderungsgesetzes all die in sie gesteckten Erwartungen wirklich erfüllt hat. Nach einem intensiven Diskussionsprozeß ist es gelungen, für die Herstellung, Verbreitung und Verwertung österreichischer Filme eine Grundlage zu schaffen, die es ermöglicht, die entsprechende Publikumsakzeptanz und auch die internationale Anerkennung zu gewinnen. Das sind zwei ganz wichtige Kriterien.


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Weiters geht es bei der Zielsetzung um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des österreichischen Filmschaffens. Das bedeutet auch Arbeitsplätze. Damit ist auch der Wirtschaftsstandort Österreich gemeint, wenn es gilt, daß in Österreich als Ursprungsland die Herstellung möglichst vieler erfolgreicher und international anerkannter Filme gelingt. Damit wird auch die Zusammenarbeit zwischen Film und Fernsehen gefördert. Jeder weiß, daß sich ein Film natürlich auch im Fernsehen bewähren sollte, daß das Fernsehen ein wichtiger Verbreitungsfaktor ist und daß ohne ORF und Fernsehen in Wirklichkeit ein Erfolg nicht erreichbar ist.

Natürlich ist es auch wichtig, die Harmonisierung von Filmförderungsmaßnahmen von Bund und Ländern weiter voranzutreiben. Ich möchte einen Punkt, der dabei entscheidend ist, hervorheben: die Weiterentwicklung der Herstellungsförderung nach dem Erfolgsprinzip, die sogenannte Referenzfilmförderung. Sie ist gremienfrei und mit der Projektförderung kombinierbar. Sie fördert die Eigenentscheidung und Eigenverantwortlichkeit des Filmschaffens. Der Erfolg des Referenzfilmes bringt neue Mittel für neue Vorhaben. Entscheidend dabei ist daher, daß das bisherige System üblicher Förderungsvergabe durch Gremien, Kuratoren oder was auch immer durch das Vertrauen in die Eigenentscheidung erfolgreicher Intendanten abgelöst wird. Der künstlerische beziehungsweise wirtschaftliche Erfolg soll damit auch belohnt werden.

Als künstlerisch erfolgreich gilt ein Film dann – und das habe ich schon zu Beginn meiner Ausführungen gesagt –, wenn er Anerkennung, Nominierungen, Auszeichnungen, Preise bei international relevanten Filmfestivals erzielt. Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg ist aber auch das Erreichen von Besucherzahlen in den österreichischen Kinos.

Ich sage gleich dazu: Man wird sich auch um neues Geld kümmern müssen. Ich habe daher schon einmal vorgeschlagen, daß es so etwas wie eine "taxe spéciale" in Frankreich geben könnte, eine Abgabe, womit man von den erfolgreichen amerikanischen Filmen zu den österreichischen Filmschaffenden hin umverteilen könnte. Vielleicht muß man auch die Monopolstellung im Verleihbereich problematisieren.

Weiters wir die Novelle eine Straffung der Projektentscheidung durch die Abschlankung der Auswahlkommission von neun auf fünf Mitglieder bringen. Ein entsprechender Abänderungsantrag, daß wir uns auf fünf Mitglieder konzentrieren, wird noch eingebracht werden. Das novellierte Filmförderungsgesetz bringt daher entgegen der Auffassung des Abgeordneten Krüger sehr wohl klare Verantwortlichkeiten für das Kuratorium als Aufsichtsorgan mit definierten Aufgaben, wie Beschlußfassung über die Förderungsrichtlinien, Genehmigung von Ausnahmen von Förderungshöchstbeträgen, Evaluierung der Förderungstätigkeit.

Dieses Gesetz bringt auch klare Verantwortlichkeit für die Auswahlkommission. Sie wählt die zur Förderung vorgesehenen Vorhaben im Rahmen der Projektförderung aus. Im Gegensatz zum Abgeordneten Krüger bin ich der Meinung, daß es sehr wohl richtig ist und Sinn macht, daß der Direktor, der die kaufmännische Verantwortung trägt, auch über die Höhe der gewährten Förderungsmittel entscheiden kann und dafür verantwortlich ist.

Ein weiterer positiver Punkt dieses Gesetzes ist: Mit der Begründung einer Förderungsentscheidung soll die Transparenz der Entscheidung verbessert werden. Damit wird ein alter Kritikpunkt, wie ich meine, entkräftet.

Zu den Vorwürfen, es gebe keine Unvereinbarkeitsbestimmungen, ist zu sagen: Eine neue Definition der Unvereinbarkeitsbestimmungen verhindert eine Förderung in eigener Sache. Dafür – Herr Abgeordneter Krüger, das sollten auch Sie wissen! – gibt es einen Pool von Ersatzmitgliedern. Das ist ebenfalls ganz entscheidend.

Ebenfalls ein wichtiger Punkt in dieser Novelle, den man erwähnen muß, ist der ganze Bereich der Nachwuchsförderung, in die letztendlich zirka 15 Prozent der Budgetmittel fließen.

Im großen und ganzen ist es gelungen, mit dieser Reform einen ganz entscheidenden Schritt in die richtige Richtung zu setzen. Ich sage aber gleich dazu: Wenn das Budget des Österreichischen Filminstitutes um 20 Millionen Schilling aufgestockt wird, so sind es 120 Millionen Schilling, was nicht gerade üppig ist, und daher wird man sich um neues Geld umschauen


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müssen, wenn man wirklich will, daß der österreichische Film eine internationale Reputation gewinnt. Um das zu erreichen, ist es wichtig, daß man über den eigenen Tellerrand schaut. Dazu ist es auch wichtig, daß die Opposition wirklich konkret und konstruktiv an diesem Prozeß mitwirkt, anstatt sich hier herzustellen und, wie Sie, Herr Abgeordneter Krüger, das gemacht haben, alles schlechtzumachen.

Es ist nicht richtig, den Kollegen Schedl als einen Nichtskönner darzustellen, nur weil er einem vielleicht nicht zu Gesicht steht. Das ist kein konstruktiver Beitrag. Damit werden wir uns im kulturpolitischen Bereich und vor allem im Bereich des Films in der Zukunft nicht bewähren können. (Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. ) Sie sollten vielmehr versuchen, konstruktiv mitzuarbeiten. Das, was Sie in den Ausschüssen eingebracht haben, und auch das, was Sie hier heute in Ihrer Rede gesagt haben, war kein konstruktiver Beitrag. Wenn Sie das fortsetzen, dann kann ich nur sagen: Danken Sie ab als einer, der glaubt, kulturpolitisch einen sinnvollen Beitrag zu leisten! Ohne Sie wird es – wie bisher auch – wahrscheinlich viel konstruktiver und sinnvoller weitergehen können. (Beifall bei der SPÖ.)

18.02

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der zuvor vom Herrn Abgeordneten Dr. Krüger eingebrachte Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist auch entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.02

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Filmförderung beschäftigt dieses Haus ja schon seit einiger Zeit, und ich möchte zunächst einmal als durchaus positiv hervorheben, daß es einige Ausschüsse gibt – und ich zähle da den Kulturausschuß mit Sicherheit dazu –, in denen die Debatte und auch die Art und Weise, wie Entscheidungen vorbereitet werden, sich wohltuend von sonst üblichen Vorgangsweisen unterscheiden. Vielleicht stimmt das insbesondere die Ausschußvorsitzenden aus den Regierungsfraktionen doch ein bißchen nachdenklich, denn ich meine, wenn es in einem zugegebenermaßen relativ kleinen Ausschuß mit relativ geringen Kompetenzen immer wieder ein großes Bemühen gibt, Entscheidungen mit den jeweils Betroffenen gut vorzubereiten, dann sollte das in den Ausschüssen, in denen es um mehr Geld geht, in denen es um gewichtigere Angelegenheiten geht, eine Selbstverständlichkeit sein. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Leider ist das nicht der Fall. Wir wissen, daß es insbesondere dort, wo die Sozialpartner das Sagen haben, gang und gäbe ist, die Opposition auf den Gängen warten zu lassen, aus der Sitzung wegzuschicken, wieder zu holen, und in letzter Minute legistisch schlecht vorbereitete Entwürfe vorzulegen. Ich verstehe schon die oftmals notwendige Eile, ich verstehe auch, daß Regierende in vielen Angelegenheiten unter größerem Druck stehen als die Opposition, aber die Vorgangsweise, die in den letzten Wochen und Tagen gewählt wurde, ist, wie ich meine, etwas, was gerade die Ausschußvorsitzenden der Regierungsfraktionen mit etwas mehr Nachdenklichkeit erfüllen sollte, denn insgesamt nimmt durch entsprechende Berichte in den Medien auch der Parlamentarismus Schaden. – Das nur als Vorbemerkung.

Zum Inhalt des Filmförderungsgesetzes: Ich erkenne bei dieser Neuregelung durchaus einzelne positive Aspekte. In Summe hätten wir uns aber ein etwas anderes Gesetz gewünscht, insbesondere, was den Umstand betrifft, daß dieses Gesetz – und das erachte ich als den gröbsten Fehler dieses Gesetzes – nicht klar das Prinzip erkennen läßt, nach dem da offenbar vorgegangen wurde und wird.

Wir wissen, daß es prominente Befürworter des Intendantenprinzips gibt, wir wissen aber auch, daß insbesondere die Betroffenen der Branche, aber auch der Dachverband der Filmschaffenden das nicht befürworten. Jetzt gibt es zwar – und das werte ich als einen Fortschritt, und selbstverständlich werden wir den gemeinsamen Antrag auch mitunterstützen – eine Auswahlkommission von fünf Mitgliedern, aber letztlich hat der Direktor das Letztentscheidungsrecht. Daß der Direktor über die Höhe der zu gewährenden Mittel entscheidet, ist doch wieder


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das Intendantenprinzip durchs Hintertürl. Ich denke, es wäre ehrlicher gewesen, zu sagen, daß man so etwas will, und sich dann der Kritik zu stellen.

Das, was wir jetzt haben, ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Ich denke, wenn man schon eine Auswahlkommission hat, dann müßte auch die Entscheidung über die Förderungsmittel zumindest im Prinzip und in aller Regel der Kommission obliegen, und wenn man schon unbedingt so etwas wie eine hervorgehobene Position des Direktors will, dann hätte man das ja auch in der Art und Weise machen können, daß der Ausnahmefall deutlicher hervorgehoben werden soll und daß dann eine detaillierte Begründung, und zwar auch öffentlich, stattzufinden hat, warum von einer Empfehlung, von einer Entscheidung der Auswahlkommission abgegangen wird.

Auch in der Frage der Unvereinbarkeiten geht unserer Meinung nach das Gesetz zu wenig weit. Wir wissen, daß es schwierig ist, einerseits eine Kommission mit wirklich kompetenten Menschen aus der Praxis zu besetzen, gleichzeitig aber auch dafür Sorge zu tragen, daß nicht diejenigen, die direkt oder indirekt ökonomisches Interesse an einer bestimmten Filmproduktion haben, letztlich über die Förderung entscheiden.

Es ist im Ausschuß gesagt worden, eine indirekte Bevorzugung sei schwer zu fassen. Ich glaube, wenn man es gewollt hätte, wäre es schon möglich gewesen. Es sind ja sehr viele Gesetze in ganz anderen Bereichen der österreichischen Rechtsordnung, etwa im Strafrecht, wenn es um irgendwelche Tatbestände der Begünstigung oder ähnliches geht – ich weiß, wir reden jetzt über etwas ganz anderes, aber da trifft das auch zu –, sehr wohl auf einen indirekten Vorteil abgestellt. Es wäre also kein Novum in der österreichischen Rechtsordnung, und ich meine, man hätte das durchaus machen können.

Also summa summarum ist zu sagen: Es wird in diesem Ausschuß sicherlich eine deutlich bessere Vorgangsweise als in anderen Ausschüssen gewählt, und man hat dort auch als Oppositionsabgeordnete das Gefühl – und das sage ich auch an die Adresse der Regierungsparteien –, ernst genommen zu werden. Es ist in den Ausschußberatungen auch möglich, zu einer Abänderung zu kommen, zu Fünfparteienanträgen zu kommen.

Unterm Strich hätten wir uns ein etwas demokratischeres Verfahren und eine etwas strengere Unvereinbarkeit erwartet, weswegen wir in dritter Lesung diesem Gesetz nicht zustimmen werden. Dennoch sehen wir darin, wie gesagt, gewisse Vorteile.

Ein Allerletztes, Herr Staatssekretär – und das ist wirklich, glaube ich, eine dringende Notwendigkeit, die Ihr Ressort betrifft –: Jenseits dieses Gesetzes haben wir mittlerweile in vielen Bereichen des österreichischen Kunst- und Kulturschaffens eine dramatische Situation. Ich habe den Eindruck, daß vor allem die Steuervorschriften nicht wirklich auf die Situation von Kunst- und Kulturschaffenden abgestimmt sind. Es gibt sehr unregelmäßige Einnahmensströme, dazwischen große Durststrecken in finanzieller Hinsicht, und ein Einkommensteuerrecht, das darauf nicht Rücksicht nimmt.

Mittlerweile haben schon viele Kunst- und Kulturschaffende – und das sind keine schwerreichen Superverdiener, keine Tennisstars oder Formel-I-Asse, sondern das sind Menschen, die kein Supereinkommen haben – ihren Wohnsitz verlegt, weil sie in Österreich mit den Finanzbehörden einfach nicht mehr über die Runden kommen.

Zweitens: Die soziale Situation der Kunst- und Kulturschaffenden ist alles andere als rosig. Ich denke daher, etwas mehr Bedachtnahme auf die sozialen Interessen der Kunst- und Kulturschaffenden, auch was den öffentlichen Rundfunk betrifft, ein Bekenntnis zu einem höheren Programmanteil, etwas mehr Chancengleichheit – ich meine nicht Protektion, ich meine nicht ein Fördern von Leuten, die auf der qualitativen Ebene nicht Schritt halten können – und ein umfassender, rasch zu erstellender Bericht über die soziale Lage der Kunst- und Kulturschaffenden in Österreich wären notwendig. Das ist etwas, was unter den Nägeln brennt!

Ich ersuche Sie, Herr Staatssekretär, dringend, die entsprechenden Unterlagen vorzulegen, damit wir in der gewohnten Art und Weise – wirklich kollegial – im zuständigen Ausschuß zu Verbesserungen in diesen Bereichen kommen können. (Beifall bei den Grünen.)

18.12


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102. Sitzung / Seite 109

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Morak. Die Redezeit ist auf 10 Minuten programmiert. – Bitte.

18.12

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich teile nicht die Meinung des Kollegen Krüger, der sagt, diese Novellierung sei keine Reform, sondern ich halte sie sehr wohl für einen Schritt zur Erhöhung der Effizienz der österreichischen Filmförderung. Es ist ein Zwischenschritt, aber diese Schritte sind innerhalb der Entwicklung des österreichischen Films korrigierbar, das heißt, vom Gesetzgeber aus weiterzukorrigieren. Ich glaube, daß man mit diesem Gesetz, wenn man in diesem Land Filme macht, besser leben kann, und zwar wesentlich besser als bisher.

Erreicht wurde das dadurch, daß erstens die Zielvorgaben des Filmgesetzes vom Gesetzgeber genau definiert wurden – das ist der Erfolg am box-office und der Erfolg bei wesentlichen, künstlerisch relevanten Festivals – und zweitens, wie Kollege Cap es schon gesagt hat, die Mittel im Bereich der erfolgsabhängigen Förderung erhöht wurden. Die Obergrenze von 10 Prozent der Gesamtmittel existiert nun nicht mehr, und die Höhe unterliegt der jährlichen Entscheidung des Kuratoriums. Das heißt, es ist von Jahr zu Jahr eine sehr große Flexibilität gegeben. Der Faktor 1,5, mit dem bisher die erfolgsabhängige Filmförderung, das heißt, die Referenzmittel, multipliziert wurden, wurde auf drei verdoppelt. Das heißt, es wurde ein Teil der Entscheidungen innerhalb der Filmförderung hin zu den Produzenten ausgelagert. Ich halte das für einen sehr, sehr großen Fortschritt. Das heißt, der Erfolg wird nunmehr wirklich belohnt, und zwar mit Förderung beziehungsweise Geld.

Im Gegensatz zu Kollegen Krüger meine ich, daß die Verantwortung klar zugeteilt wurde. Gleichgültig, wie die Entscheidung der Auswahlkommission lautet, sie ist im Endeffekt durch den Direktor korrigierbar. Das ist möglicherweise eine Zwitterkonstruktion. Aber dadurch kann man immer sagen, der Direktor hat diese Mittel zugeteilt, und der Direktor trägt ungeteilt die Verantwortung.

Projektförderungen sind nach diesem neuen Gesetz verstärkt möglich. 15 Prozent der Gesamtsumme stehen der Nachwuchsförderung zur Verfügung, was aber auch ein Kritikpunkt ist. Dadurch wurde die Filmförderung nicht in dem Maße, welches vom Staatssekretär angeführt wurde, aufgestockt; diese 15 Prozent müssen für die Nachwuchsförderung zur Verfügung stehen. Das ist einerseits positiv, hat aber andererseits natürlich Rückwirkung auf die Gesamtmittel.

Wir haben, was wir bisher in diesem Ausmaße noch nicht hatten, eine jährliche Evaluation durch das Kuratorium, und zwar verstärkt durch externe Fachleute.

Weiters ist die Position des Direktors in jedem Fall nach Ende seiner Funktionsperiode auszuschreiben.

Ich meine, wir sind mit diesem Gesetz auf dem richtigen Weg, weil es auf die Gegebenheiten und die Lage des österreichischen Films eingeht und gleichzeitig auch eine Reaktion auf dessen Entwicklung ist. Es ist ein Ansporn, den österreichischen Film weiterzubringen. Es setzt Anreize, den Film marktfähig zu machen, einen Schritt in die Internationalität, zumindest im deutschsprachigen Raum, zu setzen und den österreichischen Film zu etablieren. Das Gesetz ist, würde ich fast sagen, dem Status quo ein wenig voraus, es ist flexibel – und das ist auch der große Vorteil gegenüber dem bisher bestehenden aus dem Jahr 1981.

Trotzdem dürfen die Anstrengungen des BKA in diesem Bereich nicht nachlassen. Da der Bundeskanzler mehrfach betont hat, daß der Film ein Schwerpunktthema für ihn ist, kann man sagen, daß auf Basis dieses Gesetzes – und das Gesetz verlangt fast danach – der nächste Schritt bereits zu folgen hat. Es werden einige Schritte folgen müssen.


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102. Sitzung / Seite 110

Wir investieren in den Bereich der traditionellen Kulturtechniken viel Geld – dankenswerterweise viel Geld. Und da wir das traditionell über Transferzahlungen tun und nicht über Steuerabsetzbarkeit und Verlustabschreibungen – der zuständige Finanzbeamte, der letztes Mal bei uns im Kulturausschuß war, hat auch nicht wesentlich die Hoffnung genährt, daß sich das in nächster Zeit ändern wird –, müssen die Transferzahlungen mittelfristig aufgestockt werden und mit dem Produktionsaufkommen Schritt halten beziehungsweise das Produktionsaufkommen stimulieren. Es ist quasi ein Fünfjahresplan nach Produktionsaufkommen zu initiieren.

Es ist nicht einzusehen, daß wir in einen Wachstumsmarkt ohnegleichen nicht investieren. Denken Sie nur an die unendlichen Vermarktungsmöglichkeiten beim Film in der Zweit-, Dritt- und Viertverwertung auf Video, im TV, in den Zukunftsmärkten "Video on demand" und in den neuen Medien!

Als zweites möchte ich auf die Verleihsituation in Österreich eingehen. Wir müssen für die Filme, die für das Publikum gemacht wurden, auch die Möglichkeit schaffen, an das Publikum zu gelangen. Und das ist derzeit schwer bis kaum möglich. Das hat einerseits mit der Dominanz der amerikanischen Verleiher zu tun, die flächendeckend in Europa arbeiten, und zweitens mit der Situation, die hausgemacht ist, und zwar mit der KIBA-Constantin: Die KIBA läßt ihre Kinos, wenn sie sie nicht gerade sperrt, von der Constantin programmieren. Und weil eben die KIBA eine Angelegenheit der Gemeinde Wien ist, erwarte ich mir – und auch die österreichische Filmindustrie, das weiß ich – in dieser Sache ein klärendes Gespräch des Bundeskanzlers mit dem Bürgermeister von Wien. Es geht dabei um mehr als um ein Zeichen für den österreichischen Film. Es ist eine absolut notwendige Maßnahme – vorausgesetzt, man nimmt die 100 Millionen Schilling und den österreichischen Film ernst.

Die Ansprache, die der Bundeskanzler zu diesem Thema gehalten hat und in der er gesagt hat, daß der österreichische Film für ihn ein Schwerpunktthema ist, sollte mit diesen beiden noch zu beschließenden, noch zu initiierenden Maßnahmen einen Bezug zur Realität bekommen, um nicht bloß ein Lippenbekenntnis zu bleiben. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

18.20

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Liberalen stimmen dieser vorliegenden Gesetzesnovelle zu, da zwei Abänderungsanträge von uns Liberalen Eingang in die Novelle zum Filmförderungsgesetz gefunden haben. Das vorliegende Gesetz wurde von meinen Vorrednern schon ausgiebig erläutert. Ich möchte in aller Kürze nur einige Grundgedanken aus unserer Sicht einbringen.

Für uns steht außer Zweifel, daß diese heutige Beschlußfassung nur ein erster Schritt hin zu einer zukunftsweisenden Filmwirtschaft in unserem Land sein kann. Denn in Zukunft wird es wichtig sein, daß wir dem österreichischen Film einen höheren Stellenwert als bisher einräumen. Dazu brauchen wir allerdings funktionale Medienzentren, die diese neue Filmwirtschaft auch ermöglichen.

Meine Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis: Österreich gehört der Europäischen Union an, und Grundlage aller europäischen Konzepte für Filmstandorte ist, daß der Bereich Medien und Audiovision eine demokratiepolitische und kulturpolitische Sonderstellung einnimmt. Da es in der heutigen Informationsgesellschaft wichtig ist, verbale und bildliche Informationen über politische Haltungen, Weltanschauungen, künstlerische Inhalte und so weiter kommunizieren zu können, wird der audiovisuelle Bereich zur Grundausstattung der geistigen und technischen Infrastruktur – ebenso wie funktionierende Telefonnetze und Verkehrswege – gezählt.

Die EU hat sich im Kapitel 1 des MEDIA-II-Programms klar für die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen und auf Dauer rentablen europäischen Programmindustrie ausgesprochen, die in der Lage ist, den kulturellen und wirtschaftlichen Erfordernissen der Informationsgesellschaft, wie wir sie eben heute haben, gerecht zu werden.


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102. Sitzung / Seite 111

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle dessen bewußt, daß auch Österreich dazu einen Beitrag zu leisten hat. Bisher wurde allerdings noch nicht viel davon sichtbar, und es ist auch noch nichts geschehen, außer daß die Regierungsparteien – SPÖ und ÖVP – nicht müde werden, immer wieder zu betonen, daß vor allem der Kommunikationsbereich eine der Schlüsselbranchen für strukturpolitisches Handeln sei, um eine Erhöhung der Arbeitslosenrate und eine Verringerung des Wirtschaftswachstums hintanzuhalten.

Unser Herr Bundeskanzler Mag. Klima wie auch der Herr Staatssekretär werden nicht müde, zu betonen, wie wichtig ihnen der österreichische Film ist. Ich darf immer wieder darauf verweisen, Herr Staatssekretär – er war am Sonntag in Bregenz –, wie wichtig laut Ihren Ausführungen der Film in Zukunft für Sie ist. (Abg. Schwemlein: Da war er exzellent!) Sie müssen aber zugeben, daß bisher sehr wenig dafür geschehen ist. (Abg. Schwemlein: Da war er gut!)  – Er war gut, ja.

Was wir daher brauchen, sind wirtschaftspolitische Maßnahmen mit folgenden Eigenschaften – wir haben uns darüber Gedanken gemacht –: Wir müssen Wachstumsimpulse durch Betriebsansiedelungen mit hochqualifizierten Arbeitskräften, hohem Wertschöpfungs- und Einkommenspotential ermöglichen, allerdings verbunden mit geringer verbrauchsorientierter Umweltbelastung. Ebenso ist eine Modernisierung der zukunftsorientierten Infrastruktur notwendig.

Weiters brauchen wir eine Erhöhung der internationalen Kommunikationsfähigkeit. Positive außenwirtschaftliche Effekte könnte man dadurch erzielen, daß man durch Eigenproduktionen von Filmen Importe vermeidet oder ihnen vorbeugt.

Es muß uns auch ein Anliegen sein, die spezialisierten Fachkräfte, die wir zweifellos in unserem Lande haben, durch einen Know-how-Zufluß von der Abwanderung abzuhalten. Wir müssen sie in unserem Land behalten! (Beifall beim Liberalen Forum.) Wir Liberalen sind überzeugt davon, daß durch die hier angeführten Eigenschaften einer effizienten Strukturpolitik die Filmbranche dies in idealer Weise ermöglichen könnte.

Mit positiven kulturellen Effekten, einer Vielfalt der Meinungen auch in der Wirtschaft sowie positiven Auswirkungen auf den Fremdenverkehr würde der ideale Boden dafür aufbereitet werden. Denn nicht umsonst haben fast alle europäischen staatlichen und regionalen Administrationen längst erkannt, daß Investitionen in die Bereiche der Film- und Fernsehproduktionen überproportional entwickelt werden müssen.

Meine Damen und Herren! Österreich steht diesbezüglich am Anfang. Wir benötigen umfassende strukturpolitische, branchenprotektionistische sowie kultur- und medienpolitische Konzepte. Dazu braucht es allerdings auch eine neue Kultursubvention – Herr Kollege Cap ist bereits darauf eingegangen –, denn nur 4,9 Prozent der Subventionen aller Gebietskörperschaften für Presse, Rundfunk, TV und Film sind in Zukunft sicherlich zuwenig.

Meine Damen und Herren! Es genügt nicht, heute ein neues Filmförderungsgesetz zu beschließen, sondern es muß in unser Bewußtsein einfließen, daß wir weiterreichende Maßnahmen in den Bereichen der Medienpolitik, der Kinofilmverwertung, der Einkommensteuer- und Glücksspielgesetzgebung, der Kultur- und Bildungspolitik zu setzen haben. Denn auch dies, meine Damen und Herren, sind wir dem Kulturland Österreich schuldig.

Abschließend darf ich noch einen


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102. Sitzung / Seite 112

Abänderungsantrag einbringen. Durch den § 5 Abs. 7 werden die Unvereinbarkeiten detaillierter als bisher umschrieben. Um allerdings jegliche Form eines Interessenkonfliktes auszuschalten, ist die Einführung, daß ein Kuratoriumsmitglied auch bei indirekten wirtschaftlichen Interessen zu karenzieren ist, sinnvoll und notwendig.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt und PartnerInnen betreffend die Regierungsvorlage (944 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (989 der Beilagen) für ein Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (944 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (989 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (944 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (989 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

In der Ziffer 11 wird § 5 Abs. 7 lit. b wie folgt geändert:

§ 5 Abs. 7 lit. b lautet:

"b) bei denen wirtschaftliche Interessen des Mitgliedes direkt oder indirekt berührt werden."

*****

Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der soeben verlesene Abänderungsantrag entspricht den Bestimmungen der Geschäftsordnung und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Jäger. – Bitte.

18.28

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der allgemeine Trend zu Deregulierung und zur Förderung privatwirtschaftlichen Denkens macht auch beim Kultursektor nicht halt. Ich denke aber, es ist gleichzeitig notwendig, daß wir weiterhin gut abgesicherte staatliche Förderungen für Kulturschaffende haben. Kunst und Kultur kann in unserer Gesellschaft nicht nur Privatangelegenheit sein, sondern sie ist in hohem Maße von demokratiepolitischem und bildungspolitischem Interesse.

In diesem Sinne ist auch die Novellierung des Filmförderungsgesetzes ein wichtiger und ein positiver Schritt. Gerade die Herstellung von Filmen, die sehr kostenaufwendig sind, darf nicht nur dem Kommerz überlassen werden.

Nun haben wir seit 1981 ein Förderungssystem für eigenproduzierte Filme, das heute über das Österreichische Filminstitut läuft, aber die Rahmenbedingungen in Österreich sind äußerst schwierig. Wir haben einen sehr kleinen Inlandsmarkt, wir haben nur eine Fernsehanstalt, wir haben eine sehr schwierige Situation im Bereich der Kinos – das heißt, sehr wenige Besucher und natürlich ein Übermaß an ausländischen Angeboten, insbesondere vom amerikanischen Markt.

Trotzdem können wir sagen, daß die österreichischen Filmschaffenden im internationalen Vergleich sehr gut abschneiden. Allein 1996 nahmen österreichische Filme an 165 internationalen Festivals und Filmmärkten teil. 34 von 60 uraufgeführten Kinofilmen erreichten zwischen 1990 und 1995 mehr als tausend Besucher in Österreichs Kinos.

Das Ziel der Filmförderung – und das gilt für ganz Europa – ist deshalb derzeit die Förderung von mehr Eigenverantwortung der Filmschaffenden. Weiters wird durch die Straffung der Gremien und durch die Kompetenzverlagerungen mehr Flexibilität erzielt. Die Auswahlkommission trägt zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Uneigennützigkeit der Filmförderung bei.


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Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Ergänzung der selektiven Filmförderung durch die automatische Referenzfilmförderung. Referenzfilmförderung bedeutet, daß ein wirtschaftlich beziehungsweise künstlerisch erfolgreicher Film zusätzlich in der Weise belohnt wird, daß aufgrund seines Erfolges neue Filmvorhaben durch neue Förderungsmittel realisiert werden können. Seit Einführung der Referenzfilmförderung 1987 waren 40 Prozent der ab 1985 gestarteten Filme künstlerisch beziehungsweise wirtschaftlich erfolgreich – und auch das ist europaweit ein hervorragendes Ergebnis.

In der Novelle wird die Automatisierung der Referenzfilmförderung weiter ausgebaut und die Eigenverantwortlichkeit der Filmschaffenden gestärkt. Weiters – und das halte ich auch für einen ganz wichtigen Schritt – kommt es zu einer gezielten Nachwuchsförderung und zu einer Innovationsförderung, das heißt zu mehr Professionalität auch bei jungen Regisseuren.

Ein interessantes Phänomen ist, daß europaweit fast ausschließlich Filme reüssieren können, die stark identitätsgeprägt und kulturell unverwechselbar sind. Letztlich aber entscheidet die Marktgröße über einen wirtschaftlichen Erfolg des Films. Laut einer europäischen Studie gelangen 95 Prozent aller europäischen Filme nicht über die Grenzen ihrer Ursprungsländer hinaus. Die öffentliche Filmförderung ist daher vor allem von kulturpolitischer Notwendigkeit und auch als identitätsstiftendes Medium zu betrachten.

Abschließend möchte ich noch sagen, daß die Aufstockung des Gesamtbudgets des Österreichischen Filminstituts auf 120 Millionen Schilling sehr erfreulich ist. Dazu werden Mittel aus dem Kunstbudget umgeschichtet. Allerdings ist noch nicht geklärt, wieweit auch die Länder zur Beteiligungen an der Filmförderung herangezogen werden können. Ich hoffe – und ich unterstütze das auch –, daß von seiten der Landesregierungen zur Filmförderung beigetragen werden wird.

Desgleichen möchte ich auch die Forderung von Herrn Staatssekretär Wittmann unterstützen, den Landkinos mit 5 Millionen Schilling unter die Arme zu greifen und somit dem Kinosterben auf dem Lande entgegenzuwirken.

Ich denke, daß man mit der derzeitigen Novellierung des Filmförderungsgesetzes zufrieden sein kann, da es zu mehr Transparenz, zu mehr Eigenverantwortung und zu mehr Unabhängigkeit der Kunstschaffenden führt.

Zum Schluß möchte ich noch einen Abänderungsantrag einbringen. Es ist dies ein Vier-Parteien-Antrag, und er lautet wie folgt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Franz Morak, Dr. Heide Schmidt, Dr. Madeleine Petrovic und Kollegen zur Regierungsvorlage (944 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Filmförderungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Z 14 § 6 Abs. 1 erster Satz soll lauten:

"Die Auswahlkommission besteht aus fünf fachkundigen Mitgliedern aus dem Filmwesen und dem Direktor als Vorsitzendem ohne Stimmrecht."

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.33


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102. Sitzung / Seite 114

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Der Antrag, den Frau Abgeordnete Inge Jäger vorgetragen hat, steht mit in Verhandlung.

Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Leiner. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

18.33

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Jede öffentliche Förderung muß eigentlich öffentliche Ziele verfolgen, und so verlangen wir auch bei der Filmförderung, daß sie nicht in erster Linie die Filmwirtschaft am Leben erhält, sondern mit Hilfe des Mediums Film vielmehr das internationale Ansehen einer Region, einer Stadt fördert und unsere nationale Identität mit definiert.

Aufgabe der Filmförderung darf auch keine Subventionierung von Filmemachern sein, sondern muß eine Investition in die Kultur unseres Landes und damit auch in die Zukunft unserer Region darstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Filmfinanzierung muß jene Strukturen aufbauen und ausbauen, welche die internationale Konkurrenzfähigkeit gewährleisten. Eine erfolgreiche Film- und Filmförderungspolitik kann überall auf der Welt nur bedeuten, den Film als Kunst und Industrie zu begreifen. Kommerzielle Erfolge schließen bekanntlich künstlerische Erfolge nicht aus – und umgekehrt. (Beifall bei der ÖVP.)

Zielvorgabe muß die stärkere Akzeptanz des österreichischen Films beim Kinobesucher, bei den heimischen Verleihern und bei den internationalen Vertrieben sein. Die Marktanteile des österreichischen Films müssen innerhalb einer Intendanz, also innerhalb von fünf Jahren, meßbar angehoben werden.

Mit der vorliegenden Novelle des Filmförderungsgesetzes werden mehrere Zielvorgaben erreicht.

Erstens ist eine Schwerpunktverschiebung in Richtung Erfolgsabhängigkeit geglückt. Ich halte es für wichtig, daß nun der künstlerische und der wirtschaftliche Erfolg gefördert werden. Die Kriterien des wirtschaftlichen Erfolges sind durch den Kinokartenverkauf gekennzeichnet, jene des künstlerischen Erfolges können an der relevanten Teilnahme bei prominenten Filmfestivals gemessen werden.

Ein zweites Ziel der Novellierung ist die organisatorische Straffung der Vergabe der Mittel, was einerseits durch die Herabsetzung der Zahl der Mitglieder der Auswahlkommission von 9 auf 5 Personen, andererseits durch die klare Verantwortungszuordnung zu den einzelnen Organisationsstrukturen – Kuratorium, Auswahlkommission und Direktor – erreicht wird.

Hinsichtlich des Direktors möchte ich noch hinzufügen: Ich halte es für richtig, daß im Zuge der Beratungen des vorliegenden Filmförderungsgesetzes dem Direktor des Österreichischen Filminstitutes als dem maßgeblichen operierenden Organ bei der Filmförderung klar definierte Kompetenzen zugeteilt und übertragen wurden, umso mehr als dies, wie das mit der vorliegenden Novelle geschieht, mit effektiven Controlling-Elementen kombiniert ist. Ich meine damit konkret die festgelegte jährliche Evaluation des Österreichischen Filminstitutes unter Beiziehung externer Fachleute sowie die von der ÖVP geforderte Bestimmung, wonach die Funktion des Direktors des Österreichischen Filminstitutes nach Ablauf der fünf Jahre dauernden Amtsperiode in jedem Fall öffentlich ausgeschrieben werden muß.

Mit der Novellierung des Filmförderungsgesetzes werden meines Erachtens strukturelle Defizite beseitigt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Onodi. – Bitte.

18.38

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem neuen Filmförderungsgesetz wird der Film stärker als


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bisher Schwerpunkt auch der österreichischen Kulturpolitik sein. Das heißt, daß sich auch der Stellenwert des heimischen Filmschaffens verändern muß.

Ziel der Filmförderung ist es, die Herstellung, Verbreitung und die Verwertung österreichischer Filme zu unterstützen. Es soll auch eine entsprechende Publikumsakzeptanz erreicht und dadurch die Wirtschaftlichkeit und die Qualität des österreichischen Filmschaffens gesteigert werden.

Weitere Ziele dieses Filmförderungsgesetzes sind: die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des österreichischen Filmschaffens zu stärken, die Zusammenarbeit zwischen Film und Fernsehen zu fördern sowie die Filmförderungsmaßnahmen von Bund und Ländern zu harmonisieren. Um diese ehrgeizigen Ziele erreichen zu können, ist auch mehr Geld nötig. Das Budget des Österreichischen Filminstitutes soll daher um 20 Millionen Schilling auf insgesamt 120 Millionen Schilling aufgestockt werden.

Neu in der Novelle dieser Filmförderung ist auch die Weiterentwicklung und Herstellungsförderung nach dem Erfolgsprinzip. Grundsätzlich soll nun künstlerischer und/oder wirtschaftlicher Erfolg stärker unterstützt werden. Auch angehende Filmemacher sollen besser als bisher gefördert werden. Voraussichtlich sollen hierfür 15 Prozent der Budgetmittel zur Verfügung gestellt werden. Damit soll im kreativen und produktionstechnischen Bereich der Einstieg in das professionelle Filmschaffen erleichtert werden.

Insgesamt, sehr geehrte Damen und Herren, bedeutet die Novellierung des Filmförderungsgesetzes eine Harmonisierung des österreichischen Filmförderungssystems mit den allgemein in Europa geltenden Systemen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Sonja Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.40

Abgeordnete Dr. Sonja Moser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das vom Kulturausschuß verabschiedete Filmförderungsgesetz ist ein gelungenes, denn es bringt eine erfolgsabhängige Förderung. Trotzdem kann nur von einem Etappenziel gesprochen werden, die Tour de France der Filmförderung muß weitergehen!

Das Etappenziel beinhaltet eine Verschlankung der Entscheidungsprozesse, mehr Verantwortung und Transparenz, eine intensivere Förderung des Nachwuchses und eine nach dem wirtschaftlichen und künstlerischen Erfolgsprinzip orientierte Finanzierungspolitik.

Der Film ist ein wirtschaftliches und kulturelles Gut, wenn er exzellent gemacht ist. Er ist dann ein großartiger Multiplikator in nationaler und kultureller Hinsicht. Aber warum und mit welchem Ziel soll eigentlich die Filmproduktion aus Budgetmitteln gefördert werden? – Das Gesetz soll wieder ein Mehrschaffen ermöglichen und der Audiovision den verdienten Stellenwert geben.

Wenn die Museen mit einer Milliarde gefördert werden, sehen wir kein Problem. Auch wenn die Theater mit zirka 260 Millionen Schilling gefördert werden, wird keine öffentliche Diskussion ausgelöst. Wie sieht es aber mit dem Film aus? – Der Film sollte ebenfalls ein Zentralthema und ein Schwerpunkt der Kulturpolitik sein. Für viele ist der Film ein industrienahes Produkt, das im Verdacht steht, nur der Unterhaltung zu dienen und daher nicht subventionswürdig ist. So wurde bis jetzt eben nur der ohnehin kaum verkäufliche, künstlerisch wertvolle Film gefördert, um den Film schlechthin am Leben zu erhalten.

Manche hängen zu sehr an einem einseitig ewiggestrigen Kunstbegriff. Dazu sagte Franz Morak einmal wörtlich:

"Die Utopie der Kunst liegt ja auch in der Versöhnung der Gegensätze: im ästethischen Bereich, in der Schönheit, ja selbst im befreienden Lachen. Kunst ist nicht ein sperriges Produkt, gegen


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den Markt produziert, nur einen Ansprechpartner kennend: den zuständigen Beamten. Wesentliches Ziel der Filmförderung muß die Herstellung, Verbreitung und Verwertung der österreichischen Filme sein, denn Unterstützungen der strukturellen Filmförderungen sind Investitionen in die Zukunft." (Beifall bei der ÖVP.)

Mit diesem Gesetz werden die wirtschaftliche und künstlerische Leistungsfähigkeit des Filmschaffens gestärkt und die Zusammenarbeit zwischen Film und Fernsehen gefördert. Aus dem Bundesbudget können die benötigten Summen aber nicht aufgebracht werden, deshalb sollte die Medienindustrie durch steuerliche Abschreibung unterstützt werden, eventuell mit zeitlicher Beschränkung, um sich die Entwicklung anzusehen.

Die Vielfalt des größeren Marktes wäre durch die österreichische Unterstützung auch wieder gewährleistet, so etwa auch im kleineren Bereich bei Synchronisationen. Wenn alle amerikanischen Filme in Berlin oder in Hamburg synchronisiert werden, kommt unsere melodiösere österreichische Sprachfärbung zu kurz. "Tschüs", "Guck mal" und "Ach nee" gehen mir jedesmal wie ein Stich unter die Haut.

Ein Produzentensterben bewußt herbeizuführen, würde Kreativitäts- und Identifikationsverlust bedeuten – abgesehen von enormen wirtschaftlichen Verlusten. Wenn ein Auto produziert wird, dann geht es um Herstellung und Erzeugung, aber auch um Vertrieb. Genauso ist es beim Film. Das Werk soll möglichst vielen Menschen vermittelt werden, die Verwertung selber ist vielfältig.

Wie sieht nun die Zusammenarbeit zwischen Film und Fernsehen aus? – Da wird zum Beispiel die ORF-Berichterstattung über Film – obwohl zur Objektivität verpflichtet – zum scharfen Instrument der eigenen Produktionspolitik. (Abg. Schieder: Das stimmt doch nicht!) Ein österreichischer Film, der ohne ORF-Mittel entsteht, wird in der Rundfunkberichterstattung kaum berücksichtigt (Abg. Schieder: Das stimmt doch nicht! Das ist einfach nicht richtig!), während umgekehrt jene Filme, die mit gerade 25 Prozent ORF-Anteil entstehen, ausnahmslos als glorreiche ORF-Produktionen vereinnahmt werden.

Der audiovisuelle Markt in der EU ist laut einer Studie groß im Kommen. Es ist der größte audiovisuelle Markt der Welt mit einem auf rund 70 Prozent geschätzten Wachstumspotential in den kommenden zehn Jahren. Der europäische Filmmarkt ist der zweitstärkste hinter den USA. Durch unser Potential könnten wir den USA bald Paroli bieten.

Des weiteren ist der österreichische Film die beste Visitenkarte im Ausland. Derzeit macht der Marktanteil heimischer Produktionen in Österreich nur etwa 4 Prozent aus. Eine kontinuierliche Steigerung dieses Anteils könnte der Förderungspraxis eine sinnvolle Richtung geben, denn Filme sind ein ideales Transport- und Kommunikationsmedium – vorausgesetzt es gelingt, sie international zu verbreiten. Und das beginnt im europäischen Raum. Europa würde es uns danken! (Beifall bei der ÖVP.)

18.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sonja Ablinger. – Bitte.

18.46

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich an die Ausführungen der Kollegin Moser anknüpfen und mich nicht sosehr mit den Inhalten der Filmförderung beschäftigen – die sind von vielen schon dargestellt worden –, sondern mit verschiedenen Kritikpunkten.

Ich glaube nicht, daß die Sprachlichkeit – "Nee" und "Guck mal!" oder "Griaß eich, die Madln, servas, die Buam!" – das Wesentliche der Filmförderung ausmacht, wie die Kollegin es jetzt dargestellt hat, sondern das Entscheidende bei der Filmförderung ist meines Erachtens – und das ist ja im Grunde auch die Kritik von vielen Filmschaffenden an der Referenzfilmförderung –, ob es nur noch um den wirtschaftlichen Erfolg und um Publikumsliebe, um möglicherweise liebe, einfache Filme geht, die angenehm sind, die leicht ins Ohr gehen. Wenn man da sagen würde, es geht uns um die Sprachlichkeit, würde ich der Kritik zustimmen – so ist es aber nicht. (Abg.


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Schwemlein: Sie meint die Filme, die im Radio kommen! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich glaube, da muß man aufpassen, daß man nicht in die falsche Gasse gerät.

Es gibt meines Erachtens zwei Möglichkeiten: Die Referenzfilmförderung sagt, wir haben in Österreich natürlich auch wirtschaftlichen Erfolg, gemessen an der Kinokarte, zu fördern. Okay! Das ist gut so. Der österreichische Film ist zahlenmäßig nicht so groß, da kann man auch sagen, man fördert den wirtschaftlich erfolgreichen Film, aber es geht natürlich auch um ästhetische Kategorien.

Andreas Gruber, ein durchaus angesehener und bekannter Filmemacher Österreichs, kritisiert an der Filmförderung, daß die ästhetischen Kategorien verlorengehen. Er meint, Film sei – und da muß man vorsichtig sein, um zu verstehen, wie er das meint – Weltanschauung. Das stimmt, denn Filme zu machen, ohne die Welt anzuschauen, wäre natürlich schwierig. Es geht bei Filmen aber auch darum, zu messen, wie sich Filmbilder in der Wirklichkeit wiederfinden: Wird es dem Zuschauer möglich, durch den Film die Wirklichkeit für sich handhabbarer zu machen, wird respektvoll mit der Wirklichkeit umgegangen, und erhält der Zuschauer auch die Möglichkeit, das im Film Gesehene anhand seiner eigenen Realität zu überprüfen?

Das sind meines Erachtens ästhetische und wichtige Kategorien für den Film, und die sind natürlich auch in der Referenzfilmförderung enthalten, weil – das ist der zweite Teil, für den wir uns auch entschieden haben – Filmförderung nicht nur nach wirtschaftlichen Prinzipien, sondern auch nach künstlerischen Prinzipien erfolgen wird. Und das finde ich auch in Ordnung so.

Ein weiterer Punkt: Wir haben uns entschieden – und ich finde das nicht so negativ wie Kollege Morak –, 15 Prozent der Nachwuchsfilmförderung zu sichern. Das finde ich völlig in Ordnung. Der österreichische Film hat meines Erachtens noch nicht genug Filmschaffende, sodaß man sagen könnte, der Nachwuchs interessiert uns nicht. Und auch bei dieser Nachwuchsfilmförderung geht es darum, die ästhetischen Kategorien anzuwenden. Ich finde, das ist eine durchaus interessante Diskussion, bei der man wahrscheinlich sehr viel lernen kann – auch über die eigenen Wirklichkeiten, über verschiedene Möglichkeiten der Weltanschauung.

Ich möchte nun noch auf Ihre Kritik eingehen, Herr Krüger, weil ich das, was Sie gemeint haben, nicht verstanden habe. Zum einen haben Sie gesagt, der Direktor werde in seiner Macht einzementiert und das fänden Sie furchtbar. Auf der anderen Seite wünschen Sie sich ein Intendantenprinzip. (Abg. Dr. Krüger: Aber keinen "Kunstbeamten"!) Zum dritten kritisieren Sie, daß die Verantwortlichkeiten ungeklärt sind, weil die Auswahlkommission inhaltlich ausmacht, was gefördert wird, und der Direktor die Höhe der Förderung festlegt. Also dieses Modell steht dem, was Sie unter Einzementierung von Macht verstehen, nämlich auf eine Person allein konzentriert, die alles entscheidet, entgegen. Daher ist mir Ihre Kritik unklar.

Wir haben ein Modell, das vorsieht, daß die Auswahlkommission inhaltlich festlegt, was gefördert wird, und der Direktor die Höhe dieser Förderungen festlegt, auch mit klaren Verantwortlichkeiten, und das finde ich gut so.

Die Grünen sagen wiederum, das sei ein Intendantenprinzip durch das Hintertürl. Das stimmt nicht. Ich glaube – und damit komme ich zum Ende –, daß es sich dabei um eine gute Konstruktion handelt, wie Film gefördert wird. Ich gebe Ihnen aber durchaus recht, daß es möglicherweise in Zukunft darum gehen wird, zu diskutieren, womit man fördern soll. Man soll nicht unterschätzen, wir haben auch die Filmförderungssumme um 20 Millionen auf 120 Millionen Schilling erhöht, was zwar ein großer Erfolg ist, aber es ist, das gebe ich schon zu, zu wenig.

In Großbritannien, so haben wir erfahren, hat die Filmindustrie aufgrund von Zuwendungen der nationalen Lotterie einen Boom erlebt. Innerhalb kürzester Zeit stieg die Zahl der Filme von 30 auf 300 jährlich. Es gibt dort auch ein Abkommen mit Channel 4, daß jährlich sechs Nachwuchsfilme von Channel 4 gefördert werden. Auch das hat den Nachwuchsfilm hervorragend gepusht.


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Ich glaube, es geht letztlich in Zukunft darum, daß wir uns überlegen, wie wir insgesamt der österreichischen Filmindustrie mehr Geld zur Verfügung stellen können. Aber das Wie, das wir heute beschließen, halte ich für eine durchaus sinnvolle, klassische und gute Regelung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlußwort. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen daher zu den Abstimmungen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 989 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Cap, Morak, Dr. Schmidt, Dr. Petrovic und Genossen einen Abänderungsantrag, der von Frau Kollegin Jäger verlesen wurde, eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die von den Abänderungsanträgen betroffenen Teile, und zwar der Systematik des Gesetzentwurfs folgend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Vorlage abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffer 11 § 5 Abs. 7 lit. b eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Antrag Schmidt zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nun über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen und ersuche jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschußberichtes zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, daß dieser Teil mit Stimmenmehrheit angenommen ist.

Die Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Ziffer 14 § 6 Abs. 1 bezieht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Antrag Dr. Krüger zustimmen, ein diesbezügliches Zeichen zu geben. – Ich stelle fest, daß dies die Minderheit ist. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Cap, Morak, Dr. Schmidt, Dr. Petrovic einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Ziffer 14 § 6 Abs. 1 erster Satz bezieht.

Ich darf im Falle der Zustimmung um ein bejahendes Zeichen ersuchen. – Ich stelle fest, daß dieser Antrag Cap, Morak, Schmidt, Petrovic mit Mehrheit beschlossen wurde.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich darf ersuchen, daß jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, ein Zeichen der Zustimmung geben. – Ich stelle die Beschlußfassung mit Mehrheit fest.

Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen, und wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf bitten, daß sich jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die dieser Vorlage in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, von den Sitzen erheben. – Ich stelle fest, die Vorlage ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.


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6. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (938 der Beilagen): Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (1013 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Liegt ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung vor? – Das ist nicht der Fall, es wird darauf verzichtet. Dann gehen wir sogleich in die Beratungen ein.

Die erste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Madl vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

18.55

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Bevor ich näher auf die Materie der Regierungsvorlage über die Rechtspersönlichkeit von Religionsgemeinschaften eingehe, möchte ich einmal die Zu- und Umstände in den Ausschüssen und Unterausschüssen schildern, damit Sie meine Wortmeldung etwas besser verstehen können.

Wir wurden vorige Woche zu einer Sitzung des Unterrichtsausschusses einberufen, mit dem Ergebnis, daß wir nach einer Wartefrist von einer halben Stunde einem Unterausschuß beiwohnen konnten, der diese Rechtsmaterie behandeln soll. Wir Freiheitlichen haben in diesem Unterausschuß gesehen und reklamiert, daß uns sehr viele Unterlagen und Abänderungsanträge bezüglich dieser Gesetzesvorlage nicht zur Verfügung gestellt wurden. Wir sind im Begutachtungsverfahren an Unterlagen minder bestückt worden. Aber nicht nur wir Freiheitlichen, auch die Grünen und die Liberalen haben denselben Zustand festgestellt. Es wurde uns nicht einmal die Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts zur Verfügung gestellt.

Wir haben damals im Ausschuß wirklich heftigst reklamiert, und nachdem die Regierungsparteien das heruntergespielt und gesagt haben, die Unterlagen werden irgendwo verschwunden sein, vielleicht in den verschiedenen Klubs oder in der Parlamentsdirektion oder sonstwo, haben wir dann einen Antrag auf Vertagung gestellt. Wir haben diesen Antrag auf Vertagung auch begründet, weil wir dieser Gesetzesmaterie mit Mißtrauen gegenübergestanden sind, weil einige Punkte darin verankert sind, die, wie uns damals schien, nicht verfassungskonform sind.

Der Antrag auf Vertagung wurde abgelehnt. Auch unser Ansinnen, zu dieser Materie, bei der wir uns nicht sicher sind, Experten in den Unterausschuß einzuladen, wurde von ÖVP und SPÖ abgelehnt. Am selben Tage, an dem diese Sitzung des Unterausschusses stattgefunden hat, hatten wir aber bereits das zweite oder dritte Expertenhearing in Sachen Frauenvolksbegehren. Dort ist es also gegangen, weil dieser Bereich eben verschiedene Materien umfaßt, in denen Experten den Abgeordneten Hilfestellung bei ihrer Meinungsbildung leisten. Ich habe nicht verstanden, warum das gleiche im Unterrichtsausschuß nicht möglich sein kann.

Man hat zehn Jahre lang gewußt, daß das Anerkennungsgesetz durchforstet werden muß und es eine Novelle dazu geben muß. Man hat das einmal verschwiegen, dann ist es wieder aufgeflackert, immer wieder ist darüber geredet worden, und plötzlich sollte die Angelegenheit in vier Stunden entschieden werden, obwohl wir uns nicht sicher sind, ob sämtliche Punkte, die in dieser Regierungsvorlage enthalten sind, auch verfassungskonform sind. Deswegen erfolgte der Antrag auf Vertagung.

Wir haben dann im Unterausschuß speziell jene Punkte kritisiert, die uns nicht in Ordnung vorgekommen sind, bei denen wir uns nicht sicher waren, ob sie verfassungskonform sind, und zwar waren das jene Punkte, die zusätzliche Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz verlangt haben. Zum Beispiel Punkt 2: Anzahl der Angehörigen in der Höhe von mindestens 2 Promille der Bevölkerung Österreichs. – Wir haben gesagt: Würde das nicht Religionsgemeinschaften erster und zweiter Klassen schaffen, nämlich jene, die schon


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bestehen, und jene, die um die Anerkennung ringen? – Es wurde uns versichert, dies sei verfassungskonform.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch immer nicht – stimmt das, Herr Kollege Öllinger? – die Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts in Händen. Erst nach massiven Protesten ist plötzlich dieses Papier aufgetaucht.

Wir hatten auch die Wendung "positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat" kritisiert. Wie kann man eine positive Grundeinstellung messen? Was ist das für ein verwaschener Ausdruck?

Oder: keine gesetzwidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen. Wer will hier Richter sein? Wer will hier Maß aller Dinge sein? Das haben wir in dem Unterausschuß alles kritisiert.

Wir haben jetzt – nach eingehender Prüfung durch Verfassungsexperten in den letzten vier Tagen – festgestellt, daß diese Regierungsvorlage in manchen Punkten nicht verfassungskonform ist, und darum stelle ich jetzt folgenden Antrag:

Antrag

der Abgeordneten Elfriede Madl und Kollegen betreffend Rückverweisung gemäß § 73 Abs. 3 Z 2 GOG NR

Der Nationalrat wolle beschließen,

"die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (938 der Beilagen), in der Fassung des Ausschußberichtes (1013 der Beilagen), zur weiteren Behandlung an den Unterrichtsausschuß rückzuverweisen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie stimmen diesem Rückverweisungsantrag zu, denn wir sind letztendlich Politiker, wir sind nicht alle Verfassungsrechtler, und wenn wir Gesetze beschließen, die einen großen Kreis betreffen, dann sollten wir auch sicher sein, daß diese verfassungskonform sind, und deshalb zu diesen Hearings und Unterausschüssen auch Experten einladen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Rückverweisungsantrag wird nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung nach Erledigung der Rednerliste abgestimmt.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Werner Amon. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

19.02

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir halten von diesem Rückverweisungsantrag nichts. Wenn Sie in der Frage des Vorgehens gegen pseudoreligiöse Gruppen, Guru-Bewegungen, Sekten keine Linie haben, ist das Ihr Problem, wir jedenfalls sagen diesen Gruppierungen ganz eindeutig den Kampf an. (Abg. Dr. Graf: Bei euch sitzen die Scientologen, nicht bei uns!) Und wenn Sie bis heute keine Linie in dieser Frage haben, dann werden Sie wahrscheinlich in 14 Tagen auch keine haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte einleitend sagen und grundsätzlich feststellen, daß aufgrund des Artikels 63 des Staatsvertrages von Saint Germain und des Artikels 6 des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich die freie Religionsausübung,


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ob im privaten oder öffentlichen Bereich, allen Einwohnern gewährleistet ist, unabhängig davon, ob diese Gemeinschaft als Religionsgemeinschaft anerkannt ist oder nicht. Und ich verweise hier insbesondere auch auf die Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes und die Europäische Menschenrechtskonvention, die von einem individuellen Recht auf Religionsausübung ausgeht.

Wenn wir heute über ein Bundesgesetz debattieren, das die Rechtspersönlichkeit religiöser Bekenntnisgemeinschaften regelt, dann ist eines vorweg sehr deutlich zu sagen: Es ist nicht Aufgabe des Staates und es ist nicht Aufgabe der Politik, den Menschen vorzuschreiben oder ihnen zu empfehlen, woran sie zu glauben haben oder gar woran sie glauben dürfen. Vielmehr geht es um die Sicherstellung des individuellen Rechtes, Religion frei auszuüben, ob im privaten oder im öffentlichen Bereich. Es ist aber auf der anderen Seite sehr wohl die Aufgabe des Staates, sicherzustellen, daß durch solche Gemeinschaften Menschen kein Schaden entsteht, daß sie weder finanziell noch ideell oder sexuell ausgebeutet werden, daß es zu keinen Beeinträchtigungen der psychischen Entwicklung von Jugendlichen kommt, daß es zu keiner Verletzung der psychischen Integrität kommt.

Der liberale Rechtsstaat und die offene Gesellschaft können und dürfen nicht zulassen, daß Menschen unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Schaden nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn der Staat und damit die Gesellschaft so etwas wie ein staatliches Gütesiegel in Form des Anerkennungsgesetzes aus 1874 oder in Form dieses neuen Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von Bekenntnisgemeinschaften vergibt, dann muß man auch sicherstellen, daß nur jene Gemeinschaften ein solches staatliches Gütesiegel erhalten, die Menschen nicht in irgendeiner Art und Weise ihrer Freiheits- und Grundrechte berauben. Und das stellt auch der § 5 in dem heute zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetz sehr eindeutig fest. In diesem wird nämlich einerseits der Artikel 9 der Menschenrechtskonvention wörtlich zitiert, andererseits heißt es darüber hinaus, daß jenen Gruppierungen eine Rechtspersönlichkeit zu untersagen ist, die die psychische Entwicklung von Heranwachsenden durch die Verletzung der psychischen Integrität und durch die Anwendung psychotherapeutischer Methoden zum Zwecke der Glaubensvermittlung gefährden.

Das ist unserer Meinung nach der richtige Weg, und ich bin sehr froh über diese Klarstellung.

Frau Kollegin Madl! Sie stellen die Diskussion im Ausschuß ganz anders dar, als sie de facto war, denn Sie haben ja diesem unserem Entwurf sehr wohl zugestimmt. (Abg. Madl: In Unkenntnis der Verfassungslage! – Abg. Dr. Graf: Sie haben der Werkvertragsregelung auch zugestimmt!) Sie haben diesem Entwurf zugestimmt, und es gibt Übereinstimmung im Hohen Haus darüber, daß sogenannten Sekten – bei aller Problematik dieses Begriffes, aber ich gehe davon aus, daß wir alle wissen, was damit gemeint ist –, daß solchen Gruppierungen der Kampf anzusagen ist und daß man solchen Gruppierungen massiv entgegentreten muß. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Man wird ja gescheiter werden dürfen!)

Ich möchte Ihnen aber auch ausdrücklich sagen, daß man dem, was man heute im "religiösen Supermarkt" findet, auch mit entsprechenden Zahlen entgegentreten muß, um sicherzustellen, daß nicht jede x-beliebige Gruppierung, die daherkommt, jenes staatliche Gütesiegel in Form der Anerkennung erhalten kann, und deshalb ist es auch erforderlich, eine Mindestzahl festzulegen, wie wir das in diesem Bundesgesetz tun.

Am vergangenen Samstag ist in den "Salzburger Nachrichten" ein sehr interessanter und, wie ich meine, auch objektiver Bericht von Josef Bruckmoser zu diesem neuen Bundesgesetz erschienen, und ich zitiere daraus:

"Im österreichischen Parlament stimmen die Abgeordneten kommende Woche über ein neues Religionsgesetz ab, das unter anderem darauf zielt, Organisationen wie Scientology die Anerkennung als Religion verweigern zu können. Insofern ist richtig, was Kritiker dem Gesetzentwurf vorwerfen, es ist nicht nur ein neues Anerkennungsgesetz, sondern auch ein Verhinderungsgesetz."


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Ich stimme dem zu: Ja, es ist ein Verhinderungsgesetz, wenn es sicherstellt, daß Gruppierungen, die dem demokratischen Rechtsstaat, die der pluralistischen Gesellschaft negativ gegenübertreten, die Anerkennung verweigert wird. Ich stimme dem zu: Es ist ein Verhinderungsgesetz, wenn es sicherstellt, daß nicht Gruppierungen ein staatliches Gütesiegel erhalten, die Kleinstkindern eine ärztliche, eine medizinische Hilfe verweigern. Ich stimme dem zu: Es ist ein Verhinderungsgesetz, wenn es sicherstellt, daß nicht Gruppierungen ein staatliches Gütesiegel erhalten, die Kinder, wenn sie ins schulpflichtige Alter kommen, ins Ausland verschleppen, sie dort einer Gehirnwäsche unterziehen und sie dann wieder nach Österreich zurückkehren lassen. (Abg. Dr. Graf: Ist Ihnen das passiert?)

Und es ist letztlich ein Verhinderungsgesetz, wenn es verhindern hilft, daß Leute ein staatliches Gütesiegel bekommen, die behaupten, daß 15 bis 20 Prozent der menschlichen Rasse geisteskrank sind, in Anstalten eingewiesen werden müßten und ihnen jegliche Bürgerrechte zu entziehen sind. In diesem Sinne ist es ein Verhinderungsgesetz, und dazu stehen wir auch. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe Ihnen reale Beispiele gebracht, wo unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit, der sogenannten Religionsfreiheit, unter dem Deckmantel der Religiosität Menschenrechte verletzt und mißachtet werden.

Es ist aber auf der anderen Seite ein Bundesgesetz, das Glaubensgemeinschaften, Religionsgemeinschaften, die bis heute in einem rechtlichen Graubereich waren, weil auf der einen Seite das Vereinsgesetz im § 3a religiöse Vereinigungen nicht zuläßt, sie aber auf der anderen Seite nicht die große Anerkennung im Sinne des Anerkennungsgesetzes erhalten konnten und daher auch keine Rechtspersönlichkeit hatten, nun gerecht wird, weil es ihnen die Chance auf eine rechtliche Anerkennung einräumt.

Dieses Bundesgesetz allein wird das Sektenproblem nicht lösen. Wir geben uns dieser Illusion nicht hin. In diesem Zusammenhang sind sicherlich weitere Maßnahmen erforderlich. Ich denke etwa an die Idee der Einrichtung einer Enquete-Kommission des Nationalrates, die sich sehr intensiv und umfassend mit den Gefahren, die es im "religiösen Supermarkt" gibt, auseinandersetzen und auch Vorschläge erarbeiten kann, wie diesen problematischen Gruppierungen entgegenzutreten ist.

Ich möchte abschließend sehr herzlich Herrn Ministerialrat Dr. Jonak für die Arbeit, die er im Zusammenhang mit der Vorbereitung dieses Bundesgesetzes hatte, und auch der Frau Bundesministerin danken, daß sie diese heiße Kartoffel – eine heiße Kartoffel mehr! – angefaßt hat und es damit heute ermöglicht, daß wir solchen Gruppierungen dementsprechend entgegentreten können. Dieses Bundesgesetz ist ein wichtiger Schritt zum Schutz der österreichischen Bevölkerung vor pseudoreligiösen Geschäftemachern und pseudoreligiösen Menschenrechtsverletzungen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Er hat das Wort.

19.11

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich war froh, daß Kollegin Madl den Antrag schon gestellt hat. Da wir unseren Rückverweisungsantrag schon eingereicht hatten, stelle ich nun trotzdem ebenfalls einen Antrag.

Antrag

des Abgeordneten Dr. Volker Kier betreffend Beschluß auf Rückverweisung gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen,


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den Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage 938 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften zur weiteren Behandlung an den Unterrichtsausschuß rückzuverweisen.

*****

Ich gehe nicht davon aus, daß dieser Rückverweisungsantrag eine Mehrheit finden wird, aber es entspricht einfach der psychischen Hygiene, ihn zu stellen. Wir haben schon im Ausschuß darauf hingewiesen, daß wir ihn stellen werden, und wir waren der Meinung, daß das, was im Unterausschuß geboten wurde, einfach unangenehm war. Dies deswegen, weil der eigentliche Grund für den Unterausschuß ja gewesen ist, daß dort Experten gehört werden können.

Ich möchte auf etwas in diesem Haus besonders hinweisen: Allen Abgeordneten des Unterrichtsausschusses und daher auch des Unterausschusses, insbesondere auch dem Herrn Vorsitzenden, war bekannt, daß sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Petition im Haus befunden hat, die zwar förmlich noch nicht zu behandeln war, aber die sich inhaltlich nur um ein Anliegen bemüht hat, nämlich um jenes, ein Hearing zu machen, Experten zu hören. Und wir hätten dieses Anliegen sehr leicht erfüllen können, wenn wir die drei Stunden, die immerhin für den Unterausschuß reserviert wurden, dazu benützt hätten, nicht nur unter uns zu debattieren – das könnten wir nämlich im Ausschuß genauso ausführlich machen, dafür bräuchten wir nicht extra einen Unterausschuß –, sondern eben Verfassungsexperten zu hören. Das wäre leicht möglich und wichtig gewesen.

Ich weise auch darauf hin, daß alle drei Oppositionsfraktionen zu Beginn der Beratungen über die Materialien aus der Begutachtung nicht verfügt haben. Das war keine Verabredung der Opposition zum Schaden der Regierungsparteien. Inzwischen haben wir sie bekommen. Wir haben sie ausführlich studiert. Und da muß ich Ihnen schon sagen: In diesen Stellungnahmen im Zuge des Begutachtungsverfahrens stehen Dinge, über die ich mich an Ihrer Stelle nicht so leichtfertig hinwegsetzen würde.

Das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie, das Ihnen, Herr Kollege Amon, nicht fernstehend ist, das mit Ihnen vielmehr, insbesondere in der Diktion, die Sie heute gewählt haben, geradezu geistesverwandt ist, sagt zum Beispiel: Die Grundvoraussetzung für die Anerkennung – das wäre, so die Formulierung, eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat – würde zu einem Maß von Staatsaufsicht führen, das nicht gewünscht und nicht beabsichtigt sein darf. Eingriffsrechte sollen sich höchstens aus Artikel 9 MRK ergeben, aber nicht von einer positiven Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft, sondern von der Nichtgefährdung der staatlichen Ordnung ausgehen. – Das sagt Ihr Familienministerium!

Was sagt die Bundeswirtschaftskammer, die Ihnen auch nicht ganz fernstehend ist? – Klubobmann Khol zieht es in solchen Fällen vor, den Plenarsaal zu verlassen. Ich weiß auch warum, denn ich werde ihn dann aus dem Ausschuß zitieren. Das wird ganz interessant werden. (Abg. Großruck: Das ist eine Anmaßung jetzt!) Das ist keine Anmaßung, das ist eine Feststellung, Herr Kollege! Wenn Sie das so auffassen, dann sind Sie sehr leicht angerührt. (Abg. Amon: Kollege Kier! Sagen Sie mir, was Sie wollen!)

Die Bundeswirtschaftskammer sagt, es sei schwer umstritten, ob der Erwerb und so weiter. Sie hat datenschutzrechtliche Bedenken. Einen ganzen Absatz widmet dem die Bundeswirtschaftskammer.

Und der Verfassungsdienst, von dem gesagt wurde, daß er eine positive Stellungnahme abgegeben hat, spricht ausdrücklich davon, daß in dem Gesetzentwurf alle Indizien für eine gleichheitswidrige Diskriminierung vorliegen – keine schwache Formulierung! – und daß die Mindestanzahl zwei von tausend eine offensichtlich sachlich nicht gerechtfertigte quantitative Barriere für die Anerkennung von Religionsgemeinschaften darstellt. Das sagt immerhin der Verfassungsdienst! Vielleicht steht er Ihnen fraktionell nicht ganz so nahe, aber die Regierungsparteien berufen sich doch recht gerne auf ihn.


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Das sind schon ein paar hinlängliche Gründe dafür, daß wir das noch einmal in aller Ruhe beraten möchten. Außerdem sind in dem Gesetz Dinge enthalten, von denen ich sagen muß: Bemerkenswert! – Aber zunächst möchte ich kurz auf den Kollegen Amon eingehen.

Herr Kollege Amon! Noch im Ausschuß hat Ihr Klubobmann in seiner Eigenschaft als Universitätsprofessor ausdrücklich gesagt, er möchte das Wort "Sekten" in diesem Zusammenhang nicht verwendet wissen, weil es historisch belastet ist. Und er hat damit nicht ganz unrecht, denn das Wort "Sekten" hat tatsächlich seine eigene Geschichte. Ich erinnere an Zeiten, in denen unter der Überschrift "Sekten" Leute auch zu Tode gebracht wurden. (Abg. Amon: Das war eine sehr böse Unterstellung!) Daher ist das Wort "Sekten" tatsächlich nicht ganz unbelastet. Nur: Das, was wir gemeinsam meinen, worüber durchaus auch wir beunruhigt sind, nämlich was da teilweise an Manipulation auch gegenüber Kindern und gegenüber Leuten geschieht, die sich leicht abhängig machen lassen, das bekommen Sie mit diesem Gesetz nicht in den Griff! Darüber waren wir uns im Ausschuß auch alle einig. Dafür ist dieses Gesetz absolut ungeeignet. Absolut ungeeignet! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie hier von diesem Rednerpult aus, offenbar für die Öffentlichkeit bestimmt, jetzt so tun, als ob die ÖVP sozusagen die Fahne im Kampf gegen diese pseudoreligiösen Gruppen, wie Sie sie wörtlich in Ihrer Rede genannt haben, vorantragen würde, dann ist das irreführend, denn die pseudoreligiösen Gruppen, die Sie meinen, kommen nicht im Gewand einer Sekte einher, sondern sie kommen als GesmbH, als Managementinstitut, als Trainingsinstitut (Abg. Amon: Und sie kommen um Anerkennung!), womöglich sogar als eine völlig legale und befugte Einrichtung der Therapie getarnt, und sie verkaufen sozusagen Seelenfrieden. Sie verkaufen Seelenfrieden, sie kaufen sich die Leute ein und pressen sie in ihre Abhängigkeit. Wir wissen das schon, und auch wir sind der Meinung, dagegen sollte etwas geschehen. Aber mit diesem Gesetz werden Sie das nicht bewerkstelligen. Denn Leute, die das vorhaben, was wir alle befürchten, wissen sich zu tarnen – glauben Sie mir das! (Abg. Amon: Sie bekommen keine staatliche Anerkennung!)

Mit diesem Gesetz erwischen Sie die Baptisten, weil diese mit 16 000 Mitgliedern vielleicht ein bißchen ein Problem mit der Mindestanzahl von zwei von tausend haben. Solche Leute erwischen Sie damit! Und das sind hoffentlich auch in Ihrer Welt keine pseudoreligiösen Gruppierungen. Solche erwischen Sie, und das finde ich sehr, sehr schade, denn wir hatten in diesem Land eigentlich seit 1874 eine relativ liberale und relativ tolerante Umgangsweise mit Religionsgemeinschaften. Daher haben wir glücklicherweise in Österreich zum Beispiel den Islam schon anerkannt und ersparen uns die ganze mühselige Diskussion, die es in der Bundesrepublik Deutschland jetzt gibt. Der Islam ist eine der drei großen monotheistischen Weltreligionen. Das wissen Sie genausogut wie ich. Und trotzdem würde ich sagen: Der natürliche Freund des Christentums ist er nicht. (Abg. Amon: Das steht aber nicht zur Diskussion!)  – Ja, aber lesen Sie Ihre eigenen Gesetzesintiativen! Laut denen hätten Sie ein bißchen ein Problem. Denn das, was nämlich dort unter Staat und Gesellschaft formuliert ist, diese schwammigen Begriffe ließen sich allemal noch gegen den Islam anwenden – wenn wir wollten. Da gäbe es einiges, was dazu zu sagen wäre.

Darüber hinaus sage ich Ihnen: Sie haben ein paar Dinge in das Gesetz hineingeschrieben, die, wenn man sie durchdenkt, interessante Größenschlüsse zulassen. Zum Beispiel schaffen Sie für die Religionsgemeinschaften der zweiten Klasse, die sogenannten religiösen Bekenntnisgemeinschaften, das Instrument der Aberkennung der Rechtspersönlichkeit, ohne sich mit irgendwelchen Folgen auseinanderzusetzen. Ganz so einfach ist das nämlich nicht! Wenn Sie jemand die Rechtspersönlichkeit entziehen, dann passiert ganz schön was! Der hat nämlich zu diesem Zeitpunkt irgendein Eigentum und irgendwelche Rechte gehabt – jenseits Ihres ordnungspolitischen Anspruchs, diese Rechtspersönlichkeit zu vernichten. Das ist sozusagen Ihr Zugang: Vernichten wir diese bös gewordene Rechtspersönlichkeit! Aber da bleibt ein ungeordneter Trümmerhaufen zurück. Da können Sie dann nicht einmal das Insolvenzrecht anwenden. Das ist der Tod einer Rechtspersönlichkeit, und die Rechtsfolgen sind in diesem Fall nicht geregelt. Das ist Ihnen aber ganz egal, Hauptsache, sie ist dann wieder weg.


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Nur mache ich Sie darauf aufmerksam: Wenn Sie einmal das Instrument der Aberkennung einführen, dann werden Sie nicht vermeiden können, daß man den Größenschluß dieses Instruments auch auf das Anerkennungsgesetz von 1874 anwendet, zumindest gedanklich, denn sonst diskriminieren Sie nämlich noch einmal. Sie schaffen die "Religionsgemeinschaft light", dann haben Sie die "Religionsgemeinschaft heavy" aus 1874 und Sondergesetze. Bei den "light" kann man aufheben, bei den "heavy" nicht? Die "heavy" können, wenn sie entgleisen sollten, viel, viel gefährlicher werden, weil sie mit einer Fülle von weiteren Privilegien einherschreiten, wie Professor Khol trefflich ausführte, nämlich Körperschaft öffentlichen Rechts seiend, Religionsunterricht ausüben dürfend, Schulen betreiben dürfend, und das öffentlich finanziert, und so weiter und so fort. Daher sage ich Ihnen: Sie legen hier einen interessanten Pfad.

Andererseits: Die Schwelle, die Sie jetzt dadurch einführen, daß Sie mit dem Gesetz auch das Anerkennungsgesetz von 1874 verschärfen, indem Sie neue Hürden einbauen mit einer Mindestanzahl von zwei von tausend, mit einem Minimum von 16 000 Mitgliedern für eine anzuerkennende Religionsgemeinschaft, hat zur Folge, daß zwei Drittel der jetzt in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften diese Hürde nicht mehr überspringen würden, so zum Beispiel "pseudoreligiöse Gruppen" wie die Evangelische Kirche Helvetischen Bekenntnisses oder diese "komischen" Griechisch-Orthodoxen, die unter 16 000 Mitgliedern steckenbleiben. Diese pseudoreligiösen Gruppen meinen Sie ja nicht. Ich weiß das schon. Nur: Gegen diese richtet sich das Gesetz! Aber gegen jene, die als Managementinstitut oder als GesmbH einherschreiten und ihre fiesen Geschäfte machen, wendet sich das Gesetz nicht. Lieber Kollege Amon! Gegen diese wendet sich das Gesetz nicht, denn sie werden nämlich nicht ansuchen kommen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dann haben wir auch gelernt im Ausschuß – Professor Khol hat uns das beigebracht –, daß eben die Gemeinnützigkeit verbunden ist mit der Anerkennung nach dem Gesetz von 1874 und da nicht. Ich sage Ihnen: Gehen Sie einmal ins Finanzministerium und lassen Sie sich erklären, was man machen muß, wenn man der Meinung ist, daß man einen Gemeinnützigkeitsstatus bekommen soll. Man muß bestimmten Standards entsprechen, und dann bekommt man ihn auch. Auch als "Religionsgemeinschaft light" wird man ihn bekommen. Nur: Weil 1874 die Automatik drinnen ist, haben sie keinen Grund.

Schulproblematik: Sie haben gesagt, das könne man nicht machen, sonst fingen die neuen Religionsgemeinschaften womöglich alle Schulen zu betreiben an. – Erstens einmal sehe ich bei uns nicht massenhaft Religionsgemeinschaften, die Schulen betreiben. Es gibt allerdings eine große Religionsgemeinschaft, die das intensiv tut. (Abg. Amon: Es gibt auch kleine, die das probieren!) Die katholische Kirche ist als ein großer Schulerhalter historisch gewachsen. Das soll schon so sein. Ich meine, der Jubel bleibt vielleicht aus, aber es soll schon so sein. Pluralismus hat seinen Preis. Aber warum dann andere private Schulerhalter, die alle öffentlichen Standards erfüllen, die das Öffentlichkeitsrecht haben, keine Förderung bekommen, das können Sie mir nicht erklären, außer Sie sagen, die Mittel sind knapp. Darauf antworte ich: Gut, wenn Ihnen Grundsätze in dem Fall weniger wichtig sind als die knappen Mittel, so ist das immerhin ein interessanter Zugang zur Bildungspolitik, sozusagen Bildungsoffensive nach Amon oder nach Khol; er ist nicht da, also möchte ich ihn nicht anreden.

Jede private Schule entlastet die öffentliche Hand, denn die Kinder sitzen nicht zweimal in der Schule. Daher ist es zwar richtig, daß es etwas kostet, aber es wird insgesamt nicht teurer, sondern das Geld geht nur woanders hin. Es geht in eine autonome Schule, in eine Schule, die sich selbst verwaltet und die außerdem vielleicht auch etwas innovativer ist. Also Sie sehen: Diese Zwangsverbindung ist nicht stimmig. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Jetzt haben wir uns überlegt: Was ist der Grund, daß die Regierungsparteien so hetzen und so hudeln und so pressen, damit das unbedingt noch vor dem 31. Dezember 1997 Gesetz wird? Was stellt sich heraus? – Es ist eine Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Dieser hat die Frist erstreckt für die Äußerung der Bundesregierung zur Beschwerde. Und man will vor Ablauf dieser Erklärungsfrist gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof sagen können: Wir haben ein neues Gesetz, und das Gesetz bereinigt das Problem. Wir haben vorsichtshalber auch eine rückwirkende Bestimmung eingebaut, also bei rechtskräftigen Bescheiden,


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soferne sie angefochten sind bei einem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, wird das Verfahren rückwirkend außer Kraft gesetzt werden. Somit fällt das unter das neue Regime, und damit ist es klaglos gestellt im Verhältnis zum Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof. (Abg. Amon: Das wird abgeändert!)

Es mag schon sein, daß Sie jetzt mit einem Abänderungsantrag daherkommen, aber das ist noch einmal unredlich: nicht, daß Sie das jetzt machen, sondern daß Sie uns noch im Ausschuß erklärt haben, das sei zu Ende verhandelt, deshalb gehe es nicht. (Abg. Dr. Höchtl: Das ist nicht wahr! Das stimmt nicht, was Sie behaupten!) Fein, wenn Sie das machen, da applaudiere ich Ihnen. Das wird aber nichts daran ändern, daß das Gesetz im übrigen gleichheitswidrig, religionsdiskriminierend und teilweise privilegierend ist, merkwürdige, undeutliche Rechtsbegriffe einführt, wie zum Beispiel "im Interesse der Gesellschaft" – ein undeutlicher Rechtsbegriff! (Abg. Amon: Das haben wir ja im Ausschuß abgeändert, Herr Kollege Kier!) Und genau mit diesen Rechtsbegriffen öffnen Sie den sogenannten pseudoreligiösen Gruppen Tür und Tor. Sie schaffen dort Märtyrer. Sie schaffen dort Ausreden. Eine Überschrift in der "Kronen Zeitung" oder sonstwo: "Amon kämpft gegen Sekten", ist Ihnen den Rechtsstaat wert. Und das finde ich schade. Glauben Sie mir das! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Amon: Das ist lächerlich!)

Professor Khol pflegt daher solchen Diskussion nicht mehr so gerne beizuwohnen. (Abg. Amon: Herr Kollege Kier! Bleiben Sie fair!) Das ist auch schade, aber es wird ihm ausgerichtet werden. Er wird dann die ihm eigene Möglichkeit benützen, das vielleicht andernorts falsch zu zitieren oder proportional versetzt. Im Ausschuß hat er jedenfalls ganz anders gesprochen. Kollege Amon, Sie waren dabei.

Ich sage Ihnen noch einmal: Die Unvereinbarkeit der Interessenlage des Kultusamtes mit dem Gesetz wird in dem Fall sehr deutlich. Das Kultusamt hatte im Erstentwurf ursprünglich zum Beispiel 100 als Grenze für die "Religionsgemeinschaften light" vorgesehen. Dann sind Sie draufgekommen, daß 100 eine Zahl ist, die eine einigermaßen seriöse kleine Religionsgemeinschaft schafft. Daraufhin haben Sie sich gedacht: 100 ist zuwenig, machen wir 300. – Wir sind der Meinung, das ist Anlaßgesetzgebung pur, denn wir haben andere Rechtsbereiche, wo wir etwas großzügiger sind, zum Beispiel bei den politischen Parteien.

Sie werden zugeben, politische Parteien sind wichtig in der Gesellschaft. Und ein paar schaffen es auch, tatsächlich wahrnehmbar in der Politik gestaltend zu arbeiten. Aber wir haben einige hundert Parteien, weil wir ein sehr liberales Recht haben. Das Hinterlegen, das Veröffentlichen von Satzungen – und die Rechtspersönlichkeit ist da, die politische Partei ist geschaffen! Das ist sehr großzügig. Ich will das jetzt nicht im Detail diskutieren. Aber sind die weniger gefährlich als pseudoreligiöse Gruppen, wenn man so mißtrauisch ist wie Sie, Herr Kollege Amon? Statuten sind schnell veröffentlicht. Und was dann wirklich dahintersteckt, zeigt erst die Wirklichkeit des Lebens. Und da, würde ich meinen, sollte es auch so sein! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn wir mit politischen Parteien so großzügig umgehen, also sozusagen mit unsereinem, dann sollten wir bei Religionsgemeinschaften nicht so merkwürdig inquisitorisch sein und so tun, als ob man mit den Mitteln des Verwaltungshandelns tatsächlich in die Menschen hineinschauen könnte. Daran glauben Sie. Und wer daran glaubt, daß man mit den Mitteln des Verwaltungshandelns in die Menschen hineinschauen kann, der schrammt – unabsichtlich – drei Millimeter an dem vorbei, was man Inquisition nennt. Glauben Sie mir das! (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum.)

Wer glaubt, daß er mit den Mitteln des Rechtsstaates in das Herz und in das Gewissen schauen kann – und alles andere nützte nämlich nichts im Sinne Ihrer Bekämpfung von pseudoreligiösen Gruppen –, der geht einen sehr gefährlichen Weg. Er geht einen Weg, wo beim Sammeln von Gesinnungsdaten der Datenschutz keine Rolle mehr spielt. Selbst wenn die Wirtschaftskammer sagt, sie habe datenschutzrechtliche Bedenken, ist ihm das Wurscht. Dabei ist die Wirtschaftskammer ja wirklich nicht die Gralshüterin des Datenschutzes von dem Verständnis her, das ich bisher von ihr kenne, aber immerhin ist das auch diesen Leuten zuviel gewesen.


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Lieber Kollege Amon! Hoffentlich wachen Sie nicht eines Tages auf und sind selbst derjenige, der auf dem Prüfstand der von Ihnen hier geschaffenen Mittel der Inquisition steht. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Antoni. Er hat das Wort.

19.29

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Kollegin Madl ist im Moment nicht hier. Ich hätte schon gerne zu ihren Aussagen über die Arbeit im Unterausschuß einige Bemerkungen gemacht. Es stimmt, wenn sie sagt, daß offenbar nicht alle Fraktionen die gleichen Informationen hatten. Das aber dem Unterausschuß beziehungsweise dem Vorsitzenden vorzuwerfen, halte ich schlechthin für unfair, denn es war der Herr Vorsitzende, der sich sofort bemüht hat, in der Parlamentsdirektion rückzufragen, wie es denn mit der Verteilung der diversen Stellungnahmen stehe.

Es ist uns auch rasch mitgeteilt worden, daß nachweislich allen Klubs die gleiche Information zugegangen sei. Das kann man nun zur Kenntnis nehmen oder nicht. Kollegin Madl hat es offenbar nicht zur Kenntnis genommen.

Kollegin Madl sagt weiters, daß die Diskussion im Unterausschuß chaotisch war. Also ich habe das nicht so erlebt. Ganz im Gegenteil: Es gab dort eine sachliche, offene, faire Diskussion, etwa in der Art und Weise, wie sie mein Vorredner, Kollege Kier, jetzt geführt hat. Die Kolleginnen und Kollegen von der freiheitlichen Fraktion haben nicht nur einen Antrag der Regierungskoalition mitgetragen, sondern auch dem Gesetzentwurf im Unterausschuß die Zustimmung gegeben, daher verstehe ich überhaupt nicht, warum jetzt plötzlich von dieser Seite der Vorschlag kommt, dieses Gesetz rückzuverweisen.

Aber lassen Sie mich einige kurze grundsätzliche Bemerkungen zur Gesetzesvorlage machen: Ich möchte darauf hinweisen, daß die SPÖ selbstverständlich für Glaubens- und Gewissensfreiheit und für jegliche Freiheit der Religionsausübung steht. Das ist gesetzlich in der Grundrechtsgarantie für jeden Menschen, der in Österreich lebt, abgesichert. Im vorliegenden Gesetzentwurf geht es unseres Erachtens auch nicht darum, wie vielfach behauptet wird, religiöse Gruppierungen zu diskriminieren oder gar ein Zweiklassenreligionsgesetz zu verabschieden, sondern es geht darum, für jene religiösen Bekenntnisgemeinschaften, die bestimmte Kriterien erfüllen, auch einen Rechtsstatus zu schaffen, den sie bisher nicht hatten.

Meine Damen und Herren! Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen – da gebe ich Kollegen Amon schon recht –, daß es heute auch in unserem Staate Gruppierungen gibt, denen es vorrangig nicht um die Vermittlung religiöser Inhalte geht, sondern um wirtschaftliche Interessen; oft auch darum, Menschen psychisch, physisch, sozial und wirtschaftlich in Abhängigkeiten zu führen.

Nun bin ich auch der Auffassung, daß es nicht Aufgabe des Staates ist und auch nicht sein kann, zu bewerten oder zu beurteilen, woran jemand glaubt, was jemand glauben will oder kann. Ich meine aber dennoch, daß es sehr wohl Aufgabe der Politik ist, aufklärend und informativ zu wirken, um Menschen vor diesen Gefahren zu bewahren.

Die sozialdemokratische Fraktion hat sich eingehend mit dieser Materie befaßt. Zahlreiche Gespräche mit Vertretern von Religions- beziehungsweise Glaubensgemeinschaften haben stattgefunden, und ich darf sagen, daß wir bereits im Vorfeld der Diskussion drei für uns besonders wichtige Kriterien einer möglichen Anerkennung formuliert haben. Ich darf diese hier kurz ansprechen.

Es ist absolut unakzeptabel, daß bei der Glaubensvermittlung psychotherapeutische Methoden Anwendung finden. – Das war unser erster Punkt. Der zweite Punkt war, daß der Eintritt in eine religiöse Gemeinschaft, aber auch der Austritt aus einer solchen absolut freiwillig zu erfolgen hat. Der Austritt muß sogar möglich sein, wenn man sich bei der zuständigen Bezirkshaupt


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mannschaft abmeldet. Und drittens haben wir verlangt, daß anläßlich des Austrittes keinerlei Gebühren oder sonstige finanzielle Leistungen vom Austretenden verlangt werden dürfen.

Ich glaube auch und sage es noch einmal ganz bewußt, daß die Diskussion im Unterausschuß konstruktiv war. Es wurde eine Reihe von Bedenken verfassungsmäßiger Natur genannt. Wir haben daraufhin zwei Abänderungsanträge und eine Ausschußfeststellung formuliert. Wir haben sie gemeinsam eingebracht, und sie wurden letztlich – und das muß ich schon dazu sagen – einstimmig verabschiedet – auch mit den Stimmen der Opposition. Ich denke, daß damit doch die wesentlichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt wurden.

Ich darf jetzt einen weiteren Antrag einbringen:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Dieter Antoni, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. § 11 Abs. 2 erster Satz lautet:

"Dieses Bundesgesetz findet auf laufende Verwaltungsverfahren auf Grund des Gesetzes betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften Anwendung." – Kollege Kier ist jetzt leider nicht da, denn jetzt kommt jener Paragraph, den er eben noch massiv kritisiert hat.

2. § 11 Abs. 3 entfällt.

*****

Wir sind daher der Auffassung, daß dieses Gesetz ein guter Weg ist, um vielen religiösen Gruppen in Österreich einen rechtlichen Status zu verleihen und ihr Wirken auch entsprechend zu unterstreichen. Dennoch glauben wir, daß wir bereit sein sollten, uns nach einigen Jahren der Wirksamkeit dieses Gesetzes noch einmal zusammenzusetzen, um Überlegungen anzustellen, welche Verbesserungen, welche Adaptierungen aufgrund weiterer gesellschaftlicher Entwicklungen notwendig sind. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

19.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag der Abgeordneten Dr. Antoni und Dr. Khol zu diesem Bundesgesetz ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die freiwillige Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.36

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg: Wir stimmen dem Rückverweisungsantrag der Freiheitlichen und der Liberalen zu. Ich halte es gerade nach dem, was wir im Ausschuß beraten haben, und auch nach dem, was ich zwischenzeitlich in Gesprächen erfahren habe, für eine Notwendigkeit – auch wenn hier nur mehr ein sehr schütteres Publikum dieser Debatte lauscht –, diese Frage weiter zu diskutieren, bevor wir zu einem Beschluß kommen.

Ich stelle eines vorweg fest: Ich will hier keiner Fraktion unterstellen, daß sie die Absicht hätte, nicht konsequent gegen bestimmte Gruppierungen, die sich als Sekten oder religiöse Kulte ausgeben, vorzugehen. Das will ich keiner Fraktion unterstellen. Und gerade darum, weil ich Kollegen Amon nicht nur im Ausschuß, sondern auch nach dem Ausschuß als jemanden kennengelernt habe, der in dieser Frage durchaus differenziert zu argumentieren vermag, so


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wie das Kollege Kier auch von Kollegen Khol gesagt hat, ist es mir unverständlich, daß wir hier und heute diesen Gesetzentwurf so beschließen sollen. – Es war immerhin Kollege Khol, der gesagt hat, der Begriff "Sekte" ist ein Kampfbegriff der katholischen Kirche und daher unbrauchbar. So wie ich die beiden Kollegen kennengelernt habe – dazu zähle ich alle anderen Kollegen auch, die sich im Unterausschuß in dieser Frage beraten haben –, ist es mir wirklich unverständlich.

Denn eines möchte ich schon feststellen: Im Ausschuß und auch nach dem Ausschuß hat es von seiten der Regierungsparteien nicht nur Abänderungsanträge – einen davon erleben wir auch heute –, sondern auch Bedenken zu diesem Gesetz gegeben, ob es in der vorliegenden Form tatsächlich einigermaßen den rechtlichen Grundlagen entspricht.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich muß Ihnen schon sagen, ich bin überrascht, daß Sie steif und fest behaupten, dieses Gesetz sei auf dem Prüfstand des liberalen Rechtsstaates. Und wenn wir dieses Gesetz nicht beschließen, dann gebe es Probleme, dann gehe möglicherweise der liberale Rechtsstaat vor die Hunde. Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, könnte ich Ihnen jetzt die Stellungnahmen von zahlreichen Ministerien vorlesen, vom Innenministerium, vom Außenministerium, vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, vom Justizministerium, vom Familienministerium, die alle ablehnend sind. Alle Spitzenbeamten in den Ministerien, die sich zu diesem Gesetz geäußert haben – es sind nicht nur die Ministerien, die sich dazu geäußert haben –, lehnen es ab, betonen, daß dieses Gesetz in wesentlichen Grundsätzen verfassungswidrig ist.

Und da kommen Sie her und sagen, wenn wir dieses Gesetz nicht beschließen, dann ist der liberale Rechtsstaat gefährdet. Sie nehmen sich doch selbst nicht ernst! Man kann nicht oft genug betonen, welcher Unfug hier mit Wörtern, mit Kampfbegriffen getrieben wird: "Liberaler Rechtsstaat auf dem Prüfstand"; "Wenn wir dem nicht zustimmen, ist alles in Gefahr!" (Abg. Dr. Niederwieser: Wer?) – Das war Kollege Amon.

Meine Damen und Herren! Wenn ich einen Gesetzentwurf mit dermaßen vernichtenden Kritiken von zahlreichen Ministerien, aber nicht nur von diesen, sondern auch von Kirchen, von Kirchenrechtlern, von anderen Institutionen hätte, dann würde ich etwas vorsichtiger sein und würde etwas in mich gehen und mich fragen, ob vielleicht mit diesem Gesetzentwurf doch einiges nicht in Ordnung ist.

Das sind nicht nur die Ministerien und nicht nur die Spitzenbeamten. Ich war selbst erstaunt, daß mir im Ausschuß Ministerialbeamte, mit denen ich Gespräche geführt habe, sozusagen als Kronzeugen für dieses Gesetz einen Kirchenrechtler genannt haben, nämlich Professor Potz. Ich habe dann nach diesem Ausschuß die Stellungnahme von Professor Potz ausführlich gelesen, und ich war selbst erstaunt, als ich feststellen mußte, daß gemäß dieser Stellungnahme des Universitätsprofessors Potz, Institut für Kirchenrecht, kein Punkt von diesem Gesetz übrigbleibt, der einigermaßen zu vertreten wäre.

Es gibt auch Stellungnahmen der Evangelischen Kirchen, Augsburger und Helvetisches Bekenntnis, und es ist kein Zufall – das ist eine Minderheitenkirche in Österreich, die in dieser Frage ganz sicher etwas sensibler ist –, daß auch in dieser Stellungnahme der Evangelischen Kirchen klar zum Ausdruck kommt, daß sie bei diesem Gesetz große Bedenken haben.

Sogar in der einzigen absolut positiven Stellungnahme, nämlich jener der Bischofskonferenz der katholischen Kirche, kommt zum Ausdruck, daß man eigentlich über dieses Gesetz weit hinausdenken und die Fragen der Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften, wie sie im Anerkennungsgesetz geregelt sind, grundsätzlich neu überdenken müßte. Die katholische Kirche erklärt dazu im Rahmen der Bischofskonferenz, sie sei dazu bereit. Aber wenn ich so in die Regierungsparteien hineinhöre, dann kann ich nicht feststellen, daß irgend jemand bereit wäre, darüber zu diskutieren.

Und das ist ein Problem, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, das Sie mit diesem Entwurf haben. Sie ignorieren im Prinzip sämtliche Stellungnahmen, sogar die der katholischen Kirche, die sagt, daß auch das Anerkennungsgesetz in der alten Form zur Debatte


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stehe, die sagt: Wir wünschen uns eine Debatte über die Rolle und den Stellenwert von Kirchen und Religionsgemeinschaften in dieser Gesellschaft, und daher sind wir auch bereit, über dieses Anerkennungsgesetz zu diskutieren.

Alle Stellungnahmen betonen das, aber Sie gehen mit einer – ich würde meinen – Unverfrorenheit her und sagen, wenn wir dieses Gesetz nicht beschließen, dann ist alles im Eimer, dann überrollen die Sekten Österreich.

Meine Damen und Herren! Da möchte ich Sie schon darauf hinweisen: Bringen Sie zuerst Ihre Hausaufgaben in Ordnung! Klären Sie die Verhältnisse auch in bezug auf sogenannte Sekten und destruktive Kulte – oder welchen Begriff immer Sie verwenden wollen, weil alle Begriffe in dieser Hinsicht problematisch sind. Aber eines sei in diesem Zusammenhang schon gesagt, und das hat auch Kirchenrechtler Potz in seiner Stellungnahme, von der ich glaube, daß sie allen Fraktionen zugeleitet worden ist, betont: Dieses Gesetz, auch wenn Sie es in der vorliegenden Form beschließen, ist nicht geeignet, die Frage der Sekten in irgendeiner Form zu klären und zu regeln. In keiner Weise! (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Was Sie mit diesem Gesetz machen, ist meiner Ansicht nach – mit dieser Meinung stehe ich nicht allein da –, in verfassungsrechtliche Freiheiten grob einzugreifen.

Herr Kollege Niederwieser! Du kannst entrüstet sein, aber das ist nicht meine Meinung. Ich wiederhole, es ist die Meinung von zahlreichen Ministerien, von Kirchenrechtlern und auch von großen Kirchen, die das ebenso sehen wie die Grünen, die Liberalen und seit neuem auch die Freiheitlichen. Es ist nicht so, als ob hier nur eine kleine Gruppe, eine kleine Partei ihre Meinung vertreten würde, sondern das zieht sich durch alle Stellungnahmen. Du mußt diese Stellungnahmen auch lesen. Ich erwarte das. Wir hatten erst nach dem Ausschuß die Möglichkeit, alle Stellungnahmen zu lesen, und ich habe sie sehr gründlich studiert, das kann ich versichern. Ich habe sie sehr gründlich studiert, und es gibt keinen Zweifel daran, daß alle diese Stellungnahmen zu diesem Gesetz eigentlich vernichtend sind, vor allem hinsichtlich der großen Grundsätze, die dieses Gesetz zu regeln versucht.

Ich nenne nur einige:

Das Gesetz erhebt den Anspruch – der Begriff ist auch schon gefallen –, ein Zweiklassengesetz für die Religionsgemeinschaften zu sein. Das stimmt nicht, betone ich. Wir haben nicht zwei Klassen, wir haben mindestens fünf Klassen. Wir haben die Kirchen und Religionsgesellschaften, die schon nach dem Anerkennungsgesetz anerkannt sind, von denen – darauf wird auch in den Stellungnahmen hingewiesen – nur vier oder fünf – es sind insgesamt zwölf – übrigbleiben würden, wenn wir die Kriterien dieses neuen Gesetzes über religiöse Bekenntnisgemeinschaften anwenden würden. Nur vier oder fünf würden übrigbleiben! Wie lautet deine Antwort, Kollege Niederwieser, darauf, daß nur vier oder fünf übrigbleiben würden?

Wir haben aber nicht nur das Anerkennungsgesetz, sondern weiters auch dieses neue Bundesgesetz über religiöse Bekenntnisgemeinschaften, das zwei Klassen schafft: die religiösen Bekenntnisgemeinschaften und jene, die nach dem neuen Verfahren, das das alte Anerkennungsgesetz derogiert, als Kirchen oder Religionsgesellschaften anerkannt werden sollen. Das geschieht aber nach einem völlig anderen Schlüssel, nach völlig anderen Prinzipien. Das heißt also, wir haben inzwischen eine dritte Klasse: die Religionsgemeinschaften nach dem neuen Gesetz und die anerkannten Kirchen nach dem neuen Gesetz.

Dann haben wir noch eine vierte Klasse, das sind jene religiösen Gemeinschaften, die seit 1981 nach dem Vereinsgesetz anerkannt werden.

Und dann haben wir eine fünfte Klasse, das sind jene religiösen Gemeinschaften, die nicht anerkannt werden; weder nach dem neuen Gesetz, das wir heute beschließen sollen, noch nach dem Vereinsgesetz.

Ich frage mich schon, wie man angesichts dessen so vermessen sein und sich herausstellen und sagen kann: Damit regeln wir die Sektenproblematik. Keine Spur davon! Sich ein bißchen mit diesem Problem auseinanderzusetzen – ich glaube, Kollege Amon hat sich schon damit


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auseinandergesetzt –, das würde nicht schaden. Kollege Kier hat sehr richtig darauf verwiesen, in welchem Gewand sich derartige Gemeinschaften verstecken. Diese brauchen keine Anerkennung nach dem neuen Gesetz. Für diese reicht es, nach dem Vereinsgesetz anerkannt zu werden. Und wenn das nicht reicht, dann treten sie als Arbeitsmarktbetreuungsverein – das gibt es auch –, als Firmenberatung, Managementberatung oder was weiß ich sonst auf. Und niemand kann sie offensichtlich daran hindern, denn einen Fall haben wir zumindest in einer Anfrage von seiten der Freiheitlichen beziehungsweise in einem Bericht der Stadtzeitung "Falter" schon öffentlich. Niemand kann und will verhindern, daß eine Gruppe wie beispielsweise Scientology im Auftrag des Arbeitsmarktservice tätig wird. – Na ja, das passiert halt! Wie können wir das prüfen?

Und Sie glauben, daß Sie das mit diesem Gesetz verhindern können? Über soviel Einbildung kann man nur lachen. Selbstverständlich ist das nicht möglich. Hinter diesem Gesetz steht eine grobe Anmaßung des Gesetzgebers, aber nicht nur eine Anmaßung, sondern auch ein Versuch, in Grundrechte einzugreifen. Der Gesetzgeber maßt sich vor allem in bestimmten Ausführungen einiges an, beispielsweise in § 11, in dem er verlangt, daß für das Anerkennungsverfahren "eine positive Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft" notwendig ist – das ist die Ziffer 4 – oder "keine gesetzwidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften sowie sonstigen Religionsgemeinschaften".

Das ist eine grobe Anmaßung, würde ich meinen, denn selbstverständlich – wir haben auch in den Ausschußberatungen darüber diskutiert – gibt es so etwas wie Konkurrenz zwischen den Religionsgemeinschaften. No na net! Es würde doch – Kollege Kier hat auch darauf hingewiesen – beispielsweise niemand dem Islam vorwerfen wollen, daß er in einer klaren Konkurrenz zur katholischen Kirche steht. Nach diesem Gesetz wäre der Islam nicht anzuerkennen. Er hat kein positives Verhältnis zur katholischen Kirche. Er hat auch nicht unbedingt ein positives Verhältnis zu Gesellschaft und Staat.

Und ich sage Ihnen noch eines: Keine Weltanschauungsgemeinschaft, die nach dem Vereinsgesetz anerkannt werden muß, keine Partei, die in Österreich nach dem Parteiengesetz anerkannt werden kann, braucht diese positive Grundeinstellung zu haben, und Sie maßen sich an, den Leuten in ihr religiöses Bekenntnis hineinzupfuschen. Sie maßen sich an, jenen vorschreiben zu wollen, daß sie erstens die Differenz zu anderen Religionsgemeinschaften klarmachen und zweitens in ihrer religiösen Auffassung ein positives Verhältnis zu Staat und Gesellschaften nachweisen müssen. Wissen Sie eigentlich, worüber Sie sprechen? – Ich glaube, Sie wissen es nicht.

Es geht in der konkreten Auseinandersetzung mit bestimmten religiösen Gruppierungen, Sekten, Kulten – wie auch immer Sie das nennen wollen – um ganz konkrete Phänomene. Ich klammere die Gruppe Scientology aus, weil sie meiner Ansicht nach keine religiöse Gruppierung ist. Ich klammere sie aus. Wir müßten das ganz woanders behandeln. Aber wenn ich etwa über die Fragen der Zeugen Jehovas diskutieren will, fallen mir zwei Sachen ein, die ich als Gesetzgeber in einer Auseinandersetzung mit den Zeugen Jehovas diskutieren will und auch diskutieren muß: Das ist zum einen die Frage des Elternrechts bei den Transfusionen für minderjährige Kinder – eine sehr schwierige Frage, weil auch Grundrechte davon betroffen sind, aber eine wichtige Frage im Interesse der Kinder.

Die zweite Frage, von der ich glaube, daß man sie mit den Zeugen Jehovas klären müßte und auch klären kann, ist die Frage, wie Zeugen Jehovas beispielsweise mit den Personen umgehen, die im Rahmen der Zeugen Jehovas in – ich weiß nicht, wie das heißt – ordensähnlichen Gemeinschaften unentgeltlich tätig sind, teilweise ihr Leben lang dort sind, aber im Krankheitsfall nach Hause geschickt werden. Weil sie das Vertrauen Gottes verloren haben, werden sie hinausgeschickt. Das halte ich nicht nur für unmenschlich, sondern das halte ich für einen Diskussionsfall, bei dem sich der Staat mit einer Religionsgemeinschaft auseinanderzusetzen hat, welche Bürde oder welche Lasten diese Religionsgemeinschaft auf den Staat oder auch auf die Familie überwälzen will. Ich halte es für ein legitimes Verlangen, diese Fragen genauso wie jene der Bluttransfusion zu klären. (Abg. Dr. Leiner: Darüber kann man aber mit ihnen nicht reden!)


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Das halte ich für völlig legitim, aber das bedarf einer anderen Auseinandersetzung, Herr Kollege Leiner. Diese Möglichkeiten könnten auch geschaffen werden. Suchen Sie den Dialog mit diesen Gruppierungen! (Abg. Dr. Leiner: Ich habe den Dialog gesucht – als Arzt!) Ich habe auch im Unterausschuß vorgeschlagen, ein Gremium zu schaffen, in dem es möglich ist, diese Auseinandersetzung zu suchen und Regelungen zu finden, die die Konflikte zwischen Staat und Religionsgemeinschaften entschärfen. Aber bitte erklären Sie mir, was das mit der positiven Grundeinstellung zu Staat und Gesellschaft zu tun hat! Sie werden doch wohl nicht von den Zeugen Jehovas verlangen, daß sie von ihrer grundsätzlichen Haltung als Wehrdienstverweigerer Abstand nehmen. (Abg. Dr. Leiner: Nein, nein!) Nein, nein, sagen Sie, aber genau das ist ein Punkt. (Abg. Dr. Leiner:  ... die Bluttransfusion!)

Was hat die Bluttransfusion mit der positiven Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft zu tun? – Sie hat nichts damit zu tun. Sie hat ganz konkret etwas mit Menschenrechten zu tun. (Beifall beim Liberalen Forum.) Sie hat ganz konkret etwas mit Grundrechten von Kindern zu tun, aber sie hat nichts mit dem zu tun, was Sie hier zu beschreiben versuchen, meine Damen und Herren! Damit hat sie absolut nichts zu tun.

Ich verlange von Ihnen in der Auseinandersetzung auch mit den kleinen Kirchen, mit den religiösen Gruppierungen, mit den Sekten etwas Seriosität, und diese lassen Sie vermissen.

Die Grenze der 16 000 ist eine Grenze, die Sie ganz bewußt eingezogen haben, um nicht nur zu verhindern, daß sogenannte destruktive Kulte und Sekten nicht anerkannt werden. Sie verhindern damit auch die Anerkennung von jahrtausendealten Kirchen, beispielsweise der koptischen Kirche, Sie verhindern die Anerkennung der Mennoniten – das ist Ihnen kein Problem – und der Baptisten. Diese gibt es zwar noch nicht Tausende Jahre, aber immerhin schon über 100 Jahre.

Das sind Probleme, denen Sie sich stellen müssen, aber Sie wollen sich nicht stellen. Sie beschließen ein Gesetz beziehungsweise haben vor, es hier in diesem Haus zu beschließen, von dem Sie überzeugt sind und auch wissen, daß es nicht geeignet ist, die Sektenproblematik zu regeln. Sie sind überzeugt davon, daß Sie damit einzig und allein den anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften helfen. Damit soll es durchaus seine Bewandtnis haben. Sie wissen zum Beispiel wahrscheinlich nicht, was im Gutachten des Professors Potz eine Rolle gespielt hat, nämlich daß beispielsweise eine Kirche wie die Herrnhuter Brüderkirche aus 380 Personen bestanden hat. Diese ist im Jahr 1880 von der alten Donaumonarchie anerkannt worden, und zwar als Kirche – Anerkennungsgesetz – anerkannt worden.

Diese religiöse Gemeinschaft, die es nicht mehr gibt, die aber nach wie vor nach dem Anerkennungsgesetz als Religionsgemeinschaft geführt wird, hätte nach Ihren Gesetzen überhaupt keine Chance mehr, anerkannt zu werden. Ich glaube auch, die katholische Kirche hätte nach diesen Grundlagen, die Sie hier beschließen, keine Chance mehr, anerkannt zu werden. – Wissen Sie eigentlich, was Sie hier beschließen, meine Damen und Herren? (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

19.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser gemeldet. Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. Ich bitte, die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu beachten.

19.55

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Kollege Öllinger hat darauf hingewiesen, daß der Islam nach diesem Gesetz nicht mehr anerkannt werden könnte, weil er keine positive Grundeinstellung zur katholischen Kirche aufweist, die nach diesem Gesetz angeblich vorgeschrieben wäre.

Ich berichtige tatsächlich und brauche dazu nur das Gesetz oder den Entwurf vorzulesen:

Es braucht eine "positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat" und – dann kommt es, Kollege Öllinger, das ist ein großer Unterschied – "keine gesetzwidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften


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sowie sonstige Religionsgemeinschaften". – Keine gesetzwidrige Störung! Das ist etwas ganz anderes als eine positive Grundeinstellung zur katholischen Kirche. Sie verwechseln hier einiges. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Öllinger: Ich verzichte auf eine persönliche Erwiderung! Das ist zu tief! – Abg. Dr. Khol: Er kennt weder das Gesetz noch die Geschäftsordnung!)

19.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Er hat das Wort.

19.57

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Öllinger hat seine Rede mit der Frage beendet: Wissen Sie eigentlich, was Sie beschließen? (Abg. Schwarzenberger: Wir schon, aber er nicht!) – Herr Kollege Öllinger! Wir wissen sehr wohl, was wir beschließen. Wir beschließen es bewußt, weil wir das wollen. Wir haben eine Absicht dahinter. Wir beschließen ganz einfach das konkrete Ergebnis dessen, was wir seit mehr als einem halben Jahr verhandelt haben, was wir diskutiert haben und was heute zur Beschlußfassung vorliegt.

Ich möchte deswegen ganz besonders auf manche Äußerungen von einigen Oppositionsrednern eingehen, weil ich als Obmann des Unterrichtsausschusses und als Obmann des Unterausschusses, in dem dieses gesamte Gesetz behandelt worden ist, natürlich einiges erlebt habe, was im Gegensatz zu dem Verhalten steht, das jetzt im Plenum an den Tag gelegt wird.

Erstens: Es wird der große Vorwurf ausgesprochen, dieses Gesetz wäre verfassungswidrig. Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Barmüller: Das ist "genausowenig" verfassungswidrig wie die Werkvertragsregelung!) Wenn wir als die beiden Regierungsparteien ÖVP und SPÖ die Auffassung gehabt hätten, daß wir dabei etwas Verfassungswidriges machen, dann hätten wir möglicherweise zum Instrument der Verfassungsbestimmung gegriffen et cetera. (Abg. Dr. Kier: Das ist eine Auffassungsfrage, das ist richtig!) Aber wir sind der Auffassung, daß das verfassungskonform ist, was wir in diesem Gesetz vorlegen. Deswegen ist keine einzige verfassungsrechtliche Bestimmung in diesem Gesetz enthalten.

Herr Kollege Öllinger! Wichtig ist: Es kann jeder, der glaubt, in irgendeiner Form wäre eine Bestimmung verfassungswidrig, selbstverständlich den Verfassungsgerichtshof anrufen und auf diese Weise versuchen, eine verfassungsgesetzliche Entscheidung herbeizuführen. Der Verfassungsgerichtshof könnte es aufheben. Das heißt, wir lassen den Gang zum Verfassungsgerichtshof selbstverständlich offen, weil wir wissen, daß das ganz wichtig ist, und weil wir der Überzeugung sind, daß wir dem Hohen Haus mit dieser Vorlage eine verfassungskonforme Vorlage zugestellt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zweitens: Mich hat die historische Betrachtung des Kollegen Kier, der ich aufmerksam gefolgt bin, ein bißchen irritiert, als er sehr einseitig gesagt hat: Mit der Behauptung, einer Sekte angehört zu haben, ist man in den Tod geschickt worden. – Kollege Kier! Was Sie nicht dazugesagt haben, ist die Realität, die sich in den letzten 12 bis 19 Jahren weltweit abgespielt hat. Es waren nicht solche, von denen behauptet worden ist, daß sie einer Sekte angehören, die von Nicht-Sektenmitgliedern getötet worden sind. Ich habe mir die Statistik der letzten 19 Jahre für diese Debatte zusammengestellt. (Abg. Dr. Kier: Aber die erwischen Sie mit diesem Gesetz nicht! – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Kier! In den letzten 19 Jahren waren es nicht weniger als 1 273 Massenmorde und Massenselbstmorde, die in solchen Sekten passiert sind. (Abg. Öllinger: Und was wollen Sie da mit diesem Gesetz?) Das ist die Realität, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sekten haben ihre eigenen Mitglieder ermordet, und daher gilt es selbstverständlich, sehr sorgsam mit derartigen Gruppierungen umzugehen. Alleine in den letzten fünf Jahren gab es 240 Morde beziehungsweise Selbstmorde in derartigen Sekten.

Das heißt, hier handelt es sich um Gruppierungen, wo man große Achtung im Sinne von Vorsicht walten lassen muß, weil wir Derartiges in Österreich nicht haben wollen. Wir wollen recht


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zeitig davor warnen. Wir wollen alles tun, um derartige Erscheinungen nicht nach Österreich zu bringen! (Beifall bei der ÖVP.)

Die dritte Behauptung lautete: Sie machen ein Gesetz, weil Sie ganz einfach schnell etwas machen wollen, um alles, was ein Problem der Sekten ist, zu lösen. – Wir wissen, Kollege Öllinger und Kollege Kier, daß das nur ein Aspekt des gesamten Spektrums ist. Wir wissen, daß zweifellos sehr viel an Wertauseinandersetzung notwendig ist, um die Menschen zu gewinnen, damit sie nicht in die Hände der Sekten gelangen.

Aber wir machen mit diesem Gesetz eines: Wir nehmen erstmals seit dem Jahre 1874 eine substantielle Neuregelung vor, die überhaupt die Chance gibt, eine Art Zwischenstufe für derartige Kategorien vorzusehen, womit die Möglichkeit gegeben ist, wenn gewisse Kriterien erfüllt werden, daß diese Rechtspersönlichkeit sui generis erworben wird. Das ist es, was wir mit diesem Gesetz erreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von der Österreichischen Volkspartei und sicherlich auch die Sozialdemokratische Partei sind bereit, jederzeit wiederum über neue Aspekte, die dieses Sektenproblem aufwirft, zu diskutieren. Wir haben auch das Angebot gemacht, eine Enquete über die Gefahren von Sekten im Parlament abzuhalten. Es ist möglich, solches zu beschließen.

Wir sind überzeugt davon, daß wir mit diesem Gesetz eine gute Arbeitsgrundlage schaffen, und wir sind der Frau Bundesministerin dankbar, daß sie den Mut aufgebracht hat, nach Jahrzehnten dieses Gesetz ins Hohe Haus zu bringen. Denn es ist notwendig, es ist wünschenswert, und ich glaube, es ist eine gute Grundlage für die nächsten Jahre, um mit all den religiösen Gruppierungen umzugehen. – Wir stimmen mit Überzeugung zu. (Beifall bei der ÖVP.)

20.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich nunmehr Frau Bundesministerin Gehrer zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.04

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Die Problematik, was eine Sekte ist, was eine pseudoreligiöse Gemeinschaft ist, was eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft ist, wurde gerade in den letzten Jahren heftig diskutiert. Ich habe sehr viele Gespräche geführt, und es wurde in diesen Gesprächen immer wieder der Wunsch geäußert, es solle doch die Möglichkeit geben, kleineren Bekenntnisgemeinschaften, religiösen Bekenntnisgemeinschaften eine Rechtspersönlichkeit zu geben.

Diese Diskussion wurde auch vor dem Hintergrund des Vereinsrechtes geführt. Wir haben all das sehr genau geprüft und gesehen, daß das im Vereinsrecht eben nicht möglich ist. Nach einer jahrelangen Diskussion haben wir uns dann entschlossen, dieses Gesetz zur Möglichkeit einer Rechtspersönlichkeit für religiöse Bekenntnisgemeinschaften vorzulegen.

Es hat niemand behauptet, daß damit die Sektenproblematik absolut gelöst ist, daß es damit nicht mehr passieren kann, daß es pseudoreligiöse Gruppierungen gibt. Es ist aber so, daß durch dieses Gesetz eine gewisse Orientierungshilfe gegeben werden kann. Wenn ich mir anschaue, warum eine Rechtspersönlichkeit gemäß § 5, der schon mehrfach erwähnt wurde, versagt wird, so bezieht sich die Untersagung auf Artikel 9 der Menschenrechtskonvention. Im Anschluß daran gibt es Erläuterungen, welche Gründe es dafür gibt. Diese Erläuterungen wurden vorgenommen, um den Empfehlungen aus dem Begutachtungsverfahren zu entsprechen.

Ich möchte einmal zur Kenntnis bringen, was hier steht. Artikel 9 der Menschenrechtskonvention: Zu versagen ist es, wenn dies im Hinblick auf die Lehre oder deren Anwendung zum Schutz der in einer demokratischen Gesellschaft gegebenen Interessen der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheit anderer notwendig ist.


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Dann wird weiters ausgeführt: Dies ist insbesondere bei Aufforderung zu einem mit Strafe bedrohten gesetzwidrigen Verhalten, bei einer Behinderung der psychischen Entwicklung von Heranwachsenden, bei Verletzung der psychischen Integrität und bei Anwendung psychotherapeutischer Methoden, insbesondere zum Zwecke der Glaubensvermittlung, gegeben.

Damit sagen wir ganz klar: Wenn diese Umstände vorliegen, dann wird die Rechtspersönlichkeit versagt. Damit wird in kein Grundrecht eingegriffen. Man kann keinem erwachsenen Menschen auf der Welt verbieten, sich einer pseudoreligiösen Gruppierung anzuschließen. Wir können aber den Menschen in unserem Lande Orientierungshilfen geben. Das halte ich für wichtig und richtig!

Es war ein großer Wunsch von kleinen Religionsgemeinschaften, diese Rechtspersönlichkeit erwerben zu können. Es war nicht der Wunsch, die große Körperschaft öffentlichen Rechts zu erhalten. Mit diesem Gesetz haben wir diese Möglichkeit geschaffen. Ich sage Ihnen, alle Begutachtungen, alle Stellungnahmen, die gekommen sind, haben wir sehr intensiv gelesen. Gerade Herr Universitätsprofessor Potz schreibt in seinen Einleitungssätzen, daß er diesen Entwurf sehr begrüßt. Daraufhin macht er noch Anregungen, wie es sich weiterentwickeln kann. Es gibt immer wieder Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Möglichkeiten zur Verbesserung.

Ich stelle daher ganz klar fest: Dieses Gesetz ist die Möglichkeit für religiöse Bekenntnisgemeinschaften, Rechtspersönlichkeit zu erwerben. Es ist aber auch die Möglichkeit, unter den von mir genannten Bedingungen diese Rechtspersönlichkeit zu versagen und damit den Menschen in unserem Land Orientierungshilfe zu geben. Es widerspricht nicht dem Grundrecht auf freie Religionsausübung, und nach eingehender oftmaliger Prüfung widerspricht es auch nicht unserer Verfassung. Damit, so glaube ich, haben wir eine gute Basis für eine weitere konstruktive Arbeit in diesem Bereich geschaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Grollitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

20.09

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir debattieren hier über ein Sondervereinsgesetz für religiöse Zwecke. Heute hat Kollege Höchtl die Katze aus dem Sack gelassen und von einem Sektenvermeidungsgesetz – zwar nicht expressis verbis, aber dem Inhalt nach – gesprochen.

Frau Bundesminister! Wir verkennen nicht die Bemühungen, diese Problematik in den Griff zu bekommen, und wir verkennen auch nicht Ihren Versuch, eine Religionsgemeinschaft mit den fünf oder sieben von Ihnen vorgegebenen Punkten zu definieren. Wir haben aber nach eingehenden Beratungen auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht – Frau Kollegin Madl hat das bereits angedeutet – die Erkenntnis gewonnen, daß dieses Gesetz in der vorliegenden Form nicht reif zur Abstimmung ist. Wir haben im Ausschuß dafür plädiert, daß man uns die Gelegenheit geben möge, Formulierungen zu finden, die zu einem Mehrparteien- beziehungsweise zu einem Fünfparteienantrag führen können. Denn diese sensible Materie verträgt es nicht, daß man aus der Hüfte schießt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Bundesminister! Sie haben uns jetzt in sehr idealistischer Form Ihre Motive dargelegt. Sie haben uns nicht gesagt – was Kollege Öllinger angedeutet hat –, welche Not besteht, welche Fristversäumnisse es bereits gibt, wie unfinanzierbar das Gesetz 1978, würde man es konsequent weiter anwenden, für uns im Grunde ist. Ihre idealistischen Vorgaben halten der Realität nicht stand.

Kollege Höchtl hat jetzt gesagt, daß wir ein halbes Jahr darüber beraten haben. Ich würde mir wünschen, daß er das im Futurum gesagt hätte. – Geben Sie uns doch dieses halbe Jahr, darüber zu verhandeln! Denn so, wie wir im Ausschuß mit anschließendem Unterausschuß und dann sofort wieder im Ausschuß quasi zur Abstimmung gezwungen wurden, ist das nicht tolerabel. Wir haben bereits im Ausschuß eine Zustimmung zu Teilen dieses Gesetzes mit Vorbe


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halt angemeldet, weil wir erst post festum, also nach den Beratungen, die Unterlagen in entsprechender Form zur Verfügung gestellt bekamen.

Die vorliegende Materie ist nicht abstimmungsreif. Ich hatte allerdings im Ausschuß auch nicht den Eindruck, daß dermaßen grundsätzliche Bedenken, wie sie heute von Liberalen und Grünen vorgebracht wurden, bestanden. Ich hatte vielmehr den Eindruck, daß insbesondere nach einem Hearing und nach entsprechenden Vorbereitungen tatsächlich eine Fünfparteieneinigung möglich sein könnte. Daher bitte ich Sie, auch die beiden Oppositionspartien, diese Möglichkeit offenzulassen. Vielleicht ist es seitens der Regierungsparteien doch noch möglich, einen Schritt zurück zu tun, vielleicht kehrt doch Vernunft ein, vielleicht gibt man uns die Möglichkeit, hier noch einmal mitzumachen!

Kollege Stadler hat vor diesem Ausschuß im "Kurier" die Sache auf den Punkt gebracht: Mit einem neuen Anerkennungsgesetz die Sektenproblematik formen zu wollen ist eine Themenverfehlung. – Genau so ist es: Das ist ein Versuch, die Angelegenheit in den Griff zu bekommen und die Dinge trotzdem nicht expressis verbis zu nennen, das ist ein Um-den-heißen-Brei-Herumgehen, jedoch kein Griff in die Materie. Das Thema ist noch nicht ausgegoren und ausdiskutiert.

Daher wiederhole ich noch einmal die Bitte, dem Antrag auf Rückverweisung in den Ausschuß doch nachzukommen. Wir wollen mit diesem Hüftschußgesetz – und das ist es letzten Endes – keinesfalls die Fünf-Klassen-Religionsgemeinschaften, wie sie Kollege Öllinger genannt hat, schaffen. Übrigens gäbe es noch eine sechste, nämlich die nichtreligiösen Bekenntnisgemeinschaften, die man auch noch subsumieren müßte. Man wollte – so ist das seitens der ÖVP über die Medien gekommen – die Grauzone beseitigen. Folglich hat man Grauschattierungen in verschiedenster Form bis hin zum tiefen Schwarz geschaffen. Und das zu erhalten, wird wohl der eigentliche Grund dieses Gesetzes gewesen sein. Daher bitte ich, unserem Antrag zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte.

20.14

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde an diesem Rednerpult von verschiedenen Vorrednerinnen und Vorrednern immer wieder auf die Regierungsvorlage beziehungsweise auf die Begutachtungsstellungnahmen hingewiesen, und genau mit diesen Stellungnahmen zu einem Begutachtungsentwurf wurden die Verfassungswidrigkeit oder gravierende Einwände argumentiert. Das ist vielleicht auch das Problem dieser Diskussion. Denn, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir stimmen nicht ab über den Begutachtungsentwurf oder über die Regierungsvorlage, sondern wir stimmen ab über den Bericht des Unterrichtsausschusses, und diesem ist ein Gesetz beigedruckt, das wesentliche Änderungen erfahren hat. (Abg. Öllinger: Damit kommst du nicht durch, Kollege Niederwieser!) Ein paar dieser Änderungen, die genau die genannten Einwände berücksichtigen, werde ich Ihnen jetzt aufzählen.

Erstens: Ein Kritikpunkt bestand darin, daß gemäß § 2 eine Sechsmonatsfrist vorgeschrieben ist, die Fristen normalerweise aber kürzer sind. – Wir haben im Ausschußbericht eine eindeutige Stellungnahme dahin gehend abgegeben, weshalb diese Sechsmonatsfrist notwendig ist. Gleichzeitig wurde ein damals noch vorhandener Abs. 3 gestrichen, wonach diese Frist von sechs Monaten ständig verlängert werden und es praktisch zu einem sehr langen Verfahren kommen hätte können. Der Grund für diesen gravierenden Einwurf wurde komplett beseitigt, diesen Einwänden wurde also Rechnung getragen.

Zweitens: In einigen Beiträgen wurde auch eingewendet, daß es schwierig ist, den Nachweis zu erbringen, daß jemand keiner anderen religiösen Bekenntnisgemeinschaft oder Religionsgemeinschaft angehört. – Es gibt im Ausschußbericht eine Klarstellung, wie das zu erfolgen hat, nämlich beispielsweise durch eine eidestattliche Erklärung. Auch diesem Einwand wurde also Rechnung getragen.


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Drittens, und das war der wirklich zentrale Punkt: Kollege Öllinger, ich habe die Stellungnahmen auch durchgesehen, nur habe ich mir danach die Zeit genommen, auch den Ausschußbericht und den Entwurf zu lesen, über den wir jetzt abstimmen: Die wesentlichen Untersagungsgründe waren nicht der Menschenrechtskonvention nachgebildet, die Formulierung war eine etwas andere. Jetzt haben wir die Untersagungsgründe im § 5 exakt nach der Menschenrechtskonvention formuliert. (Abg. Öllinger: Gott sei Dank!)

Vierter Punkt: Schutz der psychischen Integrität insbesondere Jugendlicher. Es ist von seiten der Freiheitlichen der Einwand im Hinblick auf eine Bestimmung gekommen, daß die psychische Integrität auch durch Psychotherapeuten hätte verletzt werden können, wenn sie die entsprechende Ausbildung dafür haben. Dieser Einwand der Freiheitlichen – das sage ich hier unumwunden – hat uns durchaus eingeleuchtet, und es wurde diesem Rechnung getragen. Die entsprechende Bestimmung findet sich jetzt in einer anderen Formulierung.

Fünfter Punkt: Kollege Kier hat sich sehr daran gestoßen, daß es besondere Zustellbestimmungen, eine Art Sonderzustellgesetz gegeben hat. – Dieser Paragraph fehlt jetzt, nunmehr gilt das normale Zustellverfahren.

Sechster Punkt: Es hat auch Bedenken gegeben, daß unter gewissen Umständen Verfahren, die derzeit anhängig sind, nicht hätten zu Ende geführt werden können. Kollege Antoni hat bereits einen entsprechenden Abänderungsantrag verlesen.

Mit all dem möchte ich Ihnen sagen, daß Sie, wenn Sie hier Einwände aus dem Begutachtungsverfahren zitieren, auch die Größe haben müßten, anzuerkennen, daß in dem Beschluß, den wir heute hier fassen, einer ganzen Reihe wesentlicher Einwände wirklich Rechnung getragen wird, sodaß wir sagen können: Dieses Gesetz entspricht unserer Verfassung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Jetzt könnte man noch sagen: Es gibt die bestehenden anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften, und es gibt es diejenigen, die nach dem neuen Gesetz zu bewerten sind, und da herrschen andere Voraussetzungen. Ich nenne Ihnen dazu ein Beispiel aus vielen: Der Nationalrat hat ein GesmbH-Gesetz beschlossen und hat für neue Gesellschaften mit beschränkter Haftung wesentlich strengere Auflagen vorgeschrieben, die diese jetzt zu erfüllen haben. Nichtsdestotrotz gibt es Tausende bestehende GesmbHs, die natürlich mit einem geringeren Stammkapital weiterbestehen können. In diesem Zusammenhang gibt es eine Reihe ähnlicher Materien. Das ist keineswegs verfassungswidrig!

Interessant war, wie die Freiheitlichen reagiert haben. Die Freiheitlichen haben im Ausschuß eine Reihe von Einwänden vorgebracht. Die Fraktionen haben im Unterausschuß untereinander und mit den anwesenden Experten des Ressorts eine durchaus konstruktive Diskussion geführt. (Abg. Madl: Mit welchen?) Ich meine, daß es dafür ausgezeichnete Experten gibt.

Dann hat sich folgendes ereignet: Sie haben gesagt, daß Sie die Stellungnahme des Verfassungsdienstes nicht haben. Zwei Stunden später stellte sich heraus, daß Sie die Stellungnahme des Verfassungsdienstes selbstverständlich gehabt, das aber nicht realisiert haben, weil sich auf Seite 1 das Deckblatt des Bundeskanzleramtes befand, da die Stellungnahmen des Verfassungsdienstes vom BKA verschickt werden. Sie mußten also zugeben, daß Sie die Stellungnahme ohnedies hatten, diese nur nicht gesehen beziehungsweise nicht als solche erkannt haben.

Unabhängig davon stand fest, daß Sie im Ausschuß zunächst zustimmen werden. Da Sie aber vorher die Zustimmung Ihres "Obertheologen" Stadler nicht eingeholt hatten, war fraglich, was Sie letztlich tun würden. "Ayatollah" Stadler hat dann offensichtlich gemeint, daß Sie dagegen stimmen sollen. Daher denke ich, daß uns das nicht allzu sehr berühren sollte. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Ayatollahs gehören zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft mit anerkannten Funktionen. Ich bitte dich! Was soll dieser Einwand ausgerechnet von dir? (Abg. Wabl: Wir wissen genau, wie es gemeint war!)


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Lassen Sie mich daher abschließend feststellen: Der Eindruck, der von Oppositionsseite erweckt wurde, daß wir die Religionsfreiheit einschränken, ist in keiner Weise zutreffend. Durch dieses Gesetz werden Kriterien für jene religiösen Bekenntnisgemeinschaften, die eine staatliche Anerkennung wünschen, festgeschrieben – nicht mehr und nicht weniger. Ich glaube, daß wir damit einer Reihe von Anträgen, die derzeit vorliegen, in durchaus verfassungskonformer Weise Rechnung tragen können, ohne in irgendeiner Form in die Religionsfreiheit einzugreifen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Horngacher. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.22

Abgeordnete Katharina Horngacher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte in dieser Debatte etwas tiefer gehen, denn wenn über Religionsbekenntnisse gesprochen wird, dann sollte auch über Religion gesprochen werden.

Meine Damen und Herren! Religion ist im Leben vieler Menschen sehr wichtig. Der Mensch spürt, daß hinter allem eine Ordnung stehen muß, das heißt, daß es einen lenkenden Gott geben muß. Religion dient der Wertorientierung im Zusammenleben der Menschen. Gerade die christliche Kirche, die mit ihren zehn Geboten Gottes ganz klar aussagt, daß das erste Gebot die Gottesliebe ist, die sich in der Nächstenliebe ausdrückt, hat durch viele Jahrhunderte vorgegeben, wie wir miteinander umgehen und miteinander leben sollten. Hätten sich die Menschen mehr daran gehalten, dann gäbe es mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt! (Beifall bei der ÖVP.)

Grundsätzlich hat jeder Bürger unseres Landes das Recht auf freie Religionsausübung. Österreich hat mehrere staatlich anerkannte Kirchen. Mit dem neuen Gesetz soll nun der Begriff der religiösen Bekenntnisgemeinschaften festgeschrieben werden. Da aber bei manchen Gruppierungen schwer durchschaubar ist, welchem Zweck ihre Gemeinschaft dient, muß bei der Anerkennung folgendes berücksichtigt werden:

Die Religionsgemeinschaft muß ihre Statuten offenlegen – das halte ich für besonders wichtig –, sie muß ihre Zwecke und Ziele sowie die Rechte und Pflichten der Angehörigen darstellen. Die Anerkennung darf nur gewährt werden, wenn sich die Lehre nicht gegen Gesundheit und Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer richtet. Nicht anerkannt werden dürfen solche Gemeinschaften, wenn eine Behinderung der psychischen Entwicklung von Heranwachsenden oder die Anwendung psychotherapeutischer Methoden zum Zwecke der Glaubensvermittlung gegeben ist. Denn es wäre gefährlich, wenn ausgebildete Psychotherapeuten zum Zwecke der Glaubensvermittlung eingesetzt werden dürften.

Den Menschen darf der freie Wille durch nichts genommen werden. Daher ist es wichtig, daß der Austritt bei der Bezirksverwaltungsbehörde erfolgen kann, und es darf keine finanziellen Gebühren und Hürden wegen des Austrittes geben.

Gerade in einer Zeit, in der wir zunehmend mit der sogenannten Orientierungslosigkeit von jungen Menschen konfrontiert sind, es aber andererseits eine tiefe Sehnsucht nach Sinngebung und eine tiefgründige Diskussion über Werte und einen gewissen Trend zur Bildung neuer Gemeinschaften gibt, müssen wir genau differenzieren. Zum Schutz der jungen Menschen, die irgendwo Halt suchen, muß pseudoreligiösen Gruppierungen, die nur auf wirtschaftlichen Profit ausgerichtet sind, Einhalt geboten werden. Daher wäre es wichtig, den jungen Menschen echte Vorbilder zu geben, denn dann würden die Gurus weniger Zulauf haben.

Das neue Gesetz gibt den Bekenntnisgemeinschaften die Möglichkeit, mehr als nur ein Verein zu sein. Und jenen, die nur auf Geschäftemacherei aus sind oder gegen Menschenrechte verstoßen, muß auch in Zukunft jede Anerkennung versagt bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Abgeordnetem Kier möchte ich jetzt auch einmal etwas sagen: Sie bemängeln immer hauptsächlich das Procedere in den Ausschüssen oder sonstwo, gehen jedoch kaum auf die direkte Thematik ein. Ich habe von Ihnen noch wenig konstruktive Vorschläge gehört. (Beifall bei der


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ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Kier. ) Ich finde es unerhört, wenn man in diesem Zusammenhang von Inquisition spricht!

Herr Abgeordneter Öllinger! Sie haben sich so sehr an der positiven Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat gestoßen. Es geht aber darum, daß diese Bekenntnisgemeinschaften die Anerkennung des Staates wollen, und wenn sie die Anerkennung des Staates wollen, dann werden sie diesem Staat gegenüber doch eine positive Grundeinstellung haben, denn sonst brauchen sie die Anerkennung dieses Staates nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Von den Freiheitlichen bin ich auch etwas enttäuscht. Im Ausschuß haben sie einen sehr guten Abänderungsvorschlag eingebracht, den wir unterstützt haben. Dieser ist durch den Ausschuß gegangen, und die Freiheitlichen haben dort erklärt, daß sie diesem Gesetz die Zustimmung geben werden. Heute ist offenbar wieder alles anders. Das ist schade. Wir hätten uns gefreut, wenn ihr diesem Gesetz zugestimmt hättet, denn das ist ein wichtiger Schritt. (Beifall bei der ÖVP.)

20.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vorläufig letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Stippel. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.27

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Als Sozialdemokrat möchte ich die Feststellung treffen, daß Sozialdemokratie und Religion keine Gegensätze darstellen. Vielmehr achten wir das Bekenntnis zu einem religiösen Glauben ebenso wie zu einer nicht religiösen Weltanschauung als innerste persönliche Entscheidung jedes einzelnen Menschen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher stehen wir diesem Gesetzentwurf positiv gegenüber, und das insbesondere deshalb, weil drei wichtige Grundvoraussetzungen, die mein Kollege Antoni schon genannt hat, für unsere Zustimmung vorliegen. Ich wiederhole diese: Es darf keinen psychotherapeutischen Druck auf Mitglieder geben, ein Ein- und Austreten muß ohne Probleme möglich sein, und es darf auch keinerlei Repressalien wirtschaftlicher und sozialer Art bei einem Austritt geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist dem Vereinsgesetz nachgebildet, das bekanntlich die Gründung von Religionsgesellschaften untersagt, wird jedoch strenger gehalten – auch das ist kritisiert worden –, etwa betreffend die Anzahl der Mitglieder. In diesem Entwurf wird der Erwerb der Rechtspersönlichkeit für eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft normiert, und dieser Erwerb der Rechtspersönlichkeit ist wiederum die Voraussetzung für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft. Derzeit gibt es, wie in dieser Debatte schon erwähnt wurde, zwölf in Österreich.

Durch die Anerkennung gemäß dem Gesetz, das wir heute zu beschließen haben, erlangt man sozusagen eine hervorgehobene Position als Bekenntnisgemeinschaft. Es liegen derzeit bekanntlich über 20 Anträge im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vor, und bis vor kurzem gab es diesbezüglich verschiedene Rechtsansichten der Höchstgerichte. Mit dem Erkenntnis vom 28. April dieses Jahres hat sich der Verwaltungsgerichtshof aber der Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen.

Bei Antrag auf Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz von 1874 ist entweder eine Anerkennungsverordnung oder ein ablehnender Bescheid zu erlassen. Das heißt, es besteht ein durchsetzbarer Rechtsanspruch, dem die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen des Gesetzes von 1874 allerdings nicht mehr entsprechen. Es ist also notwendig, diese Gesetzeslücke zu schließen, und das soll mit dem heute zum Beschluß vorliegenden Gesetzentwurf geschehen.

Wichtig ist – auch das wurde bereits hervorgehoben –, daß es keinerlei Verfassungsbestimmungen im Gesetz gibt. Das heißt, daß jederzeit die Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof gegeben ist, und es gibt jedenfalls auch keinerlei Eingriffe in bestehende Grundrechte.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Gemäß Artikel 63 des Staatsvertrages von St. Germain sowie gemäß Artikel 6 des Staatsvertrages von 1955 ist allen Einwohnern die freie Religionsausübung garantiert, und zwar privat und öffentlich, gleichgültig, ob die Religionsgemeinschaft gesetzlich anerkannt ist oder nicht. Nunmehr geht es aber um die Möglichkeit des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit für eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft. Mit dem nun in Kürze hier zu beschließenden Bundesgesetz wird das Tor hierzu aufgetan, und wir werden diesem Öffnen der Tür gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstattung wird nicht begehrt.

Wir kommen zu den Abstimmungen, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Zum Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften in 1013 der Beilagen haben die Abgeordneten Dr. Kier und Madl und Genossen je einen Rückverweisungsantrag gestellt.

Ich lasse daher über diese Rückverweisungsanträge abstimmen und bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, den Gesetzentwurf in 1013 der Beilagen an den Unterrichtsausschuß rückzuverweisen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen daher jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1013 der Beilagen.

Die Abgeordneten Dr. Antoni, Dr. Khol und Genossen haben dazu einen Abänderungsantrag betreffend § 11 eingebracht.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag vorliegt, werde ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Antoni, Dr. Khol und Genossen abstimmen lassen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist mehrheitlich angenommen worden.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

7. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (934 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (1014 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht und Antrag des Unterrichtsausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung geändert wird (1015 der Beilagen)


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9. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (935 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (1017 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (936 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (1018 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (937 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird (1016 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 472/A (E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen betreffend die Fortführung der Fachschule für Mode und Bekleidungstechnik der Gemeinschaft der Kreuzschwestern in Bruck/Mur (1021 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 7 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen sofort in die Debatte ein.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Schöggl das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

20.35

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Damen und Herren! Frau Minister, ich darf um Ihre Aufmerksamkeit bitten, und zwar in erster Linie, um einmal eine Gratulation auszusprechen.

Wie bestellt steht in der morgigen Ausgabe des "Kurier": "Vorzugszeugnis. Gratulation. Wir sind Vorzugsschüler. Die OECD verglich die Bildungs-Systeme" und so weiter. – Herzlichen Glückwunsch, Frau Minister! Irgendwo muß diese Erfolgsstory allerdings abreißen. Aber darauf werde ich etwas später zu sprechen kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Berufsreifeprüfung ist grundsätzlich als Bestandteil eines durchgängigen Bildungssystems zu begrüßen. Andererseits darf es sich hiebei nicht um eine Billigausgabe der Matura oder um eine Okkasionsmatura – wie auch immer man das nennen will – handeln. In Inseraten wird jetzt schon dafür geworben, daß man mit nur vier Prüfungen zur Matura kommt und damit die volle Studienberechtigung erreicht.

In diesem Zusammenhang mehren sich zunehmend auch innerhalb der Lehrerschaft die kritischen Stimmen. Sie kennen sicherlich die Zeitschrift der GÖD, dem starken Partner für eine sichere Zukunft – dabei geht es noch um die Pensionsdebatte –, ich zitiere:

"Was also bleibt unterm Strich? Einige wenige werden sich bis zur Universität durchschlagen, vielen werden unrealistische Hoffnungen gemacht. Hoffnungen, die insbesondere dann bitter zerstört werden, wenn die TeilnehmerInnen ihre Entscheidung ändern wollen. Denn: Teilprüfungen der herkömmlichen Matura werden bei einem Umstieg auf die Berufsreifeprüfung voll


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anerkannt, der umgekehrte Vorgang gilt jedoch nicht. Doch dann ist es zu spät, Zeit und Geld sind vertan. So könnte sich unversehens eine neue Sackgasse auftun – die der Berufsreifeprüfung." – Soweit Lehrer des BFI in der Zeitschrift der GÖD vom November 1997.

Sehr geehrte Frau Minister! Anscheinend haben Sie Angst vor der eigenen Courage bekommen, und deshalb wird dem § 46 des Schulorganisationsgesetzes ein Satz, der in seiner Unverbindlichkeit kaum zu überbieten ist, angefügt, der da lautet: "Zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung sind interessierte Schüler nach Möglichkeit durch Differenzierungsmaßnahmen im Unterricht und durch Freigegenstände zu fördern."

Da fragt man sich: Wer soll das bezahlen? Es darf ja nicht mehr kosten. Es findet sich hier kein Wort darüber, was geschieht, wenn dieser Verpflichtung, die ja eigentlich keine ist, nicht entsprochen wird, weil dafür keine Möglichkeit besteht. Daher bleibt dies ein Satz nach dem Motto: Nutzt es nichts, so schadet es auch nichts. Es wird quasi eine Beruhigungspille verabreicht, de facto wird es jedoch zu keinen Förderungen kommen. Es wird dies ein unverbindlicher Satz im Gesetz bleiben.

Die Schaffung der Möglichkeit, die im Ausschuß diskutiert wurde, daß Begabte Teilprüfungen vor dem Abschluß der Ausbildung absolvieren können, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Förderungen wird es jedoch, wie gesagt, aufgrund dieses lapidaren Satzes nicht geben.

Nun zum Thema Berufsorientierung: Frau Minister! Sie haben im Ausschuß einige Möglichkeiten skizziert, wie diese Berufsorientierung Ihrer Meinung nach ausschauen könnte. Es soll Exkursionen geben, es sollen Aufsätze über Betriebsbesuche geschrieben werden, es soll im Geschichte- und im Sprachunterricht auf betriebliche Geschehnisse eingegangen werden. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß damit echte Berufsorientierung entstehen kann, vor allem in Anbetracht dessen, daß das auch nicht mehr kosten darf. Die Lehrer sind auf diese Aufgabe nicht vorbereitet.

Ich bin überzeugt davon, daß die Berufsbefähigung in der Beherrschung der Grundfähigkeiten Lesen, Rechnen und Schreiben liegt. Der Mangel an diesen Fähigkeiten wird von der Wirtschaft besonders beklagt.

So schrieb zum Beispiel der "Kurier" am 28. Februar 1997 unter der Überschrift "Was Hänschen nicht lernt": Viele Betriebe müssen den Lehrlingen Lesen, Schreiben und die Grundrechnungsarten beibringen. – Genau das ist es, Frau Minister, was ich meine, wenn ich sage: Von der Weltmeisterlichkeit in der Volksschule oder in der Grundstufe bleibt bis zum Eintritt in die weitere Ausbildung und in die Berufsausbildung leider nicht mehr viel übrig.

Das möchte ich kritisieren, Frau Minister. Veranlassen Sie durch Straffung und Entfrachten der Lehrpläne ein Rückbesinnen auf die wesentlichen Grundfähigkeiten, über welche die Schüler beim Eintritt ins Berufsleben verfügen müssen, nämlich Lesen, Schreiben und Rechnen! Denn genau das ist es, was für den Berufseintritt und die Berufsorientierung heute notwendig ist.

Abschließend möchte ich meine Enttäuschung über das trotz aller Bemühungen eingetretene Auslaufen der Brucker Modeschule zum Ausdruck bringen. Bedauerlicherweise hat sich auch Kollegin Huber aus Bruck an der Mur nicht stärker dafür engagiert. Vor allem war es ein Antrag der Sozialdemokraten im steirischen Landtag, der darauf ausgerichtet war, die Existenz dieses Ausbildungszweiges aufrechtzuerhalten. Ich ersuche Sie hier wie schon im Ausschuß, Frau Minister, im Namen der ausbildungswilligen Mädchen, dort eine Alternative – vielleicht im Rahmen einer anderen Schule – zu schaffen.

Einerseits wollen wir Berufsorientierung, andererseits werden berufsbildende Schulen und berufsbildene Speziallehrgänge unter dem Diktat der leeren Kassen geschlossen. Frau Minister! Das ist nicht die Schulpolitik und die praxisorientierte Bildungspolitik, die wir Freiheitliche uns vorstellen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.41


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102. Sitzung / Seite 143

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Höchtl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

20.42

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute wiederum eine Reihe von Schulgesetzen zu verhandeln und zu beschließen. Darunter fallen auch Einrichtungen, die für die Zukunft der Schule zweifellos von besonderer Bedeutung sind. Ich möchte in meinem Debattenbeitrag – Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion werden zu anderen Bereichen Stellung nehmen – insbesondere die Möglichkeit, in Hinkunft für Bundesschulen die Teilrechtsfähigkeit zu erwerben, in den Mittelpunkt stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was heißt das eigentlich? – Wir haben in der Schulpolitik in den vergangenen Jahren das Ziel verfolgt – wir haben das systematisch, Schritt für Schritt, hier im Nationalrat diskutiert, umgesetzt und auch in den Schulen verwirklicht –, daß die einzelne Schule ein möglichst hohes Ausmaß an Eigenständigkeit und Selbständigkeit bekommen soll. Die Teilrechtsfähigkeit ist nun ein Schritt, den wir aufgrund positiver Erfahrungen in anderen Bereichen in den Bereich der Bundesschulen hereinbringen.

Was meine ich mit den anderen Bereichen? – Wir haben – Gott sei Dank! – vor einigen Jahren die Teilrechtsfähigkeit für Universitäten und Bundesmuseen beschlossen. Ich möchte Ihnen diesbezüglich eine Erfolgszahl nennen: Allein für die Universitäten hat die Teilrechtsfähigkeit bewirkt, daß im Jahre 1996 sage und schreibe 1 200 Millionen Schilling zusätzlich durch Aktivitäten der einzelnen Institute für Österreichs Universitäten erworben werden konnten. Ich halte das für ein großes, beachtliches Ausmaß an Geld. Dieses Geld konnte wiederum für Zwecke der Verbesserung der Universitäten verwendet werden. Ich denke, das war ein wichtiger Schritt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. )

Wenn wir diese Möglichkeit nun den Bundesschulen eröffnen, heißt das, daß im eigenen Verantwortungsbereich, also auf eigenen Namen und eigene Rechnung, die einzelne Schule in eigenverantwortlichem Handeln die Möglichkeit hat, Lehrveranstaltungen anzubieten, Aufträge für Dritte zu übernehmen, unentgeltliche Rechtsgeschäfte durchzuführen, beispielsweise EDV-Kurse für berufstätige Ingenieure anzubieten et cetera. Das heißt, der Kreativität und dem Einfallsreichtum der Verantwortlichen in den einzelnen Schulen ist dabei fast keine Grenze gesetzt außer der einen Grenze, daß die Aufgabe der Schule nicht beeinträchtigt werden darf.

Wir haben uns in wirklich langen Beratungen dazu entschlossen, den Bundesschulen diese Möglichkeit zu eröffnen. Ich glaube zwar nicht, daß sie jenes Ausmaß an zusätzlichen Geldern bringen wird, das wir für die Universitäten im vergangenen Jahr bereits erreichen konnten – das wäre schön –, rechne aber persönlich damit, daß mit diesen eigenen Aktivitäten im ersten Jahr vielleicht schon mehr als 100 Millionen Schilling den einzelnen Schulen zusätzlich zugeführt werden können. Wenn das möglich ist, wenn diese mehr als 100 Millionen Schilling gewonnen werden können, dann hat es sich meiner Ansicht nach gelohnt, den Bundesschulen diese Möglichkeit einzuräumen. Deswegen sagen wir ein klares und eindeutiges Ja zu den neuen Möglichkeiten der Teilrechtsfähigkeit für die Bundesschulen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil wir im Zuge der gesamten Schulmaterien selbstverständlich auch diskutiert haben, welche Probleme rund um die Schulen vorhanden sind und von welchen Problemen zunehmend leider auch die Schüler als Zielgruppe in Beschlag genommen werden, haben wir zwei Entschließungsanträge ausgearbeitet, die ich jetzt im Namen von Kollegen Antoni und mir einbringen möchte. Es handelt sich zunächst um einen Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen für eine drogenfreie Schule.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen, daß allein in Österreich jährlich mehr als 200 Jugendliche am Drogenkonsum sterben. Die Zahl der drogenabhängigen Jugendlichen nimmt bedauerlicherweise zu. Jugendliche, ja Schüler kommen immer stärker ins Visier von Dealern. Künstliche Drogen werden sogar hauptsächlich für die Zielgruppe der Schüler und


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Jugendlichen produziert und ihnen angeboten. Manchmal wird dieses Problem leider auch verharmlost.

Die Frau Unterrichtsministerin hat vor wenigen Tagen den Vorschlag gemacht, im Umkreis von 300 Metern rund um Schulen eine Schutzzone nach dem Vorbild der Schutzzonen in der Stadt New York zu errichten. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist auch ein Ausdruck der Haltung der Frau Bundesminister, wonach man von Beispielen aus anderen Ländern lernen kann, in denen wirksam etwas unternommen wird. Man sollte sich nicht scheuen, derartige Beispiele auch nach Österreich zu transferieren.

Wir denken, daß die gesamte Drogenproblematik in einem breiteren Rahmen gesehen werden muß. (Abg. Jung: Hinterher werden Sie das nicht einmal lesen!) Wir wollen Maßnahmen in Angriff nehmen, mit denen Drogenkontakte bei Kindern überhaupt verhindert werden sollen und Drogenaufklärung verstärkt werden soll. Deswegen möchte ich nun diesen Entschließungsantrag verlesen. Er lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Höchtl, Dr. Dieter Antoni und Kollegen betreffend Maßnahmen für eine drogenfreie Schule

"Die Frau Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ersucht, für die Umsetzung nachstehender Maßnahmen für eine drogenfreie Schule zu sorgen:

1. Drogenaufklärung im Unterricht durch Projektarbeit in den Schulen

2. Vortragsreihen an den Schulen für Lehrer, Eltern und Schüler

3. Besonderes Seminar-Angebot in der Lehrerfortbildung

4. Einbindung der Schulärzte

5. Elterninitiativen: Information und Aufklärung, Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen und Vereinen".

*****

Das fordern wir, weil wir, die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ, davon überzeugt sind, daß wir das Drogenproblem nicht unterschätzen dürfen und daß wir verpflichtet sind, in der Politik alles zu tun, damit Jugendliche und im besonderen Kinder vor diesen unverantwortlichen Dealern wirklich geschützt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Firlinger: Verzehnfachung!)

Nun zum zweiten Entschließungsantrag, dem Antrag bezüglich Erziehung zur Gewaltfreiheit. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute, am 10. Dezember, der "Tag der Menschenrechte". Ich erachte es als eine gute Kombination, daß wir auch im Bereich der Schule überlegt haben, diese Maßnahme zu setzen. Wir denken zwar, daß wir nicht alles mit der Schule und den dort engagierten Lehrpersonen regeln können, aber vielfach ist die Schule ein Spiegelbild der Gesellschaft. Wir können nicht alle Defizite ausgleichen, wollen jedoch trotzdem Möglichkeiten vorsehen, wie die Schule zur Gewaltfreiheit erziehen und wie sie die Idee der Friedfertigkeit forcieren kann.

Deswegen möchte ich dazu ebenfalls einen Entschließungsantrag einbringen, der folgenden Wortlaut hat:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Josef Höchtl, Dr. Dieter Antoni und Kollegen betreffend Erziehung zur Gewaltfreiheit


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"Die Frau Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ersucht, im Rahmen der Erziehung zur Friedfertigkeit folgende Maßnahmen umzusetzen:

Vermittlung von Methoden der Aggressionsbewältigung und Erziehung zu Friedfertigkeit sowie der gewaltfreien Konfliktbewältigung in allen Formen des Unterrichts;

Ausweitung der verbindlichen Übung ,Soziales Lernen‘;

verstärkte und übergreifende Verankerung des ,Sozialen Lernens‘ in allen Lehrplänen, somit Einbeziehung des Themas in die Lehrplanentwicklung 1999;

Einbindung entsprechender Lehrinhalte in die Lehreraus- und -fortbildung; in diesem Zusammenhang Entwicklung spezieller Angebote an den pädagogischen Instituten;

Förderung der gewaltfreien Erziehung im Bereich der Elternbildung."

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir diese zwei wichtigen Themen mit den anderen Punkten einbringen, die wir heute diskutieren und beschließen werden, so geschieht dies deswegen, weil wir denken, daß wir versuchen sollten, in den Schulen alles, was wir können, an positiven Maßnahmen zu setzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir von den Regierungsparteien möchten alle anderen Fraktionen herzlich einladen, diesen positiven Vorschlägen zuzustimmen – im Interesse der Kinder, im Interesse der Jugendlichen und im Interesse der Zukunft unserer österreichischen Jugend. Wir stimmen gerne diesen Vorlagen zu. (Beifall bei der ÖVP.)

20.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Höchtl hat zwei Entschließungsanträge vorgetragen, die überreicht wurden, geschäftsordnungsgemäß unterstützt sind und in die Verhandlung miteinbezogen werden.

Frau Abgeordnete Schaffenrath ist die nächste Rednerin. – Bitte.

20.53

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf die recht zahlreichen Aspekte dieser Tagesordnungspunkte eingehe, möchte ich zur Vorgangsweise rund um den letzten Unterrichtsausschuß Stellung nehmen. Ich kann einfach nicht glauben, daß seriöse Ausschußarbeit so aussehen sollte.

Ich mußte wegen einer Terminkollision den Ausschuß nach ungefähr einer halben Stunde verlassen. Ich hatte zwar Gelegenheit, dort meine Einwände und Ergänzungswünsche zu deponieren, aber bei der Diskussion und bei der Beschlußfassung konnte ich nicht mehr anwesend sein. (Abg. Schwemlein: Mir hat das gefehlt!) Dabei war im Vorfeld mit dem Klubsekretär ausdrücklich vereinbart und ihm zur Kenntnis gebracht worden, daß ich um 13 Uhr in den Unterausschuß des Gleichbehandlungsausschuß wechseln mußte. Ich nehme an, der Klubsekretär behält solche Informationen nicht für sich und hat sie in letzter Konsequenz auch an Sie weitergegeben.

Ich gebe zu, daß sich die Liberalen im Zusammenhang mit den Rechtspersönlichkeiten von religiösen Bekenntnisgemeinschaften besonders für die Einsetzung eines Unterausschusses stark gemacht haben, und zwar mit gutem Grund. Das hätte noch viel ausführlicher diskutiert gehört, wie auch die heutige Diskussion zeigt.

Herr Ausschußobmann Höchtl! Sie wissen selbstverständlich, daß das längst überfällige Schulzeitgesetz ursprünglich für einen Unterausschuß vorgesehen war, und Sie wissen ebenso, daß eine Diskussion über das Schulzeitgesetz nicht einmal im Ansatz dieses Ausmaß an Zeit


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erfordert hätte. Es war jedenfalls von seiten der Liberalen weder gewünscht noch so vorgesehen, daß der übergroße Anteil der Zeit des Unterrichtsausschusses für diesen Unterausschuß verwendet wurde.

Auf diese Weise ergab sich dann die Situation, daß immerhin sieben meiner Ansicht nach durchaus wichtige Materien – auf eine davon sind Sie ja ausführlich eingegangen – in nur mehr sehr kurzer Zeit diskutiert werden konnten – wenn dafür der Begriff "Diskussion" überhaupt noch angebracht ist. Ich empfinde Ausschüsse in dieser Form – ich bitte Sie, zu entschuldigen, daß ich es so konkret ausdrücke – als Zeitverschwendung. Ich empfinde diese Vorgangsweise, Herr Kollege Höchtl, tatsächlich als unkollegial und unhöflich, und ich denke, daß sie von schlechtem Stil zeugt. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Höchtl: Sie brauchen nicht hinzugehen, wenn es Sie nicht interessiert, wenn Sie hier eine solche Bewertung vornehmen!) Ja, das weiß ich schon, Herr Kollege Höchtl! Mit Bewertungen im allgemeinen – außer die Werte stammen von Ihnen höchstpersönlich – haben Sie sowieso Probleme. Sie werden mir sicherlich auch noch eine Begründung dafür geben, Hoher Ausschußvorsitzender, daß der Antrag der Liberalen, über den ein Bericht des Ausschusses erfolgte, heute nicht hier auf der Tagesordnung steht.

Aber nun doch zu den einzelnen Verhandlungsmaterien. Die Liberalen stehen der Möglichkeit zur Schaffung von teilrechtsfähigen Einrichtungen im Rahmen des SchOG selbstverständlich grundsätzlich positiv gegenüber. Es ist dies eigentlich eine schon mehrfach von liberaler Seite erhobene Forderung. Wir haben auch schon Anträge eingebracht, die bisher leider konsequent abgelehnt wurden. Ich gebe Ihnen recht, daß eigenverantwortliches Handeln zumindest in einem bestimmten Bereich der öffentlichen Schulen jedenfalls – zumindest grundsätzlich – einen richtigen Schritt darstellt, und zwar aus mehreren Gründen.

Wir erhoffen uns, daß ein Angebot von Kursen und Lehrgängen für den Bereich der Erwachsenenbildung jedenfalls das Ausbildungsangebot insgesamt signifikant verbreitern wird. Wir denken auch, daß eine entgeltliche Durchführung von Lehrgängen, von Prüf- und Entwicklungsaufgaben mit den Ressourcen einer Schule letztendlich – zumindest langfristig – zu einer Entlastung des öffentlichen Haushaltes wird beitragen können.

Aber noch viel wichtiger ist für uns eigentlich die Tatsache, daß dadurch endlich Lehrer und Lehrerinnen einer öffentlichen Schule auch tatsächlich in die Lage versetzt werden, wirtschaftliches und wettbewerbsorientiertes Handeln an den Schulen umzusetzen. Wir erhoffen uns davon einen positiven Nebeneffekt und in letzter Konsequenz auch langfristige Auswirkungen und eine Rückwirkung auf die Schule und ihre innere Organisation.

Selbstverständlich hoffen wir auch, daß dieser Schritt in Richtung Rechtsfähigkeit zielstrebig dazu führen wird, daß wir wirklich echte autonome Schulen entwickeln, Schulen, die auch im personellen, nicht nur im finanziellen Bereich, sowie vor allem im pädagogischen Bereich wirklich selbständig entscheiden können. Wir sind davon überzeugt, daß es durch die Wettbewerbsfähigkeit zu einer deutlichen Verbesserung des Bildungsangebotes kommen kann. Selbstverständlich hätte die öffentliche Hand sehr weit gefaßte Rahmenbedingungen vorzulegen, die zumindest soziale Fairneß gewährleisten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

In Ihrer Regierungsvorlage sind Mängel und Defizite, die im Rahmen des Begutachtungsverfahrens aufgezeigt wurden, zumindest zum Teil bereits korrigiert worden. Ich halte diesen Schritt insgesamt wirklich für einen tauglichen Versuch. Wir werden daher auch diesem Teil sowie allen anderen die Teilrechtsfähigkeit betreffenden Gesetzen zustimmen, obwohl es in einigen Bereichen durchaus noch Verbesserungen hätte geben können. Ich meine damit insbesondere den Bereich Transparenz und Kontrolle.

Es ist meines Erachtens nicht erklärbar, warum dem Schulgemeinschaftsausschuß lediglich in sehr unverbindlicher Form – im Rahmen einer Ausschußfeststellung – die Möglichkeit zur Einsichtnahme durch den Schulleiter eingeräumt werden soll. Wenn wir es mit Schuldemokratie und mit einer Weiterentwicklung in Richtung autonome Schule wirklich ernst meinen, dann hätte


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es an dieser Stelle meiner Ansicht nach einer klaren gesetzlichen Regelung bedurft. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Eigentlich zu vage und für uns unerklärlich ist, aus welchem Grund die Eignung von möglichen externen Geschäftsführern für diese Rechtseinheiten lediglich aus einem Naheverhältnis zur Schule abgeleitet wurde. Für uns Liberale ist das wesentliche, ja alleinige Kriterium jedenfalls eine umfassende Managementfähigkeit des Bewerbers. Ein Naheverhältnis zur Schule kann dafür jedenfalls nicht ausschlaggebend und nicht ausreichend sein.

Die Kontrolle durch den Rechnungshof ist selbstverständlich grundsätzlich zu begrüßen, wiewohl sich dabei die Frage nach der vorgegebenen Kostenneutralität stellt. Denn wenn der Rechnungshof in dieser Hinsicht in Zukunft viele Einheiten zu überprüfen haben wird, dann sollte auch sichergestellt werden, daß der Rechnungshof über die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen verfügen kann, damit er diesem Kontrollauftrag auch im notwendigen Maße und de facto nachkommen kann.

Ein weiterer Punkt ist mir wichtig. Ich frage mich, aus welchem Grund die Berichtslegung an den Nationalrat über die Auswirkungen dieses Gesetzes auf diese Art, nämlich im Rahmen einer Ausschußfeststellung, festgelegt wird. Ich halte diese Form für – ich möchte fast sagen – kurios und bringe dazu folgendes Zitat: Aufgrund einer Erklärung der Frau Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten geht der Unterrichtsausschuß davon aus, daß binnen drei Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes dem Nationalrat über die Auswirkungen – und so weiter – berichtet wird.

Einmal abgesehen davon, daß es in spätestens zwei Jahren Neuwahlen geben wird und daß es heute keineswegs schon sicher ist, wie sich die Regierung dann zusammensetzen wird, also abgesehen von einer wirklich politischen Unverbindlichkeit einer solchen Feststellung, frage ich mich, was die Koalitionsparteien zu einer solchen Unterwürfigkeit, zu einem solchen sprachlichen Kotau verführt hat. Ich frage Sie daher: Wäre es so unschicklich und wäre es tatsächlich aus der Sicht des Unterrichtsressorts eine Insubordination, wenn der Nationalrat die Ressortleiterin hier ganz konkret in Form eines Entschließungsantrages auffordern würde, nach einer bestimmten Zeit dem Nationalrat einen Bericht zur Debatte vorzulegen? (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Öllinger. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen dieses SchOG – auch Herr Kollege Schöggl hat bereits darauf hingewiesen – sollten eigentlich auch noch andere, meiner Ansicht nach sehr groß angekündigte Maßnahmen in den Bereichen Berufsorientierung und Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung im Bereich der Berufsschule umgesetzt werden. Ich halte beide Zielsetzungen inhaltlich und sachlich für grundsätzlich in Ordnung und begrüßenswert, dabei stellt sich jedoch wieder die Frage nach dem Wie. Diese Frage können wir Liberale nur folgendermaßen beantworten: Genau das ist es, was wir Reformpopulismus nennen, wenn nämlich die Lautstärke und der Umfang der Ankündigung leider verkehrt proportional zur anschließenden Umsetzung in der Praxis und im Gesetz ist.

Auch der Landesschulratspräsident von Oberösterreich hat im Rahmen der Begutachtung unmißverständlich deutlich gemacht, daß für die Einführung des Gegenstandes "Berufsorientierung" konkrete Rahmenbedingungen und auch Ressourcen notwendig sein werden, damit ein wirklich wichtiger Gegenstand – wir würden ihn grundsätzlich sehr begrüßen – nicht irgendeiner Beliebigkeit ausgesetzt wird und nicht sozusagen dem individuellen Engagement einzelner und sicherlich auch engagierter Lehrer und Lehrerinnen überlassen bleibt.

Was die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung an den Berufsschulen angeht, möchte ich den Landesschulrat von Salzburg, Herrn Hofrat Schäffer, zitieren. Er meint: Die Formulierung "nach Möglichkeit" hat den Charakter einer Empfehlung und erlaubt nicht bloß eine flexible Handhabung des Gesetzes, sondern auch ein konsequenzloses Negieren der schulrechtlichen Bestimmungen.

Ich halte es für müßig, hier zu erklären, welcher Partei der Herr Landesschulratspräsident zuzuordnen ist, denke aber, daß man in diesem Bereich jedenfalls auf ihn hätte hören sollen.


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Solange es in der Berufsschule keine strukturellen Veränderungen gibt – die liberalen Vorschläge dazu liegen schon sehr lange auf dem Tisch –, wird auch eine sinnvolle Integration der Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung – das würde von unserer Seite wirklich sehr begrüßt werden – insbesondere im Zusammenhang mit einer unbedingt notwendigen Durchlässigkeit schlicht und einfach nicht möglich sein.

Den Antrag über die Änderung des Gesetzes zur Berufsreifeprüfung wollen wir hier positiv bewerten. Wir werden ihm zustimmen. Wir halten es für durchaus angebracht, daß Lehrlinge, auch wenn sie ihre Lehrabschlußprüfung noch nicht abgelegt haben, zumindest eine Teilprüfung für die Berufsreifeprüfung ablegen können. Aber auch in diesem Bereich gibt es immer noch einige offengebliebene Fragen, für die wir uns eine baldestmögliche Klärung wünschen. Ungeklärt ist nach wie vor, warum die Möglichkeit, Teilprüfungen für die Berufsreifeprüfung abzunehmen und diese dann auch anzuerkennen, lediglich auf die Einrichtungen jener Erwachsenenbildungsstätten beschränkt werden soll, die Empfänger von Förderungen des Bundes sind. Förderungsempfänger zu sein ist kein Qualitätsmerkmal. Dies stellt jedenfalls eine Privilegierung dar und schließt letztlich private Bildungsanbieter in diesem Bereich aus oder benachteiligt sie zumindest. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es wäre auch wichtig, sehr geehrte Frau Ministerin, zu erfahren, welche dieser Institutionen und vor allem wann sie tatsächlich diese Anerkennung zugesprochen bekommen. Denn dazu gibt es derzeit sehr, sehr unterschiedliche Aussagen. Ich verweise zum Beispiel auf eine Aussage des Stadtschulratspräsidenten Scholz.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang: Der Einführung der Berufsreifeprüfung haben wir zugestimmt. Diese Berufsreifeprüfung ist eine Art Externistenreifeprüfung. Daher verstehe ich den dabei gegebenen Widerspruch nicht: Warum halten Sie an den 6 Monaten Aufschubfrist bei anderen Externistenprüfungen so fest? Warum muß für andere, die die Reifeprüfung als Externist oder als Externistin ablegen, zwischen der schriftlichen Reifeprüfung und der mündlichen Reifeprüfung trotz identischer Gegenstände eine 6monatige Pause eingelegt werden? – Das ist ein Widerspruch, sehr geehrte Frau Ministerin! Wir werden wieder einen Antrag einbringen, weil wir der Auffassung sind, daß für Externistenprüfungen in allen Bereichen, in denen es sie gibt, und in jeder Form zumindest das gleiche Recht bestehen möge. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich hätte im Rahmen dieser Debatte auch noch sehr gerne auf die Bedeutung einer bewußten Koedukation hingewiesen und vor allem wirklich dringende, konkret einzuleitende Maßnahmen in diesem Bereich angesprochen, damit wir uns endlich einen Schritt von dieser Ankündigungsplattform und diesem Ankündigungsstadium wegbewegen können. Ich hätte das heute sehr gerne diskutiert, muß es aber auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Dieser Zeitpunkt wird dadurch bestimmt sein, wann mir die Gnade zuteil wird, daß unser liberaler Antrag auch im Rahmen dieses Plenums diskutiert werden darf. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte.

21.08

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Schöggl von der Freiheitlichen Partei macht sich Sorgen, daß die Berufsreifeprüfung vielleicht nicht ganz so durchgeführt wird wie eine normale Matura. Er macht sich Sorgen darüber, wer das bezahlen soll.

Meine Damen und Herren! Ich kann ihm folgen, wenn er fragt, wer das bezahlen soll. Das beschäftigt meine Fraktion auch sehr stark. In unserem Schulsystem gibt es die Allgemeinbildende Höhere Schule, in der man die Matura – ich sage es einmal so – zum Nulltarif machen kann, und man kann sie auch wiederholen. Wir haben Schulen für Berufstätige, in denen man die Matura zum Nulltarif machen und sie auch wiederholen kann. Nunmehr haben wir die Berufsreifeprüfung neu eingeführt, sie ist aber kostenpflichtig. Das ist – ich sage es ganz offen – ein Schönheitsfehler. Daran wird man arbeiten müssen.


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Betreffend die Qualität dieser Prüfung muß man sich, wie ich meine, wirklich keine allzu großen Sorgen machen. Die Prüfungen werden von Pädagogen an Berufsbildenden Höheren Schulen abgenommen. Der Vorsitz wird vom zuständigen Landesschulinspektor wahrgenommen. Ich glaube daher nicht, daß in diesem Zusammenhang irgend etwas schieflaufen kann.

Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Matura im zweiten Bildungsweg – ob Abendschule, Berufsreifeprüfung, Studienberechtigungsprüfung – oder gar Studium im zweiten Bildungsweg, das wird von uns Sozialdemokraten grundsätzlich und absolut positiv beurteilt. Das möchte ich betonen. Mitbürger und Mitbürgerinnen, die es schaffen, neben Beruf und oft auch neben Familie eine solche berufliche Ausbildung im zweiten Bildungsweg zu absolvieren, verdienen Anerkennung und Wertschätzung, aber auf gar keinen Fall Verdächtigungen oder Unterstellung in irgendeiner Form! Wenn man von "Billa-Matura" oder davon spricht, daß nur vier Gegenstände absolviert werden müssen, dann frage ich mich: Übersieht man etwa bewußt, daß vorgeschaltet oder parallel dazu eine berufliche Ausbildung mit erledigt werden muß? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Khol: Großartig!)

Meine Damen und Herren! Wir sind hocherfreut, daß die Berufsreifeprüfung unglaublich starken Anklang findet. An die 1 800 jungen Menschen haben sich allein in Wien für diese Prüfung angemeldet, die Anmeldezahlen der Bundesländer sind mir nicht bekannt, ich weiß aber, daß auch dort eine sehr starke Nachfrage gegeben ist.

Die Bildungssackgasse Lehre wird aufgebrochen, und ich würde sogar sagen, daß es zu einer deutlichen Qualifizierungsoffensive von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne des lebensbegleitenden Lernens kommt.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich hier noch einige Bemerkungen zu jenen Gesetzesvorlagen anführen, die heute zur Diskussion und zur Abstimmung anstehen.

Mit den Gesetzesänderungen, welche wir heute beschließen wollen, werden weitere Weichenstellungen in Richtung Modernisierung unseres Bildungswesens gesetzt. Frau Kollegin Schaffenrath! Es handelt sich hiebei nicht um Ankündigungsmaßnahmen, und wir befinden uns auf keiner Ankündigungsplattform. Es ist müßig, das immer wieder zu sagen und alles aufzuzählen, was bereits in Gang gesetzt wurde. Aber es muß auch akzeptiert werden, daß jeder neue Schritt ein neuer Anfang ist, der einen Prozeß in Gang setzt, und daß wir damit nicht auch heute schon fertig sein können.

Meine Damen und Herren! Wenn wir im Sinne des lebensbegleitenden Lernens die Einführung der Berufsorientierung in der dritten und vierten Klasse der Hauptschule, in der Unterstufe der AHS und den entsprechenden Schulstufen im Bereich der Allgemeinen Sonderschule und der Volksschuloberstufe vornehmen, dann sind das Reaktionen auf gesellschaftliche Veränderungen. Die Anforderungen im Berufsleben und in der Arbeitswelt steigen, die Wirtschaft mit ihren rasanten Entwicklungen ist in Bewegung, im Bereich der Technologie sind wir mit Herausforderungen konfrontiert. Wenn bisher Berufsorientierung in den Schulen nur im Rahmen von unverbindlichen Übungen stattfand, so ist das heute nicht mehr genug. Wir brauchen einen verbindlichen Unterrichtsgegenstand und eine verbindliche Übung "Berufsorientierung", und wir brauchen einen spezifischen Lehrplan dazu, und genau das wird mit diesem Gesetz eingelöst und geleistet. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Berufsorientierung beziehungsweise Berufsfindung ist keine momentane Entscheidung, sondern ein Prozeß, der von Entwicklungen und Erfahrungen begleitet wird. Der junge Mensch muß erleben und erfahren, welche Fähigkeiten er hat, mit welchen Fähigkeiten er sich beruflich bewähren kann. Daher bin ich der Auffassung, daß die heute zu treffende Neuerung ein absolut richtiger und selbstverständlich notwendiger Ansatz ist.

In Ergänzung zur bereits beschlossenen Berufsreifeprüfung wird – darauf wurde schon hingewiesen – nun der § 46 dahin gehend ausgeweitet, daß im Bereich der Berufsschule, aber selbstverständlich auch im Bereich des berufsbildenden mittleren Schulwesens Maßnahmen zu setzen sind, mit denen auf die Berufsreifeprüfung vorbereitet wird. Es werden im Gesetzestext


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Differenzierungsmaßnahmen, Förderkurse und Freigegenstände genannt, die angeboten werden können. Selbstverständlich können diese nur angeboten werden, weil ja nicht sichergestellt ist, daß sich dafür die erforderlichen Anmeldungen finden, und selbstverständlich liegt die letzte Entscheidung im Bereich des Landes, weil die Berufsschulen in der Kompetenz des Landes liegen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Grollitsch. ) Im Bereich der Schulautonomie ist das selbstverständlich auch möglich.

Noch einige Bemerkungen zur Teilrechtsfähigkeit: Nach der Einführung der zweckgebundenen Gebarung, nach der Einführung der Teilrechtsfähigkeit im Bereich der Museen und der Universitäten sollen nunmehr auch die Schulen des Bundes die Möglichkeit erhalten, teilrechtsfähige Einrichtungen zu führen. Im Bereich der Autonomie ist das möglich und sinnvoll. Wir Sozialdemokraten legen Wert auf die Feststellung, daß der im spezifischen Lehrplan festgeschriebene Bildungsauftrag der Schule nach wie vor Aufgabe der öffentlichen Hand bleibt, allerdings können zusätzlich verschiedene Formen von Veranstaltungen angeboten werden, etwa Spezialkurse und Lehrgänge, aber auch gesellschaftliche Veranstaltungen, ebenso Prüfungsaufträge der Höheren Technischen Lehranstalten.

Wir haben im Ausschuß auch festgehalten, daß die schulpartnerschaftlichen Gremien das Recht auf die entsprechenden Informationen haben. Und Sie haben auch das Recht, Empfehlungen abzugeben.

Die Ausschußfeststellung, mit welcher die Frau Unterrichtsministerin ersucht wird, in drei Jahren einen Bericht über die ersten Erfahrungen mit der Teilrechtsfähigkeit an den Nationalrat zu übermitteln, wurde bereits angesprochen. Ich kündige noch an, daß eine Handreichung seitens des Unterrichtsressorts in Vorbereitung ist: Es werden wichtige Regelungen im Zusammenhang mit der Teilrechtsfähigkeit festgeschrieben. Wir glauben, daß es auf diese Weise auch möglich sein wird, die Teilrechtsfähigkeit in den Bundesschulen, die ja in den Gesetzen angesprochen sind, erfolgreich zu entwickeln.

Noch eine ganz kurze Bemerkung zum Entschließungsantrag im Schulunterrichtsgesetz betreffend die Weiterentwicklung der Schulbuchaktion: Diese Bestimmung ist in engem Zusammenhang mit den Beschlüssen zur Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes zu sehen, die am Freitag im Hohen Haus beschlossen werden wird. – In dieser Entschließung wird festgehalten, daß die Schulbuchaktion in Österreich eine international anerkannte Aktion ist und gleichzeitig einen wichtigen Bestandteil der familien- und bildungspolitischen Sachleistungen darstellt. Wir wollen aber – und das ist mit dem Unterrichtsressort und mit unserem Koalitionspartner vereinbart – die bewährte Schulbuchaktion auch weiterentwickeln. Wir wollen diese den pädagogischen Erfordernissen anpassen, neue Lehr- und Lernformen sollen entsprechende Berücksichtigung finden, und letztlich soll die Buchkultur um eine Medienkultur erweitert werden.

Die neuen Unterrichtsmittel sind in erster Linie als Informationsträger zu verstehen. Die Schülerinnen und Schüler sollen dadurch zum eigenständigen Lernen und zum selbständigen Wissenserwerb veranlaßt und vor allem auch zur Nutzung neuer Technologien befähigt werden. Neue Lern- und Arbeitstechniken sollen verstärkt aufgenommen und selbstverständlich soll den autonomen und standortspezifischen Gestaltungsmöglichkeiten Rechnung getragen werden.

Wir Sozialdemokraten sind überzeugt davon, daß dieses Gesetzeswerk, das ja ein sehr breites ist, wiederum einen positiven Schritt darstellt, und wir erwarten uns, daß damit in Zukunft – wenn auch noch nicht heute und vielleicht auch noch nicht morgen –, die Qualität und vor allem die Qualitätssicherung an unseren Schulen gewährleistet ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

21.19

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte mir für diesen Tagesordnungspunkt, so wie auch schon


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für den letzten, gewünscht, daß er zu einer günstigeren Tageszeit stattfinden kann. Aber das verhält sich wahrscheinlich bei den anderen Materien auch so. (Abg. Schwarzenberger: Der Grund dafür war die Dringliche!) – Ja, die Dringliche war es! Sie haben es erkannt. Irgendwo muß ja der Grund dafür liegen. Es war die Dringliche.

Meine Damen und Herren! Die Debatte, die wir hier und heute führen, erinnert mich natürlich auch ein bißchen an die Debatte, die wir im Unterrichtsausschuß geführt haben, die zugegebenermaßen reichlich lustlos und kurz war. Ich meine, daß bei dieser Materie, gerade was die Teilrechtsfähigkeit betrifft, aber auch was die "Weihnachtsmann-Anträge" des Abgeordneten Höchtl betrifft, doch eine etwas ausführlichere Debatte notwendig gewesen wäre. (Abg. Dr. Höchtl: Sie unterschätzen das Problem!)  – Nein, ich unterschätze das Problem nicht!

Ich beginne gleich mit den Entschließungen. Wir stimmen auch dem Drogen-Antrag zu. Ich meine nur, Herr Kollege Höchtl – und das hat mich nicht am Antrag selbst, sondern an den Ausführungen der Frau Bundesministerin betreffend die Drogenmeile vorhin irritiert –, daß wir manchmal im Denken etwas zu kurz greifen, wenn wir glauben, daß wir mit dem Versuch, die Schule unter eine Käseglocke zu setzen, schon ausreichend dafür Sorge getragen hätten, daß die Probleme von der Schule ferngehalten werden.

Ich will jetzt der Frau Bundesministerin gar nicht den guten Willen und ihre Sicht auch der Erfahrungen aus anderen Ländern absprechen. Ich möchte nur folgendes erwähnen: Ich wohne in Wien in einem Viertel, in dem es viele Schulen gibt. Nun gibt es aber auch ein Prostitutionsgesetz, in dem vorgesehen ist, daß sich rund um die Schulen eine Bannmeile erstrecken muß. Es müßte im zweiten Bezirk die Prostitution ohnehin generell verboten sein. Aufgrund der Bannmeile, die gemäß dem Wiener Prostitutionsgesetz gezogen wird, dürfte es noch weniger Prostitution geben. Man könnte sagen, daß das eine doppelte Sicherung ist. Ich werden Ihnen, Frau Bundesministerin, aber kein Geheimnis verraten, wenn ich Ihnen sage, daß genau rund um die Schule die Prostitution am meisten stattfindet.

Ich mache Ihnen jetzt überhaupt keinen Vorwurf, und ich will Ihnen auch die Erfahrungen nicht nehmen. Ich glaube auch, daß, wenn man in der entsprechenden Schule – mein Kind ist auch in diese Schule gegangen – einigermaßen mit den Problemen umgehen kann, wenn die Lehrer und Lehrerinnen das können, die Kinder daraus auch lernen können. Trotzdem ist dies keine absolut angenehme Situation.

Ich möchte jetzt abschließend noch etwas zu diesem Punkt erwähnen: Man wird mit einer Bannmeile weder in bezug auf die Prostitution noch auf die Drogenfrage des Problems, das sich dahinter verbirgt, Herr werden können. Denn was sind Drogen? – Wenn wir an Drogen denken, denken wir an die ganz klassischen Drogen, manchen fallen dann vielleicht noch die Designerdrogen ein, jedoch nicht die Drogen, die sozusagen legalisiert sind. An diese denken wir nicht, obwohl wir in diesem Zusammenhang auch darüber diskutieren müßten. Ich meine, daß es unsere Aufgabe wäre, in diesem Zusammenhang ein entsprechendes Verhältnis zu schaffen, und das geschieht durch diesen Antrag durchaus. Daher können wir diesem Antrag zustimmen.

Dennoch empfinde ich weiterhin eine gewisse Irritation in bezug auf den Versuch, der Schule alles überstülpen zu wollen, und unter diesem Aspekt sehe ich natürlich auch diesen Antrag. Das ist kein Vorwurf, ich meine jedoch, daß wir uns mit diesem Problem auseinandersetzen müssen. Das betrifft diese wie auch viele andere Materien, die mit der Schule zu tun haben. Denn bereits beim nächsten Entschließungsantrag betreffend die gewaltfreie Erziehung zeigt sich dasselbe Problem. Ich bin absolut dafür, aber auch da kommt es zu einer Überforderung. Damit mache ich nun aber Punkt: Ich halte die Sache für sinnvoll, daher werden wir zustimmen, aber – und damit leite ich schon zum Schulorganisationsgesetz über – eine Überforderung gibt es in diesem wie auch in anderen Bereichen.

Ich will mich jetzt nicht allzu oft wiederholen, daher sage ich nur: Mit dem Herzen, Frau Ministerin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das wissen Sie, wir haben ja auch entsprechende Anträge gestellt, sind wir bei der Teilrechtsfähigkeit als einem Versuch, die Autonomie der


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Schule zu vergrößern. Der Grund, warum wir diesem Entwurf nicht zustimmen, ist, daß die begleitenden Umstände und auch manche Beziehungen zwischen der Schule und der beaufsichtigenden Behörde im Zusammenhang mit der Haftpflicht und der Verantwortung für die teilrechtsfähige Organisation ebenso wenig geklärt sind wie die Rechenschaftspflicht. Es gibt zwar jetzt ein Informationsrecht der Eltern, aber meiner Ansicht nach müßte dieses weitergehend ausgestaltet sein. Es müßte eine Rechenschaftspflicht auch gegenüber der Schulgemeinschaft von seiten der Schule beziehungsweise der teilrechtsfähigen Organisation geben. Diese Fragen sind nach wie vor offen.

Weiters ist die Frage offen, die ich im Ausschuß und zuvor schon in einer anderen Plenardebatte thematisiert habe. Was bedeutet das für die Organe der Schule? – Wir haben ein altes Modell von Schulleitung, mit dem man meiner Meinung nach diesen Herausforderungen in keiner Weise gerecht wird. Man wird damit nicht nur mit den finanziellen oder wirtschaftlichen Herausforderungen nicht fertig, sondern kann damit auch die zahlreichen Herausforderungen in bezug auf die Schulleitung, die schon über Jahrzehnte unbewältigt mitgeschleppt und vermehrt worden sind, nicht bewältigen. Das ist keine kleine Problematik! Doch man denkt noch immer, daß man das Problem damit löst, daß man einen bestimmt, den man verantwortlich machen kann. Das hängt auch damit zusammen, daß die Bestellung von Schulleitungen nach wie vor – das wage ich zu behaupten – weitgehend von parteipolitischen Interessen dominiert ist. Das hängt aber auch damit zusammen, daß es auch von seiten der begleitenden Kontrollbehörden wenig Impulse gibt, den Schulleitungen auf dem Weg zur Teilrechtsfähigkeit in Form einer begleitenden Unterstützung zur Verfügung zu stehen. Das bräuchten wir, dazu wäre aber eine andere Schulaufsicht notwendig, die sozusagen das Kontrollelement vermehrt verliert und statt dessen mehr Unterstützung gibt. All das ist nicht geregelt.

Ich meine aber, daß das trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung ist. Mit dem Herzen sind wir bei der Teilrechtsfähigkeit, mit dem Hirn sage ich jedoch nein zur Teilrechtsfähigkeit, weil gemäß den vorliegenden Entwürfen entscheidende Fragen ausgeklammert bleiben, die uns wichtig sind. Denn es soll dies nicht nur ein Versuch bleiben, daß sich die Schulen auf diese Art und Weise Geld beschaffen können. Das allein als Motiv würde ich als nicht ausreichend anerkennen. Ich glaube, daß es um mehr geht und auch um mehr gehen sollte. Ich will die prinzipielle Richtigkeit dessen, was Sie hier gemeinsam vorstellen und beschließen, nicht bestreiten. Für unser Dafürhalten sind jedoch noch einige Mängel darin enthalten.

Zu Berufsorientierung möchte ich folgendes sagen: Wenn auch in diesem Bereich noch einiges besser zu regeln wäre, halte ich es vom Prinzip her für richtig, daß man damit beginnt. Ich halte es – und damit schließe ich ab – in bezug auf die Schaffung der Möglichkeit, die Berufsreifeprüfung in der Berufsschule machen zu können, für richtig – das haben wir auch schon bei der Debatte betreffend die Berufsreifeprüfung gesagt –, wenn modulartige Prüfungsformen angeboten werden, und ich teile die Meinung des Herrn Kollegen Antoni, daß eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Berufsreifeprüfung die Kostenpflichtigkeit ist. Auf diesem Gebiet wird noch einiges zu tun sein.

Im Prinzip sind – wie sehr oft bei Vorschlägen der Frau Bundesministerin beziehungsweise des Ministeriums – durchaus wichtige und richtige Impulse enthalten, nicht nur im Hinblick auf die Berufsreifeprüfung, sondern auch auf die anderen Teilbereiche, die wir heute beschließen. Im Unterschied zu dem von uns heftig kritisierten Gesetz betreffend die religiösen Bekenntnisgemeinschaften, das wir vorhin diskutiert haben, gibt es hier Punkte, denen wir durchaus zustimmen können; es gibt aber auch Punkte, denen wir aus Sorge um die Zukunft der Schulen beziehungsweise bestimmter Organe nicht zustimmen können, weil in bestimmten Teilbereichen nicht ersichtlich ist, wohin das Ganze führen soll, beziehungsweise weil Mängel sichtbar werden wie beispielsweise bei der Berufsreifeprüfung. Dies werden wir durch ein differenziertes Stimmverhalten bei der Abstimmung über diese Entwürfe zum Ausdruck bringen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

21.30


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102. Sitzung / Seite 153

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Dr. Brinek zu Wort. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.30

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Bei dieser Debatte zur späten Stunde hat man die Chance, bereits heute in den morgigen Zeitungen zu lesen, was für morgen berichtenswert erscheint, weil es heute wichtig war.

Unter diesen Themenbereichen findet sich wieder einmal das internationale Zeugnis für unser Schulsystem. Die Fakten sind erfreulich, daran läßt sich nicht rütteln. – Ich bringe sie in Erinnerung: Österreichs Volksschüler sind Europameister in den Naturwissenschaften und belegen Spitzenplätze in Mathematik. Die Ergebnisse der OECD-Studie, so läßt es sich zusammenfassen, bedeuten einen Erfolg für Österreichs Schulen und Österreichs Lehrer.

Lassen Sie mich ein wenig ins Detail gehen: Gemäß einer Zwischenüberschrift sind Österreichs Volksschüler Europameister in den Naturwissenschaften. In der dritten und vierten Klasse Volksschule belegt Österreich im Vergleich mit 15 anderen OECD-Ländern in den Naturwissenschaften den dritten und in Mathematik den fünften Platz. In den Naturwissenschaften zählen Österreichs Volksschüler also zu den besten Europas. Die österreichischen Schülerinnen und Schüler liegen damit vor jenen aus Großbritannien, den USA und weiteren Staaten. Österreichische Mädchen – und jetzt wird es interessant – schneiden in der Untersuchung im Bereich Naturwissenschaften etwas schlechter ab als Buben, liegen aber noch immer deutlich über dem OECD-Schnitt.

Gott sei Dank gibt es aber auch noch unrelativierte positive Zwischenüberschriften und Meinungen. Der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen nimmt zu und hält weiter an. Für die österreichischen Bildungsausgaben brauchen wir uns nicht nur nicht zu genieren, sondern wir dürfen sogar sehr stolz darauf sein. Hier liegen wir weit vor Deutschland, Japan und den USA. Einzig und allein die Schweiz rangiert gleich mit Österreich, ist sogar um eine Nasenlänge voraus. In der internen Literatur-, Studien- und Debattenlandschaft sehe ich allerdings nicht, daß das Schweizer Schulsystem diesen Vorzug in der allgemeinen Ausschüttung von Bundesmitteln ergebnismäßig rechtfertigt oder belegt.

Lassen Sie mich nun dieses Ergebnis mit dem verbinden, was wir heute debattieren. Dem unterschiedlichen Abschneiden der Mädchen in den Naturwissenschaften in der Volksschule können wir mit zwei Maßnahmen begegnen, und zwar erstens mit Hilfe des Schulorganisationsgesetzes: In diesem wird nämlich die schon zitierte verbindliche Übung Berufsorientierung für die siebente und achte Klasse Volksschule, für die Oberstufe der AHS, für die Hauptschule und die Sonderschule verankert, und das ist gut so. Ich werde noch darauf zu sprechen kommen.

Ich komme zur zweiten Maßnahme: Man könnte die Frage stellen: Wo landen die braven Mädchen aus der Schule später auf dem Arbeitsmarkt und im Berufsleben? – Wir haben einmal naiv gemeint, Koedukation sei der richtige Weg. Mittlerweile müssen wir feststellen, daß man an deren Grenzen gestoßen ist. Mit dieser bloßen Zusammenführung im Unterricht ohne weitere Maßnahmen können wir nicht wirklich Gerechtigkeit schaffen. Denn Burschen nehmen für sich mehr Aufmerksamkeit und mehr Antwortressourcen der Lehrkräfte in Anspruch, und es werden ihnen durchaus auch von weiblichen Lehrkräften mehr Lautstärke, mehr Ich-Stärke und mehr Abenteurertum zugestanden. Mädchen sind nach wie vor hauptsächlich fürs gute Klima und für den emotionalen Frieden verantwortlich, und das schlägt sich dann auch in der Berufswahl nieder. Wir kennen diese Berufe: Friseurin, Verkäuferin und andere Dienstleistungsberufe auf einem nicht hoch entwickelten Niveau.

Mitverantwortlich dafür sind meiner Meinung nach auch die Sozialisationstendenzen der heutigen Zeit: Die Beschäftigung mit Esoterik, Barby, Cosy und Teekanne-Duft bringt ganz massive und subtile Beeinträchtigungen mit sich. Ich meine, daß wir dem mit den heutigen Schulvorlagen abhelfen. Denn Berufsorientierung ist wichtig. Sie wird stattfinden und findet sich teilweise jetzt schon auf der vorhandenen Basis des Unterrichtsprinzips: Vorbereitung auf die Berufswelt wieder. Wir brauchen für die Forcierung kein eigenes Fach, denn der jetzige Weg, dies als einen


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integrativen Teil des Lehrplans zu sehen, ist genau der richtige Weg. Das kann ich sowohl in Richtung der FPÖ als auch in Richtung der Kollegen Schaffenrath und Öllinger sagen: Das ist der von den Lehrern gewünschte Weg, und Sie unterlaufen das Anstrengungsniveau der Lehrer massiv, wenn Sie sagen, daß das nicht gelingen wird, wenn nicht genug weitere Geldmittel für die Vorbereitung und für entsprechende Materialien vorhanden sind. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Sie gehen offenbar von einem Unterricht aus, wo der Lehrer einmal eine Stunde vorbereitet hat und dann 20 Jahre lang danach arbeitet. Damit tun Sie den Lehrern unrecht! So wird heute nicht vorgegangen! Lebendiger Unterricht unter diesen neuen Herausforderungen braucht immer wieder Vorbereitung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. )

Außerdem ist dies der richtige Weg, denn Berufsorientierung ist laut Gesetz unterschiedlich zu facettieren, da sich dieses auf die Hauptschule, die Sonderschule und die AHS bezieht. Und ich bin sehr froh, daß die Rückmeldungen der AHS-Lehrer dazu jetzt schon sehr positiv sind. – Ihre Vorschläge sind also nicht der richtige Weg!

Frau Schaffenrath! Noch ein Hinweis zur Teilrechtsfähigkeit: Ich denke, daß die Verantwortungsstruktur klar geregelt ist und eine Schule heute ohne Kooperation mit dem SGA sowieso kein gutes Klima schafft und sich daher teilrechtsfähige Ambitionen in Wirklichkeit abschminken kann. Der Manager, den Sie angesprochen haben, sollte doch annähernd etwas mit Schule zu tun haben und vorher nicht unbedingt Hühnerfarmen beraten haben. Wenn Sie dennoch meinen, daß er der Richtige ist, dann kann er sich in einem Hearing ja beweisen.

Herr Öllinger! Zur Teilrechtsfähigkeit kommt es auch nicht im rechtsfreien Raum. Sie brauchen nicht zu fürchten, daß jetzt alle Laster und Sodom und Gomorrha oder sonst etwas in die Schule einkehren werden.

Ich fasse zusammen: Es geht nicht darum, mehr Tempo zu gewinnen und nach dem Motto: "Schneller! Schneller!" vorzugehen. Frau Kollegen Schaffenrath! Denken wir einmal an Qualtinger und den Spruch des "Herrn Karl": "Ich weiß zwar nicht, wo ich hinfahre, aber dafür bin ich schneller dort." (Ruf: Das ist "der Wülde mit seiner Maschin’"!) Pardon! Es ist nicht der Herr Karl, sondern "der Wülde mit seiner Maschin’", mit dieser war er ja schneller unterwegs. Ich denke, wir sind mit der richtigen Ministerin, mit dem richtigen Fahrplan, mit dem richtigen Team und mit den richtigen Ausschußergebnissen gut unterwegs. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Brauneder. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.36

Abgeordneter MMag. Dr. Willi Brauneder (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Bei einer Schülerdiskussion vor nicht allzu langer Zeit – und ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß ich Abgeordneter auch für die Stadt Baden bin – wurden einige Themen behandelt. Eines der Themen, das die Schüler am meisten interessiert hat, war das Thema Alkohol.

Bei der gesamten Diskussion, die es zu diesem Thema jenseits der Erörterungen betreffend die Promillegrenze gab, waren sich die Schüler, vorwiegend Klassensprecherinnen und Klassensprecher der Oberstufenklassen, in einem Punkt einig: Die gesellschaftliche Ächtung des übermäßigen Alkoholkonsums wäre ganz dringend nötig, und zwar durch einen Erziehungsprozeß. Es wurden verschiedene Maßnahmen wie Kontrolle und ähnliches erwogen – darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen –, aber den Schülerinnen und Schülern war es ein besonderes Anliegen, daß es durch einen Erziehungsprozeß zu einer gesellschaftlichen Ächtung des übermäßigen Alkoholkonsums kommt. Die wichtigste beziehungsweise neben dem Elternhaus eine der wichtigsten Institutionen in diesem Erziehungsprozeß ist die Schule.

Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Daß es sich so verhält, haben Sie im Zusammenhang mit einem anderen Problem, nämlich Drogen und Drogenmeile, erkannt. Wenn ich Herrn Kollege


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Höchtl richtig verstanden habe, so sieht er das Drogenproblem ebenfalls so, da er von der drogenfreien Schule spricht. Ich weiß aber nicht, ob er unter Droge sozusagen auch den übermäßigen Alkoholkonsum subsumiert hat. Wenn er es nicht tut, dann muß ich sagen: Wenn man von drogenfreier Schule spricht, dann müßte man auch das Schlagwort "alkoholfreie Schule" – obwohl das ein bißchen komisch klingt, aber "drogenfreie Schule" klingt auch etwas komisch – hinzufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kurzum: Es soll diesbezüglich ein Erziehungsprozeß stattfinden. Zu dieser Erkenntnis ist es zum Glück nicht erst jetzt aufgrund eines höchst tragischen Unfalls im buchstäblichen Sinne gekommen, sondern diese Erkenntnis hat sich unter anderem bereits in einem Entschließungsantrag sämtlicher hier im Hause vertretenen Parteien vom 4. Dezember 1992 niedergeschlagen. Bei den verschiedenen Kompetenzverschiebungen, die es mittlerweile in den verschiedenen Ressorts gegeben hat, spielt es jetzt vielleicht gar keine große Rolle, daß Ihr Ressort, Frau Bundesministerin, damals nicht angesprochen war. – Ich zitiere diesen Entschließungsantrag: "Die Frau Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie wird in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz" – all das sind nostalgische Töne, denn diese Ministerien gibt es in dieser Form nicht mehr – "aufgefordert, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß eine bundesweite Informationskampagne gegen Jugendalkoholismus durchgeführt und entsprechende Begleitmaßnahmen zur Therapie speziell für jugendliche Suchtkranke eingeleitet werden."

Für die Durchführung einer solchen Informationskampagne ist für mich in erster Linie auch die Schule wichtig. Es ist mir daher ein ganz besonderes Anliegen, folgendes festzuhalten: Es möge im schulischen Bereich wesentlich mehr als bisher, sei es durch die Anwendung irgendeines Unterrichtsprinzips oder im Zusammenhang mit bestimmten Gegenständen, quasi eine Antialkoholerziehung stattfinden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wenn von der drogenfreien Zone beziehungsweise von der Drogen-Bannmeile um die Schule gesprochen wird, so ist das, wie ich meine, nicht nur im geographischen Sinn ein bißchen zuwenig. Ich möchte jetzt nicht ironisch klingen, aber man ist mit dem Schulbus aus der drogenfreien Zone rascher draußen, als das zu Fuß der Fall wäre, und ist dann vielleicht dort, wo man die Drogen bekommt. Und mehr noch: Am Abend geht man in den Tanzpalast – ich denke jetzt an meine Heimatstadt –, und dort, weiß man, wird gedealt. Das weiß der Bürgermeister, das weiß die Gendarmerie, das wissen auch andere, die davon betroffen sind. Es geschieht jedoch ein bißchen wenig, und es wird den Schülern in der Schule auch nicht das gesagt, was man ihnen eigentlich sagen sollte.

Diese Drogen-Bannmeile, sehr verehrte Frau Bundesministerin, sollte man mit einer – nennen wir es vielleicht so – Antialkohol-Bannmeile verknüpfen und zumindest das gesamte Bundesgebiet zu dieser Bannmeile erklären. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Jedenfalls möchte ich noch einmal unterstreichen, daß ich es auch so sehe wie diese Schüler und Schülerinnen: Dem Alkohol- und Drogenproblem ist auch durch Erziehungsmaßnahmen beizukommen.

Zur Berufsorientierung: Ich bin trotz meiner Erfahrungen auf Hochschulboden noch immer von der Illusion ausgegangen, daß der gesamte Schulunterricht irgendwie der Orientierung hin zu einem Beruf dient, sei es direkt oder indirekt. Wenn ich höre, daß wir dafür jetzt noch einen eigenen Gegenstand einführen, so muß ich feststellen: Das mag vielleicht nützlich sein, aber ich möchte dabei sozusagen den Gesamtblick, den Blick auf die gesamte Schule nicht außer acht lassen, den Blick darauf, daß alle Gegenstände in irgendeiner Weise der Berufsorientierung dienen.

Daher ist es mir ein großes Anliegen, in allen Fächern wesentlich mehr Lerntechniken modernerer Art einzusetzen, um Wissen in Richtung auf potentielle Berufe zu vermitteln, und zwar in zweierlei Hinsicht – das ist zwar ein Schlagwort, ich sage es aber trotzdem –: daß man Lernen lernt, aber daß man aber auch Fakten lernt. Man soll nicht nur lernen: Wie lerne ich, wie lang der Dreißigjährige Krieg gedauert hat?, sondern man soll durchaus auch lernen, daß der Dreißigjährige Krieg 30 Jahre lang gedauert hat.


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Zu den modernen Formen des Unterrichts: Ich frage mich, ob man nicht auch alte, bewährte Formen ein bißchen mehr forcieren sollte: nämlich den sprachlich guten Unterricht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich halte es für erschreckend, daß heute kaum jemand, der einen Vortrag hält, glaubt, ohne Overhead-Folien auskommen zu können. Ich habe fast schon ein bißchen das Gefühl, die Folie hinzulegen und das Licht aufzudrehen – oder umgekehrt –, ein bißchen etwas zu reden, dabei das Zeitwort zu vergessen und abgehackt "da" – "und so" – "und dort" zu sagen, das ist es schon, die moderne Methode: Schaut es euch an, und nehmt es vielleicht auf.

Deshalb verspüre ich geradezu einen Horror, wenn jemand mit Folien daherkommt. Ich gestehe ein, ich unterrichte auch gern mit Folien, bemühe mich aber, dazu noch ganze Sätze zu sagen. Was mir besonders abhanden zu kommen scheint, ist nicht nur die Sprache, das Verstehen, das Sich-Ausdrücken und das Verstehen von anderen, sondern auch das Verstehen durch Lesen. Ich habe immer mehr das Gefühl, daß Schülerinnen und Schülern – für meinen Bereich muß ich sagen: Studentinnen und Studenten – die Bedeutung der Wörter allmählich abhanden kommt, daß ihnen das Gefühl für ganze Sätze abhanden kommt und daß ihnen das Gefühl dafür abhanden kommt, einen oder zwei Nebensätze an einen Hauptsatz anzufügen.

Das ist meiner Ansicht nach ein Manko, welches zu beheben wesentlich wichtiger ist und das mit anderen Mitteln behebbar sein muß als mit der Einführung von Schulprinzipien und Lernprinzipien oder gar noch mit der Einführung von neuen Fächern. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

21.43

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einige Bemerkungen zu einigen Debattenbeiträgen. Ich stelle ganz klar und dezidiert fest: Unsere Schulen sind alkoholfrei. Außer im Chemiesaal für Versuche gibt es nirgendwo Alkohol! (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Madl: Gehen Sie einmal in eine Schule! Gehen Sie einmal in eine AHS!)

Zweite Feststellung: Ich meine nicht, daß der gesamte Unterricht an Schulen nur auf den Beruf hin orientiert sein soll. Ich meine vielmehr, daß wir eine gesamthafte Persönlichkeitsbildung im Auge haben müssen, daß wir Werte vermitteln und auch auf die körperliche Ertüchtigung der jungen Menschen achten müssen. Darum möchte ich auch gleich zur Berufsorientierung folgendes feststellen: Die vorgeschlagene gesetzliche Regelung ist eine klare Verbesserung gegenüber einem Unterrichtsprinzip. Es werden pro Jahr 32 Stunden Berufsorientierung festgeschrieben, die zu planen, zu halten und bereits zu Beginn des Schuljahres auszuweisen sind.

Zu dem gesamten Bereich der Entschließungsanträge, die gestellt wurden, möchte ich folgendes festhalten: Selbstverständlich muß die Schule eine wichtige Aufgabe im Kampf gegen Gewalt und im Kampf gegen Sucht übernehmen. Daher haben wir auch die Aktion "Kinder stark machen" gestartet: zu stark für Suchtverhalten, zu stark für Drogen, zu stark für Alkohol. Auch die Gewalt ist ein schwerwiegendes Problem.

Zu meinem Vorschlag über die drogenfreie Zone möchte ich folgendes festhalten: Selbstverständlich weiß ich, daß wir den Drogen nur vielfältigst begegnen können, auf möglichst vielfältige Art und Weise. Ich habe aber immer wieder Klagen von Lehrern und Lehrerinnen gehört, daß rund um die Schule – wenn da etwas entdeckt oder wenn jemand gesehen wird, der verdächtigt wird, Drogen zu verteilen oder zu verkaufen – so wenig Eingriffsmöglichkeiten bestehen. Ich denke, wir sollten als Gesellschaft ganz klar verantwortlich erklären: Auch rund um unsere Schulen müssen wir aufmerksam sein, und es muß die Möglichkeit geben, jemanden, der verdächtigt wird, auch zu durchsuchen und mitzunehmen.

Ich meine daher, daß die drogenfreie Zone ein weiterer Schritt ist. Sie ist nicht alles, und sie wird das Problem nicht lösen, aber sie ist ein weiterer Schritt, mit dem wir signalisieren: Wir nehmen


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die Verantwortung für unsere Kinder und Jugendlichen sehr, sehr ernst! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zum Bereich der Teilrechtsfähigkeit möchte ich festhalten: Das ist ein Angebot, eine Chance, eine Möglichkeit. Es wird dazu Handreichungen geben, es wird dazu Beratungen geben, und entgegen anderslautenden Meinungen haben wir kein veraltetes Direktorensystem. Wir haben vielmehr sehr offensive Direktoren, die diese Herausforderung sehr, sehr gerne annehmen. Es gibt neue Direktorenschulungen, und es gibt die Schulungen für die Bezirksschulinspektoren, die auf diese neuen Herausforderungen hin geschult werden.

Meine Damen und Herren! Ich meine, die Gesetze, die wir heute beschließen, sind ein weiterer Schritt zu mehr Eigenständigkeit und mehr Selbständigkeit an den Schulen. Da von meinen Vorrednern die OECD-Studie erwähnt worden ist, darf ich sagen: Ich freue mich darüber. Man wird sich wohl auch einmal über etwas Positives freuen dürfen.

Für mich ist das kein Grund zur Zufriedenheit, und ich halte es auch nicht für einen Grund, sich zurückzulehnen und nichts mehr zu tun. Für mich ist es aber ein Grund, heute einmal danke zu sagen: danke denjenigen, die an diesen positiven Veränderungen mitwirken. So danke ich sehr herzlich den Bildungspolitikern aus allen Reihen, die konstruktiv für die Schule arbeiten, und ich danke auch sehr herzlich den Lehrerinnen und Lehrern an unseren Schulen, die offen und bereit sind für neue Weiterentwicklungen und die so engagiert für unsere Jugend arbeiten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Bitte.

21.48

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit der heute neu zu beschließenden Novelle zum Schulorganisationsgesetz begrüße ich – vielleicht im Unterschied zum Abgeordneten Schöggl – sehr wohl die Einführung der verbindlichen Übung "Berufsorientierung", und zwar deswegen, weil unsere Berufswelt und unser traditionelles Berufsbild sich derart stark verändert haben, daß unsere jungen Menschen nur dann in der Welt von morgen werden bestehen können, wenn sie entsprechend darauf vorbereitet werden.

Das soll nicht heißen, daß bisher nichts passiert ist. Ich möchte insbesondere die Polytechnischen Schulen erwähnen, die insbesondere im Bereich der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung Großartiges geleistet haben und immer noch leisten. Nur kommt diese Orientierung zu spät. Aus Untersuchungen wissen wir, daß Schüler, wenn sie im Polytechnischen Lehrgang oder besser in der Polytechnischen Schule gelandet sind, ihre Berufswahl bereits getroffen haben. Eine umfassende Berufsbildung muß daher rechtzeitig ansetzen. Dafür scheint mir der Zeitraum der siebenten und achten Schulstufe ein sehr geeigneter zu sein.

Ganz besonders begrüße ich auch die Einführung dieser verbindlichen Übung in der AHS-Unterstufe, auch wenn der Verband der Professoren Österreichs der Meinung ist, dort sei dies nicht notwendig. Vielleicht haben diese Damen und Herren Professorinnen und Professoren übersehen, daß es immerhin über 30 Prozent der AHS-Unterstufen-Schüler sind, die ins berufsbildende Schulwesen eintreten. Für sie wäre es sehr wohl rechtzeitig an der Zeit gewesen, ihre Berufswahl etwas früher treffen zu können.

Ich bin auch mit der gewählten Form einverstanden: daß kein eigener Gegenstand geschaffen wird, der automatisch wieder die Wochenstundenzahl der Schülerinnen und Schüler erhöht hätte. Allerdings könnte eine verbindliche Übung, auch wenn 32 Jahreswochenstunden vorgesehen sind, unter Umständen Gefahrenquellen bergen, wenn es annähernd so läuft wie beim Unterrichtsprinzip, daß zwar ein Klassenlehrerteam für die Arbeit verantwortlich ist, aber unter Umständen sich keiner zuständig fühlt. Ich möchte den Lehrerinnen und Lehrern dies nicht unterstellen, sehe aber dort eine entsprechende Gefahrenquelle.

In dieser Hinsicht sollten Begleitmaßnahmen festgeschrieben werden. Dazu könnte ich mir vorstellen, daß zu den Lehrplänen in einzelnen Gegenständen verbindliche Zusätze darüber ent


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worfen werden, wie diese Berufsorientierung ablaufen soll. Man könnte eine Art Koordinator des Lehrerteams bestimmen, der diese verbindliche Übung koordiniert, denn wir können das alles nicht zusätzlich den Schulleitern anhängen.

Ein letzter Punkt, Frau Bundesministerin, scheint mir am allerwichtigsten zu sein: Wir müssen Vorsorge treffen, daß unsere Lehrerinnen und Lehrer die entsprechende Ausbildung haben. Denn beim derzeitigen Stand haben unsere AHS-Lehrer und Hauptschullehrer mit Sicherheit nicht die Vorbildung, um Berufsorientierung im nötigen und erforderlichen Ausmaß durchzuführen. Nur Exkursionen und nur Lehrausgänge zu unternehmen, um die 32 Wochenstunden zu erreichen, erscheint mir etwas dürftig.

Ich erwarte mir daher, daß wir die Lehrer dabei nicht im Stich lassen, sondern rechtzeitig eine ausgiebige Fortbildungsschiene schaffen und ihnen für die erste Zeit entsprechende Handreichungen in Form von Hilfsmitteln zur Verfügung stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Madl. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.52

Abgeordnete Elfriede Madl (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mich wundert nichts mehr, wenn ich den Debattenbeitrag der Frau Bundesminister höre. Frau Bundesminister! Wir befinden uns heute im Jahr 1997, aber nach Ihrer Stellungnahme könnte man glauben, Sie reden, als wäre es 1897. Wenn Sie heute behaupten, Frau Bundesminister, daß unsere Schulen alkoholfrei seien, dann gehen Sie mit geschlossenen Augen und Ohren durch die Schulen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube Ihnen schon, daß dann, wenn Ihr Besuch angekündigt wird, selbstverständlich alles paletti und zusammengeräumt und die Schule in Ordnung ist. Aber gehen Sie einmal vor der Pause hinein, gehen Sie einmal unangekündigt hinein, reden Sie mit Schülern, die fast kein Wort mehr herausbringen, so alkoholisiert sind sie. (Abg. Schwarzenberger: Nur die freiheitlichen! – Ruf bei der ÖVP: Wo ist das? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das spielt sich in Österreichs Schulen ab, selbstverständlich! Zu Ihren Worthülsen, Frau Bundesminister – "wir müssen unsere Kinder stärken", "wir müssen unsere Kinder drogenfrei machen" –, kann ich Ihnen nur sagen: Ja warum sind denn unsere Schulen nicht drogenfrei? (Abg. Rosemarie Bauer: Sagen Sie, wo! – Abg. Schwemlein: Wann waren Sie das letzte Mal in einer Schule?)

Waren nicht Sie es dieses Jahr, Frau Bundesminister, die zugestimmt hat, daß man die Grenzmenge von Heroin bei Dealern von 0,5 Gramm auf 5 Gramm hinaufsetzt? Haben nicht Sie im Ministerrat dieser Gesetzesvorlage zugestimmt? (Ruf bei der ÖVP: Das war nicht so! – Abg. Mag. Stadler: Aber ja!) Ach nein? – Soweit ich weiß, Frau Bundesminister, herrscht Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat. Dieses Ansinnen, jetzt von einer drogenfreien Zone und von höheren Strafen zu reden, nachdem Sie vier Monate davor einem Gesetz zugestimmt haben, das es einem Dealer erlaubt, 200 Nichtsüchtige innerhalb von drei Tagen süchtig an die Nadel zu bringen, und danach herzugehen und eine drogenfreie Schutzzone vor Schulen zu erlauben, das ist wirklich absolute Spitze! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Was Sie daherreden!)

Es ist ungeheuerlich, mit welcher Doppelzüngigkeit hier unserer Bevölkerung etwas vorgemacht wird. Ungeheuerlich ist so etwas! Das nächste ... (Abg. Rosemarie Bauer: Warum zeigen Sie uns das nicht? Wo ist diese Schule? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn die Frau Bundesminister eine drogenfreie Zone verlangt, dann muß es sehr viele Schulen in Österreich geben, vor denen Drogen verkauft werden, oder nicht? (Beifall bei den Freiheitlichen.)  – Wenn Ihre Bundesministerin das verlangt, dann fragen Sie sie, wo diese Schule ist. (Abg. Rosemarie Bauer: Wo ist diese Schule?) Fragen Sie die Frau Ministerin, Frau Kollegin: Sie wird es wissen, sonst hätte sie das nicht verlangt! (Abg. Dr. Khol: Welche Schule ist das? – Abg. Dr. Trinkl: Wo ist diese Schule?) Fragen Sie sie! (Abg. Dr. Trinkl: Raus mit der Wahrheit! – Abg. Rosemarie Bauer: Keine Antwort!)


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Das nächste: Ich habe diesen Artikel auch gelesen, Frau Kollegin Brinek, nur bin ich nicht – wie dieser Artikel und dieser Journalist – bei den Volksschulen steckengeblieben, sondern habe auch noch andere ... (Abg. Dr. Höchtl: Das hat die OECD geschrieben! – Abg. Dr. Brinek: Keine Ahnung!) Nein, ich habe noch andere Artikel gelesen, nämlich diejenigen, die besagen, daß bei uns in den AHS ein relativ hoher Drop-out herrscht, was Schulabbrecher anbelangt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Davon haben Sie nicht gesprochen. Unser Bildungssystem kann also nicht Europameister sein, wenn es bei den Volksschulen in den Kinderschuhen steckenbleibt, Frau Kollegin Brinek! Man muß auch weiterdenken. In den AHS-Schulen gibt es einen hohen Drop-out, einen hohen Anteil an Schulabbrechern. (Abg. Schwemlein: Herr Präsident! Gibt es den Schutz der Zuhörer vor dem Redner?)

Und schauen wir an die Universitäten, Frau Kollegin! Dort ist Österreich Europameister an Studienabbrechern. An den Hochschulen, Frau Kollegin! So sieht es aus. Wenn ich weitergehe, stelle ich fest: Unser Bildungssystem ist so "gut" und unsere Begabtenförderung funktioniert so "gut", daß wir seit 50 Jahren keinen Nobelpreisträger mehr hervorgebracht haben. Aber das interessiert Sie nicht! Sie bleiben in den Kinderschuhen stecken, nur um hier eine positive Bildungspolitik zu avisieren. (Abg. Rosemarie Bauer: Sagen Sie mir, wo diese Schule ist! Ich will das wissen!) Lächerlich ist das, sehr lächerlich! Zu diesem Thema hätte ich Ihnen mehr zugetraut.

Bleiben wir noch bei den Drogen, und zwar bei dem Antrag von Herrn Höchtl. (Abg. Schwemlein: Sie vielleicht! Wir nicht!) Sie können mich nicht durcheinanderbringen, dazu bin ich zu sehr Profi. Ich habe 25 Minuten Überzeit. (Ruf bei der ÖVP: Wo ist diese Schule?) Fragen Sie die Frau Bundesminister, vielleicht sagt sie es Ihnen!

Kollege Höchtl verlangt in seinem Entschließungsantrag Aufklärung der Schüler über Drogen. (Abg. Schwarzenberger: Für Sie wäre die Aufklärung gut!) Es wäre besser, die ÖVP machte eine bessere Bildungs- und vor allem Familienpolitik, damit die Kinder ihre Versorgung in der Familie finden und nicht Drogen nehmen müssen, um ihre Einsamkeit zu übertünchen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Lesen Sie sich den Antrag durch! Zuerst lesen, dann reden!)

Sie verlangen Lehrerfortbildung. Das ist ja zum Lachen. Vor eineinhalb Jahren haben Sie einem Gesetz zugestimmt, das es den Lehrern nicht mehr verpflichtend vorschreibt, bei Verdacht auf Einnahme von Drogen bei Kindern dies zu melden. Sie haben entsprechend abgestimmt, und jetzt wollen Sie diesbezüglich eine Lehrerfortbildung. Lächerlich! Worthülsen! Frau Minister gibt Worthülsen vor, Kollege Höchtl sagt sie nach und schreibt sie in Anträgen nieder. Lächerlich!

Einbindung der Schulärzte: ebenfalls lächerlich! Es gibt heute keine Meldung mehr. Wenn ein Schularzt feststellt, daß eventuell Drogen genommen worden sein könnten, ist er nicht verpflichtet, es zu melden, nicht einmal der Lehrerschaft, auch keiner Behörde, niemandem. Denn der Schüler darf ja nicht diskriminiert werden. So ist es, das ist Ihre Drogenpolitik in den Schulen. Leere Worthülsen!

Ich will auf diese Gesetzesvorlagen gar nicht mehr eingehen, weil meine Kollegen das schon hinreichend getan haben. Aber die Stellungnahme der Frau Bundesminister hat mich dazu bewogen, diesen Unwahrheiten, die hier im Haus und anschließend draußen in der Öffentlichkeit verbreitet werden, endlich einmal ein Ende zu setzen. Schauen Sie sich in den Spiegel! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stampler. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.59

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich zu Beginn möchte ich – um wieder etwas Ruhe hier in den Plenarsaal zu bringen – betonen, daß ich froh darüber bin, daß


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wir das Jahr 1997 schreiben, daß ich froh darüber bin, daß es in unserer Schule keine alkoholisierten Schüler gibt, und daß ich froh darüber bin, daß ich noch nie einen Schüler aus der Klasse habe kommen sehen, der mir lallend entgegentrat und nicht sprechen konnte. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

In diesem Sinne möchte ich auf den Bericht zurückkommen, mit dem uns die morgige Ausgabe des "Kurier" vorführt, daß Österreichs Schulen ein Vorzugszeugnis ausgestellt wird. Wenn ich daraus zitieren darf: Gratulation, wir sind Vorzugsschüler. Die OECD verglich das Bildungssystem von 22 Staaten und gab Österreich die Bestnote. Kaum ein Land läßt sich Bildung und Ausbildung der Jugend soviel kosten wie Österreich, wobei das Geld gut angelegt scheint. – Ende des Zitates.

Wenn wir heute Änderungen im Schulwesen beschließen, so bietet dies meiner Ansicht nach neue Möglichkeiten, den bisherigen Weg fortzusetzen. Österreichs Schüler sind also Spitze, und ich denke, das kann mit Recht behauptet werden. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir erst vor wenigen Wochen das Budget beschlossen haben und das Unterrichtsbudget als eines der wenigen eine Aufwertung erfuhr, nämlich um 2,3 Milliarden Schilling, wovon 636 Millionen Schilling für den Personalaufwand und 1,6 Millionen für den Sachaufwand verwendet werden.

Wenn heute von der Teilrechtsfähigkeit gesprochen wird: Ich bin stolz darauf und denke, daß dies unseren Schulen eine neue Zukunft bietet und neue Perspektiven eröffnet. Selbst Lehrer, war ich immer bestrebt, die Pflichtschule für die Allgemeinheit zu öffnen. An meiner Schule hatte am Nachmittag die Musikschule freien Eintritt, auch konnten Kurse für Erwachsenenbildung und Jugendveranstaltungen durchgeführt werden. Ich bin bestrebt, die Schule der Bevölkerung zu öffnen. Schule kostet Geld, und die Bevölkerung hat ein Recht, die Schule zu nützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu meinem Bereich gehört das Bundesgymnasium Rein. Als ich dort vor ein paar Tagen den Direktor fragen konnte, wie er zur Teilrechtsfähigkeit steht, sagte er mir, daß er sie begrüßt. Gerade die Mittelschule braucht neue Möglichkeiten und benötigt verschiedene Dinge, die aufgrund der geplanten Teilrechtsfähigkeit angeschafft werden können. Das Gymnasium des Stiftes Rein wird den Turnsaal an Vereine vermieten. Mit dem Geld, das auf diese Weise eingenommen wird, können Turn- und Sportgeräte angeschafft werden.

Auf einen weiteren Punkt möchte ich an dieser Stelle verweisen. Die Reiner Vorsorgestudie, die an diesem Gymnasium in Fortsetzung der Aktion Gesunde Volksschule durchgeführt wurde, ist bisher von einem Verein durchgeführt worden. Nunmehr wird im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit die Schule die Möglichkeit haben, diese sinnvoll zu nützen und die finanziellen Erträge dafür zu verwenden, ergonomisch richtiges Mobiliar anzukaufen. Daher hat man meiner Ansicht nach mit dem Schritt zur Teilrechtsfähigkeit einen guten Schritt in die Zukunft getan.

Eine kurze Anmerkung noch zur Änderung des Schulunterrichtsgesetzes: In der derzeitigen Fassung nimmt das Schulunterrichtsgesetz nicht Bedacht auf die neue Polytechnische Schule, deren Absolventen aufgrund der vermittelten Berufsgrundbildung verbesserte Einstiegsbedingungen in die Berufsschule erhalten sollen. Ich habe den Weg vom Polytechnischen Lehrgang zur Polytechnischen Schule mitgemacht und kann sagen, daß das Polytechnikum heute eine Anstalt ist, die moderne Berufsvorbereitung leistet, sei es in der Art von Betriebsbesuchen oder auch in der Art von Schnupperlehren. An dieser Stelle möchte ich einen Dank an die Wirtschaft einflechten, da immer wieder Betriebe den Schulen die Tore öffnen, um diesen Leuten die Möglichkeit zu geben, die Schnupperlehre in ihrem Betrieb zu verbringen.

Viele kleine Steinchen ergeben ein Mosaik. Sehen wir die Änderungen, die wir heute beschließen, auch als solche Teile, die wir brauchen, damit Bildungspolitik in diesem Sinne und zu diesem Fortschritt weitergeführt werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.04


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fuchs. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.04

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! In diesem Jahr wurde vom Nationalrat erfreulicherweise ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung beschlossen. Personen mit einer Lehrabschlußprüfung oder mit einem erfolgreichen Abschluß einer mindestens dreijährigen mittleren Schule können dadurch Berechtigungen erwerben, die auch mit der Reifeprüfung einer höheren Schule verbunden sind, also den Zugang zu Universitäten oder Fachhochschulen gewährleisten.

Die Erwachsenenbildung hat darauf schon mit diversen Kursangeboten reagiert. Was den interessierten Personen derzeit jedoch noch nicht zur Verfügung steht, sind konkrete Förderungsmaßnahmen im schulischen Bereich. Deshalb ist es dringend notwendig, den Aufgabenbereich der Berufsschulen sowie der mittleren berufsbildenden Schulen zu fördern. Nur die Zurverfügungstellung von konkreten Bildungsangeboten für die Vorbereitung auf diese Prüfung schon während der beruflichen Ausbildung kann die gewünschte Verankerung der Berufsreifeprüfung im österreichischen Schulsystem gewährleisten. Für die betroffenen Schüler und Schülerinnen, die sich noch in Ausbildung befinden, ist dies eine wichtige und verantwortungsbewußte Unterstützung.

Notwendig sind folglich gesetzliche Regelungen, die den genannten Schulen auch die Möglichkeit geben, ein entsprechendes Angebot zur Verfügung zu stellen. Diese schulischen Angebote sollen jedoch nicht in Form einer Ausweitung der Unterrichtsstunden – wie das heute schon mehrmals gesagt wurde –, sondern durch die Nutzung bestehender Ressourcen an den jeweiligen Standorten erfolgen. Unter dem Gesichtspunkt der Kostenneutralität ist eine Umschichtung anzustreben, die sich an den unterschiedlichen Möglichkeiten und Bedürfnissen der Schulen orientiert.

Interessierte Schülerinnen und Schüler könnten demnach durch die Inanspruchnahme von Vorbereitungsmodulen und Anrechnungsmodellen sowie anderen Förderungsmaßnahmen gezielt auf die Berufsreifeprüfung hinarbeiten. Diese Vorbereitung soll unter anderem auch die Anschlußfähigkeit gewährleisten und eine Korrektur beziehungsweise den Ausbau individueller Bildungsentscheidungen ermöglichen. Das ist uns Sozialdemokraten besonders wichtig und entspricht unseren bildungspolitischen Zielvorstellungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Durch dieses konkrete Vorbereitungsangebot zur Berufsreifeprüfung wird vielen Jugendlichen die Entscheidung zur Fortsetzung und zur Verbesserung ihres Bildungsweges erleichtert. Als Sozialdemokratin begrüße ich jede Möglichkeit, die zu besserer Bildung und Ausbildung junger Menschen führen kann. Damit befinde ich mich im Gegensatz zu Kollegen Abgeordneten Schöggl, an dessen Adresse ich das jetzt richten möchte, da er in diesem Zusammenhang von einer Okkasionsmatura gesprochen hat. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das soll es nicht sein!) Ich denke, allein die Tatsache, daß man in diesem Zusammenhang dieses Wort gebraucht, ist wirklich eine Anmaßung all jenen gegenüber, die diesen zweiten Bildungsweg gehen und die viele Entbehrungen auf sich nehmen, um das zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meinerseits möchte und muß ich sagen, daß ich jeden bewundere und ausgesprochen schätze, der imstande ist, in einem zweiten Bildungsweg eine höhere Qualifikation und auch einen Abschluß zu erreichen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Fraktion wird dieser Gesetzesvorlage gerne zustimmen, weil wir damit dem Ziel einer bedarfsgerechten Sicherung der Berufsbildung wieder einen Schritt näher gekommen sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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22.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Krammer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.09

Abgeordnete Dr. Christa Krammer (SPÖ): Werter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Man kann da nicht reden, ohne mit einem Umweg über die Frau Abgeordnete Madl zu beginnen. Das schaffe ich nicht.

Sie haben sich zu Äußerungen verstiegen, die haarsträubend sind! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, es ist aber so!) Sie haben wirklich gesagt, an den Schulen taumeln einem betrunkene Kinder entgegen. Na danke, sage ich im Namen der österreichischen Lehrer, danke schön! Diesen haben Sie ein wunderbares Zeugnis ausgestellt: Die Alkoholleichen kugeln an den Schulen herum. (Abg. Madl  – die Gestik einer Weinenden andeutend –: Buh! Buh!)

Lachen Sie nicht! Ich werde allen ausrichten, daß die FPÖ sagt, die Lehrer fördern den Alkoholismus an den Schulen. Danke, das ist wunderbar! Für die nächsten Wahlen werde ich mir das merken! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Dann hat die Frau Abgeordnete allen Ernstes gesagt: Ein Dealer hat vier Tage Zeit, um die Leute süchtig zu machen. – Aufgrund dieser Aussage an sich muß man sich fragen, wieviel die Frau Abgeordnete, bevor sie zum Rednerpult gegangen ist, konsumiert hat! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Liebe Kollegin! Sie haben wahrscheinlich vom Suchtmittelgesetz gesprochen. Durch das Suchtmittelgesetz wurden die Strafen für die Dealer allerdings drastisch erhöht! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie (in Richtung des Abg. Dr. Pumberger) müssen das wissen, denn Sie waren damals im Gesundheitsausschuß und zu meinem Leidwesen dessen Vorsitzender! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich darf auch Sie als einen meiner Vorredner ansprechen: Ich fühle mit Ihnen, was die Sprache betrifft. Sie haben absolut recht! Auch ich glaube, daß man die Umgangsformen an den Schulen ein bißchen verbessern könnte.

Eigentlich wollte ich aber über die Teilrechtsfähigkeit reden. Abgeordneter Höchtl hat in Anlehnung an die Universitäten gesagt ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. ) Herr Kollege Stadler! Stören Sie nicht! Wenn Sie bei mir im Unterricht wären, würde ich mich Ihrer jetzt ein bißchen anders annehmen! Kommen Sie einmal zu mir! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Bei mir herrscht Zucht und Ordnung, und Sie würden das auch noch lernen! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte jetzt zur Teilrechtsfähigkeit etwas sagen. Hören Sie mir zu! Wo ist Höchtl? Er ist gar nicht da! Herr Kollege Höchtl erwartet sich ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Bei mir nicht! Das haut hin, glauben Sie mir, das ist mir Wurscht! Herr Kollege Höchtl glaubt allen Ernstes an 100 Millionen für die Schulen. – Gut, soll sein! Und alle loben die Teilrechtsfähigkeit und das Sponsoring. Erlauben Sie mir dennoch, daß ich ganz wenige und ganz kleine Bedenken gegen diese Teilrechtsfähigkeit anmerke: Man soll sich neuen Entwicklungen nicht verschließen, aber man muß sich bei all dem doch die Fähigkeit erhalten, die Vorteile und Nachteile von gewissen Lösungen zu sehen! (Abg. Mag. Stadler: Jetzt spricht die strenge Christa!)

Der Vorteil ist natürlich, daß die Schule zukünftig zu eigenmächtigem Handeln und zur Selbständigkeit bevollmächtigt ist. Aber, Herr Kollege Höchtl, du erwartest dir 100 Millionen für die Schulen. (Abg. Dr. Höchtl: Für alle!) Okay, 100 Millionen für alle! Aber kennst du die Gefahr an dem Ganzen? – Ich hoffe, daß es nicht dazu kommen wird, aber man muß das auch sehen: Ich fürchte, daß es dazu kommen könnte, daß es einmal reichere und ärmere Schulen geben wird. (Abg. Dr. Höchtl: Das ist doch nicht wahr!) Doch! Denn eine Schule in einem Ballungszentrum wird sich wesentlich leichter tun, ihre Räumlichkeiten zu vermieten und Kurse anzubieten, weil es ein entsprechendes Einzugsgebiet gibt. Im Hinblick auf eine Schule im ländlichen Bereich – ich denke jetzt zum Beispiel an meine Schule mit 400 Schülern – habe ich aber sehr wohl Bedenken, ob es dieser möglich sein wird, soviel Geld zu lukrieren wie eine Schule mit einem größeren Einzugsgebiet. Man muß so ehrlich sein und sagen, daß es diese Gefahr auch gibt! Dasselbe gilt fürs Sponsoring.


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Daher ist es zu begrüßen, daß wir im Ausschuß darüber gesprochen haben, daß es nach einer gewissen Zeit zu einer Berichterstattung im Hinblick auf die Wirksamkeit dieser Teilrechtsfähigkeit kommen muß. Das ist meiner Meinung nach nicht schlecht. Kollege Öllinger hat jedoch kritisiert, daß zwischendurch ja Wahlen sind und der nächste Minister oder die Ministerin sich daran nicht gebunden fühlen muß. (Zwischenruf bei den Grünen.) Wer auch immer das gesagt hat, es ist gefallen. Ich sage dazu: Das Parlament hat die Möglichkeit, einen Bericht zu verlangen. Ich hoffe, daß das Hohe Haus auch nach der nächsten Wahl einen Bericht über die Teilrechtsfähigkeit wünschen wird, und ich hoffe, daß sich meine Bedenken nicht bewahrheiten. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

22.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. Restredezeit Ihres Klubs: 13 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.15

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Hohes Haus! Die Vorrednerin konnte mich zumindest nicht davon überzeugen, daß die Schule wenigstens betreffend die Direktionen und die Lehrerzimmer alkoholfrei ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das wäre eine sanfte Begründung Ihres Auftrittes.

Herrn Kollegen Höchtl möchte ich vorschlagen, Frau Krammer vielleicht einmal zu seiner Aktion "Gewaltfreie Schule" als Referentin einzuladen! In Anbetracht der Drohgebärden, die Sie gegenüber Kollegen Stadler aufgezogen haben, kann ich mir nämlich vorstellen, daß Sie sehr prädestiniert sind, liebe gnädige Frau, im Rahmen dieser Aktion über die gewaltfreie Schule zu sprechen! (Ironische Heiterkeit und Zwischenruf der Abg. Dr. Krammer. )

Zum Thema Teilrechtsfähigkeit, die hier rundum sehr gelobt wurde: Frau Bundesminister! Ich glaube, wir sollten die Kirche im Dorf lassen! Die Teilrechtsfähigkeit wird nicht deshalb jetzt auf die Schulen angewendet, weil die Universitäten eine Milliarde Schilling aufgebracht haben, wie es Kollege Höchtl heute stolz präsentiert hat. Würde er sich nämlich die Zahlen betreffend Eigenmittelaufbringung von asiatischen oder amerikanischen Universitäten ansehen, dann würde er erkennen, daß dieses halbe Promille, das die Universitäten bisher aufgebracht haben, nur ein sehr schwacher Ansatz ist.

Aber sei’s drum! Es ist dies ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Es war aber sicherlich kein demokratischer Energieanfall der Regierungsparteien, sondern die Notwendigkeit, ein Instrument der Mangelverwaltung zu haben, die uns diese Teilrechtsfähigkeit gebracht hat. Es handelt sich hiebei, wie gesagt, auch um eine alte freiheitliche Forderung, und wir stehen zu diesem Projekt.

Frau Bundesminister! Die Einführung der Teilrechtsfähigkeit erfordert aber auch einige Zusatzaktionen: Teilrechtsfähigkeit als Voraussetzung für Schulautonomie muß auch bedeuten, daß die Schulaufsicht schmäler wird und bereit ist, Agenden abzugeben. Wenn ich mir allerdings die Aufteilung in den Landesschul- und Bezirksschulbehörden anschaue, wo stets ein Roter und ein Schwarzer und – wie inzwischen in der Steiermark – auch noch ein weiterer von jeder Fraktion dazugehören muß, dann habe ich nicht das Gefühl, daß hier abgeschlankt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So verhält es sich, meine lieben Kollegen! Und es müssen auch die Direktoren in Zukunft nach anderen Kriterien für die Schulleitung ausgesucht werden als bisher. Das Parteibuch allein darf nicht mehr reichen. – Ich weiß schon, Sie stellen in Abrede, daß dem so ist. Es gibt da aber wieder einen ganz aktuellen Fall in der Steiermark: Seit zwei Jahren kann eine Stelle nicht nachbesetzt werden, weil sich der entsprechende Kollege nicht rechtzeitig "umfärben" ließ, um für diesen Posten die geeignete Farbe zu haben!

Kollege Höchtl! Sie haben zur drogenfreien Schule einen Antrag eingebracht, der durchaus Sinn macht, und Sie haben einen Antrag zur gewaltfreien Schule eingebracht, der ebenfalls Sinn macht. Ich frage Sie: Warum haben Sie uns nicht eingeladen, an den Beratungen zu diesen Anträgen teilzunehmen? Seien Sie sicher, daß wir einiges dazu beizutragen gehabt hätten! Es


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gibt eine Aktion "Sport statt Droge", und Sie werden sich vorstellen können, daß ich als Sportsprecher meiner Fraktion vor allem dieses Element in Ihr Vorhaben mit einbezogen hätte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

So ist das Ganze ein Fragment von Absichtserklärungen geblieben. Glauben Sie in der Tat, daß Sie dem Drogenproblem mit Vorträgen und mit Lehrerfortbildung beikommen können? Einige diesbezügliche Aspekte wurden schon erörtert. Frau Bundesminister! Ich war wirklich erfreut, aus Ihrem Mund zu hören, daß Sie die Aktion "Kinder stark machen" in die Schulen getragen haben. Wie Sie sich vorstellen können werden, sehe ich bei der Aktion "Kinder stark machen" auch den physischen Anteil. Kollege Grabner, der mir zulächelt, meint mit mir, daß der Sektor des Schulsportes, wie wir immer wieder wiederholen, im argen liegt. Frau Bundesminister! Ich war am Wochenende bei der Steirischen Schulsportkonferenz in Graz und habe dort aus dem Munde sehr aktiver, engagierter Sportlehrer, die es auch gibt, im Zusammenhang mit der Aktion "pro Schulsport" gehört – und Sie werden das von mir schriftlich nachgereicht bekommen –, daß es noch nie weniger Schulsport und noch nie schlechtere Schulsportler als derzeit gab und daß es noch nie so demotivierte Sportlehrer in den Schulen wie derzeit gab. Ich verspreche Ihnen, daß Sie diese Aussage des Leiters der Aktion "pro Schulsport" von mir schriftlich bekommen werden, damit ich hier nicht immer als isolierter Nörgler in diesen Angelegenheiten dastehe!

Eine Regierungsvorlage, die es heute zu beschließen gibt, betrifft auch die Schulsportproblematik. Wir haben bereits im Ausschuß signalisiert, daß wir dieser Vorlage zustimmen werden, und zwar nicht so sehr, weil wir von der Teilrechtsfähigkeit im Bereich des Schulsportes so besonders überzeugt sind, denn wir wissen inzwischen, daß dieser Verkauf der Bundeseinrichtung der Schulstätten zu einem starken Rückgang der sportlichen Aktivitäten und der Vereine geführt hat und dies somit ein Anschlag auf die Volksgesundheit ist. Wir stimmen ausschließlich deshalb zu, weil auch die Bundesanstalten für Leibeserziehung im Zuge der Ermöglichung der Teilrechtsfähigkeit diese Möglichkeit bekommen sollen.

Abschließend bringe ich Ihnen, damit Sie zum Thema Teilrechtsfähigkeit nicht nur aus dem Mund des "Oppositionsnörglers" etwas hören, ein paar Zitate von der Gewerkschaft öffentlicher Dienst zu diesem heute zu beschließenden Schulorganisationsgesetzesänderungen: Vorbereitungsmodule und Fördermaßnahmen für Lehr- und Fachschulabsolventen verursachen personelle und administrative Konsequenzen, diese sind mit Mehrkosten verbunden, die im Gesetz nicht ausgewiesen sind. Oder: Bei der Teilrechtsfähigkeit sind zu viele administrative Hindernisse eingebaut. Sie erfordern verstärkte Bürokratie und Verwaltung im Bereich der Aufsicht. – Genau denselben Satz haben Sie zuvor aus meinem Mund gehört! – Ich danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.22

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß für uns alle hier der Grundsatz gilt: Ehre, wem Ehre gebührt.

Frau Kollegin Madl! Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, denn es ist Ihnen gelungen, die bis zu Ihrer Rede eher lustlos geführte Debatte absolut unterhaltungsreich zu machen! Ich sage gleich vorweg: Sie haben die Debatte nicht um sehr viel Wissenswertes bereichert, aber Sie haben wenigstens eine große Abwechslung hineingebracht.

Zu den jeweiligen Punkten, die anstehen: Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Vorweg möchte ich sagen: Ich kann mit beiden Entschließungsanträgen recht gut leben. Mit der Formulierung der Präambel habe ich aber gewisse Probleme. Herr Präsident Brauneder! Sie haben gesagt, daß Sie sehr wohl den Alkohol in den Bereich der Drogen mit einbezogen haben möchten. Ich bin völlig Ihrer Meinung! Wenn ich jetzt aber die Umsetzung der Präambel des Entschließungsantrags voraussetze, dann möchte ich mir mit Ihnen anschauen, wie die Wirts


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häuser im Umkreis von 300 Metern zugesperrt werden. Ich glaube, in der Realität wird sich das nicht abspielen!

Ich möchte jedoch etwas klarstellen: Frau Kollegin Madl! Auch wenn sich im Umkreis der Schule innerhalb von 300 Metern ein Gasthaus befindet, dann bedeutet das noch lange nicht, daß in den Schulen nur mehr betrunkene Schüler herumgehen. Ich bin aktiver Lehrer, und ich darf Ihnen sagen, daß meine Schüler bei Gott keine Kostverächter sind. Aber derartige Auswüchse im Zusammenhang mit Alkohol, wie Sie sie dargestellt haben, gibt es in der Schule nicht! Das möchte ich hier ein für allemal klarstellen, Frau Kollegin! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Kollegin Madl! Wenn wir gerade bei diesem Thema sind, dann möchte ich Ihnen sagen, daß Sie nicht so bescheiden sein sollten: Ich nehme an, daß Sie eine der wenigen Trafikantinnen sind, die mit dem Diplom ausgezeichnet wurde, die ehrlichste und gewissenhafteste Trafikantin Österreichs zu sein, die noch nie einem weniger als 16 Jahre alten Schüler ein Packerl Zigaretten verkauft hat, weil ihr die Gesundheit des Schülers wichtiger war als der Umsatz. Warum haben Sie das nicht betont? Sie waren sicherlich ein so guter Mensch! Also reden wir nicht nur über Alkohol, reden wir auch über die Zigaretten. Ich möchte nicht wissen, welche Rolle Sie dabei gespielt haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Madl: Wieso ich?)

Meine Damen und Herren! Ich habe die Wortmeldungen des heutigen Tages betreffend klassische politische Aussprüche ein bisserl genauer verfolgt und kann sagen, daß heute in etwa 20- bis 25mal der "richtige Schritt in die richtige Richtung" gesetzt worden ist. Überlegen Sie sich das einmal! Kann man den falschen Schritt in die richtige Richtung oder den richtigen Schritt in die falsche Richtung setzen? Etwas ist mir allerdings klar: Frau Kollegin Madl hat bewiesen, daß man den falschen Schritt in die falsche Richtung setzen kann! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Madl. )

Meine Damen und Herren! Mir hat der Vorredner, Herr Kollege Grollitsch, irrsinnig gut gefallen, als er gesagt hat, daß er nicht versteht, warum wir die FPÖ nicht eingeladen haben, an dem Antrag zur Erziehung zur Gewaltfreiheit teilzunehmen. Herr Kollege Grollitsch! Wenn Sie glauben, daß Sie der ideale Partner für Gewaltfreiheit sind, dann hinterfragen Sie das einmal ein bisserl!

Frau Ministerin! Ich könnte mit den einzelnen Punkten dieses Entschließungsantrages gut leben, aber über die Präambel müssen wir diskutieren. Was bedeutet Gewaltfreiheit diesfalls? Worüber sollte ich mir in diesem Zusammenhang Gedanken machen?

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, weil auch die aktuelle Situation mit hereinspielt, auf einen einzigen Punkt hinzuweisen. Wir diskutieren derzeit über eine Novellierung des Waffengesetzes, welche ich für gut und richtig halte, aber ob wir allein mit dem Waffengesetz oder mit diesem Entschließungsantrag das Problem lösen können, sollten wir uns sehr gut überlegen! Wir sollten uns das auch deshalb sehr gut überlegen, weil es nicht möglich ist, mit einem Gesetz die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung zu reduzieren. Vielmehr ist es dringend notwendig, diese Gewaltbereitschaft als gesellschaftspolitisches Problem zu erkennen und an diesem Punkt anzusetzen. Und da ich sagen kann, daß der Entschließungsantrag darauf abzielt, kann ich ihn sehr wohl unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es stehen einige Regierungsvorlagen zur Beschlußfassung an, die, wie ich meine, ganz gute Ansätze beinhalten. Ich denke mir, daß Sie der Auffassung sind, daß es für einen Lehrer sehr gut und richtig ist, den Kolleginnen und Kollegen Lob auszusprechen. Ich möchte aber dennoch eine kleine Überlegung anstellen: Es sollen all jene Schüler, die in den Polytechnischen Schulen im betriebswirtschaftlichen und auch im fachtheoretischen Bereich ausgebildet wurden, in die höhere Leistungsgruppe eingestuft werden. – Ich habe in diesem Zusammenhang die Erfahrung gemacht, Frau Ministerin, daß trotz intensivster Bemühungen die Kommunikation zwischen der Berufsschule und dem Polytechnischen nicht sehr gut funktioniert und daß die Lehrer im Polytechnischen nicht unbedingt die höchste fachliche Qualifikation


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haben. Auch daran sollten wir arbeiten, denn je besser die Lehrer dort sind, desto besser sind auch in der Folge die Schüler!

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir mit all diesen Vorlagen gute Arbeit leisten. Ich lade dennoch ein, den Gedanken mit mir weiterzuverfolgen, daß all jene Intentionen, die wir per Gesetz umsetzen, eine Gesellschaft noch nicht in die Richtung verändern, wie wir sie gerne haben wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Abgeordneter Mag. Posch. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.29

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Der Fortschritt, den die vorliegende SchOG-Novelle bringt, läßt sich an drei Punkten ablesen.

Der erste dieser Punkte ist die Einführung der unverbindlichen Übung Berufsorientierung in der dritten und vierten Klasse der Hauptschule und der AHS. Das ist eine ganz, ganz wichtige Maßnahme. Die Berufsorientierung soll interdisziplinär vermittelt werden, auch Projektunterricht und Exkursionen sind geplant. Das ist wichtig in einem Lebensalter, in dem die Schüler oft nicht wissen, was sie tun sollen.

Der zweite wichtige Punkt ist, daß gemäß § 46 Berufsschüler besser auf die Berufsreifeprüfung vorbereitet werden können. Es sind an den Berufsschulen nach Möglichkeit Differenzierungsmaßnahmen im Unterricht und Freigegenstände anzubieten. "Nach Möglichkeit" bedeutet Kostenneutralität: Das wird dem Angebot zwar Grenzen setzen, dennoch ist dies positiv, denn durch die Berufsreifeprüfung wird das Ausbildungssystem durchlässiger und wird für Lehrlinge und Lehrabsolventen der Zugang zu Akademien, Colleges, Fachhochschulstudiengängen und Universitäten geöffnet.

Der dritte Punkte ist die Teilrechtsfähigkeit der Schulen: Den Schulen wird damit eigenberechtigtes und eigenverantwortliches Handeln in einer Reihe von Bereichen zugestanden, etwa beim Abschluß von unentgeltlichen Rechtsgeschäften, beim Anbieten und Führen von Lehrveranstaltungen, die nicht zum öffentlichen Angebot von Schulen gehören, beim Abhalten von Informationsfesten und Kulturveranstaltungen, bei der Erstellung von Gutachten, Werken, Prüfberichten und so weiter. All das sind positive Maßnahmen. Das Positivste daran ist allerdings, daß sich der Bund dadurch etwa 300 Millionen Schilling ersparen wird. Das möchte ich fast schon als Wohltätigkeit bezeichnen. Hier hat es sich die Zentralgewalt ein bißchen gerichtet, wie man so schön sagt. – Soviel zu dieser SchOG-Novelle.

Abschließend habe ich noch ein Anliegen, das Sie schon kennen. Die Rechtschreibreform wird Sie noch länger beschäftigen, als Ihnen lieb ist, wie auch die Initiativen der AutorInnen und KünstlerInnen zeigen. Es ist bekannt, daß Unsinn, wenn er einmal institutionalisiert ist, sehr zählebig ist. Nachdem es keine Versuche gibt, die Rechtschreibreform zu sistieren, ersuche ich Sie, sich zu überlegen, ob wir nicht zumindest dahin gehend konform gehen könnten, wenigstens das "ß" zu eliminieren und generell durch ein Doppel-s zu ersetzen. Das müßte auf dem Verordnungsweg möglich sein. Das ist eine geringe Maßnahme, aber dadurch könnte sehr viel vereinfacht und sehr vieles leichter gemacht werden. Vielleicht können Sie sich diesbezüglich einen kleinen Schubs geben! – Ich danke Ihnen (Beifall bei der SPÖ.)

22.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte, Frau Bundesministerin.

22.33

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Zwei Feststellungen sind mir noch wichtig.


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Erstens: Nach dem Schulorganisationsgesetz und nach den Schulordnungen darf es in unseren Schulen keinen Alkohol geben. In Anbetracht dessen, was Frau Abgeordnete Madl hier geschildert hat, hat sie die sofortige Verpflichtung, die Schulaufsicht zu verständigen, damit entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zweitens: Frau Abgeordnete Madl hat mir vorgeworfen, den Entwurf eines Suchtmittelgesetzes mit hinaufgesetzten Grenzwerten mitbeschlossen zu haben. – Ich stelle ganz klar und deutlich fest: Im Ministerrat wurde der Entwurf eines Suchtmittelgesetzes ohne Grenzwerte beschlossen. Die Grenzwerte wurden im Hauptausschuß über einen Vorschlag des Sozialministers und des Justizministers in einer Grenzmengenverordnung festgelegt. Ich bitte also, sich das nächste Mal vorher besser zu informieren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Ein Schlußwort der Berichterstatter findet nicht statt.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte, zu diesem Zweck den jeweiligen Platz einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschußantrag getrennt vornehmen lassen werde.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 934 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Madl und Genossen ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs abstimmen lassen.

Der vorliegende Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird, kann im Sinne des Art. 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Somit stelle ich zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ziffern 30, 31, 32 und 34 in der Fassung der Regierungsvorlage und ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich abermals die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mehrheitlich so angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1015 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf stimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist stimmeneinheitlich der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1017 der Beilagen.

Da einige Bestimmungen des Entwurfes betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert


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wird, im Sinne des Art. 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder beschlossen werden können, stelle ich diese fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls mehrheitlich und ist daher angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1017 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Entschließung zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen. (E 96.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 936 der Beilagen.

Im Falle der Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht gleichfalls durch die Mehrheit. Der Entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 937 der Beilagen.

Da auch hier einige Bestimmungen des Entwurfs betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird, im Sinne des Art. 14 Abs. 10 Bundes-Verfassungsgesetz nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder beschlossen werden können, stelle ich diese fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit.

Ich stelle daher ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist gleichfalls die Mehrheit.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Unterrichtsausschusses, seinen Bericht 1021 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Höchtl, Dr. Antoni und Genossen betreffend Maßnahmen für eine drogenfreie Schule.

Im Falle der Zustimmung bitte ich Sie um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen. (E 95.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Höchtl, Dr. Antoni und Genossen betreffend Erziehung zur Gewaltfreiheit.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen. (E 94.)

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen betreffen wird, berufe ich für 22.40 Uhr, also sogleich im Anschluß an diese Sitzung, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 22.40 Uhr