Stenographisches Protokoll

23. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 11. Mai 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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23. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 11. Mai 2000

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Mai 2000: 9.02 – 21.44 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen

Beratungsgruppe IX: Wirtschaft und Arbeit; Bauten und Technik

Beratungsgruppe XII: Militärische Angelegenheiten

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 7

Geschäftsbehandlung


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23. Sitzung / Seite 2

Wortmeldung des Abgeordneten Karl Öllinger betreffend die Erteilung von Ordnungsrufen in der 22. Sitzung des Nationalrates 7

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend bisherige Praxis bei der Erteilung von Ordnungsrufen 7

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 452/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung 9

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung 139


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23. Sitzung / Seite 3

Redner:

Dr. Evelin Lichtenberger 139

Bundesminister Dipl.-Ing. Michael Schmid 141

Kurt Eder 142

Mag. Reinhard Firlinger 144

Mag. Helmut Kukacka 145

Dr. Gabriela Moser 146

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 9

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol betreffend Umfang der Dringlichen Anfrage 103

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend die Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck zur Verfügung stehende Redezeit für die Beantwortung der Dringlichen Anfrage 103

Wortmeldungen ebenfalls im Zusammenhang mit der Dringlichen Anfrage:

Dr. Peter Kostelka 103

Ing. Peter Westenthaler 104

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 7

Ausschüsse

Zuweisungen 8

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Doris Bures und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive Verschlechterungen für kranke Menschen durch das FPÖ/ÖVP-Belastungspaket im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (750/J) 94

Begründung: Doris Bures 104

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 107

Debatte:

Dr. Elisabeth Pittermann 112

Dr. Alois Pumberger 115

Karl Donabauer 118

Dr. Kurt Grünewald 120

Dr. Alois Pumberger (tatsächliche Berichtigung) 122

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (tatsächliche Berichtigung) 122

Mag. Barbara Prammer 123

Dr. Brigitte Povysil 124

Dr. Erwin Rasinger 125

Karl Öllinger 127

Annemarie Reitsamer 130

Mag. Beate Hartinger 131

Dr. Günther Leiner 133

Theresia Haidlmayr 135

Reinhart Gaugg 137

Franz Riepl 138


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23. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung von barrierefreiem Zugang zu Arztpraxen – Ablehnung 136, 139

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 und Zu 60 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (80 und Zu 80 d. B.) 9

Beratungsgruppe IX: Kapitel 63: Wirtschaft und Arbeit, Kapitel 64: Bauten und Technik (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) 10

Redner:

Kurt Eder 10

Mag. Walter Tancsits (tatsächliche Berichtigung) 12

Reinhart Gaugg 12

Josef Edler (tatsächliche Berichtigung) 15

Karl Öllinger 15

Mag. Kurt Gaßner (tatsächliche Berichtigung) 19

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 19

Rudolf Edlinger (tatsächliche Berichtigung) 22

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 22

Doris Bures 25

Sigisbert Dolinschek 27

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) 29

Dr. Gabriela Moser 29

Ing. Leopold Maderthaner 33

Dr. Kurt Heindl 35

Staatssekretärin Mares Rossmann 37

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 39

Theresia Haidlmayr 41, 148

Ing. Leopold Maderthaner (tatsächliche Berichtigung) 43

Rudolf Schwarzböck 44

Georg Oberhaidinger 46

Helmut Haigermoser 48

Emmerich Schwemlein 50

Dkfm. Dr. Günter Puttinger (tatsächliche Berichtigung) 52

Mag. Helmut Kukacka 52

Mag. Kurt Gaßner 54

Robert Egghart 55

Günter Kiermaier 57

Mag. Dr. Josef Trinkl 59

Wolfgang Jung (tatsächliche Berichtigung) 61

Mag. Johann Maier (tatsächliche Berichtigung) 61

Franz Riepl 61

Norbert Staffaneller 63

Josef Edler 65

Karl Donabauer (tatsächliche Berichtigung) 67

Dr. Reinhold Mitterlehner 67

Christian Faul 69

Dr. Helene Partik-Pablé 71

Sophie Bauer 73, 84

Johannes Schweisgut 74

Arnold Grabner 76

Reinhold Lexer 77

Ing. Erwin Kaipel 79

Annemarie Reitsamer 80

Rudolf Nürnberger 82

Gabriele Heinisch-Hosek 85

Dr. Elisabeth Pittermann 87

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 89

Marianne Hagenhofer 91

Mag. Dr. Udo Grollitsch 92

Ing. Kurt Gartlehner 93

Rudolf Schwarzböck (tatsächliche Berichtigung) 150

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Nürnberger und Genossen betreffend ein Programm aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt für 13 000 Langzeitarbeitslose – Ablehnung 83, 151

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek und Genossen betreffend ein Programm aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen mit besonderen Bedürfnissen in den Arbeitsmarkt – Ablehnung 86, 151

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Anhebung der Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz – Ablehnung 149, 151

Annahme der Beratungsgruppe IX 151

Beratungsgruppe XII: Kapitel 40: Militärische Angelegenheiten (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag) 151

Redner:

Anton Gaál 151, 193

Wolfgang Jung 154

Dr. Peter Pilz 158

Günther Platter 162

Mag. Brunhilde Plank (tatsächliche Berichtigung) 164

Bundesminister Herbert Scheibner 164, 188

Anton Leikam 169

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 170

Dr. Evelin Lichtenberger 172

Walter Murauer 174

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 176

Dr. Reinhard Eugen Bösch 178

Marianne Hagenhofer 179

Paul Kiss 180

Dr. Dieter Antoni 182

Roland Zellot 183

Katharina Pfeffer 184

Ing. Herbert L. Graf 185

Ing. Erwin Kaipel 187

Mag. Cordula Frieser 191

Reinhold Lexer 196

Günter Kiermaier 196

Johann Loos 198

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Gaál und Genossen betreffend pensionswirksame Beitragszeiten für ordentliche und außerordentliche Präsenzdiener zum Ausgleich der unsozialen Wirkungen der FP/VP-Pensionsreform – Ablehnung 153, 199

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend Ausarbeitung einer neuen österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin – Annahme (E 10) 156, 199

Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Gaál und Genossen betreffend Ausarbeitung einer neuen österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin – Ablehnung 193, 199

Annahme der Beratungsgruppe XII 199

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 8


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23. Sitzung / Seite 5

32: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisenbahn- und Straßenverkehr

95: Internationales Kaffee-Übereinkommen von 1994 sowie Resolution Nummer 384 betreffend Verlängerung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 1994

97: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Auszeichnung von Preisen (Preisauszeichnungsgesetz – PrAG) und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden

Anträge der Abgeordneten

Werner Amon, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (151/A)

Werner Amon, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung geändert wird (152/A)

Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Maßnahmepaket für leistbares und kostengünstigeres Wohnen (153/A) (E)

Rudolf Nürnberger und Genossen betreffend ein Programm aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt für 13 000 Langzeitarbeitslose (154/A) (E)

Gabriele Heinisch-Hosek und Genossen betreffend ein Programm aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen mit besonderen Bedürfnissen in den Arbeitsmarkt (155/A) (E)

Dr. Gottfried Feurstein, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert wird (156/A)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend Ausdehnung der Sendezeit in Rundfunk und Fernsehen für Volksgruppen und MigrantInnen (157/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Doris Bures und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive Verschlechterungen für kranke Menschen durch das FPÖVP-Belastungspaket im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (750/J)

DDr. Erwin Niederwieser und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aushungern des Gedenkdienstes (751/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Vorstand des Finanzamtes Leoben (752/J)

Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Fehlinterpretationen des Wählerwillens (753/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Beteiligungen des ehemaligen Staatssekretärs Wittmann an verschiedenen Reisebüros (754/J)


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23. Sitzung / Seite 6

Dr. Evelin Lichtenberger und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend EU-Transitausschuss: Das Ende der österreichischen Anti-Transitpolitik? (755/J)

Dieter Brosz und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Beteiligungen des ehemaligen Staatssekretärs Wittmann an verschiedenen Reisebüros (756/J)

Dr. Kurt Grünewald und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend weitere Gutachten im Fall Marcus Omofuma (757/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzierung einer Marktstudie "Absatzchancen für Hersteller von Bioprodukten im EU-Raum" (758/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Zahl der Biobetriebe in Österreich gemäß EG-VO 2092/91 (759/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Zahl der geförderten Biobetriebe im Jahr 2000 (760/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Maßnahmen für die biologische Wirtschaftsweise im Programm ländliche Entwicklung (761/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Erstellung einer Marktstudie "Absatzchancen für Hersteller von Bioprodukten im EU-Raum" (762/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Einstellung des Verfahrens gegen Andreas Mölzer (763/J)

Hans Sevignani und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Betriebsbereitschaft der LKW-Waage in Arnbach/Osttirol (764/J)

Dr. Robert Rada und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Einstellung der Nebenbahn Drösing–Zistersdorf (765/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Theaterstück "Schnitzler’s brain" (766/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Binder und Genossen (468/AB zu 514/J)

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (469/AB zu 525/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen (470/AB zu 459/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Rainer Wimmer und Genossen (471/AB zu 470/J)


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Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, und ich eröffne die 23. Sitzung des Nationalrates.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Ing. Gerhard Bauer, Mag. Lunacek und Mag. Haupt.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner wird durch Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer vertreten.

Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

9.03

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Im Rahmen der gestrigen Sitzung ist es unter der Vorsitzführung von Herrn Präsidenten Prinzhorn zu einer bestimmten Praxis der Ordnungsruf-Erteilung gekommen, die unserer Ansicht nach eine Behandlung verlangt. (Abg. Gaugg: Machen wir eine Sitzungsunterbrechung!)

Herr Abgeordneter Pilz hat für die Bemerkung, die FPÖ sei eine "vollrassistische" beziehungsweise "rechtsextreme Partei", einen Ordnungsruf erhalten. Ich halte fest, dass es hiebei nicht um eine persönliche Beleidigung gegangen ist, sondern um die Wertung einer Partei. (Abg. Aumayr: Ach so! Nein, das macht gar nichts! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Gleichzeitig hat Herr Abgeordneter Haigermoser an die Adresse des Abgeordneten Pilz im Zusammenhang mit dieser Äußerung die Bemerkungen "Linksfaschist" und "Oberstalinist" gemacht. Dafür ist kein Ordnungsruf erteilt worden.

Ich halte des Weiteren fest, dass Herr Präsident Prinzhorn im Rahmen seiner Begründung für den Ordnungsruf gemeint hat, Herr Abgeordneter Pilz habe den Ausdruck "nazistische", "vollnazistische Partei" verwendet, hat aber anschließend den Ordnungsruf auch für "vollrassistische Partei" erteilt.

Ich halte weiters fest, dass auch – Herr Präsident, ich denke, es ist wichtig, diese Angelegenheiten im Rahmen einer Präsidiale zu diskutieren – die Äußerung des Herrn Abgeordneten Gusenbauer, die FPÖ sei eine teilweise rassistische beziehungsweise rechtsextreme Partei mit einem Ordnungsruf – nicht unter Ihrer Vorsitzführung – von Herrn Präsidenten Fasslabend bedacht wurde.

Ich glaube, dass das Anlass sein sollte, die Praxis der Ordnungsruf-Erteilung grundsätzlich zu überdenken, und ich rege deshalb eine Präsidiale an.

9.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Öllinger! Es steht außer Streit, dass jedes Mitglied des Hohen Hauses das Recht hat, das Verlangen zu stellen, für bestimmte Ausdrücke einen Ordnungsruf zu erteilen. Das kann nach der Geschäftsordnung während einer Sitzung und


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23. Sitzung / Seite 8

auch am Beginn der nachfolgenden Sitzung erfolgen. Insoweit ist das Verlangen nach Erteilung eines Ordnungsrufes berechtigt.

Ich habe auch die Ausdrücke "Linksfaschist" und "Oberstalinist" nicht überhört, bitte aber um Verständnis für Folgendes: Wir haben seit vielen Jahren die Praxis, dass Ordnungsrufe, wenn nicht zwingende Gründe dem entgegenstehen, nur von jenem Präsidenten erteilt werden, unter dessen Vorsitzführung sich das betreffende Ereignis, das einen Ordnungsruf herbeiführen könnte, abgespielt hat.

Ich habe gestern mit Kollegen Fasslabend kurz darüber gesprochen, dass wir in Zukunft bei dieser Praxis bleiben. Und aus diesem Grund erteile ich jetzt keinen Ordnungsruf für Zwischenrufe, die unter der Vorsitzführung des Kollegen Prinzhorn gefallen sind. Dass wir darüber in der nächsten Präsidiale sprechen, steht jeder Fraktion frei.

Natürlich würde ich mich freuen, wenn die heutige Haussitzung in dieser Beziehung weniger aufregend verlaufen würde als die gestrige, und zwar sowohl was die Wortwahl als auch die Terminologie betrifft.

Also: aus diesem Grund kein Ordnungsruf, aber Befassung der Präsidialkonferenz.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich auf § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung verweisen. Die entsprechende schriftliche Mitteilung wurde verteilt.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Anfragebeantwortungen: 468/AB bis 471/AB.

2. Regierungsvorlage:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Auszeichnung von Preisen (Preisauszeichnungsgesetz – PrAG) und das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 geändert werden (97 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000 – ARÄG 2000 (91 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (94 der Beilagen);

Kulturausschuss:

Antrag 148/A (E) der Abgeordneten Dr. Josef Cap und Genossen betreffend Finanzierung der Künstlersozialversicherung;

Landesverteidigungsausschuss:

Euro-Umstellungsgesetz-Wehrrecht – EUGW (90 der Beilagen);


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Umweltausschuss:

Antrag 149/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Umweltanlagengesetz;

Verfassungsausschuss:

Antrag 150/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird;

Verkehrsausschuss:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisenbahn- und Straßenverkehr (32 der Beilagen),

Binnenschifffahrtsfondsgesetz (84 der Beilagen);

Wirtschaftsausschuss:

Internationales Kaffee-Übereinkommen von 1994 sowie Resolution Nummer 384 betreffend Verlängerung des Internationalen Kaffee-Übereinkommens von 1994 (95 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Abgeordneten Doris Bures und Genossen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 750/J an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive Verschlechterungen für kranke Menschen durch das FPÖ/ÖVP-Belastungspaket dringlich zu behandeln.

Im Sinne jener Bestimmungen, die Sie alle kennen, werde ich diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf bringen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 452/AB

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ferner darf ich mitteilen, dass mir das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 452/AB zur Anfrage 416/J der Frau Abgeordneten Dr. Lichtenberger und Genossen betreffend Ausbaupläne Bundesstraßennetz durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie abzuhalten.

Da wir soeben für 15 Uhr eine Dringliche Anfrage vereinbart haben, wird diese Kurzdebatte nach Abschluss der Debatte zur Dringlichen Anfrage durchgeführt werden.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 und Zu 60 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (80 und Zu 80 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über folgende Vorgangsweise erzielt: Es ist eine Tagesblockredezeit von 9 "Wiener Stunden" vorgeschlagen, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 176 Minuten, Freiheitliche und ÖVP je 131 Minuten, Grüne 104 Minuten.


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Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitgliedes, die 20 Minuten überschreitet, beziehungsweise eine Rede des für die jeweilige Beratungsgruppe allenfalls zuständigen Staatssekretärs, die 10 Minuten überschreitet, soll auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.

Ferner soll die Redezeit ressortfremder Regierungsmitglieder beziehungsweise Staatssekretäre von Beginn an auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden. – Das ist die gleiche Regelung, wie wir sie gestern getroffen haben.

Über diesen Vorschlag hat das Hohe Haus zu entscheiden und zu befinden.

Ich frage daher: Gibt es Einwendungen gegen diesen Vorschlag? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das einhellig so beschlossen.

Beratungsgruppe IX

Kapitel 63: Wirtschaft und Arbeit

Kapitel 64: Bauten und Technik (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Verhandlung über die Beratungsgruppe IX.

Ein Wunsch auf Berichterstattung liegt nicht vor.

Wir gehen in die Beratungen ein.

Der Herr Bundesminister ist in der Zwischenzeit eingetroffen, wie Sie sehen, und ich darf daher als erstem Redner Herrn Abgeordneten Kurt Eder das Wort erteilen. – Bitte.

9.10

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Was dieses Budget, das wir heute hier diskutieren, für Österreich und für die Wirtschaft Österreichs bedeutet, ist die große Frage. Was hier beschlossen werden soll, ist ein Sparpaket der "Superlative", denn Ihr Budget, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist ein Belastungsprogramm ohne soziale Balance, ohne soziales Gleichgewicht. Neue Belastungen sind die einzige "Idee", die hinter diesem Budget steckt. Sie haben keine Sparziele, sondern ausschließlich Belastungsziele . Vielen Verlierern auf der Seite der Arbeitnehmer, Pensionisten, Studenten und der sozial Schwachen werden wenige Gewinner auf der Unternehmerseite und der Seite der Reichen gegenüberstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren vor allem von den Freiheitlichen! Sie sagen ja immer, dass Sie an die "kleinen" Leute denken, aber offensichtlich denken Sie ab jetzt nur mehr an deren Geldbörsen beziehungsweise Sparbücher. Selbst eine Wifo-Studie zeigt auf, dass Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Das ist nicht unsere Politik, sondern die Ihre – und für diese Politik sind Sie allein verantwortlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Einen Vorgeschmack auf das neue Sparpaket, das auf uns zukommen wird, haben wir ja schon bekommen. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Sie von der Freiheitlichen Partei haben im Wahlkampf plakatiert: Mieten senken, Strompreise senken, Kinderbetreuungsscheck, Arbeitsplätze schaffen. – Was aber ist die Realität? (Zwischenruf des Abg. Wenitsch. )  – Herr Wenitsch! Bis jetzt kommt davon gar nichts! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Die Strompreise sinken zwar, aber nicht auf Grund Ihrer Politik, sondern infolge des EU-Wettbewerbs! Sie schlagen vielmehr eine Steuer auf die sinkenden Strompreise drauf, wodurch der Strompreis in Österreich womöglich wieder gleich hoch wie zuvor sein wird. Und wer hat das alles zu zahlen? – Der von Ihnen von der FPÖ so viel zitierte "kleine, brave und fleißige Österreicher".


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Sie von den Regierungsparteien erhöhen die Kfz-Steuer; auch alle Gebühren im Zusammenhang mit Wohnen werden erhöht. Sie plakatieren zwar "Wohnen billiger machen!", aber wenn man Gebühren im Zusammenhang mit dem Wohnen erhöht, kann es bekanntlich nur teurer werden.

Weiters: Passgebühren, Gerichtsgebühren werden erhöht – und vieles andere mehr. Der Umverteilungseffekt bei diesen Erhöhungen – das zeigen alle Studien klar auf – ist doch Folgender: Umverteilung von unten nach oben; die Schwächeren unserer Gesellschaft sind wesentlich stärker davon betroffen.

Ihre oft versprochene soziale Staffelung von Transferleistungen findet überhaupt nicht statt. Ganz im Gegenteil: Sie kürzen die Pensionen und Transferleistungen, erhöhen Verbrauchsteuern und Gebühren! Sie ziehen den "kleinen, braven und fleißigen Österreichern" mit einer Leichtfertigkeit das Geld aus der Tasche, wie das in unserem Lande überhaupt noch nie der Fall war!

Wenn man sich Ihr Budget ein wenig genauer ansieht, merkt man ganz klar: Es zerplatzt wie eine Seifenblase. Viel zu optimistischen Einnahmenschätzungen stehen irgendwelche Traumzahlen bei den Ausgaben gegenüber. In wenigen Tagen werden Sie, Herr Wirtschaftsminister Bartenstein, draufkommen, dass mit diesem Budget Investitionen gebremst werden und dass die Einnahmenschätzung nicht einmal das Papier wert ist, auf dem sie steht.

Meine Damen und Herren! Aus all den bisher vorliegenden Unterlagen kann keinerlei Wirtschafts- oder Industriekonzept herausgelesen werden, und das ist das Drama an diesem Budget. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, haben es in Ihren ersten unseligen hundert Tagen geschafft, die Sozialpartnerschaft mehr als in Frage zu stellen; eine soziale Wende haben Sie "erfolgreich" eingeleitet: von den Kleinen hin zu jenen, die es Ihrer Meinung nach brauchen, nämlich die Reichen, die Unternehmer, die Großbauern, aber auch die Hausherren haben Sie bei diesem Ihrem Budget selbstverständlich nicht vergessen.

Sie, Herr Minister Bartenstein, versprechen der Wirtschaft Milliarden und kündigen Lohnnebenkostensenkungen an. Aber was bedeutet das? – Der durchschnittliche Klein- und Mittelbetrieb mit rund fünf Angestellten hat davon fast überhaupt nichts! Vielleicht hat der Unternehmer ein bisschen ein Körberlgeld, aber über die Preise wird er das sicher nicht weitergeben können. Profitieren werden wieder einmal multinationale Konzerne, die Großen also. Arbeitsplätze werden damit keine geschaffen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. ) – Die wird nicht profitieren, weil dort die Personalzahl sehr niedrig ist.

Wollen Sie von FPÖ und ÖVP uns etwa weismachen, dass es durch Senkung der Lohnnebenkosten zu einer regen Nachfrage nach Mitarbeitern kommen wird?! Glauben Sie im Ernst, dass durch Senkung der Lohnnebenkosten neue Beschäftigung entstehen wird?! – Ich glaube es nicht!

Weiters gibt es Kürzungen bei Förderungen. Das trifft doch wieder die Klein- und Mittelbetriebe, in denen eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Kolleginnen und Kollegen beschäftigt ist.

Oder: Wer profitiert vom Ausverkauf des Volksvermögens? – Das Volk sicher nicht, weil nämlich unter dem Wert verkauft wird, wie Zabotocky in einem Hearing vor einigen Wochen erklärt hat. Aber vielleicht müssen einige Damen und Herren ihre Versprechen aus der Vergangenheit einlösen. (Zwischenruf des Abg. Gaugg. ) Es ist schon ziemlich einfach, Herr Gaugg, Vermögen unter dem Wert abzugeben, das jemand anderem gehört, nämlich den 8 Millionen Österreicherinnern und Österreichern! (Abg. Gaugg: Besser so wirtschaften als wie beim "Konsum"!)

Die Seilschaft Ihres Herrn Prinzhorn ist übrigens eine, die nicht ewig halten wird. Seile sind auch woanders schon gerissen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)


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Glauben Sie mir: Mit diesem Budget 2000 werden alle Chancen, den Staatshaushalt nachhaltig zu konsolidieren, vergeben! Auch das wurde klar von der Europäischen Union festgestellt. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Heute zu meinen, daran wäre Minister Edlinger schuld, ist eine billige – eine billige! – Antwort! Sie wissen ganz genau: Kritik gab es nicht an der vergangenen Budgetierung, sondern am Budget für die nächsten zwei, drei beziehungsweise vier Jahre. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei diesem Ihrem Budget kommt es zu keinerlei strukturellen Verbesserungen, weil 60 Milliarden Schilling an neuen Ausgaben zugunsten der Reichen Österreichs zusätzlich gemacht werden! Und das alles muss von den "kleinen, braven und anständigen Österreichern" finanziert werden! Und darin liegt die Problematik dieses Budgets. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Ihr habt bewiesen, dass ihr es nicht könnt!)

9.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Tancsits zu Wort gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden dem tatsächlichen Sachverhalt gegenüberzustellen!

9.17

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Eder hat in seiner Rede behauptet: Sie kürzen die Pensionen. – Das ist unrichtig!

Richtig ist vielmehr, dass die bestehenden Pensionen mit 1. Jänner dieses Jahres erhöht wurden (Zwischenrufe bei der SPÖ) und dass auch bei der künftigen Pensionsplanung eindeutig feststeht, dass Pensionen weiterhin in ihrem Wert gesichert bleiben, nettoangepasst werden, demnach also nicht gekürzt, sondern weiterhin erhöht werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Das ist eine Fehlinformation, keine Berichtigung! Ich bin neugierig, was die Leute dazu sagen, wenn sie es bemerken!)

9.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Thema Pensionen wird uns im Zuge unserer Debatten hier noch oft beschäftigen.

Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

9.18

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren! Die SPÖ hat uns in den vergangenen Jahren ja gezeigt, wie man wirtschaftet (Abg. Schwemlein: Ihr seid nicht einmal in der Lage, das nachzumachen!): Nicht nur in der eigenen Partei liegt alles im Argen, sondern der gesamte Staatshaushalt ist in Unordnung geraten. Was Sie beispielsweise in der Sozialpolitik gemacht haben, war Verrat an der Jugend, Verrat an der Beschäftigungspolitik in Österreich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie können ja das alles nachlesen.

Herr Ex-Finanzminister Edlinger, weil Sie immer so tun, als seien Sie für überhaupt nichts verantwortlich, was in dieser Republik passiert ist: Lesen Sie doch nur den OECD-Bericht 1999, in dem Sie wegen Ihrer Budgetpolitik massiv kritisiert werden! Massiv wird in diesem OECD-Bericht darauf hingewiesen, dass Sie lediglich Einmalmaßnahmen planen und Ähnliches mehr! Jetzt tun Sie so, als ginge Sie, weil Sie drei, vier Monate lang nicht mehr im Amt sind, Herr Abgeordneter Edlinger, all das nichts mehr an, jetzt interessiert Sie das nicht mehr. Da schwingen Sie offensichtlich lieber die Faschismus-Keule. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ihr Parteivorsitzender ist zwar nie hier im Plenarsaal anwesend, schüttete dafür aber in Paris wieder einmal die Republik Österreich und die österrechischen Bürger an. Und das weise ich auf das Entschiedenste zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Das kann doch nicht die wahre SPÖ sein! Ich meine, das ist sie auch nicht.


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Ihre verfehlte Sozialpolitik der vergangenen Jahre, die Einführung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft macht es nun notwendig, eine neue sozialpolitische Epoche in unserer Republik einzuleiten. Dass es Ihnen von der SPÖ wehtut, da nicht dabei zu sein, ist mir schon klar. Den Arbeiter und den Angestellten in Österreich, dem Sie von der SPÖ in den letzten Jahren viel Schaden zugefügt haben, werden Sie von der SPÖ allerdings nicht mehr vertreten können, denn dieser glaubt Ihnen ganz einfach nicht mehr. (Abg. Reitsamer: Das Arbeiterkammerwahl-Ergebnis in Kärnten ist ja sehr aussagekräftig! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Reitsamer, Sie sind eines der besonderen Exemplare Ihrer SPÖ. Sie sind gerade jene, die immer wieder vorgibt, für den so genannten kleinen Mann etwas zu tun. Sie als Vorsitzende des Sozialausschusses haben aber auch immer wieder die Privilegien gewisser Berufsgruppen mit Hängen und Würgen verteidigt, zum Beispiel jene der Eisenbahner. Die Eisenbahner weisen jährlich in ihren Ausschreibungen darauf hin, wie stolz sie darauf sind, dass sie nach wie vor mit 53 Lebensjahren in Pension gehen können. – Das muss die Allgemeinheit zahlen. Und das ist Ihre Form der Sozialpolitik!

Ihre Form der Sozialpolitik ist Proporzpolitik, ist Versorgung von Minister Scholten und Co, ist das "Euroteam", worüber wir auch noch ausführlich diskutieren werden können. Ein gewisser Herr Stuhlpfarrer, ein gewisser Herr Jan Klima, Sohn des Ex-Bundeskanzlers, ein gewisser Herr Mock, Sekretär des Bundeskanzlers, waren involviert. Die werden nicht ungeschoren davonkommen.

Es kann doch nicht so sein, dass alles, was bis zum 4. Februar in dieser Republik geschehen ist, bestens war, und jetzt alles schlecht ist. Tatsache ist, dass eine Million Menschen in Österreich an der Armutsgrenze leben. Das waren Ihre Leistungen in der Vergangenheit, Ihre misslichen Leistungen, die Sie an der Jugend vollbracht haben.

Auch der ÖGB meldet sich nunmehr wieder – nach jahrelangem Kuschelkurs und Aussagen wie: dürfen wir nicht, Bundeskanzler – und stellt fest, dass nach oben verteilt wird: Unternehmen, Großbauern, Mietshausbesitzer. – Großartig! All das erinnert an eine längst vergangen geglaubte Epoche. Einer der grφίten Mietshausbesitzer gehφrt aber Ihrer Partei an, nδmlich Herr Konecny. Er sitzt fόr Ihre Partei im Bundesrat. Er wird sich schon freuen, wird aber die von Ihnen immer wieder erwδhnten Dinge nicht finden.

Sie meinen auch, es würde ein Ausverkauf des Staates stattfinden, wenn die Privatisierung von Unternehmen, die derzeit in öffentlicher Hand sind, durchgeführt wird. 80 Milliarden Schilling an Schulden  haben  Sie  mit  Ihrer Form der Wirtschaftspolitik angehäuft. Das allein sind bei einem 5-prozentigen Zinssatz jährlich 4 Milliarden Schilling, die der Steuerzahler dafür aufbringen muss, dass sie die öffentliche Wirtschaft zugrunde gerichtet haben.

Ihre Form der Wirtschaftspolitik haben wir vor Ihrem Parteitag und nach Ihrem Parteitag erlebt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Mit dem Schuldenberg, den Ihre Partei hat, beweisen Sie doch, welchen Umgang mit Geld Sie pflegen. (Abg. Dr. Mertel: Niederösterreich: 300 Millionen!) Durch Ihre Verantwortungslosigkeit gegenüber dem österreichischen Steuerzahler ist es notwendig, dass Sanierungen erfolgen. (Abg. Dr. Mertel: FPÖ in Niederösterreich!)

Ein Bereich aus dem Ganzen: Modernisierung der Sozialversicherungsanstalten. An der Verrechnung und Verwaltung ist das Zeitalter des Internets und der Telekommunikation spurlos vorübergegangen! (Abg. Dr. Mertel: FPÖ: 300 Millionen in Niederösterreich!) Wir haben noch immer 29 Sozialversicherungsanstalten, gut versorgte Direktoren, Obmänner und so weiter. Das ist und war Ihre Form der Sozialpolitik.

Das Einzige, das wirklich interessieren würde: Alles, was Sie jetzt an Maßnahmen, die stattfinden, kritisieren ... (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. – Frau Mertel, Sie sind heute ausnahmsweise auch wieder einmal hier. Aber hören Sie bitte zu! Können Sie das? Sie sind ÖGB-Frauenreferentin in Kärnten, was haben Sie für die österreichischen Frauen wirklich bewegt? Was haben Sie bewegt auf Grund dessen, dass es jahrelang ein Frauenministerium gegeben hat? Was haben Sie tatsächlich zusammengebracht? – Das Einzige, das Sie machen, ist das Kritisieren von Maßnahmen, die notwendig geworden sind. (Abg. Dr. Mertel: 300 Millionen


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hat die FPÖ! – Abg. Ing. Westenthaler: Auch eine Möglichkeit! Das wäre eine Möglichkeit! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich geben Ihnen ja Recht. Ich höre immer wieder von einer so genannten verteilungspolitischen Katastrophe. Eine "verteilungspolitische Katastrophe" hat Herr Bernd Marin festgestellt. Wissen Sie, wann er das festgestellt hat? – Am 31. Juli 1997! Wenn Sie rechnen könnten, wüssten Sie, dass Sie damals den Bundeskanzler, die Sozialministerin und den Finanzminister gestellt haben.

Es gibt natürlich Bereiche, die für die Mitarbeiter, die dort beschäftigt sind, besonders attraktiv sind, nur kommen dort nicht alle unter: zum Beispiel der ÖGB mit einer Abfertigung von 24 Monatsgehältern. Viele Arbeitnehmer in Österreich bekommen nicht einen Schilling an Abfertigung, aber die Mitarbeiter des ÖGB bekommen bis zu zwei Jahresgehältern an Abfertigung – Ihre Form der Sozialpolitik!

Weiters: außerordentliche Zuwendungen bei der Abfertigungsbevorschussung ab dem 45. Lebensjahr, Essenszuschüsse, Fahrtkostenersatz, Sonderkonditionen bei der BAWAG, Gratifikationen, freiwillige Sozialleistungen in abenteuerlichem Ausmaß. Das ist ja alles in Ordnung, Herr Präsident Verzetnitsch, ist durchaus zu begrüßen, nur wäre es anständig, würde ich meinen, wenn es alle österreichischen Arbeitnehmer bekommen hätten. Das wäre eine korrekte Sozialleistung gewesen: für alle österreichischen Arbeitnehmer zwei Jahresgehälter an Abfertigung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich lade Sie ein, an der neuen sozialpolitischen Entwicklung in dieser Republik teilzunehmen. Der erste Punkt ist die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Jahrelang haben Sie den Arbeitern versprochen, dass das so geregelt werden wird. – Nichts, null, keinen Millimeter haben Sie gemacht! (Abg. Edlinger: Wann kommt das?) – Sie kommt. Herr Minister außer Dienst, sie kommt. Sie werden ja, so nehme ich wohl an, diese Besserstellung für die Arbeiter mitbeschließen. Herr Kollege Edlinger, diese erste Maßnahme wird umgesetzt werden, sie war im Ministerrat und wird auch im Parlament die entsprechende Mehrheit finden. (Abg. Edlinger: Die "kleinen" Leute zahlen! Sie sind ein "klasser" Gewerkschafter!)

Zweiter Punkt: Die Frage der Abfertigung tut Ihnen ebenfalls weh. Jahrelang haben Sie eine Verbesserung bei den Abfertigungen versprochen – nichts gemacht, keinen Millimeter sind Sie weitergekommen. Aber das, was Sie perfekt können und in den Jahren des Regierens nicht verlernt haben, ist in allen Bereichen Destruktivismus, so möchte ich das einmal bezeichnen, und zwar in der Form, dass sogar der Arbeiterkammerpräsident in Wien dazu angehalten wird, Unwahrheiten zu verbreiten.

Es heißt, die Pensionen würden um 15 Milliarden Schilling gekürzt werden. Außerdem hätte die Regierung den Ausverkauf großer und wichtiger österreichischer Unternehmen angekündigt. – Großartig! Wäre es besser gewesen, so zu handeln wie Sie beim "Konsum"? Oder wäre es besser, zuzuwarten wie seinerzeit bei der VOEST Linz, bis sie nicht mehr handlungsfähig war? Bis ein Unternehmen im Konkurs ist? Ist das Ihre Form der Wirtschaftspolitik? – So haben Sie es gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Wir werden zu günstigen Schnäppchen internationaler Konzerne. – Ist "internationales Kapital" wirklich ein Schimpfwort in Ihren Reihen? Anscheinend schon. Seit dem Wechsel von einem wirtschaftsliberalen Bankdirektor an der Spitze der SPÖ zu einem Moskautreuen scheint es so zu sein, dass Kapital, Leistung und Wert in Ihren Reihen nicht mehr anerkannt werden.

Eines kann ich Ihnen versichern – wenn es Ihnen auch noch so wehtut –: Wir werden im Interesse der Österreicher und Österreicherinnen, insbesondere der Arbeitnehmer weiterarbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

9.28


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23. Sitzung / Seite 15

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Edler zu Wort gemeldet. Ich bitte, den zu berichtigenden und den tatsächlichen Sachverhalt gegenüberzustellen.

9.28

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat behauptet, dass die Eisenbahner mit 53 Jahren in Pension gehen und andere damit belasten. – Das ist unrichtig. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich berichtige tatsächlich, dass die Eisenbahner nur unter besonderen Voraussetzungen mit 53 Jahren in Pension gehen und sich das frühere Pensionsalter auf Grund der Pensionsreform 1997 und des erhöhten Pensionssicherungsbeitrages von 4,5 Prozent selbst zahlen, meine Damen und Herren! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Die FPÖ ist gegen die Eisenbahner! (Beifall bei der SPÖ.)

9.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die Uhr ist auf 15 Minuten gestellt. – Bitte.

9.29

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank und im Hause! Ich lade Sie ein: Vergessen Sie einmal kurzfristig die Debatte um Lumpen und Humpen, um Österreich-Vernaderer, um Vaterlandsverräter, und versuchen Sie einmal, zu schauen, was nicht nur hier in Österreich, sondern international geschieht, und darüber zu diskutieren.

Es wäre nicht uninteressant, sich das anzusehen, was da in der Wirtschaft los ist, wenn an den Börsen durch Spekulation innerhalb eines Tages ein Milliardär wie Herr Bill Gates um 10 Milliarden Dollar ärmer oder auch reicher werden kann. 10 Milliarden Dollar innerhalb eines Tages: Ist das ein Problem, das die Politik interessieren sollte, ja oder nein? (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das ist aber kein Problem, das zum Budgetkapitel Arbeit und Wirtschaft gehört!) – Sie meinen, das ist kein Problem, das im Kapitel Arbeit und Wirtschaft diskutiert gehört, Herr Wirtschaftsminister? – Ich bin schon dieser Meinung! Da brauche ich mir nur die heutigen Tageszeitungen anzusehen! Haben Sie die heutigen Tageszeitungen gelesen? – Ich nehme an, ja. Ich nehme an, Sie haben auch den "Standard" gelesen.

Das bringt mich auf eine Idee: Darin gibt es einen Artikel – ich glaube, es war im "Standard" von heute oder vielleicht auch in dem von gestern –, in dem die wirtschaftliche Entwicklung in der Papierindustrie am Beispiel von Herrn Prinzhorn aufgezeigt wird. Das hat jetzt mit ihm persönlich überhaupt nichts zu tun, aber Herr Prinzhorn stellt sehr sachlich und nüchtern fest, dass er sich der Exporte gar nicht erwehren kann! Auf Grund der geänderten Währungsrelationen zwischen dem Euro und dem Dollar ist die österreichische Wirtschaft im Moment so exportfähig wie noch nie. Er weiß gar nicht, wohin er überall exportieren soll. Er kann sozusagen die Exporte gar nicht mehr richtig bedienen, weil momentan für die österreichische Wirtschaft, für die europäische Wirtschaft die Bedingungen ausgesprochen günstig sind.

Das ist gut – da werden Sie mir zustimmen –, aber, Herr Bundesminister: Das hat ja auch eine andere Seite! Das ist gut für die Beschäftigten, das ist gut für die Unternehmen, das ist aber auch gut für die Profite! Was ich hier nur feststellen will, Herr Bundesminister: Hier werden im Moment Windfall Profits in einem Ausmaß erzielt, wie es noch vor einigen Jahren nicht vorstellbar war.

Erinnern Sie sich zurück, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, an die Zeiten des EU-Beitritts: War da nicht die Rede davon, dass durch den Wegfall der Transaktionskosten der Wirtschaft pro Jahr Hunderte Milliarden Schilling erspart werden können? – Ja, meine Damen und Herren, wo sind denn die gelandet? – In den Taschen der Österreicherinnen und Österreicher? – Lesen Sie den Sozialbericht über die Einkommensverteilung in Österreich! Die


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sind sehr ungleich gelandet! Jetzt haben wir den Wegfall der Transaktionskosten – eine günstige Voraussetzung für die Wirtschaft –, die Einführung des Euro – eine günstige Voraussetzung für die Wirtschaft –, die Entwicklung des Euro in Relation zum Dollar – eine weitere günstige Voraussetzung für die Wirtschaft! (Abg. Großruck: Der Bundesminister ist schuld daran, dass der Dollar gestiegen ist, nicht wahr?)

Und dann haben wir jetzt – damit bin ich direkt bei Ihnen, Herr Bundesminister – Rahmenbedingungen, die diese Bundesregierung zusätzlich setzt, indem sie sagt: Wir müssen die Wirtschaft noch mehr ankurbeln! – Herr Prinzhorn weiß gar nicht mehr, wie er noch mehr ankurbeln könnte, weil schon so gekurbelt wird, dass er die Exporte nicht mehr bedienen kann, aber diese Bundesregierung ist der Meinung, wir müssen noch mehr ankurbeln, und zwar (Abg. Mag. Kukacka: Sind Sie jetzt für mehr Arbeitsplätze oder nicht?), meine Damen und Herren, durch die Senkung der Arbeitskosten.

Nun gibt es, was die Lohnstückkosten betrifft, Statistiken, die belegen, dass Österreich im internationalen Vergleich einen hervorragenden Platz innehat. Das interessiert Sie aber nicht, meine Damen und Herren! (Abg. Wattaul: Da haben Sie aber nichts dazu beigetragen!) – Sie haben noch weniger dazu beigetragen, wenn Sie es genau wissen wollen, denn Sie waren bis jetzt nicht in der Situation, etwas beitragen zu können, Herr Kollege! (Abg. Wattaul: Ich schon!)

Meine Damen und Herren! Der spannende Punkt ist der: Diese Bundesregierung hat es sich trotz international und national günstigster Rahmenbedingungen für die österreichische Wirtschaft – das erfreut unser aller Herz – auf die Fahnen geheftet, die Arbeitskosten zu senken. Darüber kann man diskutieren – man kann darüber diskutieren! –, wenn dabei Relationen hergestellt werden, wenn Arbeit entlastet wird und die anderen Ressourcen – Kapital und Energie – belastet werden. Geschieht das? – Nein, meine Damen und Herren, es geschieht nicht! Es wird weder Energie belastet, noch wird Kapital belastet, sondern es findet eine Entlastung des Faktors Kapital statt, und zwar zum ersten Mal in einem Ausmaß, in dem man es nicht für möglich gehalten hat, auch bei den Lohnnebenkosten: Es wird der Beitrag zur Unfallversicherung gesenkt, es wird der Beitrag für den Insolvenzentgeltfonds gesenkt (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das ist eine Entlastung des Faktors Arbeit, nicht für das Kapital, Herr Kollege!) – ich komme schon noch darauf zu sprechen, Herr Bundesminister, wo das die Entlastung des Faktors Arbeit ist –, es wird der Beitrag für die Arbeitslosenversicherung gesenkt, und es wird in weiterer Folge der Beitrag für die Krankenversicherung gesenkt.

Aber für wen wird er gesenkt? – Bisher, meine Damen und Herren, hatten wir in Österreich in weiten Bereichen – im Bereich der Sozialversicherung, im Bereich der anderen Versicherungen – ein System des paritätischen Beitragsaufkommens. Es ist kein Zufall, Herr Bundesminister, dass Sie sich genau jene Bereiche ausgesucht haben – auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung –, bei denen es um arbeitgeberseitige Entlastung geht! Ich sage Ihnen, Herr Bundesminister: Denselben Effekt hätten Sie erzielen können, wenn Sie im Bereich der Arbeitslosenversicherung, im Bereich der Krankenversicherung arbeitnehmerseitig entlastet hätten. Ja, warum machen Sie das nicht? Damit würden Sie der Wirtschaft durch Entlastung des Faktors Arbeit und durch Senkung der Lohnnebenkosten helfen, und gleichzeitig würden Sie die Arbeitnehmer entlasten!

Aufgepasst, Herr Kollege Kukacka (Heiterkeit des Abg. Dr. Trinkl ): Es geht auch anders! Man muss nicht nur weitere Geschenke an die Unternehmen machen! Man könnte auch paritätisch entlasten, man könnte auch einseitig die Arbeitnehmer entlasten und damit den Faktor Arbeit. (Abg. Mag. Kukacka: Das ist wirksame Arbeitsmarktpolitik!)

Ich behaupte – und darüber könnten wir lange diskutieren –: Was Sie hier machen, ist zum ersten Mal ein Umverteilungsprogramm im Bereich der sozialen Sicherung nach oben, ein einseitiges Umverteilungsprogramm, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist noch nicht alles. Nehmen Sie die Rahmenbedingungen her, die ich Ihnen skizziert habe, meine Damen und Herren! Herr Kollege Puttinger! Der Euro, der Wegfall der Transaktions


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kosten, die international günstigen Relationen: Für Sie im Tourismus mag das auch eine Rolle spielen; für die Wirtschaft insgesamt ist es ein bedeutender Entlastungsfaktor. Und das sieht man im Moment ja auch an den Unternehmensgewinnen, die ja nicht so schlecht laufen. (Abg. Auer: Das ist ja positiv! – Abg. Dr. Trinkl : Das ist ja positiv! Sind Sie für Verluste?)

Wo, meine Damen und Herren, trägt diese neue Bundesregierung und wo tragen Sie in Ihrem Ressort in irgendeiner Weise dazu bei, dass das, was Herr Prinzhorn noch einen Monat vor der Wahl gesagt beziehungsweise beklagt hat – und da hat er noch nicht einmal die positive Entwicklung in seinem eigenen Betrieb, die in den letzten Monaten eingesetzt hat, gekannt –, nämlich, dass die Armen ärmer und die Reichen reicher werden, nicht so weitergeht? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das war der Vorwurf an die alte Bundesregierung. – Wo in diesem Kapitel Wirtschaft, Soziales, Arbeit haben Sie nur einmal die Umverteilung – oder die Verteilung – der Gewinne, die jetzt erwirtschaftet worden sind und die ja nicht nur von den Unternehmern, sondern von allen in der Wirtschaft Beschäftigten erarbeitet worden sind, auf Ihre Fahnen geschrieben?

Ich komme auf das Beispiel der Senkung – der arbeitgeberseitigen Senkung! – der Lohnnebenkosten zurück: Daran – auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung, wo man natürlich auch die Arbeitnehmerbeiträge hätte senken können, aber es nicht wollte – sieht man, was Sie für ein Programm auf Ihre Fahnen geschrieben haben, meine Damen und Herren, und da fängt es an, kritisch zu werden. (Abg. Auer: Wenn man Ihnen so zuhört, dann müsste man sich freuen, wenn es den Betrieben schlecht geht!)

Der zweite Punkt: Im Ressort des Herrn Bundesministers ist jetzt die Zuständigkeit für den Bereich Arbeitsrecht und Arbeitnehmerschutz enthalten. Meine Damen und Herren, das ist ein nicht unbedeutender Einschnitt! Ich erinnere daran, Herr Bundesminister, auch weil Kollege Gaugg vorhin die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, die ja für die Freiheitliche Partei zumindest propagandistisch bisher immer ein Thema war (Abg. Wattaul: Noch immer!), angesprochen hat, dass im Bereich des Entlassungsrechtes noch immer Bestimmungen aus dem Jahr 1859 gültig sind! 1859 wurde im Bereich der Gewerbeordnung das Entlassungsrecht für Arbeiter im Gewerbe festgeschrieben. Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Khol! Es ist daher nicht zutreffend, dass das kollektivvertragliche Regelungen sind, die dieses Entlassungsrecht regeln können, sondern das ist gültiges Gesetz!

Sie sollten sich dafür schämen, meine Damen und Herren – das ist nicht nur an Ihre Adresse gerichtet, ich habe das den Sozialdemokraten genauso gesagt –, dass im Bereich der Wirtschaft noch immer Rahmenbedingungen für die Regelung der Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gelten, die aus dem Jahre 1859 stammen! Das ist doch ein Skandal! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Wissen Sie, von wann das Bürgerliche Recht ist? Wissen Sie, von wann das ABGB ist?)

Es ist nicht zufällig, meine Damen und Herren, dass diese Rahmenbedingungen für die Regelung der Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern damals im Bereich der Gewerbeordnung, also über die Wirtschaft, über die wirtschaftlichen Beziehungen definiert wurden! (Abg. Dr. Khol: Das ABGB ist von 1811! Das Strafgesetz ist von 1852! – Keine Ahnung!) Die Beziehungen zu den Arbeitern wurden als Anhängsel der Wirtschaftsordnung, der Gewerbeordnung gesehen.

Das ist die Grundauffassung, Herr Minister Bartenstein, die wir Grünen auch Ihnen vorhalten: Sie sehen nicht, dass das unterschiedliche Interessen sind! Das haben Sie dem "Standard" gegenüber klar gesagt: Das ist ein Klischee. Die unterschiedlichen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die gehören der Vergangenheit an. Dieser Vergangenheit von 1859 gehören sie an, Herr Bundesminister! Es wäre Ihre Aufgabe als Wirtschaftsminister, zumindest jetzt diese Beziehung neu zu gestalten. – Ich könnte Ihnen schöne Zitate daraus vorlesen (Abg. Wattaul: Nur eines!), aus denen klar wird, in welcher Abhängigkeit, in welcher Stellung die Arbeitnehmer auch in den Zeiten der sozialdemokratischen Regierung über diese Gewerbeord


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nung über Jahrzehnte hinweg gehalten worden sind. (Abg. Wattaul: Wir wollen nur eines hören!)

Das ist aber noch immer noch nicht der Punkt, meine Damen und Herren. Man kann zu dem Ergebnis kommen – und ich vermute einmal, Herr Bundesminister, dass das Ihre Auffassung ist –, dass im Bereich der wirtschaftlichen Beziehungen das Recht ohnehin wenig zu suchen hat, weil dieser Bereich überreguliert ist, weil es ohnehin falsch ist, die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern allzu sehr zu verrechtlichen.

Ich halte das für eine grundsätzlich falsche Herangehensweise an das Problem, mit dem wir im Moment – und nicht erst seit dem heurigen Jahr, sondern schon seit Jahren – konfrontiert sind: dass der Bereich des Arbeitsrechtes einer jener Bereiche ist, in denen am meisten Recht gebrochen wird, in denen am häufigsten und am deutlichsten die vertraglichen Beziehungen, denen sich auch Arbeitgeber unterworfen haben, von Seiten der Arbeitgeber nicht eingehalten werden. Das sind nicht in der Mehrheit die Arbeitnehmer; es sind auch, Gott sei Dank, noch immer nicht die Mehrheit der Arbeitgeber. Aber was hier passiert, das kann man an den steigenden Statistiken über gerichtliche Anfechtungen von Arbeitsverträgen erkennen: Das ist eine Verletzung von Vertragsbeziehungen durch die Arbeitgeberseite, durch bestimmte Arbeitgeber, in einem Ausmaß, wie man es sich nicht vorstellen würde und wie man es nicht für möglich halten würde.

Was wir in diesem Bereich verlangen, Herr Bundesminister, ist, dass die entsprechenden Behörden, die es ja gibt, dagegen auch tätig werden können. Was Sie aber planen, Herr Bundesminister, ist der Abbau der Kontrolle.

Damit bin ich beim nächsten Bereich, dem Arbeitnehmerschutz. Wie haben Sie sich gebrüstet in den letzten Jahren, als durch die Einführung des Arbeitnehmerschutzgesetzes bedingt die Zahlen bei den Arbeitsunfällen gesunken sind! – Wir haben im Moment eine gegenläufige Entwicklung, meine Damen und Herren (Ruf bei der ÖVP: Aber bei den Freizeitunfällen!): Im Jahre 1999 sind die Arbeitsunfälle gestiegen, Herr Bundesminister – das wissen Sie auch –, und zwar von 107 800 auf 112 000. Das ist eine Steigerung um 3,9 Prozent. Und was machen Sie? – Sie senken den Beitrag zur Unfallversicherung, was dazu führt, das die Unfallversicherung, wie der "Presse" von heute zu entnehmen ist, unter dem Sparpaket stöhnt: "Prävention und zahlreiche andere Maßnahmen seien gefährdet, wenn die Beiträge zur Unfallversicherung um 0,2 Prozent gekürzt werden, warnt die AUVA." – Das ist die Entwicklung, die Sie zu verantworten haben, meine Damen und Herren! Das ist eine Entwicklung, die weder der Wirtschaft noch den Arbeitnehmern gut tut. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das folgt dem Konzept, das weder international noch hier in Österreich zum Erfolg führen wird: jenem der Umverteilung nach oben! Die Begünstigung von Wohlhabenden, die weitere Begünstigung von Unternehmen, die jetzt schon Supergewinne schreiben, auf nationaler und internationaler Ebene, stört die Beziehungen in der Gesellschaft. Offensichtlich sind Sie daran interessiert. Und das ist der massive Vorwurf, den wir gegen Ihre Politik in den letzten Monaten erheben, meine Damen und Herren! Sie nehmen, unter dem Vorwand, dass es hier um "Österreich-Vernaderung", um "Lumpen", "Humpen" und was weiß ich noch geht, Menschen in diesem Land ihre Zukunftschancen! Sie geben den Unternehmen, Sie geben den Wohlhabenden in diesem Land noch mehr als das, was sie ohnehin schon haben, nämlich gute Chancen, in der Wirtschaft zu reüssieren. Sie verschaffen ihnen die Windfall Profits, Sie verschaffen ihnen darüber hinaus jede erdenkliche Möglichkeit (Abg. Wattaul: Fremdwörter genügen nicht! Arbeit muss man haben!), in diesem Land und darüber hinaus im internationalen Maßstab die Situation der Armen, die Situation derjenigen, die auf ihre Arbeit angewiesen sind, derjenigen, die auf Lebensbedingungen und Sozialbedingungen angewiesen sind, weiter zu verschlechtern.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ihre programmatischen Ansagen in den letzten Monaten hatten Konzept – das ist nicht zu bestreiten –, aber sie sind grundlegend falsch! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.47


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23. Sitzung / Seite 19

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Gaßner zu Wort gemeldet. Ich bitte Sie, den zu berichtigenden und den tatsächlichen Sachverhalt darzustellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

9.47

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Gaugg, den ich zurzeit nicht im Saal sehe, hat behauptet, Herr Bundesminister Scholten hätte nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung "versorgt" werden müssen.

Ich stelle tatsächlich richtig, dass Bundesminister Scholten nach seinem Ausscheiden aus der politischen Tätigkeit in dieselbe Bank zurückgekehrt ist (Abg. Jung: Wo er schon vorher war!), in der er vorher war, mit einer Rückkehrgarantie (Ruf bei den Freiheitlichen: Ah!), und zwar mit genau der gleichen Art von Rückkehrgarantie wie jener, mit der Herr Bundesminister Grasser in seine alte Firma zurückkehren kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

9.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

9.48

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! An sich wollte ich zu Kollegen Öllinger nicht sehr viel sagen, denn um halb zehn sollte man nicht mehr träumen, da sollte man schon munter sein. Ich glaube aber, eines festzustellen ist schon notwendig: Wenn er hier die Gewerbeordnung vorzeigt, dann sollte man ihn schon darauf hinweisen, dass es ein ABGB gibt, das aus dem Jahre 1811 stammt, dass es ein Staatsgrundgesetz gibt, das aus dem Jahre 1867 stammt. Ich glaube, beides würde er nicht ablehnen. Ich glaube auch, dass eine seiner Doktrinen, aus der er uns ja immer wieder sehr viel zeigt und sagt, nämlich "Das Kapital", 1842 und 1852 geschrieben worden ist! – Hier liegen also Parallelen vor, und ich kann nicht verstehen, warum es das eine Mal gut, das andere Mal schlecht ist. (Abg. Dr. Khol: 1869!) – Im Jahr 1869 geschrieben – gut. (Abg. Dr. Khol: Der Fischer weiß das!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mitte der achtziger Jahre wies der Haushalt der amerikanischen Bundesregierung auf Grund der damaligen enormen Steigerungen des Verteidigungshaushaltes einen wachsenden Fehlbetrag auf. Die Schaffung eines ausgeglichenen öffentlichen Budgets wurde als oberstes Ziel erklärt. Die amerikanische Bundesregierung hatte also ein gewaltiges Problem zu lösen, stellte sich dieser Herausforderung und meisterte letzen Endes auch dieses Budgetproblem.

Leider geschah dies in Österreich durch den früheren Finanzminister Edlinger, dem das gewaltige Budgetloch von 109 Milliarden Schilling ja hätte bekannt sein müssen, nicht. Statt hier aktiv zu werden, es zu "stopfen" – unter Anführungszeichen –, hat er es verschwiegen. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Die Details darüber haben wir ja schon oft hier in diesem Hause diskutiert. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Die neue Regierung hat dieses Problem Gott sei Dank sofort aufgegriffen und setzt mit diesem Budget auch die ersten Maßnahmen, um hier entsprechend zu handeln.

Leider bekam Finanzminister Grasser am Montag in Brüssel beim ECOFIN-Rat die Rechnung präsentiert. Er hat am Montag eine, wie er selbst sagte, "berechtigte Ohrfeige" für die katastrophale Budgetpolitik des Herrn Ex-Finanzministers Edlinger bekommen.

Die Finanzminister der EU kritisierten vehement, dass Österreich – bitte, hören Sie jetzt zu! – in den Jahren 1998 und 1999 im Unterschied zu anderen Mitgliedsländern in seinen Konsolidierungsbemühungen leider nachgelassen habe und dass die ursprünglich abgesenkte Finanzschuld wieder vergrößert wurde.


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23. Sitzung / Seite 20

Unter Ihrer Verantwortung, Herr Ex-Minister – das ist ja gestern bestritten worden –, ist die Gesamtverschuldung von 63,5 Prozent im Jahre 1998 auf 64,9 Prozent des BIP im Jahre 1999 gestiegen.

Die EU kritisierte ebenfalls, dass Sie als Finanzminister bereits für 1997 ... (Abg. Edlinger: Das ist falsch!)  – Sie wissen ja noch gar nicht, was ich sagen will! (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Sie wissen es schon? – Na, sehr gut! Sie sind ein vorausschauender Mensch, das haben Sie beim Budget immer bewiesen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: 1 zu 0 für Puttinger! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist die Totalopposition!) Sie haben angekündigt, dass 1997 ein ausgeglichenes Budget erreicht werden würde. Leider konnte das in den letzten zwei Jahren auch nicht erreicht werden. (Anhaltende Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Die EU hat Österreich jedenfalls aufgefordert, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gesamtverschuldung bereits 2002 auf 60 Prozent des BIP zu senken, und als Ziel vorgegeben, dass die Defizitquote in zwei Jahren bei 1,3 Prozent liegen sollte.

Wir werden diese Herausforderung annehmen und werden Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ, beweisen, dass wir den österreichischen Haushalt wieder in Ordnung bringen werden. Wir werden das schaffen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Huber: Wo waren Sie denn in den letzten 14 Jahren?)

Grundsätzlich ist zu beachten – und darauf haben wir besonderes Augenmerk zu richten –, dass die Budgetpolitik immer unter strikter Kontrolle der Ausgaben stehen muss, was Gott sei Dank heute geschieht, und dass höchstens bei einer konjunkturellen Schwächephase das öffentliche Haushaltsdefizit größer werden darf. Dagegen muss in einer wirtschaftlichen Prosperitätsphase – ich glaube, wir können heute behaupten, dass wir uns in einer derartigen befinden – das Defizit schrumpfen, und auch eine gute Einnahmensituation darf immer nur zur Konsolidierung verwendet werden. Auch das haben wir uns in unserem Budget vorgenommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich daher noch einmal ganz kurz auf die amerikanische Stabilitätspolitik zurückkommen, denn mit ihr wurde bewiesen, dass sich die antizyklische Finanzpolitik durch eine stabilisierende Wirkung auf die konjunkturelle Entwicklung auszeichnet.

Aber nicht nur finanztechnische Dinge sind letzten Endes entscheidend für das Budget und für die Entwicklung der Wirtschaft: Österreich braucht auch eine gefestigte politische Situation. Es hat sich in den letzten Tagen Gott sei Dank gezeigt, dass in vielen der 14 anderen EU-Staaten immer mehr Stimmen laut wurden, die gegen die Sanktionen sind. Man hat klar erkannt, dass die Ausgrenzung eines Partners nicht der richtige Weg für eine europäische Politik, für ein gemeinsames Europa sein kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Können Sie einmal eine Wortmeldung ohne Sanktionen machen?)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das Verhalten eines Teiles der Abgeordneten dieses Hauses hat seine Auswirkungen auf die Wirtschaft. Ich kann in diesem Zusammenhang Ludwig Erhard voll beipflichten, der einmal gesagt hat, die Wirtschaft bestehe zu 50 Prozent aus Psychologie, womit er die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und dem Verhalten in der Politik treffend charakterisiert hat. Ich finde es daher unerträglich – verzeihen Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ –, dass Ihr Vorsitzender Dr. Gusenbauer weiterhin als Österreich-"Vertreter" – unter Anführungszeichen – im negativen Sinne agiert und damit Österreich und der österreichischen Wirtschaft sicher keinen guten Dienst erweist, sondern ihr Schaden zufügt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Den besten Beweis dafür, dass er überhaupt kein Patriot ist, hat es sicherlich in Paris gegeben, was heute schon erwähnt worden ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Handeln wider besseres Wissen ist niemandem gestattet! (Abg. Schieder: Unerhört!) Er hat wider besseres Wissen gehandelt, er hat gewusst, dass es in Österreich keine Anti-EU-Kampagne gibt, er hat gewusst, dass es nicht auf jeden Fall eine Volksbefragung gibt (Abg. Edlinger: Ach so?),


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sondern dass das die letzte Möglichkeit ist, den Mitgliedern der EU zu sagen, dass das österreichische Volk hinter uns steht, und er hat gewusst, dass niemand in der Regierung gegen eine EU-Erweiterung ist! Handeln wider besseres Wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist einem Politiker nicht gestattet! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die von Ihnen, von Ihrer Partei ins Auge gefassten Sanktionen gegen Österreich – es ist ja bewiesen, dass Sie diese letzten Endes in Europa bewirkt haben – haben Gott sei Dank nicht das erzeugt, was Sie sich erwünscht haben, nämlich Österreich ins Out zu stellen. Das ist Ihnen nicht gelungen, und ich kann Ihnen das mit einer Zahl ganz kurz beweisen: Gerade das Land, das Österreich am schärfsten kritisiert, nämlich Belgien, hat im März 2000 die höchste Steigerungsrate im Tourismus aufzuweisen, nämlich, meine sehr verehrten Damen und Herren – hören Sie einmal gut zu! –, 229,6 Prozent, das sind 283 900 Nächtigungen mehr gegenüber dem Vorjahr!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Volk hat bewiesen, dass es besser und gescheiter ist als manche Regierenden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: ... ein täglicher Beweis!) Es tut Ihnen wahnsinnig weh, dass die wirtschaftlichen Sanktionen in Österreich nicht gewirkt haben – aber ich werde darauf noch einmal zurückkommen.

Ein paar weitere Worte noch zum Tourismus. Was den Budgetansatz Tourismus betrifft, so bin ich froh, dass die Kürzung der Mittel des BÜRGES nicht stattgefunden hat und dass auch die Mittel für die Hotel Treuhand nicht gekürzt worden sind, und ich bin natürlich auch froh, dass keine Umverteilung und Kürzung bei den Ermessensausgaben stattgefunden haben.

Ich möchte an dieser Stelle an Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister und sehr geehrte Frau Staatssekretärin, appellieren, dieses Niveau für den österreichischen Tourismus aufrechtzuerhalten, denn Sie wissen ganz genau, in welcher schwierigen Situation dieser Tourismus ist. Sie wissen, welche ungünstigen steuerlichen Rahmenbedingungen vorherrschen, Sie wissen, wie es am Kapitalmarkt, am Personalmarkt zugeht, und Sie wissen auch, dass das Tragen der Hauptlast bei der Getränkesteuer-Ersatzfinanzierung dem Gastgewerbe praktisch keine Verbesserung bei der Wettbewerbsfähigkeit einbringt. Das hier vorliegende Gesamtbudgetdefizit wurde heuer um zirka 14 Milliarden Schilling gegenüber 1999 gesenkt – nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! –, das sind 9,9 Prozent Senkung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Ausgaben sind um 2,1 Prozent gesenkt worden, wenn ich den Kapitaldienst nicht berücksichtige.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Primärüberschuss nahm um 89 Prozent zu, das ist eine Steigerung von 23,2 Milliarden Schilling auf 43,9 Milliarden Schilling im Jahre 2000. Das sind Leistungen, die wir auch den Österreicherinnen und Österreichern mitzuteilen haben! Das sind Leistungen, die die Österreicherinnen und Österreicher letzten Endes spüren und die für die österreichische Wirtschaft von vehementer Bedeutung sind. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Böhacker. )

Zum Schluss weise ich nochmals auf die Notwendigkeit einer positiven Stimmung in unserem Land und für unser Land hin. Gott sei Dank besteht eine positive Stimmung im Land und für Österreich im gesamten Wirtschaftsleben. Um dies aufrechtzuerhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir, glaube ich, im Ausland nur von Menschen vertreten werden, die positiv darüber denken, die positiv dafür eintreten. Das aber ist sicherlich nicht Herr Gusenbauer, sondern das ist unsere Frau Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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9.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Edlinger zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger: Der wird sagen, dass es gar keine Rüge gegen den ehemaligen Finanzminister von der EU gibt! Das wird er sagen!)

9.59

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Puttinger hat vor wenigen Minuten behauptet, ich hätte in Brüssel zugesagt, im Jahre 2002 für ein ausgeglichenes Budget zu sorgen, und er schließt daraus, dass ein ausgeglichenes Budget ein Nulldefizit darstellt. – Das ist falsch.

Ich beweise das durch das EU-Dokument C 4204 aus dem Jahre 1999, die Stellungnahme des Rates zum letzten Stabilitätsprogramm, für das ich verantwortlich war und zu dem ich auch stehe.

Ich darf zitieren: "Der Rat erkennt an, dass der als Ziel in Aussicht genommene mittelfristige Defizitwert von 1,4 Prozent des BIP angesichts der geringen Schwankungen des Wirtschaftswachstums in Österreich dafür ausreichen dürfte, dass die automatischen Stabilisatoren bei einem normalen Konjunkturrückgang wirksam werden können, ohne dass die Gefahr einer Überschreitung des Referenzwertes von 3 Prozent besteht." – Zitatende.

Das habe ich zugesagt. Die Meinung des Herrn Abgeordneten Puttinger ist ebenso falsch wie jene des Herrn Finanzministers Grasser. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: 1997, nicht 1999! – Abg. Dr. Martin Graf: Seit wann kann man Meinungen tatsächlich berichtigen?)

10.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Bartenstein. – Bitte, Herr Minister.

10.01

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Als Arbeits- und Wirtschaftsminister war es mir bei der Erstellung des Budgets für meinen Verantwortungsbereich ein besonderes Anliegen, dass es im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht nur zu keinen Kürzungen, sondern sogar zu einer wesentlichen Ausweitung kommt, wie es auch im Regierungsprogramm festgeschrieben ist. Von 10,5 Milliarden Schilling des Jahres 1999 konnten die finanziellen Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik im Rahmen des Budgets 2000 auf 11,1 Milliarden Schilling und damit um 5,7 Prozent gesteigert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was insbesondere die Vertreter der Opposition jetzt gesagt haben, kontrastiert ja in der Tat sehr deutlich mit der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Nicht nur dass die Ziele des Nationalen Beschäftigungsplanes, nämlich 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze bis 2002 zu schaffen und die Arbeitslosenquote nach EUROSTAT Luxemburg auf nahezu 3,5 Prozent zu senken, bereits jetzt, im Jahre 2000, erreicht werden konnten (Abg. Öllinger: Das ist die wirtschaftliche Entwicklung, da brauchen wir Sie nicht!)  – beide wesentlichen, substanziellen Ziele des Nationalen Beschäftigungsplanes sind im Jahre 2000 bereits erreicht, also mit zwei Jahren Vorlauf –, ist insgesamt auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt eine, wie Sie wissen, außerordentlich gute.

Wir haben in allen Bereichen rückläufige Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen, wir sind unterwegs in Richtung Vollbeschäftigung (Abg. Öllinger: Naja!), und – das ist besonders wichtig – in den kritischen Gruppen, im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit, im Bereich der Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer über 50 Jahren, aber auch im Bereich der Arbeitslosigkeit von Frauen, gibt es zum Teil sogar überproportionale Rückgänge.

So gesehen meine ich, dass das, was uns die Arbeitsmarktdaten sagen (Abg. Öllinger: Was haben Sie für Daten?), deutlich positiver ist, als das, was Sie hier in Ihren Debattenbeiträgen gesagt haben.

Nun zu Ihnen, Herr Kollege Öllinger, zu Ihrer auch heute wiederum geäußerten Kritik zur Zusammenlegung der Arbeitsmarkt- und der Wirtschaftsagenden in einem Haus. Ganz abgesehen davon, dass wir wissen, dass das in anderen Ländern durchaus der Fall ist – das ist nicht nur bei unseren Nachbarn Schweiz und Ungarn (Abg. Öllinger: Ungarn ist unser Vorbild?), sondern


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auch in Schweden und im Vereinigten Königreich in sehr ähnlicher Struktur, in sehr ähnlicher Kompetenzverteilung der Fall –, sage ich Ihnen ganz offen: Ich weiß nicht, ob es im Fall einer nicht erfolgten Zusammenführung nach 100 Tagen Regierungstätigkeit bereits möglich gewesen wäre, die Zusammenführung und die Anpassung beziehungsweise Angleichung der Rechte von Arbeitern an jene der Angestellten umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, was Gewerkschaften und was insbesondere die Sozialdemokratische Partei über Jahre und Jahrzehnte gefordert hat, nämlich diese Angleichung, hat diese Regierung bereits umgesetzt. Der entsprechende Vorschlag liegt im Hohen Haus, und damit ist die Gleichstellung im Krankheits- und Dienstverhinderungsfalle gewährleistet (Abg. Öllinger: Wer zahlt dafür?), und ich bin überzeugt davon, dass die Sozialpartner als Kollektivvertragspartner die noch fehlenden Anpassungen bei den Kündigungsfristen in den nächsten Wochen und Monaten werden nachvollziehen können. Das ist auch ihre Zuständigkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Herr Kollege Edler! Ich wollte auf Ihre tatsächliche Berichtigung nicht eingehen, aber weil Sie jetzt einen Zwischenruf getätigt haben, möchte ich es doch tun. Sie haben gesagt, bei den ÖBB wäre das so, dass nur unter besonderen Voraussetzungen Mitarbeiter mit 53 Jahren in Pension gingen. Dazu darf ich Ihnen sagen: Diese besonderen Voraussetzungen treten offensichtlich in relativ großer Häufigkeit ein, denn das Management der ÖBB sagte mir, dass der Pensionsantritt mit 53 Jahren bei den ÖBB der Regelfall ist und nicht die Ausnahme. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber, Herr Kollege Edler, ich füge hinzu: Vielleicht meinen Sie mit den besonderen Voraussetzungen, dass für die ÖBB-Mitarbeiter danach keine Ruhensbestimmungen gelten und sehr viele ÖBB-Mitarbeiter, die in Pension gehen, dann einen aktiven Beruf ergreifen und ihren Verdienst dementsprechend durchaus erhöhen. Vielleicht haben Sie das gemeint. (Abg. Auer: Da schau her! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und Gegenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun komme ich zum Thema Lohnnebenkosten. Ich konnte der Argumentation des Abgeordneten Öllinger nicht ganz folgen, denn er hat von einer Entlastung des Faktors Kapital gesprochen. Das halte ich für einen diametralen Irrtum, Herr Abgeordneter Öllinger. Es handelt sich dabei natürlich um eine Entlastung des Faktors Arbeit. (Abg. Öllinger: Der Arbeitgeberseite gegen die Arbeitnehmer!)

Herr Kollege Öllinger! Sie sagten des Weiteren, dies sei gut für die Unternehmungen, für die Beschäftigten und für die Profite. Dazu darf ich Ihnen sagen: Wenn Sie gesagt hätten, es sei gut für die Unternehmungen, für die Beschäftigten und für die Ergebnisse, dann hätte ich Ihnen uneingeschränkt zugestimmt. Ihr Argument, es sei gut für die Profite, ist aber ein wenig polemisch, daher gibt es nur eine beschränkte Zustimmung von mir.

Aber immerhin sagten Sie auch, es sei gut für die Beschäftigten. – Na klar ist es gut für die Beschäftigten. Aber es ist nicht gut für die Beschäftigung in unserem Lande, dass wir in Österreich im Bereich der Lohnnebenkosten – ausgerechnet mit Frankreich und Belgien füge ich hinzu – am untersten Ende der Euroskala liegen, und daher bedarf es einer Entlastung der Lohnnebenkosten, und diesen Weg müssen wir gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das ist auch mittelfristig, Herr Kollege Öllinger – ich sage das, weil ich die Kompetenz der Sozialpartner als Kollektivvertragspartner in diesem Bereich kenne –, ein Beitrag zu weniger Brutto und mehr Netto und ganz im Sinne der Arbeitnehmer dieses Landes. (Abg. Öllinger: Für wen? Das ist der Punkt!) Weniger Brutto und mehr Netto natürlich für die Beschäftigten und für die Arbeitnehmer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Sagenhaft!)

Ich habe gestern bei der Eröffnung eines von Österreichern geführten Geschäftes in Zürich in der Bahnhofstraße – in der Bahnhofstraße, nobelste Adresse – von Unternehmern, die auch in Österreich sehr erfolgreich vergleichbare Geschäfte führen, gehört, es sei nicht mehr so, dass in Zürich Bahnhofstraße das Lohnniveau höher wäre. Nein, nein, der Unterschied ist, dass man dort zwar weit weniger Netto als Mitarbeiter herausbekommt, aber die Bruttokosten in Zürich


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Bahnhofstraße durchaus mit jenen in Wien Kärntnerstraße vergleichbar sind. Diese Entwicklung gilt es auch zu beachten. Ich bin jedenfalls dafür, dass wir die Lohnnebenkosten senken und damit die Möglichkeit geben, die Entwicklung weniger Brutto, mehr Netto auch in die Tat umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger! Weil Sie kritisiert haben, dass einseitig Arbeitgeberbeiträge gesenkt würden, darf ich Ihnen sagen: Wenn man die Beiträge zum IESG, zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds, und zur Unfallversicherung senkt, dann geht es nicht anders. Da gibt es keine Arbeitgeberbeiträge. Da stimmen Sie mir sicherlich zu. (Abg. Öllinger: Arbeitslosenversicherung!) Aber zur Arbeitslosenversicherung – ich komme ja schon dazu! – werden die Beiträge paritätisch gesenkt: auf der einen Seite und auf der anderen Seite. Also was wollen Sie denn? Es kommt zur paritätischen Senkung, und das ist gut und richtig so. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Öllinger! Sie haben Kritik daran geübt, dass wir die Wirtschaft ankurbeln wollen. Dazu sage ich Ihnen: Ja, es ist gut, wenn man die Wirtschaft ankurbelt, denn solange das Wachstum nachhaltig ist, ist Wachstum immer noch die beste Voraussetzung für neue Jobs. Woher, glauben Sie, kommen denn die neuen Jobs? – Natürlich von den 3,1 Prozent Wirtschaftswachstum, die wir in diesem Jahr erreichen werden, und es sollten auch im nächsten Jahr nicht wesentlich weniger sein. Dieses Wachstum gewährleistet die exzellente Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Es ist nicht die Regierung, es ist nicht das Hohe Haus, sondern es ist die Wirtschaft, es sind die Unternehmungen, es sind die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die diese sehr günstige Entwicklung bewerkstelligen, und dazu kann ich nur gratulieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Hoffentlich hat die Wirtschaft ein paar Konsumenten auch noch!)

Die Wirtschaft hat die Konsumenten, die Wirtschaft hat eine immer höhere Zahl von unselbständig Erwerbstätigen, die in ihren Bereichen tätig sind. Aber Sie dürfen, Herr Abgeordneter, einfach nicht übersehen, dass nicht nur die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt eine exzellente ist, sondern dass auch die Entwicklung im Bereich des Wachstums eine exzellente ist.

Da hier vorhin davon gesprochen wurde, der niedrige Euro und der hohe Dollar und die Exporte und die Unternehmen des Herr Prinzhorn würden boomen, darf ich sagen: Ich hoffe, dass die Exporte insgesamt boomen, und wünsche auch der Papierindustrie und den Unternehmungen des Kollegen und Präsidenten Prinzhorn, dass die Exporte boomen, weil letztlich boomende Exporte auch wiederum eines tun, nämlich Beschäftigung und Arbeitsplätze schaffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Übrigen bin ich aber mit dem Abgeordneten Öllinger nicht einer Meinung, wenn er taxativ sagt: niedriger Euro, hoher Dollar, und das passe für die Wirtschaft. (Abg. Öllinger: Ich habe das nicht behauptet!)

Erstens: Es wird die Frau Tourismus-Staatssekretärin vielleicht noch das eine oder andere dazu sagen, denn für den Incoming Tourismus aus dem Nicht-Euroraum ist es auf keinen Fall gut. Damit wird Österreich teurer.

Zweitens: Es kann auch des Guten zu viel sein. Natürlich haben wir in den ersten Monaten gesagt: Ein etwas schwächerer Euro, das ist kein Unglück, das forciert die Exporte. Aber mittlerweile merken wir es auch an unseren Energierechnungen, mittlerweile merken wir es natürlich auch an den Importen aus dem Nicht-Euroraum insgesamt, dass es da gewisse Elemente in Richtung Inflation gibt. Ich will nicht von einem Anheizen sprechen, da sind wir noch lange nicht, aber den Niedrigstwert des vergangenen Jahres, nämlich 0,5, 0,6 Prozent, werden wir im Jahre 2000 leider nicht erreichen können. Da werden es 1,4, 1,5, 1,6 Prozent sein – das wissen wir noch nicht genau –, und das hat natürlich mit der Euroschwäche zu tun. Und ich sage Ihnen, dass ich diese Entwicklung keinesfalls völlig sorgenfrei verfolge und keinesfalls so uneingeschränkt positiv bewerte, wie Sie das tun, sehr geehrter Herr Abgeordneter Öllinger. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ein Letztes noch, und zwar in Richtung des von mir sehr geschätzten Abgeordneten Eder, der die Hauptrede der sozialdemokratischen Fraktion gehalten hat. – Lassen wir die Kirche im Dorf und versuchen wir doch bei einer Debatte über Wirtschaft und Arbeit den Mittelstand und die Großunternehmungen nicht auseinander zu dividieren! Gerade Sie, sehr geehrter Herr Abgeordneter Eder, der Sie aus einem der wichtigsten Großunternehmen Österreichs kommen, dort in leitender Stellung tätig sind, haben es doch nicht notwendig, hier flapsig auf die multinationalen Konzerne hinzuklopfen. Wir haben in Österreich nur sehr wenige, Sie kommen aus einem solchen, und wir sind stolz darauf. Stehen Sie bitte auch am Rednerpult des Hohen Hauses dazu, dass Sie aus einem dieser Konzerne kommen, und klopfen Sie nicht darauf hin und versuchen Sie nicht, bei den Mittelständlern dafür irgendwelche Gutpunkte zu bekommen, die Sie ohnehin nicht kriegen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eines sage ich Ihnen schon noch: Pensionsantrittsalter, Frühpensionen, Pensionierungswellen, Sozialpläne, "golden handshakes" und Ähnliches mehr – in welchen Unternehmensbereichen ist denn das forciert worden, musste auch forciert werden? – Die ganz kleinen Unternehmen waren es ganz sicherlich nicht, die damit begonnen haben, sondern das waren schon eher die großen, das waren die eher öffentlichkeits- und staatsnahen.

Ich betone: Es musste sein, weil das dort eine Kostenposition war, aber tun wir jetzt nicht so, als wollten wir eine Zweiklassengesellschaft schaffen. Wirtschaft und Arbeitsmarkt gehören zusammen: Wenn es dem einen gut geht, geht es dem anderen auch gut. Das Budget für Wirtschaft und Arbeit versucht das zu reflektieren. Ich glaube, dass das eine vernünftige Basis ist. Die makroökonomischen Kennzahlen, die wir jetzt haben, geben mir Recht. – Ich bedanke mich. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kukacka: Das war jetzt eine Nachhilfestunde! – Abg. Grabner  – in Richtung des Abg. Mag. Kukacka –: Das brauchst du!)

10.13

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bures. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.13

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich habe kaum noch einen größeren Realitätsverweigerer als Sie gesehen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Zu dem, was Sie heute zur Frage des Auseinanderdividierens sagten: Ihr Budget, das Sie heute hier vorlegen, ist ja kein Konsolidierungsbudget, sondern es ist eindeutig, dass damit gerade die unteren Einkommensschichten belastet werden, und zwar deshalb, weil Sie Geschenke an Großunternehmen verteilen wollen. Es ist eines der größten Umverteilungsprogramme von den Ärmeren zu den Reichen, das Sie planen und beschließen wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Das ist die Mottenkiste des Klassenkampfes!)

Das Motto Ihres Budget heißt: streichen, kürzen, drüberfahren. Das ist die soziale Kälte, die von Ihnen ausgeht. Von der ÖVP kennen wir das seit vielen Jahren und haben das auch in vielen Jahren in Verhandlungen erlebt.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel demonstrieren, nämlich an Ihrer "Aktion Fairness". Ihre "Aktion Fairness" bringt natürlich keine Gleichstellung von Arbeitern mit Angestellten. Ihre "Aktion Fairness" bedeutet in Wirklichkeit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Verlust von 4,3 Milliarden Schilling auf Grund der Kürzung des Urlaubsgeldes bei Kündigung. Wissen Sie, wie viele Menschen das sind? – Eine Million Arbeitsverhältnisse wechseln jährlich, und mit dieser Maßnahme schröpfen Sie eine Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihr Dienstverhältnis wechseln. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie kündigen ja immer an – wir kennen das schon –, was 2002, 2003 in Kraft treten wird. Ich verlange jetzt von Ihnen eine Antwort auf die Frage: Wie schaut es denn aus mit den ungerechten Kündigungsfristen bei Arbeitern im Gegensatz zu den Angestellten? Warum ist das in Ihrem Paket nicht dabei? – Das ist eine Mogelpackung, das ist eine "Aktion Unfairness", die Sie da


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planen und die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein. )

Herr Minister! Wenn es Ihnen ernst ist, dann stimmen Sie dem Antrag, den die sozialdemokratische Fraktion eingebracht hat, zu! Uns geht es wirklich um die volle und faire Angleichung zwischen Arbeitern und Angestellten. Stimmen Sie zu, stimmen Sie mit Ihrer Fraktion mit, wenn es Ihnen wirklich um faire Angleichung zwischen Arbeitern und Angestellten geht! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Habt ihr in den letzten Jahren nicht die Mehrheit gehabt? Warum habt ihr das nicht gemacht? – Abg. Schwarzenberger: 30 Jahre SPÖ hat das nicht geschafft!)

Herr Bundesminister! Sie haben heute auch Ihre Initiativen auf dem Arbeitsmarkt angeführt. Die Initiativen der ÖVP und auch der FPÖ, die die Frauen betreffen, kennen wir. Wir kennen Ihr Modell der Familie. Da ist natürlich der Mann derjenige, der verdient, und die Frau ist die Dienende, die zu Hause bleibt. (Abg. Wattaul: Die SPÖ ist abgewählt worden! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Nur: Die Realität ist eine andere, denn diesem Modell wird von den Frauen eine Absage erteilt.

Aber lassen Sie mich nun konkret auf jenes Budgetkapitel, das Sie heute hier vorlegen, eingehen. Sie werden eine massive Kürzung im Bereich der Bundesstraßenverwaltung im Ausmaß von 15 Prozent – das ist zirka 1 Milliarde Schilling – vornehmen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Da ist Kollege Schmid zuständig, Frau Kollegin!) Wissen Sie, was das beschäftigungspolitisch bedeutet, welchen Beschäftigungseffekt das hat? – Das Wifo sagt ja nicht nur, dass Ihr Budget ein unsoziales Budget ist, es sagt auch, dass diese 1 Milliarde Schilling zirka 1 400 Menschen ihre Beschäftigung kosten wird und dass diese dann keine Beschäftigung finden werden. Sie fahren über Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem Strich präpotent ganz einfach drüber! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie kürzen auch im Bereich der Schulen. Das eine ist immer das, was Sie sagen – das andere sind Ihre Taten. An Ihren Taten soll man Sie messen. Eine ist fürchterlicher als die andere. Sie reden zwar groß von einer Bildungs- und Technologieoffensive, in der Realität sieht es aber so aus, dass die entsprechende Ausstattung dafür nicht mehr zur Verfügung gestellt wird. Ich weiß schon, diese Bundesregierung hat auch ein gestörtes Verhältnis zur Internet-Generation, das heißt, zu jungen Menschen in diesem Land, wie es Ihr Bundeskanzler ja bewiesen hat. (Abg. Wattaul: Denken Sie einmal nach, wer ein gestörtes Verhältnis hat!)

Auf der einen Seite die Ankündigung, das Internet an die Schulen zu bringen, aber auf der anderen Seite offensichtlich die Voraussetzungen beziehungsweise die Rahmenbedingungen dafür nicht zu schaffen, führt, so hoffe ich, nicht dazu, dass diese Regierung schon den Plan hat, dass Bildung in eine virtuelle Welt verschoben wird.

Insgesamt zieht sich durch dieses Budget eine Linie durch: Es wird auf Kosten der unteren Einkommensschichten gespart und auch auf Kosten der Pensionisten. Herr Kollege Tancsits, der Sie von Pensionserhöhungen sprachen, Ihr Programm (die Rednerin hält eine Graphik mit der Überschrift "Sozial gerecht sind schwarz-blau" in die Höhe) werden die Mindestrentner zu spüren bekommen. Ihr Programm kostet einen Pensionisten ein ganzes Monatsgehalt. Das ist bei Ihnen, bei Ihrem Einkommen kein Problem. Bei einer Mindestrentnerin mit 8 300 S ist das eine Überlebensfrage. (Ruf bei den Freiheitlichen: Warum sind Sie so nervös?) Das sind die Maßnahmen, die Sie setzen, und die sind unsozial. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Dass Sie von der FPÖ das aufregt, weiß ich ohnehin. Dieses Belastungspaket hat die FPÖ ja auch auf die Verliererstraße gebracht. Gott sei Dank, höchst an der Zeit! (Abg. Wattaul: Wer hat am 3. Oktober gewonnen?) Für dieses unsoziale Programm werden Sie die Rechnung von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land bekommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.18


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23. Sitzung / Seite 27

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Er hat das Wort. Die Uhr ist auf 7 Minuten gestellt. – Bitte.

10.19

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Bures, ich habe großes Verständnis für Sie, und verstehe, dass Sie hier sehr nervös sind, denn Sie haben einen neuen Job als ... Ich weiß nicht, wie man das jetzt bei Ihnen nennt: Früher waren es Zentralsekretäre, Zentralsekretärinnen, in der Zwischenzeit hatte die SPÖ einen "Spin doctor", der das Doppelte von dem verdient hat, was die beiden Damen Bures und Kuntzl gemeinsam verdienen. Jetzt kommen Sie hier herunter und bringen Argumente ins Treffen, die Sie irgendwo aus der Schublade gezogen haben, die mir sehr gut bekannt sind, und zwar Argumente, die in sämtlichen Betrieben, die überall, von der Arbeiterkammer bis zum Gewerkschaftsbund, als Unwahrheiten plakatiert werden und unser Maßnahmenpaket als Belastungswelle anprangern.

Nun frage ich Sie: Was haben denn Sie in den letzten 30 Jahren gemacht? 30 Jahre lang haben Sie von der SPÖ den Bundeskanzler gestellt, 30 Jahre lang haben Sie den Finanzminister und 30 Jahre lang den Sozialminister gestellt, und in diesen 30 Jahren haben Sie uns gezeigt, wie man mit Geld nicht umgehen sollte. Sie haben uns gezeigt, dass Sie nicht wissen, wie man mit Geld sinnvoll umgeht. Das haben Sie bewiesen beim "Konsum", das haben Sie dadurch bewiesen, dass der Staatshaushalt in Österreich bankrott ist, sodass wir ihn jetzt sanieren müssen, und das haben Sie auch bei Ihrer Parteikasse bewiesen, die jetzt leer ist.

Das ist summa summarum das, was bei Ihnen herausgekommen ist, aber Sie wollen uns weismachen, dass wir alles falsch machen und dass Sie alles richtig machen. So kann es sicher nicht funktionieren!

Sie waren die Verteidiger der Zwei-Klassen-Gesellschaft. Das ist zum Beispiel im Bereich der Pension so gewesen. – Herr Abgeordneter Edler hat sich ja vorhin zu Wort gemeldet und die Eisenbahner verteidigt. Dazu muss ich eines sagen: Diejenigen Eisenbahner, die auf der Strecke arbeiten und Schwerarbeit leisten, tun mir irgendwo Leid; diesen Personen müsste man eigentlich nach den Schwerarbeitsgesetz vergönnen, dass sie früher als die anderen in Pension gehen. (Demonstrativer Beifall des Abg. Grabner. ) – Danke, Herr Kollege Grabner.

Ich habe jedoch kein Verständnis dafür, dass diejenigen, die in einer Kanzlei arbeiten, die den Witterungsverhältnissen nicht ausgesetzt sind, nach 35 Jahren mit dem 53. Lebensjahr in Pension gehen, hingegen in der Wirtschaft ein jeder Tischler, ein jeder Schlosser und ein jeder Dachdecker bis zum 65. Lebensjahr arbeiten soll, und zwar auch dann, wenn er mit 60 Jahren schon 45 Versicherungsjahre hat. Das werden wir nicht zulassen, sondern derjenige, der viele Versicherungsjahre hat, soll nach wie vor mit dem 60. Lebensjahr ohne Abschläge in Pension gehen können. (Abg. Silhavy: Versicherungsjahre oder Beitragsjahre? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Genau so ist es! – Gleiches Recht für alle muss gelten! Aber Sie haben einer Gesellschaft geholfen, die nach 35 Jahren in Pension gegangen ist, zehn Jahre dazu geschenkt bekommen hat, und das ist eine totale Ungleichbehandlung, und das kann in Zukunft nicht so weitergehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Sie haben keine Ahnung!)

Ich habe schon eine Ahnung, Frau Kollegin, aber Sie sind blind durch die Gegend gelaufen und tragen heute noch Scheuklappen, aber Sie werden auch noch draufkommen, spätestens dann, wenn Ihre Partei einmal unter die 30-Prozent-Marke sinken wird (Abg. Silhavy: Rechnen Sie Versicherungsjahre oder Beitragsjahre?), und das werden Sie auch noch miterleben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kollege Eder hat behauptet, neue Belastungen seien das einzige Rezept dieser neuen Koalition, dieser neuen Bundesregierung, und die Reichen würden dadurch reicher und die Armen


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23. Sitzung / Seite 28

ärmer. – Ja das habe ich in den letzten zehn Jahre deutlich gesehen, wer immer reicher und wer immer ärmer wurde. So, liebe Kollegen, kann es ja nicht weitergehen!

Zwei Sparpakete hat man geschnürt, die Leute sind belastet worden, herausgekommen ist dabei, dass der Staatshaushalt immer mehr verschuldet wurde. (Abg. Silhavy: Und was sagen Sie zum Budget?) Sie haben ständig die "Aktion Fairness" angekündigt, wir führen sie jetzt durch. Der Herr Bundesminister hat gerade vorhin erwähnt, dass wir eine generelle Angleichung der Arbeiterrechte mit den Angestelltenrechten erreichen wollen. Wir sind noch nicht am Ziel angelangt, aber der Anfang ist einmal gemacht. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Wir sind jetzt dabei, das zu verwirklichen. Aber Sie regen sich hier auf, dass dem Dienstgeber durch die Aliquotierung des Urlaubsgeldes und so weiter viel mehr übrig bleibt. Das haben Sie doch in Ihrer Punktation, die Sie mit der ÖVP ausverhandelt haben, genauso niedergeschrieben. Genauso wird das jetzt durchgezogen werden.

Ich möchte Ihnen zur Aliquotierung des Urlaubsanspruches eines sagen: Das hat nämlich jenen Sinn, dass die Saisonbeschäftigten länger als ein halbes Jahr beschäftigt sind, denn heute ist es so (Abg. Schwemlein: Lass dir Zeit, du kannst ruhig Luft holen!), dass man deshalb vor Ablauf eines halben Jahres gekündigt wird, weil dann, wenn man um einen Tag länger beschäftigt ist, der Urlaubsanspruch für das ganze Jahr anfällt, und das kommt jeden Dienstgeber (Abg. Schwemlein  – auf die rechte Seite des Hauses blickend –: Applaudiert doch einmal, er muss ja Luft holen!), der Saisoniers beschäftigt, was vor allem in der Gastronomie der Fall ist, zu teuer, und daher wird gekündigt. Wir müssen diese Beschäftigung ausdehnen, damit weniger Arbeitslose anfallen. Das ist Sinn und Zweck des Ganzen!

Nun zur Frage des 13. und 14. Monatsgehalts. – Wir von den Freiheitlichen sind die Verteidiger des 13. und 14. Monatsgehalts. (Ironische Heiterkeit des Abg. Schwemlein. ) Was machen Sie von der SPÖ? – Sie plakatieren heute in den Betrieben: Diese Regierung will das 13. und 14. Monatsgehalt abschaffen!

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die ehemaligen Finanzminister Lacina und Staribacher das in diesem Haus gefordert haben. Alle anderen waren dagegen, denn nach dem Steuerrecht wird das über das ganze Jahr gerechnet, und es hat überhaupt keinen Sinn, dass man daran etwas ändert. Also, es ist wichtig, dass das 13. und 14. Monatsgehalt in der derzeitigen Form weiterhin bestehen bleibt.

Zu einer Reform der Abfertigung wird es auch noch kommen. Das steht ebenfalls in Ihrer "Aktion Fairness" drinnen. – Wir werden auch diesen Punkt durchsetzen. Wir werden dafür sorgen, dass alle Unselbstständigen vom ersten Tag an aliquot einen Abfertigungsanspruch bekommen, gekoppelt mit einer Betriebspension, und zwar, wenn es möglich ist, auf freiwilliger Basis. Die Hälfte aller unselbstständigen Erwerbstätigen hat heute keinen Anspruch darauf, und wir sind der Meinung, dass das auch noch umgesetzt werden muss. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Luft holen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine verantwortungsvolle Finanz-, Sozial-, Arbeits- und Wirtschaftspolitik bedeutet, dass wir zuerst das Budget sanieren müssen, dass wir die Chancen für die Jugend wahren und verbessern müssen. (Abg. Dr. Niederwieser: Lass dir Zeit, nicht so schnell!) Wir müssen verbesserte Ausbildungsmöglichkeiten schaffen und dafür sorgen, dass die Sicherheit der älteren Generation ebenfalls gewährleistet ist, indem wir verhindern, dass in bestehende Pensionen eingegriffen wird.

Die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik sind von 10,5 Milliarden Schilling auf 11,1 Milliarden Schilling angehoben worden. Es konnten mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Es konnte in der kurzen Zeit erreicht werden, dass wir weniger Arbeitslose haben. Also ich kann dieser Bundesregierung nur dazu gratulieren, in dieser so kurzen Zeit so viel durchgesetzt zu haben. (Abg. Schwemlein: Jawohl! – Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.25


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23. Sitzung / Seite 29

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.25

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Dolinschek hat gesagt, die Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten wäre erfolgt. – Diese Behauptung ist falsch!

Ich berichtige tatsächlich. Erstens: Es gibt noch immer keine gesetzliche Grundlage dafür. Wovon die Rede ist, ist eine Vorlage, die hier im Hohen Hause noch nicht beschlossen ist. (Abg. Schwarzenberger: Aber geplant!)

Zweitens: Das Vorhaben dieser Vorlage ist keine Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten, denn es fehlt noch immer ein ganz wesentlicher Punkt, nämlich die Gleichstellung bei den Kündigungsfristen. (Abg. Dolinschek: Das werden wir auch noch machen! – Abg. Dr. Martin Graf: Was haben Sie denn jahrelang gemacht?)

Drittens: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen sich das selbst, weil die Unternehmer von der Urlaubsaliquotierung mehr profitieren, als sie für die Entgeltfortzahlung hergeben müssen.

Das ist keine Gleichbehandlungsaktion, sondern eine Unfairness-Aktion! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Warum habt ihr das 13 Jahre lang nicht gemacht? Ihr habt 13 Jahre Alleinregierungen gemacht! Von 1970 bis 1983 wart ihr allein in der Regierung! Auch da habt ihr es nicht gemacht! – Heftige Gegenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

10.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, jetzt sind wir wieder bei der Rednerliste!

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

10.27

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Staatssekretärin! Sehr geehrte diskutierende Herrschaften im Hohen Haus! Zurück zum Thema, und zwar zunächst zu dem, was Sie, Herr Wirtschaftsminister – ich muss mich ja jetzt umstellen: zuerst waren Sie Umweltminister, jetzt sind Sie Wirtschaftsminister –, hier gesagt haben. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Arbeitsminister!) Natürlich legen Sie auch großen Wert darauf, als Arbeitsminister tituliert zu werden. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Klar!) Na gut. Man lernt dazu. Insofern wäre ja jetzt eigentlich Ihre große Sternstunde.

Jetzt haben Sie es in der Hand, das, was Sie als Umweltminister mangels Kompetenzen, mangels Zuständigkeit, mangels Instrumenten nicht umsetzen konnten, als Wirtschaftsminister, als Arbeitsminister endlich anzugehen und aus diesem ganzen Anforderungspaket – und ich betone das – endlich Nägel mit Köpfen zu machen.

Ich wiederhole: Jetzt wäre Ihre Sternstunde! Ich sage das im Kontext mit dem Faktum, dass Sie das Paket "Wirtschaft und Arbeit" in einer Person vereinigen und noch dazu die Umweltpolitik zumindest noch in Ihrem Gedächtnis agieren sollte, wenn nicht auch in Ihrer Werthaltung. Aus dieser herrlichen Dreieinigkeit heraus könnten Sie doch wirklich etwas Ordentliches zusammenbringen. Vor diesem Hintergrund Ihrer Kompetenzmöglichkeiten und Ihrer Gestaltungsmöglichkeiten einerseits und vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen und Ihres Wissens als Umweltminister andererseits werden jetzt Ihre Taten, Ihre Maßnahmen und auch Ihre Budgetpolitik gemessen. Keine Frage.

Da lautet sicherlich der erste Punkt: Was tun Sie wirklich konkret im Hinblick auf die Senkung der Lohnnebenkosten? Was machen Sie zur Verwirklichung dessen, was Sie als Umweltminister immer gefordert haben, nämlich zur Einführung der Ökosteuer? Im Prinzip ist die Ökosteuer die einzige nachhaltig wirksame Methode, dass Sie als Arbeitsminister einerseits in Rich


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tung mehr Beschäftigung etwas voranbringen und dass Sie als Wirtschaftsminister andererseits bewirken können, dass den Unternehmungen billigere Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden. Was unternehmen Sie da bei der Ökosteuer?

Sie waren still diesbezüglich, ich habe von Ihnen nichts dazu gehört. Ich konnte auch im Übereinkommen der Koalitionspartner wenig darüber lesen, und ich habe dazu noch weniger bei der Regierungserklärung gehört, und jetzt im Budget finde ich nichts außer einer Umschichtung von Fonds. Es wird ein wesentliches Steuerungsinstrument, eine wesentliche Rahmenbedingung des Wirtschaftens in Österreich, nämlich die Ökosteuer, nicht in dem Sinne etabliert, wie es eigentlich sein sollte, um das erwünschte Ziel zu erreichen, um Ihnen sowohl wirtschaftlich als auch arbeitsmarktpolitisch und vor allem auch ökologisch endlich einmal einen Schritt nach vorne zu ermöglichen.

DDeshalb mein großes Plädoyer vor allem angesichts eines rechtlich verbindlichen Übereinkommens, das Sie eingegangen sind, angesichts dessen, dass Sie sich zur Umsetzung der Kyoto-Ziele bereit erklärten und auch vertraglich banden.

Herr Minister! Damals waren Sie Umweltminister, jetzt sage ich Herr Wirtschaftsminister, Herr Arbeitsminister. Was tun Sie jetzt dafür, dass wir diese 13 Prozent Reduktion des CO2-Ausstoßes erreichen? – Ich sehe nichts. Ich sehe auch im Budget nichts. Und es wäre so viel möglich über die Ökosteuer, über die Senkung der Lohnnebenkosten, über die Besteuerung von Energie, über die auch gerechtere Handhabung der Besteuerung im Verkehrsbereich. Was jetzt von dieser Regierung in diesem Budget mit Ihrer Handschrift und auch mit Ihrer Unterschrift bei den Budgetbegleitgesetzen verabschiedet wird, ist im Verkehrsbereich zum Beispiel, der ja auch ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor ist, wirklich hinterwäldlerisch, altmodisch, also von vorgestern. Die Fixkosten werden erhöht, und die variablen Kosten bleiben gleich. Entschuldigen Sie, wenn man wirtschaftlich handelt, dann ist die Konsequenz, dass man einfach mehr fährt – das ist nämlich sozusagen die volkswirtschaftliche Gesamtbilanz –, wodurch nicht nur die Umwelt belastet wird, sondern auch die Bilanz, die Import-Export-Bilanz, also die Handelsbilanz, weil wir relativ viel fossile Energieträger importieren. Da hätte ich mir mehr erwartet, da fehlt noch sehr viel. Da wäre der eigentliche Ansatzpunkt für einen Wirtschaftsminister, aber er hat den Hebel nicht einmal im Entferntesten angesetzt.

Klimaschutz beziehungsweise Ökosteuer, Senken der Lohnnebenkosten – das ist ein Gesamtpaket. Und dieses Gesamtpaket findet man auch umrissen – ich beziehe mich gerne auf Ihre eigenen Worte, Ihre eigenen Konzepte – in dieser herrlichen Schrift von Wolfgang Schüssel, seines Zeichens damals noch Vizekanzler: "Österreich Zukunftsreich – Denkpfeiler ins 21. Jahrhundert".

Herr Minister Bartenstein! Ich empfehle Ihnen als Lektüre das Papier von Vizekanzler Schüssel, Seite 103 – ich zitiere –:

"Würde der technisch und wirtschaftlich sanierbare Gebäudebestand in Österreich über einen Zeitraum von fünf Jahren thermisch verbessert, das Sanierungspotential also voll genützt, so ergäbe dies pro Jahr bis zu 44.000 zusätzliche Arbeitsplätze," – ich unterbreche das Zitat und sage: eine Freude für den Arbeitsminister; ich setze das Zitat fort –: "eine Budgetentlastung von fast 25 Mrd. öS als Folge höherer Steuereinnahmen und geringerer Sozialausgaben sowie eine ausgeprägte Verbesserung der Leistungsbilanz." – Für Sie, Herr Wirtschaftsminister, sehr günstig.

Ich zitiere weiter: "Gleichzeitig würde durch dieses ,Großprojekt‘" – also Klimaschutz – "nicht nur das Toronto-Ziel, sondern auch das wesentlich ,höher angesetzte‘ Ziel des Klimabündnisses erreicht werden können, nämlich eine Senkung der CO2-Emissionen um 50 % gegenüber 1990."

Herr Wirtschaftsminister! Herr Arbeitsminister! Sie haben als Umweltminister zusammen mit Professor Schleicher von der TU Graz auch Konzepte erarbeiten lassen. Greifen Sie in Ihre Schublade, holen Sie sie heraus und machen Sie den entscheidenden Schritt, damit Sie dieses Dreierpaket, das drei große Vorteile bringt, endlich auf die Schiene bringen, endlich in die Tat


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umsetzen, endlich wirksam werden im Hinblick auf eine bessere Beschäftigungspolitik, bessere Wirtschaftspolitik und vor allem auch eine bessere Umweltpolitik. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte noch ein anderes Tätigkeitsfeld, das jetzt auch in Ihren Händen liegt, kurz umreißen, wobei mir ebenfalls Ihre ambitionierte Handschrift fehlt, ihre ökologische und ökonomische – dieselbe Wortwurzel – Handschrift nach wie vor abgeht: Es ist der große Bereich Liberalisierung. Wie schaut es denn aus mit der Liberalisierung der Gewerbeordnung? Wir wollen Unternehmensgründungen, Sie sagen ja immer, die Wirtschaft schafft neue Arbeitsplätze.

Wo bleiben denn die besseren Rahmenbedingungen im Hinblick auf eine Liberalisierung der Gewerbeordnung für Unternehmensgründungen? Lesen Sie nicht die Wifo-Studien? Schauen Sie sich nicht die Unterlagen an, die der Industrieexperte Karl Aiginger bereits auf den Tisch gelegt hat? Dort wird klar aufgelistet, in welche Richtung die österreichische Wirtschaftspolitik zu gehen hat, um innovativ zu sein, um Arbeitsplätze zu schaffen und um Zukunftsszenarien zu ermöglichen. Und da steht ganz, ganz groß und zentral drinnen, dass es wesentlich ist, die Gewerbeordnung zu liberalisieren. Aber da sind Sie in der Klammer, in der Klammer Ihrer Kammerfunktionäre. Und das ist auch ein Ansatzpunkt, an dem Sie sicherlich weiterarbeiten müssen, bei dem auch Ihr Vorgänger Minister Farnleitner bis jetzt und leider auch insgesamt kläglich gescheitert ist.

Ich sehe keinerlei Initiativen, keinerlei Möglichkeiten für Jungunternehmer, wirklich offensiv ans Werk zu gehen. Da gibt es viel zu viel Bürokratie, Schikanen und Rahmenbedingungen, die sie keineswegs vom Stand her erfüllen können. Da wäre es notwendig, endlich mit dem Rotstift durchzufahren und entsprechende liberale Bedingungen zu schaffen, damit die Unternehmensgründungen vorangetrieben werden können.

Ein anderes Element, das die Wifo-Studie auch immer wieder nennt und das für eine offensive Wirtschaftspolitik auch in Österreich dringend notwendig ist, ist das Element der Vereinheitlichung des Anlagenrechtes. Wir Grüne waren die Ersten, die darauf gedrängt haben, dass es endlich einmal ein einheitliches Umweltanlagenrecht gibt. Bis jetzt klafft diese Lücke. Bis jetzt ist kein Schritt in diese Richtung gesetzt worden. Bis jetzt ist auch von Ihnen kein erster Initiativantrag erfolgt. Nichts!

Die One-Stop-Philosophie oder One-Shop-Philosophie – wie immer sie in diesem Neudeutsch auch heißen mag – steht zwar im Regierungsübereinkommen, sie hat aber für uns nur einen Negativaspekt, der sehr bald auch in diesem Haus diskutiert werden wird, nämlich dass Sie im Rahmen der Novelle zur UVP laut Entwurf des ÖVP-Klubs die BürgerInnenrechte sehr stark einschränken wollen. Bitte, es ist wirtschaftspolitisch sehr wohl möglich, mit BürgerInnenrechten konform zu gehen und insgesamt die Verfahren zu vereinfachen, wenn man klare Rahmenbedingungen schafft, wenn man klare Parteienstellungen schafft, wenn man die diffusen Gewerbeordnungs- und sonstigen Ordnungselemente endlich einmal in Richtung eines einheitlichen Instruments schärft. Das ist auch Ihr Aufgabenbereich, und da habe ich noch nichts bemerkt. Da sind Sie noch weit hinter dem zurück, was das Wifo Ihnen eigentlich vorschreibt oder vorschlägt.

Zum nächsten Punkt, wo Sie Ihre ökonomische und ökologische Handschrift einmal beweisen könnten: Betriebsansiedlung. Dieses Budget zeigt, dass die Mittel für die Austrian Business Agency um insgesamt ein Fünftel gestrichen werden. Sie kennen dieses sehr erfolgreiche Unternehmen, das auch wiederholt das Lob des Rechnungshofes bekam, vor allem deshalb, weil dieses Unternehmen es schaffte, mit seinen vergleichsweise geringen Mitteln das Vier- bis Fünffache an Körperschaftsteuern zu lukrieren, sodass das, was Sie in die Austrian Business Agency stecken, mehr oder weniger in das Budget um ein Vier- bis Fünffaches erhöht wieder hineinfließt. Und was ist jetzt? – Sie streichen die Mittel für die Austrian Business Agency um 21 Prozent, um ein Fünftel. Na gut, mit derselben Hand reduzieren Sie praktisch die Budgeteinkünfte aus dem Titel der Körperschaftsteuer. Wenn man es jetzt hochrechnet, handelt es sich um ein Fünftel mal vier, also um eine ganze Menge. (Abg. Wattaul: Das ist eine gute Mathematik!)


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Das ist meiner Ansicht nach der falsche Ansatzpunkt, auch durch Ihre Brillen gesehen. Die Budgetpolitik bewegt sich in eine falsche Richtung, da müsste umgeschichtet werden. Wenn man schon Betriebsansiedlungen haben will, die etwas bringen sollen, dann muss man diese auch vorantreiben, dann darf man nicht dort knauserig sein, wo im Endeffekt das Füllhorn geöffnet wird. Das ist der nächste Kritikpunkt, genau auch mit Ihren Augen gesehen!

Zum vorletzten Bereich: Wirtschaftspolitik soll unseres Erachtens immer für Rahmenbedingungen sorgen, nicht für Reglements, sondern für klare Rahmenbedingungen. Und eine klare Rahmenbedingung ist die Forschungs- und Technologieoffensive. Ich weiß nicht, wie oft unser Klubobmann Van der Bellen schon in diese Richtung plädiert und diese Forschungs- und Technologie-Milliarde eingefordert hat. Ich sehe jetzt auch keinen Silberstreif am Horizont. Das ist nach wie vor sozusagen Wunschdenken. Diesbezüglich kann man keinerlei reale Schritte in der Budgetpolitik oder auch bei sonstigen Initiativen sehen. Dabei hätten wir das bitter notwendig.

Ich brauche nicht die OECD und auch nicht das Wifo zu zitieren. Ich meine, Ihnen allen ist klar, dass es dringend notwendig ist, diese Milliarde auf die Beine zu stellen und sie in die richtige Richtung zu lenken.

Da möchte ich auf ein Beispiel verweisen, das wir gerade in Oberösterreich in Kooperation vorangetrieben haben. Dort hat Landesrat Leitl zusammen mit meinem Kollegen Anschober einen Öko-Cluster ins Leben gerufen. Warum geht das nicht auf Bundesebene? Herr Minister, Herr Wirtschaftsminister, Herr ehemaliger Umweltminister! Warum treiben Sie nicht einen Öko-Cluster voran, eine Vernetzung, eine Zusammenarbeit von Firmen, die in der Umwelttechnologie tätig sind? Das wäre zukunftsträchtig, ökonomisch und ökologisch. Da wäre ein Ansatzpunkt gegeben, sich positiv zu profilieren. Dies wäre sicherlich auch ein Angelpunkt und ein wesentlicher Kernpunkt, um die Industrie- und die Wirtschaftspolitik Österreichs insgesamt zu modernisieren, gerade auch im Hinblick auf die Ostöffnung beziehungsweise Osterweiterung, wo wir ein immenses Absatzfeld gerade für Umwelttechnologie hätten. Bitte, da schlafen Sie, da geht nichts weiter, da steht nach wie vor nur ein Wort im Raum, ohne dass Taten folgen.

Nach diesen drei, vier, fünf Punkten, die ich als Ansatzpunkte für Ihre ökonomisch-ökologische Handschrift sehe, zum Schluss noch ein paar Bemerkungen zu dem, was Sie über Umverteilung von sich gaben.

Sie haben Kollegen Eder angesprochen und gemeint, dass er hier zu Unrecht für die Klein- und Mittelbetriebe spricht, weil er von einem Großbetrieb kommt. Ich sehe sehr wohl auch in Ihrer Wirtschaftspolitik, genauso wie in der Wirtschaftspolitik mancher Ihrer Vorgänger, eine Umverteilung innerhalb der Unternehmungen von den kleineren und mittleren zu den größeren. Es gibt deshalb relativ viele kleinere und mittlere Unternehmen, weil es sehr viele Neugründungen gibt, und diese Betriebe fangen bekanntlich klein und mittel an. Im Prinzip sind die bestehenden Klein- und Mittelunternehmen zusehends nicht nur einem massiven Konkurrenzdruck ausgesetzt, sondern auch fehlenden Rahmenbedingungen.

Hier kann ich es mir nicht verkneifen, noch auf die allgemeine Problematik der Nahversorgung einzugehen. Es ist immer wieder Herr Kollege Haigermoser, der sehr progressive Töne, die in diese Richtung gehen, anschlägt. (Abg. Haigermoser: Ich möchte eine Frage an Sie stellen! Unterbrechen Sie kurz!) – Ich habe Sie jetzt endlich wachgerufen, denn ich vermisse schon Ihre Zwischenrufe. Hier gilt es in erster Linie einmal dafür zu sorgen, dass Sie, Herr Wirtschaftsminister, auch darauf Wert legen, dass die Einkaufszentrenverordnung – ich spreche ein heißes Thema an – in einer Weise novelliert und rechtlich justiert wird, sodass ihre ursprüngliche Intention, nämlich die Kerngebiete, die Zentren zu schützen und nicht den Bau auf der grünen Wiese, Herr Kollege Haigermoser, weiter voranzutreiben, endlich wieder in ordentlicher rechtlicher Form vorangetrieben wird. (Abg. Haigermoser: Padutsch in Salzburg! Feind der Nahversorgung! Grüne Bürgerliste!)

Herr Kollege Haigermoser! Ich bin völlig Ihrer Meinung. Die Klein- und Mittelbetriebe und vor allem die Nahversorgung müssen auf jeden Fall gestärkt werden. (Abg. Haigermoser: Ich bin d’accord!) Wir müssen allerdings wirklich in Richtung Kostenwahrheit im Verkehrsbereich streben, sonst kommt es einfach zur Bevorzugung der großen Unternehmungen auf der grünen


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Wiese. (Abg. Haigermoser: Padutsch sagt aber das Gegenteil! Das ist das Furchtbare!) – Nein, Padutsch sagt in diesem Fall nicht das Gegenteil, darüber können wir uns einmal genau unterhalten. Aber wir gehen glücklicherweise – und das halte ich jetzt fest – auch darin konform, dass wir die Kostenwahrheit im Verkehrsbereich brauchen, und zwar ganz im Sinne der Wirtschaftlichkeit, damit wirklich Gerechtigkeit und gleiche Konkurrenzbedingungen herrschen. Und da, Herr Minister, sind Sie mir auch Ansätze schuldig, sind Sie mir Rahmenbedingungen schuldig. Ich habe bereits einen Antrag, der in diese Richtung geht, eingebracht.

Zum Abschluss noch ein paar Bemerkungen zu Ihrem Konter auf die Ausführungen des Kollegen Öllinger, in denen es um die Beschäftigung ging, wozu Sie meinten oder sich damit brüsteten, dass es sehr, sehr viele neue Arbeitsplätze gibt, dass vor allem im Bereich der Frauen, im Bereich älterer Arbeitnehmer, aber auch im Bereich Jüngerer viel mehr Jobs angeboten werden. Und das ist für mich der springende Punkt. Ja, es sind Jobs! Jobs! Das "Beschäftigungswunder" – unter Anführungszeichen – basiert großteils darauf, dass es sehr viele Teilzeitbeschäftigte gibt, dass die Zahl der Vollerwerbstätigen rückläufig ist und die Zahl der Teilerwerbstätigen steigt. Sie berücksichtigen in Ihrer Statistik alle, ganz egal, ob es sich um Vollzeit- oder Teilzeitarbeit handelt.

Ehrlicherweise muss man sagen, dieses "Beschäftigungswunder" – unter Anführungszeichen –, auf das auch Herr Bundeskanzler Schüssel gestern einging – er sprach von 45 000 Jobs, er hat auch dieses Wort gebraucht –, geht darauf zurück, dass es sehr viele Teilzeitbeschäftigte gibt. Ich weiß nicht, wie viele wirklich von sich aus freiwillig Teilzeitarbeit anstreben und wie viele in Teilzeitlösungen gedrängt werden. Ich meine, jede Österreicherin und jeder Österreicher hat einfach Anspruch auf einen Vollerwerb, genauso wie es einen Anspruch auf Teilzeitarbeit geben soll. Das ist eine arbeitsmarktpolitische Herausforderung, die natürlich wirtschaftspolitische Hintergründe hat.

Zum Schluss noch einmal das Plädoyer: Das alles könnte unter einen Hut gebracht werden. Ihre Sternstunde leuchtet wirklich, wenn Sie die Ökosteuer einführen.

Ich zitiere noch aus der "Süddeutschen Zeitung" vom 15. November 1997: "Grünes Licht für Ökosteuern – OECD empfiehlt ihren Mitgliedsländern entsprechende Reformen." Es heißt in diesem Artikel: "Auch für die Standortentscheidung spielen Umweltstandards", die bei der Ökosteuer natürlich vorrangig sind, "nach Erkenntnis der OECD keine Rolle."

Sie sagen immer, das benachteiligt uns. Der Standort Österreich wird abgewertet, wenn die Ökosteuer eingeführt wird. – Nein, die OECD sagt das Gegenteil. Sie sagt, das spielt keine Rolle. (Abg. Mag. Trattner: Welche Steuer soll wegfallen?)

Bitte nehmen Sie deshalb die Ökosteuer-Angelegenheiten wirklich offensiv in die Hand, und machen Sie endlich diese Nägel mit Köpfen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Maderthaner. – Bitte.

10.45

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist meiner Meinung nach nicht nur eine wirklich spannende Aufgabe, sondern es war auch ein richtiges Signal der neuen Bundesregierung, die Bereiche Wirtschaft und Arbeit in einem Ressort zu vereinen, weil man, liebe Frau Kollegin Bures, nicht mit netten Reden und Versprechungen Arbeitsplätze sichern kann, sondern nur mit einer starken Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das weiß Gott sei Dank auch die Mehrheit der Arbeitnehmer. Das sollten auch Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, nach dem größten Konkurs aller Zeiten, der da gelautet hat "Konsum", wissen, durch den Sie Zigtausende Arbeitsplätze vernichtet haben, obwohl Sie vorher allen gute Arbeitsplätze versprochen haben, und durch den Sie Hunderte von Klein- und Mittelbetrieben geschädigt haben.


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Meine Damen und Herren! Diese beiden Bereiche, nämlich Wirtschaft und Arbeit, gehören einfach zusammen. Sie ergänzen einander, wie das auch in den Betrieben durchaus sichtbar und feststellbar ist. Ein Denken in wirtschaftlichen Dimensionen kann es eben nur dann geben, wenn es auch Übereinstimmung mit der Arbeitswelt, mit dem Arbeitsmarkt und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt. Das bringt auch bessere Koordination und mehr Effizienz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wichtig in diesem Zusammenhang wird auch sein, meine Damen und Herren, dass dieses Denken nicht Kopfschütteln, sondern konkrete Unterstützung auslöst. Das ist wichtig, glaube ich. (Abg. Dr. Khol: So ist es!) Und das werden wir, so hoffe ich, in der nächsten Zeit auch durchaus beweisen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manche tun so, als ob Wirtschaft und Arbeit ein Widerspruch wären. Wirtschaft und Arbeit gehören zusammen. Das wissen Sie auch oder sollten Sie zumindest wissen. (Abg. Sophie Bauer: Aber der Arbeiter bleibt auf der Strecke!) Genau das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren: Wirtschaft und Arbeit gehören – ich habe das schon eingangs gesagt – in jeder Hinsicht zusammen. Die Regierung weiß das und hat das während ihrer bisherigen kurzen Amtszeit auch schon mehrfach bewiesen. Ich darf auch darauf hinweisen – darauf ist heute auch schon vom Herrn Bundesminister verwiesen worden –, wie schnell wir uns über die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten bei der Entgeltfortzahlung einigen konnten und dass wir für beide Seiten eine vorteilhafte Lösung gefunden haben. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch. )

Lieber Fritz Verzetnitsch! Ich weiß, wie lange wir versucht haben, eine Lösung in dieser Frage zu finden. Es ist leider nicht gegangen, weil die SPÖ und die Gewerkschaft nicht bereit waren, gleichzeitig zwei Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Darum ist es gegangen. (Beifall bei der ÖVP.) Ihr wolltet nur eine Seite verändert haben. Wir wollten beide Ungerechtigkeiten beheben. Uns ist dies auch gelungen. Ich wäre sehr froh gewesen, hätten wir das schon vor einem Jahr zustande gebracht, lieber Fritz.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Mir ist natürlich schon klar, dass derzeit auch Arbeiterkammer-Wahlkampf ist. Dafür habe ich Verständnis, denn wir hatten erst vor kurzem die Wirtschaftskammerwahl. Ich verstehe auch, dass es natürlich ein bisschen schmerzhaft ist, zu sehen, wie schnell und erfolgreich diese Regierung solch wichtige Fragen, die auch die Arbeitnehmer betreffen, gelöst hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Dies im Übrigen, ohne in den Genuss der Fair-Play-Regelung für die ersten 100 Tage gekommen zu sein, wo man sagt: Lassen wir sie arbeiten! Sie sollen einmal zeigen, was sie können! Die Kritik hat vom ersten Tag an massiv eingesetzt, und das war nicht ganz fair, das darf ich wohl auch sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte trotzdem nochmals empfehlen, etwas mehr Objektivität walten zu lassen (Zwischenruf der Abg. Silhavy ) und die Regierung nach ihren Taten zu beurteilen. Es stimmt jedenfalls nicht, dass die Arbeitnehmer die Verlierer des Regierungsprogramms sind. Es stimmt genauso wenig, dass die Wirtschaft der große Gewinner der Budgetsanierung ist. (Abg. Sophie Bauer: Wer denn sonst?)

Liebe Frau Kollegin! Sie haben es auch teilweise in Ihrem eigenen Nationalratswahlkampf gefordert: Mehr Arbeitsplätze durch gesunde Unternehmen! Wir sind dabei, diese auch zu schaffen, die Unternehmen noch gesünder zu machen, damit sie die Arbeitsplätze besser sichern zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das fördert die Wettbewerbsfähigkeit und das österreichische Wirtschaftswachstum, belebt somit auch unseren Arbeitsmarkt und bringt noch mehr Arbeitsplätze.

Daher noch einmal: Wirtschaft und Arbeit gehören zusammen. Je besser die Wirtschaft funktioniert, umso sicherer ist die Arbeit.

Meine Damen und Herren! Österreichische Unternehmen bereichern sich nicht durch die Abschöpfung des ausschließlich ohnedies durch sie gespeisten Familienlastenausgleichsfonds oder des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds oder der Allgemeinen Unfallversicherung. Daraus werden


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23. Sitzung / Seite 35

11 Milliarden Schilling in die Finanzierung des Pensionssystems umgeleitet. Das ist die Tatsache, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Rechnen Sie noch die 3,1 Milliarden Schilling aus der Arbeitslosenversicherung, nämlich des Teils der Wirtschaft, zur Anrechnung der Ersatzzeiten hinzu, so kommen Sie auf 14,3 Milliarden, die die Wirtschaft zur Budgetkonsolidierung und somit zum Wohle unserer Bevölkerung beiträgt. Das ist die Wahrheit, bitte! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Oder denken Sie an das geplante LKW-Road-Pricing. 13,3 Milliarden Schilling gehen zu Lasten der Unternehmer. Sie werden das nicht so locker einfach weiterverrechnen können, wie sich das manche vorstellen. Das ist ein gewaltiger Beitrag. Natürlich müssen auch die Arbeitnehmer mit der motorbezogenen Versicherungssteuer einen Beitrag leisten. Aber verschweigen Sie doch nicht ständig das Verantwortungsbewusstsein der österreichischen Wirtschaft, und sagen Sie nicht, dass alles auf dem Rücken und zu Lasten der Arbeitnehmer ausgetragen wird! (Abg. Sophie Bauer: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass es nun diese effiziente Art der Zusammenarbeit gibt und auch in Zukunft geben wird. Sie ist notwendig, weil wir unseren wachstums- und stabilitätsorientierten Weg weiter fortsetzen wollen.

Wie sehr eine florierende Wirtschaft und Arbeitsplatzsicherheit zusammenhängen, lassen Sie mich, meine Damen und Herren, an einem Beispiel erklären, obwohl Kollege Öllinger gesagt hat, Arbeit und Wirtschaft seien eigentlich zwei gegensätzliche Dinge und da gebe es sozusagen große Unterschiede.

Meine Damen und Herren! Wir haben gestern im Aufsichtsrat des M.A.N.-Konzerns, dem ich derzeit auch angehören darf, beschlossen, dass die gesamte Reihe der klein- und mittelschweren LKW, nämlich von 7,5 Tonnen bis 16 Tonnen, bei M.A.N. im Werk Steyr erzeugt und von diesem geliefert wird. (Abg. Dr. Khol: Bravo! Super! – Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Und das sind 16 000 bis 17 000 Einheiten pro Jahr! Damit sichert der M.A.N.-Konzern nahezu 6 000 Arbeitsplätze in Österreich. Meine Damen und Herren! Das ist positive Politik! Das ist Wirtschafts- und Arbeitnehmerpolitik!

An diesem Beispiel wird klar, dass erstens Wirtschaft und Arbeit wirklich zusammengehören und dass zweitens ausländisches Kapital in Österreich durchaus sehr positiv eingesetzt werden kann. In diesem Sinne danke ich auch von dieser Stelle aus der Firma M.A.N. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Diese Richtung wurde als richtig erkannt, auch im Ministerium. Der Herr Bundesminister und die Frau Staatssekretärin haben also den richtigen Weg eingeschlagen. Jetzt liegt es nicht zuletzt auch an uns allen, meine Damen und Herren, an Ihnen und an uns, dazu beizutragen, dass uns die Wirtschaft und die Arbeit in Österreich auch immer ein wichtiges Anliegen bleiben. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Heindl. – Bitte.

10.54

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatsekretärin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich mit Export, also Außenhandel, beschäftigen. Zunächst möchte ich allerdings – ich muss das loswerden – auf das eingehen, was Kollege Puttinger heute neuerlich gesagt hat. Die Herren unterhalten sich zwar angenehm, aber es wird vielleicht nicht so angenehm werden, wenn sie hören, was ich ihnen zu sagen habe.

Herr Klubobmann Khol! Herr Kollege Puttinger! Einmal mehr haben Sie heute wieder, so wie auch gestern, über das Verhalten der 14 EU-Staaten diskutiert und haben vor allem meinen


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23. Sitzung / Seite 36

Kollegen, ja meinen Freund Gusenbauer in einer Form attackiert, die unerträglich ist. Ich fühle mich genauso angesprochen.

Herr Kollege Khol! Meine Damen und Herren der Freiheitlichen! Sie wissen ganz genau, wie intensiv wir uns bemühen, mitzuhelfen, dieses Problem zu mildern und, wenn möglich, bald ganz vom Tisch zu wischen.

Herr Kollege Khol! Sie haben mich im Außenpolitischen Ausschuss angesprochen, was gar nicht notwendig war. Einige Tage nachdem die Vierzehn diese Beschlüsse gefasst hatten, habe ich mich in ein Flugzeug gesetzt und bin nach Deutschland geflogen. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender der deutsch-österreichischen Parlamentariergruppe – und Sie wissen, dass das die intensivste nicht nur in Österreich, sondern insbesondere im Deutschen Bundestag ist, ihr gehören die meisten Mitglieder an – habe ich versucht, Gespräche zu führen, was sehr schwierig war. Unter Mithilfe von Präsident Fischer ist es nach Kontaktaufnahme mit Präsidenten Thierse gelungen, die Kolleginnen und Kollegen aller Parteien, muss ich jetzt gleich dazusagen, im Deutschen Bundestag wenigstens so weit zu bringen, dass man einer Einladung Folge leistet, einer Einladung, die ich schon lange ausgesprochen hatte. Es gab wieder Probleme, nicht von unserer Seite. Die deutschen Kollegen von den verschiedenen Parteien waren in dieser Frage uneins und nicht bereit zu kommen. Sie sind dann nach mehrfachen Versuchen der Einladung des Präsidenten Fischer und meiner Einladung, am 5. Mai, am Gedenktag, zu Gesprächen nach Wien zu kommen, gefolgt. Wir haben diese Gespräche geführt.

Und wissen Sie, warum ich mich so furchtbar fühle, mir fehlen fast die Worte, ich komme mir schlicht mies behandelt vor. Sie wissen, wie sehr wir uns bemüht haben, ein Gesprächsklima aufzubauen. Das Ergebnis war: Vizepräsidentin Anke Fuchs hat in ihrer Replik auf meine Abschiedsrede gesagt: Jawohl, wir haben uns ein Bild gemacht, und wir werden uns bemühen – ich verspreche dir das namens aller Kollegen –, unsere Kollegen im Bundestag, aber auch die Mitglieder der Bundesregierung zu animieren, nachzudenken und etwas zu tun.

Mich hat schon etwas gestört – aber ich kritisiere das nicht, weil ich mich voll eins mit Kanzler Schüssel weiß; denken wir gemeinsam nach und machen wir uns nicht gegenseitig Vorwürfe –, mich hat schon irritiert, dass zum Beispiel beim ersten Treffen mit den Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen und vom Grünen Klub niemand dabei war. Es wäre nämlich angenehm gewesen – ich sage nochmals, ich kritisiere das nicht –, und zwar deswegen, weil Sie gehört hätten, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, was die bewegt.

Es wurden uns – ich sage Ihnen das ganz offen – seitenweise Aussendungen von Sagern verschiedener Kolleginnen und Kollegen dieses Landes präsentiert. Wir haben darauf hingewiesen, dass es sich nicht um Aussagen von Regierungsmitgliedern handelt, sondern um Aussagen von Landtagsabgeordneten, Nationalräten, Funktionären und so weiter. Aber es ist uns die Problematik bewusst geworden, es ist uns bewusst geworden, warum es so ist, wie es ist, und deswegen wäre ich so froh gewesen, wenn Vertreter aller Parteien dort gewesen wären.

Ich habe im Einvernehmen mit Präsident Fischer bei diesem Anlass nochmals eine Einladung ausgesprochen. Die Einladung ist binnen 48 Stunden vom Deutschen Bundestag angenommen worden. Die Kolleginnen und Kollegen werden nochmals zu uns kommen, und wir sind jetzt schon gegeneingeladen.

Ich appelliere daher an Sie, meine Damen und Herren: Tun Sie mit! Werfen wir uns nicht gegenseitig etwas vor, was nicht stimmt! Jeder von uns bemüht sich, wirklich etwas zu tun. Ich lade Sie ein, Herr Khol, Herr Kollege Puttinger, hören Sie sich von Ihren eigenen Kolleginnen und Kollegen, die bei den Gesprächen dabei waren, an, was sie zu sagen haben. Vielleicht glauben Sie mir nicht, dann fragen Sie die eigenen Leute und tun Sie mit, wenn wir diesen Weg fortsetzen.

Eines war wirklich bitter – das sage ich zu den Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen –: Als ich Anke Fuchs am Flugplatz abgeholt habe, fuhren wir an Plakaten vorbei. Sie wissen, was ich meine: die Plakate für die Arbeiterkammerwahlen. Und sie fragte mich: Was sagst du dazu? Darauf meinte ich: Was soll ich sagen? Alle von unserer Partei kommen sich wirklich furchtbar


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schlecht behandelt vor. Nur, verstehen Sie bitte unsere Situation. Gleichzeitig müssen wir uns hier anhören, was wir alles schlecht machen. Im selben Atemzug stehen wir dazu, dass wir für das Land etwas tun. Und daher appelliere ich an Sie: Tun Sie hier mit!

Jetzt bin ich überhaupt nicht dazugekommen, zu meinem Hauptthema, zur Exportfrage zu reden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum ECOFIN. Herr Kollege Puttinger, eines muss ich Ihnen dazu auch noch sagen – ich will wieder nicht ins Detail gehen; Rudi Edlinger hat es schon gesagt –: Ich habe mir Aussagen aus den Protokollen zu dieser Sitzung besorgt. Natürlich ist auch das kritisiert worden, was Sie gesagt haben. Aber wissen Sie, was besonders kritisiert worden ist – ich rechne es Grasser hoch an, dass er das zugibt –, dass das Budget 2000 kein ideales Budget ist. Die Kriterien bis 2003 gehen nicht mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt konform. Das ist ein sehr, sehr starker Vorwurf.

Nicht nur ich kritisiere das, sondern es ist auch für Österreich unangenehm. Ich appelliere an die Regierung, bereits beginnend mit dem Vollzug des Budgets 2000, entsprechende Schritte zu setzen, damit wir das Ziel, das wir uns gesetzt haben, auch erreichen.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Damit Sie auch unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit sehen: Da Sie, Herr Bundesminister Bartenstein, die Exportoffensive der Vorgängerregierung erwähnt haben, die zu den Erfolgen geführt hat, die wir heute haben – hervorragende Entwicklung 1999, hervorragende Entwicklung 2000, die 30 Prozent Exportquote wurde überschritten; das sind doch gigantische Erfolge für dieses Land, und ich rechne es Ihnen, Herr Minister Bartenstein, hoch an, dass Sie hier am 1. März gesagt haben, dass Sie auf den Ergebnissen der Politik der Vorgänger aufbauen –, kündige ich hier an: Sie werden uns bei den Verfassungsbestimmungen an Ihrer Seite finden, wenn Sie das Außenförderungsgesetz so verändert einbringen, dass es eine weitere Verbesserung für die Exportwirtschaft bringt, denn 1 Prozent Exportquote mehr bedeutet 1 Prozent Beschäftigung mehr. Und in diesem Sinne zu wirken, ist unsere Politik. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (den Vorsitz übernehmend): Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Rossmann. – Bitte.

11.01

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem Kollege Heindl bereits touristische Aktivitäten gesetzt hat, habe ich jetzt die Ehre, über die österreichische Tourismuspolitik zu sprechen.

Durch die Neuetablierung eines eigenen Staatssekretariats für Tourismus und Freizeitwirtschaft ist diese Bundesregierung einem langjährigen Wunsch der österreichischen Tourismuswirtschaft – endlich, sage ich dazu – nachgekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieses Staatssekretariat basiert auf der Gründung einer eigenen Sektion, die bereits mit 1. Jänner 1999 etabliert wurde, und ich kann dazu sagen, diese Sektion arbeitet nicht nur sehr motiviert, sondern ist auch ganz modern strukturiert. Ich habe die große Freude, mit wirklich tüchtigen, motivierten Beamten zusammenzuarbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Tourismus ist einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige. Er erbringt mit 112 Millionen Nächtigungen und mit über 200 Milliarden Schilling Umsatz 6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ich erwähne diese Zahlen deshalb, weil sie auch in diesem Haus immer wieder übersehen werden.

Mit der Installierung des Staatssekretariats hat der Tourismus nunmehr auch in der Bundesregierung jenen Stellenwert erhalten, der ihm zugeschrieben werden muss. Mit dem Staats


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sekretariat hat der Tourismus aber auch auf internationaler Ebene endlich eine politische Vertretung. Es gibt viele Länder, die eigene Tourismusminister oder -staatssekretäre haben. Mit der Installierung des Staatssekretariats ist nun eine neue Basis der Zusammenarbeit hergestellt, sei es bei bilateralen Kontakten, sei es beim Abschluss von Tourismusabkommen. In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen mitteilen, dass wir ein Tourismusabkommen mit China und eines mit Slowenien planen. Das ist gerade auch in einer immer kleiner werdenden Welt sehr wichtig, und China ist für uns der Zukunftsmarkt schlechthin.

Die Auswirkungen der Globalisierung auch im Tourismus – ich möchte ein bisschen in die Vergangenheit schweifen – haben natürlich schon gezeigt, welche Mängel in den Rahmenbedingungen in Österreich noch herrschen. Österreich wurde sehr früh und dramatisch damit konfrontiert, das erste Mal bereits vor mehr als 15 Jahren, und zwar speziell im Sommertourismus.

Die Auswirkungen brauche ich nicht auszuführen, denn sie sind hier bekannt. Es begann ein großer Umdenkprozess. Man begann, vielfältigst auf die geänderten Rahmenbedingungen zu reagieren – das ist das Positive an dieser Angelegenheit –, auch in der Krise das Gute zu suchen und die Krise durchzutauchen. Das ist uns in vielen Bereichen gelungen. Unser Dank und unsere Hochachtung gilt all jenen Unternehmern, die trotz dünner Eigenkapitaldecke, trotz massiver Verschuldung, trotz schwierigster Phasen noch den Mut gehabt haben, weiter zu investieren, neuerlich Risiko einzugehen und noch einmal mit Qualitäts- und Angebotsverbesserungen den österreichischen Tourismus zu beleben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein gewisser Umdenkprozess war auch in der Bankenwelt notwendig. Es hat mitgeholfen, dass wir uns fast ein Jahrzehnt lang in einer Niedrigzinsphase bewegt haben. Dadurch ist der Sprung zu mehr Qualität und zu verbesserten Angeboten ermöglicht worden.

Die neuesten Zahlen belegen es, und es freut mich sehr: Wir hatten die beste Wintersaison seit vielen, vielen Jahren. Auch im März schrieben wir spektakuläre Zahlen, ich nenne nur einige: Tirol hatte ein Plus von 18,7 Prozent, Vorarlberg über 16 Prozent zu verzeichnen. (Abg. Dr. Khol: Vor allem Belgier und Franzosen!) Besonders erfreulich ist, dass speziell Niederländer, Franzosen und belgische Gäste Österreich so zahlreich besucht haben wie noch nie, Belgier sogar um 229 Prozent mehr als im Jahr davor. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das sind Zahlen, die für sich sprechen. Außerdem ist auch der heurige Sommertrend sehr günstig, und man ortet – ich habe es gerade gestern wieder gehört – ganz massiv, dass Urlaub im eigenen Land die Devise ist. Unsere Reisebüros sind sogar teilweise überfordert, weil sie gar nicht genügend Prospektmaterial für den Österreich-Urlaub vorrätig haben. Ich glaube – und damit komme ich zur Euro-Parität zum US-Dollar –, die Österreicher stellen gewisse Überlegungen an. Gerade im Jugendbereich gab es einen starken Trend, in die USA zu fahren. Aber auch die Jugend wird heuer vermehrt in Österreich Urlaub machen.

Der Aufwärtstrend wird aber – das möchte ich ganz kritisch anmerken, und ich habe das oft, auch in diesem Haus schon, gesagt – nach wie vor von einer dramatischen Eigenkapitalschwäche der Betriebe begleitet, und das ist Besorgnis erregend. Aber auch die Auslastung ist Besorgnis erregend, denn – das ist eine Zahl, die viele hier vielleicht gar nicht kennen – wir haben in der Ferienhotellerie im Durchschnitt eine Auslastung von nur 27 Prozent. Dass sich damit keine Rentabilität erzielen lässt, ist leicht auszurechnen.

Es wird unser aller Kraft erfordern, alles zu unternehmen, in diesem Haus aber auch innerhalb der Bundesregierung, alles zu tun, um die Rahmenbedingungen zu verbessern, um die Saison zu verlängern, neue Angebote zu schaffen und damit eine neue Auslastung zu vernünftigen Preisen zu erreichen, damit auch wieder eine ausreichende Rentabilität erzielt werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eines ist uns bereits gelungen – dies war ein lang gehegter Wunsch der Kongresswirtschaft, und ich bin ein bisschen stolz auf unsere Sektion, die da wirklich mit Überschallgeschwindigkeit gearbeitet hat –, nämlich die Stärkung des Kongressstandortes Österreich. Eine Forderung seit


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vielen Jahren war eine Risikominimierung für Kongressveranstalter in Form einer möglichst günstigen Versicherung zu gestalten. Wir haben nunmehr Richtlinien dafür, rückwirkend mit 1. Mai, dass es eine Kongresshaftungsmöglichkeit gibt. Wir sind damit neben den Niederlanden die Einzigen, die so etwas anbieten können. Das wird für den wichtigen Bereich der Kongresswirtschaft in Österreich sicher einen Sprung nach vorne bewirken, und wir wissen, welche Umwegrentabilität ein Kongress beinhaltet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Drei wesentliche Bereiche möchte ich noch erwähnen, in denen wir massiv tätig werden wollen. Es ist dies – das wurde auch schon angesprochen – erstens der Umweltbereich. Der Tourismus basiert natürlich gerade in Österreich auf einer intakten Umwelt. Das ist unser Kapital für die Zukunft. Hier gilt es, vehement danach zu trachten, unsere Umweltressourcen zu erhalten, aber auch die Tourismusbetriebe zu veranlassen, auf ihre Umwelt zu schauen. Es gibt das Umweltzeichen, das von der Sektion Tourismus verstärkt propagiert wird, weiters Innovation und Kooperation im Zusammenhang mit einem modernen Destinations-Management. Es gilt aber auch über neue Angebotsgruppen nachzudenken, über Angebotsstrukturen – auch hier wieder das moderne Wort "Cluster" –: Wellness-Cluster, Kultur-Cluster. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Es wird aber auch die Koordinierung mit einer modernen Marktforschung ermöglicht werden müssen, ebenso ein professioneller Wissenstransfer. Ich merke immer wieder, dass sehr, sehr viel vorhanden ist, dass aber viel zu wenig weitertransportiert wird. E-Commerce wird in Zukunft auch im Tourismus eine große Rolle spielen. Es gilt, Anreize zu schaffen, alle Betriebe auf E-Commerce, auf neue Technologien und deren Entwicklung hinzuweisen, damit die Betriebe auch in diese Bereiche investieren.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Österreich Werbung natürlich – und damit gebe ich ein klares Bekenntnis zur Österreich Werbung ab – unsere nationale Marketing-Organisation ist. Man muss sie durchleuchten: Soll sie noch alle Aufgaben so erfüllen, wie sie sie jetzt erfüllt? Das wird in Zukunft zu prüfen sein. Aber an der Österreich Werbung insgesamt darf nicht gezweifelt werden, wir brauchen sie.

Ich möchte von dieser Stelle aus allen 80 000 Betrieben in Österreich danken, die Tag und Nacht immer dem Gast zur Verfügung stehen, die unermüdlich mit über 150 000 Mitarbeitern im Einsatz stehen. Ihnen gebührt der Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie schreiben die Erfolgsstory der österreichischen Gastfreundschaft und der österreichischen Gastlichkeit. Darauf wird immer vergessen, und deshalb wollte ich ihnen abschließend auch aus meiner Sicht noch einmal den Dank aussprechen. Ich glaube, das ist wichtig. Wenn alle zusammenarbeiten und mit Optimismus in die Zukunft sehen, dann wird der österreichische Tourismus auch weiter am Wachstum in der Branche mitnaschen können. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Hofmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.11

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Heindl eingehen. Ich nehme Herrn Dr. Heindl seine Betroffenheit im Zusammenhang mit den Maßnahmen der EU-14 ab, und er genießt meine persönliche Wertschätzung, das möchte ich voranstellen. Ich glaube ihm seine persönlichen Bemühungen, für ein Ende der Sanktionen zu sorgen und einen Beitrag hiefür zu leisten. (Abg. Dr. Khol: Ich auch!)

Aber, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, wie erklären Sie es der Bevölkerung, wie erklären Sie es dem Bürger, wenn bei Ihnen, bei Ihrem Bundesparteitag Scharping und Persson als Gäste auftreten, die sich dezidiert für den Fortbestand der Sanktio


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nen und für die Notwendigkeit der Beibehaltung dieser Maßnahmen aussprechen. Hiezu wird am Parteitag applaudiert, und keiner von Ihnen findet es der Mühe wert, auch nur ein Wort dagegen zu sagen und sich gegen diese Maßnahmen, die ungerechtfertigt sind und dem Geist der Europäischen Union widersprechen, auszusprechen. Das ist unverständlich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Hump oder Dump?)

Ich erlaube mir auch, auf einige Äußerungen der Oppositionsparteien einzugehen, weil sich ein gemeinsamer Faden durchzieht. Wissen Sie, ich leide nicht unter Gedächtnisschwund, und wir waren vor nicht allzu langer Zeit – und das während eines Zeitraums von 13 Jahren – ebenfalls Oppositionspartei. Wir waren eine kritische Oppositionspartei. Aber einen wesentlichen Unterschied zu Ihrer Art der Oppositionstätigkeit, zu Ihrem politischen Beitrag, den gibt es, und den möchte ich herausstreichen: Bei aller Kritik und bei aller Härte der Kritik sind wir immer eine konstruktive Opposition gewesen, während Sie sich bei Ihrer Kritik in Allgemeinplätzen verlieren, Allgemeinpositionen einnehmen und versuchen, ein Zerrbild der politischen Arbeit dieser erfolgreichen Bundesregierung zu zeichnen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Lichtenberger: Mir kommen die Tränen vor Rührung! – Abg. Schwemlein: Realitätsverlust!)

Wie kommen Sie von den Sozialisten dazu, von einem Belastungspaket zu sprechen – Kollege Edler hat das gemacht – und von einer Unausgewogenheit, Sie, die Sie der Bevölkerung Belastungspakete von mehr als 100 Milliarden Schilling zugemutet haben und hierbei keine strukturellen, also zukunftsweisenden Maßnahmen gesetzt haben?

Es wird davon gesprochen, dass die Strompreiserhöhung zu einer neuerlichen, zusätzlichen Belastung führt. Sprechen Sie doch davon, dass die Belastungen in Summe 7 Milliarden Schilling ausmachen – wir stehen dazu –, aber gleichzeitig auch eine Entlastung von 28 beziehungsweise 29 Milliarden Schilling erfolgt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Genau, um das geht es!)

Kritisieren Sie nicht eine Kfz-Steuererhöhung, wenn Ihr Anschlag auf den "kleinen" Bürger gewesen wäre, eine Mineralölsteuererhöhung durchzuführen. Denken Sie an all die Versäumnisse, die Sie zu verantworten haben und für die diese Bundesregierung jetzt geradezustehen und Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Führen Sie doch Beispiele an, wenn Sie immer wieder den "kleinen" Bürger, den "kleinen", fleißigen Bürger in den Mund nehmen! Herr Finanzminister Grasser hat es Ihnen vorgerechnet: Bei einem Einkommen des Mannes von 20 000 S brutto – er hat das Beispiel angeführt, und das ist nachvollziehbar – und einem Einkommen der Frau von 10 000 S brutto, verdient diese Familie 15 000 S mehr im Jahr. (Abg. Dietachmayr: Sie haben im Juni vergangenen Jahres gegen diese Steuerreform gestimmt! – Kurzzeitgedächtnis!)

Na ja, diese Steuerreform ist von Ihnen beschlossen worden, aber dazu hat Finanzminister Grasser zu Recht angemerkt, sie wäre mit einer Einladung in ein Gasthaus gleichzusetzen: Sie laden ein, aber die Rechnung bezahlen Sie nicht. Die Rechnung bezahlt jetzt diese Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei den Freiheitlichen: Zechprellerei!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir kennen die Ausgangsbasis, wir kennen den OECD-Bericht, wir kennen die Position Österreichs als Schlusslicht bei der Budgetentwicklung, und wir wissen, dass viel zu tun ist – eine unangenehme Ausgangsbasis zugegebenermaßen. Aber mit Sicherheit gibt es keine Umverteilung von unten nach oben, wie Sie immer wieder behaupten, ohne Beispiele dafür anzuführen, sondern es gibt Ausgewogenheit, und im Endeffekt bleibt dem Einzelnen mehr in der Tasche.

Es ist in Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit – innerhalb meiner Redezeit – sicher auch richtig, noch kurz darauf hinzuweisen, dass sich Maßnahmen der letzten Regierungskoalition als unglückliche Fehlentwicklungen herausgestellt haben, die jetzt zu korrigieren sind. Sie haben vergessen, in Zusammenhang mit der Strompreiserhöhung anzuführen, dass daran gedacht ist und das auch umgesetzt werden wird, dass der Strompreis ab dem Jahre 2001, genau ab


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1. Oktober 2001, völlig liberalisiert sein wird. Das war Ihnen egal. Wir haben damals beim ElWOG darauf hingewiesen, dass es nicht so sein kann, dass einige große Unternehmen mit entsprechendem Verbrauch in den Genuss der Liberalisierung und damit der Strompreissenkung kommen und der "kleine" Bürger dafür aufzukommen hat. Hier ist eine Korrektur vorgenommen worden, und es wird die Vollliberalisierung zu Gunsten des "kleinen" Bürgers und des kleinen und mittleren Unternehmers mit 1. Oktober 2001 einsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Bundesminister Bartenstein wird sicherlich auch Maßnahmen, die sein Vorgänger gesetzt hat, einer Verbesserung zuführen müssen. Ich denke hier an das Mineralrohstoffgesetz. Hier wird es Änderungen geben müssen, um diesem – wie ich meine – unglücklichen Gesetz eine positive Richtung zu geben.

Froh bin ich darüber, dass im Tourismus eine positive Entwicklung festzustellen ist. Es ist heute schon einmal erwähnt worden, dass die Nächtigungszahlen um 15,1 Prozent zugenommen haben und besonders bei den Belgiern ein sehr deutliches Plus aufweisen, nämlich ein Plus von 122,9 Prozent.

Ich glaube und bin überzeugt davon, dass diese Regierung es in 100 Tagen geschafft hat, viel Positives umzusetzen, Dinge, von denen Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, zwar Jahre und Jahrzehnte gesprochen haben, aber damit den Bürgern immer nur Sand in die Augen gestreut haben und tatsächlich nichts Positives bewirkt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abgeordneten Oberhaidinger. )

11.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

11.19

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte am Anfang auf die Ausführungen von Frau Staatssekretärin Rossmann zum Österreich-Tourismus eingehen. Frau Staatssekretärin! Ich glaube, es braucht niemand Ihre Aussagen zu qualifizieren, wenn Sie im ORF davon sprechen, dass man in Zukunft Austria nicht mehr mit Australia verwechseln wird. Das stimmt, das wird man ganz sicher nicht mehr!

Ich brauche es auch nicht weiter zu kommentieren, wenn Sie behaupten, dass der Österreich-Tourismus angeblich zunimmt. (Abg. Böhacker: Was heißt "angeblich"?) Er nimmt deshalb zu, Frau Staatssekretärin, weil sich sehr viele ÖsterreicherInnen gar nicht mehr ins Ausland trauen. (Abg. Böhacker: Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.) Ich kann Ihnen auch belegen, dass Menschen, die im Ausland arbeiten, es verweigern, dort Deutsch zu sprechen, weil sie nicht ständig gefragt werden wollen, was denn in Österreich los sei. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und es gibt genug Menschen, die einfach ein Recht darauf haben, ihren Urlaub so zu verbringen, dass sie sich nicht ständig für die Politik in Österreich rechtfertigen müssen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da waren Sie schon lange nicht mehr im Ausland! Das ist ja komplett unrealistisch!) Das sind Menschen, die sagen: Ich fahre lieber eine Woche an den Neusiedler See, denn dort rempelt mich wenigstens keiner an, was bei uns in Österreich los ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Van der Bellen traut sich auch ins Ausland zu reisen!) Überlegen Sie sich einmal, was das für Österreich bedeutet, und versuchen Sie einmal, die Realität zu sehen, statt weiter die Verweigerung der Realität zu forcieren. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber ich möchte jetzt auf den Bereich Arbeit und Wirtschaft zu sprechen kommen. Und weil mir gerade Frau Partik-Pablé aus voller Kehle in meine Rede hineinschreit, möchte ich sie fragen: Wann haben Sie sich denn das letzte Mal aus voller Kehle für die Interessen behinderter Menschen eingesetzt? Da ist, seitdem Sie in der Regierung sind, nichts mehr zu hören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Haidlmayr! Immer dann, wenn ich anwesend und es Thema war!)


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Frau Pablé! Wann haben Sie sich in dieser Lautstärke in den letzten Monaten dafür eingesetzt, dass die Behindertenarbeitslosigkeit zurückgehen soll und dass die Ausgleichstaxe erhöht werden muss, um Behindertenarbeitsplätze zu schaffen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Vor zwei Wochen!) Davon wissen Sie jetzt nichts mehr. Das, Frau Pablé, ist wirklich Ihre eigene Qualität, wie Sie mit den Interessen behinderter Menschen umgehen, jetzt, wo Sie in der Regierung sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Haidlmayr! Wenn Sie mich schon dauernd fragen, lassen Sie mich auch antworten!)

Aber vielleicht, Frau Pablé, tue ich Ihnen Unrecht, und Sie werden sich heute noch hier herausstellen, um sich in Ihren Ausführungen aus voller Kehle für die Interessen behinderter Menschen, für die Anhebung der Ausgleichstaxe, für die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für behinderte Menschen einzusetzen. Es kann ja sein, wir haben ja heute noch länger Zeit. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich tue, was ich will – und nicht, was Sie mir vorschreiben!)

Ich möchte auch auf die Ausführungen des Herrn Maderthaner, der nicht mehr da ist, eingehen und ihn fragen: Herr Maderthaner! Sie haben gesagt – ich bin nicht Ihrer Meinung –, Wirtschaft und Arbeit gehörten zusammen. Sie wissen aber – und Sie haben das ja schon jahrelang als Wirtschaftskammerpräsident erprobt und erfolgreich umgesetzt –, dass im Bereich der Wirtschaftskammer und in nahe stehenden Organisationen per Rundbrief aufgefordert wurde, keine behinderten Menschen einzustellen. (Abg. Großruck: Was hat er gesagt?) Diese meine Aussage ist dokumentierbar.

Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ und von der ÖVP! Ich möchte Sie fragen, Frau Pecher, Herr Puttinger, Herr Hofmann und alle anderen Wirtschaftstreibenden, die hier anwesend sind und etwas zu sagen haben in Ihren Betrieben: Wie hoch ist denn die Erfüllung der Ausgleichstaxe in Ihren Unternehmen? Wie weit entwickelt ist denn die Gleichstellung bei den Arbeitsplätzen, oder gibt es auf den Plätzen, die Sie entsprechend besetzt haben, nur Hilfstätigkeiten für behinderte Menschen?

Herr Minister! Sie haben verabsäumt, in Ihrem Regierungspapier Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung von behinderten Menschen vorzusehen. Sie haben es nicht nur schriftlich verabsäumt, sondern Sie haben es auch im Budget nicht drinnen, dass es für behinderte Menschen in Zukunft entsprechende Ausbildungsplätze geben soll. Herr Minister! Sie sind sich wahrscheinlich noch immer nicht sicher, aber ich möchte es Ihnen nochmals bestätigen: Behindertenarbeitslosigkeit ist keine soziale Frage, sondern Behindertenarbeitslosigkeit ist eine Frage der Wirtschaft. Das ist somit eine Frage, die Sie, Herr Minister, als Arbeitsminister, als Wirtschaftsminister zu klären haben, damit dieser Bereich nicht irgendwie im Sozialministerium verkommt. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Ich erwarte mir von Ihnen wirklich – und nicht nur ich, sondern alle behinderten Menschen in Österreich erwarten sich von Ihnen –, dass Sie heute, bitte, die Gelegenheit nutzen und uns sagen, welche Maßnahmen der Ausbildung, des beruflichen Einstiegs oder Wiedereinstiegs am ersten Arbeitsmarkt Sie für behinderte Menschen gesetzt haben, und vor allem, welche finanziellen Ressourcen Sie dafür zur Verfügung stellen. Wenn ich mir Ihr Regierungspapier zum Thema Behinderte ansehe, dann stehen außer der Arbeitsassistenz, die nicht einmal in einem einzigen Satz definiert wird, zum Bereich behinderte Menschen und Arbeit eigentlich nur lauter Aussonderungsmaßnahmen drinnen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: "Aussonderung"?) Ich weiß schon, Herr Minister, dass die ÖVP und die FPÖ ein anderes Menschenbild von behinderten Menschen haben, als es eigentlich bereits sein müsste. (Abg. Wattaul: Woher wissen Sie das? – Abg. Aumayr: Das ist eine Unterstellung! Nehmen Sie das zurück! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ein Skandal, das ist wirklich ein Skandal! – Weitere lebhafte Zwischenrufe.)

Ihre Kollegin Gatterer hat das letzte Woche in einer Podiumsdiskussion bewiesen, indem sie gesagt hat: Behinderte Menschen sind so lieb, so freundlich, und von denen kann man wirklich etwas lernen. – Und ich sage Ihnen: Wir verweigern es, dass wir Lehrbeispiele für Sie sind. Wir erwarten uns, dass Sie uns endlich als gleichwertige Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ansehen und dass Sie uns endlich die Chancengleichheit zugestehen, die nichtbehinderte


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Menschen für sich selbstverständlich in Anspruch nehmen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schender: Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit!)

Da gerade Herr Schender da vorne herunterschreit: Na, selbstverständlich, Frau Abgeordnete, selbstverständlich!, frage ich Sie, Herr Schender, ob Sie in den letzten Wochen vielleicht einmal mit Ihrem Vater ein, zwei Worte gesprochen haben. Gerade Sie und Ihre Fraktion – nicht Sie als Person, dafür haben Sie die Kompetenz nicht in Ihrer Fraktion, sondern Ihre Fraktion – und die Fraktion der ÖVP sind es, die speziell behinderten Menschen die Lebensqualität massiv verschlechtert haben, nämlich durch die Einsparung beim Zivildienst. (Abg. Mag. Trattner: Sie tragen bei zur Verschlechterung des Klimas in diesem Haus!) Ihr Vater, Herr Schender, hat einen Brief an alle Abgeordneten und an den Herrn Bundesminister geschickt, in dem er sich hinter die Zivildiener und hinter die Menschen, die jetzt in ihrer Lebensqualität eingeschränkt werden, stellt. (Ruf bei den Freiheitlichen: Bringen Sie ein Beispiel! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Ich möchte von Ihnen auch noch wissen, wie es denn in Zukunft für langzeitarbeitslose behinderte Menschen ausschauen wird. Was haben Sie denn da für Programme bezüglich Ihres Bürgergeldes angedacht, was behinderte Menschen machen sollten?

Ich möchte auch die SPÖ und Herrn Verzetnitsch als Gewerkschaftspräsidenten nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, sondern bitte sie, für die Rechte behinderter Menschen, speziell am Arbeitsmarkt, zu kämpfen. Es kann nicht angehen, dass immer mehr behinderte Menschen in geschützten Werkstätten zum Nulltarif beschäftigt werden, ohne ein sozialversicherungsrechtliches Einkommen zu haben, ohne im Alter abgesichert zu sein. Trennen Sie sich von Ihrem Gedanken, dass der Bereich Arbeit von behinderten Menschen eine Sache der Länder und eine Sache der Sozialressorts ist! (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Stimmt ja nicht!)

Bedenken Sie: Behinderte Menschen haben genauso ein Recht auf Arbeit, nur wird ihnen dieses Recht verwehrt beziehungsweise müssen sie um 1 S pro Tag oder noch viel weniger arbeiten. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Lauter Unterstellungen! – Abg. Neudeck: Können Sie das beweisen?) Das dürfte in dieser Republik nicht mehr notwendig sein, und das ist in dieser Republik ein Skandal! Seien Sie doch endlich einmal bereit, die so genannten Beschäftigungstherapien für obsolet zu erklären, und machen Sie daraus ordentliche Arbeitsplätze für behinderte Menschen, damit sie sich ihre Existenz auch absichern können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wattaul: Sie schaden den behinderten Menschen!)

11.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Ing. Maderthaner zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.30

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Kollegin Haidlmayr! Hohes Haus! Wenn Sie behaupten, dass ich ein Schreiben verschickt hätte, in dem zu lesen ist, dass behinderte Menschen nicht eingestellt werden sollen, dann sagen Sie die Unwahrheit! Ob bewusst oder unbewusst, weiß ich nicht, diese Behauptung ist aber jedenfalls unrichtig, ein derartiges Schreiben gibt es nicht.

Sie haben damit außerdem jemanden angesprochen, der immer für die behinderten Menschen eintritt. (Abg. Murauer: Sauerei!) Gehen Sie in meinen Betrieb! Seit ich diesen Betrieb habe, habe ich immer wieder behinderte Menschen eingestellt. (Abg. Murauer: So ist es!) Vor zwölf Jahren habe ich einen Taubstummen, der nirgendwo anders einen Arbeitsplatz bekommen hätte, weil er eben taubstumm ist, zum Neonglasbläser anlernen lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich lade Sie gerne ein: Schauen Sie sich das an – und reden Sie nicht so einen Unsinn daher! Erst vor drei oder vier Monaten habe ich einen Mann aufgenommen (Rufe bei der SPÖ: Tatsächliche Berichtigung! Tatsächliche Berichtigung!), dessen Fuß verletzt wurde; er ist jetzt bei mir eingestellt.

11.31


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Herr Abgeordneter! Mit der tatsächlichen Berichtigung sind Sie fertig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Ing. Maderthaner. )

Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Schwarzböck zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.32

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Haidlmayr, ich bewundere seit Jahren Ihren politischen Einsatz und im Besonderen Ihren Einsatz für behinderte Menschen. Die Pauschalanschuldigungen jedoch, die sie soeben an Herrn Präsidenten Maderthaner gerichtet haben und die er erfreulicherweise selbst erwidern konnte, sind mit diesem Ihren Einsatz nicht in Einklang zu bringen. (Abg. Dr. Stummvoll  – in Richtung der Abg. Haidlmayr, die im Begriff ist, den Saal zu verlassen –: Dableiben, Frau Kollegin Haidlmayr! Dableiben! Horchen Sie zu! – Abg. Haidlmayr kehrt an ihren Platz zurück.)

Wenn man derart tief greifende Anschuldigungen erhebt, dann kann man sie nicht allgemein halten! Sie müssten das Rundschreiben beziehungsweise das Datum genau angeben, damit der Beschuldigte überhaupt die Chance hat, einer solchen Pauschalbehauptung etwas Konkreteres entgegenzusetzen.

Ich hätte auch ohne den persönlichen Hinweis von Präsidenten Maderthaner aus meiner jahrlangen Bekanntschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit in der Sozialpartnerschaft, in der man ja nicht immer die gleiche Interessenslage hat, auf das verweisen können, was er selbst gesagt hat, dass er nämlich selbst seit Jahrzehnten Arbeitgeber für behinderte Menschen ist. Allerdings: Wäre Präsident Maderthaner nicht gerade im Saal anwesend gewesen, dann weiß ich nicht, wie man vor den vielen Damen und Herren auf der Galerie und auch der Kollegenschaft im Haus dieser Pauschalanschuldigung etwas anderes entgegensetzen hätte können, als die Behauptung, dass ich persönlich eine derartige Anschuldigung auf Grund meiner Bekanntschaft und Freundschaft mit Leo Maderthaner sowieso nicht geglaubt hätte. Das ist nicht der Stil der Auseinandersetzung, der uns weiterbringt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wer derartige Anschuldigungen – egal, zu welchem Thema – erhebt, hätte meiner Meinung nach die moralische Verpflichtung, konkreter zu werden, um dem Beschuldigten die Möglichkeit zu geben, über eine Pauschalverteidigung hinaus darauf eine Antwort geben zu können.

Frau Kollegin Haidlmayr, mir tut das auch deshalb leid, weil Sie mit diesem Stil unter Umständen die Sympathien für Sie, die ich noch einmal zum Ausdruck bringen möchte – ich bewundere Ihren Einsatz für behinderte Menschen in der Politik und insgesamt! –, gefährden, denn diese Art zu diskutieren, häuft sich nun bei Ihnen. Und das würde der Sache sicher nicht dienen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kukacka: Sehr richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist verständlich, dass das erste Budget einer neuen Bundesregierung, die unter dem Motto "Österreich neu regieren" vor wenigen Monaten, vor knapp 100 Tagen, angetreten ist, hier zu emotionalen Auseinandersetzungen führt.

Gerade beim Kapitel "Wirtschaft und Arbeit" sollten wir uns aber intensiv mit den unterschiedlichen Ansichten zu diesen tief greifenden Reformen auseinander setzen und von jenen Pauschalbenotungen, wie es uns momentan innerlich, inhaltlich oder generell in der Politik geht, abgehen, denn wenige Kapitel sind so dafür geeignet, aufzuzeigen, worum es eigentlich geht.

Die gestrige Debatte und auch jene zur Budgetrede des Finanzministers haben ja gezeigt, dass uns im Grunde genommen auch international und quer durch die Parteienlandschaft Folgendes vorgegeben wird: Dieses Land braucht dringend Strukturänderungen, um das zu bleiben, was es immer war, für die Österreicher und auch im europäischen Kontext, das heißt, diese geplanten


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Strukturänderungen brauchen wir nicht nur für die Standards in unserem Land, sondern auch, um in Europa das bringen zu können, was Europa von uns erwartet. Ich erinnere nur an die Budgetpolitik und andere europäische Zusammenhänge. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Als Mitglied des Wirtschaftsausschusses habe ich jene tief greifenden Strukturänderungen, die die Regierung in den Jahren 1995 bis 1999 angegangen ist, in Unterausschüssen mitverhandelt. Ich möchte nur zwei dieser Änderungen herausgreifen, nämlich die Liberalisierung der Gewerbeordnung in zwei Schritten sowie die Befassung mit dem Thema "Freigabe des Strommarktes" als Vorbereitung für die Liberalisierung des gesamten Energiemarktes – Gas ist ja der nächste Schritt nach dem viel diskutierten ElWOG.

Ich habe unseren Fraktionssprecher Karlheinz Kopf oft bewundert, mit wie viel Geschick, Nerven und Kraft er damals die Verhandlungen im Unterausschuss geführt hat, denn es wurde uns damals gesagt, dass Übergangszeiten von fünf, sechs Jahren nicht ausreichen würden, die Freigabe des Strommarktes im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der Unternehmen und die Auswirkungen auf die vielen Tausenden Beschäftigten der EVUs verkraftbar zu machen. Wir haben uns letztendlich zu einem Kompromiss gefunden, wonach diese Liberalisierung mit Übergangsregelungen festgelegt wurde.

Ich möchte in diesem Zusammenhang durchaus an den damaligen Minister Farnleitner erinnern, der von Regierungsseite her Mitverantwortung getragen hat, aber auch an den damaligen Umweltminister Bartenstein und an Landwirtschaftsminister Molterer, die davon ebenfalls betroffenen waren, weil die Themen Energiepolitik, Strommarkt und Energiemarktfreigabe eine Schlüsselfunktion für viele Strukturänderungen haben – nicht nur im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, sondern auch viele Lenkungsfunktionen, die ich vielleicht noch kurz ansprechen kann.

Etwas war für mich dann überraschend – und das müsste uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg verbinden –: In jenen Bereichen, in denen die Ängste am größten waren, sind die Übergangszeiten nicht einmal zu 20 Prozent genützt worden, denn wir sind nach der Freigabe des Marktes in einem Segment eigentlich innerhalb von einem Jahr nach In-Kraft-Treten des Gesetzes schon dabei, die Gesamtliberalisierung vorzuziehen und schon im Jahre 2001 auch die Kleinabnehmer mit einzubeziehen. Das ist eine Reform, die unerlässlich war. Sie sollte uns Mut machen.

Daher möchte ich abschließend – meine Redezeit geht zu Ende – einen Appell an die Oppositionsparteien richten: Meine Damen und Herren, Ihre Forderung, nämlich die bei Liberalisierung unverzichtbarer Rahmenbedingungen in sozialer Hinsicht, in Lenkungshinsicht voll zu gewähren, ohne zu liberalisieren, ist für diese Volkswirtschaft und für diese Gesellschaft nicht verkraftbar. Lassen Sie uns daher einen gemeinsamen Weg finden und sagen: Die internationalen Gegebenheiten erfordern eine Liberalisierung, und das, was für uns inhaltlich in der Sozialpolitik und in Bezug auf Lenkungsfunktionen unverzichtbar ist, stellen wir diesen liberalen Märkten als flankierende Maßnahmen zur Seite.

Ich musste – ich sage das ganz offen – in den letzten zehn, fünfzehn Jahren als Bauernvertreter einiges mittragen, bei dem mir unter Umständen, rein aus dem Interessenbezug, eine Monopolstellung oder ein abgegrenzter Markt lieber gewesen wäre. Es war aber nicht haltbar, wir mussten die volle Liberalisierung des europäischen Binnenmarktes mitmachen, haben aber auch Verständnis für unsere flankierenden Maßnahmen gefunden.

Und ich sage klipp und klar: Wenn es im nächsten Schritt gelingt, das, was die Länder mit den Einspeistarifverordnungen erfreulicherweise begonnen haben, also mit Lenkungsmaßnahmen das, was der freie Wettbewerb an ökologischen und anderen Unverzichtbarkeiten, etwa die Versorgungssicherheit in den entlegendsten Regionen, nicht zulässt, mit derartigen flankierenden Maßnahmen weiter aufrechtzuerhalten, dann haben wir im Grunde genommen ein Beispiel dafür geschaffen, wie wir in vielen Bereichen nachziehen können, um Wettbewerbskraft und Marktwirtschaft mit liberalen Ordnungen zuzulassen und gleichzeitig den sozialen Ausgleich, die


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Versorgungssicherheit, die ökologische Verantwortung mit anderen begleitenden flankierenden Maßnahmen abzusichern. (Abg. Gradwohl: Wer zahlt?) Bitte? (Abg. Oberhaidinger: Wer zahlt?)  – Herr Kollege Oberhaidinger, ich kann Ihnen das in einer halben Minute nicht beantworten. Aber ich kenne Hunderte Beispiele, wo sogar Geld übrig bleibt, wenn Sie die Auswirkungen auf die Betroffenen in anderer Weise abgelten als mit Monopolstellungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Marktwirtschaft hat – in Europa und weltweit – in der Globalisierung hundertmal bewiesen, dass dieser Weg, nämlich die Marktverhältnisse so zu steuern, dass es einen Wettbewerb gibt, um mit den höheren Wertschöpfungen, die in einer derartigen Wirtschaftsordnung entstehen, die Sozialpolitik zu finanzieren, einen höheren Sozialstandard bringt als Ihre Illusion, zu meinen, in der globalen Wirtschaft seien Monopolwirtschaft und die Finanzierung höchster sozialer Sicherheit unter unterschiedlichsten gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Voraussetzungen weiter vereinbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Daher komme ich zum Abschluss: Ich wünsche dem Herrn Bundesminister und den Damen und Herren des Wirtschaftsausschusses in Verbindung mit allen anderen betroffenen Ausschüssen, aus den Erfahrungen, die wir in der Legislaturperiode 1995 bis 1999 unter einer anderen Regierung gemacht haben, Mut zu fassen und ihn in diese neue Periode mitzunehmen, um vielleicht eine noch größere Treffsicherheit an den Tag zu legen, um den internationalen Realitäten, die auch für Österreich unaufhaltbar sind, ins Auge zu sehen und gleichzeitig auch der österreichischen Politkultur des Konsenses in breitesten Gesellschaftsschichten und ebenso der alten sozialpartnerschaftlichen Tradition mit völlig neuen Formen gerecht werden zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.41

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Oberhaidinger zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

11.42

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf die Ausführungen eines Vorredners, nämlich auf die des Kollegen Hofmann, zurückkommen. Ich habe mir gedacht, er wird zumindest einige energiepolitische Themen, die das Thema Budget berühren, ansprechen, aber er hat es nicht lassen können, die EU-Sanktionen wieder aufzuwärmen, damit sie nicht ganz aus dem Gedächtnis des Hohen Hauses entschwinden.

In diesem Zusammenhang hat er auch davon gesprochen, dass er – und ich glaube ihm das – nicht unter Gedächtnisschwund leidet. Wenn er aber im selben Atemzug dazu behauptet, dass die Freiheitlichen in der Opposition eine zwar kritische, aber konstruktive Rolle eingenommen hätten, dann stellt er damit meiner Meinung nach die Behauptung, dass er nicht unter Gedächtnisschwund leidet, ganz enorm und eminent in Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dazu passt auch die etwas wehleidige Behauptung des Kollegen Gaugg, der sich heute in den frühen Morgenstunden von diesem Rednerpult aus darüber beschwert hat, dass alles, was nach dem 4. Februar dieses Jahres geschieht, schlecht sei, und alles, was vorher geschehen ist, gut gewesen ist. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Aber, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, umgekehrt wird auch ein Schuh daraus: Sie haben vor dem 4. Februar dieses Jahres auch kein gutes Haar an der Regierung gelassen; da war auch alles schlecht. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist nicht richtig!) Damals war die ÖVP noch in der Regierung. Ich würde euch – ob Gedächtnisschwund oder nicht – empfehlen: Lest bitte die Protokolle eurer Reden (Ruf bei den Freiheitlichen: Haben Sie zum Thema auch etwas zu sagen?), dann werdet ihr sehen, wie ihr euch in der Opposition verhalten habt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. )

Zu meinem Vorredner Schwarzböck: Herr Kollege Schwarzböck! Wenn man im Glashaus sitzt – heißt es so schön –, soll man nicht mit Steinen, nicht einmal mit Kieselsteinen werfen! Das ist sehr gefährlich! Wenn also jemand vom Monopol in der E-Wirtschaft, das sich erfreulicherweise


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nun im Zuge der Liberalisierung auflöst, spricht und das auch als relativ negativ darstellt, dann sollte er daran denken – und denken Sie bitte daran! –, dass in der Landwirtschaft noch überhaupt nichts liberalisiert worden ist, dass es dort also immer noch eine Monopolwirtschaft gibt. (Abg. Schwarzböck: Entschuldigen Sie, von was reden Sie?) Es wird sicher noch eine Gelegenheit geben, hier darüber zu reden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Nun ein paar Worte zu dem, was wirklich budgetwirksam wird, nämlich zur Energieliberalisierung. (Abg. Murauer: Das ist deiner nicht würdig!) Kollege Murauer, du wirst sicher noch die Gelegenheit haben, von diesem Rednerpult aus zu melden, was immer du zu melden hast. (Abg. Murauer: Normalerweise ist das nicht dein Stil!)

Ich darf in Erinnerung rufen, dass das jetzt nur mehr einfache Parteimitglied vor und während des Wahlkampfes im Jahre 1999 sehr stark für niedrige Strompreise, speziell für die kleinen Leute, eingetreten ist. Natürlich wussten wir damals alle, dass er etwas ankündigt, was ohnehin passieren würde, aber nicht weil er das ankündigt, sondern weil die Liberalisierung eine Senkung der Strompreise mit sich bringen würde, deren Auslöser aber nicht Herr Haider ist, sondern die EU-Richtlinie, Herr Kollege. (Abg. Aumayr: Sie hätten es aber noch drei Jahre verhindert!)

Angesichts der jetzigen Strompreissituation in Kärnten kann ich sagen: Ein Berg hat gekreist, aber ein Mäuslein wurde in Kärnten geboren! (Abg. Aumayr: Das erste Jahr, wo Strompreise gesenkt worden sind!) Also recht viel ist da unten wirklich nicht passiert, vor allen Dingen für die Haushalte und für die kleineren und mittleren Unternehmen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Da müssen Sie aber woanders gewesen sein!) Und wenn ich mir anschaue, was jetzt mit der Energieabgabe beabsichtigt ist ... (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Aumayr. )  – Liebe Kollegin Aumayr, überall kennst du dich wirklich nicht aus (Abg. Aumayr: Da kenne ich mich aus!), bleib bei deiner Landwirtschaft, dafür bist du Spezialistin, das gestehe ich dir zu. Ich rede aber jetzt vom Strompreis und von der Energieabgabe. (Abg. Aumayr: Dass die Strompreise in Kärnten gesenkt worden sind, ist eine Tatsache!)

Die Energieabgabe sollte oder wird laut Bundesvoranschlag von 10 Groschen auf 26 Groschen pro Kilowattstunde erhöht werden. Das heißt, es kostet die Haushalte sowie die kleineren und mittleren Unternehmen rund 2 Milliarden Schilling mehr. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wieder falsch!) Es würde noch mehr kosten beziehungsweise dem Budget noch mehr bringen, würde nicht bei 500 Industriekunden – Herr Minister, Sie wissen das! – gedeckelt werden, was nämlich bedeutet, dass rund 700 Millionen Schilling wiederum an die Einzahlenden zurückfließen. Auch hier zahlen also in erster Linie die Haushalte und die kleineren und mittleren Unternehmen die Zeche!

Damit das nun aber nicht so sichtbar wird, darf zum Beispiel in Wien zurzeit der Strompreis nicht gesenkt werden. Das wird man wohl erst dann dürfen, wenn die Energieabgabe beschlossen ist, denn dann werden sich Plus und Minus wieder auf null einpendeln, das heißt, der Kunde wird nichts von der Senkung des Strompreises, aber auch wenig von der Energieabgabe merken. (Abg. Egghart: Ihr seid falsch informiert! Fragen Sie die Kollegin Ederer!) So kann man nach außen hin auch Preispolitik machen.

Meine Damen und Herren! Die Stromabgabe entlastet weder die Arbeitskosten, noch ist sie – das sollten Sie sich einmal genau anschauen – ökologisch. Ich darf das am Beispiel der Kraft-Wärme-Kopplung kurz erläutern. In Linz beispielsweise sind 40 Prozent der Haushalte an die Fernwärme angeschlossen, und diese Kraft-Wärme-Kopplung bringt eine Emissionsverringerung von 300 000 Tonnen CO2 pro Jahr. Diese Kraft-Wärme-Kopplungen sind schon jetzt vom Preisverfall sehr stark gefährdet, und die Energieabgabe oder die neue Stromabgabe wird diese Situation noch entsprechend verschärfen.

Herr Minister! Ich darf Sie daher ersuchen, die Kraft-Wärme-Kopplungen nicht zu vergessen und raschest Lösungen anzudenken. In Deutschland hat man in diesem Zusammenhang sehr rasch gehandelt. Ich könnte mir vorstellen, dass für die Kraft-Wärme-Kopplungen die Energieabgabe, auf alle Fälle für den Strombereich, ersatzlos gestrichen wird, vielleicht auch zu überlegen, die Kraft-Wärme-Kopplungen unter Umständen in jenes Zertifikatsmodell, wie es in der angedach


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ten ElWOG-Novelle zurzeit enthalten ist, mit hineinzunehmen, und eventuell bei der Kleinwasserkraft die angedachte Prozentziffer etwas zurückzunehmen. Meiner Ansicht nach wäre der Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Ziels über Kraft-Wärme-Kopplungen leichter erreichbar als über die Kleinwasserkraft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Haigermoser zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.49

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Kollege Oberhaidinger! Ich möchte jetzt die Gedächtnisschwunddebatte, mit der du begonnen hast, nicht weiterführen. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. ) Bezüglich der ElWOG-Geschichte ist bitte schön zu sagen, dass ihr hier beschlossen hattet, die Liberalisierung für alle erst im Jahre 2003 einzuführen. Du solltest nach 100 Tagen nicht schon vergessen haben, was da an Bremsklötzen in Bezug auf die Gesamtsituation im Energiebereich vorhanden war.

Wir haben euch in unserer Oppositionszeit an den Taten gemessen. Ihr aber habt nicht einmal damit begonnen, uns an den Taten zu messen, sondern ihr habt von vornherein gesagt: Es ist uns Wurscht, was da passiert, wir sind einmal, im Zweifelsfall, dagegen. – Das ist der qualitative Unterschied zwischen unserer Politik und jener, die von euch betrieben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Hagenhofer: Glauben Sie das selbst, was Sie da gesagt haben?)

Meine Damen und Herren! Wir haben also nicht alles schlecht gemacht. Außerdem, ich möchte mich nicht als Reservelandwirtschaftssprecher aufspielen, aber wo gibt es in der Landwirtschaft ein Monopol? Womöglich erfindest du dann noch Sowchosen und Kolchosen in Österreich, das würde mich nicht wundern, die gibt es aber auch nicht. (Abg. Edler: Und Raiffeisen? Was ist das?) Das möchte ich nur einmal festhalten.

Meine Damen und Herren! Wirtschaftspolitik ist also ein bisschen mehr als Klassenkampf und auch ein bisschen mehr als das Hervorzaubern von alten, marxistischen Hüten aus dem Fundus der Vergangenheit!

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn ihr jetzt auf der Suche nach einer neuen Rolle für die Sozialdemokratie – ihr seid ja noch nicht fündig geworden – den alten Hut der 35-Stunden-Woche hervorholt, weil das auch diese kommunistische Regierung in Frankreich zum Schaden der dortigen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, umgesetzt hat, dann ist das nicht besonders kreativ! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch nicht kreativ, wenn ihr jetzt wieder die Maschinensteuer aus der Klamottenkiste hervorholt – im Glauben, dort oder da damit punkten zu können. Das ist Vergangenheit! (Abg. Edler: Was ist mit der Arbeiterpartei FPÖ?) Das ist Vergangenheit! Zukunft ist Innovation! Wer Neues nicht zulässt, wird zum Konkursverwalter des Bestehenden.

Daher, meine Damen und Herren von der SPÖ, treffen wir uns auf dieser Ebene nicht! Wir sind für Innovation, wir sind für Ordoliberalismus, für soziale Qualität (Abg. Edler: Mogelpackungen!) und nicht für jene Politik, die ihr betrieben habt und durch die eine ganze Million der österreichischen Mitbürger an der Armutsgrenze gelandet sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist eure Bilanz, das haben nicht wir erfunden!

Ich unterstelle euch ja da und dort durchaus guten Willen. Deswegen haben wir auch in unserer Oppositionszeit Anträgen sonder Zahl (Abg. Edler: "Aktion Fairness"!), die von euch gekommen sind, zugestimmt. Wir haben gesehen, da ist etwas Vernünftiges daran, daher sind wir mit an Bord. Aber deswegen herzugehen und zu sagen, dass ihr die gebratenen Tauben durch die Welt fliegen habt lassen, ist doch unbillig!

Natürlich kann man die ÖVP nicht ganz freisprechen! Ihr seid ja diesen Weg ein bisserl mit Schleuderkurs und angezogener Handbremse in der Vergangenheit auch mitgegangen. (Zwischenruf des Abg. Schwarzböck. ) Dadurch kam es klarerweise zu einer Blockadepolitik, ihr


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habt euch in den letzten zwei, drei Jahren gegenseitig blockiert, Kuhhändel abgeschlossen. (Abg. Aumayr  – in Richtung ÖVP –: Ihr seid ordentlich mitgegangen!) Und was dabei herausgekommen ist, wissen wir ja: ein gewaltiges Budgetdefizit, das wir aber jetzt – und damit komme ich zum Positiven – gemeinsam bereit sind, aufzuarbeiten.

Man sollte daher jetzt einmal vom Grundsätzlichen reden. Wer ist denn der Motor in der Wirtschaft? – Ich sage: Grundsätzlich der Mittelstand, wobei ich damit nicht nur die Unternehmerschaft, sondern auch die Mitarbeiter meine. Dieser Mittelstand ist einfach die tragende Säule in der Beschäftigung, in der Innovation und in der Entwicklung zukünftiger Arbeitsplätze.

Meine Damen und Herren! Ich begrüße daher insbesondere das Lohnnebenkostensenkungsprogramm der Koalition, weil damit die Weiterentwicklung des Mittelstandes garantiert wird. Schon Ludwig Erhard hat das postuliert, er hat gesagt: Die Marktwirtschaft muss von der Basis her aufgebaut werden, indem der Mittelstand Handlungsfreiheit und Chancengleichheit erhält, nicht aber öffentliche Subventionen.

Das ist auch unser Credo. Wir brauchen Chancengleichheit, und wir wollen die Steuern senken, sobald wir das Budget saniert haben – es passiert ja schon jetzt ein ordentliches Stück dieser Arbeit –, und dann werden wir auch von den Subventionen wegkommen, weil das Geld zur Finanzierung der sozialen Ausgeglichenheit verdient wird. Das ist unsere Philosophie, meine Damen und Herren, und unser mittelfristiges Ziel. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Faktum ist auch, dass sich Österreich unter Federführung der Sozialisten zu einem Funktionärsstaat entwickelt hat. Deswegen gab es ja, Kollege Oberhaidinger, den Widerstand in den EVUs und überall: Nichts darf passieren! Um Gottes Willen, da werden Arbeitsplätze vernichtet! Keine Zusammenschlüsse, keine gemeinsame Bearbeitung des Marktes, Zubetonieren, Zumachen! – Dann vom Monopol in der Landwirtschaft zu faseln (Zwischenrufe der Abgeordneten Oberhaidinger und Sophie Bauer ), ist ja bitte wirklich dürftig gewesen! Das ist dir wahrscheinlich erst hinter dem Rednerpult eingefallen, das hast du dir sicher nicht aufgeschrieben. (Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Oberhaidinger und Sophie Bauer. )

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Dass Sie diese Funktionärsherrschaft dann noch übertiteln mit "Sozialstaat" ist die eigentliche Gemeinheit an dieser Diskussion! Funktionärsstaat ist noch nicht gleich Sozialstaat, das ist etwas ganz anderes.

Meine Damen und Herren! Dieser Funktionärsstaat hat uns einiges beschert, daher ist festzuhalten, dass die sozialistische Wirtschaftspolitik gescheitert ist, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Im Zusammenhang mit dieser gescheiterten Politik ist auch die Schwäche des Euro zu sehen. Das ist ein Problem, das wir dadurch haben. Daher versuchen Sie von dieser Schwäche der sozialistischen Wirtschaftspolitik abzulenken.

Aber es ist nie zu spät! Daher sollten wir uns, meine ich, viel vornehmen. Auch so genannte "Kleinigkeiten" im Gesamtmosaik einer positiven, liberalen, ordoliberalen Wirtschaftspolitik gehören aufgearbeitet.

Die Nahversorgung wurde heute schon angesprochen, und es ist hochinteressant, meine Damen und Herren, einen Satz aus einer Studie des Wirtschaftsministeriums vom Juli 1997 zum Thema Nahversorgung zu zitieren. Darin heißt es nämlich:

"Die österreichische Nahversorgungsdiskussion dreht sich seit Jahren im Kreis. Mit Sentimentalität wird kein Problem gelöst." – Zitatende.

Natürlich, damit wird kein Problem gelöst!

Weiter heißt es darin, dass sich auch die Kommunen dieser Dinge annehmen sollten. Die Kommunen nehmen sich aber heute dergestalt der Geschichte an, dass der Bürgermeister sagt: Wir bauen jetzt einmal dieses Großmarktzentrum bei uns, und wenn dadurch die Nahversorgung in der Nachbargemeinde stirbt, ist mir das Wurscht! So geschehen in Klagenfurt mit


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METRO-Markt und so weiter. Das Ganze läuft unter dem Motto: Na ja, das ist eben Konkurrenz, das ist eben Markt. – Das ist nicht mehr Markt, meine Damen und Herren, wenn sich die ... (Abg. Oberhaidinger: Mehr Markt, aber weniger Konkurrenz! Ja, ja! ...)

Auch bei der Freiheitlichen Partei bedarf es da eines Umdenkens in den Kommunen. Wir sind ja in Diskussion, es ist wichtig, Herr Kollege, dass wir uns dieser Dinge annehmen – nicht dass wir dem "Tante-Emma-Laden" nachjammern, sondern dass wir daran arbeiten, dass ein Umdenken einkehrt, damit wir wieder zu einer positiven Einstellung kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich kann es nur mehr stichwortartig erwähnen: Gewerbeordnungsreform, Österreich-Häuser – ein zentrales Thema, das wir angehen müssen, oft versprochen von der alten Regierung –, Kammerreform. Auch da wird sich etwas tun müssen, um zu einer offensiven Standortpolitik zu kommen. Nur dann haben wir die Chance, diese Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.

Ich könnte jetzt noch in der Erklärung des damaligen Finanzministers Rudolf Edlinger zur wirtschaftlichen Lage vom 8. Juli 1997 kramen, dieses Papier ist mir in die Hände gefallen. Was er da alles versprochen hat, der Rudi Edlinger! Einen Stehsatz, er fällt mir gerade auf, möchte ich zitieren, Seite 12: "Niemand kann sich ewig leisten, viel mehr auszugeben, als er einnimmt."

1997 hat Herr Edlinger das hier postuliert, dann aber genau das Gegenteil getan! Und jetzt wundert er sich, dass wir einen finanzpolitischen Scherbenhaufen aufzuarbeiten haben. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. ) Wir haben Sie an Ihren Taten zu messen. Die Worte waren ja gescheit, nur habt ihr anders gehandelt, meine Damen und Herren von der SPÖ. (Abg. Edler: ... überschuss!)

Daher ist dieser Regierungswechsel gut für dieses Land! Zwar hat diese Regierung einen wirklich großen Rucksack mit – ich sage jetzt einmal – Pflastersteinen zu tragen, wir werden diese aber nicht gegen die politischen Gegner werfen, sondern wir werden die Gelegenheit nutzen, mit den Bürgern gemeinsam eine neue Politik für den Wirtschaftsstandort Österreich einzuleiten.

Ich glaube, wir sind in den letzten 100 Tagen schon gut vorangekommen und werden noch einiges auf den Tisch legen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Schwemlein zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.58

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Hohes Haus! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Zum Themenbereich Tourismus hat uns die Frau Staatssekretärin bereits ein paar Botschaften übermittelt. Es ist meiner Ansicht nach wichtig, sich mit dem Tourismus auseinander zu setzen, weil dieser Wirtschaftszweig ganz besonders sensibel reagiert. Passiert eine Naturkatastrophe, stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht oder gibt es in einem Land innenpolitische Unruhen, gibt es sofort Veränderungen in den Nächtigungszahlen.

Ich möchte von dieser Stelle aus schon sagen: Wer hätte sich jemals gedacht, dass Österreich einmal in die Rolle kommt, dass auf Grund der innenpolitischen Situation der Tourismus beeinträchtigt wird? Niemand von uns hätte es sich jemals träumen lassen, dass Österreich unter einer derartigen Situation zu leiden hat (Abg. Mag. Kukacka: An den Zahlen ist nichts zu merken!), vor allem deshalb, weil die Folgen unabsehbar sind, Herr Kollege Kukacka.

Sie sind deshalb unabsehbar, weil wir nicht wissen, wie die potentiellen Gäste reagieren werden. Wir wissen nur, wo es bereits Einbrüche gibt. Ich habe mehrere Zeitungen mitgenommen, zeige Ihnen aber nur eine, nämlich – weil die Frau Staatssekretärin vom Kongresstourismus gesprochen hat – die "Salzburger Nachrichten": "Der Kongress tanzt nicht." – Ich könnte noch weitere Beispiele dafür bringen.


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23. Sitzung / Seite 51

Warum spreche ich das an? – Ich tue dies deshalb, meine Damen und Herren, weil diese Bundesregierung nicht nur im Tourismusbereich, sondern auch in vielen anderen die Problematik, die Situation herunterspielt, teilweise lächerlich macht, negiert, statt dass man ernsthaft darüber nachdenkt, wie man denn Schadensbegrenzung angehen kann.

Da war ich sehr überrascht, von der Frau Staatssekretärin als Positives zu hören: Endlich gibt es eine neue Sektion, die sich mit dem Tourismus beschäftigt. Ja, die gibt es seit 1. Jänner 1999, aber da hat es noch keine Staatssekretärin Rossmann gegeben, sondern das haben noch wir gemacht, weil auch wir erkannt haben, wie wichtig es ist, dem Tourismus den entsprechenden Stellenwert zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Angesichts der Tatsache, dass es in Anlehnung an den Kongresstourismus als positiv hervorgehoben wird, dass es diese Kongresshaftungsmöglichkeit gibt, muss man auch hinterfragen: Warum gibt es diese Möglichkeit? – Deshalb, weil nicht nur ein Veranstalter nach dem anderen storniert hat, sondern uns auch weitere androhen, eben keine Kongresse mehr in Österreich abzuhalten.

Der absolute Höhepunkt und eine Enttäuschung für mich waren – die Enttäuschung deshalb, weil ich Kollegen Puttinger an und für sich schätze, deshalb war ich zutiefst enttäuscht –, dass der Wirtschaftskammerchef von Salzburg, dass ein Wirtschaftsexperte, wie er sich bezeichnet, dass einer, der in der Tourismusbranche tätig ist, kein Wort über die Getränkesteuer verliert. Ich war auch zutiefst enttäuscht davon, dass die zuständige Staatssekretärin (Staatssekretärin Rossmann: Ich bin nicht zuständig!), die, wie man liest, eine so genannte Szenewirtin ist – also gehobene Gastronomie –, nichts zur Getränkesteuer sagt, weil ja sie diejenige ist und die gesamte hochqualitative Gastronomie, die unter dieser neuen Getränkesteuerregelung leiden werden. Ich bin enttäuscht darüber, dass Sie zu dieser Problematik nichts gesagt haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin enttäuscht darüber, dass Sie als so genannte Experten dazu schweigen, dass in der gehobenen Gastronomie eine massive Verteuerung der Preise entstehen wird, und zwar nur deshalb, weil Sie die Getränkesteuer in eine Mogelpackung hineingebracht haben und darüber hinaus die Gemeinden Österreichs um Milliarden – Milliarden Schilling! – ärmer machen, obwohl diese Gemeinden in der Vergangenheit immer wieder bewiesen haben, dass sie jene Gebietskörperschaft sind, die am meisten Geld investieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf Ihnen sagen, ich war, nicht nur was die Situation der Getränkesteuer betrifft, mehr als enttäuscht.

Ich war in einem Punkt überrascht. Zuerst das Positive: Frau Staatssekretärin, ich habe mich darüber gefreut, dass Sie die Wichtigkeit, die Notwendigkeit der Österreich Werbung und auch deren Bestand in der Zukunft betont haben. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich war natürlich schon überrascht, dass Sie nichts davon gesagt haben, wie Sie eigentlich mit den Kalamitäten um den Herrn Macho umgehen, dass Sie nichts davon gesagt haben, wie Sie mit der Verantwortung des Ex-Ministers Farnleitner umgehen. Ich war wirklich überrascht, nichts von Ihnen zu hören, wo doch diese Regierung permanent sagt, wo überall eingespart werden muss, wo überall man jeden Schilling umdrehen muss. Aber in dieser leidigen Angelegenheit, in der ExMinister Farnleitner so hundsmiserabel versagt hat, werden wahrscheinlich 20 Millionen Schilling zu Lasten der so genannten kleinen, ehrlichen Steuerzahler hinausgeworfen.

Dazu haben Sie nichts gesagt, doch wir hier im Hohen Hause erwarten, dass Sie einmal Position beziehen, wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich klar dazu bekennen, denn ansonsten werden wir den Eindruck nicht los, dass diese Übernahme der Altlast und das Zu-Tode-Schweigen dieser Situation Ihr Eintrittspreis ins Staatssekretariat war. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Lichtenberger. )


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23. Sitzung / Seite 52

12.04

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Puttinger gemeldet. Bitte, beachten Sie die Geschäftsordnung und beginnen Sie mit dem Wortlaut des zu berichtigenden Satzes.

12.04

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Herr Kollege Schwemlein hat hier behauptet, dass auf Grund der innenpolitischen Situation ein Rückgang im Tourismus stattgefunden hätte.

Tatsache ist, dass der Tourismus um 10,4 Prozent gestiegen ist. Tatsache ist, dass in der gesamten Wintersaison eine Steigerung von 2,3 Prozent festzustellen ist. Tatsache ist, dass die Umsätze im Tourismus auf 88,3 Milliarden Schilling gestiegen sind. Das entspricht bei weitem mehr an Wertsteigerung als bei den Nächtigungen. (Abg. Schwemlein  – mehrere Zeitungen in die Höhe haltend –: Lauter schwarze Zeitungen! Lauter konservative Zeitungen!) Wenn er sich auf Zeitungsberichte stützt – weil er mir die jetzt zeigt –, dann ist das seine Schuld. Er ist selbst schuld, wenn er nicht den tatsächlichen Berichten folgt, sondern Zeitungsberichten, die falsch sind.

Ich berichtige weiters: Die Getränkesteuer ist keine Mogelpackung. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

12.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Kukacka. – Bitte.

12.05

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schwemlein möchte ich mich eigentlich nicht im Detail äußern. Ich bin kein Tourismusexperte. Mir ist aber eines aufgefallen, Herr Kollege: Sie waren heute mehrfach "überrascht", so über die Tourismuszahlen oder auch darüber, dass die Frau Staatssekretärin da angeblich einige Probleme nicht gelöst haben soll. Eines muss ich Ihnen sagen: Wenn ein Politiker, ein Abgeordneter ständig überrascht ist, zeigt das, dass er wenig Kompetenz hat und wenig informiert ist. Und das haben Sie damit zum Ausdruck gebracht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Firlinger.  – Abg. Dr. Niederwieser: So wie ihr beim Budget! Da wart ihr auch überrascht!)

Wir sind über das Budget nicht überrascht, ihr wart überrascht. Ihr wart überrascht, dass euch euer eigener Finanzminister offensichtlich die meiste Zeit die Unwahrheit gesagt hat. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP.) Und das müssen wir jetzt ausbaden! Aber wir werden es tun im Interesse Österreichs, dessen können Sie sicher sein, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Ihr schüttet das Kind gleich mit dem Badewasser aus!)

Meine Damen und Herren! Budgetkonsolidierung ist nie angenehm. Das haben uns die Wirtschaftsforscher jetzt wieder bestätigt, das hat uns die Europäische Union bestätigt. Aber zur Budgetkonsolidierung gibt es keine Alternative. Die Alternative wäre, weiter Schulden zu machen, die Zukunft unserer Kinder heute zu verbrauchen, und das können wir als Volkspartei nicht verantworten. Deshalb haben wir auch eine wirkliche Wende bei der Budgetkonsolidierung eingeleitet. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Zeit einer Budgetkonsolidierung ist auch die Zeit der Hochkonjunktur für jene Besserwisser, die uns ständig erklären, warum etwas nicht geht, die uns aber nie sagen, wie es eigentlich gehen soll. Und das ist ja auch das Problem dieser Opposition. Sie haben zwar vieles hier kritisiert – ich habe sogar Verständnis für manches –, aber Sie haben uns nie und in keinem einzigen Punkt wirklich gesagt, wo Sie denn die Alternativen ansetzen würden. Wo ist denn Ihr Budgetkonsolidierungsprogramm? Wo wollen denn Sie einsparen? Dazu haben Sie geschwiegen, und deshalb, meine Damen und Herren, sind Sie keine glaubwürdige Opposition! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Viele der Vorschläge der Opposition, der Grünen, der SPÖ, gehören – das möchte ich auch sagen – doch längst in die Mottenkiste der Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) All diese Vorschläge oder der Großteil davon haben bewiesen, dass sie nicht umsetzbar sind. Viele der sozialdemokratischen Regierungen in


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Europa – ich denke da etwa an Blair, an Schröder, an Eichel – haben sich schon längst von diesen Vorschlägen abgesetzt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Österreich neu regieren heißt vor allem, Mut zu haben, Mut zur Wahrheit zu haben. Das, meine Damen und Herren, scheint mir sehr wichtig zu sein! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dieser Mut zur Wahrheit hat Ihnen gefehlt. Sie haben sich immer an den finanzpolitischen Anforderungen vorbeigeschwindelt, Sie haben immer nur die halbe Wahrheit gesagt, Sie sind immer nur den Weg des geringsten Widerstandes gegangen, und damit muss endlich Schluss sein in Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Die Bevölkerung – auch das sage ich hier auch – akzeptiert es, wenn man ihr die Wahrheit sagt. Die Bevölkerung anerkennt auch den Reformschwung, den die Regierung bisher vorgegeben hat.

Meine Damen und Herren! Wirtschaft hat auch etwas mit Psychologie zu tun. Heute – das sieht man – läuft die Wirtschaft an. Sie hat wieder Vertrauen in die Rahmenbedingungen, die ihr von der Politik gegeben werden. Wir haben heute einen Höchststand bei der Zahl der Beschäftigten und einen Tiefststand bei der Zahl der Arbeitslosen. Das gilt auch für die Jugend, für die Frauen und die älteren Arbeitnehmer. Diesen wirtschaftspolitischen Kurs werden wir fortführen, denn es gibt nichts unsozialeres als die Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren. Alle Maßnahmen zur Verhinderung der Arbeitslosigkeit müssen Priorität haben, und sie haben bei uns Priorität. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wirtschaftswachstum ist ein wichtiger Motor für Beschäftigung. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben ja jetzt die Prognosen für das Wirtschaftswachstum wieder hinaufgesetzt, und zwar für die gesamte Legislaturperiode, meine Damen und Herren! Und sie haben auch die Zahl der Arbeitslosen nach unten korrigiert, was zeigt, dass wir hier richtige Maßnahmen gesetzt haben (Zwischenrufe bei der SPÖ) und dass das Vertrauen der Wirtschaft in den Kurs dieser Regierung eindeutig und stark gestiegen ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber, Kollege Edlinger, wir müssen noch wichtige Strukturmaßnahmen angehen. Wir müssen zum Beispiel die Pensionen auf Dauer sichern. Wir bräuchten die heutige Pensionsreformdiskussion wahrscheinlich gar nicht, hätten Sie nicht im Jahre 1997 durch die sozialistischen Gewerkschaftsfunktionäre im Parlament die damals bereits ausverhandelte Pensionsreform weitgehend verhindert beziehungsweise verwässert. Sie haben offensichtlich die Zeichen der Zeit nicht verstanden.

Ich möchte dir, lieber Kollege Edler, in diesem Zusammenhang Folgendes sagen: Selbstverständlich müssen neben den öffentlich Bediensteten auch die Eisenbahner das neue Pensionsrecht mittragen. Selbstverständlich müssen, wenn überall im öffentlichen Bereich das Pensionsantrittsalter durch entsprechende gesetzliche Maßnahmen angehoben wird, auch die Eisenbahner ihren Tribut leisten. Es kann nicht akzeptiert werden, dass sie auch in Zukunft mit 53 Jahren mit 83 Prozent des Letztgehaltes und ohne Ruhensbestimmungen in Pension gehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für uns – ich sage das auch ganz klar – ist es ein Gebot der Solidarität und der Gleichbehandlung unter den Arbeitnehmern, dass nunmehr auch bei den Eisenbahnern eine entsprechende Pensionsreform umgesetzt wird. Niemand würde es verstehen – auch nicht die sozialdemokratischen Arbeitnehmer in den anderen Bereichen –, wenn die Eisenbahner nicht ebenfalls einbezogen würden. Wir wollen auch bei der Pensionsreform keine Zweiklassengesellschaft, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und schließlich haben Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, auch einen völlig falschen Zugang zur Privatisierung. Sie sagen: Wenn wir privatisieren, dann kommen ja die Ausländer und transferieren unsere österreichischen Arbeitsplätze ins Ausland! – Das ist eine schizophrene Argumentation. Wir werben doch darum, dass ausländische Investoren nach Österreich kommen und hier bei uns entsprechend investieren und Arbeitsplätze schaffen.


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Wie würde denn etwa – ich komme aus Oberösterreich – der Wirtschaftsstandort Steyr aussehen, gäbe es dort nicht die expansiven BMW-Motorenwerke und gäbe es dort nicht – Maderthaner hat darauf hingewiesen – die neue M.A.N-LKW-Produktion?

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie sind hier wirtschaftspolitisch völlig auf dem falschen Dampfer. Gott sei Dank gibt es eine neue Regierung, die einen echten Kurswechsel vorgenommen hat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.14

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Wenn man die bisherige Budgetdebatte vorüberziehen lässt, muss man sagen: Die Koalition hat bisher zwei wesentliche Aussagen getroffen: Erstens ging es meistens um EU-Sanktionen, um nur ja vom Budget wegzukommen, und zweitens war, wenn es ums Budget gehen musste, immer davon die Rede, dass alles, was schlecht am Budget ist, Wurzeln in der Vergangenheit hat, bei der vorangegangenen Regierung – nicht bei der vorangegangenen Regierung, sondern auf Grund der Sozialdemokraten in der vorangegangenen Regierung. Und alles, was gut ist, hat die neue Regierung zustande gebracht. Dieses Geschichterl glaubt Ihnen, meine Damen und Herren, aber niemand mehr.

Der Finanzminister kommt aus Brüssel zurück und meint, er hätte eine Rüge für seinen Vorgänger in Kauf nehmen müssen. Ich erinnere mich daran, dass die letzten Edlinger-Budgets immer punktgenau im Sinne von Maastricht erfüllt wurden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da erinnern Sie sich falsch! – Weitere Zwischenrufe.) Ich erinnere mich da nicht falsch, sehr geehrte Frau Kollegin, sondern ich denke vielmehr, dass die Rüge der EU auf die Budgetkonsolidierung abzielt, von der Sie versprochen haben, das bis zum Jahre 2003 hinzubekommen. Gleichzeitig haben Sie aber mit Ihrem Regierungspakt große Unterstützungen, große Förderungen für Unternehmungen beschlossen. Und da fragt sich natürlich die EU, wie diese Konsolidierung dann funktionieren soll. Dafür, glaube ich, gab es die Rüge.

Apropos erinnern: Die ÖVP kann sich ja an nichts mehr erinnern, was vor dem 3. Oktober 1999 war, offensichtlich auch nicht daran, dass mit ihr 13 Budgets einstimmig im Ministerrat verabschiedet wurden. Meine Damen und Herren! Wenn Sie etwas zugestimmt haben, was Sie nicht kannten, wenn Sie nicht wussten, wozu Sie zugestimmt haben, dann war das, meine ich, fahrlässig. Jeder Vereinsvorstand in ganz Österreich wird Ihnen das bestätigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Erinnerung ist sowieso eine eigene Sache. Abgeordneter Haigermoser hat es vorhin erwähnt, in allen Sonntagsreden kommt es vor: Wir müssen unbedingt die kleinen und mittelständischen Unternehmen, vor allem im strukturschwachen Bereich, in strukturschwachen Regionen, fördern, stützen; Schlagwörter: Nahversorgung, Landgasthaus. Das Budget enthält allerdings wesentliche Kürzungen gerade im Bereich der Förderungen für Klein- und Mittelbetriebe. Allein durch die Senkung der Ermessensausgaben wurden für diese Förderung 215 Millionen Schilling weniger bereitgestellt. Die BÜRGES-Aktion wurde um 80 Prozent gekürzt. Ist das die Förderung der Klein- und Mittelbetriebe in strukturschwachen Bereichen? – Wohl kaum.

Man vergisst in diesem Budget ganz einfach darauf und sagt: Es gibt ja durchaus andere Ausgleichsmaßnahmen. – Das ist schon richtig. 15 Milliarden Schilling sind es in etwa, um die Sie die Unternehmungen, wie Sie diesen versprochen haben, entlasten wollen, aber die Klein- und Mittelbetriebe werden nicht den Löwenanteil davon erhalten. Durch die Rücknahme der Förderung der Klein- und Mittelbetriebe gefährden Sie massiv die Arbeitsplätze in den von mir angesprochenen ländlichen strukturschwachen Regionen, die wenigen Arbeitsplätze, die es dort gibt. Und auf der anderen Seite nehmen Sie von den Pendlern, von den Arbeitnehmern, greifen diesen tief in die Tasche. Das ist Ihr Begriff von sozialer Gerechtigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)


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Aber damit ist es ja noch nicht genug: Auch die neue Getränkesteuer-Lösung trägt sehr wesentlich dazu bei, die Gemeinden in den ländlichen Regionen finanziell zu schwächen und auszuhungern. Da kann man nicht sagen: Das ist ja eh nur eine Milliarde Schilling! – Wer sagt denn, wie es hinsichtlich der Rückzahlung der Getränkesteuer weitergeht? Dazu höre ich überhaupt nichts. Es herrscht eisiges Schweigen.

Für die kleinen Gemeinden sind einige Zehntausend Schilling aus der Getränkesteuer sehr, sehr wichtig, wenn sie nicht mehr wissen, wie sie ihren Haushalt ausgleichen sollen.

Es ist überhaupt interessant, zu hören, was alles im Getränkesteuer-Bereich vor sich geht. Meine Kollegen Bürgermeister aus der ÖVP sind ja diesbezüglich sehr ruhig geworden. Mit Zähneknirschen nimmt man diese neuen Regelungen zur Kenntnis.

Heute ist in den "Oberösterreichischen Nachrichten" zu lesen, dass es in Oberösterreich, in Gmunden, einen Protest der oberösterreichischen Bürgermeister gegeben hat. Es heißt da: "Protest mit leeren Taschen". In diesem Artikel sind dann auch die Forderungen der Bürgermeister aufgelistet. Und am Schluss dieses Berichtes heißt es – ich zitiere wörtlich –: "Helmut Mödlhammer stellte fest, der Protest stärke dem Gemeindebund den Rücken."

Also jetzt weiß ich nicht: Sind Sie für die Stärkung der Gemeindefinanzen oder dagegen ? Es bleibt wohl nicht nur Herrn Klubobmann Khol vorbehalten, hier die Bibel zu zitieren, in der es heißt: "Eure Rede sei ja, ja, nein, nein." Also ja: weg mit den Finanzen von den Gemeinden – oder nein: die Gemeindefinanzen dürfen nicht geschwächt werden?

Herr Abgeordneter Mühlbachler hat gestern davon gesprochen, dass es, wenn die Zerstörung der ländlichen Regionen so weiter geht, zu einer Abwanderung junger Menschen kommt. – Da oben auf der Galerie sitzt heute eine Schulklasse aus dem Mühlviertel, und zwar aus Rainbach bei Freistadt, aus dem Bezirk des Abgeordneten Mühlbachler. 14-Jährige werden in Zukunft beim Finden von Arbeit ein Problem haben. Wenn die Jungen einmal weg sind, dann werden sie auch nicht mehr in diese Region zurückkommen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe lange darüber nachgedacht, was denn der Begriff "soziale Ausgewogenheit" beziehungsweise "soziale Treffsicherheit" bedeuten soll. – Für jene Regionen, von denen ich gesprochen habe, gibt es das nicht. Und in der Regierung gibt es unterschiedliche Meinungen, was "soziale Treffsicherheit" heißen soll. Der Finanzminister sagte, ja er sei dafür – der Wirtschaftsminister hingegen will nichts davon wissen, wenn es um das Karenzgeld geht.

Ich bin dann draufgekommen, was das genau heißt: "Soziale Treffsicherheit" heißt für diese Koalition, dass Sie mit Sicherheit die sozial Schwachen treffen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.)

12.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Egghart. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.22

Abgeordneter Robert Egghart (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Herr Abgeordneter Oberhaidinger, Sie haben vorhin behauptet, dass es in Kärnten zu keinen Strompreissenkungen kommen werde, obwohl das versprochen worden sei. – Ich darf Sie hiemit darauf hinweisen, dass unter dem Kärntner Landeshauptmann Haider mit 1. Juli 2000 ein Gesetz in Kraft treten wird, auf Grund dessen es zu Strompreissenkungen von 30 bis 40 Groschen pro Kilowattstunde kommen wird, und zwar hängt das in erster Linie damit zusammen, dass es unterschiedliche Größenordnungen bei den Kärntner Tarifen gibt. Und nur deswegen sage ich: zwischen 30 und 40 Groschen.

In Kärnten wurden in den letzten Wochen und Monaten auch die Mieten gesenkt, und zwar um bis zu 1 000 S. Wenn Sie, Frau Kollegin Mertel, das beispielsweise mit Tirol vergleichen, dann


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werden Sie feststellen können, dass die Mieten in Tirol um 50 Prozent höher liegen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Also: Versprochen und nicht gebrochen!

Kollege Eder hat hier gemeint, dieses Sparpaket sei ohnegleichen. – Ich darf in diesem Zusammenhang bitte an die Sparpakete der Jahre 1996 und 1997 erinnern, bei denen es um Größenordnungen von 27 und 47 Milliarden Schilling ging. Und weiters meinten Sie, Herr Kollege Eder, die Gewinner seien jetzt nur die Reichen und die Hausherren. – Dazu darf ich feststellen: Das Sparpaket dieser Bundesregierung ist mehr als ausgewogen.

Wie ich bereits ausgeführt habe: Auch das Wahlversprechen Strompreissenkung wird durch die Vorziehung der Strompreis-Liberalisierung eingehalten. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Herr Kollege Edlinger, auf Sie werde ich sowieso noch zu sprechen kommen, genau auf Sie mit Ihrem Budgetloch von 109 Milliarden Schilling! Herr Kollege Edlinger, Sie waren doch sozusagen zweite Wahl als Finanzminister. Ihr Parteivorsitzender wollte doch damals Karl Stix für diesen Posten gewinnen, aber in Wien war man offensichtlich froh darüber, Sie, Herr Kollege Edlinger, als Finanz-Stadtrat los zu werden. Man war nämlich deswegen froh, weil es in Wien so war, dass das Budget unter Stadtrat Mayr noch ausgeglichen war, während in Ihrer Zeit das Budgetdefizit in Wien um 10 Prozent gestiegen ist. Sie, Herr Kollege Edlinger, können sich vor diesen Dingen wirklich nicht drücken! (Zwischenrufe des Abg. Edlinger. )

Zu den Ausführungen des Kollegen Eder: Am Anfang seiner Rede behauptete er – und das war doch typisch für seine ganze Rede –, es werde ein billiger Ausverkauf stattfinden. – Bitte, für wie naiv halten Sie die Mitglieder dieser Bundesregierung?! Es ist hiezu doch ganz deutlich erklärt worden, dass internationale Rating-Agenturen mit dieser Sache betraut werden. Es ist doch ganz klar, dass bei der Lösung all dieser Probleme der richtige Weg gegangen wird! Und vergessen Sie von der SPÖ Folgendes nicht: Selbst Ihr ehemaliger Minister Streicher hat für das heurige Jahr eine Privatisierung in der Größenordnung von 40 Milliarden Schilling gefordert.

Zum Thema Pensionskürzungen. Was war denn ausgemacht in diesem Edlinger-Paket? – Darin waren doch wesentlich härtere Maßnahmen vorgesehen, wobei wir Freiheitlichen dem sozusagen erst einmal die "giftigen Zähne" ziehen mussten. Das ist die Wahrheit, auch wenn Sie diese nicht hören wollen!

Zu den Ausführungen des Kollegen Öllinger, der meinte, dass es jetzt ein totales Boomen der Wirtschaft gäbe, dass nur die Kapitalisten reicher und reicher würden. Was boomt denn wirklich? – Es gibt eine Konsolidierung der Wirtschaft, und es gibt in erster Linie einen Exporterfolg. (Zwischenruf bei den Grünen.) Das ist das typische Mobbing, das Sie betreiben – und nichts anderes! Es war doch das genauso wie das, was seinerzeit von Ihrer Fraktion gekommen ist, und zwar spreche ich da jetzt ganz konkret diese ganze Büchsenmacher-Sache an, als Sie diesen Berufsstand ebenfalls seiner Existenz berauben wollten. Typisches Mobbing der Grünen, aber bitte. Und das ist so ähnlich wie das, was Sie immer mit ihrer Faschismus-Keule versuchen. Sie stellen halt leider nicht das Verbindende, sondern immer nur das Trennende in den Mittelpunkt Ihrer Politik. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Kollegen Ölliger möchte ich noch Folgendes sagen: Denken Sie doch an die großen Export-Gewinne, die jetzt gemacht werden, angeblich auf Grund der Dollar-Stärke und der Euro-Schwäche. – Liebe Freunde, da gibt es unverdächtige Zeugen, die bereits vor einiger Zeit vorausgesagt haben, dass wir bei der Einführung des Euro vorerst einmal sichergehen sollten, dass alle Grundvoraussetzungen vorher erfüllt werden. Und das ist nun einmal nicht geschehen! Die amerikanische Wirtschaft prosperiert wesentlich stärker und schneller als die europäische, und das gesamte Geldaufkommen in Dollar liegt, so Alan Greenspan, bei 67 Prozent. Jetzt ist es kurzfristig auf 65 Prozent zurückgegangen; wird aber wieder, so die Prognosen, auf 70 Prozent des Dollar-Volumens steigen.

Zum Thema Fremdenverkehr. Große Probleme, die es in bestimmten Betrieben gibt, liegen in der dünnen Finanzdecke dieser Betriebe. Diese Betriebe sind aber auch – das muss man schon dazusagen – ausgeblutet worden durch diese Ihre sozialistische Wirtschaftspolitik. Deswegen haben diese Betriebe heute nur mehr eine Eigenkapitaldecke in der Größenordnung von 2 bis


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3 Prozent. Und die Refinanzierungszeiten in diesen Betrieben liegen heute bei bis zu 60 Jahren! So schaut die Realität aus!

Zum Problem bezüglich AUVA. Diese Senkung der Beiträge um 0,2 Prozent ist meiner Überzeugung nach völlig gerechtfertigt. Man darf doch nicht vergessen, was vorher alles gerade Unternehmern aufgebürdet wurde, als es um eine Evaluierung der Arbeitsplätze ging, mit welcher Akribie das gemacht wurde – und das wieder einmal zum Schaden der österreichischen Wirtschaft, als wieder einmal in vorauseilendem Gehorsam der Europäischen Union gegenüber gehandelt wurde! Das geht jetzt bitte so weit, dass man Flimmerwerte von Neon-Lampen messen muss und Ähnliches mehr.

Gott sei Dank ist die Zahl der Arbeitsunfälle geringer geworden, und dementsprechend ist auch das Schadensrisiko wesentlich gesunken. Auch aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, dass es da zu einer Senkung der Versicherungsbeiträge kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als an und für sich positiv habe ich empfunden, dass Frau Abgeordnete Dr. Moser hier wieder das Thema Öko-Steuer angeschnitten hat. Folgendes muss uns dabei aber bitte auch klar sein: Die Einführung einer Öko-Steuer kann nur im europäischen Gleichklang erfolgen, denn sonst würde es zu einer weiteren wesentlichen Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Betriebe kommen.

Clusters zu bilden, ist eine positive Sache, keine Frage, aber Clusters im Bereich Umweltpolitik wird es sicherlich nicht sofort geben. Und betonen möchte ich weiters: Unter dieser Bundesregierung wird es keine Husch-Pfusch-Gesetze geben, sondern ordentlich ausgearbeitete und durchdachte Gesetze. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Und daher ist es eben notwendig – im Unterschied zur Vergangenheit –, diese Dinge genauestens zu besprechen und zu verhandeln. Aber Sie haben ja wohl bemerkt, wie schnell es dieser Bundesregierung gelungen ist, ein ordentliches Budget zu erstellen.

Trotz der herausgerissenen Computerkabel im Büro des Herrn Edlinger ist es dieser Bundesregierung gelungen, auf schnellstem Wege ein ausgewogenes Budget zu erstellen und – mein Vorredner Kollege Kukacka ist bereits darauf eingegangen – auf schnellstem Wege eine ausgewogene Lösung der dringendsten Probleme zu finden.

Wir Freiheitlichen waren immer diejenigen, die aufgezeigt haben, dass die Pensionsreform, die Sie seinerzeit gemacht haben, nicht halten wird. Wir sind auch angetreten, das Budget zu sanieren. Und wir sind auch jene, die in Europa unser Land in der richtigen Form vertreten werden. Man wird nämlich erst dann draufkommen, was diese Regierung leistet, und ich bin überzeugt davon: Man wird noch bedauern, diese Regierung zunächst so behandelt zu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.30

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik haben viel mit Verteilung beziehungsweise Umverteilung zu tun. Es gibt die uralte Erkenntnis, dass nur so viel verteilt werden kann, soviel erwirtschaftet wurde. Leider gibt es noch immer keine wundersame Geld- und Sachgütervermehrung. Da jeder oder, sagen wir besser, der überwiegende Teil der Menschen, egal in welcher Stellung, an der Wertschöpfung dieses Landes beteiligt ist, möchte auch jeder gerne den ihm zustehenden Teil vom Kuchen haben, was, so glaube ich, völlig legitim ist. Es ist aber auch eine alte Erkenntnis, dass diese Kuchenstücke nicht alle gleich groß sind. Es ist aber auch die Erkenntnis nicht ganz falsch, dass, wenn die einen solch große Stücke bekommen, dass sie diese nicht essen können, wenigstens für die anderen eine gewisse Mindestgröße bei diesen Stücken übrig bleiben soll, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brosz. )


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Damit sind wir bei der Umverteilung. Umverteilung ist aber auch ein wichtiger Faktor der Wirtschaftspolitik, weil sie sehr viel mit Kaufkraft, Konsumgüterindustrie, Handel und Gewerbe zu tun hat. Es ist für eine Volkswirtschaft von größtem Interesse, dass, wie es so schön heißt, das Geld unter die Leute kommt. Nur eine gut florierende Konsumgüterindustrie ist ein Garant dafür. Der Normalbürger, dem nicht die Sorge, ob er seine Aktien richtig angelegt hat, den Schlaf raubt, ist es, der dafür sorgt, dass sich das Rad der Wirtschaft dreht. Und gerade die kleinen Betriebe dieses Landes, zu denen ich mich nicht ohne Stolz bekenne, wissen, dass, wenn es dem so genannten Normalbürger gut geht, auch sie eine gesicherte Existenz haben.

Fazit aus all diesen Überlegungen ist, dass wir mehr danach trachten sollten, dass gerade die unteren Einkommensschichten nicht überdimensional zur Kasse gebeten werden, da gerade die Erhöhungen von Steuern, Gebühren und Abgaben den Kleinen wesentlich mehr treffen als den Großen. Es sind aber die Kleinen, die die weitaus größere Schicht der Käufer darstellen. Es ist also das berühmte Sägen am eigenen Ast, wenn man gerade diese Menschen zur Kasse bittet, weil, wie ich schon sagte, Geld eben nur einmal ausgegeben werden kann.

Bei all diesen Erhöhungen, die wir zur Zeit gerade erleben und die in Summe nicht unbeträchtlich sind, wird sich der Pulsschlag der Begüterten kaum erhöhen, aber die Kleinen trifft es entsprechend.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme aus einer Familie, die ein Arbeitergasthaus geführt hat, was mich auch politisch sehr geprägt hat. Ich vergesse nie, was mir mein Vater damals als Kind sagte. Er hat immer gemeint: Merk dir eines gut: Wenn es den Arbeitern gut geht, dann geht es auch uns gut! Und diese alte Weisheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, werde ich immer wieder beherzigen. Ich glaube, das sollten wir alle wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es lebt nicht nur der Arbeiter gut, sondern mit ihm auch der Kaufmann, der Wirt, der Handwerker und so weiter. Die Menschen spekulieren nicht mit Aktien, wie ich schon sagte, sondern sie beleben die Wirtschaft. Und das ist für uns, so glaube ich, unverzichtbar!

Ich bekenne mich zu einer sinnvollen und sozialen Umverteilung, die nicht von unten nach oben konzipiert ist, und nicht zu einem Spar- und Belastungspaket, wie wir es jetzt erleben.

Meine Damen und Herren! Noch ein paar Hinweise: Es wird immer wieder die alte Regierung zitiert und in diesem Zusammenhang, wie wir von meinem Vorredner gehört haben, immer wieder die ehemaligen Minister der Sozialdemokratie. Ich verstehe eines nicht: Es gibt 13 Budgets, wie mein Vorredner schon gesagt hat, und es gibt Hunderte Regierungsvorlagen, die alle einstimmig beschlossen wurden. Manche Leute wissen nicht, dass eine Ministerratsvorlage einstimmig beschlossen werden muss. Und jetzt auf einmal leiden alle an Gedächtnisschwund. Das kann doch wohl nicht wahr sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! All die Gelder, die in die Landwirtschaft, in die Wirtschaft, in den Verkehr geflossen sind, sind auch Ihren Ministerien zugute gekommen. Das verschweigen Sie geflissentlich immer wieder. Aber das Geld haben Sie genommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun komme ich noch auf eine Rede des Herrn Abgeordneten Gaugg von heute in der Früh zu sprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Er hat seine neue Rolle immer noch nicht begriffen. Er stellt sich hier her und macht Oppositionspolitik. Das, so glaube ich, müsste er eigentlich uns überlassen, er müsste endlich einmal draufkommen, dass er jetzt all das zu interpretieren hat, was er vertreten muss. Er kann nicht einfach eine gewünschte Rolle annehmen, die ihm gar nicht mehr zusteht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt aber noch etwas: Er beschäftigt sich immer wieder mit größter Begeisterung mit den Parteifinanzen der SPÖ. In diesem Zusammenhang kramt er unentwegt alte Hüte heraus. Wir haben ihn weder darum gebeten, noch ist er dazu befähigt. Trotzdem möchte ich ihm Folgendes vorhalten: Er wird irgendwann einmal zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir in einer ganz anderen Situation sind. Wir sind auf die Mitglieds


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beiträge unserer Mitglieder angewiesen. Wir werden nicht aus verschiedenen Hörnern gesponsert und bekommen von diesen keine Spenden. Das ist bei uns nicht möglich. (Abg. Dolinschek: "Konsum"! Gewerkschaft!) Weder die Hochfinanz noch sonst irgendwelche Kanäle werden uns sponsern. Wir haben nur das ehrliche Geld unserer Mitglieder zur Verfügung, und daher haben wir auch entsprechend agiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn er sich schon als der große Zampano in Bezug auf die Parteienfinanzierung aufspielt, dann möchte ich ihm eine Top-Adresse anbieten, und diese Top-Adresse heißt Niederösterreich, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dort soll er hingehen und einmal schauen, wie freiheitliche Parteienfinanzierung gelaufen ist. Aber wenn er den, der dafür verantwortlich ist, besuchen und kontaktieren will, dann braucht er eine Besuchserlaubnis. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Trinkl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.37

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatsekretärin! Meine Damen und Herren! Heute weiß jeder, ohne gesunde Wirtschaft geht nichts. Gesunde, wettbewerbsfähige Betriebe sichern nicht nur die Arbeitsplätze, sondern sind auch die Grundlage unseres Sozialsystems. Und letztendlich ist ein erfolgreicher Betrieb auch ein guter Steuerzahler.

Ich stimme Herrn Kollegen Kiermaier zu, den ich sehr schätze, aber eines möchte ich dir schon sagen: Umverteilung setzt immer Wertschöpfung voraus. Ich kenne viele Arbeiter, die mir sagen: Wenn es dem Chef gut geht, geht es mir auch gut. Ich möchte also für beide Folgendes festhalten: In der Wirtschaft geht es nur miteinander! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Die Situation der österreichischen Wirtschaft ist gut, der Herr Bundesminister hat es gesagt. Immerhin erwarten wir heuer ein Wirtschaftswachstum in Höhe von 3,1 Prozent, immerhin haben wir heuer die besten Beschäftigtenzahlen seit zehn Jahren. Erstmals sinken nicht nur die Arbeitslosenzahlen bei den Jugendlichen, sondern auch bei den älteren Arbeitnehmern. Die Wirtschaft ist in Ordnung. Wo wir allerdings Probleme haben, das ist die Budgetsituation, und das wissen wir. 30 Jahre SPÖ-Finanzminister haben uns wahrlich die rote Laterne hinterlassen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Sophie Bauer: Das ist für Sie unwürdig, so etwas zu sagen!)

Damit ist eines klar: Dort, wo die SPÖ für das Budget verantwortlich ist, gibt es ein böses Erwachen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Oberhaidinger: Einstimmiger Beschluss im Ministerrat!) Das gilt für das Bundesbudget, bei dem wir uns jetzt bemühen müssen, eine Orientierung, eine Konsolidierung herbeizuführen. Eigentlich hätte sich die Ohrfeige, die der ECOFIN-Rat Minister Grasser gegeben hat, Herr Edlinger abholen sollen. (Abg. Sophie Bauer: Die werdet ihr schon noch bekommen für dieses Budget!) Das gilt aber auch für die Landesbudgets unter SPÖ-Verantwortung. Zum Beispiel in der Steiermark weigert sich Finanzlandesrat Ressel nach wie vor, so wie sich weiland Finanzminister Edlinger weigerte, die Karten auf den Tisch zu legen. Und ich fürchte, dass es auch dort ein böses Erwachen geben wird. (Abg. Schwarzenberger: Das ist eine SPÖ-Krankheit!) Es ist höchste Zeit, dass auch in der Steiermark so wie beim Bund ein Wechsel eintritt, indem die Verantwortlichkeit wahrgenommen wird und damit das Schlimmste verhindert werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Eines sei Ihnen gesagt, meine Damen und Herren von der SPÖ: Wer mit dem eigenen Geld nicht umgehen kann, dem sollte man auch fremdes Geld nicht anvertrauen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwarzenberger: Wie wahr!)

Was die Wirtschaft braucht, sind solide Rahmenbedingungen, und diese Bundesregierung ist angetreten, diese Rahmenbedingungen sicherzustellen. Wir werden dem Arbeitsmarkt die Fessel nehmen, indem wir für soziale Gerechtigkeit am Arbeitsplatz sorgen. Wir werden die


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"Aktion Fairness" durchsetzen, die Sie jahrelang versprochen haben und nicht umsetzen konnten. (Abg. Mag. Maier: Die ÖVP hat das verhindert!) Wir werden ein praxisbezogenes Urlaubsrecht einführen, weil die heutige Situation, Herr Kollege Maier, niemand versteht. Kein Arbeitnehmer versteht, warum er für zwei Tage Arbeit den ganzen Urlaub haben soll und warum jemand, der das System gut beherrscht, mehr Urlaub braucht als jemand, der jahrelang bei einem Arbeitgeber arbeitet. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Wir werden für soziale Fairness sorgen. Wir werden diesem Hause ein Abfertigungsrecht vorlegen, das eine Wahlmöglichkeit zwischen Abfertigung und Altersvorsorge einräumt. Das ist soziale Fairness, wie wir sie verstehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden ebenso das Arbeitsmarktservice entfesseln, indem wir die Treffergenauigkeit zu erhöhen versuchen. Wir werden uns die Unterschiede in der Treffsicherheit der Vermittlung zwischen den Bundesländern anschauen, und wir werden diese Unterschiede beseitigen helfen.

Letztendlich wollen wir die Arbeitsinspektorate als Partner der Wirtschaft sehen und nicht als rächenden, strafenden Engel, sondern als helfenden Engel. Darum begrüßen wir, dass diese Agenden in einem Ministerium vereinigt werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Ing. Westenthaler. )

Wir wollen überbordende Bürokratie zurückdrängen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Deshalb trete ich nach wie vor dafür ein, dass wir den Mut haben, die "Aktion Fairness" zu Ende zu denken und tatsächlich ein einheitliches Entgeltfortzahlungsrecht für Arbeiter und Angestellte doch noch zu schaffen. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Frau Abgeordnete Bauer! Sie wissen genau, dass niemand versteht, warum der Angestellte ein anderes Entgeltfortzahlungsrecht haben soll als der Arbeiter. Das versteht nach wie vor niemand, und zweitens kann es niemand rechnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Seien wir doch so mutig und setzen wir diesen notwendigen Schritt der Entbürokratisierung!

Wir sollten auch den leichteren Zugang zur Selbständigkeit nicht als Lippenbekenntnis sehen und wie eine tibetanische Gebetsmühle bei jeder Rede immer wieder fordern. Es geht nicht nur um das Berufsrecht der Selbständigen oder der Freiberufler, es geht auch um die Umsetzung. Es geht auch um die Beschleunigung der Verfahren. Es geht darum, dass Anlaufstellen den Unternehmer, den Gründer als Kunden und nicht als Bittsteller sehen. Ich denke dabei ganz bewusst auch an die Firmenbuch-Gerichte, die ich höflich bitte, durch Verkürzung der Bearbeitungsdauer mit dazu beizutragen, dass Gründern das Gefühl gegeben wird, dass sie in Österreich willkommen sind.

Mit der Privatisierung beziehungsweise Teilprivatisierung der ÖIAG-Anteile haben wir einen wichtigen Schritt getan. Ich weiß, dass Sie damit Ihre Probleme haben, aber ich weiß auch als Abgeordneter aus einer Region (Abg. Sophie Bauer: Da geht es um Arbeiter!), die jahrelang von einem verstaatlichten Betrieb abhängig war, der durch die Privatisierung ein leistungsfähiger, ein international anerkannter Betrieb geworden ist, wie das von der Bevölkerung mit Erleichterung zur Kenntnis genommen wurde. Wir sind heute stolz auf diesen ehemaligen verstaatlichten Betrieb. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir können stolz sein auf Wirtschaftspolitik, wenn sie von ÖVP-Verantwortlichen gemacht wird. Ich möchte ganz bewusst das steirische Beispiel am Ende meiner Ausführungen erwähnen. Der Auto-Cluster ist heute bereits Legende, aber er ist wie andere Projekte dafür verantwortlich, dass die Steiermark derzeit die Konjunktur-Lokomotive in Österreich ist. Frank Stronach investiert nicht deswegen in der Steiermark, im Raum Weiz-Gleisdorf, aber auch in Lannach, weil er dieser Region etwas Gutes tun will, sondern weil er damit rechnen kann, dass er dort mit seinen Investitionen den größtmöglichen Erfolg hat.

Eine gute Wirtschaftspolitik trägt eben Früchte. Ich bin sehr stolz, wenn die Investitionsvorhaben dieses bedeutenden Unternehmens auch in den Jahren 2000 und 2001 die Steiermark als ihren wichtigsten Investitionsraum vorsehen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Lannach erwähnt, Lannach ist nicht der unbedeutendste aller steirischen Wirtschaftsstandorte. Schließlich ist unser Bundesminister Martin Bartenstein dort ein erfolgreicher Unternehmer. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Gewesen!) – Gewesen, sagt er, aber er hat eine sehr tüchtige Frau, die das ebenso gut macht.

In den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit als Wirtschaftsminister hat er gezeigt, dass die Wirtschaft bei ihm in guten Händen ist. Die Wirtschaft, wie er sie versteht, ist Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gemeinschaft, die etwas unternehmen wollen. Wir werden Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, beweisen, dass die Wirtschaftspolitik, so wie sie von dieser Bundesregierung angelegt ist, auch für dieses Österreich erfolgreich sein wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Jung zu Wort gemeldet. Bitte beachten Sie die Bestimmungen des § 58 der Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter!

12.45

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Kollege Kiermaier hat vorhin betreffend die Parteienfinanzierung der SPÖ gemeint: Wir werden nur von den ehrlichen Geldern unserer Mitglieder gesponsert und nicht von der Hochfinanz und von diversen Hörnern. – Dies ist unrichtig!

Wahr ist vielmehr, dass sich die SPÖ einen Löwenanteil von der Parteienfinanzierung abschneidet. Außerdem war ich vor vier Wochen unter anderem auf einer Veranstaltung der SPÖ-Parteiakademie. Als Finanzier und Sponsor wurden ausdrücklich die Gemeinde Wien und der "Standard" angeführt. Mir ist – zumindest offiziell – nicht bekannt, dass die Gemeinde Wien im Eigentum der SPÖ ist. Der "Standard" ist zwar rosa, aber kein Parteiblatt. Es ist also unwahr, was er gesagt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier zu Wort gemeldet. Bitte § 58 GOG beachten!

12.46

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Vorredner, Kollege Trinkl, hat gemeint, die SPÖ habe die "Aktion Fairness" nicht zu Stande gebracht.

Richtig ist vielmehr, dass die Umsetzung der im damaligen Regierungsprogramm vereinbarten "Aktion Fairness" ausschließlich durch die Österreichische Volkspartei verhindert wurde. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Darum machen wir sie jetzt!)

12.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Riepl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.47

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Kukacka hat in seinem Redebeitrag meiner Partei Mottenkisten-Politik vorgeworfen, ich formuliere es jetzt einmal so. Herr Abgeordneter! Ich denke, das grenzt ein bisschen an Realitätsverweigerung. Wer ist denn am dritten Platz in der Wählergunst? Wer ist mit seiner Politik und mit seinen politischen Inhalten auf diesen dritten Platz gesunken, Herr Abgeordneter? – Ich denke, die Volkspartei ist es, die deutlich abgesackt ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Darum haben wir den Kurs gewechselt! – Abg. Schwarzenberger: Wer hat am meisten verloren?)

Herr Abgeordneter! Wer ist die stärkste Partei in diesem Lande? – Die Sozialdemokratische Partei, also meine Partei! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Kukacka: Nicht mehr lange! – Abg. Schwarzenberger: Wer hat am meisten verloren?)


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23. Sitzung / Seite 62

Herr Abgeordneter Trinkl hat gemeint, es gebe viele Arbeiter, die sagen: Wenn es meinem Chef gut geht, dann geht es auch mir gut. Ich widerspreche Ihnen da nicht. Sicher gibt es eine Reihe von Wirtschaftstreibenden, die wissen, dass sie zufriedene und motivierte Arbeitnehmer brauchen und sie daher auch entsprechend am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben lassen. Aber ich darf Ihnen sagen, Herr Abgeordneter, ich kenne viele Arbeiter, die sagen: Meinem Chef geht es immer besser, und mir geht es immer schlechter. Und die Politik dieser Bundesregierung fördert dieses Klima und diese Situation. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Das vorliegende Budget verlangt Opfer und vergibt gleichzeitig Geschenke, es ist schon mehrmals darauf hingewiesen worden. Die Opfer werden von den Kleinen verlangt, und die Geschenke werden für die Großen eingepackt. Das vorliegende blau-schwarze Budget ist nicht sozial und gerecht, und deshalb lehnen wir Sozialdemokraten dieses Budget ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Kapitel Wirtschaft ein paar Bemerkungen: Die Duldung organisierter Formen illegaler Beschäftigung bedeutet eigentlich auch das Akzeptieren von Ausbeutung, von Profitgier und von Wettbewerbsverzerrung. Der geschätzte Umfang des Entganges von Abgaben auf Grund von illegaler Beschäftigung und vor allem organisierter illegaler Beschäftigung geht in die Milliarden. Dies wird von dieser Regierung totgeschwiegen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Maßnahmen gegen Schwarzunternehmer fehlen zur Gänze im Budget und in den bisherigen Ankündigungen der Regierung, obwohl ein ausformuliertes Gesetzespaket gegen diese massive Form des Missbrauches von Menschen und der Missachtung von Abgabenleistungen vorliegt.

Ein aktueller Fall, der sich gestern in Wien-Penzing zugetragen hat, zeigt den notwendigen Handlungsbedarf. Es wurde in perfekter Zusammenarbeit mit der Fremdenpolizei und dem Arbeitsinspektorat eine Baustelle überprüft. 21 Arbeitnehmer hat man vorgefunden, davon waren 19 illegal im Land, also ohne Beschäftigungsbewilligung, ohne sozialen Schutz, ohne Lohn. Sie wurden im wahrsten Sinne des Wortes ausgebeutet. Das Interessante an diesem Fall ist, wie gut organisiert diese Schwarzunternehmerbranche bereits ist, denn vor genau drei Monaten wurden die gleichen Arbeiter, die dort angetroffen wurden, schon auf einer anderen Baustelle aufgegriffen und die entsprechende Firma in ein Strafverfahren verwickelt.

Man sieht also, es nützt nichts, dass man appelliert, es fehlen klare Gesetze, die diesen Missbrauch hintanhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regelungen fehlten schon in der Vergangenheit. Wir Sozialdemokraten haben uns immer für Verschärfungen eingesetzt, leider kam es nicht dazu.

Sehr verehrte Damen und Herren! Der Herr Bundesminister schaut bei der illegalen Beschäftigung zu. Er handelt nicht. Herr Stummvoll, Herr Maderthaner schreien nicht auf, weil es zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt, weil es zu einem unlauteren Wettbewerb und zu einer Konkurrenzverzerrung kommt. Warum holen Sie, Herr Bundesminister Bartenstein, sich nicht das Geld für das Budget, das Ihnen eigentlich zusteht, von den nicht abgeführten Steuern und Abgaben? – Eine Antwort darauf wäre sicher für das Hohe Haus interessant. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zurückdrängen der Schattenwirtschaft durch strengere Kontrollen und höhere Strafen könnte also dem Budget Milliarden an bisher vorenthaltenen Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bringen, aber ich habe schon gesagt, nichts geschieht.

Aber es ist nicht überall so, dass Sie tatenlos sind, sehr verehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Dem Budget fehlt Geld, und die Regierung verteilt Geschenke – ich habe das schon gesagt –, zum Beispiel im Rahmen einer geplanten Steueramnestie. Steuerhinterzieher werden straffrei gestellt oder sollen straffrei gestellt werden. Sie werden belohnt. Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Was ist das für eine Politik in unserem Land?


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Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist in der Debatte schon mehrmals zur "Aktion Fairness" Stellung genommen worden. Ein Wort meinerseits dazu: Ich bin Gründungsmitglied der "Aktion Fairness". In meinem Büro in der Metallergewerkschaft wurde 1995 die "Aktion Fairness" so benannt und dann gestartet. Über 300 000 Menschen haben diese Aktion unterstützt. Doch das, was Sie jetzt machen wollen, ist nicht die "Aktion Fairness", die wir gestartet haben. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wir machen es besser!)

Sie planen jetzt, einem Teil der Arbeiter eine längere Entgeltfortzahlung zu gewähren, aber allen Arbeitern und Angestellten ein schlechteres Urlaubsrecht zu verpassen. Das ist nicht fair, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Ein gerechteres Urlaubsrecht! Alle gleichmäßig!)

Sehr verehrter Herr Bundesminister und sehr verehrte Damen und Herren der Regierungsparteien! Deshalb entziehe ich Ihnen das Recht, Ihr Vorhaben mit der "Aktion Fairness" der Gewerkschaft in Verbindung zu bringen. Das, was Sie jetzt anstreben, hat mit dem, was wir wollen, nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Doppelter Urlaub! Doppelter Urlaub!)

Dieses Budget beweist, sehr verehrte Damen und Herren, dass das FPÖ-ÖVP-Modell Ellbogengesellschaft bedeutet. Das heißt Rempeln, Vordrängen und Große bevorzugen. Unser Modell, das Modell der Sozialdemokraten, heißt die neue Ellbogengesellschaft (Abg. Dr. Puttinger: Doppelter Urlaub!), das heißt: sich einhängen, sich solidarisieren, Ellbogen an Ellbogen, niemanden zurücklassen, Kleine ernst nehmen, unterstützen, gesellschaftliche Solidarität leben. Das ist unser Programm, das Programm der Sozialdemokraten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Das Programm des doppelten Urlaubs!)

12.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Staffaneller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.54

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf der Galerie! Erlauben Sie mir in meinen Ausführungen einige Bemerkungen von sozialdemokratischen und grünen Abgeordneten dieses Hauses zu zitieren.

Herr Abgeordneter Nürnberger – er ist leider heute nicht hier – von der SPÖ sagte allen Ernstes Folgendes: Dass wir eine so gute Beschäftigungslage haben, haben wir der früheren Sozialministerin Lore Hostasch zu verdanken. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Reitsamer: Das hat sogar Minister Bartenstein gesagt!) – Er sagte das, habe ich gesagt. Ich komme schon noch darauf zurück. Sein Kollege Hagenhofer (Rufe bei der SPÖ: Kollegin! Frau!) stellte die Frage: Wenn das AMS zum Wirtschaftsministerium kommt, wie ist dann noch erkennbar, wohin die Arbeiter gehören?

Herr Abgeordneter Hagenhofer von der SPÖ! (Rufe bei der SPÖ: Frau! – Abg. Dr. Trinkl: Au weh! – Abg. Silhavy: Sie ist noch immer eine Frau! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die ist leider noch immer eine Hinterbänklerin! – Abg. Mag. Prammer: Sie wird sich bei Ihnen vorstellen!) Haben Sie noch immer nicht verstanden, dass auch die Arbeiter in Österreich freie Menschen sind und dass schon sehr viel Ignoranz und Präpotenz dazu gehören, Besitzansprüche solcher Art an die Menschen zu stellen? Denken Sie einmal darüber nach, dass diese Regierung in kürzester Zeit die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten eingeleitet hat! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Haben Sie vergessen? – Sie haben jahrzehntelang versagt. (Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Ihre Rede passt nicht! Probieren Sie, frei zu reden!) Auch ich hatte den Eindruck, dass Sozialministerin Lore Hostasch sehr bemüht war – ich komme darauf zurück –, die jeweiligen Probleme in den Griff zu bekommen. Sie hat aber Pech gehabt. Sie hat deshalb Pech gehabt, weil immer wieder Wahlen dazwischen gekommen sind, und bei diesen Wahlen wurde ihr jeweils vom Bundeskanzler vorgegeben, wie es zu laufen hat, welche Schulungsmaßnahmen zu setzen sind. Es waren dies Schulungsmaßnahmen, die vorwiegend der statistischen Bereini


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gung dienten, damit die Arbeitslosenzahl gesenkt werden und Sie diese Sache besser verkaufen konnten. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Das AMS hat jeweils den entsprechenden Auftrag bekommen. Von Qualifizierungen mit beruflicher Praxis war weitestgehend überhaupt keine Rede. Auch die Eingliederung dieser Schulungsteilnehmer in den Arbeitsmarkt wurde nicht forciert. Das Wichtigste waren Zahlen, hinter denen man Arbeitssuchende verstecken konnte. (Abg. Dolinschek: Da schau her! So war das!) – So war das!

Für besondere Problemgruppen und deren arbeitsmarktpolitische Betreuung hat es dann kein Geld mehr gegeben – siehe Lehrlingsaktionen. Daher muss ich schon eher Frau Dr. Moser von den Grünen Recht geben, wenn sie meint, dass längerfristige Qualifizierungsprogramme gefehlt haben und nur ein Drittel der Programme den Frauen zugute gekommen sind.

Jetzt hat sich die Sache grundlegend geändert, jetzt schaut es so aus: Diese Regierung hat ein Programm, aus dem klar hervorgeht, dass den Frauen, den Älteren und Behinderten besonders geholfen werden soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich kann Ihnen einige aktuelle Zahlen nennen. Im Auftrag der Bundesregierung sind Ende April zirka 30 600 Arbeitslose in Qualifizierungsmaßnahmen. Davon sind nicht mehr ein Drittel Frauen, sondern es stehen 16 132 Frauen 14 499 Männern gegenüber. Das sind um 1 633 Frauen mehr als Männer.

Es kann also nicht mehr davon gesprochen werden, dass Männer bevorzugt werden. Das ist ein Verdienst der jetzigen Regierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Petrovic trifft am 10. Mai die Feststellung, dass Frauen und Jugendliche vom Budget überproportional getroffen wären. Jawohl, es stimmt, Frau Kollegin Petrovic – sie ist leider nicht da –, Frauen und Jugendliche sind überproportional betroffen. In diesem Budget werden die Probleme der Jugendlichen und der Frauen besonders berücksichtigt, ebenso im Regierungsprogramm. Ich habe Ihnen die entsprechenden Zahlen genannt.

Die aktuellen Zahlen zeigen, dass bei den Jugendlichen gegenüber dem Vorjahr 21 Prozent – das sind 7 100 Jugendliche zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr – weniger als arbeitsuchend vorgemerkt sind und dass auch um 5 400 Ältere, über 50-jährige, weniger vorgemerkt sind. Speziell, was die Frauen betrifft, möchte ich betonen: Es sind um 20 600 Frauen – das sind 18,6 Prozent weniger als im Vorjahr – weniger arbeitslos. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger .)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe schon gesagt, dass die sozialdemokratische Ministerin nicht auf allen Gebieten erfolgreich war. Den Glorienschein sollte man ihr nicht verpassen. Die Arbeitslosigkeit der Älteren und der Behinderten hat sich in den letzten zehn Jahren nach oben hin entwickelt. Bei den Älteren war eine Steigerung von 20 100 auf 50 600 zu verzeichnen. Bei den Behinderten waren im Jahre 1989 18 400 Behinderte ohne Arbeit und im Jahre 1998 bereits 40 000. Das ist also jeweils eine Steigerung von weit über 100 Prozent. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da war Frau Haidlmayr total ruhig!) Man hat seitens der Regierung einfach zugesehen, man hat weggeschaut. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Frau Haidlmayr auch!)  – Auch Frau Haidlmayr hat weggeschaut, sie hat hier sicher nie irgendetwas darüber erwähnt. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Erst in den letzten Monaten entwickelte sich diese Situation für die Betroffenen positiv. Auch das ist ein Verdienst dieser jungen Regierung, und das können Sie nicht abstreiten. Lesen Sie bitte im Regierungsprogramm nach, was diesbezüglich weiters vorgesehen ist. Wir warten nicht bis zu den nächsten Wahlen, um tätig zu werden, wir sind sofort tätig geworden! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Zweytick. )

Es wurde heute nicht darüber gesprochen, aber Sie haben jetzt – auf gut steirisch gesagt – "überlauert", dass Sie sich mit dem Integra-Projekt, das Sie so kritisiert haben, ins Fettnäpfchen gesetzt haben. Solche Projekte und ähnliche, allerdings nicht in dieser Ausgewogenheit, hat es


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ja schon gegeben. Auch die Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes hat es bereits gegeben. Nur das zusätzliche Geld, der Umstand, dass die Betroffenen zusätzlich Geld bekommen – wie es immer heißt: ob Bürgergeld oder anders –, war in den letzten Jahren nicht vorgesehen, weil die Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes in der Höhe des Arbeitslosengeldes ausbezahlt worden ist. Bitte nehmen Sie auch in diesem Punkt zur Kenntnis, dass diese Regierung, dass Herr Bundesminister Bartenstein hier eine neue Linie einleitet, die für die Betroffenen sehr positiv ist!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Wirtschaft hat wieder Vertrauen in die Regierung gefasst. Die Trendwende ist erreicht. Vermehrte Investitionen bringen weitere Arbeitsplätze, und nur durch die Schaffung weiterer Arbeitsplätze kann auch die weitere Verarmung in diesem Land verhindert werden, nur damit kann ihr entgegengesteuert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Durch die sinkende Arbeitslosigkeit und durch die Erhöhung des Arbeitsförderungsbudgets ist pro Kopf, gemessen an den Arbeitslosen, noch nie so viel Geld zur Verfügung gestanden, um die Probleme zu bewältigen, um den Problemen entgegenzutreten! Auch das werden Sie zu akzeptieren haben.

Herr Präsident Verzetnitsch sprach von den 1 000 Nadelstichen, die dieser Regierung zu verpassen sind. – Herr Präsident Verzetnitsch! Wir laden Sie ein, mit uns 1 000 Zeichen zu setzen, 1 000 positive Zeichen! Ihre Mitglieder in der Gewerkschaft werden es Ihnen danken! Die Ärmeren in diesem Land werden es Ihnen danken! (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer .)

Herr Präsident Verzetnitsch! Seien wenigstens Sie ein Demokrat in dieser Riege! Seien wenigsten Sie, Herr Präsident, nicht hasserfüllt gegenüber jenen, die den sozial Schwächeren in diesem Land helfen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edler. – Bitte.

13.04

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist bereits wiederholt gesagt worden, dass diese Regierung in Wirklichkeit nicht spart, sondern nur die Schwächsten und Ärmsten belastet. Und es ist wiederholt festzustellen: Es ist dies die größte Umverteilung zu den Reichsten in der Zweiten Republik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zweytick: Glauben ist das eine, die Realität ist das andere! – Abg. Schwarzenberger: ... ÖBB! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Dr. Puttinger: 1,6 Milliarden Schilling Schulden! Das höchste Budgetdefizit!)

Ich möchte einmal die Frage der Schulden der letzten Jahre, die wir in der Bundesregierung gemeinsam verursacht haben – SPÖ und ÖVP gemeinsam –, ins richtige Lot bringen. Für mich als Sozialdemokrat wurden Werte geschaffen. Österreich ist ein blühendes Land. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit. Und wenn Vertreter der neuen Bundesregierung hier herausgehen und erklären: Die Wirtschaftsdaten, die Arbeitsmarktdaten, all das ist der Erfolg der neuen Bundesregierung!, dann kann ich dazu nur sagen: Machen Sie sich nicht lächerlich! (Beifall bei der SPÖ.)

All das ist der Ausfluss der Politik von Klima und Edlinger. Die ÖVP sagt ja selbst immer, sie habe keinen Anteil daran gehabt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Puttinger: Aber an den Fehlern schon?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Unruhe im Saal.)

Schulden sind auch abzubauen. Die Frage, was die SPÖ in der Bundesregierung diesbezüglich machen würde, ist wiederholt angesprochen worden. – Jawohl, wir wären, was den Staatshaushalt betrifft, genauso angehalten, eine Sanierung durchzuführen, aber nicht so, dass das untere Einkommensdrittel – ich betone: das untere Drittel! – doppelt belastet wird, aber das obere Drittel praktisch nur zur Hälfte. Das wäre nicht unsere Politik! Wir hätten das sozial aus


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gewogen durchgeführt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zweytick: Ihr hättet die Mineralölsteuer erhöht!)

Herr Bundesminister Dr. Bartenstein! Sie sind ja für die Wirtschaft und für den Arbeitsmarkt zuständig. Sie haben heute in Ihrer Wortmeldung erklärt, für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gebe es gleich viel oder mehr Geld. Sie müssen hier aber auch sagen, dass Sie den Auftrag gegeben haben, dass 3,1 Milliarden Schilling vom AMS für die Pensionssicherung abzuführen sind. Das heißt, dass für die Arbeitsmarktpolitik 3,1 Milliarden Schilling weniger zur Verfügung stehen.

Besonders, was die Jugendbeschäftigung betrifft – und das ist für mich eine große Sorge –, haben Sie überhaupt keine Vorsorge getroffen. Die Statistik zeigt, dass 3 000 bis 5 000 Schulabgänger keinen Ausbildungsplatz haben. Das ist ein Skandal dieser Regierung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie sprechen uns oft an und fragen: Was würde die Sozialdemokratie machen? (Abg. Mag. Schweitzer: Gar nichts!)  – Auch wir sind dafür, dass die Lohnnebenkosten sukzessive gesenkt werden. Das haben wir bereits angesprochen. Wir haben gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft geschaffen, daher gibt es auch diese gute Entwicklung. Aber wir würden zum Beispiel nicht gerade jetzt die Lohnnebenkosten senken! Das sagen nicht nur die SPÖ, die Gewerkschaftsbewegung und die Arbeiterkammer, sondern das sagt auch Herr Landeshauptmann Sausgruber, der die Bundesbudgets mitverhandelt hat.

Er sagt, er könne überhaupt nicht verstehen, dass Benefizien wie Kindergelderhöhungen und die Senkung der Lohnnebenkosten gerade jetzt verhandelt und zur Auszahlung gebracht werden. Das könnte man ohne weiteres auch später machen, denn die steuerlichen Voraussetzungen für die Wirtschaft sind bestens. Sie brauchen sich also überhaupt nicht zu beschweren, meine Damen und Herren von der Wirtschaft.

Herr Bundesminister! Was die Bauvorhaben betrifft, möchte ich als Bezirksabgeordneter Wien-Donaustadt einen Punkt ganz deutlich ansprechen. (Abg. Dr. Martin Graf: Grüß Gott, Herr Kollege!)

Sie haben schon so vieles bewegt, Herr Kollege Graf, dass ich geglaubt habe, dass Sie jetzt, als Regierungsvertreter, mehr Aktivität entwickeln würden! Sie wissen ganz genau, dass in einem Bezirk wie Wien-Donaustadt, der blüht, der sich entwickelt, viele Jugendliche Ausbildungsplätze brauchen. Die alte Regierung hat noch das Projekt eines Schulbaus in Wien 22, Heustadelgasse, abgeschlossen. Aber siehe da, der zuständige Minister ist heute nicht in der Lage, zu unterschreiben, das Projekt wird verzögert, und wir werden nächstes Jahr zirka 200 Ausbildungsplätze weniger haben. Das ist sehr bedauerlich!

Meine Damen und Herren! Weil vielfach auch die ÖBB, die Eisenbahnen, angesprochen worden sind, möchte ich etwas richtig stellen. – Kollege Kukacka ist jetzt nicht da; das ist ja auch sehr bedauerlich. Er hat sich ständig in den Vordergrund gedrängt, hat gesagt, er sei der zuständige ÖVP-Mann, er wolle das ÖBB-Gesetz verhandeln. Angeblich hat er einen Onkel, der Eisenbahner war. Jedenfalls hat er gesagt, er verstehe etwas davon, und er hat mit Kollegen Hums das ÖBB-Gesetz verhandelt.

Seitdem gibt es bei den Österreichischen Bundesbahnen keine Beamten mehr, sondern es gibt nur mehr ASVG-Bedienstete. Und was das durchschnittliche Antrittsalter der ÖBB-Pensionsempfänger betrifft, so ist das nicht das 53., sondern das 55. Lebensjahr. Und es könnte noch wesentlich höher sein, Herr Bundesminister, und das wissen Sie ganz genau, wenn nicht der Druck des Eigentümers auf den Vorstand, wirklich beinharte Rationalisierungen durchzuführen, durch die Zehntausende Kolleginnen und Kollegen bei der Eisenbahn ihren Arbeitsplatz verloren haben – das ist bedauerlich, aber diese Reform war sicherlich notwendig –, so enorm groß gewesen wäre. Infolgedessen hat der Vorstandsvorsitzende Draxler für die ÖBB in Anspruch genommen, jene Kolleginnen und Kollegen, die ausgedient haben, in den Ruhestand zu schicken, was die Eisenbahner vielfach gar nicht gewollt haben. (Abg. Schwarzenberger: Dann können Sie ja nichts dagegen haben, wenn das Pensionsantrittsalter erhöht wird!)


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Zusammenfassend möchte ich, was das Eisenbahn-Dienstrecht betrifft, sagen: Ich hoffe, dass die Regierung vertragstreu ist.

Lieber Kollege Bauernvertreter! Lieber Kollege Schwarzenberger! Wenn wir schon von Bundeszuschüssen reden, dann reden wir einmal offen darüber, was die Bauern und die Gewerbetreibenden für ihre Pensionen an Zuschüssen bekommen! Greifen Sie nicht immer andere Berufsgruppen an! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Wir zahlen 41 Milliarden Schilling für die Eisenbahner!)

Nicht immer andere angreifen! Die Landwirtschaft bekommt viel mehr! Ich bekenne mich teilweise dazu, was die kleineren und mittleren Betriebe betrifft, aber nicht zu dem, was die organisierte Großbauernschaft erhält. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss kommend, meine Damen und Herren: Dieses Budget 2000 ist ein Paket der Ungerechtigkeiten. Das ist die Wende, die in der Politik eingeleitet worden ist. (Die Abgeordneten Dr. Puttinger und Haigermoser: Klassenkampf! – Abg. Schwarzenberger  – den Band "Bundesvoranschlag 2000" in die Höhe haltend –: 41 Milliarden für die Eisenbahner! Sie können es hier nachlesen!)

Herr Bundesminister Bartenstein! Sie waren ja ein "Kaffeehausarchitekt". Erinnern wir uns zurück: Für diese blau/schwarze Regierung haben Sie sich mit dem FPÖ-Führer ständig in Kaffeehäusern getroffen, und Herr Schüssel hat Scheinverhandlungen mit der SPÖ geführt. – Das ist Ihre "ehrliche" Politik, aber wir werden Sie stellen. Der Wahltag ist für Sie Zahltag! (Beifall bei der SPÖ.)

13.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Eine tatsächliche Berichtigung erfolgt nun durch Herrn Abgeordneten Donabauer. – Bitte.

13.12

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Mein Vorredner hat – ich weiß nicht, aus welcher Veranlassung heraus – von einer "organisierten Großbauernschaft" gesprochen.

Folgendes dürfte seiner Betrachtung entgangen sein: Es gibt eine gesetzliche Mitgliedschaft bei der Interessenvertretung, so wie auch bei Ihnen, und eine freiwillige Mitgliedschaft bei den politischen Interessenverbänden. Das ist richtig! (Beifall bei der ÖVP.)

13.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. –Bitte.

13.13

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner hat wie viele andere Redner aus dem sozialdemokratischen und grünen Bereich angesprochen, dass – es wurde betont: gerade jetzt – die Wirtschaft 15 Milliarden Schilling oder noch mehr an Lohnnebenkostensenkungen zu erwarten hat. Ich habe mir auf Grund dieser Informationen das Budget insgesamt und vor allem das Kapitel Wirtschaft und Arbeit angeschaut, um herauszufinden, wo denn diese 15 Milliarden Schilling stehen.

Tatsächlich habe ich 14,3 Milliarden Schilling gefunden, aber 14,3 Milliarden Schilling an Belastungen, die sich zusammensetzen aus dem FLAF: 8,2 Milliarden Schilling, aus dem Insolvenzfonds: 2 Milliarden Schilling, dem AMS: 3,1 Milliarden Schilling, und der Unfallversicherung: 1,0 Milliarden Schilling: insgesamt also 14,3 Milliarden Schilling.

Das alles zahlt im Wesentlichen der Unternehmerbereich, und nicht die Dienstnehmer (Abg. Haigermoser: Auf Heller und Pfennig!), und zwar auf Heller und Pfennig, meine Damen und Herren. (Ironische Heiterkeit und Widerspruch bei der SPÖ.)


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23. Sitzung / Seite 68

Was interessant ist: Es ist im Budget keine Senkung vorgesehen. Es ist erst in der Regierungsperiode vorgesehen, dass Unternehmerbeiträge, also Beiträge, die die Unternehmer selbst zahlen, entsprechend gesenkt werden. Ich werde Ihnen begründen, warum das notwendig ist. (Zwischenrufe der Abgeordneten Huber, Reitsamer, Dr. Pittermann und Sophie Bauer. )

Meine Damen und Herren! Ich weiß, warum Sie jetzt so schreien. In dem Augenblick, in welchem hier objektiviert wird, dass die Unternehmer nicht 15 Milliarden Schilling kassieren, geht Ihnen nämlich das Argument abhanden, das ganze Budget wäre unausgewogen. Gleichzeitig ist natürlich klar, dass Ihre Taktik sehr vordergründig ist. Sie ist relativ schnell durchschaubar. Sie haben nämlich schon zu einem Zeitpunkt von Sozialabbau gesprochen, zu welchem die Regierung ihr Programm noch gar nicht vorgestellt hatte. Das hat man auf den Transparenten überall schon gesehen.

Daher kann man ganz klar eines ableiten (Zwischenrufe der Abgeordneten Reitsamer und Sophie Bauer ): Ihnen geht es überhaupt nicht darum, jetzt wirklich die Anliegen der Bevölkerung oder der Arbeitnehmer in den Vordergrund zu rücken, sondern Ihnen geht es um simple Parteitaktik, und das bringen Sie immer wieder zum Ausdruck. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber Ihre Ausführungen lassen nicht nur Rückschlüsse auf Ihre Einstellung zu, sondern auch auf Ihre grundsätzliche Bereitschaft, sich mit dem Unternehmertum auseinander zu setzen. Ihre Haltung ist sehr einseitig. Sie sehen in diesem Bereich lauter Kapitalisten – dieses Wort ist in der Debatte heute Vormittag sechs Mal gefallen –, Sie sehen nur Unternehmen, die Gewinne machen.

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen Folgendes: Es gibt Unternehmen, die machen Gewinne. Aber Sie sollten auch wissen, dass 60 Prozent aller Unternehmer, was die Sozialversicherung anbelangt, nur die Mindestbeitragsgrundlage erreichen, und das heißt, dass es ihnen nicht so gut gehen kann, wie Sie glauben.

Der zweite Punkt ist, dass es rund 80 000 Unternehmen gibt, die keine Gewinne schreiben, daher muss man für diese Unternehmen – die Gewinnsteuern sind in Ordnung –, gerade für die Unternehmen, die durch Abgaben belastet sind, etwas Entsprechendes tun.

In diesem Zusammenhang wurde vom Abgeordneten Riepl vorhin die Schwarzarbeit angesprochen. Die Schwarzarbeit soll entsprechend bekämpft werden. – Wissen Sie, was die Senkung der Lohnnebenkosten bedeuten würde? – Dass es nicht mehr so attraktiv wäre, Schwarzarbeit zu praktizieren, vor allem im Privatbereich Schwarzarbeit zu betreiben, weil die Wettbewerbsbedingungen dadurch einigermaßen angeglichen würden. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt zitiere ich etwas aus einer Studie. Sie haben ja so gern Wifo-Berichte. Sie sollten in diesem Zusammenhang einmal die Wifo-Studie lesen, aus der hervorgeht, warum man Senkungen bei den Lohnnebenkosten braucht. Man braucht sie deshalb, weil damit gerade der Kleinbereich gestützt werden kann, und weil damit, wie man annimmt, die Lohnnebenkostensenkungen entsprechend weitergegeben werden, um marktsichernde Maßnahmen entsprechend zu unterstützen, und dadurch können 15 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Meine Damen und Herren! Das ist die richtige Wirtschaftspolitik, und nicht die, die Sie meinen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang auch ein Wort – Herr Mag. Maier ist gerade nicht da – zur Arbeiterkammer. Ich muss sagen, es ist schon erstaunlich, welche Statistiken, welche Darstellungen Sie heute geliefert haben. Von einer Partei erwarte ich zwar nicht unbedingt, dass sie objektiv ist, besonders nicht von Ihrer Partei, aber von der Arbeiterkammer sehr wohl.

Diese Darstellungen haben alle folgende Eigenschaften: Keine Zeitschiene, keine Zeitangabe, sondern einfach irgendetwas irgendwann angegeben. Zweitens: Unrichtig. Es steht beispielsweise im vorletzten "profil" bei den Arbeiterkammerangaben: Es wird die Werbeabgabe im Umfang von 1,7 Milliarden Schilling Totalaufkommen abgeschafft – die Hälfte ist wahr –, und es ist natürlich in der Bilanzierung die Steuerreform nicht enthalten.


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Damit ist man eigentlich schon an dem Punkt angelangt, wo man sagen muss: Wenn die Arbeiterkammer nicht objektiv ist, dann darf sie sich eigentlich nicht wundern, warum ihre Rolle ständig hinterfragt wird! Hier leisten Sie Beiträge dazu, dass das auch in Zukunft passieren wird.

Meine Damen und Herren! Insgesamt noch einmal zurück zur Grundproblematik. Es ist doch ganz eindeutig und klar: Wir haben in Österreich eine Staatsausgabenquote von 52 Prozent, was so viel heißt, dass die Firma Österreich unproduktiv ist. Das ist auch leicht erklärbar: Wir haben in etwa, je nach Wirtschaftswachstum, Einnahmensteigerungen von rund 3 Prozent, während die Ausgaben um 4,2 Prozent steigen. Da geht die Schere also auseinander.

Leider ist er jetzt nicht da, aber eines muss man dem Herrn Ex-Finanzminister vorwerfen – nicht die gemeinsamen Budgets und was noch alles; das ist reine Rhetorik –: Er hat zwei Sachen nicht gemacht. Erstens hat er nicht darauf hingewiesen, dass das – angebliche – Sparpaket von 1996 keines war. Es war ein Einnahmenpaket, und es wurden dadurch die Strukturschwächen nicht aufgedeckt! Aber wenn der Finanzminister immer sagt, alles sei in Ordnung, es gebe Punktlandungen und so weiter, dann ist auch in der Bevölkerung überhaupt keine Leistungsbereitschaft, keine Leidensfähigkeit vorhanden in der Form, dass man sagt, da müssen wir sanieren, sondern dann sagt jeder, da müssen wir etwas anderes tun.

Das Zweite war – er ist wieder nicht da, der Herr Finanzminister –: Er hat auch haushaltstechnisch die Entwicklung nicht entsprechend umgesetzt. (Abg. Kiss: Edlinger! )  – Der alte Herr Finanzminister, der außer Dienst selbstverständlich. Edlinger ist gemeint.

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Alle anderen Länder haben haushaltstechnisch die gesamte Entwicklung in Richtung Globalbudgets und in Richtung Outsourcing umgestellt.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Bei uns ist es so, dass es im Budget insgesamt 1 200 Ansätze gibt, aber es machen 45 Prozent aller Ansätze nur 0,1 Prozent des gesamten Budgetumfangs aus! Ich habe da ein Beispiel, das sind die Beschussämter. (Der Redner hält eine Graphik in die Höhe.) Die Beschussämter machen im Budget 80 Positionen aus. Die Beträge sind in der Form angesetzt, es steht auch jetzt dasselbe drin, was im Vorjahr, was vor zwei Jahren dringestanden ist.

Das ist ein gravierender Punkt: Der Herr Finanzminister Edlinger hätte mit einer anderen Haushaltstechnik Einsparungen von etwa 10 bis 15 Prozent erreichen können! Auch das hat er nicht gemacht, und darunter leidet auch die jetzige Regierung, denn mit dem jetzigen Budget waren keine großen Umstellungen mehr möglich. Aber das wäre eigentlich der richtige Weg: mit einer modernen Technik im Haushaltsbereich wirklich ohne größere Einschnitte über die Runden zu kommen.

Meine Damen und Herren! Was heißt das aber im Endeffekt, wenn man sagt, die Leistungen der Beschussämter könnte jemand anderer, ein privates Unternehmen erbringen? – Im Endeffekt heißt das: Weniger Staat und mehr privat, und das ist, wie ich meine, der richtige Weg, den diese Regierung eingeschlagen hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Gute Rede!)

13.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

13.20

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Als sich der Bundesminister heute hier hergestellt hat und mit geschwellter Brust die Arbeitsmarktdaten und die Wirtschaftsdaten vorgestellt hat, da ist er mir – mit Verlaub, Herr Schwarzenberger – vorgekommen wie ein Landwirt, wie ein Bauer, der sich auf den Traktor mit einem gut gefüllten Anhänger von seinem Nachbarn setzt und die Ernte des Nachbarn in seine Scheune hineinfüllt. So habe ich das empfunden. (Beifall bei der SPÖ.)  – Ja, wirklich! (Abg. Schwarzenberger: Ein schlechtes Beispiel!)


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Ich sage Ihnen, liebe Kollegen von der FPÖ: Es wird uns keiner weismachen können, dass die Wirtschaftserfolge, die Wirtschaftsdaten das Ergebnis der letzten 100 Tage sind. (Abg. Dr. Puttinger: Aber die Fehler schon?!)  – Ich sage noch dazu: Diese letzten 100 Tage wären vergangen mit oder ohne FPÖ.

Die Erfolgsdaten, Herr Puttinger, sind das Ergebnis einer 30-jährigen Regierungsarbeit der Sozialdemokratie auf allen Ebenen. (Beifall bei der SPÖ.) Dabei hätte ich fast die ÖVP vergessen, aber da so viele Abgeordnete der ÖVP immer vergessen, dass sie mit in der Regierung waren, halte ich das nicht einmal für einen Fauxpas. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte aber zu einem Budgetteil, zu einem Wirtschaftsteil kommen, nämlich zur Bauwirtschaft, wo es nicht wirklich rosig ausschaut. Herr Kollege Trinkl hat es gesagt: Die Kulturprognose, Verzeihung Konjunkturprognose des Wifo – Kulturprognosen haben wir auch, aber die macht ihr in der nächsten Zeit –, die Konjunkturprognosen des Wifo bescheinigen dem Jahr 2000 einen noch kräftigen Aufschwung trotz der anhaltenden Budgetprobleme.

Für das Jahr 2001 wird sich die von Ihnen angesteuerte Budgetpolitik, vor allem was die Bauwirtschaft betrifft, sehr negativ auswirken. Zwar werden wir dank des beschleunigten Exportwachstums, einer soliden Expansion und einer sehr starken Inlandsnachfrage die österreichische Wirtschaft konsolidieren, aber im Jahre 2001 dürfte die Expansion vor allem wegen der stärker nachfragewirksamen Maßnahmen der Budgetkonsolidierung eher schwächer ausfallen.

Das heißt, der Arbeitsmarkt insgesamt profitiert von der günstigen Konjunktur. In der Bauwirtschaft aber – und das bestätigt auch das Wifo – bleibt das Wachstum deutlich zurück. Es leidet unter einem Nachfragerückgang im Wohnungsneubau. Zu einem erheblichen Teil geht dies auf die Budgetkürzungen im Hoch- und Tiefbau zurück, die Sie zu verantworten haben. (Abg. Haigermoser: Da schau dich an!)

Diese Tendenzen wirken sich wiederum negativ auf die Beschäftigungslage in der Bauwirtschaft aus. Zwar haben wir heuer noch einen Anteil an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Österreich, der mit 7,6 Prozent knapp über dem EU-Durchschnitt liegt, doch findet man unter den 200 000 arbeitslosen Männern und Frauen nahezu 100 000 Arbeitslose am Bau. Das heißt, dort gibt es eine Rekordarbeitslosigkeit trotz anhaltenden Konjunkturwachstums, und diese Tendenz wird sich nach den Prognosen nächstes Jahr auf 110 000 bis 115 000 Betroffene steigern.

Vom gesamten österreichischen Bauvolumen in der Höhe von 140 Milliarden Schilling entfallen rund 35 Prozent oder 45 Milliarden Schilling auf die öffentliche Hand, und davon wiederum 17 Milliarden Schilling auf den Bund selbst. 28 Millionen Schilling kommen den Ländern und den Gemeinden zu, und selbst diese Gelder sind durch den fehlenden Finanzausgleich im heurigen Jahr blockiert.

Aus diesen Überlegungen kommt man zu einem Resümee für Sie, die beiden Wirtschaftsparteien: Eine verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik darf den Faktor Bauwirtschaft, der für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung in Österreich maßgeblich ist, nicht vernachlässigen.

Investitionen in der Bauwirtschaft erzielen im gesamtwirtschaftlichen Vergleich die höchste Multiplikatorwirkung. Mit der Durchführung beispielsweise eines Bauauftrages in der Höhe von 1 Milliarde Schilling wird eine zusätzliche Produktion von insgesamt 1,5 Milliarden Schilling in der österreichischen Wirtschaft bewirkt. Eine Rezession am Bau bewirkt also einen 150-prozentigen Rückgang bei den Aufträgen im Baunebengewerbe und in der Industrie.

Aus diesen Zusammenhängen geht eineindeutig hervor, dass Sparen beim Bau und bei der Infrastruktur der falsche Weg in der Budgetpolitik sein muss. Investitionen in die öffentlichen Bauten und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sichern die Wettbewerbsfähigkeit und sichern damit auch die Arbeitsplätze der Zukunft in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)


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Der Eingriff in die Wohnbauförderungsmittel, wie er von Ihnen, den Regierungsparteien, geplant ist, wird wiederum zu Arbeitsplatzverlusten in der Bauwirtschaft führen. Daher muss die Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel unangetastet bleiben, und Umschichtungen von Wohnbauförderungsmitteln sollen ausschließlich in Richtung der Altstadterhaltung, der thermischen Sanierung sowie in den Ausbau der Infrastruktur vorgenommen werden.

Ein paar Worte zu den arbeitenden Menschen, und das ist ganz wichtig: Ihr immer wieder selbst gepriesenes neues Regieren erschöpft sich offensichtlich in Kürzungen beim Urlaubsrecht, Verschlechterungen bei den Abfertigungen, Verschlechterungen bei den Pensionen, Verschlechterungen im Kollektivvertragsrecht, im Abbau von Arbeitnehmerschutzbestimmungen und in den Selbstbehalten bei den Krankenversicherungen. Und auch im Bereich der Autofahrerbelastungen sind gerade die Bauarbeiter, die fast immer Tages- oder Wochenpendler sind, Hauptleidtragende Ihrer Budgetüberlegungen. Das heißt: immer neue Belastungen für sozial Schwächere. Das ist die einzige Idee in Ihrem Budget! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher sind Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, aufgerufen, mitzuhelfen beziehungsweise die Chance zu ergreifen, einerseits den Wirtschaftsstandort Österreich abzusichern und andererseits das Beschäftigungspotential in der Bauwirtschaft zu nutzen, um Österreich gleichzeitig lebenswerter und schöner zu gestalten und vor allem den arbeitenden Menschen Hoffnung für die Zukunft in Österreich zu vermitteln. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Haben Sie die Rede selbst geschrieben?)

13.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

13.27

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor Herr Faul auf die Frage antworten kann, ob er die Rede selbst geschrieben hat, möchte ich auch auf seine Rede eingehen. – Herr Kollege Faul, Sie haben gemeint, dass die Regierung sozusagen eine Ernte einfährt, wo der Nachbar gesät hat und die daher eigentlich ihm gehören sollte beziehungsweise für die er verantwortlich ist.

Sie haben vielleicht Recht, aber es ist eine verfaulte Ernte, die diese Regierung einfährt, die sie jetzt dringend entsorgen muss, und zwar mit irrsinnigen Kosten, denn von dieser Ernte, die Ihre Regierung hinterlassen hat, kann niemand profitieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben ja schon x-mal gehört, was diese Ernte, dieser Schuldenberg eigentlich bedeutet.

Ich möchte noch auf die Ausführungen einer zweiten Vorrednerin Bezug nehmen, und zwar auf die Rede von Frau Kollegin Haidlmayr. Sie hat sich leider inzwischen aus dem Saal verabschiedet. Sie hat den Schmutzkübel über uns drübergeschüttet und dann ist sie hinausgegangen. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Sie ist jedenfalls nicht da, Herr Kollege Öllinger. Aber Sie können es sich ja anhören.

Sie hat mich nämlich angegriffen – ich weiß nicht, Herr Öllinger, ob Sie zu diesem Zeitpunkt im Saal waren –, und zwar in einer wirklich bösartigen Weise. Sie hat mir vorgeworfen, ich würde, seit wir in der Regierung sind (Zwischenrufe bei der SPÖ) – bitte hören Sie mir doch zu! –, den Mund nicht mehr für die Behinderten aufmachen. Und dazu wollte ich der Frau Haidlmayr Folgendes sagen, aber ich sage es nun Ihnen allen: Ich gehöre sicher nicht zu jenen Abgeordneten, die sich nach dem Wind drehen! Ich gehöre auch nicht zu jenen Abgeordneten, die in der Opposition alles verteufeln und alles Mögliche fordern, aber dann, wenn sie in der Regierung sind, sagen, es sei alles erstklassig.

Deshalb habe ich auch überhaupt kein Verständnis für jene Politiker, die sich jahrelang und jahrzehntelang in der Regierung befunden haben, alles erstklassig und super empfunden haben und jetzt hergehen und alles verteufeln, was sie vormals gelobt haben. Das ist nämlich wirklich charakterlos! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Die Grünen und Frau Haidlmayr sind Anhängsel dieser Politik, dieser verwerflichen Politik. Herr Abgeordneter Riepl beispielsweise tritt hier auf und erklärt großartig, die Regierung mache nichts gegen die Schwarzarbeiter. – Ja bitte, Sie haben niemals irgendeinen Finger gerührt, um gegen die enorm hohe Schwarzarbeitertätigkeit in Österreich etwas zu unternehmen! Und jetzt verlangen Sie, dass diese Regierung, die erst 100 Tage im Amt ist, von einem Tag auf den anderen alle Probleme, die Sie hinterlassen haben, regelt. (Abg. Dietachmayr: Natürlich! Wir haben Anträge eingebracht!)

Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang Folgendes sagen: Wir wollten einen Ausweis für alle Arbeiter am Bau einführen, damit man kontrollieren kann, was es an Schwarzarbeitern gibt, aber Sie haben sich dagegen gestemmt! Mir können Sie nichts erzählen, Herr Kollege Dietachmayr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich war lange genug im Sozialausschuss, ich weiß ganz genau, wie das damals war. Ich bin schon so lange Parlamentarierin, dass Sie mir mit Ihren Ausreden nicht kommen können! Ich weiß genau, wie sich Ihre Regierungspolitik abgespielt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Haidlmayr ist wieder da. Sie haben eh schon gehört, was ich gesagt habe. Aber ich werde Ihnen noch etwas sagen: Auch wenn wir in der Regierung sind, setze ich mich für die Behinderten ein! Sie haben gefragt: Wann haben Sie zuletzt für die Behinderten den Mund aufgemacht?

Frau Abgeordnete Haidlmayr! Sie sind nicht überall dort, wo ich bin, und ich bin nicht überall dort, wo Sie sind. Ich habe Sie zum Beispiel bei der Generalversammlung der ARGE-Rehabilitation vermisst. (Abg. Haidlmayr: Ich habe mich auf dieses Haus bezogen, ich sprach vom Parlament!) Wenn Sie dort gewesen wären, dann hätten Sie gehört, wie Frau Bundesministerin Sickl wirklich vehement für die Behinderten gesprochen hat. (Heiterkeit der Abg. Haidlmayr. ) Warum lachen Sie? Haben Sie nicht gehört, ist es an Ihnen vorüber gegangen, dass die Frau Bundesminister einen Behindertenbeauftragten in ihrem Ministerium eingesetzt hat? Bei Ihnen wird alles abgewunken, was eventuell Ihr Klischee verpatzen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Sozialistische Partei ... (Abg. Schwemlein: Sozialdemokratische Partei!)  – Die Sozialdemokratische Partei hat jahrelang auf die Forderung nach einem Behindertenbeauftragten im Ministerium ganz einfach nicht reagiert. Frau Ministerin Sickl hat auch erklärt, dass es mehr Geld für die Behinderten geben wird (Abg. Haidlmayr: Keine Kompetenzen!), und das hat auch Herr Finanzminister Grasser bestätigt. Deshalb finde ich es nicht gerechtfertigt, dass Sie ganz einfach sagen, die Regierung tue nichts für die Behinderten.

Frau Abgeordnete Haidlmayr! Sie haben mir eine ganze Menge von Fragen gestellt, weil Sie vermuten, ich würde eben für die Behinderten nichts mehr tun, seit wir in der Regierung sind. Auch ich erlaube mir, einige Fragen an Sie zu richten: Wo waren Sie, als Finanzminister Edlinger die Behinderten mit einem Paket von 4 Milliarden Schilling belastet hat? Da haben Sie nicht das Rednerpult besetzt. Ja, Sie sind im Parlament gesessen, in der letzten Reihe, aber das Podium hier haben Sie nicht besetzt, das haben Sie erst angefangen zu besetzen, seit die Freiheitlichen mit in der Regierung sind.

Wo waren Sie, als die Zahl der arbeitslosen Behinderten gestiegen ist, als das Taschengeld auf 500 S reduziert worden ist? (Abg. Haidlmayr: Ich habe den Antrag eingebracht und Sie haben ihn abgelehnt!) Sie haben überhaupt nichts gemacht, sondern Sie haben jetzt erst das Rednerpult blockiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wissen Sie, Frau Haidlmayr, mein politisches Credo ist und war immer, dass in der Behindertenpolitik alle Parteien zusammenarbeiten sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sie sind diejenige, die das immer wieder zerstört. Ihnen, Frau Haidlmayr, und Ihrer gesamten grünen Gruppierung geht es nur darum, dass Sie Ihre Anschuldigungen – Rassismus, Rechtsextremismus – drüberbringen. Dazu missbrauchen Sie auch die Behinderten, und das


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finde ich wirklich sehr traurig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Haben Sie nicht von diesem Pult aus über Afrikaner Bemerkungen gemacht?)

Mein Hauptredebeitrag sollte sich mit den älteren Arbeitnehmern beschäftigen, nämlich mit jenen über 55. Ich komme jetzt leider nicht mehr dazu, weil Frau Kollegin Haidlmayr mit ihren wirklich unvergleichlichen "Schlammanwürfen" das verhindert hat. Der Herr Minister ist nicht mehr da, aber ich möchte es trotzdem für das Protokoll sagen: Ich glaube, dass diese Bundesregierung sich vermehrt dafür einsetzen muss, dass ältere Arbeitnehmer über 55 auf dem Arbeitsmarkt nicht auf der Strecke bleiben.

Ich habe vor kurzem erschrocken festgestellt, als ich für einen 55-Jährigen initiativ geworden bin, dass zum Beispiel die privaten Personalvermittlungen nicht einmal bereit sind, ein Angebot, einen Lebenslauf von einem über 55-Jährigen anzunehmen. Diese sagen, er sei ganz einfach nicht mehr vermittelbar. Ich habe mit fünf Personalvermittlungen gesprochen, und vier davon haben gesagt, da bestehe keine Chance mehr. Ich glaube, dass man da etwas tun muss, damit gerade die privaten Vermittler initiativ werden, um in individuellen Gesprächen zu erreichen, dass auch ältere Arbeitnehmer untergebracht werden. Darum würde ich Sie bitten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.34

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

13.34

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Genau das ist es, Frau Partik-Pablé: Sie haben gesagt, dass sich die privaten Arbeitsvermittler überhaupt nicht um die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen kümmern. Aber jetzt geht man her und privatisiert das Arbeitsmarktservice total! Ich werde noch darauf eingehen, was dabei herauskommt. (Abg. Dr. Stummvoll: Das wissen Sie schon, was herauskommen wird? Beachtlich! – Abg. Schwarzenberger: Kaffeesudleserin!)

Herr Abgeordneter Trinkl hat von einer Treffsicherheit gesprochen, was das Arbeitsmarktservice in der Form anbelangt, wie sie jetzt vorgesehen ist. Die Bundesregierung sieht ja im Budget 2000 eine Reduktion der Mittel für das Arbeitsmarktservice durch den Wegfall des Bundeszuschusses in der Höhe von 2,8 Milliarden Schilling vor. Außerdem sollen noch 0,7 Millionen Schilling pro Jahr durch die Refundierung der Beamtengehälter an den Bund beim AMS eingespart werden.

Es ist auch eine totale Privatisierung der Arbeitsvermittlung vorgesehen, und das bedeutet eine Vermittlung der Arbeitslosen egal wie, egal wohin und egal zu welchen Bedingungen, ob zumutbar oder nicht. Das AMS wird zu einer öffentlich finanzierten Zuarbeitsplattform und -infrastruktur für profitorientierte Unternehmungen. Damit wären die Voraussetzungen für eine weitere Destabilisierung des Arbeitsmarktes geschaffen.

Meine Damen und Herren! Die Kombination von Arbeitsmarktkräfteüberlassung und -vermittlung schafft natürlich Anreize zur Umgehung der zwingenden Rechte von Leiharbeitskräften. Der Entlohnungsanspruch wird durch ortsübliche Schemen festgelegt. Durch die Einengung des finanziellen Handlungsspielraums des Arbeitsmarktservices wird der Druck auf die Arbeitsuchenden natürlich größer. Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung, wie etwa gemeinnützige Beschäftigungsprojekte, arbeitsmarktpolitische Beratungseinrichtungen, Frauenberatungsstellen und sozial engagierte Projekte, werden zu einem nicht finanzierbaren Luxus des Arbeitsmarktservices.

Die von Arbeitnehmerinteressenvertretungen geforderte Verstärkung präventiver, also vor Arbeitslosigkeit ansetzender Arbeitsmarktförderung oder Maßnahmen im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung sind auch nicht mehr finanzierbar.

Was für mich aber noch viel schlimmer ist, ist die leistungsorientierte Honorierung des AMS, der AMS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, wobei nur die Vermittlung auf einen Arbeitsplatz, nicht


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jedoch die Beratungs- und Förderungsdienstleistung bewertet wird. Durch die Leistungshonorierung ausschließlich für Vermittlungen erfolgt eine Steuerung weg von der Beratung und Förderung hin zur raschen und bloßen Vermittlung. Durch diese Budgetreduzierung werden in Zukunft nur mehr gut ausgebildete, gesunde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Betreuungspflichten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Menschen mit Behinderungen, Betreuungspflichten, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben somit keine Chance mehr.

Es wurden zwar in der letzten Zeit, so wie auch heute schon, von der jetzigen Bundesregierung betreffend den Bereich der Frauenbeschäftigung Erfolgszahlen präsentiert, aber in diesem Bereich wurden bereits von der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung strukturelle Maßnahmen eingeleitet und auch durchgeführt. Die jetzige Bundesregierung hat hier noch keine Absichten, Förderungsmaßnahmen zu setzen, erkennen lassen.

Meine Damen und Herren! Da vorgesehen ist, das AMS in eine Ges.m.b.H. umzuwandeln, verhindert das schon rechtlich die Gestaltungsmöglichkeiten für ein soziales Handeln des AMS. Der Einfluss der Arbeitnehmervertreter zum Schutz der ArbeitnehmerInneninteressen wird abnehmen und somit die Situation am Arbeitsplatz für die ArbeitnehmerInnen verschlechtert. Es werden die Schranken zwischen privater Arbeitsvermittlung und Arbeitskräfteüberlassung weiter geöffnet. Die Folgen, die durch die Reduzierung der Budgetmittel für aktive Arbeitsmarktpolitik des AMS bewirkt werden sollen, sind für uns Sozialdemokraten inakzeptabel. Deswegen werden wir diesem Konzept nicht unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch noch eines festhalten: Das Verdienst des Altbundeskanzlers Klima und des früheren Finanzministers Edlinger, der Kurs, von dem Sie derzeit profitieren, wird in Kürze umschlagen, wenn das zum Tragen kommt, was Sie in allen Bereichen des Budgets geplant haben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweisgut. – Bitte.

13.40

Abgeordneter Johannes Schweisgut (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Unter den vielen wichtigen Bereichen, die wir heute beim vorliegenden Budgetkapitel bereits diskutiert haben, nimmt sicher der Bereich Tourismus eine ganz besondere Position ein. Es ist dies für meine erste Rede natürlich auch ein Thema, zu dem ich sehr gerne spreche, und ich möchte mich daher heute ein bisschen mit der Tourismus- und Freizeitwirtschaft beschäftigen.

Es ist ja erfreulich, dass gerade der Tourismus bei der neuen österreichischen Bundesregierung offensichtlich eine grosse Rolle spielt, gibt es doch erstmals in der Geschichte eine neue Staatssekretärin für Tourismus. Ich freue mich ganz besonders, dass mit Frau Rossmann eine exzellente Fremdenverkehrsexpertin dieses Amt bekleidet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich wünsche Ihnen, sehr geehrte Frau Staatssektretärin, und uns allen, unseren Tourismusbetrieben in den nächsten Jahren eine sehr erfolgreiche Tätigkeit.

Meine Damen und Herren! Bedauerlicherweise wird die immense Bedeutung des Tourismus in Österreich von sehr vielen Mitbürgern, aber auch von sehr vielen Politikern immer noch unterschätzt. Ich möchte, da gerade die Tourismuswirtschaft für die gesamte österreichische Wirtschaft sehr bedeutend ist, einige Zahlen vorausschicken.

Nicht umsonst beträgt die Wertschöpfung des Tourismus über 13 Prozent der gesamtösterreichischen Wirtschaft. Es waren fast 450 Milliarden Schilling, die im letzten Jahr aus dem Tourismus gekommen sind; das ist eine Steigerung von über 4 Prozent. Österreich nimmt bei den Pro-Kopf-Einnahmen aus dem internationalen Tourismus mit beinahe 20 000 S pro Einwohner den ersten Platz in Europa ein. Der Schnitt liegt bei 5 200 S.


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Die verschiedenen Freizeitaktivitäten am Wohnort und die privaten Tagesausflüge im Inland sind mit über 250 Milliarden Schilling auch ein ganz enormer Beitrag zur Wirtschaft.

Dies sind sehr eindrucksvolle Zahlen, die heute zum Teil schon von meinen Vorrednern gebracht worden sind. Ich möchte alle verantwortungsbewussten Politiker in diesem Lande und hier im Hohen Hause auffordern, gesetzliche Regelungen, politische Entscheidungen, die für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft, aber insbesondere auch für die Gastronomie sehr schwierig sind und diese in der Zukunft einigermaßen behindern werden, nicht zu unterstützen.

Ich möchte drei kleine Beispiele anführen, drei Beispiele, die für uns sehr wichtig sind. Es ist von der Opposition heute bereits kritisiert worden, dass niemand zum Thema Getränkesteuer Stellung nimmt. Ich glaube, dass auch bei den Regierungsparteien das Thema Getränkesteuer ein Thema ist, mit dem sehr bewusst und mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein umgegangen wird, da die Wirtschaft natürlich nicht die Gemeinden schädigen will. Die Wirtschaft steht hinter der Regierung und steht hinter den Gemeinden, die ja auch wiederum für den Tourismus tätig sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich muss aber auf der anderen Seite hier natürlich auch die Sorgen der Gastronomie zum Ausdruck bringen, die gerade mit der Erhöhung der Umsatzsteuer auf Speisen auf 14 Prozent in den nächsten Jahren einer ganz gewaltigen Belastung ausgesetzt sein wird. Es wäre für mich natürlich sehr wichtig – und ich möchte das hier auch dokumentieren –, dass nach Möglichkeit gerade die Verhandlungen dieser zehn Tage oder dieser Woche genutzt werden, und ich appelliere an alle, zu überlegen, ob es vielleicht auch aus anderen Wirtschaftsbereichen eine Finanzierungsmöglichkeit gäbe, damit nicht allein die kleinen und mittleren Gastronomiebetriebe belastet werden. Vielleicht kann in den nächsten Wochen diese Ungleichgewichtung noch etwas verändert werden.

Ich kann auch den häufig zitierten Satz, die Erhöhung zahle ohnehin der Kunde, nicht mehr hören. Natürlich zahlt letztlich immer der Kunde jegliche Belastung, aber es hat doch auch Auswirkungen auf die Gastronomie, wenn Speisen um 4 Prozent teurer werden und daher die Konsumation zurückgeht. Da würde es bei vielen, vor allem kleineren Gastgewerbebetrieben zu Einbrüchen kommen. Ich hoffe, dass im Sinne unserer österreichischen Gastronomie in den nächsten Tagen noch eine Abfederung dieser Maßnahmen möglich sein wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein zweiter sehr wichtiger Punkt, der für mich auch zum Thema "Förderung der Tourismuswirtschaft" gehört, ist, dass wir uns in den letzten Jahren vielleicht ein bisschen zu wenig und zu wenig intensiv um das Thema Großereignisse in Österreich gekümmert haben. In den letzten Jahren hat es immer wieder Bewerbungen um Events gegeben, bei denen wir allerdings, ob es die Olympischen Winterspiele, ob es Fußball-Weltmeisterschaften oder internationale Ausstellungen waren, immer leer ausgegangen sind. Aber gerade diese Groß-Events sind für unser Land sehr wichtig, und ich würde mich freuen, wenn nach organisatorischen Fehlern beziehungsweise vielleicht nicht vorhandenen Konzepten in der Vergangenheit mit der neuen Regierung, mit den neuen Politikern vielleicht jetzt auch im Sportressort mit mehr Schwung auch an die betreffenden Organisationen herangegangen werden könnte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade für unseren Status als eines der bekanntesten Tourismusländer der Welt wäre es sehr wichtig, wenn Groß-Events in Österreich stattfinden würden, da dies auch entsprechende Werbeeffekte hätte.

Ich möchte aber auch noch auf einen anderen Bereich, der vielleicht nicht zum heutigen Budgetkapitel gehört, aber auch als Träger für die Tourismuswirtschaft gilt, kurz eingehen, nämlich auf die Kultur. Man soll nicht unterschätzen, wie wichtig der Faktor Kultur und Künstler in unserem Land ist. Deswegen würde ich gerade als Tiroler Abgeordneter ersuchen, dass es unser neuer Staatssekretär möglich macht, Kultur etwas gerechter auf die österreichische Gesamtbevölkerung aufzuteilen.


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Gerade als Tiroler Abgeordneter, als Abgeordneter eines westlichen Bundeslandes ist es mir natürlich immer ein Dorn im Auge gewesen, dass bei einem Gesamtanteil der Bevölkerung von 8 Prozent, wie es in Tirol der Fall ist, der Faktor etwa bei Festspielen in Tirol bei 4 Prozent liegt, bei Theaterschaffenden, Kleinbühnen, freien Gruppen, die auch für die Bundesländer draußen sehr wichtig wären, unser Anteil bei 3 Prozent liegt und bei Musikensembles und Orchestern unser Anteil in Tirol bei 0,2 Prozent liegt. Wie gesagt, bei einem Bevölkerungsschlüssel von 8 Prozent sehe ich da eine große Ungerechtigkeit, und ich hoffe, dass es nach vielen Jahren sozialistisch dominierter Missstände vielleicht eine bessere Kulturverteilung in Österreich geben wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist in vielen Bereichen sehr wichtig, Reformschritte und Initiativen zu setzen, und ich setze gerade im Bereich des Tourismus auf unser neues Staatssekretariat. Aber ich bedanke mich natürlich auch, dass in diesen besonders harten wirtschaftlichen Wettbewerbszeiten im österreichischen Tourismus gerade die SPÖ eine neue Initiative für den Tourismus gesetzt hat. Nicht umsonst hat der Parteivorsitzende Dr. Gusenbauer vorgestern in Paris gefordert, eine Beobachtergruppe mit europäischen Mitgliedern einzusetzen. Diese Initiative halte ich für besonders gut, weil ein solcher Beobachtertourismus unseren Kongresstourismus vielleicht ein bisschen ersetzen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wäre natürlich auch sehr positiv, wenn es den Sozialisten gelänge, nachdem sie raffiniert diese Sanktionspolitik eingefädelt haben, die vielen Österreich-Vernaderer aus dem Ausland nach Österreich zu bringen. Alle Sozialisten Österreichs würden unsere Betten in der Gastronomie sicher wieder füllen, und diese Initiative wäre vielleicht der nächste Schritt von Seiten der Sozialisten, der zu begrüßen wäre. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Trotz der vielen Probleme im Tourismusbereich möchte ich abschließend doch auf die erfreuliche Tourismusbilanz hinweisen. Besonders als Tiroler Abgeordneter freut es mich, dass Tirol mit einem Nächtigungsanteil von 44 Prozent eine Steigerung von immerhin 18 Prozent erzielen konnte. Bei 226 Prozent mehr belgischen Gästen in Tirol war diese Entwicklung sicher erfreulich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Diese Zahlen belegen, dass der Tourismus auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, dass es ein gesundes Budget gibt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grabner. – Bitte.

13.49

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Da Kollege Schweisgut gemeint hat, dass die Sozialdemokraten das Ihre zum Tourismus beitragen sollen, darf ich ihm sagen: Wenn die ÖVP in Wien nicht die Volksabstimmung gemacht hätte, dann wäre in wenigen Wochen die Weltausstellung in Wien – und nicht in Hannover! – und würden sehr viele Gäste kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade die Sozialdemokraten waren es immer wieder – und ich hoffe, auch die neue Bundesregierung wird es so halten –, die sich darum bemüht haben, alle Großsportveranstaltungen nach Österreich zu bringen. Gerade Bundeskanzler Vranitzky hat mit unseren Freunden in Tirol dazu beigetragen, dass nächstes Jahr die Weltmeisterschaft in St. Anton stattfinden wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die neue Regierung verbindet die sich stellenden Aufgaben der Konsolidierung des Bundeshaushaltes, des öffentlichen Haushaltes mit einer massiven Umverteilungspolitik zugunsten der Unternehmer, der Hausbesitzer und der Landwirtschaft. (Abg. Schwarzenberger: Schon wieder!)  – Ja, immer wieder! – Gleichzeitig werden Arbeitnehmer sowie derzeitige und zukünftige Pensionsbezieher massiv belastet. Das bedeutet gleichzeitig eine Umverteilung der Budgetmittel von Beziehern kleiner Einkommen zu einkommensstarken Gruppen.


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Zu dieser Gesamtbeurteilung gelangt man auf Grund einer genauen Analyse der zukünftigen Vorhaben der FPÖ/ÖVP-Regierung. Ich möchte da zum Beispiel die Änderung des Arbeitsmarktfinanzierungsgesetzes erwähnen, von der wir heute schon gehört haben, oder auch die vielen Jugendprobleme, die wir in Zukunft haben werden. Die Bestimmung, mit der das Arbeitsmarktservice über Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit im Jahre 2000 aus der Gebarung Arbeitsmarktpolitikmittel automatisch zu überweisen hat, wenn sich ein positiver Saldo ergibt, wird von uns Sozialdemokraten entschieden abgelehnt (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), weil durch diese Bestimmung die aktive Arbeitsmarktpolitik zweckwidrig zum Beispiel für Wirtschaftsförderung oder Tourismuswerbung verwendet wird, statt Überschüsse in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Weise der Arbeitsmarktrücklage beim AMS zuzuführen.

Die Mittel zur Arbeitsmarktförderung werden von der Bundesregierung auf dem Niveau des Jahres 1999 – 8,2 Milliarden Schilling – eingefroren. Zur Realisierung der NAP-Ziele – Senkung der Arbeitslosenrate auf 3,5 Prozent, Halbierung der Langzeitarbeitslosigkeit, Erhöhung der aktiven Maßnahmen – wären schon im Jahre 2000 etwa 9,3 Milliarden Schilling notwendig. Deshalb fordern die Sozialdemokraten eine deutliche Erhöhung der Finanzmittel im Bundesvoranschlag 2000 und im Budgetbegleitgesetz 2000 für aktive arbeitsmarktpolitische Interventionen. Diesbezüglich muss es angesichts der zu erwartenden drohenden Gefahr einer höheren Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer durch die unsozialen Auswirkungen der Pensionsreform zu einer deutlichen Steigerung von aktiven, die Arbeitslosigkeit bekämpfenden Maßnahmen kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Auch in diesem Jahr wird eine große Zahl von jugendlichen Schulabgängern mit dem Problem konfrontiert sein, dass für sie keine Lehrstelle in einem Betrieb zur Verfügung steht. Dennoch unterlässt es die neue Bundesregierung, im Budgetbegleitgesetz ausreichende Mittel für die Fortsetzung der sehr erfolgreichen Maßnahme des ... (Zwischenruf des Abg. Jung. )  – Du hast von der Jugendarbeit überhaupt keine Ahnung, du redest nur überall drein! Die Probleme der Jugend in Österreich, die zu lösen so wichtig ist, sind für dich uninteressant. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Bundesregierung unterlässt es, im Budgetbegleitgesetz ausreichende Mittel für die Fortsetzung der sehr erfolgreichen Maßnahmen des Jugendausbildungssicherheitsgesetzes vorzusehen. Meine Damen und Herren! Damit wird von den Verantwortungsträgern der Bundesregierung in Kauf genommen, dass Tausenden jungen Menschen kein Zugang zu einer beruflichen Ausbildung eröffnet wird. Diese Maßnahmen werden keineswegs vor einem krisenhaften wirtschaftspolitischen Hintergrund ergriffen, sondern sind ein äußerst aggressives Vorgehen gegen die Arbeitnehmerposition, wie weitere Vorhaben zeigen.

Meine Damen und Herren! Für uns ist die Bewältigung des Problems der Jugendarbeitslosigkeit, der Probleme arbeitsloser Menschen ein so wichtiger Punkt, dass wir ihn immer wieder hier im Hohen Haus aufzeigen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lexer. – Bitte.

13.55

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Staatssekretärin! Auch im Ministerium für Arbeit und Wirtschaft ist natürlich der Sanierungs- und Konsolidierungskurs der Regierung spürbar. Trotzdem sind immerhin 51 Milliarden Schilling für Wirtschaftsförderung vorgesehen, und man kann es unserem Minister Bartenstein zutrauen, dass er diese Wirtschaftsförderung so nachhaltig in der Wirtschaft einsetzt, dass wir einer guten Entwicklung entgegengehen.

Eine weitere Zahl fällt mir auf: Für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sind 26,7 Milliarden Schilling vorgesehen. Dieser Betrag muss auf jeden Fall gesenkt werden. Aber keine Angst: Wir denken nicht daran, das Arbeitslosengeld zu kürzen oder die Notstandshilfe zu streichen. Es muss aber ein ständiges Anliegen von uns allen sein, diesen Betrag zu kürzen, indem wir dafür sorgen, dass die Menschen überhaupt nicht in die Situation kommen, Arbeitslosengeld oder


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Notstandshilfe beziehen zu müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Politik dieser Bundesregierung, nämlich die Erhöhung der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik von 10,5 Milliarden Schilling auf 11,1 Milliarden Schilling, wird sich in Zukunft positiv auswirken, hier wurden die richtigen Weichenstellungen vorgenommen.

Obwohl wir ständig über gute Konjunkturdaten sprechen und sinkende Arbeitslosenzahlen vermelden können, möchte ich doch auf unser Bundesland Kärnten näher eingehen und feststellen, dass wir in Kärnten nach wie vor wirtschaftspolitisch gesehen Schlusslicht sind und dass in Kärnten vor allem in der Bauwirtschaft die Situation ernst ist. (Abg. Edlinger: Bei dem Landeshauptmann kein Wunder!) – Das ist jetzt wieder die einfache Methode, gleich einen Schuldigen zu suchen. Lassen Sie mich doch weiterreden! Ich glaube, dass es keinen Sinn hat, immer gleich einen Schuldigen auszumachen. Man sollte die Dinge beim Namen nennen dürfen, ohne dass man gleich jemand Bestimmten erwähnt und damit auch schon den Schuldigen hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte in Bezug auf die Bauwirtschaft kurz einen österreichweiten Überblick geben.

Im Burgenland zeigt sich die Bauproduktion mit 2,3 Prozent rückläufig; die Aussichten sind nicht besonders rosig, es ist ein Minus von 8,11 Prozent zu erwarten. In Kärnten zeigt sich der Bauproduktionswert mit 9,1 Prozent Minus stark rückläufig. Im Tiefbau beträgt der Einbruch etwa 11,6 Prozent, beim Hochbau etwa 7 Prozent. Auch die Auftragseingänge liegen um 8,7 Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahres.

In Niederösterreich wird es schon etwas besser. Dort beträgt das Minus 3,5 Prozent, und die Aussichten sind zumindest so, dass es dort stagnieren wird. In Oberösterreich gibt es nur mehr ein Plus, in Salzburg ebenfalls, und in der Steiermark, habe ich vom Abgeordneten Trinkl gehört, gibt es diesbezüglich eine positive Entwicklung. Dort bilanziert man in der Bauwirtschaft mit einem Plus von 1,2 Prozent, und, siehe da, in Zukunft erwartet man sich dort ein Plus von 17,1 Prozent!

Über Tirol und Wien brauchen wir nicht zu reden. In diesen beiden Bundesländern ist die Entwicklung, was das Baugewerbe betrifft, äußerst positiv und sehen auch die Zukunftsprognosen gut aus.

Geringe Kaufkraft, niedrige Einkommen und hohe Arbeitslosigkeit sind Kennzeichen für eine schlechte Wirtschaft, und das sieht man auch in Kärnten. Ich muss es leider auch hier erwähnen. Die zahlreichen geringfügig Beschäftigten und Teilzeitkräfte verbessern zwar die Arbeitsmarktdaten, aber sie täuschen über die wahre Situation hinweg. Das kann uns nicht trösten, denn uns Kärntnern nützt es überhaupt nichts, wenn positive Zahlen verlautbart werden, die tatsächlichen Lebensbedingungen und Lebensumstände der Menschen damit aber nicht übereinstimmen.

Für Kärnten ist daher der Regierungskurs – sanieren und konsolidieren – zwar notwendig und richtig, weil es keine Alternative dazu gibt, aber durchaus auch problematisch, weil sich die Situation dadurch noch verschärfen wird und sich die einzelnen Daten in Zukunft noch schlechter darstellen werden. Daher brauchen wir in Kärnten nicht nur einen Konsolidierungskurs und einen Sanierungskurs, sondern wir brauchen auch einen Investitionsschub und ein Aufholprogramm zur Belebung der Wirtschaft und zur Sicherung der Arbeitsplätze.

Da möchte ich ausnahmsweise einmal nicht an die Oppositionsparteien appellieren, etwas zu tun oder zu unterlassen, sondern ich möchte an die eigene Bundesregierung appellieren, ihr Augenmerk besonders auf Kärnten zu richten und uns zu helfen, denn aus eigener Kraft werden wir es nicht schaffen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Es geht aber nicht immer nur um finanzielle Zuwendungen, sondern manchmal ist es auch schon mit einer Verordnung möglich, etwas Positives auf den Weg zu bringen. Ich denke da zum Beispiel an die Verordnung betreffend die Autobahnraststätte Wörthersee, zu erlassen


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durch den Infrastrukturminister. Dieses Projekt könnte sofort realisiert werden, ohne öffentliche Mittel dafür flüssig machen zu müssen.

Ich denke da etwa an die Verkehrsinfrastruktur, ich denke aber auch an den Ausbau der Klagenfurter Universität, um die Ausbildungschancen der jungen Menschen zu verbessern.

Wir Kärntner fordern aber nicht nur, sondern wir haben uns auch überlegt, wie wir selbst zu mehr Geld kommen können, und haben beschlossen, die Wohnbauförderungsdarlehen teilweise an Kärntner Banken zu verkaufen und vorzeitige Rückzahlungsaktionen für private Wohnbaudarlehensnehmer zu ermöglichen. Unser Ziel ist es, damit einige Milliarden zu lukrieren, die wir einerseits zur Schuldentilgung einsetzen wollen – da bewegen wir uns auf ähnlichem Weg wie die Bundesregierung –, und andererseits wollen wir – und zwar 2 Milliarden Schilling – in Kärnten nachhaltig investieren, um Impulse für die Bauwirtschaft sicherzustellen, die Ausbildung zu verbessern und auch Gemeinde- und Tourismusprojekte zu realisieren.

Darüber hinaus haben wir auch im Wohnbauförderungsgesetz die Schwerpunkte verändert, nämlich – Kollege Faul hat das bereits gesagt – hin zu mehr Sanierung, der wir gegenüber dem Neubau den Vorzug geben. In diesem Zusammenhang möchte ich auch gleich den Kampf gegen die Pfuscher ansprechen. Wir sollten dabei nicht immer den einfachen Weg gehen, nämlich Kontrollen durchführen, Ausweise, Karten oder wer weiß was sonst noch produzieren, sondern man kann auch durchaus positive Anreize bieten. Wir in Kärnten haben zum Beispiel die Aktion: "100 000 S mehr für jeden Häuselbauer" – nämlich dann, wenn er Professionistenleistungen abrechnet – laufen, damit er keine Pfuscher beauftragen muss, sondern die private mittelständische Wirtschaft beauftragt.

Was den Verkauf der Wohnbauförderungsdarlehen betrifft, muss ich sagen, wir brauchen keinen Schilling vom Bund, aber wir brauchen die Aufhebung der Zweckbindung zumindest für die bestehenden Darlehen. Ich sehe schon ein, dass für den Finanzausgleich die zukünftigen Darlehen natürlich mitverhandelt werden müssen, aber für bestehende Darlehen sollten wir die Zweckbindung aufheben. Diesbezüglich muss ich leider feststellen, dass auch von Regierungsseite, vom Finanzminister, etwas gebremst wird. Ich finde, es ist schade, dass gerade ein Finanzminister, der aus Kärnten kommt, ein gutes Projekt, das wir in Kärnten gemeinsam ausverhandelt haben, verzögert oder zumindest behindert.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen den notwendigen Sanierungs- und Konsolidierungsschub in Kärnten und auf Bundesebene. Wir brauchen insgesamt gesehen Aufträge für die Kärntner Wirtschaft, damit die Menschen Beschäftigung haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

14.02

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich werde in meinen Ausführungen zu den Kapiteln Wirtschaft und Arbeit, Bauten und Technik – im Wissen, dass dafür ein anderer Bundesminister zuständig ist – auch Infrastrukturmaßnahmen wie Straßenbau oder Road-Pricing ansprechen, da, wie ich glaube, diese Maßnahmen auch wirtschafts- und beschäftigungsrelevant sind und daher untrennbar in Zusammenhang mit diesen Themen stehen.

Diese Budgets 2000 – in einem Block zusammengefasst – weisen im Vergleich zum Jahr 1999 ein Minus von 400 Millionen Schilling für das Grundbudget aus, minus 1,2 Milliarden für den Bundeshochbau, minus 1 Milliarde für den Bundesstraßenbau und minus 15 Prozent bei den Ermessensausgaben. Gleichzeitig sind gesetzliche Ausgaben wie Nahverkehrsfinanzierung nicht ausreichend budgetiert. Zusätzlich werden außerbudgetär die Schulden erhöht.

Dazu kommt ein Belastungspaket für die Autofahrer und Pendler: ab 1. Juni 3 Milliarden Schilling mehr an Belastung durch die Erhöhung der Versicherungssteuer um mehr als 50 Prozent – im nächsten Jahr werden es 5 Milliarden sein –, mit Jänner 2001 tritt die Erhöhung des


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Vignettenpreises um mehr als 80 Prozent in Kraft, was die Autofahrer mehr als 2 Milliarden Schilling kosten wird, und gleichzeitig vernichten Sie mit Ihren Maßnahmen 1 400 Arbeitsplätze.

Einseitige Steuererhöhung mit gleichzeitiger Verschlechterung der Infrastruktur – das, meine Damen und Herren, kann kein brauchbares Konzept sein! (Abg. Mag. Schweitzer: Wie schaut deines aus?)  – Ausgezeichnet!

Dass der unternehmerische Schwerverkehr keine Berücksichtigung findet, das wird bei dieser Regierung wohl niemanden verwundern. Sie belasten die Schwachen, die Armen, und Sie bedienen Ihr eigenes Klientel: die Reichen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die ÖVP-Minister in den vergangenen Jahren das Road-Pricing erfolgreich verschleppt haben, und es würde mich auch nicht verwundern, wenn der jetzt gültige Termin 2002 ebenfalls nicht halten würde. Was das bedeutet, ist wohl klar: Es fehlen 4 Milliarden Schilling. Das wird Probleme in der Sanierung der Autobahnen bringen, Probleme beim Lückenschluss, Probleme beim Bau neuer Verkehrswege, wie zum Beispiel des dringend notwendigen Ringes um Wien oder der Verbindung in die Oststaaten.

Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten sprechen uns eindeutig gegen diese Belastungswelle aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern, dass Sie das Abkassieren bei den Pkw-Fahrern endlich stoppen, dass Sie die Quersubventionierung zu Gunsten des Lkw einstellen, dass das Lkw-Road-Pricing nicht länger verzögert wird und dass es bis zur Einführung des Road-Pricing eine Erhöhung des Mautvignettenpreises für Lkw unter 12 Tonnen und eine Erhöhung der Kfz-Steuer für Lkw über 12 Tonnen gibt.

Ihr Budget, meine Damen und Herren, ist ein Belastungspaket ohne soziales Gleichgewicht, dem wir zweifellos nicht unsere Zustimmung geben werden!

Lassen Sie mich zum Abschluss – weil das auch in engem Zusammenhang damit steht – noch eine Anmerkung zum Wochenendfahrverbot für den Schwerverkehr machen. Auf Grund der Bilanzen aus dem Osterreiseverkehr und der letzten verlängerten Wochenenden wissen wir, dass die derzeit gültige Regelung in der Frage der Verkehrssicherheit nicht ausreichend ist. Experten des ARBÖ wissen, dass die Entflechtung des Verkehrs, der Verkehrsarten erst am Samstag ab 15 Uhr erfolgt. Daher möchte ich die Forderung des ARBÖ hier einbringen und Sie ersuchen, diese umzusetzen, nämlich:

Erstens: Ab Samstag 8 Uhr soll das Fahrverbot für Lkw über 7,5 Tonnen und Lkw-Anhänger über 3,5 Tonnen gelten. Zweitens: Ab Samstag null Uhr darf kein Transport von gefährlichen Gütern mehr erfolgen. Und drittens: verstärkte Kontrolle des gesamten Güterverkehrs auf öffentlichen Straßen auch an Wochenenden. (Abg. Wattaul: Und wie werden die Tankstellen beliefert für die PKW?)

Zum allgemeinen Fahrverbot darf ich noch anmerken, dass es nicht verwässert werden darf, auch nicht außerhalb der Reisezeiten. Auch Sie können kein Verständnis dafür haben, dass Frächter aus Ungarn, Tschechien oder der Slowakei mit Konvois von mehreren Lkw unter 7,5 Tonnen das Wochenendfahrverbot unterlaufen. Das ist nicht in unser aller Interesse! (Beifall bei der SPÖ.)

14.07

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

14.07

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Es ist höchst eigenartig: Je intensiver die Diskussion über das Kapitel "Arbeit" wird, umso mehr glänzt der Herr Arbeitsminister durch Abwesenheit. Es hat ihn offensichtlich wirklich nur der Bereich Wirtschaft interessiert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Ich erinnere Sie nur an Ihre Aufregung, wenn sich ein Regierungsmitglied von uns nur zwei Minuten verspätet hat. Minister Bartenstein fehlt schon des


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Längeren. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben uns ja immer den Wittmann geschickt! Das war die Aufregung! Alle anderen wären eh in Ordnung gewesen!)

Zur Budgetsanierung. – Im Sozialbereich sehe ich keine Sanierungsschritte. Ich erkenne nur Verlagerungen: Von den Armen zu den Reichen wird Geld hingeschaufelt. 15 Milliarden Schilling nehmen wir den Arbeitnehmern, 20 Milliarden Schilling gehen in Richtung Wirtschaft. Ich sehe darin keine Budgetwirksamkeit, außer bei den zusätzlichen Schröpfaktionen, die schon massiv angesprochen wurden, und bei den Abschöpfungen, sei es der Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds, die Arbeitslosenversicherung und so weiter.

Ich möchte mich intensiver mit einem Bereich auseinander setzen, nämlich mit dem Arbeitsrechtsänderungsgesetz und der "Aktion Fairness" – darunter ist es besser bekannt, obwohl das, was übrig geblieben ist, nicht als "Aktion Fairness" bezeichnet werden kann.

Die Gewerkschaft hat 300 000 Unterschriften für eine längst fällige totale Angleichung der ungerechtfertigten arbeitsrechtlichen Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten gesammelt. Übrig geblieben ist eine Mogelpackung, die bestenfalls den Namen "Aktion Unfairness" verdient. Geblieben ist nämlich nur eine teilweise, keine völlige Verbesserung bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, allerdings ohne den halbierten Anspruch nach Ausschöpfen des Grundanspruches und ohne das volle Aufleben beider Ansprüche ein halbes Jahr nach Ende der Ersterkrankung.

Die Entgeltfortzahlung aus sonstigen wichtigen persönlichen Verhinderungsgründen ist ebenfalls schlichtweg eine Irreführung. Alle anderen Angleichungen sind überhaupt unterlassen worden.

Aber die selbst ernannten Anwälte des "kleinen Mannes", der "kleinen Frau" – ich kann das schon nicht mehr hören; es zeugt von einer gewissen Geisteshaltung und auch Überheblichkeit! (Beifall bei der SPÖ) – sprechen davon, die "Aktion Fairness" endlich umgesetzt zu haben. – Auf dieses kümmerliche Nichts, meine Damen und Herren, hätten Österreichs ArbeiterInnen gut und gerne verzichten können, noch dazu, wo sie es teuer bezahlen müssen!

Wenn der Herr Bundeskanzler gestern von einer Kostenneutralität in dieser Richtung gesprochen hat, dann muss ich sagen, ich weiß nicht, wo er diese sieht. Wenn man die Kosten für die Urlaubsaliquotierung, die wenigstens 4,3 Milliarden Schilling ausmachen, und die Kosten der Arbeitgeber, die zirka 1 Milliarde Schilling ausmachen, gegenüberstellt, glauben Sie dann wirklich, hier von Kostenneutralität reden zu können? Ich frage mich: Für wie naiv halten Sie die österreichischen Arbeiterinnen und Arbeiter?! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mir die Stellungnahmen zu dem Entwurf angesehen und möchte hier einiges herausgreifen. Da gibt etwa das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen eine Stellungnahme ab, und darin heißt es – ich zitiere wörtlich –:

"Die geplante sozialrechtliche Angleichung der Arbeiter und Angestellten bleibt hinter den im Begutachtungsentwurf zum Arbeitsverhältnisgesetz vom November 1998 vorgesehenen Änderungen zurück. Zum Beispiel fehlt die Angleichung der Kündigungsregelungen."

Meine Damen und Herren! Wenn ein Ministerium, das schleichenden Sozialabbau betreibt, so etwas feststellt, dann, so muss ich sagen, ist das aussagekräftig genug.

Weiters ist da zu lesen: "Der vorgesehene Entfall der Postensuchtage bei Kündigung durch den Arbeitnehmer wird kritisch gesehen." – Ich denke, das bedarf keiner Ergänzung. Geben Sie doch endlich zu, dass Sie die Arbeiternehmer schwer dafür bezahlen lassen, was Sie jetzt als "Aktion Fairness" verkaufen wollen! Sie lehnen sich zurück und sagen: In 100 Tagen ist uns das gelungen, was die Sozialdemokraten so lange nicht geschafft haben! (Abg. Wattaul: Das ist richtig!) Das ist ganz klar, aber so "großartig", wie Sie es verkaufen, ist es nur für die Wirtschaft, und für die Wirtschaft ist es sogar noch zu wenig. (Abg. Schwarzenberger: Aber besser kleine Schritte als überhaupt keine!)


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Die "Aktion Unfairness" bedeutet 3 Milliarden Schilling Körberlgeld für die Wirtschaft, auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Herr Kollege Schwarzenberger. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Das gefällt ihm eh!)

Nein, nein, das gefällt nicht einmal der ÖVP – darauf möchte ich nämlich eingehen –, denn die Stellungnahme der Wirtschaftskammer ist in diesem Fall sehr entlarvend. Hier steht sinngemäß: "Besser eine Verschlechterung für die Angestellten" – das ist einmal typisch, was die Wirtschaftskammer will – "denn eine Verbesserung für die Arbeiter". – Die Wirtschaftskammer artikuliert Ängste, dass Teilzeitbeschäftigte beim Postensuchtag begünstigt werden könnten, weil hier von 8 Stunden die Rede ist. – Oh Gott, oh Gott, ist das fürchterlich, wie die Arbeitnehmer wieder profitieren! Entsetzlich!

Die Forderung nach Wiedereinführung der 1993 abgeschafften Zweckbindung des Postensuchtages wird erhoben. Und ganz große Sorgen macht sich die Wirtschaftkammer darüber, was passiert, wenn eine sofortige Erkrankung nach Dienstantritt eintritt. Sie fordert eine gesetzliche Probezeit mit sofortiger Auflösungsmöglichkeit ohne die Konsequenzen des § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz. Also überall will man die Risken minimieren und nur abschöpfen! Der Arbeitgeber schützt sich in jeder Hinsicht. Jetzt hat er wieder Angst, dass er vielleicht bei einem befristeten Dienstverhältnis, das sonst für ihn Erleichterung und Sicherheit bedeutet, Schaden nehmen könnte. Also bauen wir wieder einen Schranken zu Lasten der ArbeitnehmerInnen ein.

Aus diesen Stellungnahmen ließen sich noch weitere Grauslichkeiten zitieren, aber lassen Sie sich den Schlusssatz der Stellungnahme auf der Zunge zergehen:

"Zur Erreichung der Vorgaben des Regierungsübereinkommens, die zu einer spürbaren Entlastung der Dienstgeber führen sollen, wären weitere arbeitsrechtliche Ausgleichsmaßnahmen unbedingt erforderlich."

Also: alles für die Wirtschaft und nichts für den Arbeitnehmer! – Ganz klar, zumal der Bereich Arbeit jetzt im Wirtschaftsressort angesiedelt ist. Herr Maderthaner lobt das, ich würde sagen: No na! Das ist eine einseitige Belastung der Arbeitnehmer zu Gunsten der Unternehmensgewinne! Der ÖGB sollte sich eigentlich den Begriff "Aktion Fairness" urheberrechtlich schützen lassen, denn im Zusammenhang mit dem Arbeitsrechtsänderungsgesetz darf man diesen Ausdruck sicherlich nicht in den Mund nehmen.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie so weiter machen und immer nur die Arbeitnehmer belasten, dann wird das Schiff – wie wenn ich den Ballast nur auf eine Seite verlagere – einmal kentern, und das wird dann auch die Wirtschaft zu spüren bekommen! (Beifall bei der SPÖ.)

14.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

14.15

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich im Rahmen dieser Budgetdebatte einige Anmerkungen zu jenen Menschen machen, die vom Schicksal der Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind.

Vorweg zur Ausgangslage: Im Rahmen dieses Budgets ist ein Einfrieren des Budgets für aktive Arbeitsmarktpolitik auf dem Niveau des Jahres 1999 festzustellen, und Förderungen der Betriebe im Zusammenhang mit Langzeitarbeitslosen werden deutlich eingeschränkt. Das von der Regierung vorgelegte Programm für Langzeitarbeitslose "Integra" ist ungenügend und in weiten Maßen unausgereift. Die Entlohnung liegt unter den Kollektivverträgen! Diese Dienstverhältnisse, die ja gar keine echten Dienstverhältnisse sind, sind auch nicht ausreichend sozialversicherungsrechtlich abgesichert. Auch die Formulierung des Standortministers Bartenstein, die Arbeiten für Langzeitarbeitslose sollten möglichst maßgeschneidert auf deren Fähigkeiten abgestimmt sein, lässt mich nichts Gutes ahnen.

Da ich Herrn Abgeordneten Stummvoll soeben in den Plenarsaal kommen sehe (Abg. Dr. Stummvoll: Nur wegen Ihnen bin ich gekommen!)  – ja, das weiß ich ja –, möchte ich Ihnen


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sagen, Herr Abgeordneter: Ich fühle mich geehrt! Da Sie auf der Rednerliste wieder einmal vor mir gereiht waren, haben Sie sich streichen lassen, um mir zuhören zu können. Sie werden sich dann sicher wieder zu Wort melden. Ich bedanke mich für die Ehre, Herr Abgeordneter Stummvoll! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Weil Sie mir zu wichtig sind!) Aber ich darf Sie beruhigen: Heute bin ich "zahmlos". (Abg. Dr. Khol: "Zahnlos" oder "zahmlos"?)  – "Zahmlos", aber es kommt schon noch. Heute geht es mir wirklich nur um das Problem der Langzeitarbeitslosen. (Abg. Dr. Stummvoll: Ist das eine Androhung?)  – Nein, das ist keine Androhung, heute bin ich zahm, lieber Herr Abgeordneter.

Wer bestimmt denn, was in diesem Zusammenhang "möglichst" sein soll? Was ist "möglichst maßgeschneidert" für einen langzeitarbeitslosen Schweißer? Herr Standortminister – oder vielleicht können Sie einspringen, geschätzte Frau Staatssekretärin! Geben Sie uns einmal ein paar praktische Beispiele. Was ist maßgeschneidert im Programm "Integra" für einen langzeitarbeitslosen Schweißer? – Ich vermute vielmehr, dass Sie bei jenen Organisationen Löcher stopfen wollen, denen Sie Zivildiener entzogen haben. Also wenn das dahinter steckt, dann legen Sie bitte einmal die Fakten auf den Tisch!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir brauchen eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die alle Zielgruppen einschließt: ältere Arbeitnehmer, Frauen, Jugendliche, Behinderte. Wir brauchen echte arbeits- und versicherungsrechtlich abgesicherte Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose. Wir brauchen Aus- und Weiterbildung zur Förderung von Beschäftigung. Langzeitarbeitslose sind ja nicht freiwillig arbeitslos. Zum finanziellen Abstieg kommt auch der soziale dazu. Wenn man das nicht selbst erlebt hat, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann man sich nicht vorstellen, in welcher Situation sich diese Menschen befinden.

Das Regierungsprogramm Integra geht nicht nur an den Bedürfnissen der Langzeitarbeitslosen vorbei, sondert es unterwandert auch das österreichische Arbeitsrecht und damit bestehende Kollektivverträge. Den Langzeitarbeitslosen nützt das Programm gar nichts. Sie werden nicht auf eine Wiedereingliederung in den regulären Arbeitsmarkt vorbereitet. Auch sozialversicherungsrechtlich, das sagte ich schon, sind die Betroffenen ungenügend abgesichert. – Das ist wieder einmal ein Paradebeispiel: Wieder einmal tut diese Regierung alles für die Arbeitgeber und nichts für die Arbeitnehmer! (Beifall bei der SPÖ.) Ziel ist es, den Arbeitgebern möglichst billige Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Unternehmer schaffen Arbeitsplätze!)

Es tut dem Arbeitsmarkt, den Arbeitenden, den Arbeit Suchenden, den am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen offensichtlich nicht gut, dass der für sie zuständige Minister gleichzeitig für die Wirtschaft zuständig ist. Aber wie ich schon einmal hier vor einigen Tagen sagte, gerichtet an die Adresse der beiden Regierungsparteien: Bei den Arbeiterkammerwahlen haben die Beschäftigten zu Ihrer Politik deutlich Stellung bezogen und die Oppositionsparteien gestärkt.

Es müsste aber auch in Ihrem Interesse sein, endlich einmal zu zeigen – der geschätzte Minister Bartenstein ist nicht da, aber ich richte das an seine Adresse –, dass er nicht nur für die Unternehmer arbeitet. Nach 100 Tagen Regierungsarbeit und einer Schreckensbilanz für die Beschäftigten könnten Sie einmal ein Zeichen setzen, dass Ihnen die "kleinen" Leute nicht egal sind, dass Ihnen ein gesunder Arbeitsmarkt etwas wert ist und dass Sie die Arbeitskraft jedes Einzelnen schätzen! Dabei darf ich Ihnen helfen und einen Entschließungsantrag einbringen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Sehr geehrter Herr Präsident! Mit Ihrem Einverständnis darf ich auf die Verlesung der Begründung verzichten.

Dieser Antrag lautet:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nürnberger, Lackner, Annemarie Reitsamer, Heidrun Silhavy, Verzetnitsch, Mag. Prammer und Genossen betreffend ein Programm aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt für 13 000 Langzeitarbeitslose, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses (80 der Beilagen und Zu 80 der Beilagen) über das Budgetfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (60 der Beilagen und Zu 60 der Beilagen)

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen.

Entschließung:

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen eines Monats ein Programm der aktiven Arbeitsmarktpolitik zuzuleiten, das

die nachhaltige Wiedereingliederung von 13 000 langzeitarbeitslosen Personen in den Arbeitsmarkt auf Arbeitsplätze, die den arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen entsprechen, zum Ziel hat,

durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und Beschäftigungsförderung gekennzeichnet ist, sowie ein den Festlegungen des NAP entsprechendes Verhältnis der Geschlechter vorsieht,

durch eine budgetäre Sonderdotierung zusätzlich zu den laufenden Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik für die übrigen arbeitsmarktpolitischen Zielgruppen (ältere Menschen, Frauen, Jugendliche, behinderte Menschen) durchgeführt werden kann."

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Hier haben Sie die Gelegenheit, für die betroffene Personengruppe etwas zu tun. Ich bin sehr gespannt, ob Herr Abgeordneter Stummvoll jetzt hier herausgeht und diesem Entschließungsantrag beitritt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Jetzt habt ihr 30 Jahre lang keinen Plan gehabt, und jetzt wollt ihr einen Plan!)

14.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. – Bitte.

14.21

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Im Budgetvoranschlag ist wieder eine massive Kürzung der Bergbauförderung von 26 Millionen Schilling vorgesehen. Die massiven Kürzungen für die Bergbauförderung haben schon im Jahr 1991 unter Wirtschaftsminister Schüssel begonnen. Es wären 260 Millionen Schilling notwendig gewesen, aber es wurden nur 184 Millionen Schilling gewährt. Diese Kürzungen haben sich bis heute fortgesetzt, und wir sind mittlerweile auf dem Stand von zirka 122 Millionen Schilling angelangt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum ist es überhaupt zu einer Bergbauförderung gekommen? – Der Bergbau ist seit den siebziger Jahren auf Grund des Preisdruckes aus Übersee rückläufig, und deshalb gibt es in Österreich seit 1979 die Bergbauförderung.


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Die Bergbauförderung ermöglicht Beihilfen für das Aufsuchen neuer Lagerstätten, Beihilfen zu den Kosten für Investitionen, Beihilfen zur Umstrukturierung, zum Umweltschutz, zum Landschaftsschutz und Beihilfen für die Sicherheitsmaßnahmen sowie Beihilfen zu den tatsächlichen Kosten für die endgültige Beendigung einer Bergbautätigkeit.

Daher möchte ich schon festhalten, meine Damen und Herren, dass die Bergbauförderung eine Subjektförderung und keine Regionalförderung ist. Für die Gewährung einer Beihilfe sind natürlich auch wirtschaftliche Grundlagen ausschlaggebend.

Der letzte große Braunkohlebergbau ist in der Weststeiermark angesiedelt. Dort sind derzeit noch 420 Arbeitnehmer beschäftigt. Dazu gehört auch das Kraftwerk mit 120 Beschäftigten, die die Braunkohle verheizen. Meine Damen und Herren! Wir haben auch ein bestehendes Gesetz, in dem bis zum Jahr 2008 die Abnahme der Braunkohle sowie auch das Ausscheiden der Beschäftigten in diesem Bereich geregelt sind. Dies ist für die wirtschaftliche Situation des Bezirkes auch notwendig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bergwerksarbeiter haben die schlechtesten Umstiegsmöglichkeiten, sie arbeiten am schwersten und werden körperlich sehr stark beansprucht. Da ich selbst die Möglichkeit hatte, in den Berg einzufahren und mir ein Bild über die Tätigkeit in 180 Metern Tiefe zu machen, ist für mich die Achtung vor jedem einzelnen Bergarbeiter, der auf diese Art für sich und seine Familie den Lebensunterhalt verdient, sehr hoch gestiegen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Rosemarie Bauer. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten können diesem Budget nicht die Zustimmung geben, da erstens die Rekultivierung des Bergbaues, wie vorgesehen, durch die Kürzungen des Budgets nicht möglich sein wird und außerdem die Beschäftigten wieder auf der Strecke bleiben würden.

Herr Abgeordneter Puttinger hat heute zu Beginn seiner Rede vom Munterwerden gesprochen. – Ich finde, es wäre an der Zeit, dass die ÖVP endlich munter wird und die Grausamkeiten, die sie mit der Erstellung dieses Budgets in allen Bereichen vorhat, und die Umverteilung von den Schwachen zu den Starken erkennt! (Beifall bei der SPÖ.)

14.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

14.26

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Diese blau-schwarze Bundesregierung hat nach der Machtübernahme den Begriff "soziale Balance" aus ihrem Wortschatz gänzlich verbannt. Soziale Balance ist auch im Budget nicht zu erkennen. Gerechte Umverteilung ist nicht gefragt, und ich behaupte, Sie sind auch überhaupt nicht interessiert daran.

Ihre äußerst ungerechte Umverteilungspolitik entlarvt nämlich Ihre wahren Absichten. Sie nehmen pausenlos die Worte "soziale Treffsicherheit" in den Mund, reden gleichzeitig von einer Million Menschen an der Armutsgrenze, doch in Wahrheit verteilen Sie von unten nach oben! Das ist unglaubwürdig und leicht durchschaubar. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich im Zuge der heutigen Debatte mit einer Gruppe von Personen beschäftigen, die generell zu wenig Beachtung auf dem Arbeitsmarkt findet. Es geht um Menschen mit besonderen Bedürfnissen, es geht um die behinderten Menschen. Das 1992 beschlossene Behindertenkonzept sieht die Behindertenpolitik als gesamtgesellschaftliche Aufgabe an, die in die allgemeinpolitischen Konzepte und Maßnahmen eingebunden werden muss. – Mainstreaming!

Dieser Grundsatz wurde inzwischen durch mehrere internationale Resolutionen bekräftigt und wird auf Ebene der Europäischen Union vertreten. In Österreich wurden neben dem Mainstreaming als Grundsatz aber immer auch spezielle Programme für Menschen mit Behinderungen geschaffen: etwa das Behinderteneinstellungsgesetz oder die Neuordnung der Pflegevorsorge. Trotzdem sind Menschen mit besonderen Bedürfnissen auch in Österreich noch


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immer überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen, wie heute schon einige Male festgestellt wurde.

So ist zum Beispiel der Zugang von vorgemerkten Behinderten im Arbeitsmarktservice im Zeitraum 1993 bis 1997 von über 58 000 auf über 84 000 Personen gestiegen. Und ein großer Teil dieser Menschen ist langzeitarbeitslos.

1999 waren 77 800 Menschen mit besonderen Bedürfnissen arbeitslos; 28 000 davon länger als sechs Monate und 11 300 länger als zwölf Monate.

Wir werden deshalb heute einen "Entschließungsantrag betreffend ein Programm aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen mit besonderen Bedürfnissen" einbringen. (Abg. Dr. Martin Graf: Warum haben Sie das nicht 1997 gemacht?) Wie Frau Kollegin Partik-Pablé schon gesagt hat: Behindertenpolitik sollte über Parteigrenzen hinausgehen! Daher bin ich großer Hoffnung, dass auch Sie heute diesem Antrag zustimmen werden, Herr Kollege. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Haidlmayr.  – Abg. Kiss: Guter Hoffnung?)  – Nicht "guter", sondern großer Hoffnung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das bespricht man aber vorher! Das bespricht man normalerweise, wenn man einen Antrag einbringt!)  – Ja. Wir besprechen es dann. Sie sagen: mehr Geld für Behindertenpolitik. Ich habe einen wirklich kleinen Beitrag dazu, den ich heute in diesem Entschließungsantrag einbringen möchte. Es sind nur vier Punkte. (Beifall bei der SPÖ.)

Durch wichtige Maßnahmen des Nationalen Aktionsplanes 99 erlangten bisher über 1 400 behinderte Menschen eine höhere Qualifikation. Wir sagen, höher qualifiziert heißt, größere Chancen zu haben, heißt, an der Gesellschaft teilzuhaben.

Wir SozialdemokratInnen wollen die Chancengleichheit für Behinderte durch Qualifizierung, durch neue Technologien, durch Weiterbildung, Kommunikation und Information stärken. Das sind unsere Ziele (Beifall bei der SPÖ), und nicht, wie es die Frau Landeshauptmann-Stellvertreterin Prokop in Niederösterreich ein bisschen in Biedermeier-Manier beschrieben hat: schöne Programme für Langzeitarbeitslose als Landschafts-, als Gewässerpfleger, als Hilfsarbeiter im Rahmen eines Projektes im Pulkautal. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. )  – Ich frage mich nur, wo da der Anspruch auf Qualifizierung ist und ob das nicht reine Beschäftigungstherapie ohne Zukunftsperspektive ist, Frau Kollegin Bauer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Da gibt es einen Nationalpark! Verstehen Sie das?)

Wir wollen echte Chancen für diese Menschen, und daher erlauben Sie mir, folgenden Antrag einzubringen – ich bitte ebenfalls, die Begründung auslassen zu dürfen, und komme gleich zum Antrag wie folgt –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Nürnberger, Lackner, Annemarie Reitsamer, Heidrun Silhavy, Verzetnitsch, Mag. Barbara Prammer und GenossInnen betreffend ein Programm aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen mit besonderen Bedürfnissen in den Arbeitsmarkt, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses (80 der Beilagen und Zu 80 der Beilagen) über das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (60 der Beilagen und Zu 60 der Beilagen)

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen eines Monats ein Programm der aktiven Arbeitsmarktpolitik zuzuleiten, das

die nachhaltige Wiedereingliederung von 1 000 langzeitarbeitslosen Menschen mit besonderen Bedürfnissen in den Arbeitsmarkt auf Arbeitsplätze, die den arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen entsprechen, zum Ziel hat (Abg. Rosemarie Bauer: War das schlecht, was wir bisher gemacht haben?),

zusätzlich ein Programm für die nachhaltige Sicherung von 1 000 Arbeitsplätzen von Menschen mit besonderen Bedürfnissen, die trotz Kündigungsschutz durch die dynamische Entwicklung in der Berufswelt vom Arbeitsplatzverlust betroffen wären,

durch ein ausgewogenes Maßnahmenpaket, bestehend aus Qualifikationsangeboten, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Beschäftigungsförderung und Arbeitsassistenz, den Festlegungen des NAP entspricht, dass diese Maßnahmen über alle Politikbereiche zu legen sind (Gender mainstreaming),

durch eine budgetäre Sonderdotierung, die eine Kofinanzierung aus dem Europäischen Sozialfonds ermöglicht, zusätzlich zu den ohnehin laufenden Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik für diese Zielgruppe, finanziert wird."

*****

Wenn es mehr Geld für behinderte Menschen geben soll, dann vergessen Sie bitte diesmal Ihre politisch-taktischen Überlegungen, erklären Sie sich solidarisch mit einer allzu leicht vergessenen Gruppe in dieser Gesellschaft und stimmen Sie diesem Antrag zu! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.33

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte.

14.33

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Der Herr Bundesminister ist abwesend, er weiß sicher, Prioritäten zu setzen. (Staatssekretärin Rossmann: Er ist hier im Hause!) Demnächst gibt es den Marathonlauf – vielleicht ist er schon mit dem Training beschäftigt. Er schneidet immer sehr gut ab! Man muss eben die Prioritäten setzen können, wohin sie fallen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Wo ist Ihr Klubobmann? – Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Wo ist der Gusenbauer? Wo ist der Gusenbauer? – Abg. Schieder: Der ist nicht Minister! Der muss nicht da sein! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Mit Ihnen wahrscheinlich nicht, mit mir sicherlich auch nicht! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nein, das glaube ich auch nicht!) Das kann ich jedem verraten, dass ich an Marathonläufen todsicher nicht teilnehme.

Hohes Haus! Die ArbeitnehmerInnen werden durch die geplanten Regierungsmaßnahmen exorbitant belastet. Überfallsartig wird der Pensionszugang verschlechtert. Wer die Frühpension beantragt, ist durch Burn-Out oder Berufskrankheiten arbeitsunfähig. Dagegen helfen wirksame Prävention und ein effizienter Arbeitnehmerschutz, den Sie demontieren.

Arbeits- und Wirtschaftsminister in einer Person – das führt zur Interessenkollision. Es entspräche der Moral, solche Funktionen wegen Befangenheit abzulehnen.


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Die von Jura Soyfer schon beschriebene "Ausschussware Mensch" braucht keinen Arbeitnehmerschutz, wenn dieser die Betriebe belastet.

Die von der Wirtschaftskammer geplante Novelle zerstört den Arbeitnehmerschutz. Diese Regierung bringt den ArbeitnehmerInnen Rückschritte über ein Jahrhundert. Was wünscht das Wirtschaftskammer-Gruselkabinett, das aus Steuergeldern massiv gefördert wird? Es verfügt bei einem Zehntel der Mitglieder über ein dreifach höheres Budget als die AK. Dadurch, dass die Kammerbeiträge steuerlich begünstigt sind, hat die Wirtschaftskammer dreimal so hohe Steuerbegünstigungen wie die Arbeiterkammer, was zeigt, dass der Mensch nicht gleich viel wert ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

Sicherheit und Gesundheitsschutz gelten nur, wenn der Arbeitgeber sie sich leisten will, unter "Bedachtnahme auf die Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Gefährdung und des Aufwands für ihre Beseitigung oder Evaluierung". Die Strafbarkeit des Unternehmers verschwindet fast. Arbeitnehmerschutz und die Einhaltung der Schutzvorschriften werden freiwillige Sozialleistungen von Unternehmern.

Die engste Familie des Herrn Bundesministers verfügt über ein Unternehmen mit hohen Gewinnen. Das erklärt seine Haltung zu arbeitenden Menschen. Die Einsatzzeiten von Arbeitsmedizinern und Sicherheitstechnikern sollen drastisch reduziert werden, hoch qualifizierte Sicherheits- und Gesundheitsexperten zum Nachteil der Arbeitnehmer abgebaut werden. Die Strukturänderungen noch bejubelnde Ärztekammer übersieht diesen Abbau von Gesundheitsleistungen.

Das sind die Folgen der Eingliederung des Bereichs Arbeit in das Wirtschaftsministerium. Die "Ausschussware Arbeitnehmer" hat den Interessen der Wirtschaft zu dienen.

In den letzten Tagen häufen sich Meldungen über tödliche Arbeitsunfälle. Durch sofortigen Tod verursachten diese Arbeiter außer der Hinterbliebenenversorgung keine Kosten. Die Regierung dankt es ihnen sicher. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist etwas geschmacklos!) Arbeitnehmerschutz ist für Sie das, was die Wirtschaft toleriert, um Gewinne zu maximieren, und nicht das, was arbeitsmedizinisch und sicherheitstechnisch erforderlich ist.

Es erschüttert mich, dass ein Ex-Familienminister und Vater vieler Kinder im Budgetausschuss erklärte, die Arbeitszeit für Jugendliche in der Tourismusbranche bis 23 Uhr hinaufzusetzen. Die Gesundheit seiner Kinder ist nicht gefährdet, es trifft nur die Kinder der Ärmeren! (Beifall bei der SPÖ.)

Nachtarbeit hat nachteilige Folgen für alle, besonders für Jugendliche. Während seine Kinder ihre Kindheit und Jugend genießen, werden die anderen rechtzeitig auf ihre dienende Rolle vorbereitet.

Die Arbeitgeberbeiträge zur Kranken- und Unfallversicherung wollen Sie senken: 15 Milliarden Schilling weg von den Arbeitnehmern, 20 Milliarden Schilling hin zu den Unternehmern.

Mit Selbstbehalten wirken sich die Gesundheitsschädigungen für die Betroffenen auch finanziell aus. Nicht nur die Heilbehandlung wird reduziert, auch Präventionsleistungen durch kostenlose sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung für Kleinbetriebe, mit denen die AUVA erst Anfang 1999 vom Gesetzgeber beauftragt wurde, werden jetzt rigoros vermindert.

Der bis jetzt nicht konkretisierte Teilkrankenstand geistert durch Ihr Koalitionspapier. Mit Initiativanträgen werden Sie wieder die Begutachtung ausschalten, um die Arbeitnehmer möglichst rasch zu schädigen.

Meine PatientInnen aus der Privatwirtschaft blieben nie zu lange im Krankenstand! Hodgkin-Patienten kamen Freitag nachts zur Behandlung, sie erbrachen über das Wochenende, um am Montag wieder zu arbeiten. Diese schwerstkranken Patienten wollten weder Krankenstand noch Pension. Lockerer nahmen es Pragmatisierte ohne Sorgen um Arbeitsplatz und Gehaltsfortzahlung.


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Es ist für mich noch ungeklärt, welche Kosten und Risken der Teilkrankenstand für die Arbeitnehmer bedeutet.

Ihre Grausamkeiten sind wahrscheinlich noch nicht ausgeschöpft, denn Sie wollen damit Ihre Effizienz beweisen. Achten Sie die Gleichheit der Menschen!

Die Aussagen und der Inhalt des Regierungsübereinkommens und die Forderung der Wirtschaft lassen nur einen Schluss zu: der Arbeitnehmerschutz wird ausgehöhlt, die Unternehmergewinne steigen, Geldmittel für medizinische Vorbeugung, für Beseitigung und Milderung gesundheitlicher Schäden werden drastisch reduziert, Selbstbehalte eingefordert.

Klären Sie uns frühzeitig über Ihren weiteren Sozialabbau auf! Sagen Sie uns, wie Sie die Interessen der Arbeitnehmer den Wirtschaftsinteressen unterordnen, wie Sie die Arbeitsinspektion eventuell beschneiden, die Arbeiterkammer zertrümmern und andere Kammern beschenken wollen!

Die einst christlich-soziale Partei hat keine Sozialkompetenz. Meine nicht hoch gesteckten Erwartungen in diese menschenverachtende Regierung konnten Sie noch übertreffen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir werden vehement dagegen auftreten, die Gesundheit der Arbeitnehmer im Interesse der Gewinnmaximierer aufs Spiel zu setzen und zu verraten. Wir stimmen Ihren menschenverachtenden Plänen sicher nicht zu! (Beifall bei der SPÖ.)

14.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Das sind lauter tolerante Menschen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Herr Präsident, gibt es dafür keinen Ordnungsruf?)

14.40

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Pittermann, ich bin sehr dankbar für Ihre Rede: Es gäbe kein besseres Kontrastprogramm (Abg. Mag. Posch: Das glaube ich auch!) zu einer Politik der Zukunftssicherung, wie sie diese Regierung verfolgt, als Ihre Klassenkampf-Rede, die eigentlich ins 19. Jahrhundert passt, Frau Kollegin Pittermann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben die Zeichen der Zeit nicht verstanden! (Abg. Grabner: Du auch nicht!) Ihre Rede war hasserfüllt vom Klassenkampf-Denken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir sind sehr froh darüber, dass wir erstmals eine Budgetdebatte zu diesem Kapitel mit einem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit abführen können, Frau Kollegin Pittermann. Das heißt nicht Klassenkampf, das heißt Zusammenarbeit! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ohne Wirtschaft gibt es keine Arbeit, und ohne Arbeit gibt es keine Wirtschaft, meine Damen und Herren! Das haben Sie noch nicht begriffen, Frau Kollegin Pittermann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir sehen nicht nur an den Ausführungen unseres Wirtschaftsministers und der Frau Staatssekretär, dass Wirtschaft und Arbeit in einem Boot sitzen. Wir haben uns losgelöst von diesem "Kasterldenken": hier die Wirtschaft und dort die Arbeit, und wir stehen dafür, dass Wirtschaft und Arbeit eins sind, Frau Kollegin Pittermann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das kommt nicht nur in programmatischen Erklärungen zum Ausdruck, wie das bei Ihnen der Fall ist, sondern das sieht man auch an den konkreten Maßnahmen, wie etwa bei der Angleichung der Rechte der Arbeiter und Angestellten. Was heißt das? (Abg. Edler: Mogel


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packung! Mogelpackung!)  – Das heißt soziale Gerechtigkeit, soziale Fairness, aber unter Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.

Im alten Stil wäre es gewesen, die Angleichung durchzuführen und die Betriebe noch mehr zu belasten. Der neue Stil heißt soziale Fairness, soziale Gerechtigkeit – unter Aufrechterhaltung der Konkurrenzfähigkeit und damit der Sicherheit der Arbeitsplätze, Frau Kollegin. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin! Ich möchte mich ausnahmsweise, weil ich nur eine Redezeit von 8 Minuten habe, nicht weiter mit Ihrem Debattenbeitrag beschäftigen, obwohl es verlockend wäre, meine ganze Redezeit Ihrer Rede zu widmen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) Ich möchte aber kurz auf zwei Zitate eingehen, die in den heutigen Zeitungen zu lesen sind.

Erstes Zitat: Die Gefahr für Österreich ist nicht der Neoliberalismus, sondern (Ruf bei der SPÖ: Der Stummvoll!) die Zwangsbeglückung und die Überreglementierung der Wirtschaft. – Kein Zitat von Stummvoll, sondern ein Zitat von Hannes Androsch. (Ah-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Heute nachzulesen in den "Oberösterreichischen Nachrichten", meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich bedauere, dass auf Grund des Linksrucks der SPÖ nach der Wahl Gusenbauers so profilierte Meinungen wie die von Hannes Androsch in Ihrer Partei keinen Stellenwert mehr haben. (Abg. Edlinger: Da habe ich schon etwas anderes von Ihnen zum Herrn Androsch gehört! – Weiterer Zwischenruf des Abg. Grabner. ) Sie denken in Kategorien der Vergangenheit, Herr Kollege Grabner! Das ist Ihr Problem! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher heißt "Österreich neu regieren" auch die Beseitigung der Überregulierung der Wirtschaft, es bedeutet Entbürokratisierung der Wirtschaft, bedeutet – wie Minister Bartenstein gesagt hat – Liberalisierung bei Strom und Gas, es bedeutet, dass Kräfte wieder frei werden, dass Arbeitsplätze geschaffen werden, dass sie gesichert werden. Das ist die neue Art, Österreich zu regieren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein zweites Zitat aus den heutigen Zeitungen. Da sage ich gleich dazu, wer es gesagt hat: Professor Frisch, Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses, der gesellschaftspolitisch sicherlich weder der ÖVP noch der FPÖ nahe steht. Professor Frisch hat heute in den Zeitungen Folgendes gesagt: Die alte Bundesregierung hat das Stabilitätsziel nicht ernst genug genommen. (Abg. Sophie Bauer: Zur alten Bundesregierung gehören Sie noch dazu!)

Jetzt werden Sie sagen, wir waren auch in der Regierung. (Abg. Grabner: No na!) Aber wer hat die Finanzpolitik bestimmt, wer hat die Budgetpolitik bestimmt, wer hat die Reformen verhindert, meine Damen und Herren? Wer war das? – Sie waren das! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Sophie Bauer: 14 Jahre waren Sie in dieser Regierung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und dass Sie jetzt so laut schreien, bestätigt Ihr schlechtes Gewissen.

Meine Damen und Herren! Wer hat es vor zwei Jahren abgelehnt, eine Ausgabeneinsparungskommission einzusetzen, die wir verlangt haben? – Der frühere Finanzminister Edlinger. Wer hat die Reformen abgelehnt? Wer hat die Pensionsreform hier im Hohen Haus vor zwei Jahren total verwässert? – Sie waren es, meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion! Sie haben die Reformen blockiert, verhindert oder verwässert. Und daher haben wir heute diesen Reformrückstau!

Darin sind sich ja alle Experten einig, die Experten der Europäischen Union, Professor Frisch, Professor Felderer, Professor Kramer vom Wifo, alle sind sich einig: Wir müssen einen noch stärkeren Sparkurs fahren – während Sie sagen, das Tempo ist viel zu schnell und wie unsozial das ist. Sie wollen die Zukunft unserer Kinder verspielen, meine Damen und Herren! Wir wollen die Zukunft unserer Kinder sichern! Und das ist der Unterschied zwischen Ihrer Philosophie und unserer Philosophie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Wenn alle gleich zahlen, wäre es gerecht! Aber Sie lassen bestimmte Bevölkerungsgruppen draußen!)


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Und ich sage Ihnen noch etwas: Wissen Sie, was mich derzeit am meisten freut? – Mich freut derzeit am meisten – und das ist mir in 20 Jahren parlamentarischer Tätigkeit noch nie passiert –, dass ich ständig auf der Straße von wildfremden Menschen angesprochen werde, die sagen: Macht nur so weiter, endlich ein frischer Wind, endlich kommen die dringend notwendigen Reformen! – Das ist Motivation, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und diese Aufbruchstimmung haben wir auch in der Wirtschaft. Wohin ich heute komme, gibt es wieder Vertrauen in die Zukunft, eine Aufbruchstimmung, wird der neue Schwung gerne angenommen. Und die Erfolge haben sich auch schon eingestellt. Wenn wir im April 32 000 Arbeitslose weniger und 28 000 Jobs mehr hatten, so ist das auf diese Aufbruchstimmung der neuen Bundesregierung zurückzuführen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin überzeugt davon: Es wird diesem Land sehr gut tun und ist auch im Sinne der politischen Hygiene, dass wir eine neue Regierungskonstellation haben, der ich zutraue und von der ich überzeugt bin, dass sie die Reformen aus einer Kombination von sozialer Verantwortung und sozialer Fairness unter Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erfolgreich umsetzen wird – im Interesse des Landes und zur Sicherung unserer Arbeitsplätze. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.47

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

14.48

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Auch zur Zukunftspolitik, zur Zukunft der Kinder, aber auch, Herr Kollege Stummvoll, zu der Gefahr, dass im Getriebe dieser Wirtschaftspolitik die Interessenvertretung der Arbeitnehmer und somit auch die Arbeitnehmer zerrieben werden könnten. Warum sage ich das? – Ich habe hier einen "Presse"-Artikel – ich habe ihn etwas vergrößert –, der die Situation eigentlich sehr schön klarmacht. (Die Rednerin hält die Kopie eines Zeitungsartikels in die Höhe.) Im Titel steht: Koalition ändert das Arbeiterkammer-Gesetz – Senkung der Beiträge vorerst noch offen.

Ich frage Sie von der ÖVP: Was werden Ihre ÖAAB-Leute, die Interessenvertretung Ihrer Arbeitnehmer, dazu sagen? Oder: Was stört Sie am offensiven Eintreten der Arbeiterkammer für die Rechte der Konsumenten? Oder stört Sie das offensive Eintreten der Arbeiterkammer für die Rechte der Frauen, dafür, dass Beruf und Familie vereinbar sein sollen? Oder stört Sie das offensive Eintreten der Arbeiterkammer für Lehrlinge, Arbeiter und Angestellte, die Millionen Schilling an offenen Lohnforderungen erstritten hat? Oder stört Sie vielleicht die Pionierarbeit der Arbeiterkammer-Rechtsexperten, die ständig mit neuen Tricks der Arbeitgeber konfrontiert sind, die versuchen, sozial- und arbeitsrechtliche Bestimmungen zu umgehen? (Abg. Dr. Martin Graf: Uns stören die Privilegien!)

Stört Sie dieses offensive Eintreten der Arbeiterkammer für die Ansprüche aus dem Arbeitsrecht? (Abg. Dr. Martin Graf: Die Privilegien stören uns! – Abg. Sophie Bauer  – in Richtung Freiheitliche –: Schauen Sie auf Ihre Privilegien!) Stört Sie das offensive Eintreten der Arbeiterkammer, die versucht, die zahlreichen neuen Formen atypischer Arbeitsverhältnisse zum Wohle der Betroffenen einer sozial verträglichen gesetzlichen Regelung zuzuführen?

Oder stört Sie das offensive Eintreten der Arbeiterkammer für Ansprüche aus dem Pensions- und Sozialversicherungsrecht? – Im vergangenen Jahr wurden Tausende Personen mit Pensions- und Sozialversicherungsfragen von der Arbeiterkammer entsprechend beraten. Tausende Beratungen wurden durchgeführt, Tausende Personen wurden vor Gericht vertreten. Stört Sie das offensive Eintreten der Arbeiterkammer für Ansprüche aus dem Titel – und hören Sie, auch das soll es geben! – Arbeitsmarktinsolvenzen? (Abg. Wattaul: Parteipolitik soll es auch geben in der Arbeiterkammer!) Das gibt es ja in Ihrem Bereich nicht, aber viele Betriebe gehen in die Insolvenz, und die Rechte der Arbeitnehmer gehen auch gleich mit in die Insolvenz. (Beifall


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bei der SPÖ. – Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Der "Konsum"! Der "Konsum"! – Abg. Dr. Martin Graf: 17 000 Arbeitsplätze beim "Konsum"! – Abg. Haigermoser: 17 000 Arbeitsplätze vernichtet!)

Meine Damen und Herren! Ich frage die Vertreter vom ÖAAB, ob sie diese Dinge wirklich mittragen können.

Mit dem vorliegenden Budget scheuen Sie auch nicht davor zurück, die Kranken, die im Krankenhaus liegen und Taggeld bezahlen, zusätzlich 10 S Versicherung für ärztliche Kunstfehler, die an Kranken begangen werden, zahlen zu lassen. Die Kranken müssen sich selbst für die Kunstfehler der Ärzte versichern! – Meine Damen und Herren, kann das Ihre Politik sein, darf das Ihre Politik sein, ist das die Politik der Zukunft?! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie vor diesen Maßnahmen nicht zurückscheuen, nämlich die Mittel der Arbeiterkammer zu kürzen, damit die Rechte der Arbeitnehmer nicht mehr vertreten werden können, werden Sie auch nicht davor zurückscheuen, jene Arbeitnehmer zahlen zu lassen, die ihre Arbeit verloren haben, ihre Ansprüche nicht bekommen, sich aber das Recht selbst erkämpfen müssen, weil die Arbeiterkammer die Mittel dafür nicht mehr hat. (Abg. Schwarzenberger: Wie beim "Konsum"!)

Diesem Budget, ohne soziale Gerechtigkeit, ohne soziale Ausgewogenheit, werden wir nicht zustimmen. Durch den Eingriff in die finanzielle Autonomie der Arbeiterkammer belasten Sie die Schwächeren, die im Getriebe zwischen Wirtschaft und Markt ihre Ansprüche weiterhin zurückstellen werden müssen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grollitsch. – Bitte.

14.53

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Eigentlich ein erfreuliches Bild – geben Sie mir Recht?, optisch sportlich –, im Wirtschaftsressort einmal Unternehmer zu sehen, die in ihrem Leben schon einmal einen eigenen Schilling investiert haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Das sagt der Beamte Grollitsch!) Da kennen wir andere Bilder aus der Vergangenheit. Also wir sind mit Ihrer Politik, mit Ihrem Auftritt, meine geschätzten Herrschaften auf der Regierungsbank, zufrieden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Richtig! Auch die Bürger!)

Herr Nürnberger hat früher gesagt – er ist wahrscheinlich jetzt beim Zahnarzt gelandet, er ist heute zahnlos –: Es geht ja nur – ich betone: nur!  – um Probleme der Langzeitarbeitslosen. Wörtliches Zitat von Nürnberger. – Und aus diesem "nur um Probleme der Langzeitarbeitslosen" ist ein Antrag geworden, den er am Ende der Debatte eingebracht hat und in dem er beklagt, dass 23 000 Personen länger als 12 Monate beim Arbeitsmarktservice gemeldet sind.

Er denkt mit keinem Funken daran, wer denn dafür verantwortlich ist. Kann man wirklich die neue Regierung für diese Zahlen verantwortlich machen? Was hat Sie, Herr Nürnberger, und Ihre Fraktion in den letzten Jahrzehnten daran gehindert, das abzustellen? Glauben Sie denn tatsächlich, dass Sie jetzt "posthum" mit einem Ruf von der Oppositionsseite das zudecken können, was Sie über Jahre und Jahrzehnte versäumt haben? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie beklagen in einem weiteren Entschließungsantrag, dass zwischen 1993 und 1997 die Anzahl der vorgemerkten Behinderten auf 84 877 Personen gestiegen ist und ein Großteil derselben langzeitarbeitslos ist. Das gleiche Problem: Wer ist denn dafür verantwortlich? Wer ist denn dafür zuständig, dass es zwischen 1993 und 1997 zu solchen Horrorzahlen gekommen ist? Also die damalige Oppositionspartei, wir Freiheitlichen, jedenfalls nicht, und die neue Regierung wohl auch noch nicht, sondern Sie selbst haben das zu verantworten, meine Herrschaften von Links! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Von der gestrigen Debatte ist vielleicht noch etwas kurz aufzuwärmen, was untergegangen ist, nämlich das Bezügebegrenzungsgesetz und die notwendigen Meldungen. Herr Präsident Fiedler hat hier beklagt, dass Hunderte und Aberhunderte von Einrichtungen, Kommunen in erster Linie, nicht bereit sind, die Einkünfte ihrer Bediensteten mit einem Doppelbezug bekannt zu geben. Nach einer kleinen Recherche kommt man dahinter, wo die Geheimnisträger stecken: Primär in der Arbeiterkammer und in der Gewerkschaft und in den sozialistisch dominierten Kommunen gibt es diese Schweigsamkeit, dieses Verdecken und Verhüllen. Dort ist man nicht bereit, die nach dem Bezügebegrenzungsgesetz notwendige Bekanntgabe der Einkommensgrößen durchzuführen. – Transparenz, meine Herrschaften, Transparenz, vor allem auf der roten Reichshälfte! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich wollte mich am Ende dieser Debatte eigentlich mit einer Bitte an den Herrn Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft – diese Kombination ist eine glückselige, wir sind froh, dass dem so ist – wenden, nämlich dass er die Sorgen der österreichischen Rohstoffwirtschaft ernst nimmt und sich mit dem Mineralrohstoffgesetz, das hier im Husch-Pfusch-Verfahren gegen all unsere Bemühungen, konstruktiv mitzuwirken, verabschiedet wurde, auseinandersetzt. Ich habe vor einem knappen Jahr einen Antrag seitens der Freiheitlichen eingebracht, der ein Sicherheitspaket zu diesem MinroG beinhaltet, und in allen Fraktionen, bis zum Herrn Eder, wurde Zustimmung dafür signalisiert, dass hier wirklich ein Gesetz in Übereile gemacht wurde, das es zu reparieren gilt.

Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, nehmen Sie dieses Anliegen ernst! Ich kann Ihnen aus allen politischen Richtungen die Sorge der Arbeitnehmer, der ökologisch Interessierten versichern. Dr. Roßmann etwa, der niederösterreichische Landesumweltanwalt, meint, dass dieses Mineralrohstoffgesetz gegen gravierende Interessen der Anrainer und des Umweltschutzes spricht. Und die Wirtschaft hat Bedenken, weil der Import von mineralischen Rohstoffen explodiert und das diesbezügliche Außenhandelsdefizit wächst.

Bitte geben Sie den österreichischen Betrieben und ihren Arbeitnehmern in Koordination mit den Rechten der Anrainer, mit den Rechten der Länder, die ihre Einflüsse über die Raumordnung geltend machen können, die Möglichkeit, Betriebe zu betreiben und aufrechtzuerhalten, Arbeitnehmer zu beschäftigen und im Bereich der Sicherung des österreichischen Rohstoffsektors produktiv zu sein, anstatt, wie es das Gesetz vorschreibt, alles zu verhindern, was man nur verhindern kann! Ich bitte Sie darum. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und Abgeordneten der ÖVP.)

14.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der nächste Redner wäre Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. Da nur mehr zwei Minuten auf 15 Uhr fehlen, meine Frage an ihn, ob ihm die Zeit ausreicht. (Abg. Ing. Gartlehner: Ja!)  – Bitte.

14.59

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Ich halte eine ganz kurze Rede. Das Wesentliche kann man, glaube ich, auch in anderthalb Minuten sagen.

Wenn man über die Wirtschaft debattiert, dann ist natürlich klar, dass die Rahmenbedingungen für die Wirtschaftspolitik in der Budgetpolitik liegen. Und wenn man den nicht sehr ambitionierten Bericht der neuen Bundesregierung, das neue Stabilitätsprogramm bis in das Jahr 2005 hier ansprechen will, dann muss ich sagen, diese Bundesregierung ist wirklich dabei, eine sehr ambitionslose Wirtschaftspolitik umzusetzen, und zwar aus mehreren Gründen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wie wir wissen, ist in den letzten Jahren eine sehr intensive und gute Budgetkonsolidierungspolitik umgesetzt worden. Ich denke nur an die Reduzierung des Schuldenstandes von 1995. Damals hatten wir einen Schuldenstand von 68 Prozent, im Jahr 1999 sind wir nur mehr mit 64,9 Prozent verschuldet gewesen.

Wir liegen damit nicht, wie Herr Finanzminister Grasser immer erklärt, in Europa an der Spitze, sondern wir liegen deutlich unter dem Euro-Schnitt, der 72,2 Prozent des BIP beträgt. Daher,


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meine Damen und Herren, kann diese Aussage des Herrn Finanzministers zurückgewiesen werden.

Die EU kritisiert an diesem unambitionierten Programm – der Herr Finanzminister hat sich seine Fotzen für dieses Stabilitätsprogramm abgeholt und nicht für die Politik der vergangenen Jahre –, dass das Vorhaben zur Senkung der Defizitquote bis 2003 nicht ambitioniert genug ist; 1,3 Prozent entsprechen nicht dem Standard, um die 3-Prozent-Grenze in Zeiten einer wirtschaftlicher Krise nicht zu überschreiten. Das Ziel der jährlichen Einmaleinnahmen wird insbesondere überhaupt nur durch Realitätenverkäufe erreicht und die erwarteten Überschüsse der Gebietskörperschaften werden nicht eintreten. Wir wissen genau, dass diese lachhafte Regelung der Getränkesteuer und auch der Werbeabgabe dazu führen wird, dass die Kommunen ihre Leistungen im Konsolidierungsbereich nicht erbringen werden können.

Der Schuldenstand verschlechtert sich sogar, so plant es dieser Minister, gegenüber dem letzten Programm, das die alte Bundesregierung ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Wollen Sie, dass ich unterbreche, oder wollen Sie einen Schlusssatz sprechen? – Einen Schlusssatz, bitte.

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (fortsetzend): Ich komme schon zum Schluss: Dass diese Bundesregierung mit der Politik, die sie betreibt, speziell mit dieser Klientel-Politik, nicht wirklich gute Wirtschaftspolitik betreiben kann, dass es im Jahre 2003 natürlich so ausgehen wird, dass man einen wirtschaftspolitischen Bauchfleck landen wird und sie mit Sicherheit schon deshalb wieder abgewählt werden wird, ist klar. (Beifall bei der SPÖ.)

15.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich unterbreche nunmehr im Sinne der einschlägigen Bestimmungen die Verhandlungen über den Punkt 1 der Tagesordnung.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Doris Bures und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend massive Verschlechterungen für kranke Menschen durch das FPÖ/ÖVP-Belastungspaket im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (750/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gelange zum Aufruf der Dringlichen Anfrage Nummer 750/J der Frau Abgeordneten Bures.

Da die Anfrage allen Abgeordneten schriftlich vorliegt, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Das österreichische Gesundheitssystem stellt durch die solidarische, umlagefinanzierte Pflichtversicherung den chancengleichen Zugang für alle Versicherten und deren Angehörigen zu Leistungen des Gesundheitswesens unabhängig vom Alter, Geschlecht und finanzieller Leistungsfähigkeit sicher.

Durch dieses Modell der solidarischen Finanzierung des Gesundheitssystems ist es in Österreich gelungen, die Spaltung der Gesellschaft und die nunmehr drohende Zwei-Klassen-Medizin zu verhindern.

Durch den Anschlag auf die Geldbörsen kranker Menschen gefährdet die FPÖVP die gesellschaftliche Solidarität massiv.

Das Leitmotiv, mit dem die blau-schwarze Abkassierer-Koalition unverhohlen in die Taschen kranker Menschen greift ist: ,Wer krank ist, muss zahlen‘.


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Hier sind exemplarisch einige der blau-schwarzen Maßnahmen genannt:

Bis zu 1 000 S Selbstbehalt in Spitalsambulanzen pro Jahr und Person.

Erhöhung des Selbstbehalts im Spital um rund 43 Prozent.

Erhöhung der Rezeptgebühr um über 22 Prozent.

Generelle Selbstbehalte für alle neuen medizinischen Leistungen (zum Beispiel Psychotherapie 20 Prozent).

Kürzung des Krankengeldes für Schwerstkranke.

Streichung der Zuschüsse für Heilbehelfe und Hilfsmittel (Hörgeräte, Prothesen et cetera).

Streichung der Maßnahmen für Gesundheitsfestigung und Krankheitsverhütung.

Staatssekretär Waneck hat in einer offiziellen Aussendung behauptet, dass dieses Paket ,sozial ausgewogen ist, weil es kranke und sozial schwache Menschen nicht zusätzlich belastet‘!

Die unterfertigten sozialdemokratischen Abgeordneten empfinden diese Aussage, die besonders kranke Menschen trifft, als zynisch und menschenverachtend und stellen daher nachfolgende

Dringliche Anfrage

1. Belastet die Kürzung des Krankengeldanspruches auf 52 Wochen nicht Schwerkranke (Krebspatienten mit Chemo- oder Strahlentherapie, schwerste Gehirnblutungen, Trümmerbrüche nach Arbeitsunfällen)?

2. Welche Einsparungen erwarten Sie durch die gänzliche Streichung des Anspruchs über 52 Wochen?

3. Ist es richtig, dass bei Ansprüchen über 52 Wochen die Chefärzte der Krankenkassen künftig folgende Entscheidungen zu treffen haben:

a) Ist der Versicherte am Arbeitsmarkt integrierbar oder nicht?

b) Wenn nein, kein Krankengeldanspruch über 52 Wochen?

c) Hat der Versicherte nur mehr eine beschränkte Lebenserwartung?

d) Wenn ja, ist die neue Form des unbegrenzten Krankengeldanspruches ein neues Sterbegeld?

4. Sind Sie nicht der Meinung, dass künftig medizinisch und ethisch bedenkliche Entscheidungen durch Ihr Belastungspaket von Ärzten zu treffen sein werden?

5. Was ist eine beschränkte Lebenserwartung aus Ihrer Sicht (etwa 2 Wochen oder 6 Monate)?

6. Wie oft zahlt ein verunfallter Mensch Ambulanzgebühr, wenn er für seine Gesundung in die Unfallambulanz geht und in weiterer Folge die Laborambulanz und die Röntgenambulanz aufsuchen muss?

Ambulanzgebühren und Verpflegungskostenbeitrag

Laut Presseunterlage werden zwei verschiedene Ambulanzgebühren eingeführt:

Bei Aufsuchen einer Ambulanz mittels Überweisung durch einen praktischen Arzt oder Facharzt 150 S pro Besuch.

Bei direkter Inanspruchnahme ohne Überweisung ein Behandlungsbeitrag von 250 S.

Ausgenommen sind medizinische Notfälle.

Insgesamt darf der Behandlungsbeitrag 1 000 S pro Jahr nicht überschreiten.


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Inklusive des von 72 S auf 100 S angehobenen Verpflegskostenbeitrags je stationärem Aufenthaltstag rechnet die Bundesregierung mit Einnahmen von einer Milliarde Schilling.

Laut Staatssekretär Waneck (APA-Meldung 0629 vom 14.4.2000/17:04 Uhr) gelten für die Ambulanzgebühr die gleichen Ausnahmeregelungen wie bei der Rezeptgebühr.

7. Ist es richtig, dass PensionistInnen und Kinder also im Gegensatz zur Krankenscheingebühr von den Ambulanzgebühren nicht befreit sind?

8. Wie viele PensionistInnen und Kinder werden also in Zukunft Ambulanzgebühren zu zahlen haben?

9. Wie viele Ambulanzfälle gibt es in Österreich?

10. Welche Summe wollen Sie von PensionistInnen und Eltern insgesamt pro Jahr einheben?

11. Laut APA-Meldung 0629 vom 14.4.2000/17:04 Uhr meinte Staatssekretär Waneck, dass die Österreicher sehr spitalsfreudig seien: ,Man könnte sagen, das Krankenhaus ist der beliebteste Zweitwohnsitz des Österreichers.‘ Frau Bundesministerin, sind diese Aussagen Ihres Staatssekretärs nicht ein glatter Zynismus?

12. Welche Menschen legen sich, nach Ansicht der FPÖVP-Regierung, gerne ins Krankenhaus und besuchen aus Jux und Tollerei eine Spitalsambulanz?

13. Ist es nicht ein Faktum, dass die niedergelassenen Ärzte die PatientInnen in das Krankenhaus stationär einweisen und in die Krankenhausambulanz (laut ÖBIG 50 Prozent der Ambulanzfälle) zuweisen?

14. Unterstellt Ihr Staatssekretär nicht den österreichischen Ärzten, dass sie medizinisch ungerechtfertigt ins Krankenhaus einweisen und in die Krankenhausambulanz zuweisen?

15. Wenn Ärzte ungerechtfertigt zuweisen, sind dann nicht Steuerungseffekte bei den niedergelassenen Ärzten notwendig und nicht bei den PatientInnen?

16. Sind es nicht die Spitalsärzte, die vor der Aufnahme ins Krankenhaus die Anstaltsbedürftigkeit festzustellen haben?

17. Wer bestimmt vor einer Entlassung, ob keine Anstaltsbedürftigkeit mehr vorliegt?

18. Unterstellt nicht Ihr Staatssekretär den Spitalsärzten, dass sie PatientInnen gesetzwidrig (Krankenanstaltengesetz) ins Krankenhaus aufnehmen und zu lange im Krankenhaus belassen, obwohl keine Anstaltsbedürftigkeit vorliegt?

a) Wenn das so ist, sind dann nicht Steuerungseffekte bei den Spitalsärzten notwendig und nicht bei den PatientInnen?

19. Führen Ambulanzgebühren nicht zu einer Ungleichbehandlung der PatientInnen, vor allem jener im ländlichen Raum?

20. Wie wollen Sie es anstellen, im ländlichen Bereich den PatientInnen alle Facharztgruppen im niedergelassenen Bereich zur Verfügung zu stellen?

21. Ist es nicht so, dass im ländlichen Raum die Spitalsambulanzen die fachärztliche Versorgung übernehmen?

22. Ist diese Vorgangsweise der Versorgung über Spitalsambulanzen nicht ökonomisch sinnvoll, da bestimmte Fachärzte ohne ein entsprechendes Einzugsgebiet nicht überleben können?


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23. Oder planen Sie eine Erhöhung der Krankenversicherungshonorare, die ein Überleben bei geringer Auslastung sichern würden, was aber zu einer weiteren Kostenexplosion der Gesundheitsausgaben führt und volkswirtschaftlich kontraproduktiv ist?

24. Ist in einer solchen Vorgangsweise nicht ein massives Qualitätsproblem versteckt, da im Sinne der Qualitätssicherung ein quantitatives Mindestmaß an diagnostischen und therapeutischen Handlungen notwendig ist?

25. Ist die ländliche Bevölkerung nicht drastisch benachteiligt, da sie nur die Wahl zwischen einer weiten Anreise zum niedergelassenen Facharzt oder der Bezahlung von Ambulanzgebühren hat?

26. Woher kommt die Erkenntnis und welche wissenschaftliche Evidenz gibt es, dass eine Verlagerung von medizinischen Leistungen von den Spitalsambulanzen in den niedergelassenen Bereich auch zwingend zu einer Kostensenkung für das Gesundheitswesen und speziell für die Sozialversicherung führt?

27. In einer APA-Meldung 0512 vom 5.5.2000/16:09 Uhr wurden die durchschnittlichen Kosten einer Behandlung in einer Ambulanz mit den durchschnittlichen Fallkosten in der freien Praxis verglichen. Werden hier nicht Äpfel mit Birnen verglichen, weil das Leistungsspektrum der Ambulanzen ,alles aus einer Hand‘ mit den durchschnittlichen Kosten eines einzigen Krankenbehandlungsscheines ohne Medikamentenkosten verglichen wird?

a) Welche konkreten Krankheitsbilder haben Sie bei diesem Kostenvergleich gegenübergestellt?

28. Ihr Staatssekretär hat in der APA-Meldung 0148 vom 4.5.2000/10:31 Uhr die überwiegende Schuld an den Finanzierungsproblemen der sozialen Krankenversicherung den Ambulanzen und Krankenanstalten zugeschoben. In der APA-Meldung 0273 vom 4.5.2000/12:39 Uhr wurde dies vom Staatssekretär anders dargestellt. Wie ist der tatsächliche Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Spitalskosten seit 1997 und der Entwicklung der Ausgabenbelastung der sozialen Krankenversicherung?

29. Planen Sie den Spitalserhaltern zu empfehlen, Spitalsambulanzen zu schließen oder die Kapazitäten entsprechend zu reduzieren?

a) Wenn ja, in welchem Bundesland, in welcher Gemeinde?

30. Ist diese Vorgangsweise (Schließung von Ambulanzen) überhaupt realistisch, da die Spitäler ambulante Einrichtungen (zum Beispiel Radiologie, Labor) auch für den stationären Bereich benötigen und auch eine versorgungspolitische Vorhaltepflicht besteht?

31. Um PatientInnen ein vergleichbares qualitativ hochwertiges Angebot machen zu können, müssen die niedergelassenen Fachärzte mindestens 40 Stunden in der Woche, abzüglich Visitentätigkeit, ihre Ordinationen offen halten und für jede Facharztgruppe einen Nacht-, Wochenend- und Feiertagsnotdienst organisieren, damit ein Facharzt auch für die PatientInnen verfügbar ist:

a) Stimmen Sie dieser Mindestanforderung zu?

b) Wenn ja, ist diese Vorgangsweise ökonomisch für die Sozialversicherung sinnhaft und finanzierbar?

32. Ausgenommen von der Ambulanzgebühr sind Notfälle. Laut APA-Meldung 0629 vom 14.4.2000/17:04 Uhr stellt Staatssekretär Waneck fest, dass das Spital selbstverständlich bestimme, was ein Notfall ist:

a) Ist es also künftig von der individuellen Einschätzung des Dienst habenden Arztes in der Krankenhausambulanz abhängig, was ein medizinischer Notfall ist?

b) Nach welchen Kriterien müssen die Spitalsärzte vorgehen?


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c) Ist eine Schnittwunde ein Notfall?

d) Ist es Spitalsärzten zumutbar, sich mit den PatientInnen über die Frage ,Notfall ja oder nein‘ auseinander zu setzen?

e) Besteht nicht die Gefahr einer ungeheuren Klagsflut, wenn PatientInnen der Auffassung sind, dass ihr Gesundheitszustand einem Notfall entspricht und der Arzt anders entschieden hat?

f) Welche Kosten für Prozesse und Sachverständigengutachten haben Sie in Ihre Berechnungen einfließen lassen?

33. Wie hoch ist der bürokratische Aufwand für die Ambulanzgebühren?

34. Wer hebt die Ambulanzgebühren ein?

35. Werden Sie ein individuelles Ambulanzgebührenkonto für jeden Versicherten und seine Angehörigen für Behandlungen in Österreich einrichten lassen?

a) Wie hoch ist der finanzielle Aufwand für diese bürokratische Regelung?

b) Wer wird dieses Ambulanzgebührenkonto führen?

36. Wie viel bezahlt ein vom Arzt überwiesener Patient beim siebten Besuch in der Ambulanz?

Laut Presseunterlage wird der Verpflegskostenbeitrag je stationärem Aufenthaltstag von 72 S auf 100 S angehoben. 10 S davon sollen der Finanzierung einer neu einzurichtenden verschuldensunabhängigen Patientenversicherung gewidmet werden.

37. Zahlen sich PatientInnen künftig ihre Schmerzengelder und Schadenersatzzahlungen selbst, da aus der Erhöhung des Verpflegskostenbeitrags die verschuldensunabhängige Patientenversicherung finanziert wird?

a) Welchen Beitrag leisten die Krankenanstalten, die Ärzte, die Pharmaindustrie in diesen Fonds?

Rezeptgebühr und Selbstmedikation

Laut Pressekonferenzunterlage der Bundesregierung:

Die Rezeptgebühr wird von 45 S auf 55 S erhöht.

Keine Veränderung bei der Rezeptgebührenbefreiung.

Die Selbstmedikation soll durch Ausweitung der rezeptfreien Arzneimittel stärker ermöglicht werden.

38. Soll mit der Erhöhung der Rezeptgebühr dem steigenden Arzneimittelverbrauch Rechnung getragen werden?

39. Was hat die Rezeptgebühr mit dem steigenden Arzneimittelkonsum zu tun?

40. Werden Medikamente nicht von den Ärzten verordnet?

41. Müsste man Ärzte in die ökonomische Verantwortung im Gesundheitswesen einbinden?

42. Gibt es Studien, wie viele PatientInnen gegenüber dem Arzt gar nicht den Wunsch nach Medikamenten äußern?

43. Kennen Sie die Studie des deutschen Gesundheitswissenschafters Prof. Schwartz, Mitglied des Sachverständigenrates der deutschen Bundesregierung, der feststellt, dass Ärzte das ,Medikamentenbedürfnis‘ der PatientInnen völlig falsch einschätzen?


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a) Teilen Sie diese Einschätzung?

44. Bedeutet die Ausweitung der Selbstmedikation nicht ein totales Nachgeben gegenüber der Pharmaindustrie?

45. Bedeutet die Einführung eines 100-prozentigen Selbstbehaltes nicht ein totales Nachgeben gegenüber der Pharmaindustrie?

a) Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie wann setzen, um diesen Zustand zu verändern?

46. Ist bei Selbstmedikation nicht ein noch höherer Privatpreis in der Apotheke zu befürchten, da die Rabatte der Krankenkassen wegfallen?

47. Welche Einsparungen erwarten Sie durch die Selbstmedikation für die Krankenkassen?

48. Welche Mehrbelastungen erwarten Sie für die betroffenen Menschen?

49. Besteht nicht die Gefahr, dass die Selbstmedikation dazu führt, dass durch chronischen ,Medikamentenmissbrauch‘ die Dialysefälle massiv ansteigen werden?

a) Wird durch die Folgekosten das Gesundheitswesen nicht massiv belastet?

Heilbehelfe und Hilfsmittel

Laut Pressekonferenzunterlage der Bundesregierung:

Einsparung bei Zuzahlung von Heilbehelfen sollen sich ebenfalls kostendämpfend auswirken.

Maßnahmen der Rehabilitation sind davon ausgenommen (Rollstühle, orthopädische Gehbehelfe, et cetera).

50. Werden Heilbehelfe und Hilfsmittel für die PatientInnen noch teurer?

51. Ist es richtig, dass den Versicherten massive Teuerungen ins Haus stehen, weil viele Gebietskrankenkassen die satzungsmäßigen Höchstgrenzen ausgeschöpft haben, um die Versicherten finanziell maximal zu entlasten?

52. Wie hoch sind diese Mehrbelastungen für die Menschen?

Zuzahlungen für neu einzuführende Leistungen

Laut Pressekonferenzunterlage der Bundesregierung:

Zuzahlungen für neu einzuführende Leistungen im Verantwortungsbereich der Krankenkassen (zum Beispiel 20 Prozent Selbstbehalt bei Vertragsabschluss Psychotherapie).

53. Soll der gesamte medizinische Fortschritt selbstbehaltspflichtig werden?

54. Geht es nur um Leistungen wie Psychotherapie?

55. Bedeuten die Aussagen der Bundesregierung nicht, dass jede neue Leistung, die in einen Ärztegesamtvertrag aufgenommen wird, in Zukunft mit einem 20-prozentigen Selbstbehalt belegt werden müsste?

56. Verstehen Sie darunter auch jedes neue Medikament, das in das Heilmittelverzeichnis aufgenommen wird?

57. Bedeutet das, dass jeder neue Rehabilitationsartikel zu einem 20-prozentigen Selbstbehalt führt?


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58. Wenn jede neue Leistung mit einem 20-prozentigen Selbstbehalt belegt wird, wie erklären Sie die Versprechungen der FPÖVP, keinen Selbstbehalt bei niedergelassenen Ärzten einzuführen?

59. Wer soll diese neuen Selbstbehalte vorschreiben?

a) Von wem werden sie eingehoben?

b) Wie hoch sind die Verwaltungskosten für diese Maßnahmen?

c) Werden diese Verwaltungskosten den Spitalsträgern abgegolten?

d) Welche zusätzlichen Einnahmen erwarten Sie durch die Einhebung dieser neuen Selbstbehalte?

Vorziehung der Einführung der Chipkarte

Laut Pressekonferenzunterlage der Bundesregierung:

Vorziehung der Einführung der Chipkarte in das Jahr 2002 mit der Zusatzmöglichkeit für alle PatientInnen, freiwillig medizinische Notfalldaten darauf speichern zu können.

60. Ist es richtig, dass mit Einführung der Chipkarte die Krankenscheingebühr abgeschafft und ein genereller prozentueller Selbstbehalt eingeführt wird?

61. Will man die Versicherten durch die Einführung des prozentuellen Selbstbehalts noch vor Ende dieser Legislaturperiode belasten?

a) Wenn ja, in welcher Höhe?

62. Was sind medizinische Notfalldaten, die freiwillig gespeichert werden können?

63. Dürfen diese medizinischen Notfalldaten von einem Arzt ohne entsprechende Gegenprobe verwendet werden?

64. Wer hat Zugriff auf diese medizinischen Notfalldaten (zum Beispiel der Betriebsarzt)?

Einsparungen im Bereich Arzneimittelkosten

Laut Pressekonferenzunterlage der Bundesregierung:

Einsparungen im Bereich Arzneimittelkosten, mit dem Ziel, die erwarteten Kostensteigerungen bis Ende 2001 um 2,5 Milliarden zu senken.

Reduzierung der Großhandelsspanne, der Apothekenspanne sowie durch laufende Verhandlungen des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger mit der pharmazeutischen Industrie unter Anwendung der bestehenden Instrumente.

Durch Einführung eines EDV-gestützten Informationssystems (Ökonomiemodul) soll die Verschreibepraxis der Vertragsärzte ebenfalls zu einer Reduzierung der Arzneimittelkosten beitragen.

Keinesfalls dürfen starre Deckelungen eingeführt werden.

Preiskommission soll vor allem bei den häufig verordneten Medikamenten einen ständigen EU-weiten Preisvergleich durchführen.

65. Was hat Ihr Ressort, seit Ihrem Amtsantritt, an Regelungsmaßnahmen für die Dämpfung der Arzneimittelkosten erlassen?

a) Was sind die finanziellen Auswirkungen dieser Regelungen?


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b) Sind diese Maßnahmen aus Ihrer Sicht ausreichend?

66. Was werden Sie in Ihrem Ressort unternehmen, um dieses Paket umzusetzen?

a) Bei den Industriepreisen?

b) Bei den Großhandelsspannen?

c) Bei den Apothekenspannen?

67. Wie soll die Sozialversicherung dieses Paket gegen die Apothekerkammer und die Bundeswirtschaftskammer (Großhandel und pharmazeutische Industrie) ohne politische und gesetzliche Unterstützung durchdrücken?

68. Werden Sie gesetzlich einen besonderen Sanktionsmechanismus gegenüber Vertragsärzten im Rahmen des Ökonomiemoduls einführen?

a) Wenn ja, wie sieht dieser aus?

b) Wenn nein, warum nicht?

69. Warum kommt es zu keinen Deckelungen der Arzneimittelausgaben?

Einsparungen im Verwaltungsbereich

Laut Pressekonferenzunterlage der Bundesregierung:

Einsparungen im Verwaltungsbereich des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger und der Krankenversicherungsträger und bei den Ermessensausgaben durch:

Nutzung von Synergien (Realisierung eines funktionsfähigen EDV-Netzwerkes)

Steigerung der Effizienz

Nulllohnrunde

Streichung nicht zeitgemäßer Zulagen

und im Bereich der freiwilligen höheren Satzungsleistungen

Jahreseinsparungssumme 1,5 Milliarden

unter anderem durch flexible Budgetierung

70. Wie wollen Sie die Einsparungen bei Verwaltungskosten auf die einzelnen Krankenversicherungsträger gewichten?

71. Können Sie die ASVG-Träger mit der BVA, der SVA der Bauern, der SVA der gewerblichen Wirtschaft vergleichen, obwohl sie kein Krankengeld zu zahlen haben und keinen Schwerpunkt ,Mutterschaftsfälle‘ haben?

72. Ist es richtig, dass die ASVG-Krankenversicherungsträger derzeit rund halb so hohe Verwaltungskosten je geschützter Person im Vergleich zu anderen KV-Trägern (BVA, SVA der Bauern, der SVA der gewerblichen Wirtschaft) haben?

73. Welche Serviceverschlechterungen werden Sie definieren, mit denen die Versicherten (Öffnungszeiten, Standorte) zu rechnen haben?

74. Planen Sie Schließungen von Außenstellen der Gebietskrankenkassen?


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75. Welche Kontrollen gegenüber Vertragspartnern (Honorare, Medikamentenkosten, Falschabrechnungen et cetera), Dienstgebern (Beitragsprüfung) und Versicherten (Krankenstandskontrollen) sollen eingeschränkt werden, und wer hat die Ausgabensteigerung und Einnahmendämpfung zu verantworten?

76. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Ärzte mit den Krankenkassen EDV-mäßig abrechnen?

a) Planen Sie hier gesetzliche Unterstützungen?

b) Wenn ja, wann und welche?

c) Wenn nein, warum nicht?

Controlling-Gremium

Laut Pressekonferenzunterlage der Bundesregierung:

Im BMSG/STS ist ein Controlling-Gremium einzurichten, das unter Einbeziehung externer Experten eine ständig begleitende Beobachtung der KV auf Einhaltung des Maßnahmenmixes durchführt.

Diesem Gremium ist vom HVB monatlich ein Finanzbericht über die Entwicklung des Budgetvollzuges vorzulegen.

77. Was ist die Aufgabe des Controlling-Gremiums?

a) Wer sind die Mitglieder?

b) Werden die Ergebnisse veröffentlicht?

78. Werden Sie die Krankenkassen bei der Durchsetzung von Forderungen gegenüber Ärzten, Apothekern, Spitälern, Pharmaindustrie und allen anderen Vertragspartnern im Rahmen dieses Controllinginstruments unterstützen?

a) Wenn ja, mit welchen Maßnahmen?

b) Wenn nein, warum nicht?

Selbstverwaltung

Laut Pressekonferenzunterlage der Bundesregierung:

Auftrag und Verpflichtung, dass die Krankenkassen ihre Finanzierungsprobleme zu lösen haben.

Die Führungsorgane müssen ihre Verantwortung im Selbstverwaltungsbereich im Sinne einer raschen Anpassung an moderne Unternehmensstrukturen wahrnehmen, was auch die Haftung der Mitglieder der Verwaltungskörper der Versicherungsträger und des Hauptverbandes beinhaltet.

Laut APA-Meldung 0608 vom 14.4.2000/16:29 Uhr stellte der Bundeskanzler klar, dass der HVB zu Strukturmaßnahmen bereit sein müsse: ,Es kann nicht sein, dass alles immer beim Alten bleiben muss.‘ Sollte sich der HVB nicht gesprächsbereit zeigen, ,werden wir uns die Frage nach der Legitimität der Funktionäre zu stellen haben‘, erklärte der Bundeskanzler. Weiters darf auf das Interview in der ZiB 2 am 14.4.2000 verwiesen werden.

79. Finden Sie die Aussagen des Herrn Bundeskanzlers nicht für demokratiepolitisch bedenklich?

a) Wird die Selbstverwaltung, wenn sie nicht spurt, für illegitim erklärt?

b) Wollen Sie die basisdemokratische Selbstverwaltung ausschalten?


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c) Wenn ja, wie ist die weitere Vorgangsweise?

d) Wenn nein, warum gibt es dann diese Drohgebärden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR dringlich zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet hat sich Herr Klubobmann Dr. Khol. – Bitte.

15.02

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 93 Abs. 4 der Geschäftsordnung regelt betreffend dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage und in Bezug auf jenes Regierungsmitglied, das diese Anfrage beantwortet, Folgendes: "Die Stellungnahme beziehungsweise Beantwortung soll 20 Minuten nicht übersteigen."

Es liegt jetzt eine Dringliche Anfrage vor, die aus 79 Fragen und 44 zusätzlichen Subfragen besteht. Das gibt – über den Daumen gepeilt – 120 Fragen. (Rufe bei der ÖVP: Wahnsinn!) Wenn der Herr Staatssekretär diese Anfrage beantworten will, hat er für jede Frage 10 Sekunden Zeit. Ich möchte das jetzt problematisieren, weil ich weiß, dass die Opposition, wenn ein Minister oder ein Staatssekretär hier auf der Regierungsbank länger als 20 Minuten redet, unruhig wird. Wenn der Edlinger-Rekord von 55 Minuten in der Anfragebeantwortung überschritten wird, folgen in der Regel Debatten zur Geschäftsbehandlung.

Ich möchte generell auf die Problematik dieser Anfrage hinweisen und anregen, dass diese Frage in der nächsten Präsidialkonferenz beraten wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer – in Richtung SPÖ –: Wollen Sie es vielleicht schriftlich behandelt?)

15.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wie bei der Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung heute früh möchte ich erklären, dass ich selbstverständlich gerne dazu bereit bin, dass wir diese Frage in der nächsten Präsidiale behandeln. Ich füge auch hinzu, dass ich den Herrn Staatssekretär vor fünf Minuten, zu diesem Zeitpunkt noch nicht von Ihrer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung wissend, darauf aufmerksam gemacht habe, dass ich ihn nach 20 Minuten selbstverständlich nicht unterbrechen werde, weil es sich um eine so ausführliche Dringliche Anfrage handelt und es bereits mehrere Fälle gab, bei denen diese Zeitspanne von 20 Minuten wesentlich überschritten wurde.

Mein persönliches Prinzip ist es, darauf zu drängen, dass die Relation zwischen allenfalls allgemeinen, oft politisch pointierten Stellungnahmen und der konkreten Anfragebeantwortung in einem vernünftigen Ausmaß bleibt. Ich bin mir jedoch ganz sicher, dass das beim Herrn Staatssekretär der Fall sein wird.

Es liegt noch eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung von Herrn Abgeordneten Dr. Kostelka vor. – Bitte.

15.05

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Fürs Erste zeugt diese Wortmeldung des Herrn Kollegen Khol davon, dass die Fragen offensichtlich sehr unangenehm sind. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wir sind daher sehr gespannt auf die Antworten.

Es ist in der Vergangenheit Regierungsmitgliedern unschwer möglich gewesen, eine Anfrage auch zusammenfassend zu beantworten. Offensichtlich ist das jetzt die Vorbereitung darauf,


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dass diese Anfrage weitgehend überhaupt nicht beantwortet werden soll. Wir sind deswegen sehr gespannt auf die Debatte und die Beantwortung.

15.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die nächste Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung kommt von Herrn Abgeordneten Ing. Westenthaler. – Bitte.

15.06

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Fragen sind nicht unangenehm, aber es zeugt schon von einem gewissen parlamentarischen Stil, wenn laut Geschäftsordnung die Redezeit von 20 Minuten nicht überschritten werden soll, Sie aber rund 120 Anfragen stellen. – Herr Kollege Kostelka! Ich darf Sie daran erinnern, dass Ihre Fraktion und Sie selbst immer gejammert haben, wenn die Freiheitlichen, als sie in der Opposition waren, auch nur 30 Fragen in einer Dringlichen Anfrage gestellt haben.

Ich sage Ihnen Folgendes: Sie sind nicht an den Fragen interessiert. Sie sind auch nicht an einer ordentlichen Beantwortung interessiert, sondern das, was Sie hier tun, ist Ausdruck Ihrer Fundamentalopposition, und das haben wir wieder einmal zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

15.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Frau Abgeordneter Bures als Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. Die Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Da kann es sich ja nur um eine Mietrechtssache handeln!)

15.07

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe natürlich zu, dass das eine Unzahl an Fragen ist, die wir an Sie, Herr Staatssekretär, als dem Vertreter der Frau Bundesministerin richten. Das Problem aber ist, dass Ihre Politik so viele Fragen offen lässt, deren Antworten nicht nur die sozialdemokratische Fraktion interessieren. Ihre Politik lässt so viele Fragen offen, wobei die gesamte Bevölkerung ein Recht darauf hat, dass diese auch korrekt beantwortet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist den Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen in den letzten 30 Jahren gelungen, die Vision Bruno Kreiskys, den Kampf gegen das Sterben vor der Zeit, aufzunehmen und, wie man sieht, auch zu gewinnen. (Beifall bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Die durchschnittliche Lebenserwartung ist (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen)  – danke! – seit dem Jahre 1970 bei Männern von 66,5 Jahren auf 74,7 Jahre und bei Frauen von 73,4 Jahren auf 80,9 Jahre angestiegen. (Abg. Dr. Leiner: Aber nicht nur in Österreich!) Dies konnte nur durch gemeinsame Anstrengungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der österreichischen Sozialversicherung und natürlich der Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsbereich erreicht werden. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dietachmayr. ) Die Umsetzung unserer Vorstellung von einem solidarischen, umlagenfinanzierten österreichischen Gesundheitssystem war nur durch die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung möglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit konnten wir den chancengleichen Zugang für alle versicherten Menschen und deren Angehörige – das sind vor allem Kinder – zu Leistungen des Gesundheitswesens eben unabhängig vom Alter, Geschlecht und insbesondere auch unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit sichern. (Abg. Dietachmayr: Ist das ein Volksfest?)

Die stark ausgeprägte solidarische Komponente unseres Systems, insbesondere für Familien, ist natürlich die beitragsfreie Mitversicherung. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)  – Ich weiß es ohnehin: Diese Reaktion zeigt, dass Ihnen von der Regierungskoalition kranke Menschen und die Belastungen, die Sie diesen Menschen zumuten,


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23. Sitzung / Seite 105

ja völlig egal sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dietachmayr: Das ist unerhört! Eine Frechheit! Eine Unhöflichkeit!) Anders ist auch für die Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie Ihr Lärmpegel nicht zu erklären.

Dieses Modell, das wir für eine solidarische Finanzierung des Gesundheitssystems durchgesetzt haben, hat etwas Wesentliches verhindert, nämlich dass es eine Zweiklassenmedizin gibt. Und genau das setzen Sie derzeit aufs Spiel! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Sie von ÖVP und FPÖ planen einen Anschlag auf die Geldbörse gerade jener Menschen, die es ohnedies schwer trifft, weil sie krank sind, und gefährden damit, so wie in vielen anderen Bereichen auch, die gesellschaftliche Solidarität. Ihr Leitmotiv bei diesen Maßnahmen, die Sie offensichtlich planen und zu denen wir heute konkrete Antworten haben wollen, scheint zu sein: Wer krank ist und sowieso dieses Leid zu tragen hat, muss sich in Zukunft auch Sorgen machen, ob er sich Krankheit überhaupt leisten kann.

Lassen Sie mich nur stichwortartig aufzählen, was wir Ihren Presseaussendungen und der Regierungserklärung zu dem, was Sie planen, entnommen haben: bis zu 1 000 S Selbstbehalt in Spitalsambulanzen pro Jahr und Person, die Erhöhung des Selbstbehalts im Spital um rund 43 Prozent, die Erhöhung von Rezeptgebühren um über 22 Prozent, generelle Selbstbehalte für alle neuen medizinischen Leistungen wie zum Beispiel Psychotherapie, Kürzung des Krankengeldes gerade für schwerstkranke Menschen in diesem Land, die Streichung ... (Abg. Donabauer: Da gibt es keine ...! Reden Sie keinen Unsinn! – Ruf bei der SPÖ: Skandalös!)  – Dann treten Sie hier ans Rednerpult und sagen Sie, was Sie vorhaben, diesen Menschen anzutun! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie streichen die Zuschüsse für Heilbehelfe. Das klingt technisch. Dabei handelt es sich aber um Krücken, damit sind Rollstühle gemeint, damit sind Brillen gemeint. In diesem Bereich kürzen Sie. Sie streichen Maßnahmen für Gesundheitsfestigung und Krankheitsverhütung in der Prävention.

Herr Staatssekretär! Zu all dem haben Sie in einer Aussendung behauptet, das sei sozial ausgewogen, weil es kranke und sozial schwache Menschen nicht zusätzlich belaste. – Ich empfinde es als zynisch und menschenverachtend, wenn Sie solche Aussagen machen. Wir kennen das, was Sie planen – und es steht im krassen Widerspruch zu dem, was Sie versprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie treffen nämlich in Wirklichkeit mit Ihren geplanten unsozialen Maßnahmen voll die schwächsten und kranken Menschen. Sie, gerade von der Freiheitlichen Partei, haben nichts als leere Worte für die "kleinen" Leute. Wenn Sie an "kleine" Leute denken, dann denken Sie offensichtlich nur an deren Geldbörse. Sie belasten durch die Kürzung des Krankengeldanspruches auf 52 Wochen die Schwerstkranken. Das sind Krebspatienten, Patienten, die einer Chemotherapie oder Strahlentherapie bedürfen, die schwerste Gehirnblutungen haben. Das sind jene Menschen, die einen längeren Krankenstand als 52 Wochen brauchen, Menschen, die Trümmerbrüche bei Arbeitsunfällen erlitten haben. – Nur, damit alle wissen, von welchen Menschen hier die Rede ist, bei welchen Sie zu kürzen beginnen.

Herr Staatssekretär! Sie haben bezüglich dieser ganz argen Fälle gesagt, da werde man eine Regelung finden, und zwar bei Menschen – Sie haben das so genannt – "mit einer beschränkten Lebenserwartung". Was heißt denn das? Kommen Sie dann als Arzt zu schwerstkranken Menschen und sagen: Sie bekommen über 52 Wochen hinaus Krankengeld, denn Sie haben nur eine beschränkte Lebenserwartung? Ist es das, was Sie planen? (Abg. Dietachmayr: Das ist skandalös! – Rufe bei der SPÖ: Unerhört! Menschenverachtend!) Sind das die Maßnahmen, die Sie jetzt ganz unabhängig vom offensichtlichen und spürbaren Gesellschaftsbild, wie es herrschen sollte, setzen wollen? Ist das Ihr schwarz-blaues Ziel, das Sie vorhaben?

Sie führen Ambulanzgebühren in der Höhe von 150 S beziehungsweise 250 S ein, und Sie erhöhen den Verpflegskostenbeitrag von 72 S auf 100 S. Sie machen das vielleicht, wie ich einer APA-Aussendung entnehmen kann, Herr Staatssekretär, aus folgendem Grund – Sie haben das am 14. April in einer APA-Aussendung gemeint –: "Man könnte sagen, das Kran


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kenhaus ist der beliebteste Zweitwohnsitz des Österreichers." (Abg. Dr. Jarolim: Das ist unerhört! Zynisch!)

Herr Staatssekretär! Welche Menschen legen sich Ihrer Meinung oder der Meinung dieser "ehrenwerten" Koalition nach aus Jux und Tollerei in ein Krankenhaus oder besuchen ganz einfach aus Spaß eine Spitalsambulanz? Herr Staatssekretär! Das ist eine weitere Ihrer zynischen und menschenverachtenden Aussagen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Haidlmayr. )

Ich vermute, dass hinter der Einführung von Ambulanzgebühren auch ein massiver Anschlag auf die gut geführten Spitalsambulanzen geplant ist. Ich hoffe, es hat nicht mit Ärzte-Standespolitik zu tun, die Sie vertreten. Ich sage das deshalb, weil es diesbezügliche Aussagen von Ihnen gibt. Sie haben zum Beispiel einmal die Kosten einer Behandlung in einer Ambulanz mit den durchschnittlichen Fallkosten in der freien Praxis verglichen. Sie wissen genau, dass Sie da Äpfel mit Birnen verglichen haben, weil natürlich, was das Leistungsspektrum der Ambulanzen betrifft, dieses in keiner Weise mit den durchschnittlichen Kosten eines einzigen Krankenbehandlungsscheines ohne Medikamentenkosten verglichen werden kann.

Sie haben in einer nächsten Aussendung gemeint, dass die überwiegende Schuld an den Finanzierungsproblemen der sozialen Krankenversicherung bei den Ambulanzen und Krankenanstalten zu suchen ist. Sie haben zwar unmittelbar im Anschluß daran – zwei Stunden haben Sie offensichtlich dazu gebraucht, um darauf zu kommen, dass Sie völlig falsch liegen – das Ganze wieder anders dargestellt, aber ich denke, dass das Beweis genug für Ihre Ablehnung der Spitalsambulanzen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Erhöhung des Verpflegskostenbeitrages je Spitaltagsaufenthalt von 72 S auf 100 S schon erwähnt. Darin sind, wie ich Pressemeldungen und Presseunterlagen entnehmen kann, auch 10 S enthalten, die der Finanzierung einer neu einzurichtenden Patientenversicherung gewidmet werden sollen. Ist Ihnen eigentlich klar, dass Patienten damit sozusagen selbst zur Kasse gebeten werden und künftig ihre Schmerzensgelder und Schadenersatzzahlungen selbst bezahlen? – Sie entlassen dabei völlig die Krankenanstalten, Sie entlassen dabei völlig die Ärzte und die Pharmaindustrie aus ihrer Verantwortung; diese haben keine Verantwortung mehr zu übernehmen. Das ist Ihre Politik: Alles auf dem Rücken der kranken Menschen und der Patienten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Leiner: Das ist ein Blödsinn! ... am Rechtsweg!)

Ich habe die Heilbehelfe schon erwähnt. Diese Regierung plant Einsparungen bei den Zuzahlungen von Heilbehelfen. Diese werden für Patienten so teuer werden, dass es sich womöglich untere und mittlere Einkommensschichten nicht mehr leisten können werden, einen ordentlichen Rollstuhl oder ordentliche Krücken zu bekommen. Vielleicht kann man sich, wenn man mehrere Kinder hat, auch Sehbehelfe wie Brillen und Kontaktlinsen nicht mehr leisten, wenn man keine Zuschüsse mehr bekommt.

Sie wissen genau, dass, wenn der Verweis auf die Gebietskrankenkassen gestellt wird, diese ihre satzungsmäßigen Höchstgrenzen bereits ausgeschöpft haben, weil sie sich darum bemüht haben, dass die Versicherten finanziell maximal entlastet werden. Ist das die soziale Gerechtigkeit, von der die FPÖ im Wahlkampf gesprochen hat? Es ist wie auch in allen anderen Bereichen: Sie haben viel versprochen und alles gebrochen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Sozialistische Zwei-Klassen-Medizin! Kein Zahnersatz! Keine Zahnkronen!)

Sie planen in Zukunft Zuzahlungen zu neu einzuführenden Leistungen, zum Beispiel wollen Sie einen 20-prozentigen Selbstbehalt bei Psychotherapie. Diese Maßnahme ist nicht wie Ihre sonstigen Presseankündigungen, sondern diese Maßnahme ist bereits mit dem Pensionsbelastungspaket in Begutachtung. Das bedeutet – das können wir wieder als konkretes Beispiel nehmen –, dass Sie wieder eines Ihrer Wahlversprechen gebrochen haben. Sie haben gesagt, es wird keinen Selbstbehalt bei niedergelassenen Ärzten eingeführt werden. Sie tun es jetzt bei der Psychotherapie mit 20 Prozent. Sie haben versprochen und Sie haben gebrochen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Herr Staatssekretär! Wir haben bei den letzten Dringlichen Anfragen natürlich schon bemerkt, dass Sie sich vor der Beantwortung von Fragen davonstehlen wollen. Sie und die gesamte Regierung – das trifft nicht nur den FPÖ-Koalitionspartner, wir erleben das auch bei den ÖVP-Ministern – wollen sich vor der Beantwortung der Fragen davonstehlen! (Abg. Dr. Martin Graf: Wohin hat sich der Gusenbauer davongestohlen?) Aber ich sage Ihnen noch einmal: Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu wissen, wie sie dran ist. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu wissen, wie Sie ihr in den Sack greifen.

Ich ersuche Sie wirklich eindringlich, die wichtigen Fragen zu beantworten und sich nicht herzustellen und zu sagen, das ist Ihnen zu viel. – Es ist Ihnen nicht zu viel, Sie haben nur nicht den Mut dazu, das auch wirklich hier und heute klar auszusprechen (Beifall bei der SPÖ), denn es handelt sich – zusammenfassend – um die größte Belastungswelle dieser Koalition, die eben auf die Kleinsten und die Schwächeren abzielt. Das hat die Budgetdebatte gezeigt. Heute werden wir das auch am Beispiel der Kranken sehen, denn die Einsparungen treffen diese Menschen voll. Und Ihr Tempo in den ersten 100 Tagen zeigt nur die Geschwindigkeit, mit der Sie den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen wollen.

Das Leitmotiv von Blau-Schwarz, das Leitmotiv dieser Koalition heißt, den kranken Menschen in die Tasche zu greifen: Wer krank ist, soll zahlen! – Ich kann Ihnen sagen, die Sozialdemokratie wird sich dagegen mit aller Kraft zur Wehr setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort im Sinne der Geschäftsordnung hat sich der Herr Staatssekretär gemeldet. – Bitte.

15.21

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe heute die Gelegenheit, auf Grund der Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Bures zum Thema gesetzliche Krankenversicherung gemäß § 93 Abs. 4 der Geschäftsordnung diese mündlich zu beantworten. Wie schon Herr Abgeordneter Dr. Khol erwähnt hat, werden in dieser Anfrage insgesamt 79 Fragen gestellt, wobei einige Fragen noch durch einzelne Literae untergliedert sind, sodass nahezu 120 unterschiedliche Fragestellungen zu beantworten sind. Ich werde trotz des nunmehr verlängerten Zeitangebotes versuchen, nicht über Gebühr davon Gebrauch zu machen, sondern versuchen, innerhalb dieser Zeitspanne diese Anfrage auf bestmögliche Weise zu beantworten. Ich ersuche Sie um Verständnis dafür, dass ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht auf alle Details der Fragestellungen eingehen kann.

Einleitend möchte ich hinsichtlich der Begründung dieser Dringlichen Anfrage klarstellen, dass die Bundesregierung keineswegs massive Verschlechterungen für kranke Menschen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungen vorsieht. Die Regierungsparteien haben vielmehr in ihrem Programm für mehr Gesundheit in Österreich jeglicher Rationierung und Einschränkung von Leistungen eine Absage erteilt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Maßnahmen der Bundesregierung haben vielmehr zum Ziel, die Qualität des österreichischen Gesundheitssystems zu erhalten und dieses im Interesse der Patientinnen und Patienten noch zu verbessern, indem seine Finanzierung unter bestmöglicher Berücksichtigung der sozialen Ausgewogenheit gesichert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist ein Unterfangen, für das die Ausgangslage als nicht sehr positiv bezeichnet werden kann. Da die ersten Vermutungen über einen möglichen Abgang bei den Sozialversicherungsträgern von den zuständigen Stellen lange Zeit mit Entrüstung zurückgewiesen wurden und die frühere Ressortleiterin, Frau Bundesministerin Hostasch, fast bis zum Schluss ungebremsten Optimismus über die Finanzlage der Sozialversicherungen verbreitete, blieb die wahre Situation lange verborgen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Erst am 12. Dezember des Vorjahres hat es der vormalige Bundeskanzler Klima der Mühe wert gefunden, einen Hinweis auf den Abgang in der nunmehr bekannten Höhe von etwa 3 Milliarden Schilling zu geben. Letztlich ist erst mit Antritt der neuen Bundesregierung das wahre Ausmaß


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des Sanierungsbedarfs zu Tage getreten und erst im April dieses Jahres wurden die tatsächlichen Zahlen in der Hauptversammlung der Sozialversicherung bestätigt. Die Bundesregierung hat raschest darauf reagiert und alle davon betroffenen Akteure und Gruppierungen des österreichischen Gesundheitssystems eingeladen, an der Sicherung des Gesundheitssystems durch eine Sanierung der Krankenkassen mitzuwirken.

Auf Basis dieser Beratungen hat die Bundesregierung ein Paket an Maßnahmen geschnürt, das in seiner Gesamtheit jenen Betrag hereinbringen wird, der nunmehr als möglicher Abgang prognostiziert wird. Eckpfeiler dieser Sanierung sind zum einen Einsparungen im Sozialversicherungsbereich sowie im Heilmittelbereich und zum anderen flankierende Maßnahmen.

Konkret wurden zur Umsetzung folgende Einzelmaßnahmen beschlossen: Einsparungen im Verwaltungsbereich des Hauptverbandes und der Krankenversicherungsträger sowie bei den Ermessensausgaben durch Nutzung von Synergien wie Realisierung eines funktionsfähigen EDV-Netzwerkes, Steigerung der Effizienz, Aufnahmestopp wie beim Bund, Einforderung der noch ausständigen Nulllohnrunde, wie es im öffentlichen Dienst bereits erfolgt ist, Streichung nicht zeitgemäßer Zulagen, und im Bereich der freiwilligen höheren Satzungsleistungen kommt es zu einer Jahreseinsparungssumme von 1,5 Milliarden Schilling. Dies wird unter anderem durch eine flexible Budgetierung erreicht werden.

Weiters: Einsparungen im Bereich der Arzneimittelkosten mit dem Ziele, die erwarteten Kostensteigerungen bis Jahresende 2001 um 2,5 Milliarden Schilling zu senken. Dabei ist durch Reduzierung der Großhandelsspanne und der Apothekenspanne sowie durch laufende Verhandlungen des Hauptverbandes mit der pharmazeutischen Industrie dieses Ziel unter Anwendung der bestehenden Instrumente zu erreichen. Diesem Maßnahmenpaket hat die Bundesregierung – im Gegensatz zum letzten gescheiterten Versuch zur Sanierung im Jahre 1996 – drei wesentliche Grundsätze vorangestellt: keine Einschränkung medizinischer Leistungen, keine Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge und kein Selbstbehalt bei niedergelassenen Ärzten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Stattdessen soll das Ziel der Sanierung durch Kürzungen im Verwaltungsaufwand, Dämpfung der Pharmakosten sowie durch Lenkungsmaßnahmen erreicht werden, eben mit dem Ziel, die Patienten in verstärktem Ausmaß bei niedergelassenen Ärzten zu versorgen und damit die Frequenz in Spitalsambulanzen zu reduzieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich erlaube mir, nun auf die gestellten Fragen themenweise in Analogie zur Gliederung der Dringlichen Anfrage zu antworten.

Zu den Fragen 1 bis 5  – Krankengeldanspruch:

Zur Frage des Krankengeldanspruches stelle ich fest, dass keine Kürzung des Krankengeldanspruches, sondern eine österreichweite Angleichung dieses Anspruches zwischen den verschiedenen Krankenkassen beabsichtigt ist. So entspricht es darüber hinaus nicht den Tatsachen, dass eine gänzliche Streichung des Anspruches über 52 Wochen vorgesehen ist. Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass von den neun Gebietskrankenkassen bereits vier den Krankengeldanspruch im gesetzlichen Höchstausmaß von 52 Wochen gewähren.

So ist seitens des Versicherungsträgers so früh wie möglich festzustellen, in welchem Umfang auch weiterhin Zahlungen des Krankengeldes im Interesse des Patienten wahrzunehmen sind. Zahlungen über die 52. Woche hinaus entsprechen in berechtigten Fällen der humanitären Grundhaltung und stellen kein Sterbegeld dar. So sind die in Ihrer Anfrage erwähnten Prognosen einer beschränkten Lebenserwartung aus ärztlich-ethischer Sicht als unzulässig abzulehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Fragen 6 bis 36  – Ambulanzgebühren und Verpflegungskostenbeitrag:

Die in der Anfrage gemachte Aufstellung, wonach bei Aufsuchen einer Ambulanz mittels Überweisung durch einen praktischen Arzt oder Facharzt 150 S pro Besuch, bei direkter Inanspruchnahme der Ambulanz ohne Überweisung 250 S pro Besuch zu entrichten sind und ein


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maximaler Behandlungsbeitrag pro Patient und Jahr von 1 000 S nicht überschritten wird, ist korrekt. Von der Entrichtung der Ambulanzgebühren werden auch jene Patientengruppen befreit sein, die derzeit von der Rezeptgebühr befreit sind.

Die Aussage, dass die Österreicher sehr spitalsfreudig seien, stammt nicht von mir. Sie wurde von der Leiterin des Österreichischen Bundesinstitutes für Gesundheitswesen in einem Referat gemacht, die ausführte, dass im internationalen Vergleich Österreich, bezogen auf seine Einwohnerzahl, den höchsten Belag im stationären Bereich aufweist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Dabei ist klarzustellen, dass kein Patient aus Jux und Tollerei die Leistungen des Krankenhauses in Anspruch nimmt. Die Kostenverursachung im Bereich der Spitalsambulanzen ergibt sich zwingend daraus, dass in den letzten Jahren eine Zunahme der Fallzahl von 4,3 Millionen im Jahre 1992 auf weit mehr als 5 Millionen im Jahre 1998 stattgefunden hat. Daraus ergibt sich automatisch eine Kostensteigerung, nicht nur im Sach-, sondern auch im Personalaufwand, der ja bekanntlich den größten Kostenanteil im Spitalswesen ausmacht, sodass sich, wenn nur ein Teil dieses Zuwachses in Zukunft reduziert werden kann, zwingend eine Kostendämpfung in diesem Bereich ergibt. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sowohl die Zahlen zu den durchschnittlichen Behandlungskosten im Bereich der Ambulanzen als auch im niedergelassenen Bereich stammen aus den Berechnungen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. Es ist keine Frage, dass bei der Umsetzung der verschiedenen Maßnahmenpakete auf die regionale Gegebenheit Rücksicht genommen werden muss. So wurde gerade in den letzten Jahren auch bei der Durchführung der Strukturplanung auf die Ebene der verschiedenen Einzugsgebiete Bezug genommen.

Faktum ist, dass 51 Prozent der ambulanten Fälle auf Einweisung durch niedergelassene Ärzte zurückzuführen sind. Dabei ist die Frage der Inanspruchnahme einer Spitalsambulanz im Krankenanstaltengesetz geregelt, und es liegt in der Verantwortung des jeweiligen Spitals, festzustellen, ob eine Betreuung im Bereich der Ambulanzen gerechtfertigt ist oder nicht. Die Aufnahmebedingungen sind durch das Krankenanstaltengesetz hinlänglich geregelt und bedürfen keiner weiteren Interpretation.

Da die Bedingungen zur Entrichtung von Ambulanzgebühren gleich sind, ergibt sich auch keine Ungleichbehandlung. Für die geplante teilweise Auslagerung von Patienten aus Spitalsambulanzen sind begleitende Maßnahmen erforderlich, die mit den betreffenden Institutionen, also Sozialversicherung und Ärztekammern, akkordiert werden.

Die APA-Meldung, wonach ich die überwiegende Schuld an den Finanzierungsproblemen der sozialen Krankenversicherung den Ambulanzen und Krankenanstalten zugeschoben habe, beruhte auf einer Falschmeldung und wurde von mir umgehend richtig gestellt.

Veränderungen im Bereich der Spitalsambulanzen liegen in der Verantwortung der Länder und der jeweiligen Krankenanstaltenträger. Dabei stellt sich nicht primär die Frage, Ambulanzen zu schließen, sondern es muss erreicht werden, dass vermehrte Kooperationen zwischen den Ambulanzen und dem niedergelassenen Bereich stattfinden. – Eine Schließempfehlung resultiert daraus jedenfalls nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Aufgabe der Notfallbetreuung durch die Krankenanstalten ist im Krankenanstaltengesetz hinlänglich geregelt. Es sind uns in diesem Bereich auch keine diesbezüglichen Klagen bekannt, und es besteht daher kein Bedarf, in diesem Bereich etwas vorzusehen.

Da eine Gegenverrechnung der Ambulanzgebühren mit den Leistungen der sozialen Krankenversicherung geplant ist, bedarf es einer entsprechenden Regelung im Rahmen der künftigen Artikel-15a-B-VG-Vereinbarung über die Krankenanstaltenfinanzierung mit den Ländern, die derzeit in Verhandlung steht.

Zur Frage der Entrichtung der Ambulanzgebühr im Falle eines siebenten Besuches ist festzustellen, dass die Höhe der Ambulanzgebühren pro Jahr und Patient mit 1 000 S limitiert ist.


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Zur Frage 37
 – verschuldensunabhängiger Patientenentschädigungsfonds:

Künftig muss das Krankenhaus pro Belagstag 10 S für einen verschuldensunabhängigen Patientenentschädigungsfonds bereitstellen. Dieser ist unabhängig von einer Anpassung des Taggeldes. Das Krankenhaus hat lediglich die Möglichkeit, im Rahmen des Taggeldes 10 S von diesem Betrag umzuleiten.

Da im niedergelassenen Bereich über Haftpflichtversicherung und Schiedsstellen in jedem Bundesland eine diesbezügliche Versicherungsregelung für die Patienten bereits besteht, ist mit dieser Maßnahme eine Angleichung für den Spitalsbereich erfolgt – und es sind daher diese Mittel auch von dort bereitzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Fragen 38 bis 49  – Rezeptgebühren und Selbstmedikation:

Die Erhöhung der Rezeptgebühr ist im Bereich der Gesamtmaßnahmen zu sehen, die in erster Linie eine Veränderung der Verschreibepraxis – wie zum Beispiel Therapie ohne Medikamente, vermehrte Verschreibung von Generika, Ökonomiemodul, Arzneimittelverzeichnis mit Preisvergleich – bewirken sollen, wobei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass zwei Drittel der Medikamentenverschreibungen über Rezeptgebührenbefreiung erfolgt, sodass soziale Schlechterstellung ausgeschlossen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Darüber hinaus ist die Ärzteschaft durch Vertragsregelungen zu ökonomischem Verhalten bei der Verschreibung von Medikamenten verpflichtet.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass jede Erhöhung der Rezeptgebühr zumindest kurzfristig eine Senkung der Heilmittelverschreibungen mit sich bringt. Eine Ausweitung der Selbstmedikation wird ausschließlich nach wissenschaftlich-medizinischen Kriterien gemäß den Vorgaben des Rezeptpflichtgesetzes und im Einklang mit den Richtlinien der Europäischen Union vorgenommen werden. Von einem Nachgeben gegenüber der Pharmaindustrie kann daher keine Rede sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bei einem Privatkauf von Arzneimitteln kann der Kassenrabatt keine Rolle spielen.

Wie zu Frage 44 bereits ausgeführt, kann eine Ausweitung der Rezeptpflicht nur nach fachlicher Beurteilung durch entsprechende Sachverständige erfolgen. Da eine solche Meinungsbildung noch nicht vorliegt, kann weder der Umfang der Ausnahme von der Rezeptpflicht noch deren wirtschaftliche Auswirkung abgeschätzt werden.

Durch eine vermehrte Möglichkeit zur Selbstmedikation erwarte ich keine Mehrbelastung für die Patienten, da auch rezeptfreie Arzneimittel bei entsprechender Indikation durch die Krankenkassen ersetzt werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Selbstmedikation ist jenen Arzneimitteln vorbehalten, die nach exakter Beurteilung durch Sachverständige rezeptfrei gestellt werden können, da deren Nebenwirkungspotential eine ärztliche Überwachung nicht erforderlich macht. Bei dieser Beurteilung spielt natürlich auch das Missbrauchspotential des Arzneimittels und die beobachtete Missbrauchshäufigkeit eine bedeutende Rolle. Auch bei einem allgemeinen Trend zu mehr Selbstmedikation wird es daher erforderlich sein, neu erkanntes Missbrauchspotential bei bestimmten Arzneimitteln durch konkrete Maßnahmen nach dem Rezeptpflichtgesetz hintanzuhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Fragen 50 bis 52  – Heilbehelfe und Hilfsmittel:

Die Frage, ob Heilbehelfe und Hilfsmittel für die Patientinnen und Patienten noch teurer werden, kann derzeit nicht beantwortet werden. Der Gesetzentwurf eines Sozialrechtsänderungsgesetzes 2000 befindet sich derzeit in Begutachtung. Falls es zu einem entsprechenden Gesetzesbeschluss kommen wird, obliegt die Umsetzung in weiterer Folge dem Hauptverband im Rahmen der Mustersatzung und den einzelnen Krankenversicherungsträgern. Im Übrigen ist es die


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Aufgabe der Sozialversicherungsträger, sich im Bereich der Heilbehelfe und Hilfsmittel um entsprechende soziale Treffsicherheit zu bemühen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Fragen 53 bis 59  – Zuzahlungen für neu einzuführende Leistungen:

Die Bundesregierung hat lediglich für Leistungen im Bereich der Psychotherapie beschlossen, dass bei Vertragsabschluss mit dem Psychotherapeuten über diese neu in das Leistungsangebot der Sozialversicherung aufzunehmende Leistung ein 20-prozentiger Selbstbehalt vorgesehen wird. Dabei wird es von meiner Seite sehr bedauert, dass es bisher zu keinem Vertragsabschluss gekommen ist. Darüber hinaus besteht seitens der Bundesregierung keine generelle Absicht, auf neue Leistungen der Sozialversicherung einen Selbstbehalt einzuführen.

Zu den Fragen 60 bis 64  – Vorziehung der Einführung der Chipkarte:

Die Möglichkeit der vorzeitigen Einführung der Chipkarte wird derzeit geprüft, wobei jedoch auf die Erfordernisse des laufenden Vergabeverfahrens Rücksicht genommen werden muss. Bereits von der vorherigen Bundesregierung wurde festgelegt, dass mit Einführung der Chipkarte der Krankenschein wegfällt, womit auch die Gebühr für den Krankenschein entfällt. Es ist dabei nicht daran gedacht, einen generellen prozentuellen Selbstbehalt einzuführen.

Weitere Details zum technischen Procedere der Einführung der Chipkarte kann ich erst dann beantworten, wenn das Vergabeverfahren abgeschlossen ist. Alle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Einführung der Chipkarte werden jedoch im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen erfolgen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Fragen 65 bis 69  – Einsparungen im Bereich der Arzneimittelkosten:

Mit 1. Juni 2000 wird eine neue Verordnung über Höchstaufschläge im Arzneimittelgroßhandel in Kraft gesetzt. Diese Neuregelung entspricht einer Absenkung des durchschnittlichen Großhandelsaufschlages im Humanbereich um 1,4 Prozent beziehungsweise einer auf Jahresbasis ermittelten Deckungsbeitragsreduktion für den Arzneimittelgroßhandel in Höhe von rund 184 Millionen Schilling und somit jenem Wert von 1998, auf den wir ihn zurückführen wollten.

Die Preiskommission wird beauftragt, die kostendominierenden Arzneimittel einem EU-weiten Preisvergleich zu unterziehen und entsprechende Preisanpassungen zu realisieren.

Was die Industriepreise anlangt, werden von meinem Ressort die Verhandlungen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger voll unterstützt. Bei Bedarf können darüber hinaus gesetzliche Maßnahmen gesetzt werden.

Bei den Apothekerspannen ist bereits eine rückwirkende Vereinbarung zwischen dem Hauptverband und der Apothekerkammer zustande gekommen, wo bereits jetzt finanzielle Rückflüsse aus dieser Senkung der Spannen erfolgen.

Ein besonderer Sanktionsmechanismus im Arzneimittelbereich gegenüber Vertragsärzten ist nicht erforderlich – und wird daher von meiner Seite nicht vorgesehen.

Um eine optimale Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln weiterhin sicherzustellen und die Gefahr möglicher Rationierungen hintanzuhalten, wird im Bereich der Arzneimittel von jeglicher Deckelung Abstand genommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Fragen 70 bis 76  – Einsparungen im Verwaltungsbereich:

Am 2. Mai dieses Jahres wurde von Frau Bundesminister Dr. Sickl dem Präsidium des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger ein Umsetzungsauftrag zur Realisierung von Einsparungen im Verwaltungsbereich erteilt. Die Realisierung geeigneter Maßnahmen fällt in den Bereich der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger.

Zur Sicherstellung der EDV-mäßigen Abrechnung zwischen den Ärzten und Krankenkassen sind keine gesetzlichen Maßnahmen erforderlich.


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Im versendeten Entwurf ist keine Gewichtung zwischen den einzelnen Krankenversicherungsträgern vorgesehen.

Ein Leistungsvergleich zwischen den verschiedenen Krankenversicherungsträgern ist derzeit schwer möglich. Auch im Leistungsrecht nach dem ASVG bestehen Leistungsunterschiede, und es ist daher ein spezieller Vergleich, wie er in der Anfrage aufgeworfen wird, ebenfalls nicht möglich.

Dass die ASVG-Krankenversicherungsträger derzeit rund halb so hohe Verwaltungskosten je Person im Vergleich zu anderen Krankenversicherungsträgern haben, ist nicht richtig. Service-Verschlechterungen und Schließungen von Außenstellen der Gebietskrankenkassen sind nicht vorgesehen. Darüber hinaus sind keine Einschränkungen von Kontrollen gegenüber Vertragspartnern, Dienstgebern und Versicherten geplant. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu den Fragen 77 und 78  – Controlling-Gremium:

Ein Controlling im Bereich der Krankenversicherung besteht bereits seit einigen Jahren. Es gibt monatliche Berichte, die jedoch in den vergangenen Jahren der Öffentlichkeit vorenthalten wurden, was meinerseits nicht beabsichtigt ist. Kontrolle wird von mir im Sinne einer begleitenden Maßnahme als Steuerungsinstrumentarium – und nicht als Strafmaßnahme verstanden.

In diesem Zusammenhang wird auch auf die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen im ASVG betreffend die Haftung der Organe der Sozialversicherungsträger hingewiesen. Diese gesetzlichen Regelungen erscheinen ausreichend. Im Falle einer feststellbaren Nachlässigkeit ist darüber hinaus auch ein Aufsichtsrecht seitens des Bundesministeriums vorgesehen.

Zur Frage 79  – Selbstverwaltung:

Ich habe nicht die Absicht, die basisdemokratische Selbstverwaltung auszuschalten. Ich halte die Organisation der Sozialversicherung, in der die betroffenen Gruppen, nämlich Beitragszahler und Leistungsbezieher durch von ihnen gewählte Vertreter Angelegenheiten der Sozialversicherung selbst verwalten, für eine moderne, an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Staatsverwaltung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Aussagen des Herrn Bundeskanzlers bringen die durchaus berechtigte Sorge um die Funktionsweise des österreichischen Sozialversicherungssystems zum Ausdruck. Es kann nicht demokratiepolitisch bedenklich sein, bestehende Strukturen und die Bereitschaft der Sozialversicherung zu notwendigen Reformen zu hinterfragen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Lang anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Staatssekretär für seine Ausführungen zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Jede Fraktion hat eine Redezeit von 25 Minuten, wobei kein Redner in dieser Debatte länger als 10 Minuten sprechen darf.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung SPÖ –: Das interessiert nur sehr wenige von euch! Eine Dringliche und nur ein Drittel eurer Abgeordneten ist da! Das interessiert euch in Wirklichkeit gar nicht! – Abg. Gaugg: Und die von ihnen da sind, sind auch nicht die erste Garnitur!)

15.43

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! "Keine Kürzungen beim Krankengeld" stimmt, wenn man sich nur an die derzeitige gesetzliche Voraussetzung hält. Es gab aber die Möglichkeit, länger Krankengeld auszuzahlen, nämlich bei Schwerstkranken. Und es ist sehr bedauerlich, wenn wir diesen Schwerstkranken


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dann das Krankengeld nicht mehr zukommen lassen können. Es trifft das nur eine kleine Personengruppe, und es wäre gut, diesen das auch weiterhin zu zahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Einhebung und Verwaltung der Ambulanzgebühr ist uns noch immer nicht im Detail bekannt. Wer hebt diese ein? – Die Ärzte in den Ambulanzen? Das Verwaltungspersonal? Wird ein Erlagschein zugesandt? Wer soll denn letzten Endes überprüfen, ob diese 1 000 S wirklich schon erreicht sind? Zahlt der Patient, wenn er das erste Mal ins Spital kommt? Zahlt er, wenn er von einer Ambulanz in die andere überwiesen wird? – All diese Fragen sind noch ungeklärt, und wir hätten darauf gerne mehr Antworten gehabt, damit wir auch wissen, was uns erwartet.

Sie wissen ja, Herr Staatssekretär: Gerade im Bereich Kinder werden die Ambulanzen dann aufgesucht, wenn eine Behandlung beim niedergelassenen Arzt nicht möglich ist, wie das beispielsweise bei krebskranken, bei leukämiekranken Kindern, bei Transplantationen, bei Kindern mit schweren neurologischen Behinderungen, bei psychiatrisch gestörten Kindern und so weiter der Fall ist. Sie alle brauchen Spezialbehandlungen.

Es gibt sicherlich viele Eltern, denen diese 1 000 S im Jahr wehtun. Oder: Wird für Kinder eine Ausnahme gemacht? Oder trifft es nur Rezeptgebühren-Befreite? Wie wollen Sie Eltern, die mehrere Kinder haben, wo oft nur ein Elternteil, der wenig verdient, da ist, erklären, dass sie plötzlich zahlen müssen für Behandlungen, die unumgänglich und notwendig für die Lebenserhaltung der Kinder sind.

Wir wissen, dass gerade an der Onkologie im St. Anna-Kinderspital und in der Universitäts-Kinderklinik wirklich jene Kinder behandelt werden, deren Behandlung außerhalb nicht möglich ist. Wir haben deswegen ja auch den § 26 KAG, der sehr genau regelt, mit welchen Erkrankungen man gesetzeskonform die Spitalsambulanz aufgesucht hat. Der erste Punkt ist die Erste-Hilfe-Leistung; die bleibt ausgenommen. Aber was ist bitte mit den anderen Leistungen? Was ist mit den Leistungen im Zusammenhang etwa mit einer Organtransplantation? Müssen dann die Spender von Stammzellen für die Untersuchungen Ambulanzgebühren zahlen – oder wird das dem Empfänger verrechnet?

Ich durchschaue noch immer nicht, wie das im Detail geplant ist, hoffe aber, dass wir darüber bald Auskunft bekommen. Müssen wir das von den Patienten einklagen, wenn sie nicht zahlen? Werden diese gepfändet? Wie wird das mit den PensionistInnen sein? Diese haben jetzt erhöhte Beiträge, weil sie keine Krankenscheingebühr haben – dann fällt die Krankenscheingebühr für alle; die PensionistInnen haben dann aber den Selbstbehalt bei den Ambulanzen, und es kommt für sie zu einer Verschlechterung.

Denken Sie dann daran, das ASVG wieder zu ändern, damit der Beitrag der PensionistInnen zur Krankenversicherung wieder absinkt auf das Maß vor 1996?

Schon bei der Abschaffung der Geburtenbeihilfe haben wir ja gemerkt, dass die Eltern die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen weniger in Anspruch nehmen.

Ich habe wirklich große Sorgen, wie es mit den Kindern sein wird, die derzeit in Spezialambulanzen behandelt werden, aber selbstverständlich auch, was die Erwachsenen anlangt. Auch Krebspatienten, Leukämiepatienten suchen natürlich Spitalsambulanzen auf; ebenso Patienten nach Transplantationen. (Abg. Dr. Pumberger: Das wäre eine gute Frage gewesen! Haben Sie die Fragen nicht formuliert? Dann hätten Sie nämlich auch eine Antwort darauf bekommen!) Steh ich drauf als Anfragestellerin? Ich habe die Anfragen nicht formuliert. Bei uns hat der die Fragen formuliert, dessen Name draufsteht; das werden Sie ja gesehen haben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Aber es freut mich, dass Sie mir gute Fragen zutrauen. Diese Kompliment von Ihnen baut mich heute wieder einmal unheimlich auf. (Abg. Dr. Pumberger: Sie lassen sich medizinische Fragen von der Präsidentin der Mietervereinigung stellen!) – Ich lasse mir von niemandem medizinische Fragen stellen. Und: An mich wurden sie auch nicht gerichtet. (Abg. Dr. Pumberger: Aber jetzt stellen Sie Fragen!) Ich werde jetzt doch wohl Fragen stellen können! (Abg. Dr. Pumberger:


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Das ist doch bitte eine Debatte – und keine Fragestunde!) Unterbrechen Sie mich nicht dauernd; Sie kommen dann ohnehin dran! (Neuerlicher Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Die Diskussion um die hohen Ambulanzkosten in den Spitälern ist in meinen Augen nicht sehr seriös, denn das Spitalspersonal, das die Hauptkosten verursacht, ist ja bereits auch für die stationäre Versorgung vorhanden – vor allem jetzt ist das nicht sehr seriös, wo wir das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz haben und daher auch mehr Spitalspersonal aufgenommen werden muss.

Wenn in den Spitälern, in den Ambulanzen, wo das Personal da ist, dann weniger Behandlungen stattfinden werden, dann sind die Spitalsambulanzen teurer. Ich habe aber gehört, es soll nicht daran gedacht sein, dort Personal zu entlassen. Da aber verstehe ich dann wiederum den Einsparungseffekt nicht.

600 bis 1 000 niedergelassene Ärzte mehr – was ich für die medizinische Betreuung der Patienten nur begrüße, das wissen Sie –, das kostet aber die Sozialversicherung sehr viel mehr.

Wir gehen davon aus, dass Wien die beste Versorgung in Bezug auf niedergelassene Ärzte hat; das wurde ja auch in letzten APA-Meldungen bestätigt. In Vorarlberg und Oberösterreich sind sie noch sehr dünn gesät. Wahrscheinlich werden Sie dort danach trachten, diese Stellen zu vermehren. Dann aber werden die Krankenkassen dort schlechter dastehen, denn das verursacht natürlich Kosten.

Wer hat denn in der internen Medizin vor allem die Ambulanzen frequentiert? – Das waren Hämodialysepatienten, Patienten mit hämatologischen, Patienten mit onkologischen Erkrankungen und Strahlenpatienten. Die werden auch weiterhin nicht so sehr draußen behandelt werden. Oder denken Sie an eine Bluttransfusion in den niedergelassenen Praxen? – Man kann alles probieren: Billiger wird es aber sicherlich nicht. Und ob die Qualität dann erhalten bleibt, wage ich bitte doch sehr zu bezweifeln.

Man spricht davon, dass natürlich nur Patienten aufgenommen werden, die dem Krankenanstaltengesetz entsprechen. – Ja, wie ist denn das bei Privatkrankenanstalten? Es gibt doch auch Mediziner, die sich über die Ordinationen dann diese Patienten zu Infusionen in Privatkrankenanstalten zuweisen. Nun kann man sagen, der ist privatversichert; das stimmt. Nur vergessen wir nicht: In allen Privatkrankenanstalten zahlt die soziale Krankenversicherung ihren Beitrag. Das ist also sehr wohl auf Kosten der Öffentlichkeit – und nicht nur auf Kosten der privaten Krankenversicherung. (Abg. Dr. Pumberger: Die Frau Vranitzky läßt sich gleich in Deutschland behandeln!)

Gesprochen wurde auch über jene 10 S für die Patienten für die verschuldensunabhängige Versicherung. Sie, Herr Staatssekretär, haben die Schlichtungsstelle der Ärztekammer angesprochen. Dort wird natürlich neben den Patienten der niedergelassenen Ärzte auch über die Patienten der Spitäler verhandelt. Es zahlen alle Ärzte, nicht nur die niedergelassenen, Haftpflichtversicherung; auch die Spitäler zahlen Haftpflichtversicherung.

Ich hätte mir von Ihnen, Herr Staatssekretär, erwartet, dass wir gemeinsam auf die Privatversicherungen einwirken, bei Schäden zu zahlen – und nicht nur dann, wenn die Ärzte aufgrund eines Kunstfehlers verurteilt wurden. Für die Autohaftpflicht bedarf es auch nicht zuerst einer strafrechtlichen Verurteilung, damit die Versicherung zahlt. Warum also zahlt nicht die von uns bezahlte private Haftpflichtversicherung für Schäden, die verursacht werden. Nur für jene Schäden, die keinem mehr zugeordnet werden können, weil man nicht weiß, wodurch sie entstanden sind, sollte ein Topf gefunden werden, in den von Pharmafirmen, Medizinprodukte-Firmen und auch von der Haftpflichtversicherung eingezahlt werden könnte. (Beifall bei der SPÖ.)

Es würde mich sehr interessieren – oder gibt es gleiche Aufnahmediagnosen bei Privatpatienten und bei Patienten, die nur auf Krankenkasse, nur sozialversichert ins Spital kommen? –, wie der Diagnoseunterschied in den Privatspitälern ist. Es wird doch immer davon gesprochen, dass selbst PatientInnen, die wegen kardialer Dekompensation ein Privatspital aufsuchen, dieses


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nicht verlassen, ohne dass gewissermaßen jede ihrer Körperöffnungen betrachtet wurde – auch zur Maximierung der Einkommen. Wie gesagt: Die Sozialversicherung zahlt dort aber nur den Tagsatz.

Die Sozialversicherung zahlt derzeit gedeckelt ein in die Spitalstöpfe. Sie gibt für die Einzahlung für die Fondskrankenanstalten ungefähr genauso viel aus wie für ärztliche Hilfe, und zwar einen Betrag von rund 33 Milliarden Schilling; für Arzneimittelkosten rund 25 Milliarden Schilling.

Der Weisheit letzter Schluss sind aber Generika sicherlich nicht, und ich glaube, wir alle würden beispielsweise Hochdruckmittel auf Generika-Basis für uns selbst oder unsere Angehörigen nicht verwenden – und ich meine, dann haben wir auch nicht das Recht, das Patienten zu verabreichen. – Sie (in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden Staatssekretärs Dr. Waneck ) würden das doch sicherlich auch nicht tun. Ich sehe natürlich Ihre Sympathie für einen Regierungskollegen ein, aber so weit sollte das nicht gehen.

Die 20 teuersten Medikamente der Sozialversicherung waren eben so moderne Medikamente, die es derzeit noch gar nicht mit abgelaufenem Patent als Generika gibt.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass alle Patienten den gleichen Zugang zur modernen Medizin haben – und nicht nur diejenigen, die privatversichert sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (fortsetzend): Ihre ersten Aussagen, Herr Staatssekretär, ließen mich auf andere Maßnahmen hoffen, so zum Beispiel: Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage oder Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Ich bedauere es, dass Sie, Herr Staatssekretär, sich Ihren Regierungskollegen fügen mussten – und dass Sie das jetzt auch noch verteidigen müssen. Ich kenne Sie nämlich anders. (Beifall bei der SPÖ.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Ich erteile ihm das Wort.

15.53

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Rede von Frau Kollegin Pittermann brauche ich ja nicht gesondert einzugehen, aber als ich mir die Präsenz der sozialdemokratischen Abgeordneten während dieser umfangreichen Anfragebeantwortung durch den Herrn Staatssekretär Waneck angeschaut habe, konnte ich im Durchschnitt – sage und schreibe! – 14 SPÖ-Abgeordnete im Saal zählen. (Abg. Ing. Westenthaler: Und das bei einer Dringlichen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Gegenrufe bei der SPÖ.) Ihr Interesse an der Beantwortung dieser 79 Fragen spiegelt sich in der Zahl der anwesenden SPÖ-Abgeordneten wider. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kritik von Frau Abgeordneter Bures verstehe ich sogar, weil Sie nun eben Oppositionspolitikerin ist, aber ich hätte mir von ihr schon erwartet, dass sie, wenn Sie schon so viel Kritik anbringt, wenigstens auch nur irgendeinen kleinen Ansatz zu Gegenvorschlägen macht. – Aber nichts! Diesbezüglich habe ich nichts vernommen! Nicht der geringste Gegenvorschlag, wie es die Sozialdemokraten besser machen würden! Eine inhaltliche Leere ihrer Ausführungen, die sie gemacht hat! Das Einzige, was klar zu erkennen war: eine fundamentale Oppositionspolitik! Fundamentale Oppositionspolitik – das ist schon das Einzige, was Sie können! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was Sie besonders können – und das tut mir als Arzt ganz besonders weh –: Sie machen alten und kranken Menschen Angst! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Von Beginn der Debatte um die Reform des Gesundheitswesens an versuchen Sie den Menschen einzuflüstern, diese könnten sich in Zukunft keinen Spitalsaufenthalt mehr leisten, müss


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ten sich etwa bei einer Hüftoperation rund 20 000 oder 30 000 S selbst zahlen – und vieles mehr.

Vor wenigen Wochen kam eine Patientin zu mir: 80 Jahre, schwerst gehbehindert, die wegen ihrer schwer abgenützten Hüfte nicht mehr gehen kann. Jetzt hat sie endlich einen Termin für die Operation. Monatelang hat sie gewartet. Jetzt hat diese alte Dame diese Debatte, diese Hetzkampagne, diese beispielslose Hetzkampagne der Sozialdemokraten, seitens der Arbeiterkammer und so weiter gehört – wer immer sich eben daran beteiligt; so unter anderem ja auch die Grünen. Diese alte Dame kam mit Tränen in den Augen zu mir in die Ordination und sagte: Herr Doktor, das hätte ich mir von Ihnen nicht erwartet! (Rufe bei der SPÖ: Da war sie beim Richtigen!)

Jetzt muss ich, so meinte diese Dame, den Operationstermin absagen, weil ich mir das neue Hüftgelenk nicht mehr leisten kann. – Geweint hat sie, depressive Verstimmtheit war da – und Sie von der linken Seite versuchen, politisches Kleingeld auf dem Rücken von Kranken und Schwachen zu erzielen! Das verurteile ich auf das Schärfste! Das ist ungeheuerlich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei den Freiheitlichen: Pfui Teufel! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Sie sind es, meine sehr verehrten Sozialdemokraten, die das Dilemma in den sozialen Krankenkassen hauptsächlich mitverursacht haben. Ich erwähne in diesem Zusammenhang etwa die Wiener Gebietskrankenkasse, SPÖ-dominiert, ausschließlich Rote sind dort drin – abgesehen von einem Schwarzen, einem gewissen Dr. Schwimmer, aber sonst lauter Rote. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Die Frau Vranitzky fliegt mit einem Privatflugzeug, mit einer Privatmaschine, und zwar mit Begleitperson, nach Hannover und lässt sich dort behandeln! Und Herr Vranitzky, damals noch Bundeskanzler der Republik Österreich, lässt sich 420 000 S an Reise- und Behandlungskosten in Deutschland von der Wiener Gebietskrankenkasse zahlen! (Rufe bei den Freiheitlichen: Unerhört!) Ich habe das schon einmal gesagt – und das wurde nicht widerrufen; ich sage das daher wieder.

Mittlerweile ist ja Ex-Bundeskanzler Vranitzky auch wegen seiner Gratisflüge bekannt geworden. Ich frage mich nun, ob die WestLB auch den Flug für Frau Vranitzky zur Behandlung in Hannover finanziert hat – und ob das ein Flug war, den dann die Gebietskrankenkasse auch noch finanziert und Herr Vranitzky sich das Geld sozusagen ein zweites Mal geholt hat! Das frage ich mich, und das wäre zu untersuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Gaugg: Das werden wir im Rechnungshof-Unterausschuss noch alles klären! – Abg. Dietachmayr: Unerhört, was Sie da behaupten! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Sie waren es, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ, die die Krankenversicherungsbeiträge laufend erhöht haben! So haben Sie etwa 1991 – ein ganz konkretes Beispiel – die Krankenversicherungsbeiträge erhöht, und zwar mit dem "Argument", die Psychotherapie auf Krankenschein einführen zu wollen. – Bis heute gibt es keine Psychotherapie auf Krankenschein! Neun Jahre später immer noch nicht! Erst vor wenigen Tagen hat Präsident Sallmutter, der ja wie eine Made im Speck der Sozialversicherung sitzt und nichts leistet ... (Rufe bei der SPÖ: Eine Frechheit ist das! – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.) Präsident Sallmutter hat dazu gesagt: Kommt doch gar nicht in Frage! – Das ist doch unerhört von Herrn Sallmutter, wenn er so etwas sagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Patienten haben neun Jahre lang höhere Beiträge bezahlt – neun Jahre lang bitte! – und nichts dafür bekommen! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Pumberger, Sie wissen sicherlich, dass man über Menschen nicht so spricht! Ich bitte, das zu berücksichtigen! (Abg. Edler: Es ist doch kein Wunder, wenn so wenige hier herinnen sind, denn das kann man sich doch nicht länger


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anhören! – Abg. Edler schickt sich an, den Sitzungssaal zu verlassen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (fortsetzend): Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben die Streichung von Pflegematerial bei Patienten mit künstlichem Seitenausgang angeordnet! Ihre sozialistisch dominierte Krankenkasse, der Hauptverband, die haben das gemacht! Und Sie haben auch das Taschengeld für Behinderte halbiert!

Sie haben auch im Jahre 1997 die Rezeptgebühr von 33 S auf 44 S erhöht, wenn man die Erhöhung vom 1. Jänner dazurechnet. Das ist prozentuell weit mehr, als jetzt geplant ist. Und niemand von Ihnen hat sich da aufgeregt! (Abg. Edlinger: Sie reden nicht über Maßnahmen!)

Sie haben das Taggeld im Krankenhaus von 0 S auf 70 S angehoben und haben nicht vorgesorgt, dass die Patienten eine verschuldensunabhängige Patientenversicherung bekommen. Sie haben nicht vorgesorgt, sondern Sie haben 70 S netto cash eingehoben. Nichts ist geschehen im Sinne der Patientenrechte. Aber wir haben eine bessere Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Edlinger: Ich würde mich schämen an deiner Stelle!)

Daher danke ich für die Anfrage, die heute eingebracht wurde. Ich danke Ihnen, weil der Herr Staatssekretär Gelegenheit dazu hatte, ausführlich darauf einzugehen. Wir hatten Gelegenheit, unser Programm, unsere Zielsetzung für diese Gesundheitsreform klarzustellen. Dieses Regierungsprogramm beweist, dass es besser geht, als es die Sozialdemokraten in den letzten 30 Jahren gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir sind nicht dazu bereit, eine Einschränkung medizinischer Leistungen zuzulassen, wie Sie es in den letzten Jahren gemacht haben. Wir sind nicht dazu bereit, die Krankenversicherungsbeiträge anzuheben, wie Sie es laufend gemacht haben, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten – mit Unterstützung der ÖVP; ich möchte Sie nicht aus der Pflicht nehmen. (Abg. Edlinger: Alles versteuern! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wir sind nicht dazu bereit, den Selbstbehalt beim niedergelassenen Arzt einzuführen, denn hier ist eine Lenkung möglich, wenn man den Ambulanzbesuch mit einem geringfügigen, sozial verträglichen Selbstbehalt belastet (Abg. Edlinger: Sie machen die Medizin für die Reichen!) und dadurch den Weg zum niedergelassenen Arzt forciert, der bei oftmals gleich guter Versorgung nur etwa 30 bis 40 Prozent der Kosten einer Spitalsambulanz verursacht. (Abg. Edlinger: Selbstverständlich werden Sie weiter abcashen!) Dabei haben wir auch gleich eine Strukturreform, und wir haben endlich für verschuldensunabhängige Fehler, die dem Patienten zustoßen, für die der Patient nichts kann, eine Versicherung in Aussicht gestellt. (Abg. Bures: Die zahlen die Patienten selbst!)

Diese zahlen sie nicht selbst. Das Krankenhaus zahlt 10 S. Geld hat kein Mascherl, das ist für das Spital verpflichtend. Sie haben 70 S eingehoben und nicht auf die Patientenrechte geachtet. So schaut es aus, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist die Gesundheitspolitik, die wir machen, die die neue Reformkoalition macht. (Abg. Edler: Abkassieren bei den kleinen Leuten! Abkassieren bei den kleinen Leuten!) Diese ist für die Zukunft, für unsere Patienten, für soziale Ausgeglichenheit und für strukturelle Reformen. (Abg. Edlinger: Der Kleine zahlt, und der Doktor kassiert!) Wir sind gegen Misswirtschaft, gegen Verschwendung und gegen Parteibuchwirtschaft in den Krankenkassen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Weg mit den politischen Funktionären aus den Krankenkassen! Weg mit dem politischen Einfluss aus den Spitälern und aus der Postenbesetzung! Dann können wir eine gesunde, ordentliche, zukunftsweisende Gesundheitspolitik machen. Wir sind auf dem besten Weg dazu. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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16.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte. (Abg. Reitsamer: Wir erhoffen uns eine Qualitätssteigerung!)

16.03

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Galerie und im Plenum! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! (Abg. Parnigoni: Liebe Freundinnen und Freunde!) – Sie sind es momentan nicht, Herr Kollege!

Die Zielsetzung dieser Bundesregierung, die sich auch der schwierigen Themen annimmt, ist ganz eindeutig Folgende: Wir arbeiten für das Gute, für die Menschen, für dieses Land und gegen Fehlläufe, die es gegeben hat. (Abg. Edlinger: Jössas, ich fange gleich zum Weinen an! So ein "guter" Mensch!) Wir werden uns bei dieser Umsetzung auch von Ihnen nichts dreinreden lassen, weil wir glauben, dass wir auf dem richtigen Weg sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Ex-Minister Edlinger! Die Dringliche Anfrage manifestiert sich dahin gehend als besonders dringlich, wenn ich mir anschaue, wer von Ihnen da ist, nämlich merklich wenige. Damit sehe ich, was Ihnen ein Anliegen ist, nämlich nicht die Sache, sondern das politische Spektakel. Auch darauf können Sie eine Antwort haben. Kein Problem. (Abg. Edlinger: Sie sind ein guter Mensch! Die Güte ist Ihnen ins Gesicht geschrieben!)

Ich glaube, dass sich dieses Thema eine ganz andere Anwesenheit und eine ganz andere Behandlung verdient. Wenn Frau Kollegin Bures in ihrer Dringlichen Anfrage schreibt, "das österreichische Gesundheitssystem stellt für die solidarische, umlagefinanzierte Pflichtversicherung den chancengleichen Zugang für alle Versicherten" zu allen Leistungen dar, dann stimmt es, und das werden wir in Zukunft auch garantieren. Dafür sorgt die ruhende und gestaltende Kraft der Volkspartei, die hier in der Mitte sitzt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit des Abg. Edlinger. )

Und wenn Sie glauben, dass dieses gute System, das wir in allen Phasen, in allen Zeiten, in allen Belangen mitentwickelt haben, nunmehr zu einer Zwei-Klassen-Medizin werden könnte, dann irren Sie. Mit uns nicht! Wenn Sie die Zwei-Klassen-Medizin studieren wollen – ich gebe Ihnen diese Empfehlung –, dann fahren Sie nach London. Dort regiert Tony Blair. Er betreibt die Zwei-Klassen-Medizin, nämlich dass gewisse Menschen keinen Zugang zu besonderen Leistungen haben, dass eine Altersausgrenzung stattfindet. Das ist Zwei-Klassen-Medizin! Das machen nicht wir, sondern das machen andere: Ihre Freunde! Das muss einmal aufgezeigt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich würde mir auch ein bisschen mehr Sachlichkeit, etwas mehr Sorgfalt und eine bessere Sprachkultur bei dieser wichtigen Frage wünschen angesichts von Formulierungen wie "Anschlag auf die Geldbörsen", "Leitmotiv" der "blau-schwarzen Abkassierer-Koalition". Meine Damen und Herren! Denken Sie sich dabei nichts? Ist das die Sprache, die Sie hier hereintragen wollen? – Ich habe Sie in besserer Erinnerung; ich habe Sie anders gesehen und erlebt. Aber so? – Das kann doch nicht Ihr Weg sein. (Abg. Edlinger: O ja! Selbstverständlich! Wir wollen, dass uns die Menschen verstehen! – Abg. Eder: Das ist die Sprache des Volkes!)

Wenn Sie glauben, dass Sie den Bürgern mit Ihrer Propaganda Angst machen können, dann werden wir Ihnen zeigen, dass das ins Leere geht! Ihre Mitteilungen, dass besondere Behandlungen eines enorm hohen Beteiligungsbeitrages der Bürger bedürfen, stimmen partout nicht. Dieser wird in der Art, wie Sie ihn darstellen, nicht kommen. Diese Angstmacherei dient Ihnen zurzeit nur als einziges Thema zur AK-Wahl! Das sehen wir überall. Weil Sie sonst wahrscheinlich kein Thema haben, schreiben Sie das auf. Das wird bald vorbei sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu, dass es im Bereich der Krankenversicherung schon immer Probleme gab, zitiere ich aus einem Artikel der Zeitschrift "NEWS" vom 16. Dezember, in dem sich ein Herr Präsident Sallmutter, den Sie kennen und den ich kenne, große Sorgen machte. Er hätte auch schon ein Konzept, wie er sagte, in der Aktentasche – steht hier zu lesen. Zur Diskussion stehe, er werde mit der Ärztekammer verhandeln. – Das war sein Konzept zur Lösung der Probleme, die tatsächlich vorhanden sind. Das sehen Sie als Leistung an, dass Sie sich bemüht hätten, die Dinge zu ordnen. Das ist eben nicht der Weg, den wir jetzt finden müssen.


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Nun sagen Sie weiters, dass Selbstbehalte etwas ganz Schreckliches sind. Ich darf Sie daran erinnern: Es gibt heute schon 11,5 Milliarden Schilling an Selbstbehalten quer durch alle Systeme. Für den Fall, dass Sie es vielleicht nicht ganz im Griff haben: im ASVG 10 Prozent für Angehörige im Spital. Das haben Sie genau so wie wir beschlossen! Krankenscheingebühr: Sie haben sie beantragt und wir haben sie mitbeschlossen. Rezeptgebühr: Sie haben sie beantragt und wir haben sie mitbeschlossen. – Das sind doch Selbstbehalte, die es bis jetzt schon gab. Ich glaube, wenn man den Selbstbehalt als Regulierungsinstrument betrachtet, dann ist er etwas sehr Korrektes, jedoch mit einer sozialen Schutzklausel. Dazu sind wir immer gestanden. Wir wollen aber den Selbstbehalt nicht so, wie Sie es manchmal vorhatten, zum reinen Finanzierungsinstrument herabwürdigen.

Ein Zweites: Sie stellten heute in der Dringlichen Anfrage fest, dass die Rezeptgebühr um 22 Prozent angehoben werden soll. Ich frage Sie: Was haben Sie im Jahre 1995 beantragt, als wir natürlich mitgestimmt haben, weil es damals ein Defizit von 2,5 Milliarden Schilling in den Krankenkassen gab? – Damals haben Sie eine Anhebung von über 30 Prozent beantragt, meine Damen und Herren! All das sind Dinge, die schon einmal da waren und die wir jetzt zur Sicherung der Leistung brauchen und auch in Zukunft dringend brauchen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn Sie vielleicht eine Erklärung brauchen, warum die Situation so ist, dann lesen Sie bitte nach, was Direktor Felderer vom Institut für Höhere Studien schreibt. Er sagt sehr klar, dass alleine die demographische Entwicklung zum Handeln zwingt, denn allein die Ausgaben je Verordnung bei den Medikamenten sind von 160 S im Jahre 1995 auf 250 S im Jahre 2000 angestiegen. Wir bieten bessere Leistungen an. Wir können natürlich auch nicht, wie ich schon sagte, neue Leistungen mit alten Instrumenten erbringen, sondern wir brauchen für die neuen Leistungen auch neue Wege. Wir haben sie aufgezeigt. Sie sind sozial ausgewogen. Sie sind zumutbar (Abg. Edlinger: Das werden die Menschen beurteilen, ob sie zumutbar sind!), und deshalb werden wir sie mit Ihnen auch ganz offen diskutieren, weil wir kein Problem haben, für das Gute einzutreten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben auch geschrieben, dass Ihrer Meinung nach die Verwaltungskosten zwischen den einzelnen Trägerschaften ein Problem sind. Sie haben aufgezeigt, dass zum Beispiel die Gebietskrankenkasse pro Versichertem mit 1 120 S verwaltet. Das stimmt. Die anderen verwalten mit 1 150 S! Ich frage Sie: Wo ist der Unterschied zwischen der Gebietskrankenkasse und den anderen Trägern, den Sie ansprechen wollen? – Der Unterschied besteht lediglich im Versichertenklientel, das sie eben zu bedienen haben.

Wenn in der Dringlichen Anfrage gefragt wird, ob Gebietskrankenkassenbezirksstellen gefährdet sind, dann darf ich Ihnen, falls Sie es nicht wissen sollten, mitteilen, dass ein prominenter Direktor einer Gebietskrankenkasse auf die Frage, wie man die Herausforderung der 1,5 Milliarden Schilling an Verwaltungskosteneinsparung bewältigen werde, folgende Antwort gegeben hat: Mir ist es egal, ich sperre halt die Bezirksstellen zu. – Das ist die Antwort auf eine Frage, die von der Regierung an die Selbstverwaltung gestellt wird. (Abg. Eder: In welcher Kasse sind denn Sie beschäftigt? In welcher Kasse sind denn Sie beschäftigt, Herr Donabauer?) So kann Politik und so kann auch Sozialpolitik nicht gemacht werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Eder. )

Da Sie immer von sozialer Ausgewogenheit sprechen, darf ich Sie daran erinnern, es gibt heute in der Krankenversicherung einen Beitragssatz von 3,75 Prozent der Pensionisten zur gesetzlichen Krankenversicherung. Dieser Faktor wird mit einem Multiplikator des Bundes angereichert. Ich frage Sie, warum Sie im Bereich der Eisenbahnerkrankenversicherung den Faktor 485 und im Bereich anderer Krankenversicherungen nur den Faktor 300 oder 315 anwenden. Warum haben Sie hier nicht auch eine ausgewogene Sozialpolitik gemacht? – Sie haben bis dato gerade das getan, was Ihnen recht war und was Ihnen gut tat! (Abg. Eder: Was Ihnen gut tat!) Wir werden eine ausgewogene, eine für alle vertretbare und begründbare Sozialpolitik machen. Daran wird kein Weg vorbeiführen.


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Ich habe Ihnen schon gesagt, Andrea Hodoschek sagte, diese Regierung steht vor rigorosen Sparmaßnahmen. Sie hat ungemein große Herausforderungen zu bewältigen, große Strukturmaßnahmen zu setzen, und ein richtiger Schritt ist die Pensionsreform, und das sollte auch die Gewerkschaft einsehen. (Abg. Eder: Bauernkasse! Sind Sie bei der Bauernkasse? Bei welcher Kasse sind denn Sie?) Oppositionspolitik darf nicht so weit gehen, dass Realitäten negiert und verdrängt werden. Meine Damen und Herren! Das ist eine klare Botschaft, über diese sollen Sie sich Gedanken machen, aber nicht Dringliche Anfragen stellen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich hätte einen Vorschlag zur Güte, der doch allen konvenieren müsste: Wenn ein Redner der Opposition spricht: Lärmpegel rechts minus 10 Prozent, wenn ein Redner der Regierung spricht: Lärmpegel links minus 10 Prozent. Das müsste doch funktionieren. (Heiterkeit. – Abg. Dr. Khol: Lärmpegel-Selbstbehalt!)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. – Bitte.

16.13

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Gestern am Abend hat die Plenarsitzung damit geendet, dass die Freiheitlichen den deutschen Dichterfürsten Goethe und die ÖVP einen griechischen Fabeldichter zitierten. Ich zitiere heute aus einer ganz einfachen und leicht verständlichen Sache, nämlich aus dem Schwarzen-Peter-Spiel, und werde Ihnen nachweisen, weshalb KassenpatientInnen und ÄrztInnen in diesem System vornehmlich jene sind, die den Schwarzen Peter von der Bundesregierung zugeschoben bekommen.

Es wird verständlich sein. Und wenn Herr Kollege Pumberger in einer "ZiB 3"-Diskussion meinte, das, was uns die Gesundheitspolitik der Bundesregierung bringe, seien Meilensteine im Gesundheitssystem und im Bereich des Sozialen, so würde ich etwas frech antworten: Mehrere solcher Steine, und wir haben ein Mausoleum. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was mich in der jetzigen Debatte irritiert – da fehlt mir schon viel an einer breiten Politik –, ist, dass alles, was betreffend Gesundheit diskutiert wird, nur noch über die Finanzschiene läuft. Es wird wenig über Strukturen gesprochen, es wird mit Systemcrash gedroht, die Gesundheit wird sich niemand mehr leisten können, und man zwingt so die verängstigten Patienten in einen gesamtösterreichischen Sparverein, in dem Patienten und Kranke die einzigen Zahler sind.

Sie werden wirklich nicht bestreiten, wenn Sie einen Funken Ehrlichkeit besitzen, dass die jetzigen Sanierungsmaßnahmen, soweit sie in der Öffentlichkeit debattiert werden, ausschließlich auf Kosten der Betroffenen und der Patienten gesetzt werden. Was sind Selbstbehalte anderes, als dass Betroffene sie zahlen und der Staat und die Kassen sich das Geld behalten – das kann man auch Selbstbehalt nennen? Was sind Teilkrankenstände, was sind erhöhte Verpflegskostenbeiträge, was sind Rezeptgebühren und Krankenscheingebühren? – Denken Sie nach, Sie brauchen gar nicht zu denken, das betrifft ausschließlich Kranke, die zahlen müssen! Ich habe Ihnen das zum wiederholten Male nachgewiesen, Herr Pumberger! (Abg. Dr. Pumberger: Ich mache eh eine tatsächliche Berichtigung! Da spare ich mir die Zwischenrufe!) Machen Sie eine tatsächliche Berichtigung, auch diese kann falsch sein! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich habe Ihnen mehrfach erklärt, dass das Einkommen der Bevölkerung, der Bildungsstand und die Arbeits- und Wohnverhältnisse auf die Inanspruchnahme der medizinischen Maßnahmen einen höheren Einfluss haben und dass jene, die im Einkommen, in der Bildung, in der Arbeit und im Wohnen benachteiligt sind, öfter und früher krank werden und auch kürzer leben als andere. Gerade jene sind es, auf deren Kosten Sie das System sanieren wollen. Das finde ich nicht wahnsinnig intelligent, und ein Meilenstein ist das meiner Meinung nach jedenfalls nicht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ganz kurz zu meinen Vorrednern: Natürlich ist es richtig, dass Strukturmaßnahmen gesetzt werden können, wenn man Einstiegsschwellen schafft, wenn man Ambulanzgebühren erhöht oder


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einführt. Ich frage Sie aber: Müssen Patienten und Betroffene, sozusagen die Ärmsten der Armen – Krankheit ist ja nichts Lustiges, das werden Sie mir zugestehen –, für Sie Strukturen sanieren? Gäbe es nicht Möglichkeiten, die Balance zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich durch kurzfristige Investitionen in den niedergelassenen Sektor zu gewährleisten und dadurch den Zustrom zu Ambulanzen und Krankenhäusern zu reduzieren? – Das fällt Ihnen anscheinend nicht ein.

Niemand sträubt sich gegen vernünftiges Sparen. Das können Sie mir glauben. Aber da Gesundheit nicht nur Sache eines Ressorts ist, sondern letztendlich der gesamten Regierung, wären schon Maßnahmen angezeigt, die tiefer greifen als solch oberflächliche Dinge. Sie werden zugeben, das Parlament soll in etwa einen Querschnitt der Bevölkerung repräsentieren. In dieser Debatte habe ich jedoch das Gefühl, dass auf Seiten der Regierungsfraktionen eine Phalanx von Finanz- oder Bilanzbuchhaltern sitzt, die nun meint, Sozialpolitik mit dem Rechenstift machen zu können. So wird sich das nicht ausgehen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Noch etwas: Faktum ist – ich kann es Ihnen nicht ersparen, Ihnen vorzuwerfen, die Bevölkerung angeschwindelt zu haben –, Österreich liegt in den Ausgaben für Gesundheit ganz brav im europäischen Schnitt. Von Systemcrash ist keine Rede. Bis jetzt betragen die Selbstbehalte 10 Milliarden Schilling, und der Anteil privater Gesundheitskosten liegt bei kräftigen 30 Prozent und ist in den letzten 15 Jahren – oder vielleicht sind es 12 Jahre, verzeihen Sie mir die kleine Unschärfe – um 70 Prozent gestiegen. Das ist eklatant mehr als die Ausgaben für die Gesundheit, die aus dem öffentlichen Bereich kommen. Wenn Sie nun wieder Akzente setzen, die wiederum den privaten Sektor und die privaten Haushalte belasten, gebe ich Ihnen eine ganz einfache Antwort: Nicht wir schüren den Klassenkampf, sondern Sie öffnen zumindest die Gefahr einer Zwei-Klassen-Medizin. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie propagieren in Ihrem Programm auch Privatisierungen des Gesundheitswesens. Sie wissen, dass ein Gesundheitswesen, wenn es gut und fair sein soll, nie gewinnbringend sein kann. Da stimme ich Ihnen zu. Was ist dann die Privatisierung im Gesundheitsbereich? – Das sind jene Bereiche, die rentabel sind: Schönheitschirurgie, andere Sachen, Hungerkuren, das trockene Semmerl und der Kamillentee für 10 000 S am Tag.

Das nennt sich Privatisierung der Gewinne für die Betreiber. Und was bleibt dem öffentlichen Bereich? – Jene Medizin, die defizitär ist, die teuer ist und die risikobehaftet ist. Also wenn Sie ein System vertreten, in dem Gewinne privatisiert werden, das Risiko aber der öffentlichen Hand überlassen wird, sagen Sie mir, was Ihre Mär oder Ihr Märchen oder, wenn Sie eine griechische Fabel wollen, vielleicht die griechische Fabel von der Schlankheit des Staates ist!

Mich wundert es auch, wie zwei Parteien, die die Wirtschaft auf ihren Schild heben und versuchen, den kleinen Mann nebenbei zu betreuen – zwar immer schlechter und immer mäßiger –, es schaffen wollen, die Arzneimittelkosten zu senken. Auch hier ist eine Frage falsch beantwortet worden: Generika und Rezeptgebühr haben so viel miteinander zu tun wie Sonne und Mond – mit der Ausnahme, dass sie beide Gestirne sind, wenn man so will. Generika sind genauso mit 55 S Rezeptgebühr behaftet, weil für jedes Medikament – egal ob es 20 S oder 500 S kostet – 55 S zu bezahlen sind. Da werden Generika "Null-komma-Powidl" – wenn Sie diesen Ausdruck gestatten – daran ändern.

Einige kurze Bemerkungen zur Gesundheitskonferenz: Im Prinzip keine üble Idee – das gebe ich zu –, aber was sind da für Worte gefallen – nicht vom Herrn Staatssekretär, aber von seinen geladenen Gästen? – Machen wir doch eine Basis-Versicherung! – Die Basis-Grundversorgung der Kranken wird der öffentliche Bereich behalten, alles andere, was teurer, spezifischer, spezieller, risikobehafteter ist, zahlt sich der Patient in Zukunft selbst – keine Zwei-Klassen-Medizin, oder täusche ich mich?

Risikoprofile und risikoadaptierte Prämien in den Kassenversicherungen sollten geschaffen werden. Was heißt das? – Das Risiko ist Armut, das Risiko ist geringere Bildung, und – was ich kürzlich gelesen habe; von Bischöfen sehr fleißig zitiert – "mangelnder Glaube verzögert Heilungen". Wollen Sie jetzt herumschnüffeln, wer gläubig ist, wer katholisch ist, wer es nicht


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ist? – Dieser hat ein erhöhtes Risiko, daher muss er höhere Prämien zahlen. Also bitte überlegen Sie, was da los ist! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Parnigoni: Mehr Kirchensteuer!)

Ich bin dagegen, den Patienten, den Kassen und den Ärzten den Schwarzen Peter zuzuspielen und die Politik auf das zu reduzieren, was man sonst getrost Lohnbuchhaltern überlassen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pumberger zu Wort gemeldet. Zu berichtigender Sachverhalt und tatsächlicher Sachverhalt müssen genannt werden. – Bitte.

16.23

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Dozent Grünewald hat behauptet, dass die jetzigen Maßnahmen dieser Bundesregierung zur Sanierung der Krankenkassen und des Gesundheitswesens ausschließlich von den Betroffenen zu finanzieren sind. (Abg. Dr. Grünewald: Ich habe sie aufgezählt, die Maßnahmen!)

Ich stelle folgendermaßen richtig, indem ich ein Schreiben der Bundesregierung vorlese:

Die Bundesregierung erteilt am 8. April 2000 den Auftrag an die Krankenkassen, im Rahmen der Selbstverwaltung einen Sanierungsauftrag mit folgenden Grundsätzen umzusetzen – dann setzen sich die Grundsätze fort, die Sie zum Teil erwähnt haben; doch ich erspare Ihnen den gesamten Wortlaut –:

Die vorgesehenen Einsparungsmaßnahmen ergeben folgende Teilbeträge: Verwaltungsbereich der Krankenkassen: 1,5 Milliarden Schilling – kein Schilling zu Lasten des Patienten. Arzneimittel: 2,5 Milliarden Schilling – kein Schilling zu Lasten des Patienten. Rezeptgebühr und Heilbehelfe: 1 Milliarde Schilling – das ist zu Lasten des Patienten, das gebe ich zu, ebenso der Behandlungsbeitrag im Spital.

Von insgesamt 6 Milliarden Schilling, die eingespart werden, sind 4 Milliarden nicht durch den Patienten zu finanzieren. Und das ist das Unrichtige, das Sie behauptet haben (Abg. Eder: Das glauben Sie selbst nicht!), nämlich dass dieser alles bezahlen muss. Zwei Drittel kommen durch Verwaltungsmaßnahmen und durch Einsparungen im Pharma-Sektor herein; und das ist eine Hochleistung dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.24

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Grünewald hat hier vom Rednerpult aus behauptet, dass die Regierungspolitik den Weg zur Zwei-Klassen-Medizin eröffnet.

Herr Kollege! Diese Behauptung ist unrichtig. (Abg. Eder: Ist richtig!)

Nur dann – nur dann! –, wenn die finanziellen Kleinrisken der Einzelne selbst ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Kollege Stummvoll! Das ist klassisch wieder die politische Diskussion, ob das Zwei-Klassen-Medizin ist oder nicht.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Prammer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.25

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wer krank ist, muss in Zukunft kräftig selbst zahlen. Das ist in diesem Haus schon mehrfach festgestellt worden (Abg. Dr. Leiner: Gesagt!), und das ist auch die Realität, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das Ganze ist ganz im Sinne dessen, was der Herr Bundeskanzler vor 100 Tagen in diesem Haus gesagt hat, er hat nämlich gemeint: Wir brauchen Mut, und Mut muss wehtun. – Ich kann nur sagen: Wie wahr, wie wahr! Bei den Kranken kommt nicht nur der körperliche Schmerz, der ja da ist, wenn man krank ist, sondern auch noch der finanzielle Schmerz dazu, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Pumberger: Es gibt schon 10 Milliarden Schilling Selbstbehalt!)

Wer krank ist, wird kräftigst zahlen müssen, und die massiven Belastungen für kranke Menschen sind alles, was Ihnen eingefallen ist. Sie sparen nicht, Sie belasten nur, meine Damen und Herren! Ich bin über so manche Redebeiträge hier in dieser Debatte schon sehr überrascht – zum Beispiel von Herrn Abgeordneten Donabauer. Ich weiß es nicht, ich habe es vage in Erinnerung: Er hat irgendeine Funktion in einer Krankenkasse – oder irre ich da? (Abg. Schwemlein: Er ist Büttenredner!)  –, und ich frage mich, wo denn sein Konzept im Dezember 1999 war, weil er angesprochen hat, dass Kollege Sallmutter damals offensichtlich ein Konzept gebraucht hätte. Wo war denn sein Konzept, oder wo ist denn heute das Konzept seiner Krankenkasse, da doch ganz klar und deutlich auf dem Tisch liegt, dass es noch immer 0,9 Milliarden Schilling Abgang gibt, obwohl ein Bundeszuschuss in der Höhe von 0,6 Milliarden gewährt wird?

Meine Damen und Herren! Wenn es nur so einfach wäre, wie sich so manche Herren und Damen Abgeordnete der Koalition sich das vorstellen und hier auch von sich geben! Wenn es nur so einfach wäre! Aber diese Fragen können wir an Sie, an die Regierungsparteien stellen, viele Fragen, auch bei Dringlichen Anfragen – die Antworten bleiben Sie uns schuldig, meine Damen und Herren!

Zu Herrn Abgeordneten Pumberger: Sie haben Recht, wenn Sie feststellen, wir sollten uns unsere Fragen selbst beantworten. – Jawohl, ich glaube wirklich, dass sich die Opposition ihre eigenen Fragen selbst beantworten sollte – von Ihnen kommt keine Antwort. Das, was von Ihnen kommt – das hat sich im Redebeitrag des Herrn Abgeordneten Pumberger wieder ganz deutlich gezeigt –, ist Ablenkung, es wird von etwas ganz anderem gesprochen, und zweitens kommt eine persönliche Diffamierung. Etwas anderes wird an diesem Rednerpult nicht gesagt. (Beifall bei der SPÖ.) – Das ist die Antwort! Das ist die Antwort auf Fragen, die wir Ihnen als Regierungsparteien stellen.

Herr Staatssekretär Waneck! Auch da zieht sich der rote Faden, der Leitfaden, durch die Bundesregierung, genauso wie durch die gesamte Koalition. (Abg. Edlinger: Der blaue Faden!) – Der schwarz-blaue Faden: Lippenbekenntnisse versus konkrete Maßnahmen.

Zunächst stellt man sich hin und gibt Lippenbekenntnisse ab – wunderbar schöne Lyrik, schöne Sätze, egal ob das in der Gesundheitspolitik, in der Sozialpolitik, in der Frauenpolitik, in der Familienpolitik ist –, und wenn dann konkrete Maßnahmen kommen sollen, dann fehlen sie. Und wenn konkrete Maßnahmen kommen, sind sie gegen die Schwächeren, gegen die so genannten kleinen Leute gerichtet, die Sie immer wieder ansprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Haller. )

Herr Staatssekretär Waneck! (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: 30 Jahre schöne Worte von der SPÖ!) Sie haben davon gesprochen, dass kein Selbstbehalt bei niedergelassenen Ärzten eingeführt wird. Auch da denke ich: Wie wollen Sie denn all die Fragen beantworten, die sich stellen, etwa betreffend Stadt-Land-Gefälle? Was ist denn mit den Fachärzten auf dem Land, wo die Ambulanzen nach wie vor dringend notwendig sind? (Abg. Dr. Leiner: 30 Jahre haben Sie das versäumt! 30 Jahre lang haben Sie das versäumt!)


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Es macht auch keinen Sinn, in jeder kleinen Gemeinde jeden einzelnen Facharzt zu haben, weil dort die Qualität und die technische Ausstattung gar nicht vorhanden sein können, gerade auch wenn man Kostenbewusstsein hat, meine Damen und Herren! Aus diesem Grund sind die Ambulanzen wesentlich und wichtig, und aus diesem Grund ist es auch klar, dass Ambulanzen für viele Menschen die entsprechende Hilfestellung im Krankheitsfall sind.

Noch ganz kurz zum Krankengeld: Für mich ist es wirklich blanker, unglaublicher Zynismus, der hier geäußert wird, wenn plötzlich jenen Menschen, die sozusagen keine Lebenserwartung mehr haben, denen der Tod schon ins Gesicht geschrieben steht, das Krankengeld unbefristet bezahlt werden soll. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Wer beurteilt das? Welcher Arzt will sich tatsächlich der ethischen Frage stellen, zu entscheiden: Krankengeld ja, Krankengeld nein – über die 52 Wochen hinaus?

All diese Fragen haben Sie sich nicht gestellt und haben Sie auch nicht beantwortet, meine Damen und Herren!

Ich möchte schon zum Schluss kommen: Ich habe in den letzten Tagen und Wochen sehr aufmerksam viele Interviews verschiedener Vertreter der Regierungsparteien gelesen. Wissen Sie, was mir dabei aufgefallen ist? – Immer dann, wenn es konkret wird, immer dann, wenn konkrete Antworten gebraucht werden, zum Beispiel auch in Gesundheits- und Krankheitsfragen, wird gesagt: Wir brauchen da Expertenkommissionen, Arbeitskreise, da wird das eine oder andere noch eingesetzt. Meine Damen und Herren! Überlegen Sie zuerst, und setzen Sie dann Maßnahmen, denn das wäre im Interesse der Bevölkerung Österreichs! (Beifall bei der SPÖ.)

16.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte.

16.31

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bin nun seit über 20 Jahren Spitalsärztin und seit fünf Jahren Gesundheitspolitikerin hier in diesem Hause. Seit Jahren haben wir Freiheitlichen der Sozialdemokratie in zahlreichen Debatten, Anfragen, Dringlichen Anträgen die drohende Unfinanzierbarkeit dieses Gesundheitssystems vor Augen geführt. Nun, nach dem Regierungswechsel, stellen Sie plötzlich ganz erstaunt an uns die Frage – 79 Fragen! –, welcher Sanierungsbedarf besteht. (Abg. Mag. Prammer: Haben Sie die Absicht, nicht regieren zu wollen?) Ich frage Sie, Frau Abgeordnete: Ist es jahrzehntelange Unkenntnis der Situation, dass wir jetzt so dastehen, oder ist es eine gewollte Misswirtschaft für den Bürger? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Oder ist es vielleicht nur ein politisches Spiel Ihrerseits: Zuerst waren wir in der Regierung – damals haben Sie alles verschuldet –, jetzt aber sind wir die Guten, und die anderen sind die Bösen. Das ist zynisch, das ist menschenverachtend, nicht das, was wir sozial ausgewogen im Regierungsprogramm vorgeschrieben haben.

Unser Gesundheitssystem braucht strukturelle Veränderungen und nicht ständiges tröpfchenweises Belasten, das den Kassen weiter Milliardendefizite verursacht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser. )

Jetzt frage ich mich wirklich: Waren wir in der Regierung oder Sie und haben ungerührt zugesehen, wie das derzeitige Sozialversicherungssystem weiter in die roten Zahlen geschlittert ist? (Abg. Mag. Prammer: Frau Povysil! Sie müssen jetzt arbeiten!) Waren Sie zu diesem Zeitpunkt in der Regierung oder ich? – Sie waren es; Sie erinnern sich sicher daran. (Abg. Mag. Prammer: Das heißt, Sie haben nicht vor, jetzt zu arbeiten?!)

Seit fünf Wochen tagt eine Arbeitsgruppe im Gesundheitsministerium unter der Führung von Herrn Staatssekretär Waneck, und seit fünf Wochen gibt es nichts als ständige Blockaden hinsichtlich des Sozialversicherungssystems: keine Offenlegung der Rücklagen, weiterhin gedeckelte Zahlungen in den Spitälern, unzulängliche Erstellung von Defizitprognosen, Ablehnung einer Diskussion über die Ausgliederung der Ambulatorien – Blockade, Blockade, Blo


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ckade! Und wer hat das zu verantworten? – Sie von der SPÖ und nicht wir! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. )

Ja, es stimmt, dass die Österreicher Weltmeister im Im-Spital-Liegen sind, aber es ist nicht zynisch, wenn man das sagt, sondern das ist ganz einfach wahr, und das hätten Sie längst schon sehen müssen. (Zwischenruf der Abg. Bures. ) Warum ist denn das wahr, Frau Bures? – Ich wusste gar nicht, dass Sie, Frau Bures, so viel Kompetenz im Gesundheitswesen haben. Aber dann hätten Sie sich auch die Frage stellen sollen, warum es so ist. Es ist so, weil die Strukturen im niedergelassenen Bereich fehlen und weil die Kassen blockieren: keine Verträge für Gruppenpraxen, obwohl wir sie schon jahrzehntelang fordern! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Spital ist das letzte und das höchst qualifizierte Glied in der Behandlungskette. Spitalsambulanzen sind für Notfälle und für Spezialbehandlungen notwendig. Der Schnupfen, die Erkältungskrankheit, aber auch alle anderen Krankheiten, bei denen die Patienten mobil bleiben sollen, gehören ambulant behandelt, gehören vom niedergelassenen Arzt behandelt. Abgesehen davon ist es gerade für alte Leute und für Kinder – aber um das zu sehen, braucht man eben ein Verständnis des Gesundheitssystems an sich – umso besser, je länger sie ambulant behandelt und nicht aus ihrem Heim herausgerissen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Kostenfaktor ist auch beträchtlich: Über 2 000 S kostet ein Patient in der Ambulanz, 500 S bis 700 S beim niedergelassenen Arzt. Also zusätzlich zur richtigen strukturellen Maßnahme ist auch der Kostenfaktor ganz entscheidend.

Wir Spitalsärzte sind mit den Ambulanzen massiv überlastet. Wissen Sie, wozu das führt? – Das Fehlen struktureller Maßnahmen führt in meiner Abteilung dazu, dass ich derzeit nur einen Ausbildungsassistenten habe, aber keine Fachärzte, und das nur deswegen, weil seit Jahren in struktureller Hinsicht notwendige Veränderungen in diesem Sektor nicht durchgeführt werden. Das kann ich Ihnen aus meiner täglichen Praxis sagen. Ich weiß nicht, wie lange ich hier im Parlament noch bei Ihnen stehen und darüber reden kann, weil meine Abteilung in der Zwischenzeit unversorgt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. )

Daher ist die Einführung einer Ambulanzgebühr von 150 S eine wirklich zu begrüßende Maßnahme zur Lenkung der Patientenströme: weg von den Spitälern – wenn nicht unbedingt notwendig –, hin zu einer ambulanten Versorgung.

Die Kassen müssen sich endlich auf sich selbst und darauf besinnen, was sie eigentlich sind: Sie sind Versicherungsdienstleister und verpflichtet, ihre Probleme selbst zu lösen! 4 Milliarden Schilling an Einsparungen – das wurde schon erwähnt – gibt es im Krankenkassensystem allein ohne Belastung der Patienten. Damit würden endlich einmal wichtige strukturelle Maßnahmen gesetzt. Die Machtapparate wehren sich jedoch dagegen, sie wehren sich mit Unwilligkeit zur Selbstkritik, zur Systemkritik und zur Selbstanalyse.

Nur dann, wenn diese Maßnahmen endlich zum Tragen kommen – und dafür werden wir sorgen! –, können wir das erfüllen, was in unserem Regierungsprogramm als Grundsatz festgeschrieben ist: grundsätzlich gleicher Zugang zu allen medizinischen Versorgungsleistungen nach jeweils definierten Qualitätsstandards ohne Rationierungen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

16.38

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Vor drei Jahren hat uns Ministerin Hostasch erklärt, das Gesundheitswesen, die Krankenkassen seien saniert. Jetzt aber stehen wir schon wieder vor


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einem massiven Problem. 30 Jahre SPÖ-Gesundheitspolitik sollten doch nicht dazu führen, dass man alle drei Jahre über ein massives Notprogramm reden muss.

Verleugnen löst bekanntlich meist noch größere Probleme aus. Und das, was mich am meisten verwundert hat, war, dass Anfang Dezember Viktor Klima gesagt hat: Ja, es gibt Probleme, 2,5 Milliarden Schilling fehlen, aber es darf nicht mehr Geld geben, die Krankenscheingebühr soll abgeschafft werden, und gleichzeitig soll es noch mehr Leistungen geben! – Das wäre die Quadratur des Kreises und ist ein Den-Leuten-Sand-in-die-Augen-Streuen.

Kein Mensch bezweifelt, dass wir ein positives Problem haben. Wir haben eben das Problem positiver Art, dass die Leute älter werden und dass die Medizin gigantisch leistungsfähig ist. Das müssen wir anerkennen. Aber auf der einen Seite zu sagen, das dürfe nichts kosten, und auf der anderen Seite jede Leistung zu garantieren, das geht einfach nicht!

Es ist schon viel Scheinheiligkeit dabei, wenn man sagt: Die Medikamentengebühren steigen so stark, von 46 S auf 55 S. In Deutschland liegt die Medikamentengebühr im Schnitt bei 70 S. Ich habe noch nicht gehört, dass Sie sich bei Ihrem Vorbild Schröder darüber beschwert hätten.

Oder: Selbstbehalt in der Ambulanz. Wenn Sie im Wilhelminenspital die Ambulanz aufsuchen, brauchen Sie etwa einen Vormittag, bis Sie alles erledigt haben, und da zahlen Sie am ganzen Spitalsgelände mehr Parkgebühr, als die Ambulanzgebühr ausmacht.

Was nun die "Glaubensfrage" der Selbstbehalte betrifft, so sollen diese ja nicht den Patienten in dem Sinn belasten, dass eine Leistung verhindert wird. Das wäre ja völlig absurd und meiner Meinung nach unfair.

Die Eisenbahner, die Beamten haben dafür gekämpft, dass sie in ihrem System bleiben können, in dem sie diesen "bösen" Selbstbehalt zahlen dürfen. (Abg. Verzetnitsch: Sie haben aber andere Leistungen!) Wenn sie kein Geld hätten, Herr Präsident, dann könnten sie auch nichts leisten. Dann müsste es nämlich so sein, dass sie dem Patienten manche Leistungen, wie etwa – um nur einige Beispiele zu nennen – Zahnkronen, Kieferorthopädie, Schmerztherapie, überhaupt nicht gewähren können. Haben Sie gewusst, dass 500 000 Österreicher überhaupt keine Schmerztherapie auf Krankenkassenkosten erhalten können?

Was das berühmte Beispiel Psychotherapie betrifft, so wurde zehn Jahre lang um einen Vertrag gerungen. Derzeit wird eine Rückerstattung von 300 S gewährt. Die durchschnittliche Therapiestunde kostet 1 000 S. Das ergibt nach Adam Riese einen Selbstbehalt von 70 Prozent oder 700 S. Darüber habe ich noch keinen großen Aufschrei gehört, und dabei gibt es genügend psychisch Kranke, die gerne die Möglichkeit hätten, umsonst oder zumindest mit einem minimalen Selbstbehalt die Therapie in Anspruch zu nehmen.

Ich will hier keine Kindesweglegung betreiben. Wir haben durchschnittliche Gesundheitskosten, die 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen, und liegen damit unter den Ländern der westlichen Welt auf Platz zehn. Deutschland gibt zum Beispiel 10 Prozent aus, das ist um etwa 60 Milliarden mehr. Es sollen hier auch nicht die Leistungen der Krankenkassen kleingeredet werden und auch nicht die Leistungen der Sozialdemokratie. Aber es geht hier darum, dass wir leider ein massives Problem übernommen haben, und keiner – ich inklusive – hat gewusst, dass 5,7 Milliarden Schilling fehlen und nächstes Jahr 9 Milliarden Schilling fehlen werden.

Was manche der Lösungsvorschläge, die gemacht wurden, betrifft, so ist jener von Herrn Kollegen Grünewald, der sagt, er könne auf die Schnelle 10 Milliarden Schilling einfach durch Verschieben von innen, also vom Spital, nach außen aufstellen, bitte, naiv. Das funktioniert nicht! Auch der Vorschlag von Herrn Köck – Gott sei Dank sitzt er nicht im Parlament –, der auf der Ansicht beruht, dass 50 Prozent der Leistungen überflüssig seien, entbehrt, so glaube ich, jeder Grundlage.

Ich will aber nicht das englische Gesundheitswesen von Herrn Blair, in dem 1,3 Millionen Leute auf der Warteliste stehen (Abg. Reitsamer: Blair ... sanieren!) – Blair saniert überhaupt nichts! – und Patienten mit einer Heilungschance von unter 5 Prozent überhaupt nicht drankommen.


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Ich möchte auch nicht das Gesundheitssystem von Deutschland, wo brutal gedeckelt und einfach rationiert wird, wo Ärzte mit Regresszahlungen bedroht werden, wenn sie Patienten etwas verschreiben. Ich war in Deutschland, und da haben mir Ärzte gesagt: Wir verschreiben die neuen Medikamente wie "Zyprexa" für Schizophrenie überhaupt nicht, denn wir werden diese doch nicht von unserem Honorar zahlen! – So sieht grüne Politik in Deutschland aus, Herr Öllinger, aber Sie können ja dann gerne dazu Stellung nehmen. (Ruf bei der SPÖ: Wie war denn das vorher?)

Wenn die Kosten für Medikamente im Jahr um 3 Milliarden Schilling steigen, dann müssen wir uns etwas überlegen. Das darf aber keine Deckelung sein, sondern es muss vernünftig gespart werden. Da gefällt mir dieses Ökonomiemodul sehr gut.

Wir dürfen nicht dazu kommen, dass wir rationieren. Meine eigene Mutter hat vor 20 Jahren bei einer Brustkrebserkrankung ihr Medikament unter dem Hinweis, dass es zu teuer ist, nicht bekommen. Sie können mir als Arzt, der in Meidling, wo nicht die reichen Leute wohnen, ordiniert, abnehmen: Wir wollen keine Zwei-Klassen-Medizin! Diesen Konsens wollen wir auch in diesem Haus, auch unter einer anderen Regierung, aufrechterhalten. Es geht doch um die Solidarität zwischen Jungen und Alten, zwischen Gesunden und Kranken. Das soll man nie vergessen, und man soll wegen dieser 2 Milliarden, die jetzt an Selbstbehalt aufgebracht werden – 2 Milliarden sind es, Herr Präsident, von 140 Milliarden Schilling, die insgesamt an Krankenversicherungsbeiträgen entrichtet werden –, nicht so tun, als wenn das die große Welt wäre, noch dazu, da wir alle wissen – wir, Sie und ich –, dass es hier sozial begründete Ausnahmen geben soll und geben muss.

Wer hat Sie zum Beispiel daran gehindert, sich dieser Problematik anzunehmen? Elf Jahre lang renne ich nun schon dieser verschuldensunabhängigen Haftungsregelung nach! Ist das wirklich ein Mirakel? Muss man wirklich sagen, es ist ein Problem, 10 S oder mehr dafür aufzuwenden, dass jemand, wenn er einen Schaden erleidet, entschädigt wird, nur weil man sich auf einen ideologischen Standpunkt stellt, der lautet, es darf nicht sein? – Da sind mir 10 S lieber, und wir bringen damit ein Thema in Gang und helfen denen, die – wirklich tragischerweise – bei all den Erfolgen, die die Medizin erzielt, einen Schaden erleiden.

Ich bin offensichtlich mit meiner eher positiven Einschätzung nicht ganz allein: Ärztekammerpräsident Pjeta hat gesagt, die Reform sei ein mutiger Schritt. Präsident Routil von der Steiermark hat gesagt, man muss bei dem Regierungsprogramm gute und neue Vorschläge nicht mit der Lupe suchen.

Ich glaube, unsere Gesundheitspolitik sollte nicht vom Wegschauen und vom Verleugnen der Probleme oder von Pseudolösungen bestimmt sein. Wir sollen aber nicht dem Patienten, wie Pumberger es gesagt hat, Angst machen, sondern ich glaube, wir sollen schrittweise zu einem optimalen System für alle kommen. Wir sollen Angst nehmen. Keiner soll sich wie in Amerika fürchten müssen, dass er, wenn er arm ist, auf der Straße steht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

16.45

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich muss mit einem Kompliment an Sie anfangen, was vielleicht ungewöhnlich ist: Es fällt angenehm auf, Herr Staatssekretär, dass Sie sich einer sachlichen Argumentation bedient haben, dass Sie versucht haben, sich sachlich mit dem Problem auseinander zu setzen, was leider nicht für alle Mitglieder der freiheitlichen Fraktion, vor allem nicht für den Erstredner, Kollegen Pumberger, gilt. (Abg. Dr. Pumberger: Vielleicht habe ich beim Öllinger gelernt?)

Mit Begriffen wie "Made im Speck", Herr Kollege Pumberger, macht man vielleicht Stimmung (Abg. Mag. Hartinger: Wofür machen Sie Stimmung, Herr Kollege?), böse Stimmung, aber man macht nicht unbedingt das, was Sie, Herr Kollege Rasinger, eingefordert haben: Angst zu nehmen und sich sachlich mit Gesundheitspolitik auseinander zu setzen.


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23. Sitzung / Seite 128

Da möchte ich Sie bitten, meine Damen und Herren: Bleiben wir doch zunächst einmal dabei! Wir haben in Österreich ein – ich habe sehr aufmerksam zugehört – Gesundheitssystem mit gar nicht so schlechter Leistungsfähigkeit, aber eben auch mit bestimmten Defiziten. Die sind nicht klein! Man sollte sie auch benennen, Herr Abgeordneter Rasinger.

Wir haben – Sie selbst haben ja das Beispiel angesprochen – durchaus so etwas wie versteckte Rationierung in unserem Gesundheitssystem. Die Punkte, bei denen diese versteckte Rationierung stattfindet, sollte man benennen. Sie sind genau entlang dieser sozialen Grenzen zu finden, die Kollege Grünewald schon beschrieben hat. Das sind die versteckten Rationierungspotentiale, die in diesem Gesundheitssystem wirksam werden. Ich weiß nicht, ob Ihre Mutter eine reiche oder eine arme Frau ist, ob sie sich verbal ausdrücken kann oder nicht, aber genau das sind die Punkte, die den Menschen im Gesundheitssystem, unabhängig davon, ob es von Schwarz-Blau, Blau-Schwarz, Rot-Schwarz oder nur Rot verwaltet wurde, schon bisher zu schaffen gemacht haben. – Das ist ein Punkt: Wir haben versteckte Rationierung, und wir sollten sie benennen. Ich habe Ihnen jetzt einen Punkt dieser versteckten Rationierung im Gesundheitssystem genannt.

Das Zweite, worüber wir ernsthaft diskutieren sollten: Es ist ein paar Mal vom "Auftrag der gesetzlichen Krankenversicherung" die Rede gewesen. Aber reden wir doch auch darüber: Was bedeutet dieser Auftrag der gesetzlichen Krankenversicherung?

Wir haben eine soziale Krankenversicherung – dieser Begriff ist noch nicht gefallen; vielleicht will man ihn auch nicht nennen –, deren Prinzip darin besteht, dass innerhalb der Versicherten zwischen den wenig Verdienenden und den Besserverdienenden ein Ausgleich geschaffen wird und, zum Zweiten – und das ist das hehrste Prinzip dieser sozialen Krankenversicherung –, dass im Verband der Versicherten dann, wenn das Risiko anfällt, keine Belastung für die Kranken entsteht.

Jetzt versuche ich, Ihre Aufmerksamkeit auf die Frage zu lenken: Funktioniert dieses System nach diesen Prinzipien? Ist es wirklich so, dass im Bereich der österreichischen sozialen Krankenversicherung die Besserverdienenden, im Unterschied zu den weniger Verdienenden, adäquate Beiträge leisten? – Sie wissen, wir haben eine Beitragshöchstgrenze. Der Vorschlag, den der Herr Staatssekretär gemacht hat, nämlich die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage, wäre sozial gerechter als das, was Sie vorgeschlagen haben – um es zu benennen: Das entspricht dem Prinzip einer sozialen Krankenversicherung.

Der zweite Punkt: Haben wir in diesem System der sozialen Krankenversicherung einen Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken? – Jetzt können Sie sagen: Vielleicht ist die Debatte überdreht. Sie können auch sagen: Vielleicht geht es da auch um Defizite der Vergangenheit. – Damit haben Sie sogar vollkommen Recht. Die Debatte über Selbstbehalte führen wir ja nicht zum ersten Mal! Wir haben sie entlang zweier Sparpakete geführt, und ich kann mich daran erinnern, dass damals die Abgeordneten – oder einige Abgeordnete – der Freiheitlichen Partei genauso wie wir Grünen Argumente gegen die Selbstbehalte geltend gemacht haben.

Jetzt treten die Vertreter der Freiheitlichen Partei auf und übernehmen die Argumente für den Selbstbehalt. Ich mache nur darauf aufmerksam – und das war Sinn und Zweck der Debatte –: Im Rahmen einer sozialen Krankenversicherung einen Selbstbehalt, der nicht in die richtige Richtung regulieren kann – und das wollen Sie auch nicht –, vorzusehen, das bedeutet, dass dieser einem Finanzierungsmotiv folgt. Da stellt sich dann die Frage, ob ein Selbstbehalt – und da gäbe es gute Beispiele, etwa bei den Medikamenten einen Selbstbehalt in der Höhe von 55 S oder einen Selbstbehalt im Bereich der Ambulanzen – nicht doch jene eindeutig stärker belastet, die sich das nicht leisten können. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist die Argumentationsführung, die zu erbringen war und die auch stimmt. Natürlich: Das gilt für jeden Selbstbehalt, der nicht den gewünschten oder keinen Regulierungseffekt hat, sondern nur aus Finanzierungsgründen gesetzt wird. Das ist ja ganz offensichtlich auch bei dem von Ihnen mitvertretenen Selbstbehalt im Bereich der Rezeptgebühren der Fall. Das Beispiel der Generika ist schon genannt worden, wo nicht zwischen Generika und den Originalmedika


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menten differenziert wird und es daher überhaupt kein Motiv gibt, sich ein Generikum verschreiben zu lassen, weil das ja im Rahmen des Medikamentenselbstbehaltes gleich teuer ist wie das andere, das Originalmedikament. Wenn es also diesen regulierenden Effekt nicht gibt, dann erfolgt der Selbstbehalt nur aus Finanzierungsgründen. Da aber ist klar: Der Selbstbehalt hat regressive Wirkung. Er belastet jene mit niedrigen Einkommen wesentlich stärker als jene mit höheren Einkommen, die ohnehin schon bei den Beiträgen besser gestellt sind.

Es gibt eine doppelte Entlastung im Gesundheitssystem, im Sozialversicherungssystem, bei den Krankenkassen für Personen mit höheren Einkommen. Eine doppelte Entlastung – das stellen Sie sich einmal vor! Das ist Grund genug, die Debatte sehr seriös und sauber zu führen. Da aber hilft mir das Beispiel, das Kollege Pumberger gebracht hat, das, wenn es so stimmen würde, tatsächlich Anlass für Kritik wäre, dass Vranitzky sich irgendwo in Deutschland kurieren hat lassen, nichts! Das ist kein Beitrag zur Sanierung der Krankenkassen, auch wenn die 500 000 S von Herrn Vranitzky in diesem Fall ein Skandal wären. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Reden wir noch weiter über einiges von dem, was von Ihnen an Begriffen eingeführt wurde. Da gibt es seit zehn Jahren in der gesundheitspolitischen Debatte den Begriff "Kostenexplosion": Immer "explodieren" die Kosten. Wissen Sie nicht, Herr Rasinger – Sie haben ja eine naturwissenschaftliche Grundausbildung –, dass gar nichts zehn Jahre lang explodieren kann? Rein physikalisch gesehen geht das nicht. Ein und dasselbe Ding kann nicht zehn Jahre lang pausenlos explodieren. Das kann einmal explodieren. Nun stellt sich die Frage, ob wir diesen Zustand jetzt beschreiben, weil wir ein Defizit erwirtschaftet haben, oder ob etwas zehn Jahre lang explodieren kann! – Das behaupten Sie aber: Wir haben laufende "Kostenexplosionen" im Bereich des Gesundheitssystems.

Meine Damen und Herren! Wohin explodiert da etwas? – Wir haben doch in allen entwickelten Industrieländern mit guten Gesundheitssystemen dasselbe Phänomen, das auch von Ihnen beschrieben wird. Natürlich ist das im Medikamentenbereich so: Die Medikamente werden immer teurer. Die Firmen wollen natürlich bei der Entwicklung ihrer neuen Medikamente auch maximal Kosten decken und Gewinne abschöpfen durch die Preise, die sie dabei erzielen. Das ist einer der Punkte: Medikamente werden auch besser. Es ist die Frage, ob wir uns das leisten können und wollen. (Abg. Dr. Leiner: Genau! Das ist die Frage!) Wenn wir uns das leisten können und wollen – ja –, dann müssen wir einen solidarischen Beitrag aufbringen, Herr Kollege Leiner (Abg. Dr. Leiner: Genau so ist es!), um dieses System für alle finanzierbar zu machen. Das ist die Frage!

Ich habe Ihnen jetzt in einer fünfminütigen Darstellung beschrieben (Abg. Dr. Leiner: D‘accord!), dass dieses System gerade deswegen, weil es Besserverdienende im Bereich der Höchstbeiträge entlastet, weil es über die Selbstbehalte noch einmal die kleinen Verdiener und Verdienerinnen stärker belastet, eben nicht mehr solidarisch den Ausgleich sucht.

An dieser Stelle ist die Frage wieder retour an den Anfang zu bringen: Was stand denn in Ihrem Koalitionsabkommen, von dem wir Gott sei Dank jetzt durch den Verlauf der Debatte ein Stück weggerückt sind: dass Beiträge bis zu 20 Prozent im Wege der Ermächtigung von den Krankenkassen für ärztliche Leistungen einzuheben sind!? Gott sei Dank sind Sie etwas davon abgegangen, aber noch immer sind wir nicht dort, wo ein solidarisches und soziales Krankenversicherungswesen hin müsste. Gott sei Dank sind Sie davon abgegangen, sonst hätten wir die nächste Debatte gehabt, von der ich weiß, dass sie einige auch, so vermute ich, im Bereich der Regierungsparteien nicht haben wollen, einige aber sehr wohl. Mehr Markt im Gesundheitswesen, noch mehr Markt im Bereich der Sozialversicherungen, das Aufmachen und Zerschlagen der Pflichtversicherung zu Gunsten einer Versicherungspflicht, bei der dann die verschiedenen Sozialversicherungen gegeneinander konkurrieren.

Das war das Prinzip, das im Koalitionsabkommen festgelegt war. Das haben Sie Gott sei Dank bis jetzt im Verlauf der Debatte noch nicht erreicht.

Ich hoffe, dass es auch in den nächsten Jahren nicht gelingen wird, weil der österreichischen Bevölkerung sicher, genauso wie den Grünen, viel daran liegt, ein solidarisches und soziales


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23. Sitzung / Seite 130

Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten und zu verbessern. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schieder. )

16.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nach Schluss der Sitzung muss ich Herrn Abgeordneten Öllinger sagen, dass in der Astronomie Explosionen sogar Millionen und Milliarden Jahre lang andauern können – aber das nur nebenbei.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

16.56

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Krankenkassensanierung auf dem Rücken kranker Menschen! – Dass wir heute diese Anfrage gestellt haben, geschah deswegen, nicht um Ängste zu schüren, sondern vielleicht um Ängste zu zerstreuen (Ironische Heiterkeit des Abg. Dr. Rasinger ), wenn wir entsprechende Antworten bekommen. Der Herr Staatssekretär hat in einer Presseaussendung gesagt, die Bundesregierung hätte rasch reagiert. Es fragt sich nur: In welche Richtung hat sie reagiert? – Wenn Sie den Verpflegskostenbeitrag anheben und gleichzeitig sagen, es gäbe keinen Zusammenhang mit der verschuldensunabhängigen Patientenversicherung, dann frage ich Sie, Herr Staatssekretär, ob, wenn etwas um knapp 30 S teurer wird und zum selben Zeitpunkt etwas eingeführt wird, da nicht jeder einen Zusammenhang sieht. – Das lässt sich eigentlich nicht leugnen.

Meine Kollegin Dr. Pittermann hat schon von der Ärztehaftpflichtversicherung gesprochen. Vielleicht sollte man sich hier wirklich einmal überlegen, das anders zu strukturieren. Es ist nicht einsehbar, dass Versicherungen sich ein ganz erkleckliches Körberlgeld erwirtschaften. Ich kann das nicht verstehen. Das Beispiel mit dem Straßenverkehr spricht ja auch Bände.

Unter Frau Bundesministerin Hostasch wurde ein Arbeitskreis eingerichtet, der sich mit den Patientenanwälten der Länder zusammensetzte und eine Fondslösung statt der Versicherungslösung als sehr positiv betrachtete. Da gab es auch einen gemeinsamen Forderungskatalog, allerdings aber auch eine einheitliche und klare Feststellung, dass Patienten nicht für die Finanzierung im Zusammenhang mit dieser Problematik aufzukommen haben.

Wenn es um die Zuzahlung bei neu einzuführenden Leistungen geht, Herr Staatssekretär, meine Damen und Herren, dann entnehme ich schon diesem allgemeinen Krankenkassenpaket, dass es eine solche möglicherweise auch für andere neu einzuführende Leistungen geben kann. Sie haben das heute hier verneint. Ich bin froh darüber, und wir werden sehr genau aufpassen, dass das nicht passiert. Es kann doch nicht so sein, dass die einen Patienten nach den bisherigen medizinischen Erkenntnissen behandelt werden und die fortschrittliche Medizin und neue Erkenntnisse nur jenen zugute kommen, die sich Zuzahlungen leisten können. (Abg. Gaugg: So wie jetzt!)

Frau Kollegin Povysil hat schon davon gesprochen, dass sie jahrelang mahnend darauf hingewiesen hat, wie schwierig die Situation der Krankenversicherung wäre. Ich erinnere Sie: 1997/98 haben die Krankenversicherungen schwarze Zahlen geschrieben, und sofort hat Ihr Kollege Dr. Pumberger Rückzahlungen verlangt. – Das war eines. Man denkt nicht daran, dass täglich Leistungen im Umfang von 330 Millionen Schilling von der sozialen Krankenversicherung getätigt werden. Das ist ja nicht nichts, meine Damen und Herren!

Ich komme dann noch darauf zurück, dass man die Krankenversicherung sehr wohl anders sanieren könnte. Sie erhöhen die Rezeptgebühr um fast ein Viertel. – Wir haben sie seinerzeit auch erhöht, aber da hatte es längere Zeit keine große Erhöhung gegeben. Jetzt werfen Sie uns das vor, und gleich setzen Sie nochmals im selben Ausmaß nach.

Wenn man Selbstmedikationen stärker ermöglicht, dann möchte ich nicht gerne die medizinischen Konsequenzen kennen lernen. Die Kassa zahlt dann nichts dafür, das ist also ein 100-prozentiger Selbstbehalt. Der Großabnehmerrabatt für die Kassen entfällt auch, das heißt, das


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Medikament wird dann an sich noch teurer. Ich weiß nicht, woher Sie das nehmen, dass das, wie Sie sagen, keine Rolle spielen würde.

Was das Gefährdungspotential für die Patienten betrifft, so ist zu sagen, dass es dort, wo Selbstmedikation häufiger ist, auch vermehrt zu Medikamentenmissbrauch mit sehr teuren Folgen für das Gesundheitswesen insgesamt und auch für den einzelnen Patienten kommt. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das stimmt ja nicht!) Wenn man aber in diesem Bereich noch mehr auf Qualität setzt, dann kann es wohl nicht zu solchen Einsparungen kommen.

Sie haben davon gesprochen, dass die Chip-Card rascher eingeführt werden soll. In diesem Fall müsste die Krankenscheingebühr wegfallen. Oder denken Sie da an Alternativen? Und zahlt man dann den Pensionisten die höheren Krankenversicherungsbeiträge zurück? Was ist diesbezüglich geplant?

Zur Frage der Ambulanzgebühren: Von der Krankenscheingebühr waren Angehörige und Pensionisten wegen der höheren Beiträge befreit. Wie soll das jetzt in den Ambulanzen sein? – Man sagt immer wieder, im niedergelassenen Bereich werde es keine Selbstbehalte geben. Ich würde da eher abwarten, denn im niedergelassenen Bereich wird es sich jetzt stauen. Ich habe mit Erstaunen gehört, dass Herr Kollege Pumberger sagt, dass die Kosten für den niedergelassenen Bereich in etwa bei 30 bis 40 Prozent der Ambulanzen liegen. Wenn man bedenkt, was in Ambulanzen für allumfassende Leistungen getätigt werden, dann kommt einem das ein bisschen sehr hoch vor. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Eines ist mir noch ganz wichtig zu sagen. Sie haben betreffend Krankenkassensanierung die Beitragsrückstände bei den Unternehmungen – das sind fast 9,9 Milliarden Schilling! – nicht angesprochen. Diese haben sich von 4,051 Milliarden Schilling im Jahre 1990 auf fast 9,9 Milliarden Schilling im Jahre 1999 erhöht. Wenn Sie diese Summe einheben würden, wenn das eingefordert würde, dann gäbe es zumindest in diesem Jahr kein Defizit.

Was mich aber noch betroffener macht – das ist einer Beantwortung der Frau Bundesministerin Sickl zu entnehmen –, ist der Umstand, dass da Dienstnehmerbeiträge aus dem Jahre 1990 in der Höhe von 1,7 Milliarden Schilling und aus dem Jahre 1999 in der Höhe von 4,2 Milliarden Schilling enthalten sind. Ich frage Sie: Was sagt man zu jemandem, der Gelder zur Weiterleitung einhebt und diese dann nicht weitergibt? – Ich überlasse das Ihrer Phantasie. Würde hier entsprechend vorgegangen, dann könnten Sie sich dieses ganze Maßnahmenpaket, dieses Paket an Grauslichkeiten sehr wohl ersparen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hartinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.03

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist für mich als Gesundheitspolitikerin wirklich erschütternd, wie interessant und wie wichtig die Beantwortungen in der Debatte für die Sozialdemokraten sind, denn es ist nicht einmal ein Drittel der Abgeordneten der SPÖ hier im Saal anwesend, und ein paar sind fast eingeschlafen. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Kollege Schieder ist bei Ihrer Rede hinausgegangen, so interessant war das für Ihren Kollegen. Das ist sehr bezeichnend, muss ich sagen – wirklich! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Eine hochintelligente Pointe! Reden Sie mit Ihren Leuten!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie plakatieren: Kranksein macht arm! Ich sage Ihnen, Frau Kollegin: Sie haben durch Ihre Sozial- und Gesundheitspolitik Österreich krank gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In den letzten 30 Jahren Ihrer – Ihrer, meine Damen und Herren von der SPÖ! –Untätigkeit haben Sie wochenlange Wartezeiten bei Fachärzten, bei wichtigen Untersuchungen, bei lebensnotwendigen Operationen zugelassen.


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Meine Damen und Herren von der SPÖ! Setzen Sie einmal einen Schritt vor dieses Haus und schauen Sie sich im ländlichen Bereich in einer Ordination um! Dann werden Sie nämlich endlich begreifen, was sozialistische Gesundheitspolitik bedeutet: lange Wartezeiten plagen den Bürger, unsere Patienten werden von einem Facharzt zum anderen geschickt, sofern überhaupt ein Facharzt vorhanden ist. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Herr Kollege! Sie wissen nicht, was in der Praxis draußen passiert! (Abg. Schwemlein: Sie haben ja keine Ahnung!) Ich habe sehr wohl eine Ahnung! Ich weiß, was draußen passiert! Ich frage Sie: Wie kann es möglich sein, dass Tausende Bürgerinnen in einem Bezirk Unterschriften abgeben müssen, damit sie für ihren Bezirk einen dringend notwendigen zweiten Kinderfacharzt bekommen? Die Bürger kommen anders nicht zu ihrem Recht, weil die Krankenkasse keinen zweiten Kinderarzt in ihrem Bezirk zur Verfügung stellt. Erst nach langen ... (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist die Ärztekammer! – Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Kennen Sie den Bezirk Deutschlandsberg, Herr Kollege? (Abg. Schwemlein: Nein!) Dann reden Sie bitte nicht über Dinge, bei denen Sie sich nicht auskennen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Erst nach langem Zögern ist nach einjährigem Hinhalten der steirischen Gebietskrankenkasse – Ihrer Genossen! – das Patientenrecht im Bezirk ... (Abg. Dr. Lichtenberger: Das ist bitte die Ärztekammer!) Frau Kollegin, wer genehmigt denn die Kassenstellen? Die Ärztekammer allein? Oder hat da die Gebietskrankenkasse auch noch ein Wort mitzureden? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck  – in Richtung der Grünen –: Sie sind nicht informiert!)

Jedenfalls ist es auf Grund unserer Initiative möglich gewesen, im Bezirk Deutschlandsberg einen zweiten Facharzt für Kinderheilkunde zu bekommen. Der Regress Ihrer sozialistischen Genossen von der Gebietskrankenkasse war dann, dass man mich in meiner beruflichen Existenz bedroht hat. Das ist dann die Antwort darauf gewesen, dass man dort einen zweiten Kinderarzt einrichten musste.

Das ist aber nicht das Einzige, was ich kritisieren möchte. – Ihr Herr Genosse Sallmutter vom berühmt-berüchtigten Hauptverband – nebenbei bemerkt: die geistreichste Krönung Ihrer parteipolitischen Besetzung – ließ es zu, dass im österreichischen Gesundheitswesen nicht einmal die Qualitätsstandards eingeführt werden beziehungsweise seitens der Sozialversicherung überprüft worden sind. Ich frage Sie: Wie können Sie sich sonst erklären, dass in Österreich Billigprodukte aus dem Osten beispielsweise bei Heilbehelfen verwendet wurden? Aber irgendwie wundert mich das auch nicht, Ihr Hang zu vergangenen Moskauer Zeiten erklärt einiges! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Sie haben ja keine Ahnung! Das ist Ländersache! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ihr Genosse Sallmutter, Frau Kollegin, sieht untätig zu, wie im Bundesland Steiermark von einem wild gewordenen Gebietskrankenkassen-Obmann und seinem Direktor die Verträge mit den niedergelassenen ... (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )

Herr Kollege! Sie wissen Bescheid über die Steiermark? (Abg. Dr. Mertel: Aber ja, sicher!) Die Verträge mit den niedergelassenen Ärzten wurden gekündigt, die Verträge mit dem Roten Kreuz wurden gekündigt, die Verträge mit sämtlichen Labors wurden gekündigt – ohne ersichtlichen Grund, ausschließlich, um die Bevölkerung zu verunsichern. (Abg. Silhavy: Frau Kollegin! Wissen Sie, wovon Sie reden? Sie haben keine Ahnung!)

Ich mache Sie und Ihre Genossen dafür verantwortlich, wenn durch diesen Zustand in der Steiermark – Frau Kollegin, Sie sind auch Steirerin! – auch nur einem Patienten etwas passiert! Dann mache ich Sie dafür verantwortlich! (Abg. Silhavy: Unwahrscheinlich!)

Ihnen ist jedes Mittel Recht, um diese Regierung in allen Belangen zu diskreditieren. Durch solche menschenverachtenden Handlungen wollen Sie und Ihre Handlanger in der Sozialversicherung einen Spalt zwischen Regierung und österreichischer Bevölkerung erzeugen. Diese Vorgangsweise war vielleicht einige Zeit lang gegenüber dem Ausland erfolgreich, bei uns, bei


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unseren Landsleuten, bei den Österreichern und Österreicherinnen werden Sie das aber nicht schaffen! (Abg. Öllinger: Ein Satz fehlt zu den Sanktionen! Das fehlt noch! Das wäre die Krönung Ihrer Rede! Bitte einen Satz zu den Sanktionen! Das brauchen wir jetzt!)

Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass Ihre Politik, die Untätigkeit einer Frau Hostasch das österreichische Sozialversicherungssystem zum gesundheitspolitischen Trümmerfeld gemacht hat. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. ) Sie tragen ja keine Verantwortung, Frau Kollegin! Wissen Sie, wie schwer es ist, nach 30 Jahren Sozialismus und dem sozialistischen Wunsch nach einer Zweiklassenmedizin das Gesundheitssystem in diesem Land zu reformieren? Sie wissen das? (Abg. Schwemlein: Welcher Sekretär hat Ihnen diese Rede geschrieben?)

Ich habe volles Vertrauen zu unserer Frau Bundesministerin und zu unserem Herrn Staatssekretär. Sie haben jetzt das zweifelhafte Vergnügen, sich Gummistiefel anzuziehen, um den parteipolitischen Filz in den Sozialversicherungen auszuräumen.

Nehmen Sie zur Kenntnis, es wird in Österreich keine Beitragserhöhungen geben! Aber wissen Sie, was es geben wird? – Eine spürbare Verbesserung der Leistungen für unsere Patienten, die Festschreibung klarer Patientenrechte – das haben Sie 30 Jahre lang nicht geschafft! – und die Befreiung des Patienten vom aufgeblähten Parteiproporz in der Sozialversicherung. Meine Damen und Herren von der SPÖ, bei uns Freiheitlichen steht der Patient im Mittelpunkt – und nicht die parteipolitische Postenschacherei im Gesundheitswesen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.09

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Leiner. – Bitte.

17.09

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Auf die polemischen Aussagen, die ja heute schon öfter getätigt wurden, wer krank ist, müsse zahlen, möchte ich antworten: Die Gesundheit muss uns auch etwas wert sein, und das ist sie uns auch! (Abg. Öllinger: Wem? Den Ärzten?) Jedem, uns allen! (Abg. Öllinger: Nein, nein! Sie sprechen als Arzt!)

Was wollen wir mit den Reformen überhaupt erreichen? – Wir wollen bei gleicher Qualität erreichen, dass die ärztliche Behandlung kostengünstiger ist und dort erfolgt, wo der Patient am nächsten ist. Wir müssen aber auch beim Patienten und bei den Ärzten bewirken, dass sich dort ein gewisses Kostenbewusstsein entwickelt. Gerade Ihre Politik hat den Menschen jahrzehntelang vorgegaukelt, dass der Staat für ärztliche Behandlungen, ja eigentlich für alles aufkommt. Wer ist der Staat? – Der Steuerzahler! Und wer damit verdient – die Ärzte, die Pharmaindustrie, der Bereich der Gesundheitsberufe –, ist für Sie auf jeden Fall ein suspektes Element.

Ihre sozialistischen Modelle sind in der Vergangenheit gescheitert, das muss man sagen, und wir versuchen nun, diese gescheiterten Modelle zu reparieren und auch finanzierbar zu machen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Ja, das ist die Aufgabe der ÖVP!)

Ich möchte nun auf einige der Äußerungen in der Dringlichen Anfrage replizieren und frage Sie: Was ist denn eigentlich daran unsozial, dass man den Menschen ermöglicht, eigenständig und mit Beratung des Apothekers mehr Selbstmedikation durchzuführen? Oft müssen die Leute lange beim Arzt warten und ihre Arbeitszeit dafür verwenden, um weite Strecken zurücklegen zu können. Der europäische Trend geht dahin, dass der mündige Konsument gefordert wird, gerade auch im Bereich der Medikamente. Nur mehr zirka 50 Prozent der Medikamente innerhalb der EU sind rezeptpflichtig, in Österreich sind es 82 Prozent. Also da haben wir Aufholbedarf.

Nun komme ich zum Thema Selbstbehalt und Spitalsambulanz. Ich frage Sie: Ist es denn gerecht und vernünftig, wenn wir bei den Ärzten einen Selbstbehalt einheben beziehungsweise verlangen, und in der Spitalsambulanz nicht? Warum ist es denn ungerecht oder was ist dabei


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unsozial, wenn ich den Ärmeren und chronisch Kranken ermögliche, diese Regelung ohne Selbstbehalte in Anspruch zu nehmen? (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Povysil. )

Mit einem haben Sie in Ihrer Anfrage Recht: Es legt sich sicher niemand gerne in ein Krankenhaus. Aber die Sozialdemokratische Partei hat es verabsäumt – und auch ihre Funktionäre in der Sozialversicherung –, dass ... (Abg. Öllinger: Ihre waren auch dabei! – Ruf bei der ÖVP: Sehr wenige! – Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Sicher nicht! Wir haben es immer betrieben, aber Ihre Funktionäre haben es jahrzehntelang verabsäumt, dass Tageskliniken eingerichtet wurden, dass Gruppenpraxen möglich waren. Man hat die diesbezüglichen Verträge wirklich verhindert. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sagen, es drohe eine Zweiklassenmedizin. – Ich bin davon überzeugt, dass es diese bisher gegeben hat! Wir versuchen jetzt, sie zu beseitigen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wo es diese Zweiklassenmedizin gab? – Wenn in den Städten für 330 Personen ein Arzt zur Verfügung stand und auf dem Land nur ein Arzt für 850 Personen, war das denn keine Zweiklassenmedizin? Wir versuchen jetzt, das zu beseitigen, meine Damen und Herren! (Abg. Schwemlein: Was tust du?) Das ist die Folge jahrzehntelanger sozialistischer Gesundheitspolitik, wo es zwar für die zentralen Spitäler alles gab, aber wenig für die Menschen draußen.

Sie beschweren sich zum Beispiel in Ihrer Dringlichen Anfrage darüber, dass bei den Psychotherapeuten 20 Prozent Selbstbehalt anfallen. – Das stimmt ja nicht, weil gar keine Verträge vorhanden sind. Aber Sie haben zehn Jahre lang keine Verträge zustande gebracht! Sie waren es, die das verhindert haben!

Ich möchte nun auf eine Studie von Wirtschaftswissenschaftern hinweisen, die in Deutschland im März dieses Jahres folgendes Ergebnis zutage gefördert hat: dass innerhalb von 15 Jahren im Gesundheitswesen kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Knapp ein Viertel der Spitäler muss zugesperrt werden, sie werden privatisiert. Die Kosten, die für die Gesundheitsversorgung in Deutschland zurzeit 550 Milliarden D-Mark ausmachen, werden auf 1,9 Billionen D-Mark steigen. Und die solidarische soziale Krankenversicherung wird nicht mehr finanzierbar sein. Man wird nur mehr für eine reduzierte Grundgesundheitsversorgung die Finanzen bereitstellen können. – Das ist Inhalt des Ergebnisses dieser Studie.

Meine Damen und Herren! Das wünsche ich mir nicht. Ich glaube, dass wir es nicht so weit kommen lassen dürfen. Daher dürfen wir nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen jetzt entsprechend agieren. Wir müssen jetzt die entsprechenden strukturellen Maßnahmen setzen, damit dieses Szenario nicht eintritt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir dürfen die Menschen nicht glauben machen, die Erhaltung ihrer Gesundheit koste nichts. Dass wir natürlich noch viel mehr als bisher Vorsorge betreiben müssen und in den gesunden Lebensstil als kostengünstigste, humanste und beste Maßnahme des Gesundheitswesens investieren müssen, davon, so glaube ich, sind wir alle überzeugt. Ich stehe auch nicht an, meiner eigenen Klientel, der Ärzteschaft, zu sagen: Ärzte müssen noch viel mehr als bisher als Dienstleister agieren. Ordinationszeiten von 8 Uhr bis 12 Uhr und noch dazu keine Feiertags- und Wochenenddienste, das wird es sicher nicht mehr geben können. Diese Dinge soll man überlegen und neu gestalten.

Ebenfalls in Ihrer Dringlichen Anfrage wird die verschuldensunabhängige Patientenversicherung und die Einhebung von 10 S pro Spitalspatient angesprochen. Dazu habe ich auch eine andere Meinung. – Der Herr Staatssekretär ist nicht da. (Abg. Silhavy  – auf die linke Seite der Regierungsbank zeigend –: O ja, er plaudert da!) Ich glaube, dass die Fondslösung nicht der idealste Weg ist. Meiner Meinung wäre da eine Versicherungslösung sicherlich besser geeignet, denn die Fondslösung zwingt den Patienten, wiederum als Bettler beziehungsweise als Bittsteller hinzugehen und nicht mit dem Wissen, dass er ein Recht hat auf das, was ihm zukommen sollte. Dieser Meinung bin ich.


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Ich möchte auch eine kurze Bemerkung zur Verpflichtung und zum Versagen des Herrn Sallmutter machen, denn es ist klar, dass er eine Hauptaufgabe vernachlässigt hat, die gesetzlich festgeschrieben ist, nämlich nach § 31 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, in welchem sinngemäß steht, dass er für die ständige Beobachtung der Entwicklung der Sozialversicherungen in ihren Beziehungen zur Volkswirtschaft und die Ausarbeitung konkreter Vorschläge beziehungsweise die Durchführung von Maßnahmen zur Erhaltung der dauernden Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung ohne Überlastung der Volkswirtschaft zu sorgen hat – ein Punkt, der von Sallmutter ganz offensichtlich nicht erfüllt wurde. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr zu Wort gemeldet. – Bitte.

17.17

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon eine ganz eigene Geschichte, Herr Staatssekretär Waneck, wenn Sie davon sprechen, dass Ihre Politik oder die Gesundheitspolitik in Österreich sozial ausgewogen sei und dass sie alle gleich treffe.

Herr Staatssekretär! Ich weiß nicht, ob Sie Menschen kennen, die ein sehr geringes Einkommen haben. Bei diesen sind 1 000 S ein anderer Betrag als bei Ihnen oder bei anderen, die hier im Parlament sitzen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber das zeigt wieder einmal ganz deutlich, dass Sie eigentlich den Boden der Realität verlassen haben, den Kontakt zu den Bürgern, den Zugang zu den Menschen, zur Bevölkerung schon längst nicht mehr haben, sondern in Ihrer abgehobenen Welt leben, unter sich, denn Sie wissen eigentlich nicht mehr, was draußen in der Gesellschaft passiert und unter welchen Bedingungen Menschen dort leben müssen. (Abg. Mag. Mainoni: Das kann man den Grünen vorwerfen!) Ich möchte das anhand einiger Beispiele darstellen.

Der Herr Staatssekretär hat zum Beispiel gesagt, dass es Einsparungen bei den Heilbehelfen und bei den Hilfsmitteln geben wird und dabei eine entsprechende soziale Treffsicherheit garantiert ist. Da bin ich nicht ganz mitgekommen, und ich wünsche mir, dass Sie mir dann erklären können, was Sie damit meinen. Ich frage Sie: Glauben Sie ernsthaft, dass die Frage, ob jemand einen Heilbehelf oder ein Hilfsmittel braucht, eine Frage der sozialen Treffsicherheit ist? Das ist doch eine Frage von Behinderung, von Krankheit oder Nichtbehinderung und Gesundheit! Wie können Sie das in dieser Richtung auslegen? Glauben Sie wirklich, dass sich irgendjemand aus Jux und Tollerei einen Rollstuhl um 40 000 S kauft, nur damit er üben kann, wie er über die Gehsteigkante fährt?

Ich hoffe, dass sich niemand hier herinnen befindet, der das wirklich glaubt. Ich hoffe auch nicht, dass irgendjemand hier herinnen ist, der glaubt, dass sich jemand, der hörbehindert oder schwerhörig ist, aus kosmetischen Gründen oder aus Schönheitsgefühl ein Hörgerät ins Ohr steckt. (Beifall bei den Grünen.)

Menschen, die ein Hörgerät haben, brauchen es ganz einfach. Ich muss Ihnen sagen, um den Betrag von 30 000, 40 000 S – das ist etwa der Preis für ein Hörgerät – könnte ich mir schon ganz nette Ohrringe kaufen, aber mit denen würde ich leider nichts hören.

Herr Staatssekretär! Da haben Sie einfach den Bezug zur Realität verloren. Hilfsmittel, Heilbehelfe dürfen nicht unter dem Aspekt der sozialen Treffsicherheit gesehen werden, sondern Heilbehelfe und Hilfsmittel sind ganz einfach notwendig. Ich möchte wissen, ob Sie einen Arzt kennen, der irgendjemandem ein Hilfsmittel oder einen Heilbehelf verschrieben hätte, den der Betreffende nicht braucht. Nennen Sie diesen Arzt oder diese Gruppe von Ärzten, dann tun wir uns in dieser Diskussion schon wesentlich leichter! Wer hat als Geschenk für private Ausfahrten einen Rollstuhl bekommen, obwohl er ihn nicht braucht? Sagen Sie, wer diese Ärzte sind, die das angeblich verschreiben. Ich stelle mir auch die Frage, ob es nicht leichter ist, sich auf Roll


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schuhen durch die Welt zu bewegen als in einem vom Arzt verordneten Rollstuhl, den man ja im Grunde genommen gar nicht braucht.

Alles, was Sie zu diesem Thema gesagt haben, ist blanker Zynismus. Das ist eine Art, mit Menschen umzugehen, wie sie in diesem Parlament bisher nicht stattgefunden hat. Das ist die neue "Qualität".

Herr Staatssekretär! Wenn Sie sagen, die Menschen sollen mehr zum Hausarzt gehen als in die Ambulanz, dann frage ich Sie – und das werden Sie wahrscheinlich aus Ihrer Praxis kennen –: Wer geht denn zum Arzt? Man geht nicht zum Arzt, weil einem fad ist, sondern meist, weil man krank ist. Speziell ältere Leute und behinderte Menschen sind in hohem Maße meist auch in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Herr Staatssekretär! Sie wissen auch, dass die meisten Hausärzte im Stock wohnen und meist auch ihre Ordination dort haben. Jetzt sagen Sie mir: Soll der Arzt bei mir oder bei anderen Menschen, die Stufen nicht bewältigen können, eine Ferndiagnose vom Fenster herunter machen? Hinauf kann ich nicht. Also bin ich in vielen Fällen gezwungen, in die Ambulanz zu rollen, weil Ambulanzen in der Regel barrierefrei erreichbar sind.

Sie müssen mir jetzt erklären, wo Sie da die soziale Ausgewogenheit sehen, wenn Menschen gezwungen sind, aufgrund ihrer Mobilitätsbehinderung in Ambulanzen zu gehen. Was sagen Sie diesen Menschen jetzt? Vielleicht können Sie das beantworten.

Ich habe damals, als das Ärztegesetz novelliert wurde, einen Antrag betreffend Schaffung von barrierefreiem Zugang zu Arztpraxen eingebracht. Ich bringe diesen Antrag auch heute wieder ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend Schaffung von barrierefreiem Zugang zu Arztpraxen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Frau Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, eine Novellierung des Ärztegesetzes vorzubereiten, welche die barrierefreie Zugänglichkeit der Arztpraxen gemäß ÖNORM B 1600 und § 56 beinhaltet.

*****

Herr Staatssekretär! Erst dann, wenn wirklich der gleichberechtigte Zugang zu Arztpraxen und zu Ambulanzen gesichert ist, könnten wir darüber diskutieren, ob dieser Kostenbeitrag in der unterschiedlichsten Form – wobei ich gegen diesen Kostenbeitrag bin – überhaupt einer Diskussion wert wäre.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Sie machen Ihre Zwei-Klassen-Medizin flott und hurtig weiter auf Kosten jener, die Sie angeblich vertreten, nämlich auf Kosten des kleinen Mannes, der kleinen Frau. Aber um die geht es Ihnen schon lange nicht mehr. Das hat die Bevölkerung seit Wochen kapiert. (Beifall bei den Grünen.)

17.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen ist genügend unterstützt und steht daher mit in Behandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte.


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17.25

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Das Interesse der Einbringer der Dringlichen Anfrage ist im Laufe der Diskussion immer "größer" geworden, zum Teil hat sich überhaupt kein sozialdemokratischer Abgeordneter mehr im Saale befunden. (Abg. Schwemlein: Ich habe auf die Rednerliste geschaut!) Anscheinend betrachtet die SPÖ selbst diese Dringliche Anfrage als gescheitert.

Kollegin Haidlmayr hat in ihren Ausführungen etliche Vorwürfe erhoben, was den behindertengerechten Zugang zu Ambulatorien und Arztpraxen anbelangt. Derartige Vorwürfe können Sie nicht unbedingt an den Staatssekretär richten, der seit drei Monaten dafür verantwortlich ist, sondern es handelt sich um Nachlässigkeiten aus der Vergangenheit.

Ihre Zwischenrufe lassen auch tief blicken. Zwischenrufe von Ihrer Seite gibt es nämlich immer dann, wenn Sie etwas nicht erreicht haben, weil Ihr Sozialpartner Ärztekammer es verhindert hat. Jetzt frage ich mich: Das hochgelobte sozialpartnerschaftliche Wesen in Österreich kann doch nicht schuld daran sein, dass etwas nicht funktioniert? Wenn heute Patienten immer noch wochenlang und monatelang auf Ärztetermine warten müssen, dann, muss ich sagen, war das Ihr Versagen, Ihr Versagen im System der von Ihnen gelobten Sozialpartnerschaft.

Wenn Kollegin Haidlmayr hier meint, es seien Verbesserungen notwendig, dann muss ich sagen: Selbstverständlich. Aber wir müssten darüber nicht diskutieren, hätten Sie nicht nur eine kranke Kasse hinterlassen, ein finanziell desaströses Krankenkassenwesen, sondern Sie besetzen bezeichnenderweise sogar Positionen von Obmännern von Gebietskrankenkassen mit krankheitshalber zurückgetretenen Bürgermeistern. Das ist ja wirklich eigenartig: Die Krankenkassen sind also nicht nur finanziell krank, sondern es wurden auch kranke Obmänner eingesetzt, die das Gesundheitswesen in Österreich reformieren und verbessern sollen.

Sie haben in den letzten Jahren im Sozialversicherungswesen keinen Schritt in die Richtung gesetzt, moderne technische Hilfsmittel in Anspruch zu nehmen. Jeder hat sein eigenes kleines EDV-Reich aufgebaut. Das kommt mir so vor, wie wenn Firmen heute im Zeitalter von E-Mails und Internetanschlüssen noch mit Rauchzeichen arbeiteten. Auch das ist enttäuschend, möchte ich betonen.

Eine Feststellung zu der von Ihnen heute eingebrachten Dringlichen Anfrage, die für Sie ach so dringlich war. 120 Fragen stellen, aber nicht einer einzigen Antwort zuhören – das ist ein trauriger Rekord. Kollegin Reitsamer hat hier Fragen gestellt oder Behauptungen aufgestellt, die in der Anfragebeantwortung durch den Staatssekretär detailliert behandelt worden waren. Frau Reitsamer, Sie werden es letztlich im Protokoll nachlesen können.

Frau Kollegin Reitsamer! Sie haben gesagt, die Ängste sollten zerstreut werden. Sie und Ihre Kollegen von der Sozialdemokratie haben mit Ihren Beiträgen wirklich erreicht, dass alle Ängste davor zerstreut werden, dass Sie jemals noch ernst genommen werden wollen in der Gesundheits- und Krankenpolitik in Österreich. Das war Ihr heutiger Beitrag zu dieser Diskussion. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie allein die Textierung Ihres Antrages lesen, wo Sie von "Abkassiererkoalition" und Ähnlichem mehr sprechen, dann ist das der beste Beweis. Wo waren denn Ihre mahnenden Worte, als es darum ging, dass die Eisenbahner, die Beamten und Ähnliche mehr selbstverständlich einen Selbstbehalt zu zahlen haben? Es ist selbstverständlich, dass die Eisenbahner seit vielen Jahren einen Selbstbehalt bezahlen, und Kollege Edler weiß, dass sie – mit Ausnahme von ihm selbst – ein bescheidenes Einkommen haben. Wo gab es damals einen Aufschrei von Seiten der Sozialdemokratie?

Hier wird eine wesentlich abgeschwächtere Form, eine sinnvollere Form in Erwägung gezogen. Jetzt ziehen Sie durch die Lande und reden ganz Österreich krank. Das ist aber System geworden. Seit Sie nicht mehr in der Regierung sitzen, sind Sie beleidigt. Manchmal macht langes Beleidigtsein krank. Ich nehme doch an, dass Sie, sollten Sie aus Beleidigung krank werden, die Kosten selbst tragen und nicht so handeln werden wie der frühere Bundeskanzler Vranitzky, der


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sich die Reisekosten in Höhe einer halben Million Schilling von der Gebietskrankenkasse refundieren ließ. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ihre Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit spiegelt sich in der Besetzung von Positionen wider, ob das Sallmutter ist, ob das andere sind. Diese Leute sind ja sattsam bekannt dafür, dass sie eine hoch qualifizierte Ausbildung im Gesundheitsbereich haben, bevor sie irgendwo in der Gebietskrankenkasse eine Obmannfunktion bekleiden. Aber da wird Länge mal Breite polemisiert, auf allen Ebenen, ob das die Arbeiterkammer ist, ob das die Gewerkschaft ist, ob das Sozialdemokraten auf Bundesebene, auf Landesebene sind, bis hin zu jenen Institutionen, die Ihnen die ÖVP noch in das 20. Jahrhundert hinübergerettet hat, wie die Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen. Das ist ein Konglomerat oder eine Konfiguration, die eigentlich keine Notwendigkeit mehr hätte, weil neu eintretende Eisenbahner dem ASVG unterliegen – und fertig. Nein, man schafft eine eigene Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen, wo man dann die Abrechnungen (der Redner zeigt eine solche vor)  – es handelt sich um eine namentliche Abrechnung, es handelt sich um eine Frage des Datenschutzes, die zu klären wäre, weil Sie immer so großen Wert darauf legen – dazu verwendet, wieder mit Polemik gegen die Regierung vorzugehen.

Wenn man vom Sparen redet, dann würde ich dieser Regierung und auch dem Parlament vorschlagen, diesem Unfug, dass die Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen eine eigenständige Anstalt bleibt, ein Ende zu bereiten.

Sie gehört in die Sozialversicherung der Angestellten eingegliedert. Somit wäre diese Frage erledigt. Dadurch würden wir uns gerade in der Verwaltung wieder etliches an Geld ersparen. Dann würde sich auch endlich einmal dieses Polemisieren, dieses unqualifizierte Polemisieren aufhören, das letztlich von Ihrer Gesundheitspolitik in den letzten Monaten übrig geblieben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. – Bitte.

17.30

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Am Ende der Debatte über diese Dringliche Anfrage ist es meiner Ansicht nach notwendig, noch einige Bemerkungen von sozialdemokratischer Seite zu machen.

Zunächst zu den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Abgeordneten Gaugg. Am Vormittag haben wir erlebt, wie er die Eisenbahner als Sozialschmarotzer hinstellte, jetzt sind sie die Armen, die Selbstbehalte zahlen. Ihr Redebeitrag, Herr Abgeordneter Gaugg, hat sich selbst gerichtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie kritisieren, dass in meiner Fraktion, bei den Sozialdemokraten, kein Interesse an dieser Diskussion besteht. Ich sage Ihnen, bei Ihren Argumenten braucht man Luft. Daher kann man, wenn man gesund bleiben will, nicht immer im Saal bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollegin Hartinger, ebenfalls von der freiheitlichen Fraktion, hat bekrittelt, dass es einen wild gewordenen Obmann der Gebietskrankenkasse in der Steiermark geben soll, der die Patienten gefährdet. Es geht darum – ich meine, es ist wichtig, das festzustellen –, dass er angeregt hat, die Ärzteverträge zu kündigen. Ich denke, es ist legitim, wenn man Verträge, die man geschlossen hat, auch wieder kündigt, vor allem, wenn die Kündigung zulässig ist. Wenn Sie das hier kritisieren, dann muss ich sagen, dass Ihr Beitrag in dieser Debatte wichtig war, denn er hat klar gezeigt, dass für Sie die Interessen der Ärzte im Vordergrund stehen und nicht die der Patienten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist ja nur mehr dürftig!)

Die Diskussion der Regierungsparteien und die Antworten des Staatssekretärs für Gesundheitsfragen der Freiheitlichen haben bestätigt: Erstens: Kranke werden künftig stärker zur Kasse gebeten. Zweitens: Für die Wirtschaft gibt es eine Beitragssenkung, also eine Senkung des Krankenversicherungsbeitrages um 0,3 Prozent, sie hat es also künftig leichter. Die Finanzierungs


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balance zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmern wird zu Ungunsten der Arbeitnehmer und zu Gunsten der Wirtschaft verändert. Sehr verehrte Damen und Herren! Diese Maßnahmen machen den Menschen Angst und nicht wir, die darauf hinweisen. Ich garantiere Ihnen, wir werden darauf hinweisen, und zwar in noch viel stärkerem Ausmaß als heute. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Das ist die erste große Belastungswelle, die vor allem die Kleinen und die Kranken in unserem Land trifft. Ich denke, das ist noch einmal deutlich herauszustreichen. Das ist das soziale Gewissen der Koalitionsparteien. Ich frage mich: Wo ist das soziale Gewissen jener in der Volkspartei, die sich hier nicht zu Wort melden, wie etwa das des Abgeordneten Feurstein, von dem ich immer gemeint habe, dass er mit sozialem Gewissen ausgestattet ist? (Abg. Wattaul: Wo war es die letzten 30 Jahre bei euch, bei der Sozialistischen Partei?) Wo ist hier die Antwort? – Sie ist nirgends. Ich darf nochmals sagen ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, die Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Franz Riepl (fortsetzend): Danke, Herr Präsident. – Wir Sozialdemokraten werden alles tun, um die Menschen über Ihre Politik, über Ihre nicht soziale und nicht demokratische Politik, also über Ihre unsoziale Politik, entsprechend aufzuklären. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung von barrierefreiem Zugang zu Arztpraxen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 452/AB

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie mit der Ordnungszahl 452/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, so dass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder von zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Frau Abgeordnete Lichtenberger als Antragstellerin des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

17.35

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorerst ein Dank an den Herrn Minister für die wirklich umfassende Anfragebeantwortung, für die wirklich umfassende Aufstellung von Wünschen an das Verkehrsbudget, für die wirklich enorme Liste von Verkehrsvorhaben, die aufgelistet worden sind, die also in ihrer Breite dargestellt worden sind und die im Wesentlichen, wie es ja auch deutlich in der Anfragebeantwortung selber klar wird, auf die Wünsche der Bundesländer zurückgehen.

Nun war ja eigentlich das, was jetzt vorgelegt worden ist, einmal eine Grundlage dafür, eine verkehrspolitische Abschätzung zu betreiben und letztendlich auch eine verkehrspolitische Rah


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menentscheidung zu treffen. Das Vorlegen der so genannten GSD-Studie, der Gesamtstudie über die Verkehrsentwicklung im Donaueuropäischen Raum, von Ihrem Vorgänger Minister Farnleitner war ja eigentlich einmal ein ambitionierter Versuch, Ordnung in das Chaos der Länderwünsche zu bringen. Es war ein ambitionierter Versuch auch der gesamtheitlichen Betrachtung des Verkehrs, in diesem Fall leider nur des Straßenverkehrs, und hätte eigentlich auch die Möglichkeit geboten, bestimmte Prioritäten abzuleiten. Leider – und das bedauere ich sehr, und deswegen habe ich auch diese Besprechung beantragt –, leider sind diese Prioritäten aber aus Ihrer Anfragebeantwortung, Herr Minister, nicht ersichtlich, außer einem kleinen Ansatz davon, dass man die einen Straßen bis 2010, die nächsten Straßen bis 2020 und die nächsten halt vielleicht irgendwann einmal bauen will. Das, was hier in dieser Sammlung vorliegt, ist der Wunschkatalog an das Christkind, die Versammlung aller Länderwünsche, das, was jeder Landeshauptmann gerade auf Grund der Bürgermeisterwünsche zusammengefasst und an das Ministerium weitergemeldet hat.

Offensichtlich ist es aber nun nicht so, dass die Entscheidung innerhalb dieser Sammlung von Länderwünschen wiederum nach sachlichen Gesichtspunkten getroffen würde, denn – es tut mir Leid – die Beantwortung war ja dann relativ mager, was die Prioritätensetzung betrifft. Jeder Landeshauptmann, der sich etwas wünscht, der es sich mit Intensität wünscht und auch ein bisschen Einfluss hat, wird halt eine Straße bekommen, jenseits dessen, ob das sinnvoll, notwendig oder im Moment gerade besonders wichtig ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

So hat man zum Beispiel offensichtlich noch unter Ihrem Vorgänger dem Landeshauptmann von Niederösterreich, damit er beim Semmering nachgibt – das war ja auch ganz klar abzulesen –, die Nord Autobahn versprochen. Jetzt hat er beim Semmering nicht nachgegeben. Sollen wir jetzt vielleicht die Nord Autobahn doch bauen, oder sollte man sich nicht lieber doch von diesem Projekt, das etlichen internationalen Verkehr in unser Land hereinzieht, wiederum verabschieden?

So hat man den Oberösterreichern blank versprochen, dass sie sofort eine hochrangige Autobahnverbindung über Freistadt nach Norden bekommen sollen, ohne wiederum genau zu diskutieren und sich genau anzuschauen, ob die Riesenverkehrsmengen, die dort prognostiziert werden, zum Beispiel nicht über die Schiene bewältigt werden sollten.

Und nun komme ich zum nächsten Punkt, und der ist mir besonders wichtig. In dieser ganzen Zusammenstellung fehlt der Aspekt der Zusammenschau der verschiedenen Verkehrsträger völlig.

Wenn ich die Pressemeldungen der letzten Tage berücksichtige, in denen angeführt war, welche Einstellungsvorhaben bei Bahnprojekten vorliegen, so vermisse ich in der Anfragebeantwortung zum Beispiel auch einen Abschied von bestimmten Projekten, die man seit Jahren und Jahrzehnten immer wieder betrieben hat. Angesichts der Gesamtkosten, die Sie für diese Netze auflisten, von sage und schreibe 81,5 Milliarden Schilling allein bis 2010 und 138 Milliarden Schilling für die gesamte Sammlung der Länderwünsche, vermisse ich wirklich einen Abschied von vielen überflüssigen Projekten, die vermieden werden könnten, wenn man erst einmal die Kostenwahrheit auf der Straße herstellt, wenn man also den LKW-Verkehr, den sinnlosen und überflüssigen Verkehr, vermindert, um weniger Straßen bauen zu müssen und letzten Endes auch weniger Erhaltungskosten zu haben.

Es geht aus dem, was bislang politisch vorgelegt wurde – auch in der Zusammenschau mit den jüngsten Pressemeldungen –, nur eines hervor: Bei den großen Verkehrswegen der Bahn sind Sie offensichtlich zu Kürzungen bereit. Es sollen also – und das ist ja eine besonders absurde Situation – zwar die Zufahrt zum Lainzer Tunnel und auch die Abfahrt vom Lainzer Tunnel gebaut werden, aber der Lainzer Tunnel selber nicht! Ich möchte, dass man uns diesen Schildbürgerstreich vielleicht noch erklärt. (Rufe bei den Freiheitlichen: Sie haben keine Ahnung!)

Es soll zum Beispiel letzten Endes auch die Koralmbahn aufgegeben werden, und es wird das Projekt Semmering weiterhin auf die lange Bank geschoben. Keine Rede ist aber davon, dass


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die Semmeringschnellstraße, die aus meiner Sicht ein Hochrisikoprojekt im Straßenbau ist, hinterfragt wird. Die wird nicht hinterfragt, die soll einfach gebaut werden, ganz gleichgültig, ob es modernen Verkehrserfordernissen noch entspricht oder nicht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Sie haben überhaupt keine Ahnung!)

Es sind in den letzten Tagen auch jede Menge Pläne der Österreichischen Bundesbahnen zur Einstellung von Nebenbahnen diskutiert worden und aufgekommen und, Herr Minister, Sie ... (Abg. Wattaul: Nicht schon wieder das! – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Das habe doch nicht ich zu verantworten!)

Moment, das kommt schon noch, Herr Minister! Das ist in der Frage drinnen. Sie haben Gott sei Dank gesagt, dass Sie den ÖBB-Draxler zurückpfeifen werden. Ich hoffe, dass Sie ihn auch in genau jenen Projekten zurückholen werden, wo die Vernetzung von verschiedenen Verkehrsträgern, Straße und Schiene, zu wenig berücksichtigt wird. Folgendes muss schon klar sein: Wenn man über Bahnlinien und neue Projekte diskutiert und in diesen Plänen daneben gleich schon eine Straße festlegt – zwar ohne Prioritätensetzung und ohne Klarheit darüber, wann sie kommen soll, aber immerhin –, dann ist der Bahnausbau natürlich nicht wirklich der gescheiteste Schritt.

Ich meine, dass in diesem Gesamtverkehrskonzept – und Sie haben ja angekündigt, dass Sie das von einer Arbeitsgruppe entwickeln lassen wollen – die Vernetzung der Verkehrsträger Bahn und Straße viel stärker als bisher drinnen sein muss. Vor allem wünsche ich mir klare Korridorentscheidungen. Entweder bauen wir, so wie es im Wunschkatalog der Landeshauptleute enthalten ist, viele neue Straßen in den Osten für den Ostverkehr, oder wir entscheiden uns dafür, in die Zukunft zu schauen und auf die Bahn zu setzen. (Beifall bei den Grünen)

Wenn ich allerdings – und das ist meine Frage – sehe, es liegen Straßenwünsche mit einem Kostenrahmen von insgesamt 138 Milliarden Schilling vor – und wir werden Probleme mit der Finanzierung dieser Straßenwünsche bekommen –, und nur bei der Bahn wird zusammengestrichen, dann muss ich befürchten, dass die neue Verkehrspolitik des Herrn Ministers Schmid rein auf die Straße orientiert sein wird, ein Kaputtsparen aller öffentlichen Verkehrsmittel bringen wird, und dass wir Geld für Straßenbauprojekte, die nicht einmal wirklich prioritär geordnet sind, verschwenden, was dann letzten Endes negative Auswirkungen für die Anrainerinnen und Anrainer, aber auch für die Natur in diesen Bereichen haben wird.

Ich fordere einen Abschied von kritischen, umstrittenen Verkehrsprojekten, wie zum Beispiel dem Lobautunnel, der Lobauautobahn. Ich fordere dieses Geld für die öffentlichen Verkehrsmittel. Dann tun wir einen Schritt in die Zukunft. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Schmid. – Bitte, Herr Bundesminister.

17.45

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Michael Schmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Anfragestellerin! Ich beantworte Ihnen gerne auch die umfangreichen Fragen, die leider Gottes in der schriftlichen Anfrage nicht enthalten sind, weil ich einfach Missverständnisse ausräumen will und weil hier doch das Eine oder Andere in den Raum gestellt worden ist, was mit Sicherheit nicht stimmt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Dann haben die Medien also gelogen?) Ich bitte, das vorweg einmal zur Kenntnis zu nehmen. So zum Beispiel die Unterstellung, dass ich bei der Bahn streichen will. Es gibt ein Finanzierungsgesetz. (Abg. Dr. Lichtenberger: 15 Prozent Einsparungen!) Ich bitte Sie, um keine weiteren Fehlmeldungen in der Öffentlichkeit zu machen, mir zumindest eine Minute lang zuzuhören.

Ich habe nie und nimmer von der Reduktion der Investitionen im Bundesbahnbereich gesprochen. Wenn Sie sich den Mittelteil des Lainzer Tunnels anschauen und eine technisch völlig falsche Aussage gemacht haben, so habe ich dazu und auch zur Güterzugumfahrung St. Pölten


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im Einvernehmen mit allen Verkehrsexperten Folgendes festgestellt: Beide Projekte ergeben erst dann einen Sinn, wenn der viergleisige Ausbau der Westbahn, im Besonderen zwischen Wien und St. Pölten, erfolgt ist.

Ich betone noch einmal – das ist nicht Gegenstand Ihrer Anfrage –: Dass dieses Projekt, dieser viergleisige Ausbau, nicht im Schienenfinanzierungsgesetz verankert ist und nirgendwo als Projekt vorgesehen war, habe ich nicht zu verantworten und war nicht meine Entscheidung. Ich werde sie revidieren. Das werden wir Schritt für Schritt und im Interesse und im Zusammenhang mit einer verbesserten Schieneninfrastruktur durchführen. Ich sage noch einmal: Es geht hier nicht um Fragen, die in der schriftlichen Anfrage aufgeworfen wurden, sondern um neue Fragen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das habe ich schon auch klar gesagt!)

Sie haben weiters die Behauptung aufgestellt, dass ich in großem Ausmaß Nebenbahnen streichen will. Bitte verwechseln Sie mich nicht mit dem Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen. Es ist der Herr Draxler und nicht der Herr Dipl.-Ing. Schmid, der in großem Umfang Nebenbahnen einstellen will. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Übrigen: Zu Ihrer Anfrage haben Sie ja selbst bemerkt, dass sie in höchstem Ausmaß umfangreich beantwortet wurde. Ich darf vielleicht noch einen Fehler in der von Ihnen gestellten Anfrage korrigieren: Bezüglich des Straßenbaus war mein Vorgänger nicht Farnleitner, mein Vorgänger war Bartenstein. Ich habe am 1. April das Ressort übernommen. Ich habe die ersten Gespräche zur Zusammenführung eines gesamtösterreichischen Verkehrswegeplans bereits geführt und habe auch schon eine Arbeitsgruppe eingesetzt, damit wir hier auf einen vernünftigen Weg kommen. Ich glaube, dass das sehr gut laufen wird.

Ihre Frage wurde ja schon an Bartenstein gestellt. Ich glaube im Übrigen auch, dass Sie in einem Privatissimum von über zwei Stunden, das Sie in meiner Abteilung gemacht haben, sehr gut informiert worden sind. Ich freue mich auf die weiteren konstruktiven Diskussionen, weil ich ein absoluter Pragmatiker in diesen Fragen bin, die wir gemeinsam zu behandeln haben werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Lichtenberger: Was ist mit den 15 Prozent Einsparungen? – Abg. Parnigoni: Nebenbahnen werden eingestellt – was macht der Minister?) Herr Abgeordneter, die Anfrage betrifft die Straßen.

17.49

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gehen nunmehr in die Kurzdebatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Eder. – Bitte.

17.49

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das Missverständnis oder die Frage ergab sich nach den letzten Zeitungsmeldungen, die sich mit den Nebenbahnen beschäftigt haben. Es gab dazu Aussagen des Herrn Dr. Draxler von den Österreichischen Bundesbahnen – das ist richtig. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Herr Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen ohne Abstimmung mit dem Infrastrukturminister und Verkehrsminister solche Aussagen treffen kann. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Das waren Aussagen bei einer Pressekonferenz! – Abg. Dr. Martin Graf : Glauben Sie, er hätte es mit ihm abgesprochen?) Ich kenne ihn sehr gut, er stimmt sicherlich all diese Aussagen mit dem Minister ab.

Meine Damen und Herren! Ich habe noch eine kleine Vorbemerkung. Teilen der Ansicht meiner grünen Vorrednerin, Kollegin Lichtenberger, dass es sich nämlich um eine unzureichende Anfragebeantwortung handelt, stimme ich zu. Ich teile allerdings nicht bei allen ihren Ausführungen die Meinung von Kollegin Lichtenberger.

Nun zum Inhaltlichen: Nach der Bereinigung bei den Ermessensausgaben werden für die Bundesstraßen im Jahre 2000 rund 1 Milliarde Schilling weniger zur Verfügung stehen. Laut Expertenschätzungen, meine Damen und Herren, wird sich dies zu drei Vierteln in einer Kürzung der


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Neubauprojekte und zu einem Viertel bei der Instandhaltung auswirken. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass die verfügbaren Mittel für den Neubau von rund 2,4 Milliarden Schilling im Jahr 1999 auf 1,7 Milliarden Schilling im Jahre 2000 sinken. Dies wiederum bedeutet laut Wifo eine Vernichtung von rund 1 400 Jahresarbeitsplätzen.

Das passt ganz einfach nicht in das Konzept der Freiheitlichen Partei, die ja plakatiert hat: Arbeitsplätze schaffen. Man muss wirklich immer wieder darauf hinweisen, dass etwas anderes geschieht, als vor den Wahlen versprochen wurde. Das ist verwerflich, das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Bundesregierung wird die Bauwirtschaft durch Verringerung der Bauaufträge direkt schädigen. Das zieht sicher auch eine Verschlechterung der jeweiligen regionalen Arbeitsmarktsituation nach sich. Das bedeutet weiters, dass der Wirtschaftsstandort Österreich insgesamt geschädigt wird, weil die Verkehrsinfrastruktur nicht den Bedürfnissen entsprechend ausgebaut und erhalten werden kann. (Abg. Wattaul: Daran sind aber die Sozialisten schuld!) Die Freiheitliche-ÖVP-Koalition spart in Wirklichkeit, Herr Kollege, an der Zukunft unseres Landes, und dort spart man ganz einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ hat deshalb bereits gestern eine Reihe von projektbezogenen Anfragen zur wichtigsten Ausbauform im hochrangigen Straßennetz inklusive Bundesstraßen B an den Herrn Bundesminister gestellt, wobei um Auskunft ersucht wird, wie und in welcher Weise die Ausbauvorhaben verzögert werden, bis wann und in welchen Projekten die ohnehin schon seit langem ausstehenden Fertigstellungstermine weiter verschoben werden müssen. (Abg. Wattaul: Das war der Einem!)

Herr Bundesminister! Sie treffen aber auch die Lebensqualität der österreichischen Bürger. Lesen Sie heute die Überschrift in der "Kronen Zeitung". Es wird auch bei Ortsumfahrungen gespart, wodurch die Menschen weiterhin unter einer Minderung der Lebensqualität leiden müssen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Das ist nicht wahr!) Es wird gespart werden bei Lärmschutzmaßnahmen und Ähnlichem, genauso wie bei der Tourismusentwicklung ganzer ländlicher Regionen. (Abg. Wattaul: Was ist in den letzten 30 Jahren geschehen?) Das ist eine Politik, die wir nicht mittragen, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wattaul: Wer ist dran schuld? – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Ich bin erst seit sechs Wochen zuständig!)

Es ist auch unerträglich, wenn ich an die Tangente in Wien denke. Sie treffen eben hier in den Zentralräumen die Menschen, vor allem in Wien, wo die Verkehrsinfrastruktur längst nicht mehr ausreicht und der fast tägliche Pendlerstau auf der A 23, der Tangente, nicht mehr zu bewältigen ist. (Abg. Wattaul: Sagen Sie das der sozialdemokratischen Fraktion!) Fahren Sie in der Früh oder am Abend über die Tangente in die Arbeit oder nach Hause! Sie werden mehr stehen als fahren. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Ich bin erst seit sechs Wochen im Ressort!) Das ist nunmehr Ihre Verantwortung, und ich verlange gar nicht, dass Sie das gleich regeln. Aber in Zukunft haben Sie das für uns zu regeln, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: In sechs Wochen kann man das nicht regeln! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir haben in der alten Regierung noch gemeinsam über den Masterplan und die GSD-Studie umfangreiche Diskussionen geführt. (Abg. Wattaul: Diskutiert schon, aber getan habt ihr nichts!) Wir haben noch eine gemeinsame Entschließung mit der ÖVP verabschiedet, in der wir extra die verkehrs- und umweltpolitische, aber auch die raumordnerische und wirtschaftspolitische Bedeutung des hochrangigen Straßennetzes für die Zukunft unseres Landes festgelegt haben, und dies mit konkreten Plänen.

Nunmehr wird anderes getan. Damals haben wir festgelegt: Der Lückenschluss soll weiter vervollständigt werden. Der Ausbau der Verbindungen im hochrangigen Straßennetz in die Reformstaaten soll erfolgen. Die Realisierung eines dringend notwendigen Autobahn-Schnellstraßenringes um den Großraum Wien soll erfolgen. Der Bau von zweiten Tunnelröhren im hochrangigen Straßennetz ... (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Aber getan habt ihr nichts!) Davon


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höre ich überhaupt nichts mehr. Die verbesserte Anbindung an Flughäfen – auch das geschieht nicht.

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Kurt Eder (fortsetzend): Der Schlusssatz ist sehr einfach: Alles das, was hier geschieht, ist unvernünftig, und ich bitte Sie dringend, Herr Bundesminister, diese Ihre Haltung noch einmal zu überdenken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Firlinger. – Bitte.

17.55

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Eder! Ist er noch da? Gleich gegangen ... Nein, er ist noch da. – Entschuldigung! – Wissen Sie, unerträglich ist nicht die Politik des neuen Ministers, der ist erst zwei Monate, drei Monate im Amt. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Die Zuständigkeit habe ich seit fünf Wochen!) Unerträglich, Herr Kollege Eder, ist Ihr Argumentarium, das in seiner Stichhaltigkeit zusammenkracht wie ein Kartenhaus. (Abg. Öllinger: Firlinger – die Zumutung sind Sie! ) Unerträglich, Herr Kollege Eder, war die Budgetpolitik Ihrer Fraktion, Ihres sozialistischen Finanzministers. Das Ergebnis: Wir sind abgeräumt wie ein Weihnachtsbaum am 30. Dezember. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist eine Tatsache, und deswegen muss in allen Ministerien gespart werden, auch im Verkehrsministerium selbstverständlich. Ja glauben Sie, dass das lustig ist, das Straßenbauprogramm um eine Milliarde Schilling zurückzunehmen? Es ist nicht lustig. (Abg. Eder: Zugleich geben Sie aber mehrere Milliarden Schilling aus!) Wenn Sie heute hier herausgehen und fragen: Was hat der neue Minister gemacht?, dann frage ich Sie: Was haben Sie gemacht? Sie haben nichts gemacht! Sie haben geredet. (Abg. Eder: Lesen Sie die Zeitungen!)

Ihr ehemaliger Verkehrsminister, Herr Dr. Einem, der jetzt bei der Debatte gar nicht da ist – wissen Sie, was der gemacht hat? – Er hat viele Jahre hindurch gemeinsam mit seinem Vorgänger und Vorvorgänger eine chaotische Infrastrukturpolitik gemacht. Was heißt das? Das Resultat war: Da ein Eckerl planen, da ein Eckerl bauen, da wieder ein Stückerl – nur damit der Bürger nicht beurteilen kann, was da eigentlich gebaut wird, wie effizient gebaut wird und wann das fertig wird. Das sollte niemand sehen, das sollte niemand erkennen. Das war die Taktik in diesem Ministerium während vieler Jahre, Herr Kollege Eder. Schreiben Sie sich das einmal ins Stammbuch! (Abg. Eder: Ich habe kein Stammbuch!)

Und nach all dem wollen Sie uns heute noch diese Initiative verkaufen, und dies und das wäre noch zu tun. Gar nichts ist gemacht worden, Herr Kollege, gestehen Sie sich das einmal ein, und hören Sie auf, herumzulamentieren, warum Sie jetzt in der Opposition sind. Gewöhnen Sie sich daran, bitte! Ich ersuche Sie wirklich höflich darum. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Der Herr Bundesminister hat völlig richtig gehandelt, indem er die Mittel dieser chaotischen Planung der Vergangenheit jetzt endlich einmal konzentriert und sagt, ich baue jetzt zügig aus. Das ist die einzige Möglichkeit, damit wir vorankommen. Das hätten Sie nie zustande gebracht, weil immer Partikularinteressen im Spiel waren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu den Grünen möchte ich noch eines sagen, Frau Kollegin Lichtenberger: Wenn Sie der Ansicht sind, dass diese Anfrage so präzise beantwortet wurde und Sie daraus einiges Neues lernen konnten, dann frage ich Sie: Warum haben Sie dann diese Anfrage überhaupt gestellt? In mir erhebt sich nämlich der Verdacht, dass Sie hier gar nicht ernsthaft debattieren und diskutieren wollen. Sie wollen etwas anderes. Wissen Sie, was Sie wollen? Sie möchten ein "Wirbilein" erzeugen. Sie sind heute bei einer Dringlichen Anfrage nicht zum Zug gekommen, da


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hat Sie Ihr Partner in der Opposition anscheinend "abgestochen", und da müssen Sie halt noch eine kleine Aktion liefern. Bitte, sei’s drum!

Ich darf Ihnen versichern, es gibt nächste Woche wieder eine ausführliche Behandlung des Themas Verkehr im Rahmen der Budgetdebatte. Da werden wir uns über einige Positionen wirklich ausführlich auseinander setzen können. (Abg. Dr. Lichtenberger: Super!) Ich appelliere aber auch an Sie: Wenn Sie einigermaßen glaubwürdig sein wollen, jetzt und in Zukunft, dann müssen Sie schon ein bisschen einen anderen Gehalt in Ihre Anfragen hineinlegen. Nur ein "Wirbilein" zu machen, Frau Kollegin Lichtenberger, ist mir bitte zu wenig. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wenn Sie immer nur beim ersten Halbsatz zuhören, kann Ihnen kein Inhalt weiterhelfen! – Abg. Öllinger  – in Richtung Freiheitliche –: Bitte, bringen Sie Ihn endlich zum Augenarzt!)

Meine Damen und Herren! Was ich damit zum Ausdruck bringen will: Wir sind jederzeit gerne bereit, über die großen Infrastrukturvorhaben in den Ausschüssen und im Plenum mit aller gebotenen Sachlichkeit zu diskutieren. Nur: Dauernd ins Haxel zu beißen und nur zu pitzeln, weil man in der Opposition ist – bitte, das kann nicht die richtige Begleitmusik sein. Ich fordere Sie auf: Kehren Sie zu einer konstruktiven Oppositionspolitik zurück und lassen Sie sich für die Argumentation etwas Gescheiteres einfallen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

18.00

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Eder! Sie haben gesagt: Alles war unvernünftig (Abg. Eder: Nein, habe ich nicht gesagt!) beziehungsweise alles, was der Herr Minister jetzt macht, ist unvernünftig. – Das fällt aber dann auch auf Sie zurück, denn vieles von dem, was in der Anfragebeantwortung steht, Herr Kollege, beruht noch auf Überlegungen der alten Bundesregierung. (Abg. Eder: Da war aber Ihr Minister zuständig!)  – Das war unser Minister, jawohl, darum war es auch nicht unvernünftig, das möchte ich ausdrücklich sagen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei der ÖVP.)

Vieles von dem, was da drinsteht, ist sehr wohl vernünftig. Aber eines war unvernünftig, nämlich die Teilung zwischen Schienenministerium und Straßenministerium – und diese haben wir beseitigt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Lichtenberger, ich kann Ihre Kritik an der Anfragebeantwortung wirklich nicht teilen (Abg. Öllinger: Das ist aber Fundamentalopposition!), denn das, was Sie moniert haben, steht ohnehin in der Anfragebeantwortung. Es ist darin klargestellt, dass es selbstverständlich auch im Straßenbau eine Reihung nach Prioritäten gegeben hat, es ist klar aufgezählt, welche Projekte jeweils in die Stufe 1, 2 und 3 gefallen sind.

Im Übrigen hat kein Minister bisher in Oberösterreich eine Autobahn nach Freistadt oder in die "Tschechei" versprochen, wie Sie das hier behauptet haben. (Abg. Schieder: "Tschechien" heißt das!)  – Tschechien! Habe ich etwas anderes gesagt? (Abg. Schieder: "Tschechei" haben Sie gesagt!)  – Ich habe keine Probleme mit solch kleinen semantischen Unterschieden, Herr Kollege. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Nein! Aber die Leute dort haben Probleme damit!)  – Ich weiß, Sie als Außenpolitiker nehmen das ganz genau! In Ordnung: Tschechien! (Abg. Öllinger: Die "Verhumpung" der ÖVP!)

Sie haben auch moniert, der Herr Minister hätte nichts zu der von Ihnen verlangten Zusammenschau zwischen Bundesbahn, Schiene auf der einen Seite und Straße auf der anderen Seite gesagt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Nein!)  – Ganz im Gegenteil! Der Minister sagt: Durch die Zusammenlegung der beiden Ministerien besteht jetzt die Möglichkeit (Abg. Dr. Lichtenberger: Die Chance, bitte!), beim Ausbau der Infrastruktur klare Prioritäten zu setzen und endlich eine solche Zusammenschau zu machen (Abg. Edler: Warum habt ihr es jahrelang verhindert?), die


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früher die Sozialdemokraten verweigert haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Lichtenberger! Sie urgieren Korridor-Entscheidungen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ja!)  – Also genau das war ja bitte auch der Sinn der GSD-Studie, nämlich (Abg. Dr. Lichtenberger: Wo denn, bitte?)  – dann müssen Sie die Studie lesen! (Abg. Dr. Lichtenberger: Ich kenne sie!)  – die Grundlage für Korridor-Entscheidungen zu schaffen, insbesondere für Korridore in das Ausland, insbesondere nach Norden und Osten in die neuen EU-Erweiterungsländer, meine Damen und Herren. Und genau das geschieht jetzt! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Wo? Wo? Eben nicht! Das ist das Problem!)

Sie sagen, es muss endlich Gleichberechtigung für die Schiene geben, es muss endlich mehr in die Schiene investiert werden. (Abg. Eder: Kostenwahrheit!)  – Auch da kennen Sie die Zahlen nicht, Frau Kollegin. (Abg. Dr. Lichtenberger: Doch!) Würden Sie die Zahlen kennen, müssten Sie eigentlich für die Gleichbehandlung der Straße eintreten, denn heute verhält es sich beim Investitionsvolumen bereits umgekehrt (Abg. Dr. Lichtenberger: Denken Sie an die letzten 30 Jahre!): Die jüngste Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes – nicht meine, jene des Wirtschaftsforschungsinstitutes, Frau Kollegin – vom September des Jahres 1999 zeigt, dass die Investitionen in Bundesstraßen und Autobahnen durch den Bund und durch Straßenbau-Sondergesellschaften im Zeitraum von 1983 bis 1997 massiv ab genommen haben!

Meine Damen und Herren! Heute wird dreimal so viel in die Schiene investiert als in die Straße! (Abg. Dr. Lichtenberger: Viele Autobahnen hätten wir ja gar nicht mehr gebraucht!) Das sind die verkehrspolitischen Realitäten, das muss ich Ihnen auch einmal sagen! Und damit sollten Sie sich auch einmal beschäftigen, damit Sie wieder auf dem letzten Stand der Dinge sind, Frau Kollegin. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Grünen! Sie sollten Ihre Augen nicht vor der verkehrspolitischen Realität verschließen (Abg. Mag. Firlinger: Das tun sie aber!), wie Sie das auf Grund Ihrer einseitig ideologischen Fixierung auf die Schiene tun. Sie sollten öfter sehen, was sich auf unseren Straßen abspielt (Abg. Dr. Lichtenberger: Ich sehe das!), und Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass unsere heutige Straßeninfrastruktur den Anforderungen einer modernen Standortpolitik nicht mehr genügt (Abg. Dr. Lichtenberger: Genau weil ich das sehe, fordere ich Entscheidungen!) und dass hier einiges geschehen muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen noch eines zum Thema Nebenbahnen ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist erschöpft. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (fortsetzend): Das Thema Nebenbahnen wird uns sicherlich in den nächsten Wochen und Monaten noch intensiv beschäftigen. Ich möchte nur eines noch dazu sagen: Auch bei diesem Thema sitzen Sie auf dem falschen Dampfer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Dr. Lichtenberger  – in Richtung des Abg. Mag. Kukacka –: Da ist Ihnen jetzt das Bild entgleist!)

18.06

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Von der Dampferfahrt wieder zurück zum Thema. Ich verstehe zwar, dass die Kontroverse zwischen Straße und Schiene, von mir aus auch Schifffahrt, einen gewissen Anheizungseffekt hat (Abg. Böhacker: Bei der Dampflokomotive müssen Sie anheizen!), das Problem allerdings ist, dass insgesamt in dieser Diskussion die wahren Aus


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einandersetzungen, nämlich über die Hintergründe einer Verkehrsphilosophie, nicht geführt werden. (Abg. Mag. Firlinger: Das können Sie doch nicht in eine Kurzdebatte hineinpacken!)

Ich gebe Ihnen durchaus Recht: Herr Minister Schmid hat ein Erbe übernommen – das Erbe war gespalten, das Erbe fließt sozusagen aus zwei Quellen zusammen, nämlich aus dem Verkehrsministerium, also der Schienenquelle, und dem Wirtschaftsministerium, also der Straßenquelle. In diesem Bereich ist bisher nicht koordiniert worden – das ist Faktum!

Jetzt aber hat der Herr Minister das erste Mal die Möglichkeit zu koordinieren. Unsere Anfrage zielte nun darauf ab, die zukünftigen Maßnahmen auf den Tisch gelegt zu bekommen – diese sollten bereits Ausdruck dieser Koordinierungsarbeit sein, also endlich Ausdruck dessen, dass es eine einheitliche Verkehrsphilosophie und keine Parallelaktionen mehr gibt.

Aber was finden wir in der Anfragebeantwortung? – Wir finden wieder die Straßenbau-Philosophie, allerdings mit Abstrichen. Als Grüne muss ich ja sehr dankbar für das Diktat der leeren Kassen sein, weil Sie durch diese leeren Kassen eine Milliarde weniger für den Straßenbau haben und sich daher die Prioritäten sehr genau überlegen. Ich bevorzuge es und ich begrüße es, dass Sie da pragmatisch ans Werk gehen und sich zunächst einmal die Prioritäten überlegen.

Sie haben wahrscheinlich auch weniger für die Schiene, da gilt es also dann auch, sich Prioritäten zu überlegen. Aber vor allen Überlegungen pragmatischer Natur appelliere ich an Sie, Herr Minister: Stellen Sie einmal Ihre Verkehrsphilosophie, stellen Sie einmal die Grundwerte der Verkehrspolitik zur Diskussion! Bekennen Sie sich zu einer umweltfreundlichen, einer menschenverträglichen, einer auch wirtschaftskonformen Verkehrspolitik! Wir müssen nämlich das knappe Gut Straße und das knappe Gut Schiene optimal ausnützen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. )

Normalerweise ist der Preis das beste Steuerungssystem, die Preissteuerung ist das optimale Instrument, um in Ihrer Verkehrsphilosophie sozusagen zum Ziel Ihres Weges zu kommen. Daher plädieren wir immer wieder für Kostenwahrheit, also dafür, dass derjenige, der die Schiene benützt, dafür zahlt, und dass auch derjenige, der die Straße benützt, dafür zahlt.

Wie schaut es mit der Kostenwahrheit im Bereich Straße aus? – Wir haben 50 Prozent Unterdeckung! Herr Minister, ich stärke Ihnen zwar den Rücken, wenn Sie die Maut einführen, aber ich würde Ihnen viel lieber den Rücken stärken, wenn Sie die Kilometerabgabe einführten, sodass wirklich jeder gefahrene Kilometer – egal, ob auf dem hochrangigen oder nebenrangigen Straßensystem – etwas kostet. Dann haben Sie die wirtschaftliche Nutzung, dann haben Sie die Steuerung über den Preis und dann können Sie Ihre Systeme maximal ausnützen – zu Gunsten, das sage ich auch, der Wirtschaft!

Praktizieren Sie bitte Ihre so genannte pragmatische Herangehensweise insofern ein bisschen auch unter dem Aspekt einer Grundwert-Herangehensweise! Fragen Sie: Was will ich erreichen, und mit welchen Mitteln erreiche ich es? – Ich sage: Mit Bundesstraßen-Planung, mit Bundesstraßen-Bau, gleichsam nach dem Speiseplan, nach dem Menüplan der Landeshauptleute oder nach den Vorstellungen vielleicht der Straßenbau-Referenten nicht. (Abg. Haigermoser: 35 S für einen Liter Benzin, das ist ja furchtbar!)  – Ich bin ja von Oberösterreich her durch Kollegen Kukacka geprägt. Es gibt da ja sehr versierte Menschen, die sehr wohl auch Korridor-Studien mitbegleiten.

Die Korridor-Studie in Oberösterreich sieht ja an sich vier Varianten vor: die B 310 – so heißt sie jetzt, früher war sie eben niederrangiger, da hat sie B 125 geheißen – und eben das ganze Spektrum. Ich bin ja gespannt darauf, was im Herbst passieren wird, wenn die Korridor-Studie von Dr. Rinderer auf dem Tisch liegt, wenn also vier Varianten nebeneinander abgehandelt werden: die Bahn-Variante, die Straßen-Variante, die Null-Variante – bei der man nichts tut – und die Kombi-Variante. (Abg. Mag. Firlinger: Wie schaut die grüne Variante aus?)

Ich bin ja neugierig darauf, für welche Variante dann wertemäßig – wertphilosophiemäßig – Ihr Herz, Herr Minister, und Ihr Herz, Herr Kollege Kukacka, schlagen werden! Dann wird sich eben zeigen, dass Sie wieder sozusagen das Realismus-Konzept über alles stülpen, und Ihr Realis


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mus-Konzept heißt immer Straßenbau. Für mich war das sehr erheiternd, denn "realistisch" ist klarerweise: Das, was fährt, soll fahren! – Das ist Ihr Verkehrsrealismus, ich kann nicht sagen: Philosophie; Ihre Herangehensweise jedenfalls.

Lustig fand ich vor allem die Bemerkung des Kollegen Eder, der gesagt hat, dass der Lückenschluss ausgebaut werden soll. – Ich weiß nicht, wie weit das ein Versprecher war. (Abg. Eder nickt.) Wenn ich will, dann muss ich Lückenschlüsse schließen und Straßen ausbauen!

Ich lache ja, weil Kollege Parnigoni nicht hier ist, weil der ...

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete, die Redezeit ist beendet. Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): Kollege Eder ist ja wahrscheinlich ein hochrangiger Funktionär des ARBÖ, und insofern vermutlich noch weiter rechts im Überholen als Herr Minister Schmid, der sich vielleicht zu ... (Ruf: Bravo! Reicht schon!)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Schlusssatz, bitte!

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (fortsetzend): ... aufschwingt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die Verhandlungen über Punkt 1 der Tagesordnung betreffend die Beratungsgruppe IX wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

18.12

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr Minister Bartenstein, der bei dieser Debatte, in der es um Wirtschaft und Arbeit geht, als zuständiger Minister nicht mehr anwesend ist – aber vielleicht können Sie ihm das, was ich hier zu sagen habe, ausrichten. Sehr geehrter Herr Maderthaner – er ist auch nicht hier –, sehr geehrter Herr Schwarzenberger – ebenfalls nicht hier ... (Widerspruch des Abg. Schwarzenberger. ) Schwarzböck, ich entschuldige mich, Schwarzböck! (Abg. Schwarzenberger: Bleiben Sie bei der Wahrheit!) Sehr geehrte Frau Pabl頖 auch nicht mehr hier. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)  – So. (Abg. Auer: Sie sagen immer die Unwahrheit!)

Wir haben uns in der Debatte vor der Dringlichen Anfrage mit dem Thema Arbeit und Wirtschaft ... (Anhaltende Zwischenrufe.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Haidlmayr ist am Wort! – Bitte.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (fortsetzend): ... und mit der Situation behinderter Menschen in Österreich beschäftigt. All jenen, die das Glück haben, nur mehr ein Kurzzeitgedächtnis zu haben, möchte ich in Erinnerung rufen: Es ging darum, dass sich speziell Frau Pablé massiv – zumindest hat sie es gesagt und auch, dass Sie es weiterhin tun wird – für behinderte Menschen eingesetzt hat. Deshalb möchte ich ihr und ihrer Fraktion hier und jetzt die Gelegenheit geben, den folgenden Entschließungsantrag zum Thema Schaffung von Arbeitsplätzen für behinderte Menschen zu unterstützen.


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde betreffend Anhebung der Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird aufgefordert, eine Novellierung des Bundesbehindertengesetzes vorzubereiten, in der die Ausgleichstaxe des § 9 (2) für jede einzelne Person, die zu beschäftigen wäre, auf ein in dem jeweiligen Betrieb übliches Durchschnitts-Bruttogehalt, inklusive aller Lohnnebenkosten, angehoben wird.

*****

Dieser Entschließungsantrag ist deshalb so wichtig, weil es für Unternehmer gleich attraktiv sein sollte, einen behinderten Menschen zu beschäftigen oder das abzulehnen, indem in beiden Fällen die gleiche Summe aufgewendet wird. Wenn ein Unternehmer eine behinderte Person beschäftigt, wird er das in Form von Gehaltszahlung plus Lohnnebenkosten zu begleichen haben, wenn er keine beschäftigt, dann soll er diesen Betrag an den Ausgleichstaxenfonds abführen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren speziell von den Freiheitlichen! Sie können jetzt mit Ihrer Behindertensprecherin Frau Pablé beweisen, ob Sie tatsächlich die Interessen der behinderten Menschen unterstützen. Wir werden genau hinschauen.

Aber nun möchte ich mich noch einmal zu meinen Vorwürfen und zu der verbalen Entgleisung von Herrn Schwarzenberger und Herrn Maderthaner (Abg. Schwarzenberger: Hallo! Schon wieder! Was habe ich gesagt?) – Schwarzböck, Entschuldigung! –, Schwarzböck und Maderthaner äußern, die mich – Herr Maderthaner hat es wörtlich getan, Herr Schwarzböck indirekt – als Lügnerin dieses Hohen Hauses bezeichnet haben. (Abg. Schwarzböck: Das stimmt ja gar nicht! – Abg. Auer: Eine Unwahrheit sondergleichen!)

Herr Maderthaner, oder jene, die es ihm ausrichten könnten, ich möchte zu den Behauptungen, die ich heute Vormittag aufgestellt habe, einen Brief vorlesen, und ich bitte Sie, zuzuhören. Der Brief kommt vom Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland. In diesem Brief steht – er ist vom 5. Juni 1998; ich zitiere –:

Vergangene Woche wurde der Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland von einer Installationsfirma im nördlichen Niederösterreich betreffend die Einstellung eines behinderten Menschen kontaktiert. Dabei ging es um die Frage nach der Möglichkeit einer Weiterbildung eines Behinderten, der nach durchgeführter beruflicher Rehabilitation in ein Arbeitsverhältnis der Installationsfirma aufgenommen werden sollte. Bei diesem Gespräch teilte uns die Firma auch mit, dass diesbezügliche Kontakte mit der Wirtschaftskammer Niederösterreich aufgenommen wurden, jedoch seitens der Kammer der Firma der dringende Rat gegeben wurde, von der Einstellung des Behinderten jedenfalls abzusehen, da dies nur Schwierigkeiten nach sich ziehe. – Zitatende. (Abg. Neudeck: Das war ja kein Brief vom Maderthaner!)

Das ist die Stellungnahme der Wirtschaftskammer! Und wenn ich mich recht entsinne, war doch bis vor wenigen Wochen Herr Maderthaner der Präsident der Bundeswirtschaftskammer – oder irre ich mich da? (Abg. Neudeck: Er ist es noch! – Abg. Edlinger: Er ist es noch immer! – Ruf: Sie irren!)  – Da irre ich? Also war er nicht Ihr Wirtschaftskammerpräsident? (Widerspruch bei der ÖVP. – Abg. Neudeck: Die Wirtschaftskammer Niederösterreich ist nicht die Wirtschaftskammer Österreich!) Gut! Dann möchte ich, dass stenographisch festgehalten wird, dass die ÖVP behauptet, Herr Maderthaner war nie Präsident der Bundeswirtschaftskammer. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dieses Schreiben zeigt meiner Ansicht nach sehr deutlich die Haltung der Wirtschaftskammer gegenüber den Interessen behinderter Menschen, zeigt, dass die Wirtschaftskammer absolut


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nichts dafür tut, dass behinderte Menschen einen Arbeitsplatz bekommen. Ganz im Gegenteil: In diesem Schreiben wird der Installationsfirma dringend davon abgeraten, einen Behinderten einzustellen, weil das nach Ansicht der Wirtschaftskammer nur Schwierigkeiten nach sich ziehe. (Abg. Wattaul: Wer hat denn das Gesetz gemacht?)

Aber das allein ist noch nicht genug! Der Kriegsopferverband hat sich erlaubt, dieses Schreiben auch an die Landeshauptmann-Stellvertreterin Liese Prokop, Herrn Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein und Herrn ÖAAB-Obmann – damals war er noch ÖAAB-Obmann und noch Bundesminister – Dr. Werner Fasslabend zu schicken, mit dem Ergebnis, dass bis heute keine einzige Zeile einer Antwort oder Stellungnahme gekommen ist.

Herr Maderthaner wurde auch über die APA aufgefordert, zur Haltung der Wirtschaftskammer Stellung zu nehmen, und zwar am 13. Juni 1998. (Abg. Rosemarie Bauer: Er war nie Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich!) Das, meine Damen und Herren, hat er bis heute unterlassen.

Aber dafür hat sich Herr Maderthaner – und das ist auch nicht uninteressant – bereits am 21. Jänner 1994 im "Standard" sehr wohl zur Frage behinderter Menschen geäußert, nämlich dahin gehend: Niedrigere Löhne für Langzeitarbeitslose und Behinderte. Leopold Maderthaner, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich – der "Standard" hat sich also auch verschrieben! –, verlangt mehr Phantasie beim Abschluss betriebsnaher Kollektivverträge. – Es steht drinnen, dass auch eine Lohnkategorie für Langzeitarbeitslose, für Minderbegabte und für behinderte Menschen denkbar ist. Und er fordert in diesem Schreiben, dass es einen eigenen Kollektivvertrag für diese Personengruppe geben soll, der unter dem in diesen Bereichen geltenden Kollektivvertrag gehalten werden soll.

Das, meine Damen und Herren, widerspricht nicht nur dem Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit", sondern das zu fordern ist eine bestimmte Geisteshaltung, und das bestätigt mein heute Vormittag dargestelltes Bild von der Einstellung, die diese Bundesregierung und vor allem Herr Maderthaner gegenüber behinderten Menschen haben und weitertragen! Das zeigt ganz einfach Ihr Gesellschaftsbild, das Sie gegenüber Minderheiten haben.

Ich erwarte mir, Herr Schwarzböck und Herr Maderthaner, dass Sie sich für diese verbalen Entgleisungen nicht nur bei mir, sondern bei allen behinderten Menschen in Österreich und speziell beim Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland entschuldigen, und auch dafür, dass Sie nicht nur mich, sondern auch die Verfasser dieser Dokumentation als Lügner bezeichnet haben! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Neudeck: Das ist ja trotzdem nicht wahr!)

18.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Schwarzböck zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, bitte beachten Sie den § 58 der Geschäftsordnung. Beginnen Sie mit der Wiedergabe des zu berichtigenden Sachverhaltes.

18.23

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kollegin Haidlmayr hat soeben behauptet, ich hätte sie in meiner vormittägigen Rede oder dem Diskussionsbeitrag der Lüge bezichtigt.

Ich berichtige, dass ich dieses Wort nicht in den Mund genommen habe und diesen Vorwurf auch nicht erhoben habe. Ich würde ihn auch nicht erheben, wenn ich gefühlsmäßig den Eindruck hätte, dass sie gelogen hat.


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Frau Kollegin Haidlmayr! Lesen Sie das Stenographische Protokoll! Die Redewendungen, die Sie mir in den Mund legen, habe ich nicht einmal gestreift. (Beifall bei der ÖVP sowie bei den Freiheitlichen.)

18.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Spezialberichterstatter das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe IX des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000. Diese umfasst die Kapitel 63 und 64 des Bundesvoranschlages samt dem zum Kapitel 64 gehörenden Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages in 60 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 80 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Voranschlag ist angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die bei der Verhandlung der Beratungsgruppe IX des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Nürnberger und Genossen betreffend ein Programm aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt für 13 000 Langzeitarbeitslose.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Genossen betreffend ein Programm aktiver Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen mit besonderen Bedürfnissen in den Arbeitsmarkt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Haidlmayr und Genossen betreffend Anhebung der Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Beratungsgruppe XII

Kapitel 40: Militärische Angelegenheiten (einschließlich Konjunkturausgleich-Voranschlag)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Beratungsgruppe XII: Militärische Angelegenheiten.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde vom Spezialberichterstatter verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaál. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. (Abg. Gaál: 10 Minuten!)  – Bitte sehr: 10 Minuten.

18.27

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrer Antrittsrede


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als neuer Verteidigungsminister und auch in Ihrem Statement hier im Haus am 9. Februar 2000 die künftigen Leitlinien Ihrer Sicherheitspolitik definiert und dabei immer wieder darauf hingewiesen, dass man dem Bundesheer auch die notwendigen finanziellen Mittel und die erforderliche Ausrüstung zur Verfügung stellen muss, damit es den Auftrag, den die österreichischen Gesetze vorgeben, bestmöglich erfüllen kann. Schon mit Ihrem ersten Budget wird jedoch Ihre Ankündigungspolitik von der Realität eingeholt.

Herr Bundesminister! Die FPÖ hat immer wieder – ich darf das sagen – vollmundig gefordert, dass das Wehrbudget auf mindestens 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen ist. Jetzt zeigen die drastischen Kürzungen durch Ihren Finanzminister, welchen Stellenwert die militärische Landesverteidigung in dieser Regierung tatsächlich hat.

Sie, Herr Bundesminister, haben in der Vergangenheit immer wieder die SPÖ beschuldigt, einer Erhöhung des Wehrbudgets im Wege zu stehen und das Bundesheer auszuhungern. Was aber geschieht in Ihrer Ministerschaft, Herr Bundesminister? – Das Bundesheer ist mit einer Budgetkürzung in Milliardenhöhe konfrontiert, wie es seit Bestehen des Heeres noch nicht da gewesen ist, und damit – ich sage es – ist auf Sicht die Verteidigungsfähigkeit Österreichs gefährdet. Sie selbst haben ja eingestehen müssen, dass man mit diesem Budget nicht zufrieden sein kann, und haben von einem "Notbudget" gesprochen.

Herr Bundesminister! Sie haben es geschafft, mit diesem Verteidigungsbudget erstmals unter die Grenze von 0,8 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt zu gehen, und zwar dank eines Finanzministers, für den das Bundesheer und die militärische Landesverteidigung offensichtlich keinen Schilling mehr wert sind! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt, Herr Minister, wollen Sie bei den Auslandseinsätzen sparen, und das gerade in dem Bereich, wo es um die Aufrechterhaltung des Friedens in bestimmten Regionen geht. Hier zu sparen, Herr Bundesminister, wäre wirklich ein falsches Signal! Die einzige richtige Schlussfolgerung bei diesen wichtigen Bundesheereinsätzen – sei es die Assistenzleistung an der Grenze, also zur Grenzüberwachung, oder seien es die internationalen Einsätze zur Friedenssicherung – ist, dass dem Bundesheer die daraus entstehenden zusätzlichen Kosten auch tatsächlich refundiert werden.

Herr Bundesminister! Diesbezüglich müssen Sie sich durchsetzen, damit diese Leistungen unserer Soldaten gebührend honoriert werden. Dabei haben Sie meine volle Unterstützung! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Um die exorbitant hohen Personalkosten halbwegs in den Griff zu bekommen, muss die Heeresverwaltung radikal umgebaut werden, also eine klare Führungsstruktur geschaffen und eine klare Verantwortlichkeit für Planung, für Beschaffung, für Ergänzungswesen und für Ausbildung festgelegt werden. Anderenfalls ist jeder Versuch einer Verbesserung oder Veränderung im Bundesheer zum Scheitern verurteilt. Das kennen wir ja, Herr Bundesminister, aus gemeinsamen Zeiten bei der Heeresgliederung 1992, um hier ein negatives Beispiel zu nennen.

Erlauben Sie mir, noch einen Punkt anzusprechen: Herr Bundesminister, beseitigen Sie endlich das auch von Ihnen als Wehrsprecher der FPÖ oftmals und zu Recht kritisierte Chaos im Beschaffungswesen! Legen Sie den Beschaffungen eine realistische und transparente Grundsatzplanung zu Grunde, eine Grundsatzplanung, die Aufgaben, Struktur und Einsatz beinhaltet, und setzen Sie hier die richtigen Prioritäten (Beifall bei der SPÖ), damit hier endlich unseren langjährigen Forderungen, aber auch den Intentionen des Rechnungshofes, der diese Missstände immer wieder aufgezeigt und ihre Beseitigung gefordert hat, Rechnung getragen wird.

Herr Bundesminister! Noch ein Wort zur geplanten Beschaffung von Transporthubschraubern, um auch hier die Intentionen des Landesverteidigungsrates in Erinnerung zu rufen: Ausschlaggebend für die damalige politische Entscheidung, Hubschrauber einer neuen Kategorie zu beschaffen, war in erster Linie der Katastropheneinsatz – und nicht militärische Kampfaufgaben, Herr Bundesminister! Durch den Landesverteidigungsrat wurde die Beschaffung von neuen Hubschraubern mit größtmöglicher Personentransportkapazität empfohlen, nicht die Beschaf


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fung einer militärischen Waffenplattform, wie sie Angriffshubschrauber ja darstellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Auch bei dieser Auftragsvergabe ist der wirtschaftliche Ausgleich nicht zu vergessen, damit diese Beschaffung, die notwendig und erforderlich ist, dazu beiträgt, in Österreich vorhandene Arbeitsplätze zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Herr Bundesminister! Ich möchte abschließend noch auf die Ausarbeitung einer neuen österreichischen Sicherheits- und Verkehrsdoktrin eingehen. Ich bin überzeugt davon, dass niemand Verständnis dafür hat, dass die Opposition in wichtigen sicherheitspolitischen Fragen, bei denen die Abschaffung der Wehrpflicht beziehungsweise die Einführung eines Berufsheeres diskutiert wird, nicht eingebunden wird. Fragen der nationalen Sicherheit müssen auf Basis des nationalen Konsenses gelöst werden. Das war auch seinerzeit beim Landesverteidigungsplan so, wo alle Parteien beteiligt waren.

Ich erwarte im Interesse der Sicherheit Österreichs und seiner Bevölkerung die gleiche Vorgangsweise und Gespräche auf parlamentarischer Ebene. Hier in diesem Haus soll der Schwerpunkt dieser Beratungen liegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Solange nicht unsere konkreten Vorstellungen und Vorschläge für ein effizientes Bundesheer berücksichtigt werden und darüber hinaus nicht alle Maßnahmen, die die Grundsatzplanung im Bereich Organisation und Beschaffung betreffen, in einem schlüssigen Gesamtkonzept nachvollziehbar sind, wird es von unserer Seite keine wie immer geartete Zustimmung geben, auch nicht zu diesem Budget. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Sie haben Ihrem Vorgänger Dr. Fasslabend, wann immer Sie ihn als "Herr Verteidigungsminister" angesprochen haben, vorgeworfen, dass er das Bundesheerbudget nicht ausreichend – oder mehr schlecht als recht – verteidigt hat. Sie, Herr Verteidigungsminister, darf ich ersuchen: Geben Sie Obacht, damit nicht das Budget nur scheibchenweise, sondern sogar "scheibnerweise" weniger wird, denn unter diesem Finanzminister ist es krasser geworden, als es je zu Fasslabend-Zeiten war. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Das ist ja gut!)

Daher darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gaál und GenossInnen über pensionswirksame Beitragszeiten für ordentliche und außerordentliche Präsenzdiener zum Ausgleich der unsozialen Wirkungen der FP-/VP-Pensionsreform

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Landesverteidigung und die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen werden aufgefordert,

1. durch die Bereitstellung von entsprechenden Beiträgen Initiativen zu ergreifen, die zum Ziel haben, dass für alle ordentlichen und außerordentlichen Präsenzdiener pensionswirksame Beitragszeiten geschaffen werden,

2. dem Nationalrat umgehend eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, die bis spätestens zum Wirksamwerden der FP-/VP-Pensionsreform sicherstellt, dass Zeiten des ordentlichen Präsenzdienstes und des außerordentlichen Präsenzdienstes als pensionswirksame Beitragszeiten angerechnet werden.

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.35


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Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaál und Genossen ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.36

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der neue Verteidigungsminister hat eine überaus wichtige, aber auch – wie Kollege Gaál richtig zusammengefasst hat – unerhört schwierige Aufgabe übernommen: Er muss ein Ministerium sanieren, das seit seinem Bestehen ein Stiefkind der österreichischen Politik war und seit mehr als einem Jahrzehnt finanziell schwer unterdotiert ist. Dabei werden ihm parallel dazu gleichzeitig neue, zusätzliche Aufgaben aufgebürdet. Dies alles soll trotz der geerbten Budgetkatastrophe bewältigt werden.

Kollege Gaál, der uns aus dem Verteidigungsausschuss als kompetenter und fairer Kollege bekannt ist, hat dies hier kritisiert. Die Kritik am Budget ist im Prinzip angebracht, aber, Herr Kollege Gaál: Wo nichts ist, hat der Kaiser das Recht verloren! (Abg. Gaál: Es ist "grasser" geworden!) Ihr Wiener Stadtkaiser Edlinger, der Herr Finanzminister, hat das Budget so heruntergewirtschaftet, dass in diesem Säckel fast nichts übrig geblieben ist, nichts außer Schulden. Dieser Situation müssen wir in diesem ersten Budget, das ja ein Überbrückungsbudget darstellt und nur ein solches darstellen kann, Rechnung tragen.

Das letzte Jahrzehnt brachte zwar ein Ende der Ost-West-Gegensätze und damit für viele Streitkräfte in Europa eine Reduzierung ihres Aufgabenfeldes, für das österreichische Bundesheer jedoch war das nicht der Fall. Im Gegenteil, das Aufgabenfeld für uns hat sich erweitert. Erinnern wir uns: Der Zusammenbruch des Belgrader Systems 1991 führte zum Zerfall Jugoslawiens und zum Einsatz des Bundesheeres an der österreichischen Grenze. Tagelange Kämpfe in den Grenzgebieten Kärntens und der Steiermark und in der Folge ein mehrjähriger Krieg in unserer unmittelbaren Nachbarschaft waren die Folge.

Das Bundesheer übernahm die Grenzsicherung, und die Bevölkerung war dankbar für den von ihr erbetenen Schutz.

Es kam dann zur Fortsetzung und Ausweitung des Krieges auf dem Balkan. Die Auflösungserscheinungen in Albanien machten zum Schutz der Zivilbevölkerung in diesem Raum und auch, um unkontrollierte Flüchtlingsströme in unseren Raum in Grenzen zu halten, Einsätze im internationalen Rahmen notwendig, die es bisher in dieser Form nicht gegeben hatte. Ich erinnere an den Einsatz von SFOR in Bosnien und Herzegowina, an den Hilfseinsatz in Albanien und auch an den jetzt noch laufenden KFOR-Einsatz im Kosovo.

Dazu kamen internationale Hilfseinsätze bei Naturkatastrophen – Türkei, Armenien, Moçambique sind nur einige Stichworte –; alles Herausforderungen, die gemeistert wurden.

Gleichzeitig liefen und laufen die beiden großen UNO-Einsätze in Zypern und am Golan weiter, bei denen Österreich zunehmend die Aufgabe übernahm, andere Staaten, nämlich Ungarn und Slowenien, in der Durchführung internationaler Aufgaben zu schulen – wieder ein völlig neuer Einsatz. Parallel dazu erfolgen die vielen kleinen UN-Einsätze – ich glaube, es sind insgesamt ungefähr 17 –, an denen das Bundesheer beteiligt ist.

Die Asylantenströme und die Migranten, die unser Land seit dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs überfluten, zeigten, dass eine Grenzüberwachung ohne Bundesheer schlichtweg unmöglich ist. Der überwiegende Anteil aller Illegalen wird vom Bundesheer aufgegriffen. Auch dafür ist die Bevölkerung dankbar und verlangt sogar eine Ausweitung des Einsatzes.

Letztlich gilt es noch, Katastrophen in Österreich zu bewältigen – Stichwort Galtür als Letztes – und wenig bedankt und kaum bemerkt Hilfeleistungen bei vielen Großveranstaltungen – hier nenne ich nur den EU-Vorsitz – zu erbringen.


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In all diesen Einsätzen brachte das Bundesheer Ehre für Österreich, schützte es das Leben bedrohter Zivilisten und half es beim Wiederaufbau zerstörter Strukturen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es steigerte unser aller Ansehen in der Welt, und wir Politiker dankten dafür – kurz! – und verdrängten, dass diese zusätzlichen Aufgaben auch zusätzliche Mittel erfordern, die wir dem Heer bisher nie gegeben haben.

Was geschah daher beim Heer als Notlösung? – Alle Kräfte wurden darauf konzentriert, diese Einsätze zu bewältigen. Ein großer Teil des neuen Geräts und der Ausrüstung und die besten Leute wurden zusammengefasst und zusammengezogen. Die Summe der Kosten dafür betrug in den letzten zehn Jahren mehr als 20 Milliarden Schilling.

Ein gesamtes Heeresbudget wurde der Ausbildung und Beschaffung für diese zusätzlichen Einsätze gewidment, der österreichischen Verwendung aber entzogen und fehlt. Der Aufschub wichtiger Beschaffungen war die Folge, der sich noch in den nächsten Jahren – dieses Problem ist noch lange nicht ausgestanden – drückend bemerkbar machen wird. Die wenigen getätigten Beschaffungen – ich erinnere an Leopard, Pandur – waren nicht unumstritten und werden auch noch zukünftige Budgets belasten. Wir sind heute so weit, dass Soldaten wegen der LKW-Problematik mit gemieteten Autobussen zu Übungen gefahren werden. 1998 waren es über 2 000 Anmietungen, die erfolgen mussten. Das ist ein unhaltbarer Zustand!

Ein weiteres Beispiel: Als wir Mitte der achtziger Jahre die gebrauchten Draken als Übergangslösung, wie es damals hieß, beschafften, wurde in allen Gremien klar gesagt, dass Mitte der neunziger Jahre eine Nachbeschaffung eingeleitet – eingeleitet, und nicht beschlossen! – werden muss. Was geschah? – Nichts! Und jetzt stellt die SPÖ Forderungen. Dabei hatten 1991 sogar Leute nach dem Draken gerufen, die ihnen in ihrem Bundesland vorher das Heimatrecht verweigern wollten. Jetzt haben uns die verzögerte Regierungsbildung und vor allem die bereits angesprochene katastrophale Budgetlage in diesem Jahr gezwungen, die notwendige Anhebung des Finanzrahmens aufzuschieben.

Es muss uns allen aber klar sein – die Koalition hat sich dazu bekannt –, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Trendumkehr geschafft werden muss und eine merkbare Anhebung des Budgets zu erfolgen hat. Es muss uns ebenso klar sein, dass weitere zusätzliche Aufgaben zusätzlicher Finanzierung bedürfen. Inzwischen muss der Minister sparen und rationalisieren, wo es geht – darin stimme ich mit Kollegen Gaál auch überein –, und er wird – das hat er auch zugesagt – beginnen oben zu sparen und nicht unten bei der Truppe. Das ist nicht einfach und eine undankbare Aufgabe. Aber gerade deswegen hat er unsere volle Unterstützung.

Es wartet noch eine zweite, vielleicht noch größere Aufgabe auf ihn. Neben der notwendigen Trendwende im finanziellen Bereich ist noch eine mindestens genauso wichtige Grundsatzentscheidung ausständig, nämlich die Frage, ob beziehungsweise wie weit wir künftig sinnvoll in der Lage sein werden, unsere Sicherheit allein zu gewährleisten, denn Sicherheitspolitik bedeutet viel mehr als nur rein militärische Landesverteidigung, oder ob wir künftig effektiver und auch kostengünstiger in einem Bündnis – ich sage hier bewusst: in einem Bündnis – solidarisch agieren sollen.

Sicherheitspolitik ist eine pragmatische Frage, die zwar nicht wertfrei, aber ohne ideologischen Hintergrund behandelt werden sollte. Wie wahren wir langfristig die Interessen Österreichs? – Das muss die Aufgabenstellung auch dieses Hauses sein. Dabei müsste es auch in Österreich, wie in fast allen zivilisierten Staaten, möglich sein, eine parteiübergreifende Linie zu finden, und zwar nicht nur, weil dies die außenpolitische Situation und die Glaubwürdigkeit Österreichs – hier sage ich bewusst "Österreichs" und nicht "dieser Regierung" – steigern würde, sondern vor allem auch deswegen, weil Sicherheitspolitik kein Zickzackkurs sein kann, sondern einer langfristigen Zielsetzung, ohne Vierjahressprünge nach der jeweiligen Regierung, folgen muss.

Dazu bedarf es der Zustimmung eines breiten Teiles der Bevölkerung. Um diese zu erlangen, werden wir eine sicherheitspolitische Grundsatzdebatte mit der Bevölkerung führen müssen, also nicht nur in diesem Haus, und in dieser sollen die besseren Argumente gelten. Die Debatte


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darf allerdings nicht auf dem Mythos der Neutralität als Grundlage allein geführt werden, sondern muss die veränderte geopolitische Situation Europas und damit natürlich auch Österreichs einbeziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gleichzeitig bekennen wir klar und deutlich, dass es keine Bündnismitgliedschaft ohne Befragung der Bürger in diesem Lande geben wird. Wir machen keine Politik gegen die, sondern mit der Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Führen Sie diese Debatte mit uns. Wir haben bei der Formulierung der sicherheitspolitischen Ziele der Koalition bewusst den Text der SPÖ/ÖVP-Vereinbarung fast identisch übernommen, um Ihnen den Einstieg ins Boot zu erleichtern. Rudern wir wenigstens in dieser Frage gemeinsam für Österreich!

In diesem Sinne ist auch der Entschließungsantrag zu sehen, den ich hiemit einbringe und nachher noch kurz erläutern werde:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol, Jung, Platter betreffend Ausarbeitung einer neuen österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag

*****

Der Entschließungsantrag hat im Wesentlichen den Zweck, einen Beschluss des Nationalrates analog zur Vorgangsweise im Jahre 1975 zu fassen, bei der der Nationalrat die Bundesregierung ersucht – das ist wichtig, bitte! –, ihm nach Beratung im Landesverteidigungsrat, in dem die große Oppositionspartei die stärkste Anzahl an Sitzen hat, einen Bericht über die sicherheitspolitische Situation Österreichs in Europa vorzulegen.

In diesem Zusammenhang begrüßt der Nationalrat die am 28. April dieses Jahres verkündete Absicht der Bundesregierung, eine neue österreichische Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin auszuarbeiten sowie eine Kommission zur Erarbeitung des diesbezüglichen Vorschlages einzusetzen.

Hier bietet sich für Sie, auch wenn Sie das heute noch ablehnen, immer noch die Möglichkeit, in eine aktive Gestaltung der österreichischen Sicherheitspolitik einzusteigen, und ich hoffe sehr, dass dieses Angebot angenommen werden wird. Wir werden diese Türe sicher offen halten.

Noch ein Wort zu Ihrem Gegenvorschlag, der hier eingebracht wurde: Er beinhaltet viele interessante Punkte, das muss zugegeben werden, allerdings nimmt er, vor allem der letzte Teil, die Ergebnisse dieser Kommission schon vorweg. Aus diesem Grunde ist er in dieser Form nicht annehmbar. Die Kommission sollte arbeiten und Ergebnisse bringen, die dann diskutiert werden, die wertfrei sein sollen und Vorschläge von allen beinhalten sollten. Wir sollten die Kommission nicht von vornherein einengen.

Ich betone aber noch einmal: Wir sind für eine Kooperation in diesem Bereich offen. Es ist uns dies ein sehr wichtiges Anliegen, da kann ich auch für den zweiten Verteidigungssprecher, den der ÖVP, sprechen, der sicher noch darauf eingehen wird. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, Sie – so irgendwie möglich – mit ins Boot zu bekommen.

Ich habe es schon gesagt: Auf den neuen Verteidigungsminister warten schwierige Aufgaben, nicht zuletzt die bereits erwähnte, nämlich den Finanzminister freundschaftlich, aber bestimmt zu überzeugen. Das wird nicht leicht sein, aber wenn es jemand schafft – das ist meine Überzeugung –, dann wird es dieser Minister sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Er hat die ge


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schlossene Unterstützung seines Klubs, wie sie in dieser Form noch kaum ein Verteidigungsminister vorweisen konnte, weil wir ihn und seine Arbeit kennen und schätzen.

Er hat, von Anfang an sichtbar – das ist eine für ihn wahrscheinlich noch wichtigere Unterstützung –, die geschlossene Unterstützung des Bundesheeres hinter sich, dessen Angehörige sehr wohl seine schwierige Position und Situation erkennen, aber auch sehen, dass ein Minister am Werk ist, der nicht nur – auch das ist eine Novität – seinen Präsenzdienst abgeleistet hat, als er schon Politiker war, und nicht seine politische Funktion ausnützte, um irgendwo unabkömmlich abzutauchen, sondern sich sogar freiwillig weiterausbildete. Er kennt daher, wie wenige in diesem Haus, nicht nur die Probleme der Heeresspitze und die der militärischen Führung, sondern auch jene des Grundwehrdieners aus noch nicht allzu weit zurückliegender Erfahrung. Wir sind überzeugt davon: Dieser Minister kann und wird seine schwierige Aufgabe lösen. Packen Sie es an, Herr Minister, Sie haben unsere volle Unterstützung! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Martin Graf: Kollege Gaál musste schnell die Hände einstecken, weil er schon klatschen wollte!)

18.48

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kernpunkten erläuterte Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol und Genossen betreffend Ausarbeitung einer neuen österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin auch schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen wird dieser Antrag auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol, Jung, Platter betreffend Ausarbeitung einer neuen österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Entwicklung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union ist in eine dynamische Phase getreten. Die Union will sich verstärkt allen Maßnahmen der Friedenssicherung widmen. Neben intensiven Bemühungen zur Krisenprävention und Maßnahmen des Krisenmanagements treten auch solche des Ausbaues der verteidigungspolitischen Komponente.

Österreich hat sich mit seinem Beitritt zur Europäischen Union, dem Vertrag von Maastricht und dem Vertrag von Amsterdam verpflichtet und erklärt an der Weiterentwicklung der GASP einschließlich der Perspektive der Weiterentwicklung der gemeinsamen Verteidigungspolitik mitzuwirken.

Österreich hat bereits in der Vergangenheit durch das Auslandseinsatzgesetz (Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, BGBl Nr. 173/1965) Voraussetzungen für solidarische Maßnahmen im Sinne der internationalen Friedenssicherung geschaffen. Durch das KSE-BVG (Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland BGBl I Nr. 38/1997) sowie insbesondere durch den Artikel 23f B-VG wurden außerdem die Voraussetzungen zur solidarischen Teilnahme an Maßnahmen


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der EU im Rahmen der GASP normiert und die weitere Integration Österreichs in die Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen der EU vorgezeichnet.

Österreich kann somit in verfassungsrechtlich einwandfreier Form politisch und militärisch aktiv an friedenssichernden und friedensschaffenden Maßnahmen der UNO, der OSZE, im Rahmen der GASP der EU und der Partnerschaft für den Frieden der NATO mitwirken und hat seine Bereitschaft zu internationaler Solidarität auch in zahlreichen militärischen Einsätzen unter Beweis gestellt. Die Mitwirkung am IFOR/SFOR-Einsatz in Bosnien und am KFOR-Einsatz im Kosovo ist in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben.

Die Grundsatzpositionen der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wurden erstmals 1975 mit der Entschließung des Nationalrates vom 10. Juni 1975 und dem darauf beruhenden Landesverteidigungsplan festgelegt. Inzwischen haben sich die sicherheits- und verteidigungspolitischen Grundlagen, auf denen die Planung von 1975 beruht, nachhaltig verändert. Das Ende des Warschauer Paktes, der Beitritt der ehemaligen Länder des realen Sozialismus (Kommunismus) zum Europarat, der Beitritt Österreichs zur EU, die Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU, der Aufbau der NATO-Partnerschaft für den Frieden, sowie die Erweiterung der NATO um drei Staaten, die früher dem Warschauer Pakt angehörten, haben das sicherheitspolitische Umfeld Österreichs entscheidend verändert.

Die großen weltpolitischen Veränderungen der letzten Jahre, insbesondere der Wegfall der Ost-West-Konfrontation und die völlig veränderte politisch-strategische Lage in Europa am Beginn des 21. Jahrhunderts, sind von den grundlegenden Normen, auf denen Österreichs Sicherheitspolitik beruht, nicht ausreichend erfaßt. Dies bedeutet, daß Österreich heute eine zeitgemäße Grundsatzposition auf diesem Gebiet fehlt.

Zum Zwecke eines Beschlusses des Nationalrates, analog zur Vorgangsweise im Jahr 1975, ersucht der Nationalrat deshalb die Bundesregierung, nach Beratung im Landesverteidigungsrat, ihm einen Bericht über die sicherheitspolitische Situation Österreichs in Europa vorzulegen. In diesem Zusammenhang begrüßt der Nationalrat die am 28. April d. J. verkündete Absicht der Bundesregierung, eine neue österreichische Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin auszuarbeiten sowie die Einsetzung einer Kommission zur Erarbeitung eines diesbezüglichen Vorschlages.

In diesem Bericht wären die derzeitige globale Lage, die sicherheitspolitischen Veränderungen der letzten Jahre, die Situation im politisch-strategischen Umfeld Österreichs und die sich daraus ergebenden Probleme, Gefahren und Bedrohungen für Österreich und Europa aufzuzeigen. Weiters sollten Maßnahmen zur bestmöglichen Gewährleistung der österreichischen Sicherheit dargestellt werden."

*****

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

18.49

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, am Anfang großen Dank auszusprechen. Seit der Übernahme des Ressorts durch einen Vertreter der Freiheitlichen Partei ist es zu einer bis jetzt nicht gekannten Informationswelle der positiv gesinnten Kräfte im Verteidigungsministerium gekommen. (Abg. Wattaul: Fühlen Sie sich sicherer?) Ich möchte mich bei diesen Beamten, Beamtinnen und Vertragsbediensteten recht herzlich bedanken und ihnen versichern, dass die Informationen, die sie uns zukommen haben lassen, inklusive der beigefügten Dokumente in ihrem Sinne verwendet und öffentlich zur Diskussion gestellt werden.

Es liegt ein soeben eingebrachter Entschließungsantrag vor. Die einbringenden Abgeordneten gehen möglicherweise – ich weiß es nicht sicher – davon aus, dass wir den Sicherheits- und Bundesheerteil der Regierungserklärung nicht gelesen haben und deswegen dem Satz, eine


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neue österreichische Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin auszuarbeiten, nicht genügend Bedeutung zumessen. – Nein. Wir haben es gelesen. Wir können uns ungefähr vorstellen, was Sie sich unter einer "neuen österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin" vorstellen. (Abg. Kiss: Was, Kollege Pilz? Es würde mich interessieren, was Sie da meinen!) Deswegen werden Sie hoffentlich Verständnis dafür haben, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen. Trotzdem werden wir mit Ihnen alles diskutieren, aber schlicht und einfach nur deswegen, weil sich das in einem Parlament so gehört. (Abg. Wattaul: Geschichten erzählen!)

Meine Hoffnung, Sie in irgendeinem Punkt überzeugen zu können, ist relativ gering, aber immerhin den Versuch wert. Wenn wir schon zusammensitzen, dann probieren wir es halt. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Tun wir halt ein bisschen Schmäh führen!)

Sechs Punkte: Erstens: Österreich ist sicher. Österreich ist sicher und wird immer sicherer, zumindest im militärischen Sinne des Wortes. (Abg. Wattaul: Er fühlt sich sicher!) Österreich wird schon bald von einem Ring von NATO-Mitgliedern umgeben sein. Wenn man nicht davon ausgeht, dass von der Schweiz oder Liechtenstein größere militärische Gefahr droht, dann ist nicht ganz klar, wozu ein eigenes österreichisches Bundesheer im Umfang von mindestens 20 Milliarden Schilling Budgetmitteln aufrechterhalten werden soll. (Abg. Wattaul: Staatsvertrag lesen!)

Der Nachweis der Notwendigkeit eines österreichischen Bundesheeres ist zumindest in der jetzigen Situation für die Außengrenzen Österreichs nicht überzeugend zu führen, aber vielleicht finden Sie ein neues Argument. (Abg. Wattaul: Staatsvertrag!) Ich bezweifle es aber deswegen, weil Sie selbst Ihre Argumentation schon vor Jahren von der so genannten konventionellen Ebene der Bedrohung auf die subkonventionelle Ebene der Bedrohung verlagert haben, da Sie jetzt über Nacht auf Grund des Ausbleibens des Feindes aus dem Osten, der roten Armeen, gegen die Sie immer gerüstet haben, ein neues Feindbild suchen mussten. Dieses neue Feindbild findet sich immer wieder in den Schriften des Bundesministeriums für Landesverteidigung: die subkonventionelle Bedrohung.

Was ist diese? – Wenn Sie die Dokumente Ihres Ressorts studieren, dann lesen Sie über die organisierte Kriminalität, die tschetschenische Bande, den albanischen Großkriminellen, die Triaden und darüber, was es an politischer Kriminalität und an Proliferation gibt. Ich plädiere nicht dafür, das nicht ernst zu nehmen, sondern ich plädiere dafür, das mit den Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen. Die Mittel des Rechtsstaates sind eindeutig den Gerichten und – nachgeordnet – den Polizeibehörden zugeordnet. Bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität hat das Militär schlicht und einfach nichts verloren! (Abg. Großruck: Zuerst muss man sie einmal erwischen!) Nehmen Sie dieses einfache Prinzip eines Rechtsstaates endlich einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: Diese österreichische Bundesregierung plant im Rahmen des Bundesheeres eine starke Aufrüstung, eine Aufrüstung, die durch sehr wenig gerechtfertigt ist.

Ich sage Ihnen Folgendes: Ich beschäftige mich jetzt seit über zwanzig Jahren mit der österreichischen Rüstungsindustrie und den damit verbundenen Interessen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Ein großer Teil der Interessen an der Rüstungsindustrie und am Ausbau einer europäischen Rüstungsindustrie hat schlicht und einfach mit Korruption, mit individueller Bereicherung und mit Parteienfinanzierung zu tun. Das sind die politischen Hauptmotive zur Ausweitung einer europäischen und österreichischen Rüstungsindustrie.

Schauen Sie in die jüngste Geschichte der Österreichischen Volkspartei, und schauen Sie die Verwicklungen des derzeitigen Bundeskanzlers in ein an der Grenze der Legalität befindliches Waffengeschäft an, das vom damaligen Wirtschaftsminister Dr. Schüssel glatt illegal manipuliert wurde! (Abg. Prinz: Auch wenn Sie es noch so oft erzählen, wird es nicht wahrer!) Es handelt sich um das Thomson-Geschäft. Und etliche Fragen nach den Parteifinanzen der ÖVP sind nach wie vor offen. Daher liegt sonnenklar auf dem Tisch, worum es bei der Rüstungsindustrie geht: Korruption, individuelle Bereicherung und Parteienfinanzierung. (Beifall bei den Grünen.)


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Noch dazu – das sollten insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, nie vergessen – sind Rüstungsarbeitsplätze immer nur scheinbar sichere Arbeitsplätze. Die sichersten Arbeitsplätze schafft man in zivilen Bereichen von Zukunftstechnologien, also dort, wohin sich die Wirtschaft entwickelt, und nicht dort, wo politische Hochrisikogeschäfte vor dem Background eines Kleinstaates, der nicht einmal die notwendige politische Unterstützung geben kann, immer wieder in den Graubereich internationaler Waffenkriminalität abgleiten. (Beifall bei den Grünen.)

Ich habe nicht das geringste Verständnis dafür – damit komme ich bereits zum dritten Punkt –, dass Sie, ohne es offen und dezidiert zu sagen, bis zum Herbst dieses Jahres die wesentlichen Schritte in Richtung NATO in dieser Republik vorhaben: Aufrüstung, waffentauglich machen für den NATO-Eintritt, Strukturübernahmen, Doktrinübernahmen, Bündniserklärungen, Beistandsgarantieerklärungen in der Regierungserklärung und vieles andere mehr. (Abg. Großruck: Joschka Fischer freut sich schon!)

Herr Kollege, ich sage es Ihnen ganz offen: Mir geht es gar nicht so um die prinzipielle NATO-Gegnerschaft. Die Diskussion, die wir führen, ist eine ganz andere. Ich sage Ihnen ganz offen: Wäre ich deutscher Grüner, hätte ich ein gewisses Verständnis dafür. Ich habe mit Joschka Fischer oft über die Integration des potentiell gefährlichsten Staates dieses Kontinents in ein Bündnis diskutiert. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die österreichischen Sicherheitspolitiker – möglicherweise ist es ein Fehler, das mit Ihnen jetzt ernsthaft zu besprechen, aber ich probiere es (Abg. Murauer: Für Österreich haben Sie nichts übrig, für Deutschland schon!) – müssen sich zuallererst überlegen, wie in Aufnahme der positivsten Traditionen der österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik ein eigenständiger Beitrag für mehr Sicherheit und Frieden nicht nur in Europa möglich wäre. (Abg. Kiss: Wo ist der gefährlichste Staat dieses Kontinents?) Wir können aus Bosnien und dem Kosovo gut lernen, denn das, was dort gefehlt hat, war nicht die Interventionsbereitschaft des österreichischen Bundesheeres am Ende von NATO-Einsatztruppen (Abg. Dr. Martin Graf: Welcher Staat ist der gefährlichste?), denn die NATO braucht uns wirklich nicht, wenn sie irgendwo militärisch intervenieren muss, sondern das Ausschöpfen der Möglichkeiten eines kleinen, reichen, blockfreien und niemanden bedrohenden Staates. (Abg. Dr. Martin Graf: Welchen Staat halten Sie für den gefährlichsten in Europa?)

Bereits im "Vorkrieg" bedarf es solcher Staaten, wie Österreich außen- und sicherheitspolitisch einer sein könnte. Ich weiß, dass Ihnen das außenpolitische Vermächtnis Bruno Kreiskys nichts wert ist. Darin unterscheiden wir uns. Eine der wenigen Phasen, in der die österreichische Außen- und Sicherheitspolitik Weltqualität bewiesen hat, war bei dem gelungenen Versuch, den Konflikt im südlichen Nahen Osten zumindest einem Lösungsbeginn zuzuführen. Das war eines der wenigen Male, wo man sagen kann (Abg. Jung: Sagen Sie uns endlich, welcher Staat der gefährlichste ist!): Ja, das ist eine österreichische Außen- und Sicherheitspolitik (Abg. Dr. Martin Graf: Haben Sie Österreich gemeint?), für die man sich auch außerhalb der Landesgrenzen nicht schämen muss! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Welchen Staat haben Sie gemeint?)

Auf das Heeresnachrichtenamt, meine Damen und Herren, werde ich, da vor mir der Sprecher des Herresnachrichtenamts am Pult war, noch zu sprechen kommen. (Abg. Dr. Martin Graf: Wie heißt der Staat?)

Erklären Sie mir bitte in der Budgetdebatte Folgendes: Wie wollen Sie 40 Milliarden Schilling Kosten für einen NATO-Beitritt und etwa 15 Milliarden Schilling für Abfangjäger finanzieren? (Abg. Jung: Reden Sie nicht immer in Rätseln!) Wo haben Sie diese 55 Milliarden Schilling eingesteckt? – In Ihrem Übereinkommen der beiden Parteien haben Sie festgehalten (Abg. Dr. Martin Graf: Welchen Staat haben Sie gemeint?), aus dem Verteidigungsbudget dürfe all das nicht kommen. (Abg. Jung: Wollen Sie uns das nicht sagen?! – Abg. Dr. Martin Graf: Welchen Staat haben Sie gemeint? – Österreich?) Ja gibt es sonst noch ein Budget? Gibt es irgendwelche Budgetreserven, von denen wir nichts wissen? Oder muss das aus anderen Bereichen des Budgets bedeckt werden? (Abg. Jung: Er hat das schon wieder vergessen!)


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Meine Damen und Herren vom Heeres-Nachrichtenamt und von der Österreichischen Volkspartei! Woher soll dieses Geld kommen? Woher kommen die 55 Milliarden Schilling? (Abg. Neudeck: Weihnachtspaket!) Oder sind Sie bereit, sich das Geld dort zu holen, woher Sie auch bisher die fehlenden Mittel geholt haben, nämlich aus dem Sozialbudget und aus dem Bildungsbudget? – Alles spricht dafür, dass Sie sich wieder bei den Bereichen Soziales und Bildung bedienen werden, um Abfangjäger zu kaufen und die NATO zu finanzieren. (Abg. Zweytick: Das haben Sie gesagt!)

Meine Damen und Herren! Da wird es zumindest eine politische Partei – meine Hoffnung wäre, vielleicht sogar zwei politische Parteien – geben, die sich dagegen wehrt. Sogar gewisse Sympathiebezeugungen innerhalb des Bundesministeriums für Landesverteidigung treffen in dieser Frage bei uns ein. (Abg. Dr. Martin Graf: Haben Sie damit Österreich gemeint, als gefährlichsten Staat?)

Zum Fünften. Meine Damen und Herren! Vergessen Sie auch nicht, was Sie alles versprochen haben! Eines Ihrer wichtigsten politischen Versprechen war die Abschaffung der Wehrpflicht. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wer hat das versprochen?) Wir werden Sie an dieses Versprechen erinnern! Ich wiederhole: Wir werden Sie an dieses Versprechen erinnern, und wir werden uns sehr, sehr genau anschauen, ob die jungen Männer, die Sie mit diesen Versprechen ködern wollten, jetzt von freiheitlichen und schwarzen Sicherheitspolitikern wieder in den Wehrdienst gepresst werden oder ob Sie bereit sind, mit uns gemeinsam eine Mehrheit für die Abschaffung der Wehrpflicht und die Befreiung der jungen Männer in diesem Alter zustande zu bringen. (Beifall bei den Grünen.)

Das, meine Damen und Herren, wird eine Nagelprobe, und ich fordere Sie auf, mit uns die männliche Jugend dieser Republik zu befreien. (Abg. Haigermoser: Jetzt sag uns schon endlich, wer der gefährlichste Staat ist!)

Ein Sechstes. Sie wissen natürlich, dass Sie mit sehr viel an Kritik zu rechnen haben, mit sehr viel berechtigter Kritik und auch mit sehr viel Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Wer lässt schon gerne Sozialbudgets, Bildungsbudgets, Pensionen, Ausbildungszeiten und Unterstützungen für alleinerziehende Mütter kürzen, nur damit man Abfangjäger finanzieren und der NATO beitreten kann? – Das ist nicht populär.

Aber Ihre Antwort ist nicht, populärere Maßnahmen zu setzen, sondern, sich mit der Kritik anders auseinander zu setzen, und zwar so, dass in Zukunft jede Kritikerin und jeder Kritiker in das Fadenkreuz der militärischen Geheimdienste geraten und die militärischen Geheimdienste verpflichtet werden, jede Kritik in dieser Republik lückenlos zu überwachen.

Das steht wörtlich im Militärbefugnisgesetz. Sie wollen auf jeden Kritiker des österreichischen Bundesheeres ein Mitglied der militärischen Geheimdienste ansetzen. Sie wollen den Aktenbestand, in dem es bereits jetzt persönliche Daten über mehr als 60 000 Menschen dieser Republik gibt, um viele weitere Akten von Bundesheerkritikerinnen und -kritikern – egal, ob sie Journalisten, Mandatare oder einfache StaatsbürgerInnen sind – erweitern. Sie wollen Kritik mit Überwachung beantworten. (Abg. Zweytick: Phantasie kennt keine Grenzen!)

Meine Damen und Herren! Das ist Ihre politische Tradition. Es ist Ihre politische Tradition, Kritik nicht ernst zu nehmen, sondern zu sagen: Wo wir Kritik zum Verstummen bringen können, wo wir Geheimdienste gegen demokratische Kritiker mobilisieren können, dort nützen wir alle unsere Mittel der Macht.

Wir haben jetzt 100 Tage schwarz-blauer Machtübernahme hinter uns. Überall, wo Sie die Chance hatten, haben Sie Ihre Macht gegen jede Art von Kritik eingesetzt. Sie werden es auch in diesem Bereich probieren. Aber wir werden Ihnen auch da allen Widerstand, zu dem wir fähig sind, entgegensetzen. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Schluss. Wenn ich das alles zusammenfasse, genau abwäge und mir überlege, ob das, was ich namens meiner Fraktion vorgebracht habe, eine Zustimmung zum Budgetkapitel "Militärische Landesverteidigung" rechtfertigt, dann komme ich nach reiflicher Überlegung zu einem


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klaren Nein und bitte dafür um Verständnis. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Wie heißt der Staat?)

19.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Platter. – Bitte.

19.03

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Jetzt geht er. (Abg. Dr. Pilz verläßt soeben den Saal.)  – Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich den Kollegen Pilz ansprechen. Jetzt ist er hinausgegangen. (Abg. Dr. Pilz schaut zur Türe herein.)  – Bitte, Herr Kollege, bleib da!

Herr Kollege Pilz, ganz kurz: Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mit Ihnen über Landesverteidigung und Sicherheitspolitik nicht diskutieren kann (Abg. Dr. Pilz: Dann kann ich ja wieder gehen!), und zwar aus folgendem Grund. Ihr wart ja nicht einmal bei den Ausschussberatungen anwesend, als es um das Landesverteidigungsbudget gegangen ist!

Schauen wir uns ein paar Aussagen an, die Herr Kollege Pilz gemacht hat. Zum Beispiel: Die beste Lösung ist die Auflassung des Bundesheeres, die zweitbeste Lösung die Reduzierung auf ein erträgliches Maß. – Oder die Aussage: Kasernen dienen ohnehin nur zur Verdummung der Soldaten und sollten so bald wie möglich abgeschafft werden.

Ich bitte um Verständnis, Herr Kollege Pilz, darüber können wir nicht diskutieren. Wir gehen vielleicht einmal wieder einen Stockfisch in Lissabon essen, aber sonst haben wir Schwierigkeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pilz: Wenn es um Stockfisch geht, okay!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schlimmste, was einem Staat im Bereich der Sicherheitspolitik und der Landesverteidigung passieren kann, ist, wenn Sozialleistungen den notwendigen Aufwendungen der Landesverteidigung gegenübergestellt oder diese ihm sogar vorgehalten werden, so nach dem Motto: "Geldregen fürs Militär, aber Kürzungen bei den Sozialleistungen".

In anderen sozialistisch geführten Staaten schaut das ganz anders aus. Sie haben ein sehr unkompliziertes Verhältnis zur Sicherheitspolitik und Landesverteidigung. Ich denke dabei etwa an Portugal, Italien, Deutschland und Großbritannien. Ich denke in diesem Zusammenhang aber auch an den sozialistischen "Mr. GASP", den ehemaligen NATO-Generalsekretär. Diese sozialistisch geführten Länder haben eigentlich kein Problem mit der Landesverteidigung. Sie halten sie aber auch aus dem parteipolitischen Hickhack heraus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Bei uns in Österreich ist es leider Gottes anders. Hauptverantwortlich dafür ist die SPÖ. Hauptverantwortlich dafür ist, dass immer wieder Sozialleistungen mit Leistungen der Landesverteidigung gegengerechnet werden. Das ist die SPÖ, und ich zitiere Ihnen einige Damen und Herren, die sich immer wieder in dieser Richtung äußern.

Zum Beispiel: Ich zitiere eine Aussage des Landesgeschäftsführers der SPÖ Steiermark Schrittwieser vom 4. April 2000: "Geldregen fürs Militär, Kürzungen bei Sachpolitik.

Utl.: Kritik an blau-schwarzer Prioritätenreihung beim Budget"

",Ein Blick auf den Voranschlag für das Budget 2000 genügt, um die blau-schwarze Prioritätenreihung zu entlarven. Während FPÖ-Verteidigungsminister Scheibner gleich einmal 1,35 Milliarden Schilling zusätzlich aus dem Staatssäckel lukriert, wird im Sozialressort der Geldhahn fest zugedreht. Dem Sozialministerium wurden gegenüber den ohnehin bereits gekürzten Budgetvorhaben noch einmal 360 Millionen Schilling abgezwackt‘, so der steirische SPÖ-Landesgeschäftsführer Siegfried Schrittwieser Dienstag gegenüber dem Pressedienst der SPÖ."


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",Während man ... das Bundesheer ...‘" (Abg. Amon: Von welcher Partei?)  – Natürlich von der SPÖ.

Und weiter heißt es da: ",Während man ... das Bundesheer aufrüstet, bleiben die sozial Schwächeren auf der Strecke. Diese Art von Politik ist auf das Schärfste abzulehnen!‘" – Ende des Zitates. – Ich sage Ihnen, diese Art der Argumentation ist auf das Schärfste abzulehnen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich zitiere Ihnen aber auch eine Aussage des Abgeordneten Plank von der SPÖ von gestern. Schlagwort: "Belastungen ohne soziale Gerechtigkeit." – (Rufe bei der SPÖ: Frau Plank!) Der Frau Abgeordneten Plank von der SPÖ. Danke für die Information.

Sie kritisiert, dass das Bundesheer neue Anschaffungen plane. (Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Leikam und Dipl.-Ing. Kummerer. ) Hört her! Sie kritisiert, dass das Bundesheer neue Anschaffungen plant, was heißt, dass in der Regierung gespart wird. – Sehr geehrte Frau Abgeordnete Plank! Sie können dabei nur die Hubschrauber meinen. Das ist nämlich das einzige, was angeschafft wird: die dringend notwendigen Hubschrauber, die zu Recht auch die SPÖ-Abgeordneten verlangen.

Das dritte – und jetzt kommt es noch dicker, meine Damen und Herren – Zitat stammt von der SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures, und zwar ganz persönlich, laut Presseaussendung vom 22. März. Darin heißt es unter der Überschrift – ich zitiere – "Bures zum Geist hinter dem Budget": ",Durch die neue Politik wird kein Schuldenberg abgebaut, sondern ein Berg an Ungerechtigkeiten aufgebaut.‘" Unter den Gewinnern nannte Frau Kollegin Bures – lieber Kollege Leikam, was glaubst du? – das Bundesheer.

Sie nannte unter den Gewinnern das Bundesheer. Sie kritisiert, dass das Bundesheer angeblich 6 Milliarden Schilling zu viel bekommt. Das muss man sich vorstellen! Das Bundesheer, das Landesverteidigungsbudget bekommt 6 Milliarden Schilling zu viel. Dem entgegen, meine Damen und Herren, steht die Aussage des Wehrsprechers Gaál vom 14. März 2000. Zitat des Abgeordneten Kollegen Gaál, den ich übrigens sehr schätze:

"Die drastischen Kürzungen beim Wehrbudget durch den blauen Finanzminister sprechen eine deutliche Sprache, welchen Stellenwert die militärische Landesverteidigung tatsächlich in der Regierungskoalition besitzt. Das Bundesheer sei nun mit Budgetkürzungen in Milliardenhöhe konfrontiert." – Zitatende. (Abg. Auer: Doppelbödig!)

Sehr geschätzter Herr Schrittwieser! Geschätzte Frau Abgeordnete Plank! Sehr verehrte SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Bures! Ihr Wehrsprecher hat in der Zielrichtung selbstverständlich Recht. Wir haben keinen Geldregen beim Militär! Wir haben nicht um 6 Milliarden Schilling zu viel, geschätzte Abgeordnete Bures. Im Gegenteil! Wir haben durch dieses Budgetproblem, durch diese prekäre Budgetsituation ein absolutes Notbudget, das gerade den Betrieb des Heeres sicherstellen kann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Eine Bitte: Halten Sie den Bereich der Sicherheitspolitik aus dem parteipolitischen Hickhack heraus! Versuchen Sie, eine gemeinsame Linie innerhalb der SPÖ zu finden, und unterlassen Sie solche Äußerungen wie "Geldregen fürs Militär und Kürzungen bei den Sozialleistungen"! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir laden Sie daher im Bereich der Sicherheitspolitik zum breiten Konsens ein. Arbeiten Sie im Rahmen des bereits ausgearbeiteten Regierungsübereinkommens zwischen SPÖ und ÖVP zusammen, das auf Punkt und Beistrich mit dem Regierungsübereinkommen zwischen FPÖ und ÖVP übereinstimmt!

Meine Damen und Herren! Zum Verteidigungsbudget. Selbstverständlich ist es ein absolutes Notbudget – auch der Herr Minister hat das gesagt –, und es muss nun etwas weitergehen. Bei den nächsten Budgetverhandlungen muss sich etwas bewegen.


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Erstens: Es müssen Strukturveränderungen durchgeführt werden, damit Einsparungspotentiale im Bereich des Führungsapparates und der Verwaltung möglich sind. Zweiter Punkt: Kostenersatz bei den Auslandseinsätzen. Dritter Punkt: Refundierung des Assistenzeinsatzes im Bereich der Grenze. Vierter Punkt: Die wichtige Beschaffung der Hubschrauber und darüber hinaus die Luftraumüberwachung müssen außerbudgetär durchgeführt werden, und fünftens ist eine schrittweise Anhebung des Landesverteidigungsbudgets notwendig. Herr Minister! Da werden wir gemeinsam etwas zusammenbringen müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Schluss kommend, meine Damen und Herren: Es gilt, in den nächsten Monaten und Jahren wichtige Entscheidungen zu treffen. Ich nenne etwa die neue Sicherheitsdoktrin, das Militärbefugnisgesetz, wichtige Beschaffungsmaßnahmen, das Soldatenhilfeleistungsgesetz und die schrittweise Anhebung des Verteidigungsbudgets.

Es gilt aber auch, einen Weg und eine Antwort auf die Frage zu finden: Wohin geht Österreich im Bereich der Sicherheitspolitik? Wir von der ÖVP sagen ein klares Ja zur Gemeinsamkeit im Verbund. Wir sagen ein klares Ja zur Solidarität unter den EU-Ländern und sagen darüber hinaus auch ein klares Ja zur Errichtung einer Europäischen Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft mit gleichen Rechten und Pflichten aller EU-Staaten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit wir diesen gemeinsamen Weg gehen können, meine Damen und Herren, braucht es eine breite parlamentarische Diskussion. Wir brauchen einen breiten Konsens in diesem Hohen Haus und müssen aber auch eine breite Zustimmung von der Bevölkerung erhalten. Ich lade Sie alle dazu recht herzlich ein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Plank zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.13

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (SPÖ): Frau Kollegin Plattner – Entschuldigung, Herr Kollege Platter! Sie haben behauptet, ich hätte gestern kritisiert, dass Anschaffungen für das Bundesheer bevorstehen. Das ist nicht richtig. Kritisiert habe ich den seit Jahren fehlenden Investitionsplan im Bereich des Bundesheeres, und ich habe die Frage gestellt, wer denn für die Anschaffungen aufkommen würde, wenn es keinen Investitionsplan gibt, ob das dann wieder die Schwachen sind. Ich habe nicht die Anschaffungen kritisiert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Auer: Sie haben Ihre eigene Presseaussendung nicht gelesen!)  – Das Protokoll ist nachzulesen.

19.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte.

19.14

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Am Beginn meiner Feststellungen zum Landesverteidigungsbudget 2000 möchte ich zunächst meinen ganz herzlichen Dank dafür aussprechen, dass sich zumindest Vertreter von drei Fraktionen in ihren Statements ganz klar zum österreichischen Bundesheer und zur österreichischen Landesverteidigung bekannt und dies auch ausgesprochen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube, dass dies auch wichtig ist, denn wir müssen uns eines vor Augen halten: dass jedes Jahr fast 30 000 junge Österreicher, Grundwehrdiener ein Gelöbnis leisten, nämlich das Gelöbnis, die Republik Österreich und ihre Bevölkerung zu schützen und, wenn es notwendig ist, mit der Waffe zu verteidigen. Und diesen 30 000 jungen Österreichern, aber auch den 26 000 Österreichern und Österreicherinnen, die sich ganz – auch in ihrer Berufslaufbahn – in den Dienst der Landesverteidigung gestellt haben, haben wir alle Dank und Anerkennung zu zollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Deshalb, meine Damen und Herren, verstehe ich nicht, dass es nicht möglich ist, einen wirklich hundertprozentigen Konsens zumindest bei diesem Bekenntnis zur Landesverteidigung und zum österreichischen Bundesheer herzustellen. Und ich verwahre mich dagegen, dass man – wie es auch heute wieder von einem Redner vom Rednerpult aus gemacht worden ist – das Bundesheer pauschal verunglimpft, hier Verdächtigungen in den Raum stellt, ohne Beweise anzuführen. Genau damit fügt man diesen wichtigen Intentionen schweren Schaden zu!

Kollege Pilz ist jetzt leider nicht mehr da; er war auch im Ausschuss nicht, wo wir die Möglichkeit gehabt hätten, verschiedene Probleme zu diskutieren. Wenn Kollege Pilz hier immer wieder von Korruption spricht, wenn es etwa um Rüstungsaufträge geht, wenn er sagt, dass es dabei um Parteifinanzierungen geht, dann fordere ich ihn wirklich auf: Wenn es Probleme gibt – er sagt immer, er hat so viele Informationen –, dann legen Sie bitte ganz klare Beweise vor. Legen Sie diese Informationen vor! Ich werde der Letzte sein, der nicht mit aller Härte und Konsequenz diesen Verdachtsmomenten nachgehen wird, und ich werde das Problem, wo immer das berechtigt ist, dann auch abstellen.

Bis jetzt haben Sie, Kollege Pilz, aber nur Verdächtigungen ausgesprochen. Ich erinnere etwa daran, dass Sie dem jetzigen Präsidenten Fasslabend, meinem Vorgänger, über Monate hinweg auch hier im Hohen Haus vorgeworfen haben, dass es beim Verkauf von Sturmgewehren dubiose Waffengeschäfte gegeben hat. Ich habe mir diese Sache inzwischen genau angesehen – Sie wissen, wir hatten vor einigen Wochen hier auch eine Anfragebesprechung –, und all diese Vorwürfe haben sich in Schall und Rauch aufgelöst. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Jede Institution – und deshalb selbstverständlich auch das österreichische Bundesheer und auch der Verteidigungsminister – muss sich immer der Kritik stellen und in erster Linie natürlich der Kritik der Volksvertreter. Aber Sie sollten sich bei dieser Kritik auch immer vor Augen halten und fragen, ob Sie mit einer ungerechtfertigten Kritik, mit einer pauschalen Verunglimpfung dieser wichtigen Institution und letztlich den Sicherheitsinteressen Österreichs nicht schweren Schaden zufügen.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gaál! Ich nehme Ihre Kritik sehr ernst, was das Landesverteidigungsbudget anlangt. Aber bei den Bewertungen des Verteidigungsbudgets 2000 durch Ihre Fraktion sehe ich einige Unschärfen. Kollege Platter hat es schon angesprochen: Sie haben hier die Reduzierung des Landesverteidigungsbudgets kritisiert. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass auch von diesem Rednerpult aus bei der ersten Lesung des Budgets von einem 6-Milliarden-Geschenk für die Landesverteidigung gesprochen wurde.

Herr Kollege Gaál! Ich habe nach diesem Geschenk sehr intensiv gesucht, aber ich habe es nicht gefunden. Vielleicht ist es irgendwo auf dem Postweg verloren gegangen! Wenn mir der ehemalige Finanzminister Edlinger, der von diesem Geschenk gesprochen hat, sagen könnte, wo ich es finde, dann wäre ich ihm sehr dankbar. Wir könnten diese 6 Milliarden Schilling für das österreichische Bundesheer sehr gut gebrauchen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte auch einen weiteren Punkt hier aufgreifen. Wenn wir uns alle dazu verständigen, dass wir dem österreichischen Bundesheer jene Mittel zur Verfügung stellen müssen, die notwendig sind, um die Aufgaben für Österreich erfüllen zu können, dann bitte ich, davon Abstand zu nehmen, die Ausgaben und die Aufwendungen für die Landesverteidigung immer anderen wichtigen Aufgaben und Ausgaben gegenüberzustellen!

Es ist nicht die Frage, ob man Sozialausgaben machen muss oder für die Sicherheit des Landes Vorsorge zu betreiben hat, sondern das sind zwei voneinander unabhängige, wichtige und unverzichtbare Maßnahmen! Sowohl für das eine als auch für das andere muss die Öffentlichkeit genug Mittel zur Verfügung stellen. Es ist ja auch wohl nicht die Frage, ob man die Feuerwehr oder die Polizei abschaffen soll, wenn es eine Budgetknappheit gibt, sondern da verständigen wir uns ja auch genauso darüber, dass beide Institutionen unterschiedliche Aufgaben haben, aber für uns und für die Gesellschaft unverzichtbar sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Und so wie es notwendig ist, dass der Sozialstaat auch in Zukunft gesichert ist, müssen wir auch dafür sorgen, dass die Sicherheit des Landes nach innen wie nach außen nicht gefährdet ist.

Meine Damen und Herren! Es ist auch immer wieder die Frage gestellt worden – auch vorhin in den Debattenbeiträgen –: Wofür wird denn dieses Geld verwendet? Werden die richtigen Beschaffungsvorhaben umgesetzt? Ist nicht die Verwaltung zu sehr aufgebläht? Welche Aufträge hat die österreichische Landesverteidigung?

Es ist richtig, dass es – und ich habe das immer bedauert – in den letzten zehn Jahren leider nicht gelungen ist, die grundlegenden sicherheitspolitischen Weichenstellungen auf die neuen Gegebenheiten auszurichten, dass die Auftragslage für das österreichische Bundesheer zwar in der Bundesverfassung festgelegt ist, dass sich diese konkrete Aufgabenstellung aber in Wirklichkeit nicht auf eine klare Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, die den neuen Ansprüchen gerecht wird, abstützen kann.

Deshalb war es mein Anliegen, und deshalb habe ich in einer der letzten Ministerratssitzungen einen Vorstoß in diese Richtung gemacht, dass wir endlich nach vielen Jahren – Sie haben es ja schon gesagt, das letzte Mal war das Ende der siebziger Jahre der Fall, dass man auch hier im Hohen Haus ganz konsequent eine sicherheitspolitische Diskussion geführt wurde –, dass wir endlich wieder einmal diese Aufgabenstellungen, auch was das sicherheitspolitische Umfeld angeht, auf eine klare Position, auf ein klares Fundament stellen. Deshalb ist es auch die Aufgabe der österreichischen Bundesregierung, eine neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin auszuarbeiten.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass es heute auch Entschließungsanträge von Seiten des Nationalrates in diese Richtung gibt. Ich kann Ihnen selbstverständlich zusichern – auch Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition –, dass ich sehr bestrebt bin, bei diesen Diskussionen um die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin den nationalen Konsens herbeizuführen, den wir in den letzten zehn Jahren in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik so schmerzlich vermisst haben.

Herr Kollege Gaál! Sie haben kritisiert, dass in diese Expertenkommission keine Parteienvertreter von Ihrer Partei einbezogen sind. Wenn Sie sich die Zusammensetzung der Kommission ansehen, werden Sie merken, dass nicht einmal der Verteidigungsminister dabei ist. Ich habe absichtlich und aus gutem Grund darauf verzichtet, dort etwa den Vorsitz zu führen, denn es hat in diesen Bereichen, in der Frage der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, schon zu viel Parteipolitik gegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt sollen einmal uns, den politischen Entscheidungsträgern, die Experten, die tagtäglich mit den Problemen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschäftigt sind, die Grundlagen für die Entscheidungen vorbereiten, und zwar ungestört von aller parteipolitischen Einflussnahme. Dann sind wir alle hier aufgefordert, diese Entscheidungsgrundlagen zu diskutieren und alle gemeinsam die notwendigen Entscheidungen für die Zukunft zu fällen.

Genau in diese Kerbe wollen wir auch mit der Expertenkommission zur Frage des Wehrsystems schlagen. Es hat keinen Sinn, über ein Wehrsystem zu diskutieren, über Heeresstrukturen zu diskutieren, bevor man nicht die grundlegenden Entscheidungen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik getroffen hat. Auch das Wehrsystem und die Frage einer Bündnismitgliedschaft sind nicht Selbstzweck. Es ist die NATO-Mitgliedschaft nicht Selbstzweck. Es kann auch eine Bündnisfreiheit nicht Selbstzweck sein, sondern wir alle haben die Aufgabe, den besten Weg zu wählen, der dem einzigen Zweck des Bundesheeres und der Sicherheitspolitik gerecht wird, nämlich die Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit Österreichs auf Dauer zu garantieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bitte wirklich, in diesem Bereich alle parteipolitischen und ideologischen Scheuklappen abzulegen. Es gibt keine rote, grüne, blaue oder schwarze Sicherheitspolitik, sondern es kann nur die Sicherheitspolitik geben, die eben dieser Aufgabe, die Sicherheit Österreichs zu gewährleisten, am besten gerecht wird.


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Meine Damen und Herren! Werte Abgeordnete! Sie haben in Ihren Debattenbeiträgen zwei wichtige Bereiche angesprochen: Das sind zum einen die Auslandseinsätze, zum anderen der Assistenzeinsatz an der burgenländischen Grenze und auch die Katastropheneinsätze. Das werden in Zukunft zwei ganz wichtige Schwerpunkte der Aufgabenstellungen des österreichischen Bundesheeres sein. Wir sind – und darauf können wir stolz sein –, wenn man die Größe des Bundesheeres, wenn man die Größe Österreichs betrachtet, an der Spitze der Länder, die mit der Abstellung von Soldaten für internationale Einsätze Solidarität mit den Krisenherden, mit der geschundenen Bevölkerung in ganz Europa, aber auch auf der ganzen Welt zeigen. Ich glaube, darauf können wir stolz sein (Beifall bei den Freiheitlichen), und dafür sollten wir auch unseren Soldaten, die als wichtige Botschafter der Republik im Einsatz sind, Dank und Anerkennung zollen.

In mehr als 17 Regionen sind österreichische Soldaten eingesetzt. Herr Kollege Gaál! Sie haben gesagt, ich möchte hier einsparen. Das ist keine Frage der Einsparung. Ich habe bei den Budgetverhandlungen klar zum Ausdruck gebracht, dass bei den ursprünglichen Vorhaben des Finanzministers, nämlich das Landesverteidigungsbudget um 2 Milliarden Schilling zu reduzieren, diese wichtigen Einsätze im Ausland gefährdet und nicht mehr finanzierbar wären. Es ist aber in sehr harten Verhandlungen gelungen, diese ersten Vorgaben auf ein halbwegs erträgliches Maß zu reduzieren. Deshalb ist das Verteidigungsbudget nicht, wie Sie gesagt haben, um Milliarden reduziert worden, sondern "nur" um 500 Millionen Schilling. Schlimm genug, sage ich ganz offen, aber das waren eben die Rahmenbedingungen, für die nicht wir – und auch nicht ich – verantwortlich sind, sondern wir haben uns dazu verständigt, das schwierige Budget, das wir übernommen haben, zu sanieren. Deshalb ist es eben leider notwendig, in allen Bereichen so knapp wie möglich zu budgetieren.

Aber, Herr Kollege Gaál, es ist auch mit diesem Notbudget möglich, diese wichtigen Aufgaben des Bundesheeres für 2000 abzusichern. Es ist aber klarerweise auch notwendig, wenn wir in Zukunft die Sicherheitspolitik aufgabenorientiert organisieren, dass wir uns auch klar die Zielsetzungen dieser Auslandseinsätze vor Augen halten. Es hat die österreichische Bundesregierung – und ich glaube, auch die große Oppositionspartei – sich darauf verständigt, dass wir vollberechtigt am Aufbau einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und derartiger Strukturen im Rahmen der Europäischen Union mitwirken. Wir müssen heuer noch klar festlegen und definieren, in welchem Ausmaß und für welche Einsatzarten das österreichische Bundesheer im Rahmen der Europäischen Union Truppen zur Verfügung stellen kann.

Da wir, wie ich schon gesagt habe, jetzt schon europaweit sehr große Kontingente für die Auslandseinsätze stellen und wir auf Grund unserer Personalstruktur nicht unbegrenzt ausweiten können, müssen wir natürlich in dem Ausmaß, in dem wir uns in diese hochqualifizierten Einsätze begeben, auf der anderen Seite Missionen, die wir seit 20 oder 25 Jahren sehr erfolgreich umgesetzt haben, hinterfragen und prüfen, ob sich nicht andere Staaten, die erst in den letzten Jahren in die Lage gekommen sind, sich an solchen internationalen Einsätzen zu beteiligen, in diesen Bereichen stärker einbringen können als bisher. Das hat also weniger mit den budgetären Vorgaben als mit einer sinnhaften Fokussierung auf neue Ziele zu tun, bei denen wir, wie ich meine, alle eine große Einigkeit finden werden.

Ich bekenne mich dazu, dass, wenn wir uns zu einer Vertiefung des Europagedankens verständigen, gerade die Fragen der Verteidigungspolitik einen großen Stellenwert haben müssen. Es ist die Solidarität in Europa nur dann gegeben, wenn wir auch zum Ausdruck bringen, dass, wenn ein Mitgliedsland der Europäischen Union militärisch bedroht ist, die gesamte Europäische Union diesem Staat zu Hilfe kommt. Deshalb ist unser Ansinnen, eine Beistandsgarantie in den EU-Vertrag aufzunehmen, keine Zielsetzung, in ein Militärbündnis hineinzugehen, sondern genau diesen europäischen Geist der Solidarität auch wirklich in die Praxis umzusetzen und auf Papier zu bringen. Ich glaube, dass das ein wichtiges Ziel für Europa sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir werden noch dieses Jahr unser Konzept für die Auslandseinsätze professionalisieren und auf diese neuen Gegebenheiten hin ausrichten. Es ist, vor allem was die rasche Verfügbarkeit von Kräften anbelangt, derzeit sehr schwierig, vor allem im Katastropheneinsatz diese Ziele


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auch umzusetzen. Ich erinnere an den sehr erfolgreich absolvierten Einsatz unserer Soldaten in Moçambique, wo das österreichische Bundesheer tausendfach Leben gerettet hat, als es darum ging, gutes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Aber wir mussten zehn Tage warten, bis wir die Soldaten in den Einsatzraum entsenden konnten, weil ganz einfach eine Mindestzeit notwendig war, um den entsprechenden Impfschutz sicherzustellen.

Es ist also notwendig, klar zu definieren, welche Soldaten, welche Truppen in welche Art des Einsatzes gehen. Da kann man sie schon darauf vorbereiten, sie können das üben, und es kann auch dieser Impfschutz schon vorweg sichergestellt werden. Das sind Dinge, die wir in Zukunft auch beachten werden müssen.

Nächster Punkt: die Frage des Katastropheneinsatzes und des Assistenzeinsatzes an der Grenze. Ich glaube, wir bekennen uns alle dazu, dass es eine wichtige Aufgabe des österreichischen Bundesheeres ist, dort zu helfen, wo es andere zivile Einrichtungen nicht mehr können. Aber ich möchte darauf hinweisen und betonen, dass das ein Assistenzeinsatz ist, das heißt, dass die ursprüngliche Kompetenz und Verantwortung in den jeweiligen zivilen Bereichen liegen und dass das Bundesheer dann eingreift, wenn es eben unbedingt notwendig ist.

Wenn auf Budgetknappheiten hingewiesen wird, muss ich dem entgegenhalten, dass diese Assistenzeinsätze – etwa gerade der Einsatz zur Grenzsicherung, aber auch die Auslandseinsätze – in den letzten zehn Jahren exorbitant an Bedeutung, aber auch an Volumen zugenommen haben, ohne dass sich dieses Mehr an Aufgaben beim Landesverteidigungsbudget widergespiegelt hätte.

Wenn wir heute von einem Notbudget im Bereich des Bundesheeres sprechen, dann muss uns klar sein, dass das österreichische Bundesheer nicht ein Sparpaket, nicht ein Notbudget verkraften musste, sondern zehn, 20, ja wenn nicht 30 oder 40 Sparbudgets hinter sich hat.

Herr Kollege Gaál! Meine Damen und Herren! Es geht nicht um eine Aufrüstung, es geht nicht darum, dem Bundesheer jetzt zig Milliarden zukommen zu lassen, sondern es geht einzig und allein darum, dass zumindest die Mittel für die Abdeckung der Kosten, die das österreichische Bundesheer für andere Institutionen übernimmt und damit – weil wir das wesentlich günstiger und auch sehr effizient umsetzen können – auch der Volkswirtschaft Milliarden erspart, dem Landesverteidigungsbudget zufließen. Diese 1,5 bis 2 Milliarden Schilling, die das im Jahr ausmacht, meine Damen und Herren, würden ausreichen, zumindest in den nächsten Jahren die notwendigen Beschaffungsvorhaben umzusetzen.

Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen betont, dass uns klar sein muss, dass es um Soldaten, um österreichische Staatsbürger geht, die wir zu unterstützen haben. Man soll daher auch bedenken, dass wir als Politiker der Republik Österreich die Verantwortung haben, diesen unseren Soldaten das bestmögliche Gerät, die bestmögliche Ausrüstung und Ausbildung zu geben, die erforderlich sind, um im Ernstfall auch das Leben unserer Soldaten bestmöglich zu schützen und ihnen eine optimale Aufgabenerfüllung zu ermöglichen. Das, glaube ich, sollte unser aller Credo und unser aller Ziel sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wird immer wieder gesagt: Ja wozu denn diese Milliarden, es ist ja keine Bedrohung mehr da! – Meine Damen und Herren! Wenn jemand behauptet, es gibt keine Bedrohung – selbst Kollege Pilz hat von "derzeit keiner Bedrohung" gesprochen –, muss man immer nur sagen: Wer kann garantieren, dass dieser Zustand – dass es Gott sei Dank derzeit keine direkte militärische Bedrohung gegen Österreich gibt – auch in fünf, zehn oder 20 Jahren so ist? Wer übernimmt dann die Verantwortung, wenn sich der, der uns das heute garantiert, geirrt hat? Ich könnte diese Verantwortung nicht auf mich nehmen, sondern es ist unsere Verantwortung, sicherzustellen, dass die österreichische Landesverteidigung, das österreichische Bundesheer dann, wenn dieser Fall, den wir alle nicht erhoffen wollen, eintritt, auch gerüstet ist, dass wir vorbereitet sind und die Unabhängigkeit und Sicherheit unseres Landes gewährleisten können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie jemals jemanden fragen, der in einem Lawinengebiet darauf wartet, dass ein Bundesheerhubschrauber kommt und ihn herausholt, oder in einem Hochwassergebiet darauf wartet,


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dass das österreichische Bundesheer im Verbund mit den zivilen Kräften dort die Häuser schützt, oder der in irgendeiner Region Europas darauf wartet, aus einem Krisenherd – und wir sehen das heute immer wieder – von Soldaten evakuiert zu werden, der fragt nicht danach, ob man das Geld besser für andere Dinge hätte aufwenden können, sondern der sagt: Helft mir, holt mich hier heraus, schützt mein Leben, schützt meine Gesundheit! – Das sei all jenen ins Stammbuch geschrieben, die immer versuchen, die Ausgaben für die Sicherheit des Landes anderen wichtigen Aufgaben gegenüberzustellen, die auch zu erfüllen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Sinne hat es sich diese Bundesregierung zur Aufgabe gemacht, mit Bedacht und sehr behutsam klare Verhältnisse in der österreichischen Sicherheits- und Landesverteidigungspolitik zu schaffen und dem österreichischen Bundesheer nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten, aber auch ganz klar aufgabenorientiert auch in Zukunft die Mittel zu geben, die notwendig sein werden, um die gestellten Aufgaben auch erfüllen zu können. Das wird nicht leicht sein. Wir haben auch jetzt wieder gesehen, dass die Budgetvorhaben immer wieder schwierig sein werden.

Aber, meine Damen und Herren, ich ersuche Sie alle, mich auch dabei zu unterstützen – und letztlich beschließt der österreichische Nationalrat das Budget –, dass wir neben all den wichtigen Aufgaben im Sozialbereich auch für unsere Soldaten das tun, was notwendig ist, damit sie für uns alle ihre Aufgaben erfüllen können. Zeigen wir ihnen auch, dass wir nicht hinter ihnen, sondern vor ihnen stehen und ihnen einen positiven Weg in die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik und der Landesverteidigung weisen. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Leikam. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Leikam, sagst einfach: Sehr gut!, und dann setzt du dich wieder nieder!)

19.36

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass politische Programme in Sachen Landesverteidigung in der Vergangenheit oft nicht einmal das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben standen, ist eine Tatsache, dass die Erbmasse Bundesheer für die neue Regierung eine Investitionsruine darstellt, eine zweite. Eine dritte sind die noch bekannten Forderungen der Opposition aus der vergangenen Legislaturperiode.

Das sagt jemand, der wissen muss, wie es um das österreichische Bundesheer steht. Das sagt die Österreichische Offiziersgesellschaft in der letzten Ausgabe ihrer Zeitung zum Regierungsprogramm der im Amt befindlichen Bundesregierung. – Wörtlich, Herr Bundesminister, ich darf Ihnen das zur Verfügung stellen. (Bundesminister Scheibner: Ich hab’s gelesen!)

Der neue Bundesminister hat es wahrlich nicht leicht, und er ist auch nicht um seine Aufgabe zu beneiden. Er hat, als er Minister wurde und vermutlich noch keine Kontakte mit dem Finanzminister knüpfen konnte, dem Bundesheer goldene Zeiten versprochen – goldene Zeiten versprochen! –, versprochen, dass sich das Budget für das österreichische Bundesheer erhöhen wird. Nur: Sein Finanzminister hat nicht die bundesheerfreundliche Haltung eingenommen, wie es der Vorgänger von Herrn Finanzminister Grasser getan hat, nämlich der frühere Finanzminister Edlinger. (Abg. Jung: Was? Da lachen ja die Hühner, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren! Was ist übrig geblieben von dieser Ankündigung der "goldenen Zeiten"? – Katzenjammer ist übrig geblieben, Katzenjammer. Selbst der Verteidigungsminister sprach von einem Erbe, das wenig Anlass zu Freude gibt. Ja von wem hat er dieses Erbe übernommen? (Bundesminister Scheibner: Vom Edlinger!) Wer war denn sein Vorgänger, wer war es, der ihm ein Erbe überlassen hat, an dem er keine Freude hat?

Es wird in diesen Tagen so oft von Verschwendung gesprochen, von Schulden, die der Herr Finanzminister der neuen Bundesregierung hinterlassen hätte. Gerade das Verteidigungsbudget ist ein wichtiger Hinweis darauf, wie die Minister der Österreichischen Volkspartei in dieser


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Regierung gearbeitet haben. Sie tun ja meistens so, als ob sie überhaupt nicht dabei gewesen wären. (Beifall bei der SPÖ.) Ein ganzes Heeresjahresbudget, weit über 8 Milliarden Schilling, hat der Herr Vorgänger als Erbe seinem Nachfolger an Schulden hinterlassen. Über 8 Milliarden Schilling hat er an Vorbelastungen seinem Nachfolger hinterlassen!

Es ist nicht ganz einfach, ich gebe ihm Recht, dem Herrn Bundesminister, aber es kann für das Bundesheer wirklich ein Glücksfall sein, dass es gerade Herbert Scheibner ist, der dieses Ressort bekommen hat, und wenn er so agiert, wie er es als Vorsitzender des Ausschusses getan hat, kann diese Politik wahrscheinlich auch unsere Unterstützung finden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Wenn er nicht von dem abweicht, was er als Vorsitzender des Ausschusses getan hat! Aber wir können nicht mitgehen, wenn die Politik seines Vorgängers fortgesetzt wird. Das ist schlicht und einfach nicht möglich.

Fasslabend war für das Bundesheer kein Glücksfall. Aber das wissen jene am besten, die beim Bundesheer sind. Er führte das Ressort immer als ÖAAB-Bundesobmann und nicht als Verteidigungsminister, meine Damen und Herren! Und das hat sich natürlich auf das Bundesheer ausgewirkt – nachzulesen auch in dieser Zeitung. Nachzulesen ist die Kritik der Offiziere, als es um die Beschaffung von Hubschraubern gegangen ist.

Alle, die mit dem Beschaffungswesen zu tun hatten, können bestätigen, und der Rechnungshof hat das jahrelang immer wieder aufgezeigt – wie ein roter Faden hat sich das durch die Rechnungshofberichte gezogen –, dass der Vorgänger des jetzigen Ministers bei der Planung und bei der Durchführung der Rüstungsbeschaffung schwer wiegende Fehler begangen hat. Also so gesehen kann es ein Vorteil sein, dass jetzt ein anderer Minister das Ressort leitet. Der frühere Minister und jetzige Präsident, der zurzeit auch den Vorsitz führt, hat das Bundesheer runtergewirtschaftet, meine Damen und Herren! Das muss man klar und deutlich sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es war manches schon geradezu fahrlässig, was unter der Ministerschaft Fasslabend geschehen ist. Wenn man nämlich junge Menschen, die wirklich – und da gebe ich dem Herrn Minister Recht – für dieses Land eintreten – manchmal auch unter Einsatz ihres Lebens –, mit einer derartigen Ausrüstung durch das Land schickt – ich spreche jetzt vom Fuhrpark, von den 40 bis 50 Jahre alten LKW, mit denen sie noch transportiert werden –, dann ist das fahrlässig. Und für all das verantwortlich ist der Vorgänger des Herrn Bundesministers Scheibner. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. )

Meine Damen und Herren! Wenn jetzt – auch aus unseren Reihen – Meldungen, Aussagen in jene Richtung laut wurden, dass nun ein Geldregen über das Bundesheer hereingebrochen ist, dann muss man sagen: Das stimmt nicht! Das geben wir gerne zu, leider müssen wir das zugeben: Geldregen ist über das Bundesheer keiner hereingebrochen, im Gegenteil – im Gegenteil!, und das kritisieren wir, das hat unser Wehrsprecher Toni Gaál auch getan –, dieses Verteidigungsbudget stellt für das Bundesheer erstmals deutlich weniger Geld zur Verfügung, als das früher der Fall gewesen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das, glaube ich, ist keine gute Entwicklung, das ist kein guter Start für Sie, Herr Bundesminister! (Abg. Jung: Kein leichter Start!) Sie hätten sich gegenüber dem Finanzminister ein bisschen stärker ins Zeug legen sollen, dass Sie zumindest das bekommen hätten, was Edlinger immer bereit war dem Bundesheer zu geben. Sie haben das nicht erreicht. (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Das ist Zynismus!)

19.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Schöggl. – Bitte.

19.43

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ja durchaus bemerkenswert, wie sich meine Vorredner, Kollege Leikam und auch Kollege Gaál, hier mit Körpersprache und mit ihrer ganzen


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Persönlichkeit eigentlich innerlich dafür ausgesprochen haben, dass sich die SPÖ diesem Budgetansatz gerne anschließen würde, aber leider, aus oppositionellen Gründen seien sie eben gezwungen, ihn abzulehnen. Aber allein aus den Aussagen ist herauszulesen, dass sie sich in Zukunft für dieses Bundesheer sehr stark machen werden, und gemeinsam mit uns wird das Bundesheer einer guten Zukunft entgegengehen. Das würden wir uns sehr wünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Abgeordneter Pilz hat genau das getan, was wir von ihm ja erwartet haben: Er hat sich hierher ans Rednerpult gestellt und hat alle möglichen Leute angeschüttet, hat mit Dreck um sich gespritzt, im Schlamm gegrundelt und ist dann natürlich entfleucht. Aber ich kann ihn irgendwie verstehen, und zwar aus folgendem Grund: Es ist ihm wahrscheinlich das Bundesheer auch ein bisschen im Wege. Wenn es das Bundesheer nicht gäbe, könnten sich wahrscheinlich jene Gruppierungen, die seiner Basisideologie verhaftet sind, etwas freier entfalten und wahrscheinlich ihre Spuren in der Republik Österreich – und das sind keine guten Spuren! – deutlicher zu Tage treten lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesheer ist in einer schwierigen Situation, und das ist auch nicht zu beschönigen, auch wenn die Amtsübergabe, wie wir den Medien entnommen haben, mit militärischen Ehren und sehr ordentlich vorgenommen wurde. Der Zulauf an den "Tagen der offenen Tür" ist gewaltig, das Interesse der Bevölkerung, die Sympathie der Bevölkerung für das Bundesheer ist gewaltig. Das zeigt der Applaus bei den Vorbeimärschen, bei den Angelobungen; die Angehörigen sind immer beeindruckt und gerührt. Traditionspflege – und ich glaube, wir brauchen das auch – wird großgeschrieben. Es gibt den Zapfenstreich, es ist auch noch ein bisschen der Zauber der Montur bei den Garnisonsbällen zu spüren. Aber auf Grund dessen kann nicht gesagt werden, dass alles in Ordnung sei. – Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben viel zu tun!

Es wurde schon angesprochen, dass die Ausstattung und Ausrüstung bei weitem nicht dem neuesten Stand und jenem Stand entsprechen, den wir uns für unsere Soldaten wünschen würden. Auf der anderen Seite ist das Bundesheer in einem Spannungsfeld: auf der einen Seite das Wollen, so rasch wie möglich und so effizient wie möglich zu helfen, etwa bei Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Lawinenabgängen, auf der anderen Seite die mangelhafte Ausstattung, zum Teil auch nur eingeschränkt einsatzbereite Ausstattung, wenn man nur an die Hubschrauber, die auch schon angesprochen wurden, denkt. Ich glaube, dass manches Mal die Soldaten wirklich lieber helfen würden und sich wirklich voll für die Betroffenen einsetzen würden, das aber eben auf Grund der mangelhaften Ausstattung und Ausrüstung nicht im erwünschten Ausmaß können.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich von dieser Stelle aus bei all unseren Soldaten, die sich zum Wohle ihrer Heimat, zum Wohle der Bevölkerung im In- und Ausland und zur Ehre der Republik Österreich einsetzen, ganz besonders herzlich bedanken. Sie haben den Dank auch dieses Parlaments wirklich verdient. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es steht eine Fülle von Problemen an, wir stehen auch nicht an, sie anzusprechen. Bisher wurde doch vieles auf die lange Bank geschoben. – Nur einige Schlagworte.

Allein wenn man die Altersstruktur der Kader betrachtet, dann sieht man, dass es doch eine ungesunde Altersstruktur gibt. Da werden Regelungen zu treffen sein. Es wird natürlich eine Strukturreform notwendig sein, das wurde auch schon von Kollegen angesprochen. Ein Schritt wurde schon gesetzt – ein Anliegen von mir – durch die Überleitung der Bundesgebäudeverwaltung II in das Bundesheer. Ich denke, dass das zu einer wesentlichen Verbesserung der Organisation und zu einer besseren Nutzung von Synergien im Verwaltungsbereich führen wird.

Es wird an einer Verbesserung der Ausbildung von Soldaten und der Kader zu arbeiten sein, weil es ja wichtig wäre, dass die Soldaten nach dem abgeleisteten Wehrdienst auch Erfahrungen und Erkenntnisse mit nach Hause nehmen, dass sie sagen können: Ich habe dort etwas gelernt, was ich auch in meinem Zivilleben brauchen kann, ich bin dort eine gefestigte, reife


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Persönlichkeit geworden, ich bin gerne bei diesem Bundesheer gewesen, und ich werde auch meinen Dienst im Rahmen der Waffenübungen mit Begeisterung ableisten.

Wenn man all diese Imponderabilien, die es so gibt, betrachtet, so muss ich sagen, es ist erfreulich, dass die Motivation der Truppe noch so gut und so ausbaufähig ist.

Aber – und das wurde auch schon angedeutet – vordringlich ist es, dem Bundesheer unter exakter und verantwortungsbewusster Analyse des Bedrohungspotentials und einer Beurteilung der Lage eine neue Sicherheitsdoktrin oder, wenn Sie so wollen, einen neuen Auftrag oder auch ein neues Leitbild zu geben. Nur eine derartige Sicherheitsdoktrin kann und muss das Fundament für eine neue, gut organisierte, effiziente Landesverteidigung sein, die dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger voll entspricht, die Sicherheit unserer Heimat gewährleistet und auch alle verfassungsmäßigen Aufträge, die ja dem Bundesheer erteilt wurden, voll erfüllen kann.

Dieser Doktrin sind dann die Organisation, die Struktur, die Ausrüstung und Bewaffnung anzupassen. Nur so, meine sehr verehrten Damen und Herren – so und nur so! –, kann man an dieses Problem herangehen. Und in diesem Sinne schließe ich mich natürlich mit ganzem Herzen dem eingebrachten Entschließungsantrag an.

Lieber Herbert, lieber Herr Minister Scheibner! Der längste Weg beginnt mit den ersten Schritten – die ersten Schritte sind gesetzt. Ich wünsche dem österreichischen Bundesheer und dir persönlich bei der Erledigung und Erfüllung deiner Aufgabe viel Erfolg im Sinne unserer Bevölkerung und auch im Sinne unserer Sicherheitspolitik und zum Wohle unseres Bundesheeres. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte.

19.50

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister! Es ist ja richtig schwierig, nach dieser fast schon bewegenden, sentimentalen Rede wieder auf die sachlichen Grundlagen des Budgets zu sprechen zu kommen, aber einige Äußerungen, die bis jetzt gefallen sind, motivieren mich schon, in einigen Fragen ein bisschen nachdenklicher zu werden.

Der Herr Minister hat in seiner sehr, sehr langen, ausführlichen Stellungnahme einen breiten Konsens über alle Parteien hinweg in Bezug auf das Bundesheer gefordert, er hat allerdings nicht dazu gesagt, wie das ablaufen soll. (Abg. Jung: Sie sind eingeladen mitzuarbeiten!) Ich vermute, es wird halt wieder so sein, wie das leider von dieser Koalition immer gehandhabt wird, dass diese Koalition etwas vorgibt, dem sich die anderen Parteien fraglos anschließen sollen – ohne jegliche Mitwirkungsmöglichkeiten im Vorfeld (Abg. Kiss: Sie waren nicht einmal im Ausschuss präsent! Was wissen Sie denn!), ohne die Unterlagen für eine kluge Mitwirkung auch wirklich rechtzeitig zu bekommen. (Abg. Kiss: Sie haben keine Ahnung!) – Herr Kollege! Hören Sie mir zu, dann werden Sie sehen, was Sie mit Ahnung oder Nichtahnung kommentieren können. (Abg. Kiss: Wenn Sie diskutieren können, kommen Sie nicht! – Abg. Jung: Sie waren ja der Diskussionsverweigerer!)

Die entscheidende Frage richtet sich ja wirklich auf die Zukunft. Dieser Entschließungsantrag, der hier eingebracht wurde: eine neue Verteidigungsdoktrin zu diskutieren und für Österreich aufzustellen, ist ja ein interessanter Ansatz, ist nicht von vornherein vom Tisch zu wischen. Wenn allerdings die Hintergründe, auch im Budget festgelegten Hintergründe dieser Ansätze genauer durchleuchtet werden, dann sieht man, dass es letzten Endes darum geht, mittels einer neuen Doktrin festzuschreiben, dass Österreich vollwertiges NATO-Mitglied wird. (Abg. Jung: Also das ist ein Unsinn! – Abg. Kiss: Wo lesen Sie das heraus?)

Ich habe mir aufgeschrieben, was der Herr Minister gerade vorhin gesagt hat. Er hat auch, als er eine neue Doktrin gefordert hat, gesagt, es solle heuer noch geklärt werden, in welchem Ausmaß Einsätze im Rahmen der Europäischen Union abgeleistet werden sollen. (Bundesminister


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Scheibner: Das hat nichts mit der Doktrin zu tun!) Er hat sich am Schluss seiner Rede ganz klar zu einer europäischen Verteidigungspolitik bekannt. (Abg. Jung: Kennen Sie den Unterschied zwischen der EU und der NATO?) Und er hat – was so üblich ist in Ihren Reihen – Sicherheit ausschließlich militärisch definiert. (Abg. Jung: Wo war jetzt etwas von der NATO? Heißer Dampf!)

Da ist nicht die Rede von Krisenprävention, von sozialer Sicherheit, die Konflikte vermeiden, verhindern hilft. Nein! (Abg. Jung: Sagen Sie uns, wo etwas von der NATO war!) Dahinter versteckt sich das alte, uralte militärische Denken (Abg. Jung: Sie sagen glatt die Unwahrheit!), dass man Konflikten zuschaut, bis sie akut werden, und dann mit militärischen Mitteln darauf reagiert.

Eine moderne Sicherheitspolitik für Europa würde eine eigenständige Rolle Österreichs unter Berücksichtigung der NATO erlauben. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jung: Es wäre doch gut, Sie kämen in den Ausschuss!) Sie ist nicht darauf angewiesen, dass – was schon wieder geschieht und was in der Geschichte so oft für ganze Völker tödlich endete – Sicherheit nur militärisch definiert wird und vor allem die Solidarität nur militärisch definiert wird. Das halte ich für einen der größten historischen Fehlschlüsse, die nun noch einmal wiederholt werden sollen. (Abg. Jung: Jetzt sagen Sie uns, wo das gesagt wurde! Das hat niemand gesagt!)

Eine entscheidende Frage muss aber hier noch einmal diskutiert werden. Einige Redner und auch der Herr Minister haben sich dagegen verwahrt, dass Sozialausgaben und Militärausgaben gegeneinander abgewogen werden. Was soll denn dieses Dogma? – Es gibt ein Budget für beides. Natürlich, es gibt den Ansatz, wie wir ja gehört haben, dass die Abfangjäger irgendwie außerbudgetär finanziert werden sollen – wie, ist bisher noch nicht klargelegt worden. Aber wenn man sich für eine Kürzung der Sozialausgaben und für ein gut dotiertes, gut gepolstertes Budget fürs Militär entscheidet, so ist das doch mit Fug und Recht als ideologisch, als eine Entscheidung zu definieren, die einen bestimmten ideologischen Hintergrund hat, dass soziale Fragen militärischen Fragen ganz klar nachgeordnet sind.

Wenn Sie das nicht zu sehen und zu akzeptieren bereit sind, dann wollen Sie den Leuten in dieser Debatte mit diesen Beschwörungen von einem Tabu für alle militärischen Ausgaben Sand in die Augen streuen, dass Sie sich klar entschlossen haben zu einem sehr altmodischen Sicherheitsbegriff, der in erster Linie und nur militärische Wege im Auge hat, der zivile Präventionsmaßnahmen ja dann auf Grund der entstandenen Budgetnot gar nicht mehr zulässt. (Abg. Jung: Das ist schrullig, was Sie uns da erzählen!) – Sie nennen es "schrullig", Herr Kollege! Ich weiß, in die Zukunft zu denken, ist halt relativ schwierig. Da muss man seinen Kopf frei machen, da muss man sich neuen Ideen öffnen, da kann man nicht in alten NATO-Doktrinen hängen bleiben, da muss man eine eigenständige Rolle für Österreich, die die österreichische Neutralität sozusagen direkt auf einem Silbertablett anbieten würden, auch mit berücksichtigen und darf nicht nur mehr im Auge haben, möglichst als kleinster Bruder am großen Tisch der NATO sitzen zu dürfen. (Abg. Jung: Sagen Sie, wo der Minister etwas von einem NATO-Beitritt gesagt hat! Tun Sie es! Überlegen Sie sich, was Sie reden!)

Es sind ja im Hauptausschuss immer wieder diese gemeinsamen Übungen des österreichischen Bundesheeres mit anderen militärischen Einheiten (Bundesminister Scheibner: Schweden! Finnland!), zum Beispiel Schweden und so weiter und so fort, zu behandeln gewesen. Interessant ist dabei – man sieht das dann, wenn man einmal eine ganze Serie davon gesehen hat –, dass manche dieser Einsätze in ihrer Notwendigkeit schon etwas zu hinterfragen sind. Mir fällt jetzt nur die Eisrettung ein, die man in Schweden üben muss und nicht bei uns üben kann, und Ähnliches. (Abg. Kiss: Das sagen Sie als Tirolerin?) – Deswegen will ich ja nicht, dass man das unbedingt in Schweden übt, das kann man "bei uns dahoam a", und zwar leider – leider, leider, sage ich Ihnen – viel zu oft! (Abg. Jung: Ich sage ja: schrullig!)

Wenn ich mir die weiteren Ausgaben, die auf das Militärbudget zukommen, schon allein durch die Vorhaben des Überwachungsstaates, anschaue, dann erkenne ich natürlich schon auch ganz klare ideologische Entscheidungen dahinter, die damit zu tun haben, dass man präventive Sicherheitspolitik halt nur militärisch zu verstehen imstande ist. (Abg. Kiss: Reden Sie von


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Österreich?) Es wird etliche Millionen an Software- und EDV-Kosten verursachen, die Überwachung aller Kritiker des Militärs, wie es so halt geplant ist, wirklich vorzunehmen und zu finanzieren. (Abg. Kiss: Von welchem Überwachungsstaat reden Sie?) Ist das demokratisches Verständnis von Sicherheitspolitik oder rein militärisches Denken, das an sehr, sehr dunkle Zeiten gemahnt, als man das alles in die Hände des Militärs schieben wollte? (Abg. Kiss: Ich weiß nicht, in welchem Land Sie leben, ich lebe in Österreich! Sie sind ja noch ärger als der Pilz!)

Damit, meine Damen und Herren, sind wir nicht einverstanden! Diese Vorgangsweisen lehnen wir ab! Es gibt eine klare Trennung zwischen den polizeilichen Aufgaben und militärischen Aufgaben, und auf diese Trennung bestehen wir, diese halten wir für ganz enorm wichtig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Kiss: Wer hat etwas anderes gesagt?)

Ein Wort noch zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Platter. Er hat vehement verneint, dass es einen "Goldregen" für das Militär gäbe; früher hat es einmal eine "Goldhaube" gegeben, aber das nur nebenbei. Er hat gemeint, es sei mehr oder minder fast schon ein Notbudget, mit dem das österreichische Bundesheer die Abfangjäger wird kaufen wollen oder müssen. – Entschuldigen Sie, Herr Kollege Platter, aber dass es hier um eine Debatte über ein Notbudget gehen soll, kann keiner mehr – abgesehen von Ihnen und anderen Militärfans – nachvollziehen. Da stehen Sie wirklich relativ allein und im Regen, wenn Sie versuchen, das irgendjemandem, der nicht aus Ihrem Dunstkreis stammt, zu erklären.

Wenn Sie gemeint haben, dass das in Einklang mit anderen sozialistischen Staaten stehe, die ja auch aufrüsten würden (Abg. Platter: Sie haben keine Ahnung! Es tut mir Leid!), die ja auch militärische Ansätze hätten, dann haben Sie heute nur eines gelernt, nämlich dass Sozialismus als Erklärung für oder gegen Militärausgaben der falsche Ansatz ist und es noch etwas anderes als diese Ideologien in der Militärpolitik gibt. Den Erklärungsansatz haben Sie sich selber abgeschossen. Sie müssen halt ein bisschen aufpassen, wie Sie weiter argumentieren, wenn Sie die Sozialdemokraten für irgendwelche Verteidigungsbudgets in die Pflicht nehmen wollen.

Zum Abschluss noch eine Anmerkung zu den Immobilien des österreichischen Bundesheeres. Es scheint mir schon recht interessant zu sein, dass hier für das Verteidigungsministerium – und das betrifft nicht nur die Kasernen und Übungsplätze, sondern das geht weit darüber hinaus – im Unterschied zu allen anderen Ministerien sozusagen ein Notgroschen für irgendwelche weiteren Abfangjäger oder irgendwelche weiteren Hochrüstungsmaßnahmen, die mit dem österreichischen Bundesheer nicht unbedingt etwas zu tun haben müssen, zur Seite gelegt worden ist. Das Verteidigungsministerium ist das einzige Ministerium, wo das der Fall ist. (Abg. Kiss: Sie haben ein Trauma, das heißt Abfangjäger! Ich bin kein Arzt, aber es ist offensichtlich, dass Sie ein Trauma haben!)

Sie werden mir nicht unterstellen können, dass ich damit meine, dass man sozusagen die Kasernen der BIG überschreiben sollte, aber da gibt es wesentliche und viel mehr Immobilien, von denen ich hier spreche und die Ihnen als Kenner der Szene natürlich genauso vertraut und bekannt sind.

Abschließend: Ich trete gerne in einen Diskurs über Sicherheitspolitik ein. (Abg. Platter: Das sollten Sie im Ausschuss einmal machen! – Abg. Kiss: Reden Sie, verweigern Sie sich nicht!) Ich trete gerne in diesen Diskurs ein, wenn Sicherheit nicht nur militärisch verstanden wird, wenn so etwas wie Krisenprävention in Ihren Köpfen eine Rolle zu spielen beginnt und wenn diese nicht nur vom Lärm der Abfangjäger zerdonnert sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kiss: Sie haben ein Trauma!)

20.02

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Murauer. – Bitte.

20.02

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident und am längsten erfolgreich dienender Verteidigungsminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Einen Augenblick lang, Frau Dr. Lichtenberger, habe ich gemeint, ich müsste auf Ihre Ausführungen eingehen. Ich wundere mich, dass man mit so viel Unkenntnis so lange hier beim Rednerpult stehen (Heiter


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keit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen) und über etwas reden kann, wovon Sie wirklich sehr, sehr wenig Ahnung haben. (Abg. Dr. Lichtenberger: Wenn Ihre Wortmeldung nur dazu dient, abzuqualifizieren, ist es besser, Sie beenden sie sofort!) Aber Sie haben bestimmt auch Ihre Qualitäten, die Sie hier im Hause nur noch nicht gezeigt haben. Aber ich freue mich, wenn diese einmal zutage treten. Ich dachte, Sie waren einmal Landesrätin, und habe mir eigentlich mehr von Ihnen erwartet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Das war jetzt ein schwacher Angriff! Der war wirklich plump!)

Meine Damen und Herren! Es ist schon vieles über das Budget gesagt worden, es ist über die Notwendigkeit der Verteidigungs- und Sicherheitsdoktrin gesprochen worden. Es ist wirklich ein schmales und mageres Budget, würde ich einmal sagen. Das kommt aber nicht von ungefähr. Die Bundesregierung ist angetreten, um die Schulden aufzuarbeiten, um das Budgetdefizit zu reduzieren.

Werte Kollegen Anton und Anton von der Sozialdemokratischen Partei! Beide gehört – kein Vergleich! Der Seriösere ist der Anton Gaál. Ich muss sagen, ich bin eigentlich froh, dass das neue Zentralsekretariat der Sozialdemokraten nicht das Sagen hat, sonst hätten wir nämlich noch einmal um 6 Milliarden Schilling weniger für die Landesverteidigung zur Verfügung, und das wäre wirklich der Crash. Aber Gott sei Dank, lieber Toni, bist du noch da und hältst dem Bundesheer die Stange und weißt, dass wir wirklich mehr Finanzen brauchen, um den Aufgaben gerecht zu werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das Bundesheer hat es in dieser Republik nie leicht gehabt. Auch heute haben Redner wieder von der Abschaffung des Bundesheeres, von der Nicht-Notwendigkeit des Bundesheeres gesprochen, die Auffassung vertreten, dass Außenpolitik das Bundesheer ersetzen könne, und manche glauben, "Bundesheer light" mit "Cola light" vergleichen zu können und Ähnliches mehr. Die sozialdemokratischen und früher sozialistischen Finanzminister haben sich alle daran gehalten: möglichst wenig Budget, um dem Bundesheer ja nicht das zur Verfügung zu stellen, was es braucht, um Sicherheit und Landesverteidigung für unser Österreich gewährleisten zu können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dipl.-Ing. Kummerer: Und die ÖVP hat nie zugestimmt!)

Meine Damen und Herren! Und trotz dieser niedrigen Budgets hat es das Bundesheer – und dafür zolle ich ihm Bewunderung – immer wieder zustande gebracht, seinen Aufgaben gerecht zu werden und Beachtliches zu leisten. (Abg. Dr. Mertel: Wer hat denn diese Budgets beschlossen?) – Dafür meinen herzlichen Dank und den Dank der Österreichischen Volkspartei allen, vom Ministerium bis zum letzten Mann im Bundesheer, der sich für die Sache zur Verfügung stellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass in Zukunft der Grenzeinsatz an der burgenländisch-ungarischen Grenze natürlich refundiert werden soll. Seit September 1990 steht unser Bundesheer an der ungarisch-burgenländischen Grenze und hat bis jetzt – einschließlich 1999 – dafür 5,5 Milliarden Schilling aufgewendet. Dieses Geld bräuchte das Bundesheer äußerst notwendig.

Es ist auch darauf aufmerksam gemacht worden, dass das österreichische Bundesheer im Auslandseinsatz bereits seit vielen Jahrzehnten seine Visitenkarte abgibt, die sich sehen lassen kann. Diese Auslandseinsätze im humanitären Bereich, in Katastrophenfällen im Auftrag der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Menschenrechte haben eine große und hohe Tradition in Österreich, und an diesen Einsätzen erkennen wir die Qualität unserer Bundesheersoldaten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Es ist bei diesen Einsätzen, ob in Syrien, am Golan, in Zypern oder in letzter Zeit in Ex-Jugoslawien, wirklich Gewaltiges geleistet worden.

Natürlich haben wir in der Zukunft unsere Aufgaben zu überdenken, und ich freue mich, dass heute der Entschließungsantrag eingebracht worden ist, eine neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin zu diskutieren und zu verabschieden, eine Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, die auch den Petersberger Aufgaben gerecht wird, das heißt, neben den humanitären Aufgaben


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und den Rettungseinsätzen auch den friedenerhaltenden und friedenschaffenden Maßnahmen gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren! Abschließend, um nicht alles zu wiederholen, was an Vernünftigem von den Rednern der Österreichischen Volkspartei, aber auch unseres Regierungspartners, der Freiheitlichen Partei, gesagt worden ist ... (Rufe bei der SPÖ: Danke! Danke!)  – Bitte? (Abg. Dr. Mertel: Danke!) Gerne. Ich freue mich, dass Sie mir Dank zollen, ich hoffe, auch Anerkennung, Frau Kollegin.

Abschließend: Es ist ganz wichtig, dass wir in erster Linie die Staatsfinanzen in Ordnung bringen und auch das Bundesheer mit entsprechenden Mitteln ausstatten, damit es die Sicherheit unseres Staates – und wir brauchen sie! –, aber auch die Sicherheit Europas mit garantieren kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.

20.09

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon eine sehr interessante Debatte, die wir heute führen. (Abg. Amon: Bisher! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ich beginne mit Minister Scheibner. Ich möchte vielleicht noch ganz kurz einen Schritt zurückgehen und die Frage aufwerfen: Was mutet man dem österreichischen Bundesheer eigentlich zu? Was muten Herr Schüssel und Herr Haider dem österreichischen Bundesheer zu, wenn sie zuerst vorgeschlagen haben, dass ein gewisser Herr Kabas Minister für Landesverteidigung werden soll? – Mehr sage ich dazu nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Minister, auch ich stehe nicht an, Ihnen wirklich sachliche Kompetenz zuzuordnen. (Beifall des Abg. Mag. Schender. ) Das hat sich im Ausschuss oftmals gezeigt. Ich habe das im Ausschuss nicht verschwiegen und werde es auch heute nicht tun: Ihre Politik war berechenbar.

Meine Damen und Herren! Es ist heute doch überraschend, wenn wir uns mit der Geschwindigkeit der Problembereinigung beschäftigen. Da habe ich so den Eindruck, es ist über Nacht gelungen, den Zustand des Heeres durch die Amtsführung des Werner Fasslabend gänzlich zum Verstummen zu bringen. Kollege Jung hat sich wirklich bemüht – wie er im Ausschuss auch versprochen hat –, und wir haben einen wehrgeschichtlichen Vortrag gehört. Er hat gemeint, das Ministerium müsse saniert werden. – Ende der Kritik.

Herr Präsident! Minister Scheibner hat gar einen Persilschein ausgestellt und gemeint: Alle Vorwürfe haben sich in Schall und Rauch aufgelöst. Alle Vorwürfe, Herr Minister! (Abg. Jung: Also das ist Ihrer nicht würdig, Herr Kollege!) 10 Jahre FPÖ-Politik und die Diskussionen mit Minister Fasslabend haben sich in Schall und Rauch aufgelöst.

Aber das ist ja kein Einzelfall. Wir erleben Ähnliches auch im Innenministerium. Dort sind auch durch einen Ministerwechsel die Probleme schlagartig bereinigt worden, Kollege Kiss. Wie ist es denn in meinem Bezirk in Niederösterreich zugegangen? Die Grenze war offen wie ein Emmentaler, laut Pröll und Wilfing. Wir hatten dort ein Schlepperunwesen. Ein Sicherheitsrisiko sei der damalige Innenminister gewesen, wurde gesagt. Und plakatiert ist worden: Das Heer muss an die Grenze! Was ist passiert? – Ein neuer Minister, und seither herrscht Ruhe. Unser Sicherheitsproblem ist gelöst. Wir hören vom Pröll nichts mehr, wir hören vom Wilfing nichts mehr. Wir brauchen kein Heer mehr an der Grenze. So einfach ist das Ganze. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Damit komme ich nun zu den konkreten Fragen. Herr Bundesminister! Hat der neue Innenminister für die tschechische Grenze das Heer angefordert, so wie es vom alten Innenminister verlangt wurde, oder hat er das nicht getan? (Abg. Jung: Aber gezahlt hat er es nicht, sondern das Geld eingesteckt!)


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Herr Bundesminister! Ihr Vorgänger hat die Soldaten an der March ausgedünnt, mit der Begründung, es sei über den Winter nicht notwendig, so starke Truppen zu haben. Haben Sie die Truppen jetzt im Frühling wieder verstärkt?

Herr Bundesminister! Haben Sie tatsächlich versucht, wie Sie es uns einige Male erzählt haben – und es wäre das Einfachste, die Budgetrede des Abgeordneten Scheibner vom vorigen Jahr hier zu verlesen (Abg. Jung: Dann tun Sie es!), das würde sehr große Heiterkeit hier im Haus hervorrufen, wie sich heute alles anders darstellt –, die Kosten für die Assistenzeinsätze zurückzuerhalten?

Der Wert zeigt sich nicht nur an den Zeichen, sondern auch an den Worten. Dem Finanzminister war das Bundesheer in seiner Budgetrede lediglich 56 Worte wert. In der Regierungserklärung waren es immerhin 71 Worte, die das Bundesheer der neuen Regierung wert war. (Abg. Jung: Sie haben viel Zeit! – Abg. Kiss: Sie sind ein Wortklauber oder ein Wortzähler!)

Da ich aber glaube, wie ich schon am Anfang gesagt habe, Herr Bundesminister, dass Sie mit Ihren Grundsätzen von der Abgeordnetenbank auf die Ministerbank übersiedelt sind, darf ich an einige Zitate erinnern. Zum Beispiel haben Sie in der Debatte zur Regierungserklärung gesagt – und Sie haben es heute wiederholt –, dass "es Ihnen ein besonderes Anliegen sein wird, hier im Parlament einen offenen Dialog zu führen und rechtzeitig zu informieren".

In der Aktuellen Stunde vom 13. Juli sind Sie auf die ungenügende Situation, auf Autobusse im Gefecht, auf LKW, die zusammenbrechen, eingegangen. Wie haben Sie meine Anfragen, die ich Ihnen zu diesem Thema gestellt habe, beantwortet? Von einer detaillierten Aufschlüsselung muss Abstand genommen werden, denn es könnten Rückschlüsse auf die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres gezogen werden. Dasselbe hinsichtlich einer Frage über den Kfz-Bestand: militärische Geheimhaltung, bitte um Verständnis, keine Beantwortung.

Was hat Abgeordneter Scheibner in solchen Fällen gesagt, zum Beispiel am 5. November 1998:

"Herr Bundesminister! Sie behaupten, es werde alles nachbeschafft. Ich frage Sie: Wann? ... Aber genauso unverantwortlich sind Anfragebeantwortungen, wie Sie sie den Abgeordneten dieses Hauses gegeben haben. ... So können Sie mit uns in diesem Haus nicht umgehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)"

Meine Damen und Herren! Herr Minister! Ich hoffe, dass wir uns auch hier auf eine offene und ehrliche Diskussion einigen können.

Zum Schluss noch: Das Budget ist der umgesetzte politische Wille. Sie haben mehrmals recht eindringlich gesagt, welch ein Anliegen Ihnen die Miliz ist. Wie schaut es diesbezüglich im Budget aus? Unter Edlinger 268 Millionen Schilling für Waffenübungen (Abg. Jung: Da hat er das letzte Geld auf den Markt gehaut, das ihm nicht mehr gehört hat!), unter Grasser und Scheibner 110 Millionen Schilling für Waffenübungen: minus 158 Millionen Schilling! Für die freiwilligen Waffenübungen ist der Ansatz von 38 Millionen auf 18 Millionen Schilling geschrumpft: minus 20 Millionen Schilling. (Abg. Jung: 39 Milliarden mehr Schulden durch die verfehlte Geldaufnahmepolitik des Ministers! Da hätten wir das Bundesheer zweimal saniert! Zweimal saniert! Das wissen Sie ganz genau! Jetzt tragen Sie wirklich ein bisschen dick auf!)

Und beim Zivildienst kann ich wirklich Ihre Handschrift sehen: Den Zivildienst wollen wir jetzt nicht mehr! Der Herr Minister hat gemeint, die Kasernentore seien offen. Er hat aber den Ansatz nur für Monatsgeld und Dienstgradzulage von 572 Millionen auf 491 Millionen Schilling gekürzt. Er kann es sich nicht einmal leisten, mehr Präsenzdiener zu bezahlen. (Abg. Jung: 39 Milliarden zusätzlich, nur durch verfehlte Fremdwährungspolitik!) Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich bin nur gespannt, mit welchen Schlagworten Sie das Budget im heurigen Herbst begründen werden, wenn dann Grasser wahrscheinlich noch weniger Geld zur Verfügung stellt. (Beifall bei der SPÖ.)

20.16


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: Wenn wir eure Schulden nicht hätten übernehmen müssen, ginge es uns allen besser! Aber wir übernehmen Sie halt, denn ihr wart total überfordert mit eurem Schutt! Das werdet ihr ja wohl noch realisieren! – Gegenrufe bei der SPÖ.)

Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Bösch! – Bitte.

20.17

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die SPÖ hat einen Entschließungsantrag betreffend eine neue Pensionsregelung eingebracht. Herr Kollege Gaál! Ich kann Ihnen sagen, dass dieses Anliegen der Anerkennung des Militärdienstes als pensionswirksame Ersatz- oder Beitragszeit Inhalt der Pensionsreform der Bundesregierung sein wird. Ihr Entschließungsantrag erübrigt sich daher. Sie sind aber gerne eingeladen, bei der Pensionsreform, wenn das dann Ihren Vorstellungen entspricht, zuzustimmen.

Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat in ihrem Programm ein klares Bekenntnis zur europäischen Sicherheitspolitik und zu einem effizienten Bundesheer festgeschrieben. Ich darf aus der Regierungserklärung folgende fünf Punkte in Kürze in Erinnerung rufen.

Erstens: Die militärische Landesverteidigung ist ein wesentliches und unverzichtbares Element, um Österreich und seinen Bürgern Frieden, Freiheit, Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten.

Zweitens: Die Bundesregierung wird daher alles daransetzen, um die Leistungsfähigkeit des Bundesheeres weiter anzuheben und den Stellenwert in der Gesellschaft zu stärken.

Drittens: In Zukunft werden neben den territorialen Verteidigungsaufgaben internationale Solidaritätsleistungen, Katastrophenhilfe sowie Assistenzleistungen im Vordergrund stehen. (Abg. Öllinger: Lesen Sie jetzt alles vor, oder haben Sie sonst auch noch etwas zu sagen?)

Viertens: Das Bundesheer muss für alle diese Aufgaben, einschließlich der Teilnahme am gesamten Spektrum des europäischen Krisenmanagements, der Stabilitäts- und europäischen Beistandsaufgaben, vorbereitet werden.

Und fünftens: Dies schließt die Teilnahme an multinationalen Verbänden für Aktionen des internationalen Krisenmanagements des Eurokorps ebenso ein wie eine Beteiligung an den entstehenden militärischen Strukturen der EU.

Meine Damen und Herren! Das ist eine klare verteidigungspolitische Position. Und dass die Grünen dem, Herr Kollege Öllinger, nicht zustimmen, spricht eher für die Richtigkeit.

Dass die Realisierung dieses Programms auch unter der katastrophalen Budgetsituation, die wir von der Vorgängerregierung übernehmen mussten, leidet, das steht auf einem anderen Blatt, einem Blatt, das wir leider Gottes auch lesen müssen. Deshalb spricht der Herr Bundesminister auch von einem Notbudget, das leider Gottes auch zum Sparen zwingt. Gespart werden soll nicht nur bei der Aus- und Weiterbildung der Soldaten, sondern vor allem – und wirklich vor allem – im Verwaltungsbereich der Zentralstellen und in anderen Verwaltungsebenen des Bundesheeres.

Deshalb – oder gerade trotzdem – gelingt es, den Ankauf von Transporthubschraubern, den Ersatz im Kfz-Bereich, die Weiterführung des Mech-Pakets, die Einleitung der Beschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen und die Verbesserung der Mannesausrüstung sicherzustellen. Trotz der Tatsache, dass es vorläufig keine Änderung in der Friedens- und Einsatzorganisation des Bundesheeres geben wird, hat der Bundesminister zwei wesentliche Schritte gesetzt: Erstens wird eine Kommission zur Prüfung der Einführung einer Berufsarmee, einer Freiwilligenarmee eingesetzt, und zweitens wird der Landesverteidigungsplan neu erstellt.


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23. Sitzung / Seite 179

Meine Damen und Herren von der Opposition! Wenn Sie das auch so wollen, dann sollten Sie heute unserem Entschließungsantrag zu diesem Thema zustimmen.

Der Landesverteidigungsplan, die neu zu erstellende Verteidigungsdoktrin und der Plan zur Umsetzung einer Freiwilligenarmee werden mit dem Budget des Jahres 2001 die weiteren Schritte für das österreichische Bundesheer und die Sicherheitspolitik weisen. Hier gilt es – ich wiederhole das, was zahlreiche Vorredner der Koalitionsparteien gesagt haben –, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen. Es wird das Ziel der Bundesregierung sein, die in der neuen Sicherheitsdoktrin festzulegenden Aufgaben und Prioritäten des Bundesheeres mit den dafür vorgesehenen Mitteln in Einklang zu bringen. Das muss der Ehrgeiz dieser Bundesregierung sein, denn dann wäre sie die erste Bundesregierung der Zweiten Republik, welche die Schere zwischen Auftrag und Mitteln endlich schließen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Diese Schere hat sich in den letzten 14 Jahren leider Gottes verantwortungslos weit geöffnet.

Die früheren Regierungen haben die Landesverteidigung in Österreich über viele Jahre hinweg sträflich vernachlässigt. Eine neue Politik tut Not: zum einen auf internationaler Ebene. Diese Regierung bekennt sich zum Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems und wird dabei die Uneinigkeit in der Vorgängerregierung überwinden müssen, die es nicht einmal geschafft hat, einen Optionenbericht, eine gemeinsame Sicherheitspolitik vorzulegen. Zum Zweiten bekennt sich diese Regierung auch dazu, das Bundesheer durch dringend notwendige Strukturreformen effizienter zu machen. Dem dient die klare Ausrichtung auf eine Freiwilligenarmee und die Verwaltungsreform, die der Herr Bundesminister angekündigt hat.

Ich fasse zusammen: Herr Bundesminister Scheibner übernimmt eine schöne Aufgabe, aber ein schweres Erbe. Herbert Scheibner wird in dieser Legislaturperiode die Belastungen dieses Erbes beseitigen und eine glaubwürdige Sicherheitspolitik aufbauen. Die Unterstützung von uns freiheitlichen Abgeordneten wird er dabei haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

20.23

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Ich nehme nicht an, dass das bislang schon relativ geringe Budget des Heeres – und durch Ihren Finanzminister jetzt noch einmal abgesenkte Budget des Heeres – Sie zu der Aussage heute Mittag in der Sendung "Zeit im Bild" veranlasst hat. (Abg. Jung: Da müssen Sie selbst lachen! Es ist nicht leicht ...!) Ich gebe das jetzt einfach so wieder, wie ich es gelesen habe. Aus der APA stammt folgende Nachricht: Scheibner will Frauen für die Miliz auf freiwilliger Basis, geplant ab 1. Jänner 2000. (Abg. Jung: Sind Sie gegen die Gleichberechtigung?)  – Nein, überhaupt nicht. (Bundesminister Scheibner: Was? "2000" steht da?)  – 2001, Entschuldigung!

Herr Minister! Arbeiten als Berufssoldatin: ja, weil damit die rechtliche Möglichkeit zum Ausstieg aus dem Beruf als Soldatin verbunden wurde. Es wurde auch die rechtliche Möglichkeit zur Karenz geschaffen. (Abg. Jung: Karenz ist etwas anderes als Karenzurlaub!)  – Zum Karenzurlaub. Die Miliz bei Männern in der derzeitigen Form ist nicht freiwillig, und die Milizfreiwilligkeit bei Frauen wird auf Grund von Ungleichbehandlung vom Verfassungsgerichtshof sicher aufgehoben werden. (Abg. Jung: Das kommt darauf an, was früher ...! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Glauben Sie nicht, dass der Minister ...?)  – Frau Kollegin! Sie können sich auch zu Wort melden, aber unterbrechen Sie mich nicht ständig! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Sie sind aber sehr sensibel! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich habe Sie das erste Mal unterbrochen!)

Wir meinen, Herr Minister, dass die Wehrpflicht für Frauen auf diese Art und Weise durch die Hintertür eingeführt werden wird, und eine Wehrpflicht für Frauen lehnen wir von der SPÖ ab! (Bundesminister Scheibner: Das will doch niemand! – Abg. Fischl: Haben Sie auch einen Dienstgrad?)


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23. Sitzung / Seite 180

Herr Minister! Ein anderer Vorschlag wäre – ich weiß ungefähr, was in den Diskussionen immer wieder kommt –, dass Soldatinnen, die aus dem Beruf ausgestiegen sind, nach einigen Jahren auch wieder die Möglichkeit haben wollen, auf Einsätze zu gehen. Mein Vorschlag dazu wäre: Warum brauchen wir eine Freiwilligkeit der Miliz? Warum können Sie oder wollen Sie diese Wünsche nicht auf Grund von befristeten Dienstverhältnissen zum Heer realisieren? – Das wäre eine Anregung von unserer Seite.

Noch ein paar Punkte, die ich schon im Ausschuss mit Ihnen diskutiert habe. Ich habe Sie betreffend Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen gefragt, ob da Frauen dabei sind. Wenn ich es richtig im Kopf habe, haben Sie geantwortet: nein. Ich denke, für die Zukunft ist es nicht tragbar, dass für Gleichbehandlungsfragen ... (Zwischenruf des Abg. Gaugg. )  – Das ist nicht lächerlich, Herr Kollege, sondern das meine ich ernst! (Abg. Gaugg: Aber was Sie sagen, ist es! Das mit dem Parnigoni war wirklich lächerlich!)  – Nein, das war auch nicht lächerlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich meine, dass in dieser Arbeitsgruppe auch Frauen vertreten sein sollten. Es gibt Frauen beim Heer. Es ist, so glaube ich, eine Frage der Organisation, diese Frauen dort auch einzubinden.

Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie betreffend Kontaktfrauen in den Dienststellen geantwortet – in diese Richtung ging Ihre Antwort –: Ist auch schlecht möglich oder geht schlecht, weil eben wenige Frauen ... (Bundesminister Scheibner: Soldatinnen!)  – Soldatinnen, Entschuldigung! Kontaktfrauen für Soldatinnen, das ist auch schlecht, weil es eben zu wenige gibt. (Abg. Jung: Gibt es schon längst, nicht nur für Soldatinnen! Im ganzen Ministerium! Sie sollten sich besser informieren! Im gesamten Ministeriumsbereich!)  – Das Ministerium ist ja nicht die Einheit draußen.

Wenn es sie gibt, ist es gut. Ich würde vorschlagen, wenn es sie nicht gibt – alles, was Sie sagen, ist ja nicht immer richtig –, dass Sie sich auch dafür stark machen, dass Kontaktfrauen, also Soldatinnen, so in ihrer Arbeit eingesetzt werden (Abg. Jung: Die treffen sich regelmäßig in Schulungen!), dass sie auch für andere Garnisonen als Ansprechstelle für die Frauen zur Verfügung stehen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

20.28

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Als Korporal der Reserve freut es mich ... (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Beifall bei der ÖVP.)  – Ehemaliger Ausbildner in Kaisersteinbruch, einer wirklich gefürchteten Anstalt, Herr Bundesminister! Gefährlich! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich muss sagen, es war eine gute Zeit für mich. Ich glaube aber, es war auch für die Grundwehrdiener keine schlechte Zeit, sie haben einiges bei mir gelernt. Als ehemaliger Korporal der Reserve sage ich, ich freue mich, dass ich zu diesem Thema reden kann (Heiterkeit bei der SPÖ); das vor allem dann, wenn ich Vorschläge höre, die der Herr Minister heute getätigt hat – und ich unterstütze seine Initiative (Abg. Mag. Kukacka : Korporal warst du nur?)  –, dass man nämlich Frauen nicht nur auf freiwilliger Basis eine Berufslaufbahn beim Heer ermöglicht, sondern ihnen auch die Möglichkeit zum Milizdienst gibt. Warum auch nicht? Wo ist da ein Problem? Frau Kollegin Hagenhofer! Ich kann Ihnen in Ihrer Argumentation nicht folgen. (Abg. Dr. Mertel: So eine Überraschung!) Aber wir werden ja noch Zeit und Gelegenheit dazu haben, darüber zu reden. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Aber geh! Sie fürchten doch grundsätzlich immer alles, was kommt. Präventiv gefürchtet – das ist Ihr Motto. Ja, ja, ich weiß! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich verhehle nicht, dass in dieser Debatte Kollege Jung den Ton vorgegeben hat, das hat mir gefallen. Diese Debatte ist über lange Strecken sehr, sehr sachlich verlaufen, nur Kollege Pilz konnte es sich einmal mehr nicht verkneifen, seine miese verbale Diffamierungsspur hier zu ziehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei den Grünen: Aber, aber, Herr Kor


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poral!)  – Es war so, oder nicht? Haben Sie zugehört? Ich habe zugehört. Weil er es sich einmal mehr nicht verkneifen konnte in seiner bewusst typischen Art und Weise, ist es so, dass wir auch in unseren Debattenbeiträgen genau das sagen, was Sache ist.

Faktum ist, dass in der SPÖ eine Gruppe von Abgeordneten ein gestörtes Verhältnis zur Landesverteidigung hat. Das ist ja evident. Das wissen wir, das spüren wir. Das ist auch jene Gruppe gewesen, die über Jahrzehnte hinweg dafür Sorge getragen hat, dass dieses Bundesheer nicht entsprechend dotiert wurde. Für den jetzigen Zustand, mit dem natürlich Herbert Scheibner als neuer Verteidigungsminister ein schweres Paket auf seinen Schultern trägt, sind SPÖ-Finanzminister der letzten 30 Jahre verantwortlich, die unter anderem auch diesen Zustand des Bundesheeres begründet haben. Vergessen Sie das nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und dass ein ganzer Klüngel in der SPÖ ein gestörtes Verhältnis nicht nur zur militärischen Landesverteidigung, sondern auch zur geistigen Landesverteidigung hat, ist mindestens ebenso evident. Das weiß ich aus Erfahrung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollegin Lichtenberger möchte ich den Diskurs anbieten. Sie ist hier an das Rednerpult getreten, hat eine lange Rede gehalten, wurde aber noch nie im Landesverteidigungsausschuss gesehen. Aber im Vier-Augen-Gespräch gab sie zu: Das nächste Mal komme ich, da informiere ich mich. – Das ist der richtige Weg. Ich glaube schon, dass sie lernfähig ist. Sie ist auch Lehrerin. Selbstverständlich!

Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu der gesamten Vorlage ist zu sagen: Wir werden mit Herbert Scheibner als Verteidigungsminister in dieser Legislaturperiode die Trendumkehr für das Bundesheer schaffen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Dieses ambitionierte Programm gehen wir gemeinsam an, und ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen werden. Und mit dieser Trendumkehr werden wir genau jene Maßnahmen setzen, die notwendig sind, um den jungen Soldaten, um unseren Offizieren jenes Gefühl zu geben, das in einer Republik notwendig ist, wenn sie den Eid auf diese Republik schwören, nämlich das Gefühl, dass die Politik zu ihnen steht und dass die Bevölkerung zu ihnen steht. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als ich vor zehn Jahren mitstimmen durfte, als es darum gegangen ist, ein Provisorium in Österreich zu schaffen, nämlich den Assistenzeinsatz an der burgenländisch-ungarischen, an der burgenländisch-slowakischen und an der burgenländisch-slowenischen Grenze, hat damals im November 1990 sicherlich niemand daran gedacht, dass dieses Provisorium ein Jahrzehnt lang dauern würde und über dieses Jahrzehnt hinaus – auf gut österreichisch – zu einer "Dauereinrichtung" werden würde.

Ohne das österreichische Bundesheer wäre dieses Land heute – und ich sage es – unsicherer. Ohne das österreichische Bundesheer besäßen die Menschen in unserem Land, vor allem im Grenzland, nicht jenes subjektive Sicherheitsgefühl, das sie dank des Einsatzes des Bundesheeres haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn 2000 Soldaten an der Grenze stehen, dann schafft allein die Präsenz dieser 2000 Soldaten bei den Menschen in den Dörfern, bei den Menschen an der Grenze das Wissen (Zwischenruf des Abg. Reheis ): Mit unserem österreichischen Bundesheer ist Tag und Nacht zu rechnen. – Dann hört aber auch dort der Spaß auf, wenn man dieses Bundesheer auf Dauer und permanent auf der Basis von Budgets, die ganz einfach nicht halten, unterdotiert.

Deshalb muss mit dieser Trendumkehr genau jener Beweis geführt werden, dass ÖVP und FPÖ unter Minister Herbert Scheibner den Weg gehen, der notwendig ist, um das Bundesheer zu stützen, um alle Maßnahmen zu setzen, von denen wir alle wissen, dass sie pro futuro notwendig sind, damit aber auch die Soldaten, Offiziere, Grundwehrdiener und Milizionäre das Gefühl haben, die Politik steht für sie ein. Und auch die Bevölkerung in Österreich muss das Gefühl haben: Ja, die Politik tut etwas. Wir wollen das Bundesheer in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.33


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte.

20.33

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist ja schon mehrfach betont worden, dass die Budgetproblematik des Bundesheeres eine schwierige ist. Die Situation ist in der Tat nicht rosig. Dennoch, Herr Bundesminister, ist anzuerkennen – und das sage ich als Bildungspolitiker –, dass es Ihnen gelungen ist, innerhalb des Verteidigungsbudgets insbesondere dem Bildungsbereich, dem Bereich der Schul- und Weiterbildung und dem ADV-Bereich eine ganz besondere Aufwertung zu geben. Zum Teil sind die Budgetansätze verdoppelt worden.

Hohes Haus! Meines Erachtens hat die Schulorganisation des Bundesheeres in den letzten Jahren mit den Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb des Bundesheeres, nämlich dem Rückbau der Heeresstärke, nicht im erforderlichen Ausmaß Schritt gehalten. Schließlich wurde im Jahre 1992 die Heeresstärke von 300 000 auf 180 000 Mann reduziert, im Jahre 1998 auf 110 000 Mann beziehungsweise Frau. Im schulorganisatorischen Bereich des Bundesheeres hat sich dazu parallel einiges verändert.

Ich möchte in diesem Zusammenhang die Einrichtung eines Fachhochschul-Studienlehrganges an der MILAK in Wiener Neustadt erwähnen. Es ist sehr erfreulich zu hören, dass am 19. und 20. Mai an der Theresianischen Militärakademie die erste Sponsion für Soldaten erfolgen wird. Da möchte ich auch unseren Wehrsprecher Anton Gaál erwähnen. Er war maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt. Er hat die Entstehung dieser Fachhochschule ständig unterstützt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Haigermoser. )

Die Weiterentwicklung der Ausbildungssysteme beim Bundesheer ist eher spärlich und sperrig vorangeschritten und braucht daher nunmehr einen kräftigeren Schub. Ich glaube, es gilt, darüber nachzudenken, Straffungen und Neuordnungen des Ausbildungsstrukturkonzeptes voranzutreiben. Es scheint auch sinnvoll zu sein, über Möglichkeiten der Zusammenlegung von Institutionen nachzudenken; dies jedoch – und das halte ich als Bildungsverantwortlicher schon auch fest – unter Einhaltung der Prämisse von Qualitätssicherung und Qualitätsgarantie der einzelnen Ausbildungsangebote.

Ich möchte die Ausführungen des Herrn Bundesministers zum Bildungsbereich insoferne unterstützen, als zu sagen ist, dass die ständig steigenden und sich auch immer wieder verändernden Anforderungen an das Kaderpersonal hinsichtlich seiner Qualität und Professionalität zu beachten sind. Zu beachten ist ferner die verstärkte Teilnahme unserer Soldaten an internationalen Aufgabenstellungen – seien es Einsätze zur Friedenssicherung oder humanitäre Einsätze. Erhöhte Fremdsprachenkenntnisse, nähere Kenntnisse über das Einsatzgebiet, Kenntnisse über unterschiedliche Hilfssysteme, EDV-Kenntnisse sind besonders wichtig.

Zu beachten ist schließlich auch, dass jedes Ausbildungs- und jedes Weiterbildungsangebot grundsätzlich die Aufgaben und Herausforderungen der Zukunft vor Augen haben muss. Dies alles erfordert es, eine weitere Professionalisierung des Kaderpersonals zu ermöglichen. Ich rege auch an, dass Auslandsverwendungen und Auslandserfahrungen wesentliche Bestandteile der Ausbildung sowie anrechenbare Laufbahnbestandteile sein sollten.

Nicht auszuschließen von den erforderlichen Strukturmaßnahmen ist unseres Erachtens auch die Aus-, Weiter- und Höherbildung des Führungspersonals, die sowohl im sekundären Bereich als auch im tertiären Bereich angeboten wird.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen! Herr Bundesminister! An Sie möchte ich noch ein Anliegen der Gemeinde Imst in Tirol herantragen. Dieses Anliegen ist gleichzeitig der Wunsch vieler Jugendlicher und deren Eltern. Es hat sich in der Gemeinde Imst ein interessantes Modell entwickelt – eher aus einer Not heraus. Das Bundesheer hat die damals verlassene Kaserne in Imst der Bundeshandelsakademie als Übergangsquartier zur Verfügung gestellt, bis diese restauriert ist. Das ist nun der Fall. In der Zwischenzeit hat sich aber gerade diese Kaserne zu


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einem Ausbildungszentrum entwickelt. Die Jugend fühlt sich dort sehr wohl. Der Gemeinderat der Stadt Imst hat einstimmig dafür votiert, man möge diesen Standort weiter verwenden und eine HTL und eine Fachhochschule für Informatik, Telekommunikation und Datenverarbeitung einrichten.

Ich glaube, wir alle wissen, dass derzeit in Österreich EDV-Arbeitskräfte Mangelware sind. Ich ersuche Sie namens zahlreicher Bildungsinteressierter der Gemeinde Imst, diesem Ansinnen der Bevölkerung und der Gemeinde ein offenes Ohr zu schenken. (Beifall bei der SPÖ.)

20.39

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Zellot. – Bitte.

20.40

Abgeordneter Roland Zellot (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Als ich jetzt zum Rednerpult herunter eilte, haben einige Kollegen zu mir gesagt, dass ich die Wahrheit sagen soll. – Ich sage eigentlich immer die Wahrheit! Und ich werde Ihnen heute über den Zustand des Bundesheeres die ganze Wahrheit sagen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Meine geschätzten Damen und Herren! Im Vorhinein kurz einige Bemerkungen zu den Ausführungen von Vorrednern: Es freut mich ganz besonders – ich möchte meine Hochachtung gegenüber Herrn Abgeordnetem Gaál und meinem Kärntner Kollegen Leikam ausdrücken –, dass sie sich in ihrer Verantwortung als Abgeordnete zum österreichischen Bundesheer und dadurch auch zu den notwendigen Maßnahmen bekennen. Das ist für mich sehr erfreulich! Ich wünsche mir aber auch, dass sie in ihrer Tätigkeit im positiven Sinne für unsere Landesverteidigung die gesamte Fraktion hinter sich haben. Das wäre sehr positiv, und das ist auch die ganze Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn man vor allem die finanzielle Situation des Heeres genau betrachtet, dann muss man feststellen, dass das Bundesheer nach dem Abzug der Besatzungsmächte das alte Material übernommen hat, es gepflegt hat und auch neue Ausrüstungsgegenstände sehr sorgfältig gepflegt hat, um sie ja lange genug zu haben und dem österreichischen Staat auch sparen zu helfen. Man ist beim Bundesheer sehr einfallsreich und hat aus wenig Material sehr viel gemacht. Das österreichische Bundesheer findet auch im Ausland und in der Europäischen Union Anerkennung, weil unsere Soldaten Vorbildwirkung haben, und darauf können wir alle recht stolz sein! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Es ist aber traurig, wenn sich motivierte Kadersoldaten im Dienste für die Republik einsetzen und es dann eine parlamentarische Fraktion wie die Grünen gibt, die das nicht anerkennen und loben, sondern das Bundesheer immer untergraben und kritisieren. Ich schäme mich für diesbezügliche Aussagen! Ich werde die Soldaten entsprechend informieren. Jene Soldaten, die mich ins Parlament gewählt haben, haben mir auch den Auftrag mitgegeben, der Fraktion der Grünen mitzuteilen, dass sie euch nicht mögen. Ich soll euch das einmal mitteilen. Sie mögen euch nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Einen wichtigen Punkt hat auch Kollege Antoni angeschnitten, nämlich die Aus- und Weiterbildung. Herr Bundesminister! Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass nicht nur auf die aus- und Weiterbildung der Kadersoldaten, sondern auch auf die Weiterbildung und Freizeitgestaltung der Rekruten Wert gelegt wird. Auch Letzteren sollen Möglichkeiten zur sinnvollen Freizeitgestaltung geboten werden. So sollen etwa EDV-Kurse oder Sprachkurse auch weiterhin angeboten werden, damit die Rekruten nach Ableistung ihres Präsenzdienstes diesen in positiver Erinnerung behalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Österreichische Kadersoldaten sind europaweit Spitze. Sie wenden in der Ausbildung zielorientierte und zeitgemäße Methoden an. Österreichische Kadersoldaten sind ausgebildet für Truppenpsychologie und Menschenführung. Sie wissen, welche erzieherischen Maßnahmen sie bei guten und bei schlechten Leistungen einsetzen


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müssen, und sie wissen auch, welche erzieherischen Maßnahmen sie bei militärischer Unwissenheit einsetzen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Das haben wir gemerkt!)

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, jene Kadersoldaten, die sich so verhalten, finden Anerkennung. Sie sind heute zum Beispiel im Bankgeschäft tätig oder Vortragende bei Managementkursen. All jene Kadersoldaten haben militärische Schulen absolviert und müssen Fortbildungskurse besuchen. (Abg. Haigermoser: So ein Fortbildungskurs wäre etwas für Öllinger!) Ist das schlecht? – Deshalb sage ich bewusst: Ich bedanke mich bei jenen, die mit wenig Geld viel machen, denn sie verdienen unseren Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Pfeffer ist die nächste Rednerin. – Bitte.

20.45

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Beitrag zum Budgetpunkt Landesverteidigung betrifft vorerst einmal die Schließung von Kasernen.

Die Kaserne in meinem Heimatbezirk Neusiedl am See im Burgenland wurde aus militärischen Überlegungen geschlossen. Jahrzehntelang wurden dort Soldaten ausgebildet, ab 1993 wurde diese Kaserne um fast 100 Millionen Schilling saniert, dann wurde sie geschlossen. – Das ist mir unverständlich! Wirtschaftliche, regionale und beschäftigungsrelevante Motive blieben auf der Strecke. Und es drängt sich natürlich die Frage auf, warum eine Kaserne, in die bereits ein derart großer Betrag an Steuergeldern investiert wurde, geschlossen wird. Ich konnte dem Begräbnis erster Klasse – damals noch unter Verteidigungsminister Fasslabend – beiwohnen.

Zurzeit befinden sich Assistenzsoldaten zur Grenzsicherung in dieser Kaserne, und diesen Aspekt möchte ich näher beleuchten: Der Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres an der EU-Außengrenze läuft seit nunmehr zehn Jahren. Die Bevölkerung in der Grenzregion begrüßt diesen Einsatz, weil viele illegale Flüchtlinge unser Land über die grüne Grenze erreichen wollen und es daher um die Sicherheit der dort ansässigen Menschen geht. (Abg. Leikam: Bei dieser Regierung kommen nur mehr Illegale!)

Die katastrophale Situation und das menschliche Leid der Flüchtlinge, das sie zu diesem Wagnis treibt, dürfen dabei aber nicht vergessen werden! Derzeit sind 2 000 Assistenzsoldaten an der burgenländischen Grenze stationiert. Das Zusammenleben der Soldaten mit der Ortsbevölkerung verläuft im guten Einvernehmen. Da diese Soldaten zum Großteil aus anderen Bundesländern, vor allem aus den westlichen Bundesländern, kommen, fühlt sich die Bevölkerung angesprochen und verantwortlich, diesen Soldaten das Leben erträglicher zu machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Auf folgenden problematischen und sensiblen Bereich möchte ich Ihre besondere Aufmerksamkeit lenken: Seit Beginn des Assistenzeinsatzes an der burgenländischen Grenze kam es immer wieder zu Berichten über Selbstmorde von Soldaten, aber auch über Unfälle mit Waffen. – Ich vermute, dass diese Vorfälle auf die extreme psychische Belastung der Soldaten in ihrer beruflichen Situation zurückzuführen sind. Betrachtet man diese Umstände näher, dann kommt man zu dem Schluss, dass vor allem junge Präsenzdiener viel zu großen Belastungen ausgesetzt sind, denen sie nicht gewachsen sein können! (Beifall bei der SPÖ.)

Ohne vorherige psychologische Schulung müssen junge Soldaten wehrlose, verschreckte, manchmal auch aggressive und oft nur notdürftig bekleidete Menschen mit Waffengewalt regelrecht einfangen. – Ich meine, das von den Präsenzdienern zu verlangen ist verantwortungslos! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Sie wollen doch den Schutz der Bevölkerung, Frau Kollegin!) – Das ist schon richtig! Aber wer derartigen Extremsituationen ausgesetzt ist, braucht eine Spezialausbildung und Betreuung. (Abg. Jung: Das ist richtig!) Darauf möchte ich hinweisen!


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In einer Anfragebeantwortung aus dem Jahr 1996 gesteht der damalige Verteidigungsminister Fasslabend von der ÖVP ein, dass seit Beginn des Assistenzeinsatzes acht Präsenzdiener beziehungsweise sonstige Heeresangehörige Selbstmordversuche unternommen hätten, von welchen sechs tödlich endeten. – Für mich, meine Damen und Herren, und für die sozialdemokratische Fraktion zählt jedes Menschenleben, und jedes Menschenleben ist gleich wertvoll. Dem Argument, dass diese Selbstmorde wahrscheinlich auch im privaten Leben verübt worden wären, stimme ich ohne weiteres zu. Allerdings darf es, wenn es um Menschenleben geht, nicht zur Verniedlichung von Problemen kommen, und die herrschenden Umstände führen uns deutlich vor Augen, wie wichtig es wäre, dieses tabuisierte Thema endlich auch öffentlich zu thematisieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Auf diese Weise könnte man in Zukunft Vorkehrungen treffen, um solche tragischen Fälle zu verhindern. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Dazu meine Vorschläge: Erstens sollten in die Untersuchungskommission für Selbstmordfälle unabhängige Psychologen und Experten verpflichtend mit eingebunden werden. Zweitens sollten psychologische Schulungen für Soldaten und auch Vorgesetzte, die im Grenzeinsatz ihren Dienst versehen, verpflichtend vorgesehen werden. Das hätte vorbeugenden Charakter.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte Sie bitten, meine Überlegungen in die Ihren einzubinden, denn das Leben und die Sicherheit der Soldaten müssen uns etwas wert sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.50

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. – Bitte.

20.51

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Milizkameraden, viele von Ihnen auch mit militärischen Dienstgraden! Wer so wie ich 35 Jahre Milizsoldat beim Bundesheer ist, weiß, wie es um das Bundesheer bestellt ist!

Ich greife in diesem Zusammenhang gerne eine Anregung von Alfred Payrleitner auf, der in einem Kommentar im heutigen "Kurier" sagt: "Doch bald wird dieses Land dringend eine Koalition aller Vernünftigen brauchen, quer durch alle Lager."

In die heutige Diskussion um das militärische Landesverteidigungsbudget hat von Beginn an der Herr Bundesminister alle eingebunden, und zwar mit der Einladung, hier ihre Vorschläge einzubringen. Liebe Frau Vorrednerin, Frau Abgeordnete Pfeffer! Sie werden es vielleicht nicht bemerkt haben, doch als Sie jetzt Ihre Rede beendeten, war Ihnen auch von unserer Seite Applaus sicher! (Abg. Pfeffer: Doch!) Es sind konstruktive Vorschläge von Ihnen gekommen, und wir freuen uns umso mehr, wenn von Ihrer Seite hier etwas eingebracht wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich glaube, alle vernünftigen Vorschläge zu einem Thema, welches seit jeher außer Streit und außerhalb der politisch verschiedenen Meinungen gestellt wurde, gereichen zum Wohle Österreichs. Wenn ich bewusst von verschiedenen Meinungen spreche, dann meine ich nicht den Parteienstreit, sondern glaube, dass das Zusammenfließen verschiedener Meinungen immer zu einer Optimierung eines Gesamtthemas führt. In diesem Sinne wäre es wohl auch das Thema Landesverteidigung wert, dass es hier letztlich zu einer gemeinsamen Meinungsbildung kommt.

Dies war auch vor 25 Jahren bei der gemeinsamen Beauftragung für den Landesverteidigungsplan der Fall, welcher gemeinsam erstellt und dann einstimmig vom Parlament verabschiedet wurde, einstimmig – ohne die Stimmen der Grünen, die es damals in diesem Hause ja noch nicht gegeben hat –. Die militärische Landesverteidigung erfolgt daher immer noch unter einem Auftrag, der bereits 25 Jahre alt ist, und in diesen 25 Jahren haben sich Europa und die Welt verändert, und auch die Position Österreichs mitten in Europa und in der Welt hat sich dementsprechend verändert. Daher muss auch der Auftrag an das Bundesheer verändert werden, und diese Veränderung ist auch zwingend notwendig, wenn man sich die budgetäre Situation des


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Bundesheeres vor Augen führt. Ich schließe mich daher mit voller Unterstützung unserem Entschließungsantrag an, und wenn Sie die Zeilen unseres Entschließungsantrages lesen und diesen dann mit Ihrem vergleichen, dann werden Sie sehen, dass es bis auf wenige Punkte keinen Unterschied gibt. Im Hinblick darauf wäre es eine Freude, wenn auch Sie sich dafür entscheiden könnten, zu diesem gemeinsamen Thema, das uns alle in Österreich betrifft, Ihre Zustimmung zu geben!

Sie haben auch das Thema angesprochen, dass man zusätzliche Leistungen in das Bundesheer einfließen lassen könnte. – Ich glaube, das ist sicherlich möglich. Angesichts des Notbudgets – wie es auch der Herr Bundesminister jetzt genannt hat – wird das jetzt jedoch schwer durchführbar sein. Die Schuldenlast, die von der vorigen Regierung übernommen wurde, geht meiner Meinung nach bedauerlicherweise auch zu Lasten jedes einzelnen wehrpflichtigen Soldaten; ich sage bewusst: zu Lasten jedes einzelnen wehrpflichtigen Soldaten. Als es vor einigen Tagen hier eine Diskussion um eine minimale Reduzierung der zusätzlichen Leistungen für den Zivildienst gegeben hat, wurde mit einer Blockade des Parlaments geantwortet, die von einigen in diesem Haus sogar noch goutiert wurde.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der derzeit noch immer gültige Landesverteidigungsplan, der damals die militärischen Bedrohungen im Zuge eines Ost-West-Konfliktes zum Gegenstand hatte und dafür als Antwort eine Raumverteidigung vorsah, ist noch immer unverändert in Kraft. Noch immer ist auch die Geistige Landesverteidigung in Kraft, von welcher die Kollegen aus dem grünen Parlamentsklub offenbar nichts hören wollen, zumindest sehe ich jetzt niemanden von ihnen hier.

Ich lese daher fürs Protokoll aus dem Landesverteidigungsplan vor, und vielleicht bereite ich Frau Abgeordneter Lichtenberger eine besondere Freude, wenn ich sie an die Pflichten der Geistigen Landesverteidigung, die ebenfalls beinhaltet sind, erinnere. Auf Seite 96 des Landesverteidigungsplans steht unter Punkt 2.3:

"In bedrohlichen Situationen" – das betrifft auch Missinformationen, die gegeben werden – "ergibt sich für die Geistige Landesverteidigung die Notwendigkeit des raschen Reagierens mit dem Ziel, daß die Bevölkerung möglichst unverzüglich ein klares Bild von der jeweiligen Bedrohungslage gewinnen kann." Grundsatz dieser Informationstätigkeit ist auch, dass "jede Desinformation und damit Desorientierung der Bevölkerung (etwa durch Verbreitung von Gerüchten) von vornherein ausgeschlossen wird". – Zitatende.

Im Hinblick darauf möchte ich hier ganz deutlich sagen: Ist es – wie etwa Herr Redakteur Payrleitner in den Raum stellt – vernünftig, wenn hier Äußerungen im Zusammenhang mit dem Budget fallen, dass die Freiheitliche Partei "keine teilrassistische", sondern eine "vollrassistische" Partei und "keine teilextreme", sondern eine "vollextreme" Partei ist? – All das ist nicht vernünftig, sondern kontraproduktiv und entgegen den Verpflichtungen, die Sie als Staatsbürger und insbesondere hier als Abgeordnete zum Nationalrat in Bezug auf die Einhaltung der Geistigen Landesverteidigung haben!

Ich sage jetzt noch etwas Persönliches dazu, auch fürs Protokoll: Herr Abgeordneter Pilz! Ich bin mit Sicherheit weder ein Rechtsextremer noch ein Rassist, und ich kann Ihnen nur sagen: Wahrscheinlich habe ich in meinem Leben schon mehr Ausländern geholfen, als Ihnen jemals in Ihrem Leben begegnet sind. Nehmen Sie das bitte ein für alle Mal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen für den Fall, dass Sie auch etwas Vernünftiges zu der laufenden Diskussion beitragen sollten, einige Leitsätze mitgeben: Einander die Hand zu geben gehört zu den Mindesthöflichkeitsformen der europäischen Bürger. Eine Ausladung auszusprechen widerspricht dem Geist der EU, und dementsprechend hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu prüfen, inwieweit das Verhalten der 14 den Römer-Verträgen widerspricht; so gesagt vorgestern beim Vortrag von Herrn Kommissär Dr. Fischler hier in Wien. – Es wäre vielleicht einmal an der Zeit, dass sich insbesondere die grüne Fraktion vergegenwärtigt, was die


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EU zu diesem Verhalten der 14 sagt, was nämlich dann wirklich wahr ist und wofür wir hier auch eintreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Ing. Kaipel ist der nächste Redner. – Bitte.

20.59

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Einige Vorredner haben auch bezüglich dieses Kapitels von der katastrophalen Budgetsituation gesprochen, so etwa auch Kollege Kiss. – Ich denke, ihr wart ja auch viele Jahre Teil der Regierung und wahrscheinlich nicht ganz unverantwortlich für die jetzt dargestellte Situation! Es war die ÖVP, die immer Forderungen aufgestellt hat, und es war ausschließlich der frühere Finanzminister Edlinger, der vor weiteren Ausgaben gewarnt hat! Finanzminister Edlinger hat auch einen zielgerichteten Voranschlag für das Jahr 2000 vorbereitet. Wenn Sie heute mit Ihrem klassenkämpferischen Umbau, der ja auch budgetwirksam ist, nicht zu Rande kommen, dann ist das zweifellos ein Problem der Regierung und nicht der Opposition! (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Zum Budgetkapitel Militärische Angelegenheiten. – Festzustellen ist, dass unter einem freiheitlichen Minister das Bundesheer mit den geringsten Mitteln auskommen muss. Das ist insofern interessant, als gerade die Freiheitlichen die Sozialdemokraten immer wieder beschuldigt haben, dass sie das Bundesheer aushungern. Und es war auch die Freiheitliche Partei, die eine Aufstockung auf 1,5 Prozent des BIP verlangt hat. Heute, unter einem freiheitlichen Minister, liegt das niedrigste Budget mit unter 0,8 Prozent des BIP vor. Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen und den Regierungsfraktionen! Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Forderungen selbst umzusetzen!

Wenn Abgeordneter Jung meint: Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren, dann möchte ich sagen: Es ist es zweifellos auch eine Willensfrage, ob man etwas umsetzen will oder nicht. Oder Sie haben es früher gar nicht ganz ernst gemeint!

Ich gestehe Ihnen zu, Herr Bundesminister, dass Sie immer ein bemühter Vertreter des Bundesheeres waren. Ich kann Ihnen aber den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie sich zu Lasten der Sicherheit unseres Landes und der Soldaten bei Ihrem Parteifreund, dem Finanzminister, entgegen anderen vorherigen Aussagen nicht durchgesetzt haben. Aber wenn Scheibner doch wollte, dann müsste es wahrscheinlich jetzt heißen: Wenn Grasser nicht will, dann hat Scheibner das Recht verloren.

Kollege Jung hat weiters gemeint, dass man auch beim Bundesheer oben sparen will. Dazu möchte ich sagen: In anbetracht dessen ist es verwunderlich, dass gerade in der Zentralleitung die Ausgaben um 40 Millionen Schilling ansteigen!

Herr Bundesminister! Sie haben am 11. April im Burgenland ein klares Bekenntnis zum Assistenzeinsatz abgelegt. In diesem Zusammenhang haben Sie auch gesagt, dass Sie in Absprache mit dem Innenminister für eine verbesserte technische Ausstattung zur Steigerung der Effizienz des Assistenzeinsatzes eintreten wollen. Dies haben Sie am 13. April noch einmal im Ausschuss bekräftigt. Allerdings fehlen bis heute klare Aussagen, was Sie konkret zusätzlich an Technik zum Einsatz bringen wollen und an welche Termine Sie für die konkrete Umsetzung denken.

Es gibt also immer wieder großartige Bekenntnisse, aber danach nichts Konkretes. So ist auch die Frage offen, ob es zu Personaleinsparungen beim Assistenzeinsatz kommt. Es wurde bis jetzt weder von Ihnen noch vom Innenminister dezidiert ausgeschlossen, dass es dazu kommen soll.

Was bedeutet ein geringeres Verteidigungsbudget? – Drohende Personaleinsparungen und finanzielle Mittel für technische Ausstattung, die im Budget nicht zu finden sind, können doch zwangsläufig nur eine Schlechterstellung des Grenzschutzes bedeuten! Daher habe ich sehr


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wohl ein wenig Sorge, dass die durch Minister Schlögl ausgezeichnet aufgebaute Grenzsicherung nun zunehmend in Gefahr kommt.

Herr Bundesminister! Sie haben heute noch einmal die Gelegenheit, einiges klarzustellen. Daher darf ich noch einmal ein paar Fragen an Sie richten: Wird es in nächster Zeit Personalreduktionen beim Assistenzeinsatz geben und – wenn ja – in welchem Ausmaß? Wie wollen Sie die Aufgaben dann erfüllen? Können Sie garantieren, dass es zu keiner Verschärfung der Dienstpläne kommen wird? Rechnen Sie mit einem Anstieg illegaler Grenzübertritte und – wenn ja – in welchem Ausmaß? Wie wollen Sie auf diese verschärfte Situation reagieren?

Herr Bundesminister! Es geht um die Sicherheit des Landes, es geht um die Sicherheit der Bevölkerung, und es geht auch um die jungen Menschen, die ihren Dienst für die Bevölkerung und für das Land tun. Alle sind verunsichert, und die Menschen können, glaube ich, zu Recht erwarten, dass sie entsprechende Antworten bekommen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch festhalten: Dass auch die Sozialdemokraten zu einer modernen und ihren Aufgaben entsprechend ausgestatteten Landesverteidigung stehen, ist selbstverständlich; war es doch die SPÖ, die im Vorjahr vorgeschlagen hat, zu prüfen, ob die allgemeine Wehrpflicht oder das Freiwilligenheer die geeignetere Form ist. Eine Prüfung soll aber nicht nach ideologischen Überlegungen, sondern nach den Kriterien Kosten, Nutzen und Effizienz im Rahmen einer gesamteuropäischen Sicherheitspolitik erfolgen.

Gleichzeitig ist die SPÖ aber auch überzeugt, dass junge Menschen das Recht haben, aus Gewissensgründen der Gesellschaft auch ohne Waffen zu dienen. Wenn die jetzige Regierung meint, es handle sich dabei um Feiglinge oder Drückeberger, denen man ihr Vorhaben möglichst schwer machen müsste, oder wenn die Regierung meint, dass Zivildiener Staatsbürger zweiter Klasse sind, dann ist das Sache der Regierung. Wir Sozialdemokraten sehen jedenfalls den Präsenzdienst wie den Zivildienst für unsere Gesellschaft als gleichermaßen wertvoll an. (Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ. – Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

21.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

21.05

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich möchte noch auf einige Fragen, die aufgeworfen wurden, antworten.

Zum einen ist das Problem der Hubschrauberbeschaffung angesprochen worden: Ich habe schon im Ausschuss darauf hingewiesen, dass wir uns im Endstadium des im vorigen Jahr schon im Landesverteidigungsrat beschlossenen Beschaffungsvorgangs des bewaffneten Mehrzweckhubschraubers befinden. Es gibt die Finanzgarantie des Finanzministeriums, dass ab dem nächsten Jahr je 400 Millionen Schilling für dieses Projekt zur Verfügung gestellt werden. Wir können dieses Gerät aber heuer schon beschaffen. Es sind zwei Modelle in der Endauswahl, und wir sind gerade dabei, das so genannte "last best offer", also das letzte beste Angebot, einzuholen. Ich darf Sie beruhigen: Es ist keine Vorentscheidung gefallen. Wir werden bei dieser Entscheidung nach streng sachlichen Kriterien vorgehen. Es sind hiebei militärische Zweckmäßigkeiten zu beachten, aber selbstverständlich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, also das Gesamtpaket.

Es wurde immer wieder die Frage gestellt, ob hiemit ein Kampfhubschrauber beschafft wird. – Diesbezüglich darf ich Sie beruhigen: Keines der beiden Modelle stellt in der Konfiguration, wie wir sie uns anbieten haben lassen, einen Kampfhubschrauber dar, sondern bei beiden Modellen ist in erster Linie deren Transportkapazität von Belang.

Auch die Mannesausrüstung wurde angesprochen: Es ist richtig, dass es auf diesem Gebiet einen Nachholbedarf gibt. Für mich wird es bei der Mannesausrüstung eine ganz wichtige Priorität und einen Schwerpunkt darstellen, dass wir eine gleiche Ausstattung für all unsere Soldaten ermöglichen und selbstverständlich dort, wo es sich wirklich um überholungsbedürftiges Gerät


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handelt – vor allem sind etwa die noch immer vorhandenen Kampfhelme, das Tragegerüst sowie die Uniform insgesamt in Diskussion zu ziehen –, so rasch wie möglich Abhilfe schaffen.

Die LKW-Flotte wurde ebenfalls in Diskussion gezogen: Im Hinblick darauf sind wir dabei, auf Mehrzweck-LKW umzustellen, die für verschiedene Zwecke verwendbar sind, wodurch es bei geringerer Stückzahl bessere, effizientere und damit auch Kosten sparende Einsatzmöglichkeiten gibt. Derzeit ist die Planung der Anschaffung von 200 dieser Mehrzweck-LKW vorgesehen.

Frau Kollegin Lichtenberger hat kritisiert, dass meiner Meinung nach Sicherheitspolitik rein militärisch zu verstehen sei. – Das verhält sich keineswegs so! Selbstverständlich ist Sicherheitspolitik umfassend zu sehen. Sie darf aber auch den militärischen Bereich nicht ausschließen. Wir haben – und das kann man durchaus bedauern – in den vergangenen Jahren und Monaten gesehen – wir müssen es jeden Tag wieder sehen –, dass Politik und Sicherheitspolitik zur Krisenprävention wichtig sind, dass aber letztlich viele von jenen, die derartige Konflikte auf der ganzen Welt provozieren, sich letztlich nur mit der Sprache der Waffen davon wieder abbringen lassen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass militärische Sicherheitspolitik keinen dauerhaften Frieden schaffen kann. Hier müssen auch zivile Kräfte eingreifen, und es müssen auch demokratische Strukturen – Polizeistrukturen – geschaffen werden. Aber letztlich garantiert das Militär einen Waffenstillstand, das Schweigen der Waffen, und erst das stellt eine Grundvoraussetzung für alle weiteren sicherheitspolitischen Maßnahmen dar.

Es wurde hier auch die Angst geäußert, dass in Zukunft Beamte des Heeres-Nachrichtenamtes und des Abwehramtes hinter jedem Bundesheerkritiker herlaufen und ihn kontrollieren werden. – Ich bin davon überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit der Österreicher hinter dem österreichischen Bundesheer und der Landesverteidigung steht. Außerdem darf ich in aller Bescheidenheit sagen: Wir wollen es nicht, aber wenn wir es wollten, hätten wir nicht annähernd so viele Beamte im Abwehramt und im Heeres-Nachrichtenamt, um all unsere Kritiker dermaßen zu überwachen. Unser Ziel ist es – ganz im Gegenteil! –, durch das in Diskussion befindliche Militärbefugnisgesetz die Rechte der Nachrichtendienste, des Abwehramtes und des Heeresnachrichtenamtes auf eine gesetzliche Basis zu stellen und auf diese Weise für Rechtssicherheit zu sorgen, damit jeder genau nachlesen kann, welche Rechte hier umfasst sind. Diese Befugnisse sind selbstverständlich rein für den militärischen Bereich abgesteckt, und es gibt hier keine Überschneidung mit sicherheitspolitischen Agenden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Kasernenerlöse sind im Regierungsprogramm angeführt. Davon werden nicht Abfangjäger gekauft, sondern es wird das Mech-Paket ausfinanziert. Das geschieht letztlich auch in dem Interesse, dass wir das gesamte Mech-Paket einschließlich der Radpanzer umsetzen können.

Es wurde von einigen Abgeordneten der Assistenzeinsatz angesprochen, zum Teil für Niederösterreich. Es gibt derzeit keine Anforderung durch den Innenminister, den Assistenzeinsatz auf Niederösterreich auszuweiten. Es gibt aber sehr intensive Kontakte zwischen den beiden Ressorts sowie auch mit dem Landeshauptmann von Niederösterreich, um die Möglichkeiten auszuloten, mit einem flexibleren System – auch mit Unterstützung des österreichischen Bundesheeres – eine effizientere Grenzsicherung auch in Niederösterreich sicherzustellen. Dazu muss ich von Seiten des Heeres sagen, dass es da sehr große Probleme gibt, nicht nur rechtliche, sondern selbstverständlich auch personelle und finanzielle Probleme. Aber wir sind dabei, dies zu bearbeiten.

Kollege Kummerer hat die mangelnde Anfragebeantwortung hinsichtlich der Stückzahl der LKW kritisiert. Hier muss ich auf § 27 Abs. 2 des Bundeshaushaltsgesetzes verweisen, der in diesen Fällen die militärische Geheimhaltung vorschreibt.

Es wurde die Wehrpflicht für Frauen angesprochen; Frau Kollegin Hagenhofer ist momentan, glaube ich, nicht im Saal. Selbstverständlich ist nicht an eine Wehrpflicht für Frauen gedacht. Ganz im Gegenteil: Da wir mittel- bis langfristig das Wehrsystem insgesamt auf Freiwilligkeit umstellen wollen, ist es selbstverständlich nicht unsere Intention, eine derartige Verpflichtung für Frauen einzuführen. Ich halte es aber trotzdem für sinnvoll, dass auch Frauen neben oder ab


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seits der Möglichkeit, im Rahmen einer Berufslaufbahn für die Landesverteidigung einen Dienst zu absolvieren, auf freiwilliger Basis neben ihrem Zivilberuf auch im Rahmen der Miliz diesen Beitrag leisten können sollen, wenn sie es wollen. Ich sehe nicht ein, warum man die Frauen – und damit 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung – von dieser Möglichkeit ausschließen sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Von Kollegen Antoni wurden die Schulen angesprochen. Ich denke, man kann auf Folgendes hinweisen: Bei all den Problemen, die wir beim Budget und bei der Infrastruktur haben, ist die Ausbildung unserer Soldaten – der Offiziere, der Unteroffiziere, aber auch der Rekruten – europaweit, ja weltweit geachtet. Wir sehen – und das sage ich mit großem Stolz –, dass österreichische Soldaten bei allen Vergleichsbewerben, auch bei Übungen, zu den Besten zählen und sich vor allem auch dadurch auszeichnen, dass sie sich in regionale Gegebenheiten einfühlen und darauf einstellen. Das zeigt sich auch im Kosovo, wo es Armeen gibt, die bei ihrer Aufgabenerfüllung große Probleme haben, wo hingegen die Österreicher über höchstes Ansehen bei der örtlichen Bevölkerung genießen. Auch das ist mit ein Ergebnis der immer wieder verbesserten Ausbildung.

In dieser Hinsicht ist nicht nur die Militärakademie anzusprechen. Es wurde auch die Heeresunteroffizierschule zu einer Heeresunteroffizierakademie umgebildet. Da Herr Kollege Kiss darauf verwiesen hat, dass er als Korporal als Ausbildner eingesetzt war, ist zu sagen, dass es durch die Ausbildungsreformen, die schon mein Vorgänger umgesetzt hat, jetzt eher die Ausnahme ist, Herr Kollege, dass ein Korporal bei der Ausbildung eingesetzt wird. Wir legen darauf Wert, dass – soweit es geht – voll ausgebildete Unteroffiziere, also zumindest Wachtmeister, in diesem Bereich eingesetzt werden. Das hat schon sehr gute Ergebnisse gebracht. Wir sind auch gerade dabei, die Heeresversorgungsschule und die Heereskraftfahrschule auf neue Beine zu stellen und dort eine Zusammenführung zu überlegen.

Ferner wurde die Kaserne Imst angesprochen. Sie steht von Seiten des Landesverteidigungsministeriums zur Disposition. Das heißt, sie wird von uns nicht benötigt. Sie ist noch auf zwei Jahre an das Unterrichtsministerium vermietet. Das Unterrichtsministerium kann, wenn es will und wenn, wie vorgesehen, dem Landesverteidigungsressort dafür Kostenersatz durch den Finanzminister geleistet wird, selbstverständlich auch weiterhin diese Kaserne, dieses Areal nützen.

Es wurden außerdem Fragen des Assistenzeinsatzes angesprochen. Ich sage noch einmal: Ich bekenne mich dazu, dass das österreichische Bundesheer damit einen wichtigen Dienst zur Sicherheit Österreichs leistet. Es ist ein schwieriger Einsatz, der auch die Ausbildung betrifft und nur mit großem Einsatz – nicht nur der Soldaten vor Ort, sondern des gesamten Bundesheeres – umgesetzt werden kann. Wir bekennen uns dazu, und wir werden diesen Dienst auch in Zukunft sicherzustellen haben, weil wir davon ausgehen müssen, dass dieser Assistenzeinsatz noch einige Jahre lang notwendig sein wird.

Auch die Selbstmorde sind angesprochen worden. Jeder Einzelfall ist tragisch. Wir haben auch eine psychologische Betreuung vor Ort eingerichtet und dort Freizeiteinrichtungen zur Verfügung gestellt. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir, obwohl das österreichische Bundesheer nur ein Spiegelbild der Gesamtgesellschaft ist – denn jedes Problem, das im Bundesheer auftritt, ist letztlich bereits woanders entstanden und wird in das Bundesheer hineingetragen –, davon ausgehen können, dass die Rate an Selbstmorden im Bereich des Bundesheeres unterdurchschnittlich ist. Darüber sind wir sehr froh. Trotzdem wird selbstverständlich jedem Einzelfall entsprechend nachgegangen.

Welche technische Ausrüstung wünschen wir uns? – Das geht von Wärmebildkameras über Radargeräten bis hin zu besseren Signalanlagen und besserem Gerät für die Nacht, also Nachtsichtgeräten. Hiefür ist einiges in Planung. Wir werden mit dem Innenministerium und mit dem Finanzministerium um eine entsprechende Budgetierung verhandeln.

Die Grenzübertritte sind angesprochen worden. Das österreichische Bundesheer hat in den letzten zehn Jahren 40 000 Aufgriffe zu verzeichnen gehabt. Ich denke, das zeigt, wie wichtig


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dieser Beitrag für die Sicherheit Österreichs ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wurde im Zusammenhang mit der Frage eines Freiwilligenheeres angesprochen, dass auch die SPÖ dafür ist. Darüber bin ich sehr froh. Sie werden sicherlich auch eingeladen werden, das zu überprüfen. Man muss nur wirklich mit Augenmaß vorgehen. Andere Armeen wie etwa die belgische haben uns vorgezeigt, wie man es nicht machen darf: dass ohne jegliche Rahmenbedingungen, ohne eine Gesamtplanung und auch, ohne ein Anreizsystem zu schaffen, wie es notwendig ist, um genug Freiwillige zu bekommen, das Wehrsystem umgestellt wird. Das würde letztlich den Bestand des Bundesheeres und unsere Sicherheit gefährden.

Deshalb sind Ankündigungen in Wahlkämpfen, wie wir sie gehört haben – dass innerhalb von zwei Jahren das Wehrsystem umgestellt werden wird, ohne dass Mehrkosten zu verzeichnen sind –, eher in den Bereich der Parteipolitik und der Tagespolitik zu stellen, sie bringen aber keine wirklich verantwortungsbewusste Vorsorge für unsere Landesverteidigung zum Ausdruck. Deswegen sind wir den Weg gegangen, zuerst die Rahmenbedingungen von Experten untersuchen zu lassen und dann zu den entsprechenden Maßnahmen überzugehen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss zum Zivildienst: Auch ich bekenne mich dazu, dass so, wie in der Verfassung vorgesehen, dann, wenn jemand aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe verweigert, der Zivildienst als Wehrersatzdienst einen wichtigen Bereich darstellt. Das ist auch anzuerkennen. Aber es muss klargestellt werden – so, wie es im Gesetz vorgesehen ist –, dass es erstens ein Wehrersatzdienst ist und dass zweitens Gewissensgründe dafür vorherrschend sein müssen. Solange dieses System so besteht, muss man auch darauf hinweisen, dass der Zivildienst die Ausnahme von der Regel darstellen sollte.

Ich verwahre mich aber dagegen – in der einen wie auch in der anderen Richtung –, dass man den Zivildienst und den Wehrdienst gegeneinander auszuspielen versucht. Ich weise noch einmal darauf hin, dass der Dienst unserer Soldaten – als Verteidigungsminister habe ich selbstverständlich in erster Linie Obsorge für die Soldaten des Bundesheeres walten zu lassen –, die das Gelöbnis leisten, im Ernstfall für die Republik und die Bevölkerung ihre Gesundheit und ihr Leben einzusetzen, mit nichts anderem zu vergleichen ist und unser aller Hochachtung verdient! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Abschluss möchte ich mich für die wirklich konstruktive Debatte bedanken. Ich habe mich jetzt schon zu Wort gemeldet, weil es immer kritisiert worden ist, wenn sich ein Minister als letzter Redner zu Wort gemeldet hat. Sollten weitere Fragen auftauchen, kann ich mich hier noch kurz einbringen.

Ich würde mir bei all den Schwierigkeiten, die wir beim Budget haben, wünschen, dass all diejenigen von drei Fraktionen in diesem Haus, die sich konstruktiv für das österreichische Bundesheer eingesetzt haben und die letztlich im Landesverteidigungsausschuss als Mitglieder vertreten sind, in Zukunft auch in den eigenen Fraktionen durchsetzen werden, wie es erforderlich sein wird, und dass auch ich mich als Minister in meiner eigenen Regierung durchsetzen werde, damit in Zukunft nicht nur der Bestand des Bundesheeres gesichert ist, sondern damit wir auch die materiellen und die personellen Rahmenbedingungen dafür schaffen können, dass unsere Landesverteidigung in eine gute, gesicherte Zukunft gehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte.

21.20

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Landesverteidigungsbudget wurde von meinen Vorrednern schon ob der ... (Abg. Murauer: Dargestellt!) ... dargestellt. Richtig! (Heiterkeit der Rednerin.) Wenn man das Budgetkapitel Landesverteidigung mit anderen Budgetposten vergleicht, dann steht es mit weniger als 0,8 Prozent des BIP an letzter Stelle. Vergleicht man das Landesverteidigungsbudget mit europäischen Verteidigungsbudgets, so liegt es – Kleinstaaten wie San


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Marino oder Andorra ausgenommen – überhaupt an letzter Stelle. Wie und warum es dazu gekommen ist, haben meine Vorredner schon ausführlich dargestellt. (Abg. Murauer: Sagen Sie es noch einmal, Frau Kollegin! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Trotz dieses geringen Budgets darf aber die Frage gestellt werden, ob diese Mittel auch effizient eingesetzt werden. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Gestatten Sie mir deshalb, die Frage zu stellen: Wie verhalten sich die Ausgaben für die Truppe im Vergleich zum Verwaltungsapparat? – Die drei Jägerbrigaden, die zwei Panzergrenadierbrigaden und die Korpstruppen des ersten und zweiten Korps sowie die ABC-Abwehrkompanien der Militärkommanden verfügen insgesamt über etwa 7 000 Planstellen. Das Landesverteidigungsressort verfügt jedoch insgesamt über etwa 27 000 Planstellen.

Es ist natürlich klar, dass eine Armee gewisse personelle Fixkosten hat. Man benötigt ministerielle Dienststellen – wie Schulen, Lager, Gebäudeverwaltungen, Küchenkommanden und so weiter –, trotzdem muss es aber Ziel einer Reform sein, den Überbau so gering wie möglich zu halten. Dafür gibt es nur ein Rezept, nämlich die Dezentralisierung und die Delegierung von Verantwortung, Kompetenzen und Budgets an die Truppen, an die unmittelbar vorgesetzten Kommanden. Damit werden der Verwaltungsaufwand reduziert und die Abläufe beschleunigt, weil Entscheidungen vor Ort getroffen und verantwortet werden. Zentralisierungskonzepte, seien sie im Bereich der Personalverwaltung oder der Liegenschaftsverwaltung – da bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Kollege Schöggl –, führen natürlich zu mehr Bürokratie und reduzieren damit die Effizienz der Truppe.

Außerdem denke ich, Herr Bundesminister, dass eine Deregulierung innerhalb des Bundesministeriums dringend vonnöten ist. Die Summe der Gesetze, Verordnungen und Erlässe hat bereits ein Ausmaß angenommen, bei dem die Eigenverantwortung, die Kreativität und die Motivation vielfach behindert werden.

Meine Damen und Herren! Diese Regierung hat sich zum Zeitpunkt ihres Antritts vorgenommen, in der gesamten öffentlichen Verwaltung die Kostenrechnung einzuführen. Das kann selbstverständlich auch vor dem Landesverteidigungsministerium nicht Halt machen. Auch dort wird man auf Kostenwahrheit drängen müssen.

Das Bundesheer hat zum Beispiel für das Jahr 2000 für die Einsätze in Zypern und auf dem Golan sowie für die Beobachtungseinsätze im Rahmen von UNO und OSZE 362 Millionen Schilling budgetiert. An Refundierungen seitens der UNO werden – so wurde ich informiert – lediglich 117 Millionen Schilling erwartet. Das Bundesheer hat weiters im Jahr 1999 beispielsweise für Auslandseinsätze – damit meine ich Auslandseinsätze ohne Zypern und Golan – 669 Millionen Schilling ausgegeben und auch nur teilweise refundiert erhalten. Darüber, wie sich die Kosten im Kosovo-Einsatz versus den Vergütungen durch die UNO verhalten, konnte ich keine Informationen bekommen.

Herr Minister! Wenn Geld knapp ist, ist natürlich Phantasie angesagt. Daher darf ich Sie fragen, ob es möglich ist, auch im Bereich der Landesverteidigung die Teilrechtsfähigkeit, wie zum Beispiel bei den Museen, einzuführen. Ich könnte mir vorstellen, dass durch die Vermietung von Liegenschaften, aber auch durch den Verkauf von Leistungen an private Bedarfsträger sowie bis hin zur Bezahlung der Militärmusik jeweils die einzelnen Verantwortungsträger zusätzliche Mittel refundieren könnten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Bundesminister Scheibner: Das haben wir vor!)  – Das haben Sie vor!

Die innere Reform des Bundesheeres nach dem Motto "Weniger Verwaltung, mehr Truppe" durch Dezentralisierung und Delegierung sowie die Vorgabe einer glaubhaften und finanziell umsetzbaren Sicherheitsdoktrin stehen daher dringend an. Ich bin sicher – Sie haben uns das auch in Ihren Ausführungen dargelegt –, dass Sie diese Reformen mit großer Energie angehen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.25


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Zweite Wortmeldung; Restredezeit: 12 Minuten. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.25

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister und viele Debattenredner haben heute bereits über die neue österreichische Verteidigungs- und Sicherheitsdoktrin gesprochen und sie auch angekündigt. Dazu ist von Seiten der FPÖ ein Entschließungsantrag eingebracht worden.

Auch wir – ich habe das wiederholt gesagt – sind davon überzeugt, dass wir auf Grund der geänderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen eine neue österreichische Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin brauchen. Ich darf daher den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaál, Kostelka über die Ausarbeitung einer neuen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin einbringen. Er wurde verteilt, liegt vor und bedarf daher keiner weiteren Begründung. Ich darf Sie nur ersuchen, unseren Vorstellungen und Vorschlägen näher zu treten und dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.

Herr Kollege Jung! Es ist nicht richtig, wenn Sie hier behaupten, dass unser Vorschlag, unser Antrag die Schlussfolgerung bereits vorwegnimmt. Wahr und richtig ist vielmehr, dass wir hier die weitere Vorgangsweise festgehalten haben. Wir sind also bereit mitzuarbeiten, müssen aber als gleichberechtigter Partner bereits in die Vorarbeiten mit eingebunden werden, weil wir davon überzeugt sind, dass diese wichtige sicherheitspolitische Frage auf breitester Ebene bearbeitet, besprochen, diskutiert und erörtert werden muss.

Wie gesagt, auch wir treten für eine gemeinsame Beschlussfassung in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein. Dazu waren Sie bis jetzt nicht bereit. Sie haben nunmehr die Chance, dies zu korrigieren, und die Möglichkeit, unserem Antrag die Zustimmung zu geben. Dann sind auch wir zu einem Ja zu Ihrem Antrag bereit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der in seinen Grundzügen vorgetragene Antrag Gaál, Kostelka ist ausreichend unterstützt, liegt vor und steht mit in Verhandlung. Er wird dem Stenographischen Protokoll in vollem Wortlaut beigefügt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gaál, Dr. Kostelka und Genossen betreffend Ausarbeitung einer neuen österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, eingebracht im Zuge der Debatte der Beratungsgruppe XII über den Bericht des Budgetausschusses (80 der Beilagen und Zu 80 der Beilagen) über das Budgetfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (60 der Beilagen und Zu 60 der Beilagen)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Entwicklung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ist in eine dynamische Phase getreten. Die Europäische Union will sich verstärkt allen Maßnahmen der Friedenssicherung widmen. Zu den verstärkten Bemühungen der Krisenfrüherkennung und Maßnahmen des Krisenmanagements treten auch solche des Ausbaues der verteidigungspolitischen Komponente.

Österreich hat sich mit seinem Beitritt zur Europäischen Union, dem Vertrag von Maastricht und dem Vertrag von Amsterdam verpflichtet und erklärt, an der Weiterentwicklung der gemeinsa


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men Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) einschließlich der Perspektive der Weiterentwicklung der gemeinsamen Verteidigungspolitik mitzuwirken.

Österreich wird seine Verpflichtungen aus dem Vertrag von Amsterdam erfüllen und dabei die dort eingeräumten Möglichkeiten nützen. Artikel 17 des Vertrages von Amsterdam anerkennt dabei ausdrücklich, dass die Politik der Union nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten berührt. Damit wird die besondere verfassungsmäßige Regelung Österreichs für diesen Bereich anerkannt.

Österreich hat zwar schon seinerzeit durch das Auslandseinsatzgesetz (Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, BGBl. Nr. 173/1965) Voraussetzungen für solidarische Maßnahmen im Sinne der internationalen Friedenssicherung gesetzt. Durch das KSE-BVG (Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland, BGBl. Nr. 38/1997) sowie insbesondere durch den Artikel 23f B-VG wurden außerdem die Voraussetzungen zur solidarischen Teilnahme an Maßnahmen der Europäischen Union im Rahmen der GASP normiert und die weitere Integration Österreichs in die Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen der EU vorgezeichnet.

Österreich kann in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in verfassungsrechtlich einwandfreier Form politisch und militärisch aktiv an friedenssichernden und friedensschaffenden Maßnahmen mitwirken. Österreich hat seine Bereitschaft zur internationalen Solidarität auch in zahlreichen militärischen Einsätzen unter Beweis gestellt. Die Mitwirkung am SFOR/IFOR-Einsatz in Bosnien und am KFOR-Einsatz im Kosovo ist besonders hervorzuheben.

Über seine Mitwirkung an einzelnen Friedenseinsätzen und Art und Umfang der Beteiligung hat Österreich bisher immer nach eigenem Ermessen individuell entschieden und wird dies weiterhin so halten. Eine automatisierte Teilnahme an militärischen Einsätzen ist nicht vorgesehen.

Österreich wird seine Chance nutzen, die darin besteht, beim Aufbau einer europäischen Sicherheitsarchitektur aktiv mitzuwirken, mit allen Staaten Europas gute Beziehungen zu erhalten und auszubauen und seine Politik gemäß dem Grundsatz gestalten, dass europäischen Sicherheit nur möglich ist, wenn auch die einzelnen Staaten Europas sicher sind und dass die einzelnen Staaten Europas nur sicher sein können, wenn es europäische Sicherheit gibt.

Österreich bekennt sich zu einer leistungsfähigen, modernen Landesverteidigung. Internationale Solidaritätsleistungen, Katastrophenhilfe sowie Assistenzleistungen des Bundesheeres werden künftig noch an Bedeutung gewinnen. Das Bundesheer soll für all diese Aufgaben, aber auch zur Teilnahme am gesamten Spektrum des europäischen Krisenmanagements (Petersberg-Aufgaben) vorbereitet werden. Dies schließt den Ausbau nationaler Einheiten und die Teilnahme an multinationalen Verbänden für Aktionen des internationalen Krisenmanagements (Eurokorps) ein.

Die Grundsatzpositionen der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wurden erstmals 1975 festgelegt. Die verfassungsmäßige Verankerung der umfassenden Landesverteidigung erfolgte mit einem eigenen Artikel 9a am 10. Juni 1975. Am selben Tag fasste der Nationalrat – gleichfalls einstimmig – eine Entschließung zur umfassenden Landesverteidigung (Verteidigungsdoktrin), in dem die Zielsetzungen dieser Materie mit dem abschließenden Auftrag festgelegt sind, einen Landesverteidigungsplan zu erstellen.

Diesem Wunsch entsprechend wurde – unter Einbindung der Bundesländer – der Entwurf eines Landesverteidigungsplanes bis Ende April 1976 erstellt und dem Landesverteidigungsrat zur Beratung übergeben.

Eine eigene Unterkommission dieses Gremiums, der je ein von den im Parlament vertretenen politischen Parteien entsandtes Mitglied – die Wehrsprecher – und der jeweils für das behandelnde Sachgebiet federführende Bundesminister angehörten, befasste sich in insgesamt


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48 Sitzungen mit den Soll-Vorstellungen der umfassenden Landesverteidigung und ihren Teilbereichen als richtungsweisende Rahmenplanung.

Der darauf beruhende Landesverteidigungsplan ist – sowohl im veröffentlichten als auch im nichtveröffentlichten Teil – in seinen Ausführungen Ausdruck der Übereinstimmung der damals im Parlament vertretenen politischen Parteien, wie – dem Auftrag der Verteidigungsdoktrin entsprechend – die Sicherheit unseres Landes in jeder Hinsicht bewahrt werden soll.

Diese aus dem Jahr 1975 stammende derzeitig gültige Verteidigungsdoktrin beruht noch auf der Konzeption der Raumverteidigung und ist ein Produkt des überwundenen Kalten Krieges. Die Verteidigungsdoktrin ist aber nicht nur auf Grund der in der Zwischenzeit geänderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen nicht mehr aktuell, sondern auch, weil die Aufgabenstellung der umfassenden Landesverteidigung heute nicht mehr in gleicher Weise wie 1975 gesehen werden kann.

Die großen weltpolitischen Veränderungen und die europäische Lage, welche von den grundlegenden Normen, auf denen Österreichs Sicherheitspolitik heute beruht, noch nicht ausreichend erfasst sind, bedeuten, dass Österreich eine zeitgemäße Grundsatzpolitik auf diesem Gebiet fehlt.

Österreich wird sich weiterhin an keinen kriegerischen Konflikten beteiligen. Auf der Grundlage des Bundesverfassungsgesetzes über die Neutralität Österreichs, in dem auch ausdrücklich verankert ist, dass Österreich keinem Militärpakt beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf österreichischem Gebiet nicht zulassen wird und ausgehend vom Bekenntnis zur umfassenden Landesverteidigung, wie dies im Artikel 9a des Bundes-Verfassungsgesetzes verankert ist, soll die umfassende Landesverteidigung der Republik Österreich künftig nach folgenden Grundsätzen gestaltet werden:

Aktive Teilnahme an der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur, einschließlich einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Mitwirkung am Aufbau glaubwürdiger und eigenständiger europäischer operativer Krisenmanagementkapazitäten, sowohl militärischer als auch ziviler Natur. Das schließt den Ausbau nationaler Einheiten und die Teilnahme an multinationalen Verbänden mit ein.

Im Sinne der europäischen Solidarität volle Teilnahme am gesamten Spektrum des europäischen Krisenmanagements (Petersberg-Aufgaben).

Der Nationalrat ersucht die Bundesregierung, die Ausarbeitung einer neuen österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin mit allen Parlamentsfraktionen gemeinsam zu erarbeiten und erst – nachdem die gemeinsamen Zielvorstellungen erarbeitet wurden – dem Nationalrat zur konsensualen Beschlussfassung vorzulegen. In diesem Zusammenhang wird folgende Vorgangsweise vorgeschlagen:

Konsensuale Festlegung der Empfehlung des Landesverteidigungsrates für die Aufgabenstellung der Expertenkommission.

Feststellung der Fakten durch eine Expertenkommission, der alle betroffenen Ressorts, relevanten österreichischen Organisationen und Institutionen angehören, und Vorlage der Ergebnisse an den Landesverteidigungsrat.

Beratung und konsensuale Beschlussfassung der Empfehlung des Landesverteidigungsrates an die Bundesregierung.

Vorlage eines Berichtes an das Parlament.

In diesem Bericht sind die derzeitige globale Lage, die globale und europäische Situation und die sich daraus ergebenden Probleme, Gefahren und Bedrohungen für Europa und für Österreich


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aufzuzeigen. Weiters sollten in dem Bericht Maßnahmen der bestmöglichen Gewährleistung der österreichischen Sicherheit dargestellt werden, insbesondere

1. Grundlagen einer an das neue sicherheitspolitische Umfeld angepassten österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin;

2. die darauf aufbauende Definition der Aufgaben des österreichischen Bundesheeres unter stärkerer Berücksichtigung der internationalen Aufgaben und der Katastrophenhilfe;

3. Vorschläge für eine geeignete Struktur des österreichischen Bundesheeres zur Erfüllung dieser Aufgaben und

4. die Evaluierung der Auswirkungen auf den Zivildienst und die Erarbeitung von Alternativmodellen auf der Basis der Freiwilligkeit."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lexer. – Bitte.

21.28

Abgeordneter Reinhold Lexer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Als überzeugter Milizsoldat kann ich natürlich keine Freude haben, wenn ich das Heeresbudget betrachte und mir die Dotierung ansehe. Es ist aber klar, dass man sich in Zeiten, in denen man sparen muss, nach der Decke strecken muss. Deshalb bin ich trotzdem davon überzeugt, dass der neue Verteidigungsminister die gute Arbeit unseres Bundesministers Werner Fasslabend fortsetzen wird und trotz Notbudgets den Betrieb nicht nur aufrechterhalten, sondern auch gut gestalten wird.

Obwohl derzeit die Frage "Allgemeine Wehrpflicht oder Berufsarmee" geprüft wird, möchte ich – als überzeugter Milizsoldat, wie betont – eine Lanze für das bestehende österreichische Bundesheer brechen und für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Milizsystems eintreten. (Beifall bei der ÖVP.) Ohne Pflicht geht es nicht, ohne Pflicht ist kein Gemeinwesen aufrechtzuerhalten. Die Pflicht zum Wehr- oder Zivildienst ist jedem Österreicher zumutbar und trägt wesentlich zur Steigerung des Staatsbewusstseins bei.

Darüber hinaus ist das Milizsystem, die Beteiligung der Bürger an der Landesverteidigung, eine starke Säule in einer Demokratie, die auf Gewaltenteilung Wert legt. Entscheidend ist aber, dass der Dienst spannend gestaltet wird und dass es eine zeitgerechte Ausbildung gibt. Entscheidend ist auch, dass es modernes Material und Gerät gibt und dass die Dienstzeit sinnvoll und nutzbringend verbracht wird. Das ist beim vorliegenden Budget sicherlich leichter gesagt als getan.

Mein Wunsch zum Schluss, noch einmal wiederholt: Ich möchte gerne haben, dass unser österreichisches Bundesheer aufrechterhalten wird und dass es von einem tüchtigen, motivierten und gut bezahlten Kaderpersonal geführt wird – mit der allgemeinen Wehrpflicht und dem bewährten Milizsystem. Ich bin davon überzeugt: Es gibt nichts Besseres! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. Ich erteile ihm das Wort.

21.30

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man in diesem Hause über das österreichische Bundesheer spricht, kann es sicherlich nicht schaden, wenn man als Mandatar auch einmal sehr persönlich zum Verhältnis zum Militär Stellung bezieht. In diesem Sinne möchte ich mich hier klar und deutlich als Anhänger der allgemeinen Wehrpflicht deklarieren. Ich bin der Meinung, dass die Aufgaben, die unserem Heer gestellt werden – nämlich militärische Landesverteidigung, Kata


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strophenhilfe im In- und Ausland (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), Assistenzeinsätze zur Grenzsicherung, Einsätze im Rahmen friedensunterstützender Operationen und humanitärer Hilfe im Ausland –, von einem Bundesheer mit allgemeiner Wehrpflicht am besten erfüllt werden können.

Außerdem gibt es drei unverzichtbare Vorteile: Das Heer ist in der Bevölkerung fix eingebettet; bei Verschlechterung der internationalen Lage kann unser Heer sehr rasch verstärkt werden; und drittens, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir eine breite Personalreserve für Verteidigung, Assistenzleistung, Katastrophenschutz und Auslandseinsatz. Dazu gibt es die internationale Erfahrung, dass für alle Einsätze im In- und Ausland drei Ablösen – das ist ein sehr wesentlicher Faktor – verfügbar sein müssen.

Zum Bundesheer, meine sehr geehrten Damen und Herren: Was allein die Personalkosten anbelangt, würden wir für je 1 000 Mann 1 Milliarde Schilling benötigen. Dass das kein Thema ist – überhaupt bei der derzeitigen Budgetlage –, ist, glaube ich, wohl klar. Außerdem ist der Querschnitt der Bevölkerung im Heer sehr wichtig. Das Wissen der jungen Menschen kann so dem Heer zufließen, und das ist gut so. Wenn man sich außerdem ansieht, wo die Länder, die ein Berufsheer haben, ihre Mitglieder anwerben, dann zeigt sich, dass das sicherlich alles andere als lustig ist. Ich denke, die allgemeine Wehrpflicht ist nach wie vor die Säule unseres Verteidigungssystems.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich sind Umstrukturierungen wichtig, und dessen ist sich meiner Ansicht nach auch unser Bundesminister bewusst. Dass für uns immer wieder das Bedürfnis vorhanden ist, dass von den anderen Teilen des Ministeriums zur Truppe umstrukturiert wird, ist, glaube ich, eine Uralt-Forderung, und sie ist meiner Ansicht nach auch berechtigt. Wenn man sich anschaut, dass jetzt zum Beispiel die Übernahme von 1 200 Verwaltungsbeamten der BGV, der Bundesgebäudeverwaltung, erfolgt ist, dann frage ich mich, ob das die richtige Entscheidung gewesen ist. Das kann zu Doppelgleisigkeiten mit den Militärkommanden führen. Ich weiß nicht, ob gerade das unbedingt die richtige Sache gewesen ist.

Im Allgemeinen halte ich daran fest, dass es ein erstrebenswertes Ziel sein muss, an der Vergesellschaftung unseres Heeres festzuhalten, nicht zuletzt deswegen, weil unsere Jugend dort ihren Dienst verrichtet. Es geht darum, mit dem Heer und mit den Bürgern gemeinsam einer Idee zu dienen.

Als sehr zufrieden stellend erachte ich den Stand der Ausbildung der Ausbildner, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie überhaupt das österreichische Bundesheer einen Ausbildungsstand aufweist, der sich sehen lassen kann. Wenn man internationale Militärblätter liest, sieht man, dass uns das immer wieder attestiert wird. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall bei der SPÖ.)

Es geht also, wie gesagt, um eine deutliche Abspeckung der Verwaltung unseres Heeres; das ist das allererste Problem. Das ist ja nicht nur beim Heer so, sondern das ist bei vielen anderen Problemen in diesem Lande genauso ein Gebot der Stunde.

Herr Bundesminister! Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen alle diese Dinge gelingen. Ich wünsche Ihnen – und das ist für einen Oppositionspolitiker vielleicht etwas außergewöhnlich – dazu viel Glück! Warum wünsche ich Ihnen viel Glück? – Das hat auch eine persönliche Komponente. Ich bin einer jener Abgeordneten, die so wie Sie 1990 in dieses Haus gekommen sind. Ich habe bei der FPÖ einige Klubobleute erlebt, das möchte ich auch einmal sehr deutlich sagen. Sie, verehrter Herr Bundesminister – ich spreche Sie jetzt als ehemaligen Klubobmann an –, haben immer gewusst, wo beim politisch Andersdenkenden die Gürtellinie ist. Das haben wir Ihnen eigentlich immer sehr, sehr hoch angerechnet. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) In diesem Sinne und gerade darum wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Glück für Ihre kommende Tätigkeit! (Beifall bei der SPÖ, den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.35


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. Ich erteile ihm das Wort.

21.36

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hochgeschätzter Herr Bundesminister! Heute, am zweiten Tag, da ich die Ehre habe, im Nationalrat meinen Dienst zu versehen, bin ich bereits angenehm überrascht. Das darf ich sagen. Als langjähriger Soldat und Offizier habe ich heute hier eine Debatte erlebt, aufgrund derer ich zur Kenntnis nehmen darf, dass sich der größere Teil, ja der Großteil dieses Hauses heute sehr positiv zum Bundesheer geäußert hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bei der Österreichischen Volkspartei geschieht dies ohne Wenn und Aber. Von den Sozialdemokraten habe ich den Eindruck, dass man eigentlich nur aus Parteiräson die eine oder andere Kritik angebracht hat – was ebenfalls für das Bundesheer spricht. Aber – wenn ich mir diese Kritik gleich in einem meiner ersten Sätze erlauben darf – bei den Grünen habe ich beim besten Willen keine Sachargumente ausnehmen können, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es ist im Prinzip erfreulich, dass das Bundesheer wie in der Bevölkerung so auch bei den Volksvertretern hohes Ansehen genießt. Wie gesagt, das bereitet mir auch persönlich große Freude.

Als burgenländischer Abgeordneter und als einer, der seit mehr als 50 Jahren direkt an der österreichisch-ungarischen Grenze lebt – zuerst am Eisernen Vorhang, nun an der Schengen-Außengrenze –, darf ich anlässlich meines ersten Debattenbeitrages kurz zur Assistenzleistung des Bundesheeres an unserer Grenze Stellung nehmen. Was unser Bundesheer in dieser Angelegenheit geleistet hat, derzeit leistet und, wie wir gehört haben, in Zukunft noch leisten wird, möchte ich mit einigen wenigen Zahlen unterstreichen.

Am Assistenzeinsatz unter der Führung des Militärkommandos Burgenland haben mit Stand vom 11. Mai 2000 – also heute – 204 134 Soldaten teilgenommen. Nur zur Illustration: Das Burgenland hat eine Bevölkerung von etwas mehr als 270 000 Einwohnern. Es wird nicht lange dauern, bis diese Bevölkerungszahl von den Soldaten übertroffen werden wird.

Derzeit sind mehr als 2 000 Soldaten im Einsatz. Wenn man sich aber die Vergleichszahlen der letzten Jahre ansieht, was das Schlepper-Unwesen und die illegalen Grenzgänger betrifft, so muss man leider eine starke Zunahme feststellen. Besonders groß war die Steigerung von 1998 auf 1999, nämlich plus 117 Prozent! Im Jahre 1998 hatten wir ungefähr 20 000 illegale Grenzübertritte, 1999 leider schon etwa 43 000.

Im Bundesländer-Vergleich – das mag vielleicht interessant sein, weil heute auch die niederösterreichische Grenze angesprochen wurde – ist es so, dass bis vor kurzem immer das Burgenland die negative Spitzenposition, möchte ich sagen, an illegalen Grenzübertritten eingenommen hatte. In dieser Hinsicht hat uns – für Niederösterreich muss man sagen: leider – Niederösterreich überholt. Dort hat es in diesen beiden Jahren eine Steigerung von 3 600 auf 10 300 illegale Grenzübergänge gegeben. Auch die Zunahme in Tirol von 900 auf 6 000 ist bemerkenswert.

Ich möchte nun mit diesen Zahlen aufhören. Die Zahlen sprechen meiner Ansicht nach für sich, sie unterstreichen die Richtigkeit und Wichtigkeit dieses Assistenzeinsatzes unseres österreichischen Bundesheeres. Ich weiß, dass die Bevölkerung diesen Grenzeinsatz will, und kein Politiker, zum Beispiel im Burgenland, getraute sich zu sagen, man solle diesen Grenzeinsatz abschaffen. Wir sind dem Bundesheer dafür sehr, sehr dankbar! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch das wurde heute bereits einige Male angeschnitten: Die Kosten, die dabei entstehen, dürften eigentlich nicht dem Bundesheer angerechnet werden. Wenn man diese Kosten dem Bundesheer nicht anrechnet und möglicherweise in Zukunft (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fi


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scher gibt das Glockenzeichen) einen eigenen Budgetposten dafür schafft, könnten wir ein Durchschnittsbudget der europäischen Staaten erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden, was das Verteidigungsbudget betrifft, gemeinsam die Wende schaffen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Wunsch der Berichterstattung nach einem Schlusswort liegt mir nicht vor.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen, und zwar stimmen wir zunächst ab über die Beratungsgruppe XII des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000 ab.

Diese umfasst das Kapitel 40 des Bundesvoranschlages samt dem dazugehörenden Teil des Konjunkturausgleich-Voranschlages in 60 der Beilagen, in der Fassung des Spezialberichtes in 80 der Beilagen.

Ich ersuche daher jene Damen und Herren, die diesem Kapitel des Bundesvoranschlages ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Dieses Kapitel ist mit Mehrheit angenommen.

Ich schlage vor, dass wir, so wie wir das jetzt immer praktiziert haben, die zu den jeweiligen Kapiteln eingelangten Entschließungen gleich abstimmen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Als Erstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gaál und Genossen betreffend pensionswirksame Beitragszeiten für ordentliche und außerordentliche Präsenzdiener.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag von Kollegen Gaál beitreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Als Nächstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Dr. Khol betreffend österreichische Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag Westenthaler, Khol zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (E 10.)

Wir gelangen schließlich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Gaál betreffend Ausarbeitung einer neuen österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag von Kollegen Gaál zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf noch bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 151/A bis 157/A (E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 750/J bis 766/J eingelangt.

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Stenographisches Protokoll
23. Sitzung / Seite 200

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, Freitag, den 12. Mai, um 9 Uhr, mit folgender Tagesordnung ein:

Bericht des Budgetausschusses über das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen. Wir werden die Beratungsgruppen Bildung, Kultur, Wissenschaft sowie die Beratungsgruppe Öffentliche Leistung und Sport beraten.

Eine Fragestunde für die morgige Sitzung ist nicht vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.44 Uhr