Stenographisches Protokoll

28. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 18. Mai 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

28. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 18. Mai 2000

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 18. Mai 2000: 9.01 – 20.30 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen

Beratungsgruppe VII: Soziale Sicherheit und Generationen; Sozialversicherung; Gesundheit; Jugend und Familie

Beratungsgruppe XI: Finanzverwaltung; Kassenverwaltung; Öffentliche Abgaben; Finanzausgleich; Bundesvermögen; Pensionen (Hoheitsverwaltung); Sonstige Finanzierungen und Veranlagungen; Finanzschuld, Währungstauschverträge

Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan und Fahrzeugplan

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen 8

Ordnungsrufe 62, 65

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 9


Nationalrat, XXI.GP
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28. Sitzung / Seite 2

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka betreffend die Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 110

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol im Zusammenhang mit den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka 110

Wortmeldung des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler betreffend Anwesenheit des Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer während der Debatte über die Dringliche Anfrage 115

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka betreffend Anfragebeantwortung der Dringlichen Anfrage durch Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 115

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 8

Ausschüsse

Zuweisungen 8

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Vierter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses 9

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Wiederherstellung der Verteilungsgerechtigkeit und neuerliches Sparpaket (812/J) 96

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer 101

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 104

Debatte:

Rudolf Nürnberger 111

Mag. Herbert Haupt 113

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 115

Mag. Werner Kogler 117

Rudolf Edlinger 120

Reinhart Gaugg 122

Friedrich Verzetnitsch (tatsächliche Berichtigung) 124

Dr. Michael Spindelegger 124


Nationalrat, XXI.GP
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28. Sitzung / Seite 3

Karl Öllinger 126

Heidrun Silhavy 128

Georg Schwarzenberger 129

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 131

Mag. Gilbert Trattner 132

Franz Riepl 134

Ing. Peter Westenthaler 135

Heidrun Silhavy (tatsächliche Berichtigung) 136

Dr. Andreas Khol 137

Rudolf Edlinger (tatsächliche Berichtigung) 138


Nationalrat, XXI.GP
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28. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen betreffend Vorlage eines Verteilungsberichts – Ablehnung 134, 138

Verhandlungen

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 und Zu 60 d. B.): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (80 und Zu 80 d. B.) 9

Beratungsgruppe VII: Kapitel 15: Soziale Sicherheit und Generationen, Kapitel 16: Sozialversicherung, Kapitel 17: Gesundheit, Kapitel 19: Jugend und Familie 10

Redner:

Mag. Barbara Prammer 10

Mag. Herbert Haupt 13

Annemarie Reitsamer (tatsächliche Berichtigungen) 17, 58

Karl Öllinger 17, 146

Dr. Gottfried Feurstein 20

Bundesministerin Dr. Elisabeth Sickl 22, 94

Dr. Caspar Einem 25

Reinhart Gaugg 27

Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigungen) 29, 148

Friedrich Verzetnitsch (tatsächliche Berichtigung) 29

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 29

Ridi Steibl 32

Mag. Andrea Kuntzl 34

Sigisbert Dolinschek 35

Dr. Kurt Grünewald 38

Dr. Erwin Rasinger 41

Dr. Kurt Grünewald (tatsächliche Berichtigung) 43

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 44

Mag. Gisela Wurm 44

Edith Haller 46

Dieter Brosz 48

Werner Amon 50

Annemarie Reitsamer 51

Mag. Rüdiger Schender 53

Theresia Haidlmayr 55

Mag. Dr. Josef Trinkl 57

Heidrun Silhavy 59

Theresia Zierler 60

Anna Huber 62

Rosemarie Bauer 63

Rudolf Nürnberger 65

Dr. Alois Pumberger 66

Karl Dobnigg 68

Dr. Günther Leiner 69

Helmut Dietachmayr 70

Dr. Brigitte Povysil 71

Gabriele Heinisch-Hosek 73

Karl Donabauer 74

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) 76

Dr. Elisabeth Pittermann 76

Mag. Beate Hartinger 78

Ing. Erwin Kaipel 80

Nikolaus Prinz 82

Manfred Lackner 84

Norbert Staffaneller 86

Mag. Ulrike Sima 87

Dr. Reinhold Mitterlehner 88

Dr. Ilse Mertel 90

Edeltraud Gatterer 138

Gabriele Binder 140

Edeltraud Lentsch 141

Ludmilla Parfuss 142

Dr. Gerhart Bruckmann 143

Gerhard Reheis 144

Franz Kampichler 145

Karl Freund 147

Mag. Walter Tancsits 148

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Sicherstellung der Gleichstellung von Männern und Frauen in Österreich – Ablehnung 12, 149

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Arbeitsmarktpolitik für Frauen – Ablehnung 35, 150

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Kinderbetreuung – Ablehnung 45, 150

Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Zierler, Rosemarie Bauer und Genossen betreffend verbesserte Arbeitsmarktchancen für Frauen – Annahme (E 11) 80, 150

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel und Genossen betreffend familienpolitische Maßnahmen – Ablehnung 93, 150

Annahme der Beratungsgruppe VII 149

Beratungsgruppe XI: Kapitel 50: Finanzverwaltung, Kapitel 51: Kassenverwaltung, Kapitel 52: Öffentliche Abgaben, Kapitel 53: Finanzausgleich, Kapitel 54: Bundesvermögen, Kapitel 55: Pensionen (Hoheitsverwaltung), Kapitel 56: Sonstige Finanzierungen und Veranlagungen, Kapitel 58: Finanzschuld, Währungstauschverträge 150

Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan und Fahrzeugplan 150

Redner:

Dr. Kurt Heindl 150

Mag. Gilbert Trattner 153

Mag. Werner Kogler 154

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll 158, 179

Rudolf Parnigoni 159

Hermann Böhacker 161

Marianne Hagenhofer 162

Jakob Auer 163

Hans Müller 164

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 166

Andreas Sodian 169

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 171

lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher 172

Ernst Fink 173

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 174

Dr. Peter Kostelka 175

Dr. Andreas Khol 176

Ing. Peter Westenthaler 176

Rudolf Edlinger 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Marianne Hagenhofer und Genossen betreffend Erhöhung des Pendlerpauschales – Ablehnung 163, 180

Annahme der Beratungsgruppe XI 180

Annahme des Bundesfinanzgesetzes für das Jahr 2000 samt Anlagen 181

Eingebracht wurden

Berichte 9

III-43: Bericht betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 16.4.1998, E 110-NR/XX.GP; BM f. Wirtschaft und Arbeit


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28. Sitzung / Seite 5

III-44: Österreichischer Familienbericht 1999; BM f. soziale Sicherheit und Generationen

Anträge der Abgeordneten


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28. Sitzung / Seite 6

Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Sicherstellung der Gleichstellung von Männern und Frauen in Österreich (171/A) (E)

Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Kinderbetreuung (172/A) (E)

Karl Öllinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz, BGBl. 183/1947, geändert wird (173/A)

Mag. Barbara Prammer und Genossen betreffend Arbeitsmarktpolitik für Frauen (174/A) (E)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem eine Steueramnestie aus Anlass der Abschaffung der anonymen Sparbücher gewährt wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert wird (175/A)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen betreffend die rechtliche Umsetzung des Memorandums der österreichischen Volksgruppen 1997 (176/A) (E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Wiederherstellung der Verteilungsgerechtigkeit und neuerliches Sparpaket (812/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (813/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (814/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (815/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (816/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (817/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (818/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (819/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (820/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (821/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (822/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (823/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Gleichstellung von Geschlechtern (824/J)

Dr. Günther Kräuter und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Vision einer Messe der EU-Erweiterung im Zentrum der Steiermark (825/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die Situation von Migrantinnen (826/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Situation von Migrantinnen (827/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Wohnungsmieten und EU-Mehrwertsteuer-RL (828/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Wohnungsmieten und EU-Mehrwertsteuer-RL (829/J)

Dieter Brosz und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Österreichisches Institut für Familienforschung (830/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend sicherheitsbehördliches Einschreiten bei Bettelei (831/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verfahren gegen den Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil (832/J)

Werner Miedl und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend das Höchstalter von 30 Jahren bei Eintritt in den Exekutivdienst (833/J)

Werner Miedl und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die gesetzliche Anerkennung des Blindenführhundes als Hilfsmittel und Diensthund in Österreich (834/J)

Dr. Robert Rada und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Generalsanierung der B 49 Angern–Marchegg und der Ortseinfahrt Waltersdorf an der March (835/J)

Dieter Brosz, Beate Schasching und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend "Evaluation des Schulversuches Mittelschule" (836/J)

Mag. Kurt Gaßner und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Controlling- und Berichtswesen bei der Erschließung zusätzlicher Finanzmittel an öffentlichen Schulen beziehungsweise Schulen mit Öffentlichkeitsrecht (837/J)


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28. Sitzung / Seite 7

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend verbotene Tierarzneimittel beziehungsweise Antibiotika (838/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend "Sofia-Connection" II. Teil (oder die weißrussische Variante); Praktiken der Fa. Oberkofler Ges.m.b.H., Handel und Transport, Blühnbachstraße 3, 5451 Tenneck (839/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend "Sofia-Connection" II. Teil (oder die weißrussische Variante); Praktiken der Fa. Oberkofler Ges.m.b.H., Handel und Transport, Blühnbachstraße 3, 5451 Tenneck (840/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend "Sofia-Connection" II. Teil (oder die weißrussische Variante); Praktiken der Fa. Oberkofler Ges.m.b.H., Handel und Transport, Blühnbachstraße 3, 5451 Tenneck (841/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend "Sofia-Connection" II. Teil (oder die weißrussische Variante); Praktiken der Fa. Oberkofler Ges.m.b.H., Handel und Transport, Blühnbachstraße 3, 5451 Tenneck (842/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die sprachliche Verunglimpfung von Frauen durch FPÖ-SpitzenpolitikerInnen (843/J)

Dr. Robert Rada und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Personalabbau bei der Post (844/J)

Anna Huber und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die unzumutbare räumliche Situation der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung (BALUF) in Wien (845/J)

Anna Huber und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die unzumutbare räumliche Situation der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung (BALUF) in Wien (846/J)

Mag. Barbara Prammer und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die Förderung von Mädchen- und Fraueneinrichtungen für das Jahr 2000 (847/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm und Genossen (526/AB zu 634/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (527/AB zu 475/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (528/AB zu 520/J)


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28. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und eröffne die 28. Sitzung des Nationalrates, die für heute 9 Uhr einberufen wurde.

Das Amtliche Protokoll der 25. Sitzung vom 16. Mai ist ohne Einspruch geblieben; es gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Ing. Gerhard Bauer, Ing. Maderthaner und Ortlieb.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Bundeskanzleramt hat Mitteilung gemacht über eine Entschließung des Herrn Bundespräsidenten, wonach Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner durch Herrn Bundesminister Mag. Molterer vertreten wird.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich auf die schriftliche Mitteilung, die Ihnen nach § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung vorliegt.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 526/AB bis 528/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Agrarrechtsänderungsgesetz 2000 (107 der Beilagen);

Umweltausschuss:

Antrag 167/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz geändert wird (AWG-Novelle IPPC),

Antrag 168/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Prüfung der Umweltverträglichkeit und die Bürgerbeteiligung geändert wird;

Verfassungsausschuss:

Antrag 169/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz zur Einführung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit geändert wird,


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28. Sitzung / Seite 9

Antrag 170/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und dem Verwaltungsgerichtshof (Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO);

Wirtschaftsausschuss:

Antrag 166/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Helmut Haigermoser und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird;

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Familienausschuss:

Österreichischer Familienbericht 1999, vorgelegt von der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen (III-44 der Beilagen);

Gleichbehandlungsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung auf Grund der Entschließung des Nationalrates vom 16.4.1998, E 110-NR/XX.GP (III-43 der Beilagen).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters darf ich bekannt geben, dass der Vierte Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an die Mitglieder des Nationalrates verteilt wurde.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub der sozialdemokratischen Abgeordneten hat gemäß § 93 Abs. 2 GOG das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 812/J der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Wiederherstellung der Verteilungsgerechtigkeit und neuerliches Sparpaket dringlich zu behandeln.

Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung, die Sie alle kennen, wird diese Dringliche Anfrage de facto um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (60 und Zu 60 der Beilagen): Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (80 und Zu 80 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten wie folgt erzielt: Es ist eine Blockredezeit von 8 Stunden vorgeschlagen, aus der sich im Einzelnen folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 156, Freiheitliche und ÖVP je 116, Grüne 92 Minuten.

Die Redezeit des für die jeweilige Beratungsgruppe zuständigen Regierungsmitglieds, die 20 Minuten überschreitet, beziehungsweise die Redezeit des zuständigen Staatssekretärs, die 10 Minuten überschreitet, wird auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.

Ferner soll die Redezeit ressortfremder Regierungsmitglieder und Staatssekretäre von Beginn an auf die Redezeit der entsprechenden Regierungsfraktion angerechnet werden.


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28. Sitzung / Seite 10

Über diesen Vorschlag hat das Hohe Haus zu befinden. Ich frage daher, ob es Einwendungen dagegen gibt. – Da das nicht der Fall ist, stelle ich fest, dass dieser Vorschlag einhellig genehmigt wurde.

Beratungsgruppe VII

Kapitel 15: Soziale Sicherheit und Generationen

Kapitel 16: Sozialversicherung

Kapitel 17: Gesundheit

Kapitel 19: Jugend und Familie

Präsident Dr. Heinz Fischer: Daher gelangen wir nunmehr zur Verhandlung über die Beratungsgruppe VII. Ein Wunsch auf mündliche Berichterstattung liegt mir nicht vor.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte.

9.05

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Heute, am letzten Tag der Budgetdebatte, und auch im Lichte der Debatten der vorangegangenen fünf Budgettage scheint es mir angebracht zu sein, mit einem Zitat zu beginnen:

"Die Bundesregierung tritt für Respekt, Toleranz und Verständnis für alle Menschen ein, ungeachtet ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung." (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.) "Sie verurteilt und bekämpft mit Nachdruck jegliche Form von Diskriminierung, Intoleranz und Verhetzung in allen Bereichen. Sie erstrebt eine Gesellschaft, die vom Geist des Humanismus und der Toleranz gegenüber den Angehörigen aller gesellschaftlichen Gruppen geprägt ist." – Zitatende. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Dieses Zitat aus der Präambel, die die Bundesregierung zu unterzeichnen hatte, wird offensichtlich oft vergessen. Und ich habe den Eindruck, gerade in den letzten fünf Budgettagen ist darauf so manches Mal vergessen worden. Ich sage das heute deswegen ganz zu Beginn, weil ich jetzt über die Situation der Frauen sprechen möchte. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Beginn dieses letzten Budgettages steht unter diesem großen Berg an anderen Dingen auch das Frauenkapitel, soweit man überhaupt noch von einem Frauenkapitel sprechen kann, zur Diskussion. Nicht, meine Damen und Herren, dass nicht auch in den letzten fünf Tagen oft genug über Frauen gesprochen worden wäre: Denken wir an die Einsparungen, die gerade einkommensschwachen Haushalten eine schwere Bürde auferlegen, und davon sind besonders die Frauen betroffen! Denken wir an die Krankenversicherungsreform, durch die Kranksein bestraft wird – und Kinder sind häufiger krank! Denken wir an die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmung, die vor allem für Wiedereinsteigerinnen echte Probleme bringt! Denken wir an die Abschaffung des Karenzgeldes und die Installierung des Kinderbetreuungsgeldes! Der Zuschuss für Alleinerzieherinnen ist im Regierungsübereinkommen einfach nicht mehr vorhanden.

Die geplante Neuregelung der Arbeitszeit, die unter dem Schlagwort "Flexibilisierung" durchgeführt wird – einer Flexibilisierung, die offensichtlich ausschließlich im Interesse der Unternehmen sein wird –, wird die Situation der Frauen auch und wieder einmal erschweren.

Meine Damen und Herren! Das, was die Koalition plant, ist ein Angriff auf die Eigenständigkeit der Frauen. (Beifall bei der SPÖ.) Einerseits geben Sie rhetorische Bekenntnisse ab – ich bringe noch Beispiele dafür, dass Sie halbherzig und unecht Bekenntnisse in Richtung Frauen abgeben –, und andererseits zeigen Sie mit Ihren realen Maßnahmen, was Sie von den Frauen wirklich halten, meine Damen und Herren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)


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Noch eine allgemeine Bemerkung vorweg: Es geht nicht darum, welche Lebensform nun tatsächlich die bessere ist: berufstätig oder Hausfrau, verheiratet, ledig, geschieden, sondern es geht ausschließlich darum, was die Frauen wollen. (Abg. Haigermoser: Und das wissen Sie allein?) Und was sie wollen, zeigt jede Umfrage ganz eindeutig: Es geht ausschließlich und bedingungslos um die Eigenständigkeit der Frauen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Nicht alle wollen, was Sie wollen!) Es geht ausschließlich und bedingungslos um die Eigenständigkeit der Frauen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn aber alles darangesetzt wird, rechtlich, finanziell, eben nur eine Lebensform zu bevorzugen, nämlich jene des Zuhause-Seins, dann heißt das Abhängigkeit, Abhängigkeit vom Mann, aber auch Abhängigkeit vom Staat. Dann sind diese Maßnahmen ganz eindeutig als ungerecht und einer Demokratie nicht würdig zu bezeichnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was heißt denn für Sie frauenpolitische Anliegen, frauenpolitische Aspekte und frauenpolitische Interessen? Was steckt für Sie dahinter? – Keine dieser Fragen, meine Damen und Herren von der Regierung, ist in den Anfragen im Rahmen des Budgetausschusses auch nur ansatzweise beantwortet worden. Die Fragen, die wir gestellt haben, sind unbeantwortet zurückgekommen.

Sie haben nichts dazu gesagt, wie die Dotierung ausschauen wird im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung, im Rahmen von Wiedereinstiegsprogrammen. Nicht eine einzige Zahl ist dort genannt. Nichts ist zu finden hinsichtlich des Bildungsbereiches, außer Verbalbekenntnissen, nichts bei den Frauenprojekten, außer einer Zahl, die eindeutig zu niedrig ist, um die Frauenprojekte für das Jahr 2000 wirklich ordentlich abzusichern. Außer warmen Worten haben Sie den Frauen nichts zu spenden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Gleichbehandlungsgesetz. – Frau Bundesministerin Sickl, in den Beantwortungen lese ich, Sie fühlen sich nicht zuständig. Sie werden Ihre Ressortkollegen ermahnen oder unterstützen. Frau Bundesministerin, ich erwarte von Ihnen, dass Sie die Vorreiterin in dieser Debatte um die Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes sind. Und Sie haben die Beweislastumkehr bei der sexuellen Belästigung versprochen und angekündigt. Wir warten darauf, Frau Ministerin! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Aumayr: Warum haben Sie es nicht beschlossen, Kollegin Prammer?)

Einen einzigen Beweis haben Sie ja bereits erbracht, wie ernst Ihnen die Gleichbehandlungsgesetze wirklich sind, nämlich indem Sie bei der Ausgliederung der P.S.K. und auch im Telekom-Bereich das Bundesgleichbehandlungsgesetz mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt haben. Die Frauen bei der Post werden es Ihnen herzlich danken. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Oder die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Manchmal führt das Ganze ja zu einer gewissen Irritierung; auch dazu noch schnell ein paar Zitate. Ihr Ex-Parteiobmann Haider hat 1991 gesagt: Man kann sich bei mir darauf verlassen, wenn ich einmal etwas gesagt habe, dann meine ich das so! – Frau Abgeordnete Haller, gilt dieser Satz für Sie auch? Ich weiß es nicht, denn ich musste in einem Stenographischen Protokoll des Vorjahres lesen – ich zitiere –:

"Denn es ist aus unserer Sicht nicht einzusehen, daß man jetzt in jedem Bundesland eine Gleichbehandlungsanwaltschaft aufbaut, ... neue Strukturen, neue Organisationen schafft, die ja auch wieder einer gewissen Ideologie und einer gewissen Reichshälfte zuzuordnen sind."

Was heißt dieser Satz im Lichte der heutigen Situation, wenn Sie Regionalanwaltschaften in Kärnten, in der Steiermark oder auch in anderen Bundesländern einrichten wollen? Was heißt das? (Abg. Dr. Martin Graf: Wir wollen keine Behörden! Das ist es! Wir haben 2 800 Gleichbehandlungsanwälte! Sie wollen nur Behörden haben, Behörden, wo Sie Einfluss nehmen können!) Heißt das, dass Gleichbehandlung offensichtlich jetzt anders interpretiert wird im Sinne des Nicht-mehr-Beachtens zum Beispiel der Gleichstellung von Frauen, wie wir es auch bei der Post gesehen haben? (Abg. Haigermoser: Ist Ihnen bewusst, dass Sie in Ihrer Regierungstätigkeit gescheitert sind?)

Die gemeinsame Obsorge ist schon erwähnt worden. Es ist auch heute schon möglich – und ich möchte das an dieser Stelle noch einmal sagen –, dass bei gutem Willen der Geschiedenen die Obsorge im Einvernehmen wahrgenommen wird, und zwar mit Vollmachten. Dazu braucht man


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28. Sitzung / Seite 12

kein neues Gesetz, dazu braucht es einfach den guten Willen. Wenn es an diesem guten Willen fehlt, gilt es die Kinder zu schützen, denn ohne guten Willen wird eine gemeinsame Obsorge ausschließlich auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Halbherzige Maßnahmen brauchen wir nicht! Die dritte Facette, nämlich wenn die Obsorge geteilt wird, trifft die Frauen. Mit welchem Argument könnte man verhindern, dass sich der Mann dann auch den Unterhalt teilen lässt? Praktisch, meine Damen und Herren: die Hälfte des Unterhaltes für die Frau und die Kinder, und er hat das große Sagen bei der Obsorge. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Maßnahmen sind nicht in unserem Interesse, sind nicht im Interesse der Frauen.

Zu den Pensionen. – Frau Bundesministerin Sickl, Sie haben in dieser Woche eine Aussendung gemacht, in welcher steht, es gehe der Regierung um eine Beitragsgerechtigkeit im gesamten System und eine langfristige Angleichung aller Pensionssysteme im Sinne der Fairness für alle Österreicherinnen und Österreicher.

Meine Damen und Herren! Was verstehen Sie unter Fairness, wenn Sie in Zukunft 250 S für 6 000 S Kindergeld in die Pensionskasse einzahlen wollen? Jede Frau, jeder Mann, die beziehungsweise der 6 000 S verdient, hat bekanntlich etwas mehr in die Pensionskasse einzubezahlen. Fairness wäre es, wenn Sie diese Maßnahmen zumindest rechtlich und finanziell, mit ganz klar dotierten Mitteln absichern würden, mein Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Ist das Ihre Jungfernrede?)

Wie ernst Sie Frauen nehmen, zeigt sich auch an einer Maßnahme, die Sie uns schriftlich mitgeteilt haben, und da möchte ich noch einmal zur Präambel zurückkehren. (Abg. Haigermoser: Warum wollen Sie einen Keil in eine Ehe treiben?) Es gibt keine Weltoffenheit mehr, es gibt auch keinen Frauenkunstpreis mehr, meine Damen und Herren, einen Preis, der wichtig wäre. Die Maßnahme, diesen Frauenkunstpreis ersatzlos zu streichen, geht an die Adresse der Künstlerinnen, die es im Bereich der Kunst auch schwerer haben.

Die Liste der Fehler der Regierung in puncto Frauenpolitik ist lang: falsche Arbeitsmarktpolitik, unverbindliche Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kürzungen bei Kinderbetreuungseinrichtungen, das Abschaffen des Karenzgeldes, die Einsparungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik und vieles andere mehr – das ist das neue Frauenbild der Bundesregierung! Sie verstehen – gerade auch was die Frauen betrifft – unter "Österreich neu regieren" Österreich abkassieren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte zum Schluss noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Mag. Andrea Kuntzl, Dr. Caspar Einem und GenossInnen betreffend Sicherstellung der Gleichstellung von Männern und Frauen in Österreich

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle notwendigen gesetzlichen Maßnahmen zu setzen, um die Sicherstellung einer gerechten, gleichstellungsorientierten Gesellschaftsstruktur in Österreich voranzutreiben. Dazu gehören insbesondere die Absicherung der Berufstätigkeit von Frauen, der allgemeinen Gleichheitsansätze hinsichtlich der Chancen am Arbeitsplatz (also der Umsetzung und Weiterentwicklung der Gleichbehandlungsgesetze im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Bereich), des freien und gleichberechtigten Zuganges zu öffentlichen und politischen Ämtern (Abg. Dr. Martin Graf: So viel liegt im Argen nach 30 Jahren Sozialismus? Das ist ja unglaublich! Was haben Sie in den letzten Jahren gemacht?) und die Absicherung der frauenspezifischen wesentlichen Absicherung im Hinblick auf Garantierung der Eigenständigkeit in


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schwierigen persönlichen Situationen (also der Garantie der Aufrechterhaltung und des weiteren Ausbaues der Frauenhäuser beziehungsweise der Weiterentwicklung eines diesbezüglichen Scheidungsrechts).

*****

Herr Abgeordneter Pumberger, das richtet sich nicht so sehr an Ihre Adresse, sondern an die ÖVP: Wenn wir es nur gewusst hätten, dass wir 14 Jahre allein regiert haben, was hätten wir für die Frauen in diesen 14 Jahren alles zustande gebracht! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Prammer soeben vorgetragen hat, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Die Redezeit ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte.

9.19

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler und Mag. Trattner und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (60 und Zu 60 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes (80 und Zu 80 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage ist wie folgt zu ändern:

1. In der Anlage I der im Titel bezeichneten Regierungsvorlage sind die nachfolgenden Voranschlagsansätze wie folgt einzufügen beziehungsweise zu ändern:

     

abzuändern

VA-Ansatz

Aufgaben-

Bezeichnung

von

um

auf

 

bereich

 

Millionen Schilling

1/15

 

Soziale Sicherheit und Generationen:

     

1/15000

43

BM für soziale Sicherheit und Generationen; Zentralleitung; Personalausgaben



462,664



-0,00


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1



462,663

1/15004

43

BM für soziale Sicherheit und Generationen; Zentralleitung; Förderungen (Gesetzl. Verpflichtungen)




-




+0,001




0,001

           

1/17

 

Gesundheit:

     

1/17427

21

Zweckzuschüsse nach dem Krankenanstaltengesetz (KAG)


6.440,952


+14,160


6.455,112

 

2. Die durch die Änderung bedingten Betragsänderungen sind auch in den in der Anlage I sowie Ia, Ib und Ic enthaltenen Summenbeträgen entsprechend zu berücksichtigen."

*****

Diese Änderungen sind auf Grund der Kompetenzänderungen durch die Bundesministeriengesetz-Novelle 2000 sowie auf Grund der gestern beschlossenen Ersatzlösungen für die Getränkesteuer notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesem Abänderungsantrag beizutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte nunmehr in die eigentliche Debatte des heutigen Tages, die dem Sozialbudget des Ministeriums für Soziales und Generationen gewidmet ist, eingehen.

Sie, Frau Kollegin Prammer, haben in Ihrer Rede für die sozialdemokratische Fraktion im Besonderen von der Stellung der Frauen und von Ihren Befürchtungen im Hinblick auf die Stellung der Frauen unter der neuen österreichischen Bundesregierung unter Beteiligung der Freiheitlichen und der Österreichischen Volkspartei gesprochen. Sie haben mit der Frage geschlossen: Was hätten wir Sozialdemokraten alles für die Frauen machen können, wenn wir 14 Jahre allein regieren hätten können?! (Abg. Haigermoser: Hervorragend! – Abg. Ing. Westenthaler: Eine schreckliche Vision! – Abg. Haigermoser: Ein Alptraum!)

Sehr geehrte Frau Prammer! Wenn Sie sich ansehen, was Sie in der Zeit von 1972 bis 1983 in elf Jahren sozialistischer Alleinregierung für die Frauen geschafft haben (Abg. Mag. Prammer: Ja, das lässt sich sehen!), so glaube ich nicht, dass das, was Sie am Schluss Ihrer Rede hier gesagt haben, für die Frauen von Vorteil gewesen wäre. (Abg. Mag. Prammer: Das lässt sich sehen: der § 144, die Einführung des Karenzgeldes, ...!) Damals, unter Bundeskanzler Kreisky, hatten die Frauenangelegenheiten zwar einen hohen plakativen Wert, aber in den wichtigsten Eckdaten für die Frauen – im Zugang zu klassischen Männerberufen, im Zugang zu höheren akademischen Positionen in Bund und Ländern, in Wissenschaft und Forschung und bei der Schließung der Schere zwischen den Einkommen von Männern und Frauen und zwischen den Pensionen von Männern und Frauen – wurde keine deutliche Verbesserung erreicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage es heute hier zum wiederholten Male: Es hat unter der sozialistischen Regierung eine einzige Phase gegeben – das war von 1990 bis 1994 –, in der Sie diese Eckdaten unter Bundesminister Hesoun verbessert haben (Zwischenrufe der Abgeordneten Huber und Mag. Prammer ); nachher und vorher aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, war für die Frauen nichts drinnen! Daher glaube ich, Frau Prammer, dass weitere 14 Jahre unter Ihrer Ägide für die Frauen zwar sehr viele plakative Ankündigungen bedeutet, aber in der Substanz keine Verbesserung gebracht hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das wäre ein Alptraum für die Frauen!)

Sehr geehrte Frau Ex-Bundesminister Prammer! Wenn Sie hier das Herausdrängen der Frauen aus dem Arbeitsplatz und aus der Arbeitswelt monieren, so erinnern Sie sich doch bitte daran, dass die "Kindergartenmilliarde" Ihrer letzten vier Regierungsjahre, in denen Sie für die Frauen verantwortlich waren, nie eine solche war! (Abg. Ing. Westenthaler: Lauter hohle Ankündigungen!) Es waren da 600 000 S, dort 560 000 S und so weiter. Ich kann dies auch anhand eines eigenen Beispiels darlegen: Um einen Kindergarten zu erneuern, habe ich aus der "Kindergartenmilliarde" für insgesamt fünf Halbtags- und zwei Ganztagsplätze 2,5 Millionen Schilling an Förderungen bekommen!


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Sehr geehrte Frau Prammer! Ich kann Ihnen nichts anderes sagen, als dass Ihre "Kindergartenmilliarde" dann (Abg. Jäger: Sie wissen, dass Kindergärten Landessache sind!), wenn sie umgesetzt worden wäre, für die heutigen Frauen unter 20 und unter 30 mit einer solchen Verspätung gekommen wäre, dass sie weder am Arbeitsmarkt teilnehmen hätten können, noch entsprechende Kinderbetreuungseinrichtungen, die dem flexiblen Arbeitseinsatz für alle Arbeitnehmer gerecht geworden wären, vorgefunden hätten. (Zwischenrufe der Abgeordneten Huber und Jäger. )

Das schnell wirkende Instrument der Tagesmütter haben Sie ja sträflich vernachlässigt und ausgehungert, sehr geehrte Frau Prammer, weil Ihnen das aus ideologischen Gründen nicht gepasst hat. Den Aufbau von Kinderbetreuungsplätzen (Abg. Jäger: Kindergärten sind Landessache!) haben Sie auf der anderen Seite nur zögerlich und langsam umgesetzt. Sie waren immer nachhinkend und haben daher den Frauen diese wichtigen Rahmenbedingungen nie geben können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Frau Prammer! Es nützt nichts, wenn Sie das heute beklagen. Ich sehe schon ein, dass es für Sie ein Jammer ist, dass heute mit Frau Bundesminister Sickl nunmehr das erste Mal seit Schaffung des Frauenministeriums eine Frau mit einem echten Vetorecht in Frauenangelegenheiten in der Bundesregierung sitzt (Abg. Mag. Prammer: Ein Vetorecht ... gehabt!), etwas, das nicht einmal Frau Bundesminister Dohnal gehabt hat und das schon gar nicht Sie, Frau Minister Prammer, gehabt haben. Wir können uns noch ganz genau erinnern: Immer dann, wenn Sie plakativ gute Vorstöße für die Frauen gemacht haben, ist in der entscheidenden Regierungssitzung Ihr Bundeskanzler Klima hart auf die Bremse getreten, und Sie sind im Regen stehen geblieben, ähnlich wie in der Atomfrage. (Abg. Mag. Prammer: Geh! – Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!)

Sehr geehrte Frau Prammer! Wir sind nicht so vergesslich wie Sie! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir haben kein selektives Erinnerungsvermögen! Daher wären 14 Jahre weiterer sozialdemokratischer Alleinregierung aus meiner Sicht eine Drohung für die Frauen gewesen (Abg. Haigermoser: Nicht nur aus deiner, auch aus meiner!), sie hätten keine Verbesserung der Situation der Frauen gebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich aber nunmehr einem anderen Thema zuwenden, weil ich überzeugt davon bin, dass die weiblichen Abgeordneten der freiheitlichen Fraktion und der Österreichischen Volkspartei aus der Sicht der Frauen in diesen beiden Fraktionen eine noch umfassendere und noch bessere Antwort geben werden als ich in meinem Anfangsstatement.

Ich möchte mich nunmehr einem Thema zuwenden, das heute in der politischen Diskussion gerade im Sozialbereich im Mittelpunkt steht: der Pensionsreform.

Wenn man sich den Gewerkschaftstag und die entsprechenden Aktionen der österreichischen Gewerkschaften, die Presseaussendungen und all jene Dinge ansieht, so muss man angesichts der Argumente, die hier in den Raum gestellt werden, als unbedarfter österreichischer Staatsbürger zu der Überzeugung kommen, dass diese Bundesregierung zum falschen Zeitpunkt, in der falschen Höhe und völlig am Markt vorbei den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Belastung zumutet, die nach Ihren Worten eine Umverteilung von unten nach oben und insgesamt unsozial wäre.

Tatsache, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, ist: Unsozial wäre es, heute keine Pensionsreform anzugehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Unsozial wäre es, die entsprechenden marginalen Taten, so wie Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, es mehr als 30 Jahre lang gehandhabt haben, anstehen zu lassen, auf die lange Bank zu schieben und eine Reform dann mit für die Bevölkerung noch drastischeren Schritten umsetzen zu müssen. Das, sehr geehrte Damen und Herren, wäre unsozial!

Erinnern Sie sich doch an jene Tage im Jänner dieses Jahres, als Sie mit der Österreichischen Volkspartei in Verhandlungen gestanden sind. Die Aussagen, die damals Ihr Generalsekretär Rudas gemacht hat, die Aussagen, die damals Ihr ehemaliger Gewerkschaftsvorsitzender Kauf


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mann in Tirol an die Adresse seines Finanzministers Edlinger getätigt hat, all diese Aussagen scheinen Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der linken Seite, mit dem Übertritt von der Regierungsverantwortung auf die Oppositionsbank vergessen zu haben:

Dass erstens die Pensionsreform nicht aus budgetären Gründen, sondern zur langfristigen Absicherung notwendig ist, dass zweitens alle Maßnahmen, die die österreichische Bundesregierung derzeit plant, bereits 1995/97 von Rürup, also von Ihrem Experten, vorgeschlagen worden sind, dass drittens Sie, sehr geehrte Damen und Herren, damals im vollen Bewusstsein um die finanzielle Problematik diese Vorhaben auf die lange Bank geschoben haben, und dass viertens schon seit dem Vorjahr, seit 1999, Frau Bundesministerin Hostasch, wie die Aktenvermerke ihres eigenen Ministeriums zeigen, von ihren eigenen Beamten darauf hingewiesen worden ist, dass auf Grund einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof die Form der Frühpension mit 55 beziehungsweise 57 Jahren für Frauen beziehungsweise Männer auf europäischer Rechtsebene nicht halten werde.

Ich kenne kein einziges Gutachten, auch nicht das der Ihnen von der Sozialdemokratie und der Gewerkschaft zugehörigen Experten, das für Österreich eine Frühpension mit 55 Jahren mit freiem Zugang für alle Österreicher als Absicherung des Lebensstandards für die Pensionisten garantiert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn das nicht umgesetzt werden würde, wenn der Europäische Gerichtshof in diesem Zusammenhang positive Erkenntnisse fällen würde, würde das einen ungehemmten Zugang zu Frühpensionen mit 55 Jahren für alle bedeuten und damit einen langfristigen Verlust für die heute unter 40-Jährigen in der staatlichen Pension durch eine Reduzierung auf nur mehr 40 Prozent Deckungsbetrag.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dann wären wir genau dort, wo Ihre englischen Parteifreunde sind, wo Ihre finnischen Parteifreunde sind und wo die Schweden gewesen sind, ehe sie acht Jahre lang eine Reform ihres Pensionssystems durchgeführt haben, um diesen Einkommensverlust in der Pension nicht hinnehmen zu müssen.

Jeder, der sich gegen die derzeitige maßvolle Pensionsreform wehrt, muss auch zur Kenntnis nehmen, dass er damit zwar in den nächsten vier oder fünf Jahren der heutigen Generation der 45- bis 50-Jährigen vielleicht einen kurzfristigen Gefallen getan hat, dass er aber damit den Generationenvertrag gefährdet und dass er damit langfristig, zumindest ab 2010, den heutigen Deckungsgrad im österreichischen Pensionssystem – und das ist immerhin der zweithöchste in allen Staaten der Europäischen Union! – nachhaltig gefährdet.

Wenn Sie das wollen, sehr geehrte Damen und Herren, dann sagen Sie auch Ihren jungen Demonstranten auf der Straße, was Sie tatsächlich vorhaben: den jungen Leuten für einen kurzfristigen tagespolitischen Erfolg langfristig ihre Pensionen zu kürzen und ihre Beiträge und Steuern zu erhöhen. – Das zu sagen wäre fair, das wäre korrekt, das wäre das, was man von einem verantwortungsvollen Politiker erwarten kann.

Diese Wahrheit und diese Klarheit, sehr geehrten Damen und Herren, ist von Ihnen, von der Sozialdemokratie, und von Ihnen, von den Grünen, nicht zu erwarten. Deswegen fürchten Sie auch die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission zur Begleitung der Pensionsmaßnahmen: weil damit unsinnige Wahlbriefe nach Vranitzky-, Klima- und Blecha-Schema in Zukunft bei den Österreicherinnen und Österreichern nicht mehr für Wahlsiege ausreichend sein werden, ebenso wenig wie Demonstrieren auf der Straße, sondern ausschließlich politische Arbeit hier im Parlament. (Abg. Dr. Mertel: Dafür bekommen sie unsinnige Kinderscheck-Briefe!) Das Arbeiten hier im Parlament aber haben Sie derzeit noch nicht gelernt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Das war eine gehörige Abrechnung, Frau Prammer! – Abg. Mag. Trattner: Eine Lehrstunde war das! Die nächste kommt um 15 Uhr!)

9.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Haupt im Zuge seiner Rede zum Budget eingebracht hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht daher mit in Verhandlung.


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Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Reitsamer zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Jetzt müssen Sie beschämt sein, Frau Prammer!)

9.31

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Abgeordneter Haupt hat in seiner Rede behauptet, es hätte im Büro der seinerzeitigen Sozialministerin Eleonora Hostasch einen Aktenvermerk gegeben (Abg. Aumayr: Ist das die Sozialsprecherin?), wonach Pensionen auf Grund von Erwerbs- beziehungsweise Arbeitsunfähigkeit nach dem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes nicht haltbar sein würden. – Das ist falsch!

Richtig ist vielmehr, dass sich der Europäische Gerichtshof mit dem unterschiedlichen Pensionsanfallsalter von 55 Jahren bei Frauen und 57 Jahren bei Männern auseinander gesetzt hat und demzufolge die Männer mit 55 in diese Form der Pension gehen können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Aumayr: Genau das hat der Herr Kollege gesagt! – Abg. Ing. Westenthaler: Genau das hat er gesagt! – Abg. Reitsamer  – auf dem Weg zurück zu ihrem Sitzplatz –: Nein, das hat er nicht gesagt! – Abg. Haigermoser: Das war eher eine "tatsächliche Bestätigung"!)

9.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt wissen wir, warum es einen neuen Sozialsprecher gibt!)

9.33

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja auffällig, dass Herr Abgeordneter Haupt eine Spezialvariante von dem gewählt hat, was wir in den letzten Tagen bei jeder Rede, bei jedem Kapitel von Seiten der Regierungsparteien gehört haben. Wir würden ja gern etwas anderes, etwas Besseres machen, aber leider, leider: Die Schulden, der Schuldenberg, den uns diese alte Regierung hinterlassen hat (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Schwache Politik!), der zwingt uns dazu, etwas ganz anderes zu machen als das, was wir eigentlich machen wollten. – Stimmt’s? Das ist Ihre Argumentation! (Abg. Gaugg: Endlich reif!)

Herr Abgeordneter Haupt hat eine etwas raffiniertere Variante gewählt: Er hat nicht vom Schuldenberg der Vergangenheit, sondern vom Schuldenberg der Zukunft gesprochen, der Pensionsfrage. (Abg. Mag. Firlinger: Zusätzlich!) Er hat aber dabei vergessen, dass diese Bundesregierung mit Maßnahmen, die Sie im Bereich der Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten für die Pensionsversicherung oder auch beim Wehrdienst – nicht aber beim Zivildienst – planen, vorhat, zusätzliche Schulden zu machen, die auf die Pensionsversicherung natürlich gravierende Auswirkungen haben. (Abg. Großruck: Tu uns nicht belehren! Sag dem Rudi, wie es geht!)

Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel, nämlich das Kinderbetreuungsgeld, Herr Abgeordneter Gaugg: Da wissen wir nach einer Anfragebeantwortung der Frau Bundesministerin, dass Sie in den nächsten Jahren großzügig Mittel aus dem Familienlastenausgleichsfonds für das Kinderbetreuungsgeld ausgeben wollen, die dieser Fonds aber nicht hat! Schulden – das ist Ihr Prinzip! Schulden machen für die Zukunft, das ist Ihr Prinzip, meine Damen und Herren! (Abg. Dolinschek: Das ist ein Blödsinn!)  – Ich komme dann noch darauf zurück.

Das Problem, das ich bei dieser Argumentation, die Sie verwendet haben – "wir würden ja gern etwas anderes machen, aber wir können nicht" –, habe, ist, dass es auf den Sozialbereich mit Sicherheit nicht zutrifft – mit Sicherheit nicht! Das Erstaunliche und das Problem – und das ist auch das Problem der alten Koalitionsregierung; Herr Abgeordneter Gaugg weiß das, er hat ja Reden dazu gehalten – ist doch die Tatsache, dass die Sozialquote seit Mitte der neunziger Jahre in Österreich kontinuierlich sinkt. Da sind inzwischen drei Parteien dafür verantwortlich: von der SPÖ über die ÖVP bis hin zur FPÖ. Das ist das Problem, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Das kontinuierliche Sinken der Sozialquote heißt nichts anderes, als dass im Sozialbereich seit Jahren weniger Geld ausgegeben wird, bezogen sowohl auf das BIP als auch auf die Budgetdaten. Und da kommen Sie daher und sagen, es wird zu viel Geld ausgegeben! Ja, erklären Sie


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bitte, wo! (Ruf bei der ÖVP: Bei der Pharmaindustrie zum Beispiel!) Erklären Sie es genau! Wo, Herr Abgeordneter Tancsits? Gehen wir doch einzelne Bereiche durch!

Die Unfallversicherung: Das ist einer der Bereiche, bei dem sich diese Bundesregierung dazu entschlossen hat, wieder einmal nicht nur in die Kassen zu greifen, sondern auch den Beitrag abzusenken. Abgeordneter Gaugg, glaube ich, weiß, was das heißt. Wir haben ja in der Vergangenheit, als SPÖ und ÖVP das gemacht haben – einmal hineingreifen –, schon des Öfteren im Ausschuss Gelegenheit gehabt, das zu diskutieren. Was heißt das? – Genau in dem Bereich, der sich in den letzten Jahren als das einzige erfolgreiche Mittel zur Senkung der Unfallzahlen herausgestellt hat, nämlich im Bereich des Arbeitnehmerschutzes, der präventiven Maßnahmen im Bereich der betriebsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung, genau dort wird gespart.

Das kommt der Wirtschaft durchaus entgegen, die ja schon in der Vergangenheit massiv gegen das Arbeitnehmerschutzgesetz, gegen die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung in Klein- und Kleinstbetrieben interveniert hat. Es gibt jetzt eine Lösung, die, glaube ich, verträglich wäre – auch für die Klein- und Kleinstbetriebe –, denn die Unfallversicherung übernimmt die Kosten. (Zwischenruf des Abg. Dr. Mitterlehner. )  – Stimmt’s? Die Unfallversicherung übernimmt die Kosten. – Ich halte das durchaus für ein Modell, das tauglich ist, um auch der Wirtschaft exemplarisch zu demonstrieren, dass sie es ist, die durch einen erfolgreichen Arbeitnehmerschutz, durch eine erfolgreiche Prävention Kosten sparen kann. (Beifall bei den Grünen.)

Bisher haben die Zahlen das ja auch bewiesen! Auch das stimmt: Sinkende Unfallzahlen! Sie von den Regierungsparteien waren in der Vergangenheit stolz darauf, dass in den letzten Jahren – Sie haben es nicht unmittelbar auf den Arbeitnehmerschutz zurückgeführt – die Unfallzahlen gesunken sind. Jetzt aber, Herr Kollege Mitterlehner, steigen sie wieder! Im Jahre 1999 sind die Unfallzahlen wieder gestiegen. Ich sage Ihnen: Wenn Sie die Mittel im Bereich der Unfallversicherung so kürzen, wie Sie es vorhaben, wenn Sie bei der Prävention kürzen – und sonst gibt es keinen Bereich bei der Unfallversicherung, in dem Gelder gekürzt werden können, außer Sie sperren die Spitäler der Unfallversicherung zu, und das würde ich nicht einmal Ihnen zutrauen –, dann sind die Auswirkungen klar. Das heißt, dass es durch den Verzicht auf präventive Maßnahmen als Konsequenz wieder steigende – nicht stark, aber leicht steigende – Unfallzahlen gibt.

Aber das wäre nicht die einzige Konsequenz. Die nicht sichtbaren Konsequenzen, die dann, wenn die Leute aus dem Berufsleben austreten, sichtbar werden, etwa in Form von steigenden Zahlen beim Pensionseintritt, von steigenden Zahlen für Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, diskutieren wir ja ganz wo anders. Diesen Zusammenhang aber wollen Sie nicht sehen.

Das Problem Österreichs bei der Pension, bei dem, was wir jetzt diskutieren – und da gebe ich durchaus zu, dass das nicht ein Problem der FPÖ-Beteiligung an dieser Regierung ist, auch nicht primär der SPÖ oder der ÖVP –, ist, dass sich Österreich in den letzten Jahrzehnten nie tatsächlich um einen erfolgreichen Unfallschutz und um präventive Maßnahmen, die über Unfallschutz hinausgehen, gekümmert hat. Das war kein Thema! Das Ergebnis sehen wir auf der anderen Seite, wenn wir uns die Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ansehen.

Das sind dann die abgerackerten alten Menschen, die es ja gibt, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ. Die gibt es ja tatsächlich – ob das jetzt die Putzfrau ist, die nach 30, 40 Jahren einfach nicht mehr arbeiten kann, oder ob das der Maurer ist, der nach 30, 40 Jahren nicht mehr arbeiten kann, weil ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )  – Bitte? Wollen Sie eine medizinische Fernbegutachtung machen, Kollege Pumberger? (Abg. Dr. Pumberger:  ... abgerackert!) Herr Kollege Pumberger, das war eine sehr "intelligente" Zwischenbemerkung. Ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet.

Das Problem, meine Damen und Herren, ist Folgendes: Es gibt diese Menschen, und es gibt auch statistische Aussagen darüber, dass jene Personen, die in die frühzeitige Alterspension ge


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gangen sind, auch tatsächlich früher sterben. Wenn man also vergleicht – und diese Vergleiche gibt es – zwischen der Lebenserwartung von Menschen, die mit einer normalen Alterspension alt werden und sterben, und Menschen, die wegen vorzeitiger, geminderter Arbeitsfähigkeit oder wegen einer Invaliditätspension in Pension gehen, gibt es eine Differenz in der Lebenserwartung zwischen diesen beiden Personengruppen, die beträchtlich ist.

Daher ist das Argument, das immer wieder in die Debatte eingebracht wird, nicht gültig: Da wird geschummelt; da wird versucht, die Leute einfach in die Pension abzudrängen, obwohl sie noch arbeiten könnten, obwohl sie eigentlich nur eine Chance suchen, so schnell wie möglich aus dem Arbeitsleben und aus der Arbeitswelt auszusteigen, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.) Wir haben es in Wirklichkeit mit Menschen zu tun, die nicht mehr arbeiten können.

Ich verlasse jetzt das Pensionsthema, weil es noch genügend andere Dinge zu diskutieren gilt. Ich habe davon gesprochen, dass es eine sinkende Sozialquote gibt. Ich mache nicht nur diese neue Regierung dafür verantwortlich, sondern auch die Sozialpolitik der letzten Jahre der alten Regierung, die sich nicht darum gekümmert hat, wie es etwa jenen Personen geht, die mit 40, 50 Jahren arbeitslos werden – in der Regel sind es Frauen –, einen Partner oder eine Partnerin haben, Arbeitslosengeld beziehen und dann, wenn sie Notstandshilfe beanspruchen wollen, feststellen müssen, dass sie keinen einzigen Schilling erhalten, obwohl sie jahrzehntelang gearbeitet haben. Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren! Das ist ein sozialpolitischer Skandal (Beifall bei den Grünen), an dem seit Jahrzehnten nichts repariert wurde.

Aber jetzt, wegen dieser verstärkten Kluft zwischen Arbeitslosigkeit und Eintritt in die Pension, wird es für diese Menschen dramatisch. Dabei handelt es sich in erster Linie um Frauen, die um ihre Ansprüche umfallen, und diese Frauen wissen nun über Jahre hinweg einfach nicht, wie sie über die Runden kommen sollen. Sie müssen rechnen: Der Mann geht in Pension, da wird ohnehin das Einkommen geringer, und ihr Einkommen bewegt sich durch den Wegfall der Notstandshilfe gegen null. Na ja, ein Jahr könnte man noch irgendwie mit der Abfertigung, die man beim Ausstieg aus der Arbeit kassiert hat, über die Runden kommen, aber zwei, drei, vier Jahre ohne Einkommen – das geht nicht.

Deshalb, meine Damen und Herren, wäre es wichtig gewesen, dass sich diese Regierung mit anderen Worten, als sie es getan hat, auch der Forderung des Frauen-Volksbegehrens angenommen hätte. Das wäre wichtig gewesen – nicht nur im Bereich der Pensionsversicherung. Aber was hören die hunderttausend Menschen, die das Frauen-Volksbegehren unterschrieben haben, von Ihnen, Frau Bundesministerin? – Ich halte das wirklich für schlimm, was Sie an Äußerungen getätigt haben – ich zitiere –:

Unser Ziel kann nicht darin bestehen, Frauen zu überemanzipierten, frustrierten Alleinerzieherinnen mit zwei Umschuldungskrediten verkommen zu lassen. – Zitatende.

Frau Bundesministerin! Sind Sie sich über die Tragweite eines solchen Satzes im Klaren? Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Sie damit eine ganze Gruppe von Frauen, die tatsächlich besondere Probleme und Schwierigkeiten haben, verhöhnen? (Beifall bei den Grünen.) Verkommene Subjekte machen Sie aus alleinstehenden, alleinerziehenden Frauen und Menschen, verkommene Subjekte, die überemanzipiert und frustriert sind. (Zwischenruf der Abg. Steibl. )

Frau Bundesministerin! Wenn Sie in Ihrem Amt nicht ohnehin schon wackeln würden und – wie man in verschiedenen Magazinen nachlesen kann – schon seit Wochen ein Ablaufdatum hätten, so hätte dieser Satz allein, wenn sich diese Bundesregierung und diese Koalitionsparteien etwas ernster nähmen, dazu führen müssen, dass Sie (in Richtung Freiheitliche und ÖVP), meine Damen und Herren, dieser Frau Bundesministerin den Weisel geben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist inakzeptabel! Das ist völlig inakzeptabel! Es ist skandalös, wenn hier auf Kosten bestimmter Gruppen von Menschen Politik gemacht wird, Ausgrenzung und Verhöhnung betrieben werden, auch versucht wird, sozusagen unter der Decke, hier eine bestimmte Form der Sozialpolitik unterzujubeln.


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Frau Bundesministerin! Ich weiß nicht, wie lange Sie uns noch auf der Regierungsbank begleiten werden, aber ich hoffe, es ist nicht mehr allzu lange. Aber Sie sind nicht das einzige Problem dieser Bundesregierung. Das eigentliche Problem ist die Politik, die Sie auch im sozialpolitischen Bereich machen. Da geht es nicht nur um Sozialabbau, sondern da geht es auch darum, dass Sie neue Belastungen, neue Mehrkosten verursachen, vor allem mit einer ideologisch motivierten Politik im Bereich der Familien. (Abg. Steibl: Das ist Angstmacherei!)

Das ist das Problem, das wir mit dieser Bundesregierung haben. Darum gibt es nicht nur ein Problem der Frau Bundesministerin, sondern ein Problem der ganzen Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Die Uhr ist auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

9.47

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Abgeordneter Öllinger, eigentlich schätze ich Sie, weil Sie sehr oft konstruktive Beiträge zur Sozialpolitik leisten. Aber das, was wir heute gehört haben, war reinste Polemik, reinste Polemik – und das lehne ich wirklich ab. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Immer noch besser als die unreine Polemik, die Sie machen!)

Meine Damen und Herren! Wenn Sozialpolitik in Zukunft so gemacht wird: Wehe uns! Ich werde später noch auf Sie zurückkommen. (Abg. Öllinger: Bitte!) Ihre Vorschläge waren katastrophal, katastrophal für die Menschen in Österreich! Ich werde darauf noch im Detail eingehen.

Meine Damen und Herren! Frau Ex-Ministerin, Abgeordnete Prammer! Frau Abgeordnete Reitsamer! Wir haben in Österreich ein gutes Sozialsystem aufgebaut, und dieses gute System wird mit den Zahlen dieses Budgets fortgeführt. Ich nenne Ihnen jetzt nur zwei Zahlen: Im Budget der Frau Sozialministerin sind für die soziale Sicherheit, für die soziale Wohlfahrt 214 Milliarden Schilling vorgesehen. Im Bereich der Sozialversicherung sind 443 Milliarden Schilling vorgesehen, die für Unfallversicherung, Krankenversicherung und Pensionen ausgegeben werden.

Wenn man noch die Leistungen der Länder und Gemeinden dazuzählt, meine Damen und Herren, kommt man auf 800 Milliarden Schilling. Wir werden im Jahr 2000 das erste Mal die Grenze von 100 000 S an sozialer Wohlfahrt für jeden einzelnen Mitbürger und jede Mitbürgerin in unserem Lande überschreiten. Im Jahre 2000! Und das ist keine Umverteilung von unten nach oben, meine Damen und Herren, sondern das ist eine Umverteilung zu Gunsten jener, die sozial bedürftig sind, zu Gunsten der älteren Menschen, zu Gunsten der kranken Menschen, zu Gunsten der behinderten Menschen, zu Gunsten jener Menschen, die eben unsere soziale Wohlfahrt benötigen. 100 000 S, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Grenze von 100 000 S wird im Jahre 2000 erstmals überschritten. Das ist nicht das Verdienst der heutigen Bundesregierung, sondern ich sage ganz bewusst dazu, das ist durch all die Jahre seit dem Jahr 1945 aufgebaut worden. Aber ich pflichte Ihnen bei, die Sozialpolitik, die von der heutigen Bundesregierung eingeleitet worden ist, beinhaltet Akzentverschiebungen. (Abg. Öllinger: Das ist wirklich kein Verdienst!) Jawohl, wir werden das durchführen und bekennen uns zu diesen Akzentverschiebungen.

Ich nenne Ihnen auch die wichtigen Akzentverschiebungen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Trattner.  – Abg. Öllinger: Sagen Sie lieber, wem das Geld gegeben und wem es genommen wird!) Es geht nicht darum, dass wir den reinen Versorgungsstaat weiter ausbauen, sondern es geht darum, dass wir diesen reinen Versorgungsstaat durch eine nachhaltigere Sozialpolitik ablösen. Die Sozialpolitik muss nachhaltiger werden.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel dazu: Nicht die großzügigste Arbeitslosenversicherung ist unser Ziel, sondern unser Ziel sind die großzügigsten Maßnahmen, um Arbeitslose in Beschäftigung


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zu bringen. Unser Ziel ist eine Beschäftigungspolitik zu Gunsten der Arbeitslosen und zu Gunsten der Notstandshilfebezieher, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Arbeitsdienst meinen Sie! Ältere Arbeitslose in den Arbeitsdienst!) Dazu gibt es im Arbeitsprogramm klare Schwerpunkte, auf die ich noch eingehen werde.

Meine Damen und Herren! Der wichtigste Hort der Solidarität ist nach unserer Sicht nicht der Staat, sondern der wichtigste Hort der Solidarität ist für uns die Familie. Auf die Familie kommt es an! (Abg. Öllinger: Es schaut aber anders aus!) Deshalb, Herr Abgeordneter Öllinger, unterscheiden wir uns so grundsätzlich von Ihnen. Wir wollen eine Verbesserung der Situation der Familien, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn wir für die Familie eintreten und wenn wir Maßnahmen für die Familie vorschlagen, dann lassen wir uns von den Grünen und von den Sozialdemokraten davon nicht abbringen, meine Damen und Herren. Wir werden für die Familie kämpfen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Was verstehen Sie unter Familie?)

Sie kennen unsere Vorschläge. Das beginnt bei der Familienbeihilfe für alle Familien, dazu gehört auch, dass alle Mütter die gleichen Rechte bekommen. Jawohl, Herr Abgeordneter Öllinger! (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Wir stehen dazu, dass auch jene Mütter, die heute 70 Jahre oder 75 Jahre alt sind, die in früheren Jahren nicht erwerbstätig sein konnten, die sich daher keine Pensionsversicherungszeiten erwerben konnten, noch eine Pension bekommen, Herr Abgeordneter Öllinger. Kindererziehungszeiten sind für uns wichtig, meine Damen und Herren, und wir lassen uns nicht davon abbringen, dass die Kindererziehungszeiten wichtig sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich respektiere die Vorschläge, die der ÖGB und die Arbeiterkammer zur Pensionsreform ausgearbeitet und uns vorgelegt haben. Aber, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten: Glauben Sie wirklich, wir können das Problem nur mit Gesundheitsmaßnahmen und mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen lösen? – Wir von der ÖVP sind da ehrlicher und sagen: Nein, nur so geht es nicht. Wir müssen den ÖBB-Bediensteten sagen, mit 53 Jahren kann man in Zukunft nicht mehr in Pension gehen, wenn man gesund ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Sophie Bauer: Können Sie sich vorstellen, mit 10 000 S zu leben?) Wir müssen klar sagen: Wenn man gesund ist, kann man auch mit 55 Jahren nicht mehr in Pension gehen, wenn man arbeitsfähig und gesund ist, kann man auch mit 60 Jahren in Zukunft nicht mehr in Pension gehen.

Meine Damen und Herren! Wollen Sie wirklich, dass wir die Belastungen im Pensionsbereich auf die junge Generation verlagern, dass wir Beitragserhöhungen vorschlagen und beschließen, die eben die junge Generation belasten? – Dazu sagen wir nein! Wir können die junge Generation nicht weiter belasten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Das tun Sie ja gerade!)

Wir sind auch dagegen, dass es zu Pensionskürzungen kommt. Es bleibt bei der Nettoanpassung, die wir gemeinsam mit Minister Hesoun – auf Vorschlag von Minister Hesoun, auch unser Vorschlag – hier im Hohen Haus beschlossen haben. Das ist eine gute Lösung. Wir haben auch gesagt, wir wollen die Inflationsrate durch Einmalzahlungen ausgleichen, falls es zu niedrigeren Pensionserhöhungen kommt, meine Damen und Herren. Auch da wollen wir für die älteren Menschen eben den Lebensstandard so weit wie möglich sichern. Das ist ein ganz wichtiger Bereich und ein ganz wichtiges Anliegen der Sozialpolitik und der Pensionsreform, die wir machen.

Ich komme zum Schluss: Mit dem Budget allein lösen wir die Probleme nicht, aber die Sozialpolitik, meine Damen und Herren, ist aufgerufen, die Herausforderung anzunehmen, nämlich die Herausforderung, auch gegen die Armut etwas zu tun. Und auch dazu gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen und Anregungen für die Frauen und für die Familie, Vorschläge, die Redner der ÖVP noch erläutern werden.

Wir stehen zu diesem Budget, wir stehen zur neuen Sozialpolitik, die den Menschen hilft, soziale Probleme auch selbst zu lösen. In diesem Sinne werden wir diesem Budget unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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9.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Sickl. – Bitte.

9.55

Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Vorredner von der SPÖ und von den Grünen wissen genau, was diese Regierung und speziell mein Ministerium in den letzten 100 Tagen bereits an Substantiellem umgesetzt haben. (Rufe bei der SPÖ: Was denn?) Deshalb muss ich sagen, dass diese Redebeiträge leider leere Worthülsen waren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Prammer! Wenn Sie sagen, dass Sie in der Frauenpolitik Wesentliches erreicht haben, dann muss ich Ihnen widersprechen, denn das, was Sie jetzt alles wieder aufgezählt haben und von mir fordern, hätten Sie ja schon längst umsetzen können. Aber ich darf Ihnen sagen: Ich habe schon einiges umgesetzt, was Sie in Ihrer Amtszeit nicht getan haben. (Abg. Öllinger: Sprüche haben Sie umgesetzt!)

Ein Beispiel darf ich Ihnen bringen: Gleichbehandlungskommission. Diese ist ein Potemkinsches Dorf, das Sie errichtet haben. Die Vorsitzende der Gleichbehandlungskommission war nämlich bei mir, und ich habe mit Entsetzen festgestellt, auf welch unprofessionellen Beinen diese Gleichbehandlungskommission steht. Ehrenamtlich, ohne Bezahlung (Abg. Mag. Prammer: Fragen Sie doch Ihre Kollegen bei den Freiheitlichen!) nimmt die Vorsitzende diese Arbeit wahr. Sie ist hauptberuflich in einem Ministerium angestellt, und deshalb dauert die Behandlung der Fälle eineinhalb Jahre! (Abg. Dr. Mertel: Ändern Sie es!) Das ist ein unhaltbarer Zustand, Frau Abgeordnete Prammer, und ich werde das ändern (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), indem ich jetzt das Gleichbehandlungsgesetz einer Novelle unterziehen werde.

Sie haben es in Ihrer Amtszeit nicht geschafft, die Interessenvertretung der Frauen wirklich in dem Sinne zu forcieren, dass Sie in allen Bundesländern Gleichbehandlungsanwältinnen installiert hätten. Es ist notwendig, dass besonders Frauen aus den ländlichen Regionen, die weite Anfahrtswege haben, in ihrer Nähe eine solche Ansprechstelle haben und nicht erst nach Wien oder nach Innsbruck fahren müssen. Ich bin jetzt dabei, wesentlich mehr Stellen für Gleichbehandlungsanwältinnen, verteilt über das ganze Bundesgebiet, zu errichten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: Aber die gesetzliche Grundlage haben schon wir geschaffen, oder?!)

Der Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf. Was haben Sie dafür getan? – Ich habe diesbezüglich bereits eine wissenschaftliche Arbeit aktiviert, die genau beweist, dass Frauen und auch Männer, wenn sie zu Hause in der Kindererziehung tätig sind – also in der Familie –, Managerqualitäten erwerben, Sozial- und Familienkompetenzen. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. (Abg. Mag. Prammer: Na super!) Und es wird jetzt Schwerpunktberatungsstellen für Mütter und Väter geben, die nach der Familienphase wieder in den Beruf einsteigen wollen. Wir werden ihnen mit einem Test helfen, der vorwiegend in der Wirtschaft angewendet wird, und zwar bezüglich Management-Kompetenzen, Qualifizierung und Bewerbung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Die jungen Frauen und Männer werden diesen Test machen und werden bei ihrer Bewerbung ein hervorragendes Zeugnis gegen Wiedereinstiegsprobleme haben. (Abg. Schasching: Das ist ein Wiedereinsteigerinnen-Problem!)

Seit meiner Amtszeit ist die Frauenförderung wesentlich höher als jemals zuvor. (Abg. Sophie Bauer: Dann haben Sie sich noch nicht beschäftigt mit den Projekten!) Noch nie wurde ein so hohes Budget für die Frauenförderung zur Verfügung gestellt wie von mir heuer. Alle Frauenvereine, alle Frauenorganisationen haben zum bisherigen Ansatz ihre Förderung bekommen, es wurde nichts gekürzt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Die besagten 15 Prozent wurden bei den Frauen nicht gekürzt! Das ist meine Frauenpolitik.

Wenn Sie das Kinderbetreuungsgeld ansprechen, wenn Sie hier sagen, dass nur einseitig gefördert wird, dann haben Sie sich nicht informiert. (Abg. Schasching: Sie aber auch nicht!) Die 90 Prozent der berufstätigen Frauen, die heute Karenzgeld bekommen, bekommen selbstver


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ständlich auch das Kinderbetreuungsgeld, aber – im Gegensatz zu bisher – ein Berufsverbot wird nicht bestehen. Genau das, was Sie hier beklagen, machen wir! (Abg. Öllinger: Sie haben ja keine Ahnung!) Die Frauen können selbstverständlich Kindergeld, Kinderbetreuungsgeld, empfangen und daneben berufstätig sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir geben den Frauen nicht vor, ob sie berufstätig sein müssen oder ob sie zu Hause bleiben müssen. Das tun Sie! Wir überlassen es der Verantwortlichkeit der Familie, wie sie ihr persönliches Lebensmuster organisieren möchte. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Es ist das eine Verbesserung für alle jungen Mütter und Väter. Die Gewährung dieses Geldes wird auf zwei Jahre verlängert – das war ja auch ein Wunsch des Frauen-Volksbegehrens. Es wird kein Berufsverbot bestehen, es wird eine hohe Zuverdienstgrenze geben. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Außerdem werden eineinhalb Jahre dieser Zeit als pensionsbegründend angerechnet werden – das ist ein schon lange gehegter Wunsch der Frauen, den wir hiemit erfüllen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie hier von einer falschen Arbeitsmarktpolitik sprechen, können Sie die neuesten Statistiken noch nicht gelesen haben. Österreich ist mit seiner Beschäftigungspolitik im EU-Vergleich hervorragend unterwegs, insbesondere was jene für Frauen, für Jugendliche und für ältere Arbeitnehmer betrifft. Bei den Jugendlichen und älteren Arbeitnehmern liegen wir derzeit an der Spitze der EU. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Selbstverständlich liegen mir die Alleinerzieherinnen besonders am Herzen, denn das sind Frauen, die ihre Kinder unter schwierigsten Verhältnissen aufziehen müssen. (Abg. Öllinger: Warum machen Sie dann solche Aussagen?) Im Bereich der Familienförderung, die im heurigen Jahr sehr hoch ist, fördere ich gerade Projekte von Alleinerzieherinnen (Abg. Öllinger: Warum machen Sie dann solche Aussagen?), die den Kontakt mit den Vätern aufrechterhalten müssen, um den Kindern das Elternbild zu sichern. Es gibt in diesem Zusammenhang kreative, innovative Projekte, und diese unterstütze ich. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf Ihnen auch sagen, dass ich heuer im Rahmen der Familienförderung und der Frauenförderprojekte speziell auch die Situation der Gewalt berücksichtigt habe. Es gibt eine Reihe von Projekten in diese Richtung. Ein besonders wichtiges Projekt ist die Prozessbegleitung von durch Gewalt oder sexuelle Gewalt missbrauchten Kindern.

Zur Pensionsreform sei mir auch ein Wort erlaubt: Es muss immer wieder betont werden, dass es uns am Herzen liegt, dass auch die künftigen Generationen ihre Pensionen sicher beziehen können – ohne Kürzung, ohne Gefahr der Unfinanzierbarkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie wissen ganz genau, dass unser heutiges Konzept goldrichtig ist (ironische Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ), dass es die Sicherung der Pensionen für die Zukunft gewährleisten wird (Abg. Öllinger: Das sind Leersätze! – weitere Zwischenrufe), denn auch Sie haben diese Informationen. Auch Ihre Frau Sozialministerin hat sich in der vergangenen Legislaturperiode von Herrn Professor Rürup ein Gutachten vorlegen lassen, das in genau dieselbe Richtung geht wie das, was wir heute umsetzen. Es ist daher scheinheilig und halbherzig, wenn Sie heute diese Pensionsreform angreifen.

Die Reform ist gerecht, denn es sind alle Bevölkerungsgruppen davon betroffen: die Arbeitnehmer, die Gewerbetreibenden, die Bauern. Wir nehmen mutig die Aufarbeitung jener Versäumnisse in Angriff (Zwischenruf des Abg. Parnigoni ), die Sie uns leider überlassen haben, denn wir wissen, dass die Pensionen, wenn heute nicht einschneidende Maßnahmen gesetzt werden, im Jahr 2020 nicht mehr finanziert werden können. All diese Fakten liegen auf dem Tisch. Und wenn Sie heute hier dagegen wettern, dann wettern Sie gegen die Sicherheit unserer Menschen in der Zukunft, und Sie betreiben damit eigentlich Sozialabbau. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Wir versuchen, diese Pensionsreform auch möglichst sozial verträglich zu halten. Ihr Herr Bundesminister Edlinger hat eine Anhebung des Pensionsantrittsalters bei Frühpensionen um zwei Jahre gefordert – wir finden mit eineinhalb Jahren das Auslangen. (Abg. Verzetnitsch: Ohne Abschläge! – Abg. Schwarzenberger  – in Richtung SPÖ –: Ich habe hier noch die Abmachung! Ich kann es Ihnen zitieren!)

Weil Sie von Abschlägen sprechen: Sie selbst wissen doch genau, dass auf Grund der Pensionsreform 1997 seit 1. Jänner 2000 Abschläge mit 2 Prozentpunkten bereits geltendes Recht sind und bereits umgesetzt werden. Das heißt: Die Anhebung auf 3 Prozentpunkte bedeutet eigentlich nur eine Anhebung um einen Prozentpunkt im Vergleich zum jetzigen Zustand; eine äußerst moderate Übergangslösung, die wir hier vorlegen.

Sie wissen: Je länger wir warten, umso einschneidender müssen die Maßnahmen dann sein, und umso schmerzlicher werden sie dann vom Bürger wahrgenommen werden.

Wir stehen für ein System der Leistungsgerechtigkeit, das heute europaweit anerkannt ist. Wir wissen: Je mehr in ein Pensionssystem eingezahlt wird, umso mehr steht dann zur Verfügung. Und jeder, der mehr einzahlt, soll auch mehr bekommen. Wenn immer weniger Aktive immer mehr Pensionisten gegenüberstehen und wir nur zusehen, aber nichts unternehmen, handeln wir grob fahrlässig und riskieren, dass in Zukunft in dem Pensionstopf, aus dem unsere Pensionen bezahlt werden, nichts mehr drinnen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich muss auch darauf hinweisen, dass ich von der Haltung des ÖGB enttäuscht bin, der eigentlich die Interessen der Arbeitnehmer nachhaltig vertreten sollte und den Standpunkt einnehmen müsste: kein Sozialabbau, keine Unsicherheit für die Zukunft (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer ), sondern ein Garantieren der Pensionen auch für die kommenden Generationen. Der ÖGB weiß das ganz genau, glaubt aber, mit ausschließlich beschäftigungspolitischen und gesundheitspolitischen Maßnahmen den gewünschten Effekt zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, dass beschäftigungspolitische Maßnahmen wichtig sind – auch wir haben welche in unserem Paket vorgesehen –, speziell für ältere Arbeitnehmer, dass man aber damit das Pensionsproblem nicht lösen kann. Das Pensionsproblem können Sie nur lösen, indem die Menschen später in Pension gehen. (Ruf bei der SPÖ: Dazu müssen sie gesund sein!) Wir werden auch einen Beitrag dazu leisten, dass sie an ihrem Arbeitsplatz behalten werden und ihre Situation am Arbeitsplatz in Zukunft besser ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich stehe grundsätzlich zu den gesundheitspolitischen Maßnahmen, die sehr wichtig sind. In diesem Bereich wird es eine breite Kooperation geben. Ich stehe dazu, dass es sehr wichtig ist, dass unsere Arbeitnehmer – egal, ob am Arbeitsplatz, auf dem Weg zum Arbeitsplatz, in der Freizeit oder ganz allgemein in ihrem Leben – mit Vorbeugemaßnahmen unterstützt werden, mit gesundheitspolitischer Information, die es ihnen ermöglicht, mehr Lebensqualität zu haben, gesünder zu leben und dadurch Leid und Krankheit zu vermeiden. Ein angenehmer Nebeneffekt wäre: Man könnte auf diese Weise der Kostenexplosion vorbeugen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Meine Damen und Herren! Mit der Pensionsreform sind wir durchaus auch "auf Schiene" in der EU. Österreich hat von der EU in den Wirtschaftspolitischen Grundzügen eine Empfehlung bekommen. Letzte Woche war in der EU die Diskussion darüber, dass wir eine Pensionsreform durchzuführen haben. Das heißt, wir sind "auf Schiene", und ich habe diese Empfehlung der EU für obsolet erklärt, weil wir die Pensionsreform bereits umsetzen. Damit wird es auch zu einer Angleichung in Europa kommen, denn alle anderen Länder haben ein wesentlich höheres Pensionsantrittsalter. Es ist also auch unter diesem Gesichtspunkt notwendig, dass Österreich das nachholt.

Meine Damen und Herren! Was Behinderte anlangt – eine Bevölkerungsgruppe, die die besondere Zuwendung dieser Regierung hat –, darf ich Ihnen auch sagen, was in der Vergangenheit gemacht wurde: Man hat zirka 50 Millionen bis 60 Millionen Schilling pro Jahr für die Arbeitsassistenz gestrichen. Die Arbeitsassistenz ist ein wichtiges professionelles Mittel, um Behinder


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ten durch eine professionelle Begleitung den Einstieg am Arbeitsplatz zu ermöglichen. Das ist heute fast nicht oder nur schwer möglich, weil der genannte Betrag gestrichen wurde und beim heutigen Budgetloch für mich leider nicht mehr zu finden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch die Valorisierung des Pflegegeldes – eine bereits lange bestehende Forderung der Behinderten – ist von Ihnen nie wieder in Angriff genommen worden. Das ist ein weiteres Problem, mit dem ich mich heute beschäftige, und ich werde eine Lösung finden, mit der die Behinderten zufrieden sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben bei der Jugendförderung gleich hohe Förderungen wie bisher, weil uns gerade die Jugend am Herzen liegt. Die Beschäftigungssituation in Österreich zeigt ja, dass diese Förderungen greifen.

Es wird auch das schon lange gewünschte Bundesjugendförderungsgesetz demnächst geben, das Begutachtungsverfahren ist bereits abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Zum Thema Soziales im Allgemeinen darf ich etwas erwähnen: Es hat jahrzehntelang eine Regierung unter sozialdemokratischer Dominanz gegeben, und wir haben heute in Österreich eine Million Menschen, die unter der Armutsgrenze leben. Wo war da Ihre Sozialkompetenz, meine Damen und Herren von der SPÖ?

Wir finden ein total zersplittertes Sozialrecht vor, sodass der einzelne Bürger kaum mehr den Überblick hat und kaum mehr in der Lage ist, seine Rechte wahrzunehmen, sich zu den Leistungen zu verhelfen, die laut Gesetz vorgesehen sind. Ich habe daher eine Kodifizierung des gesamten Bundessozialrechtes bereits in Angriff genommen, weil das einfach notwendig ist, um dem Einzelnen den Zugang zum Recht zu ermöglichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist gescheit!)

Es läuft bereits ein Arbeitskreis "soziale Treffsicherheit", denn es ist mir ein Anliegen, dass die sozialen Transferleistungen gerade jenen Menschen zugute kommen, die sie dringend brauchen. Wir werden in diesem Sinne die Gesetze novellieren müssen, um eine stärkere Treffsicherheit der sozialen Leistungen zu erreichen. (Abg. Silhavy: Kinderbetreuung!)

Meine Damen und Herren! Diese Regierung steht für soziale Verträglichkeit. Wir stehen für den Schutz der einkommensschwachen Gruppen. Wir stehen für Solidarität zwischen den Einkommensstärkeren und den Einkommensschwächeren, denn nur Solidarität – und an dieser darf nicht gerüttelt werden! – garantiert, dass das soziale Netz für alle sicher ist und fest hält. Gerade in einer Zeit des Leistungsdruckes, der Konkurrenz, der Globalisierung ist die Sozialkompetenz sehr wesentlich.

Es ist mir ein Anliegen, dass den Menschen soziale Sicherheit gegeben wird, dass sie das Gefühl haben, diese Regierung kümmert sich um sie, diese Regierung gibt Wärme und Zuwendung gerade jenen, die diese am dringendsten brauchen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: So macht man das!)

10.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Er geht es jetzt wissenschaftlich an!)

10.11

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Bundesministerin Sickl, dass Sie nach 100 Tagen noch nicht wirklich einen Erfolgsnachweis bringen können, sondern nur Ankündigungen als Erfolgsnachweis darstellen, ist Ihnen nicht wirklich zu verübeln. Aber Sie sollten nicht versuchen, wie Sie das beispielsweise heute getan haben, uns schon wieder vorzumachen, Sie würden mehr Geld für Frauenangelegenheiten ausgeben, als Kollegin Prammer zuletzt dafür ausgegeben hat, denn Sie sollten es besser wissen.


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Sie haben mir auf meine parlamentarische Anfrage eine schriftliche Antwort gegeben, aus der sehr deutlich hervorgeht – wenn man rechnen kann –, dass voriges Jahr 17 Millionen Schilling mehr zur Verfügung gestanden sind als heuer. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Silhavy: Da schau her! – Weitere Zwischenrufe.) Ich hoffe, dass zumindest solche Grundwahrheiten auch bis ins Sozialministerium vordringen. (Abg. Dr. Martin Graf: Parteischulden!)

Herr Abgeordneter Haupt – ich weiß nicht, ob er hier ist, sehen kann ich ihn momentan nicht (Abg. Auer: Da ist er!); ja, er ist hier. Herr Abgeordneter Haupt, es freut mich, dass Sie hier sind, aber ich habe mir von Ihrer Rede ein bisschen mehr erwartet als bloße Polemik. Lassen Sie mich an nur einem einzigen Beispiel anknüpfen.

Der ehemaligen Ministerin Prammer vorzuwerfen, sie hätte in Sachen "Kindergartenmilliarde" nicht getan, was sie versprochen hat, und sie hätte andere Dinge ausgehungert, ist bloße Polemik. Sie wissen ganz genau, dass die Finanzierung sowohl der Tagesmütter als auch der Kindergärten nicht Sache des Bundes, sondern Sache der Länder ist. (Beifall bei der SPÖ.) Das Einzige, was Sie sagen könnten, ist, dass wir nicht noch mehr getan haben. (Abg. Donabauer: Wie zum Beispiel Wien! Wo ist Wien geblieben?) Ohne die anregenden Maßnahmen, die seit 1996 vom Frauenministerium ergriffen wurden, hätte es noch viel weniger Kinderbetreuungsplätze gegeben, weil die Länder ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sind. (Abg. Mag. Haupt: Vor allem Wien, Kollege Einem! Ihre Landeshauptstadt Wien!) Und das wissen Sie! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Haupt! Sie haben in Ihrer Rede auch behauptet, dass die Pensionsreform, die Sie jetzt betreiben, der langfristigen Sicherung der Pensionen dient. Auch die Frau Sozialministerin hat gestern im Gespräch mit den Sozialpartnern diese Auffassung vertreten. Frau Bundesministerin! Sie sollten vielleicht Klarheit darüber herstellen, was jetzt gilt: die Antwort, die Bundesminister Bartenstein gegeben hat, nämlich dass diese Pensionsreform ausschließlich der kurzfristigen Finanzierung des Budgets dient, oder Ihre Antwort.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben einen Anspruch auf eine einheitliche Antwort. Sie sollen nicht von jedem Minister eine andere bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt noch zu dem Thema kommen, das ich eigentlich zum Gegenstand meiner Ausführungen machen wollte.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Dass Sie nicht bereit sind, Politik für die Interessen der Frauen zu machen, zeigt sich bereits ziemlich deutlich. Dass Sie außerdem aber auch noch die Interessen der Familien zum Teil sträflich vernachlässigen, obwohl Sie ständig von Familienpolitik sprechen, ist erschreckend! Es vergeht kaum ein Tag in Österreich, an dem wir nicht aus den Medien erfahren müssen, dass ein Mann in einer Familie plötzlich durchgedreht und Gewalt gegen Kinder oder gegen die Frau ausgeübt hat – aber Sie kürzen die Beträge für die Interventionsstellen gegen Gewalt! – Das ist die Familienpolitik, die Sie betreiben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben sehr, sehr mühsam und langsam, 1996 beginnend, diese Interventionsstellen gegen Gewalt aufgebaut, weil es darum geht, gerade in der Situation, wenn Gewalt in der Familie angewendet wird, effektive Hilfe zu bieten. Wir haben damals die Möglichkeit der Intervention der Exekutive in der Familie geschaffen. Die Beamten der Exekutive haben auf vorbildliche Weise gelernt, diese besonders schwierigen Einsätze durchzuführen.

Jetzt kürzen Sie – nicht nur Sie, sondern auch Innenminister Strasser – die Finanzierung für diese Interventionsstellen gegen Gewalt und sorgen damit nicht nur dafür, dass die Exekutivbeamten eine schwierige Einsatzsituation vorfinden, sondern auch dafür, dass sie darüber hinaus auch noch mit den Sozialfragen belastet werden, auf die sie nicht vorbereitet sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Ich möchte Ihnen eigentlich nur einen Rat geben – und es geht dabei nicht um billige Polemik –: In einem Ministerium von der Größe des Sozialministeriums und auch


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in einem Ministeriums wie dem Innenministerium kann man Schwerpunkte setzen. Dort ist es nicht notwendig, bei derart kleinen Ausgabenpositionen wie den Interventionsstellen gegen Gewalt mit dem Sparstift voll drüberzugehen.

Setzen Sie Schwerpunkte! Lassen Sie nicht die Frauen und die Kinder in den ärgsten Situationen einer Familie allein! (Beifall bei der SPÖ.)

10.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. – Bitte.

10.16


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Abgeordneter Reinhart Gaugg
(Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Mich befällt immer ein bisschen Skepsis, wenn die SPÖ von Zahlen spricht. Auch wenn Herr Kollege Einem jetzt nicht zur Kenntnis nehmen möchte, dass wir heuer das höchste Frauen-Budget in der Geschichte der Republik Österreich haben, so wird er dies doch einmal tun müssen.

Sie werden weiters zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir das Kinderbetreuungsgeld einführen werden – auch gegen Ihren Widerstand. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben auch in Kärnten seit Monaten nachhaltigen Widerstand geleistet, aber jetzt sind Entscheidungen getroffen worden, die diese Dinge erleichtern werden.

Nehmen Sie weiters zur Kenntnis, dass wir an einer Zukunftssicherung für Jugend und Familie sowie an einer Pensionssicherung arbeiten, etwas, das Sie in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt haben!

Das Einzige, das Frau Frauenministerin Prammer in ihrer Tätigkeit zusammengebracht hat und das in Erinnerung geblieben ist, ist der Rindfleischskandal. Sie hat einen Skandal erfunden, der viele Millionen Schilling gekostet hat. Das ist das einzige Ergebnis der Arbeit der Kollegin Prammer! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Auer. )

Ich muss Ihnen Folgendes sagen: Ich wehre mich immer gegen Vordenker in Sozialfragen, insbesondere dann, wenn sie von Links kommen (Zwischenruf der Abg. Silhavy ), denn dann sind sie besonders gefährlich und besonders beachtenswert.

Ich sage Ihnen noch etwas: Frau Kollegin Silhavy! Mir ist es noch immer lieber, eine Frau ist von ihrem Mann abhängig als von der SPÖ. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger. ) Denn das, was Sie von der SPÖ haben möchten, ist die Abhängigkeit von einer Sozialdemokratischen Partei, die längst das Wort "sozial" aus ihrem Parteiprogramm streichen sollte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben im Jahre 1997 eine Pensionsreform durchgeführt, die nicht einmal ein paar Monate gehalten hat, und Sie sprechen jetzt im Vorhinein bereits wieder davon, dass das, was geplant ist, nicht funktionieren wird. Das wissen Sie bereits. (Ruf bei der SPÖ: Sie wollen abhängige Frauen! – Weitere Zwischenrufe.) – Ich sagte es schon: Es ist immer noch besser, vom Mann abhängig zu sein, als von Ihnen. Ich muss Ihnen sagen: Ich möchte keine Abhängigkeit von der SPÖ in der Republik Österreich.

Ich sage Ihnen Folgendes – auch an den ÖGB gerichtet –: Der ÖGB setzt sich jetzt massiv mit 300 Nadelstichen ein. "300 Nadelstiche gegen die Regierung"! – Ich würde dem ÖGB empfehlen, dringend 300 Ideen für die österreichischen Arbeitnehmer auf den Markt zu bringen, in der Frage der Pensionen mitzuarbeiten und vernünftige Lösungen für die Jugend zu bringen (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP) und nicht nur an irgendwelchen alten Dingen zu hängen. Sie begehen Verrat an der nächsten Generation!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Gestern haben wir über dieses Thema geredet. – Bitte.

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Herr Präsident! Das ist in Ordnung, aber ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Brix bekam für "Arbeiterverräter" einen Ordnungsruf, und Sie beschimpfen die gesamte Fraktion in dieser Form. (Abg. Dietachmayr: Er lernt es nie! Er kann es nicht anders! – Ruf: Der ÖGB ist nicht die SPÖ! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Abgeordneter Reinhart Gaugg (fortsetzend): Die Empfindlichkeit der SPÖ in den letzten Wochen ist erstaunlich. Seit sie nicht mehr an der Regierung beteiligt ist, ist die SPÖ in allen Sozialfragen außer beleidigt nichts mehr. Man ist beleidigt, es gibt Vorwürfe, Vorhaltungen und Ähnliches. Letztlich geht es uns aber darum, die Privilegierten ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Präsident! Es geht leider nicht anders. Sagen Sie dieser Fraktion einmal, sie soll sich auch die Eigenschaft des Zuhörens aneignen, denn dann geht es ein bisschen leichter. (Abg. Sophie Bauer: Das muss ausgerechnet der Zwischenrufer der Nation sagen!)

Sie sind mit sich selbst nicht ehrlich. Können Sie sich erinnern, dass Sie Anfang der neunziger Jahre das zweite Karenzjahr eingeführt haben? Können Sie sich daran erinnern, dass Sie mehr Familienbeihilfe gezahlt haben, dass Sie aber dann letztlich im Wege Ihrer so genannten Sparpakete den Familien 6 Milliarden Schilling in bar wieder weggenommen haben? 6 Milliarden Schilling in bar! Erst der Verfassungsgerichtshof hat Sie wieder auf den richtigen Weg gebracht und dazu gezwungen, für die Familien mehr zu tun. Es ist die Frage: Was tut die Familienpolitik konkret? Sie hat unter den Sozialdemokraten versagt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Einem: ... 18 Milliarden!)

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie sagen, die ÖVP/FPÖ-Koalition würde die Frauen zurück an den Herd drängen. Das hören wir immer – allein, mir fehlt der Glaube! Denn: In einer Dringlichen Anfrage, die Frau Kollegin Hostasch an die jetzige Sozialministerin gerichtet hat, stellen Sie fest, die stark ausgeprägte solidarische Komponente des Systems – Sie sprechen vom Pensionssystem –, insbesonders für Familien, ist die beitragsfreie Mitversicherung für Angehörige, die etwa einem Leistungsvolumen von 20 Milliarden Schilling entspricht. – Das heißt, Sie sind stolz darauf, dass es ein leistungsfreies Mitfinanzierungssystem für die Pensionen gibt, aber gleichzeitig sagen Sie, dass Sie das eigentlich nicht wollen, denn die Frauen sollen die Möglichkeit haben, selbst berufstätig sein. – Da finden wir uns.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie haben jahrelang die Möglichkeit gehabt, Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen, Sie haben die Möglichkeit gehabt, Verbesserungen für die Familien herbeizuführen. Warum haben Sie es nicht getan? Wo sind Seriosität, Dauerhaftigkeit und Finanzierbarkeit Ihrer Familien- und Sozialpolitik? Die waren nicht vorhanden!

Es wurde auch von der Prävention im Arbeitnehmerschutz gesprochen. Es gibt das Arbeitsmedizinische Institut, es gibt den Baustellenkoordinator, es gibt den Sicherheitsbeauftragten. Es wurden in den letzten Jahren etliche Erweiterungen vorgenommen, was den Schutz des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz anbelangt. Was wir nicht brauchen, ist eine Schikane der Arbeiter auf ihrem Arbeitsplatz, die teilweise betrieben wird. Das ist nicht notwendig. (Ruf bei der SPÖ: Aber Sie wollen die Einsatzzeiten streichen, und das ist das Entscheidende!) Wir wollen Schutz für jeden Arbeiter und jeden Arbeitnehmer – aber keine Schikanen!

Letztlich ist die Frage der Sozialpolitik auch eine Frage der Finanzierbarkeit derselben. Wenn man soziale Maßnahmen setzen möchte, braucht man zuerst einmal die entsprechende finanzielle Basis, und diese finanzielle Basis soll nicht nur mit dem Budget 2000, sondern auch mit den darauf folgenden Budgets geschaffen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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28. Sitzung / Seite 29

10.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Einem zu Wort gemeldet. Bitte Redezeit und GOG-Bestimmungen beachten! – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.23

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gaugg hat in seiner soeben gehaltenen Rede behauptet, dass heuer das höchste Budget für Frauenangelegenheiten vorgesehen wäre, und gemeint, dass wir dies zur Kenntnis nehmen sollten. – Diese Behauptung ist falsch!

Richtig ist – und ich zitiere jetzt aus einer schriftlichen Anfragebeantwortung des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen –, dass im Jahre 1999 59 Millionen Schilling und 27 Millionen Schilling budgetiert waren und dass im Jahre 2000 69 Millionen Schilling budgetiert sind.

Das Verhältnis lautet: 86 Millionen zu 69 Millionen. Das höchste Budget für Frauenangelegenheiten gab es demnach im Jahre 1999! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: ... wie es mit den SPÖ-Finanzen steht!)

10.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Verzetnitsch zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Voodoo-Zauber! 300 Nadelstiche!)

10.24

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gaugg hat gesagt, wir sollten statt der 300 Nadelstiche 300 Ideen einbringen. Ich berichtige tatsächlich, ... (Abg. Dr. Martin Graf: Was ist das für eine tatsächliche Berichtigung?) Ich berichtige tatsächlich, dass der Herr Klubobmann der Freiheitlichen Partei mir in einem persönlichen Brief Folgendes schrieb (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Das ist keine tatsächliche Berichtigung!):

"Vorerst darf ich mich herzlich für Ihren Brief mit den angeführten Vorschlägen zu den Pensionsplänen bedanken." – (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! – Abg. Gaugg: Herr Präsident! Das ist schon eigenartig: Er kann sagen, was er will, aber ich ...!) "Ich kann Ihnen versichern, dass wir diese gewissenhaft prüfen und ...

10.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Verzetnitsch! Wenn jemand sagt, man solle Vorschläge einbringen, dann kann man das nicht tatsächlich berichtigen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das geht nicht, Herr Präsident! – Abg. Ing. Westenthaler: Das geht nur bei einem Voodoo-Zauber, bei 300 Nadelstichen! – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Der Redner verlässt das Rednerpult.) Okay! Das kann ja ein Redner dann feststellen.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. (Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.) Jetzt ist Frau Dr. Petrovic am Wort! – Bitte.

10.25

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! In Sachen Verteilungsgerechtigkeit und zu Ihrer Bemerkung, Frau Bundesministerin, dass diese Bundesregierung vor allem auf der Seite der finanziell Schwachen stünde, muss ich Ihnen sagen: Am Zahlenmaterial kann ich das nicht nachvollziehen. Es ist in der Vergangenheit, vor allem seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre, so gewesen, dass die Kluft zwischen Arm und Reich, die Kluft zwischen Männern und Frauen immer größer wurde. Aber in den jetzt vorliegenden Plänen und Maßnahmen sehe ich keinen einzigen Schritt, der bewirken könnte, dass die Kluft kleiner würde. Im Gegenteil! Ich werde das jetzt begründen.

Dieser Umstand, vor allem die größer werdende Kluft zwischen Frauen und Männern in Sachen Beschäftigung, beim Einkommen oder bei den Pensionen ist ein Punkt, der genauso wie die mangelnde Budgetdisziplin in Österreich von Seiten der EU-Gremien gerügt worden ist. Die eine Kritik haben Sie aufgenommen, zur Kenntnis genommen, nämlich jene hinsichtlich der mangelnden Budgetdisziplin, die andere Kritik, nämlich, dass in Österreich die Kluft zwischen Män


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nern und Frauen, vor allem bei der Erwerbsquote, viel zu groß ist, verschweigen Sie gerne. (Beifall bei den Grünen.)

21 Prozentpunkte Unterschied – das ist zu viel für einen entwickelten Industriestaat, und das ist auch zu viel, um die Stabilität der sozialen Systeme abzusichern. Es ist pure Ideologie, wenn Sie weismachen wollen, dass die aktuelle Absicherung der sozialen Systeme mit künftigen, vielleicht erst in Zukunft auf die Welt kommenden Kindern zu erreichen ist. Tatsächlich steht und fällt das soziale System mit der Zahl der Beitragszahlerinnen, das heißt mit den Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Aber wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, dann müssen Sie zu unglaublich drakonischen Maßnahmen greifen, die die Systemgerechtigkeit weiter verschlechtern werden.

Es gibt im Wesentlichen zwei große Systeme im Bereich der sozialen Sicherheit: eine stärkere Ausrichtung nach dem Versicherungsprinzip oder eine stärkere soziale, solidarische Umlagekomponente. Sie haben sich soeben im Rahmen Ihrer Ausführungen für ein stark solidarisches Element ausgesprochen. Ich halte das im Prinzip auch für wünschenswert, nur frage ich Sie: Wo kommt das zum Ausdruck?

Es könnte diesem Prinzip nur dann Rechnung getragen werden, wenn wir im Bereich der sozialen Sicherheit jedes Individuum, jede Frau, jeden Mann und natürlich auch jedes Kind, als Person berücksichtigen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist ein überkommenes Prinzip, und es werden Ungerechtigkeiten nur vergrößert, wenn man Individuen, Menschen, Einzelpersonen nur noch oder überwiegend in ihrer Rolle im Familienverband sieht. Dann schreibt man Ungerechtigkeiten fort! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Sie wissen das! Diese Ansicht belegt auch eine Studie, die im Sozialministerium in seiner alten Ressortaufteilung erstellt worden ist. Ich zitiere wörtlich aus dieser Studie, die die Hemmnisse der Frauenerwerbstätigkeit analysiert. Zitat:

Da Länder mit einer höheren Erwerbsquote der Frauen tendenziell andere Sozialsysteme haben, kann gefolgert werden, dass im Sozialsystem Potentiale liegen, die bisher in Österreich nicht genutzt wurden. Traditionell war das Ziel der Sozialpolitik weniger die Einbeziehung von Frauen ins Erwerbsleben als die Absicherung der Individuen in der Familie beim Entfall von Erwerbseinkommen. – Zitatende.

Das heißt, dass schon bisher daran Kritik geübt wurde, dass Frauen zu wenig als eigenständige Persönlichkeiten sozial abgesichert worden sind, sondern in ihrer Rolle im Familienverband.

Aber was tut diese Bundesregierung? – Genau dieser Punkt, der auf der europäischen Ebene und von den WissenschafterInnen in Österreich gerügt worden ist, genau dieses Element wird jetzt verstärkt! (Beifall bei den Grünen.)

Ich sehe auch keine Möglichkeit, das, was die Bundesregierung plant, auf verfassungskonformem Weg umzusetzen, und ich warne davor, Eingriffe in ein zwar korrekturbedürftiges, aber gar nicht so schlechtes soziales System zu machen, ohne dass man eine klare Philosophie über die künftigen Grundprinzipien hat.

Wenn Sie sich jetzt daranmachen, etwa das Karenzgeld – bisher überwiegend eine Leistung der Arbeitslosenversicherung und damit stärker dem Individualprinzip verhaftet, ein Ersatz für entfallenes Arbeitseinkommen –, eine Leistung der Arbeitslosenversicherung, zu einer Familienleistung des Familienlastenausgleichsfonds zu machen ... (Abg. Kampichler: Wir zahlen 75 Prozent!)

Es werden Beiträge gezahlt, aber die rechtliche Konzeption ist die einer Versicherungsleistung. Meine Frage lautet: Welche Systementscheidung würde eine möglichst hohe Frauenerwerbsquote und damit ein europäisches, von Österreich akzeptiertes Prinzip sicherstellen und gleichzeitig dem Anliegen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie dienlich sein?


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Ihre Antwort ist die Verlagerung dieser Leistung in den FLAF, aber auf einmal kommen andere Spielregeln zum Tragen als beim FLAF sonst. Ich frage Sie: Was hat das dann überhaupt noch für eine Systemlogik? (Abg. Kampichler: Da gibt es keine Veränderung!) – Sehr wohl! Es ist doch ein relativ bewährtes Prinzip bei der Gewährung der Kinderbeihilfe, wie diese früher genannt wurde – jetzt wird diese Leistung leider Familienbeihilfe genannt (Abg. Dr. Pumberger: Haben Sie etwas gegen Familien?)  –, dass diese Leistung für jedes Kind zusteht. Wir haben es immer unterstützt, dass ... (Abg. Steibl: Jedes Kind ist gleich viel wert!)

Ja, ich finde das auch richtig, aber jetzt soll das Karenzgeld, Frau Abgeordnete Steibl, ebenso eine Leistung des FLAF werden, aber auf einmal mit einer Einkommenskomponente, so wie das klassischerweise bei Versicherungssystemen der Fall ist. Das ist ein Bruch mit jedem System. Das lehnen wir in dieser Form ab! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Steibl: Dadurch ist es gesichert!)

Warum soll es so sein, dass es dann, wenn es eine Familienleistung ist, wenn sie stärker ... (Zwischenruf der Abg. Steibl. ) Es ist nicht mein System! Ich glaube, man sollte Personen als Individuen in den Mittelpunkt der Sozialpolitik stellen, denn nur auf dieser Basis können auch frei bestimmte Familien, funktionierende Familien bestehen.

Wenn Sie aber sagen: Wir wollen, weil wir eine konservative Partei sind, dieses Familienbild verankern!, dann bleiben Sie doch bitte wenigstens in diesem System konsequent. Warum, frage ich Sie, soll einer Frau, die über eine bestimmte Summe hinaus eigenes Erwerbseinkommen verdient, die Karenzleistung versagt werden, wenn es eine Familienleistung ist, die etwa im Bereich der Kinderbeihilfe jedem Kind richtigerweise zusteht? Warum soll gerade jenen Frauen, die diese Leistung am allerdringendsten brauchen, diese Leistung versagt werden? Das versteht doch niemand! (Beifall bei den Grünen.)

Warum soll die Leistung für diejenigen geöffnet werden, die nicht in die Fonds einbezahlt haben, während diejenigen, die permanent in die Fonds einzahlen, ausgeschlossen werden sollen? (Abg. Rosemarie Bauer: Das ist doch nicht wahr! Das ist doch absurd!) Das kommt doch einer entschädigungslosen Enteignung gleich. Was soll bei einer Familienleistung eine Zuverdienstgrenze? Das frage sich Sie, wenn Sie schon einen Systemwechsel machen wollen.

Die Grünen hätten ein anderes Modell vorgeschlagen, aber Sie haben leider darüber die Debatte verweigert. Wir haben ein Grundsicherungsmodell vorgeschlagen, das durchaus auf eine Art Karenzabsicherung für jede Person hinausausgelaufen wäre. Dieses Modell wäre systemkonform gewesen, hätte aber eine andere rechtliche Fundierung gehabt.

Was Sie jetzt schaffen, ist eine Regelung, die genau die Alleinverdienerinnen, die, weil sie wollen, weil sie müssen, permanent berufstätig sind, aus dem Bezug dieser Leistung ausschließen wird. (Abg. Steibl: Das stimmt ja gar nicht!)

Frau Steibl! Wenn das nicht stimmt, dann hat uns Herr Bundesminister Bartenstein in seiner Beantwortung unserer Dringlichen Anfrage die Unwahrheit gesagt, und davon will ich doch wohl nicht ausgehen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Steibl: Sie haben es wahrscheinlich nicht richtig gelesen!) Wir stellen sie Ihnen gerne noch einmal zur Verfügung.

Er hat die Zuverdienstgrenzen, die in etwa in der Höhe des doppelten Karenzgeldes liegen sollen, explizit gerechtfertigt. Das heißt aber, dass eine Frau, die über 12 000 S brutto verdient, diese Leistung nicht in Anspruch wird nehmen können, und zwar unabhängig von dem sonst gültigen Familieneinkommen. Doch dann beginnt das, was ich Ihnen skizziert habe, nämlich die Problematik im Bereich der Verfassungsrechtes.

Im Bereich der Notstandshilfe haben Sie sehr darauf gedrungen, dass für den Bezug der Leistung das Partnereinkommen Berücksichtigung in dem Sinne findet, dass eine Person vom Bezug dieser Leistung ausgeschlossen ist – in der Regel ist das die Frau –, wenn der Partner ein entsprechendes Einkommen erzielt. Und dann ... (Abg. Dr. Spindelegger: Darf ich einen Zwischenruf machen?) Ja, bitte. (Abg. Dr. Spindelegger: Unser Vorschlag ist de lege ferenda –


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und nicht de lege lata! Sie sprechen vom jetzigen aus!) Ich spreche de lege ferenda. Ich spreche leider de lege ferenda, was die Pläne dieser Bundesregierung betrifft.

Wenn Sie diese Leistung so gestalten, dass das eigene Erwerbseinkommen einer Frau berücksichtigt wird – und zwar ist das untypisch für eine echte Sozialleistung –, nicht aber allfällige Unterhaltsansprüche, dann brechen Sie mit den Prinzipien eines jeden Systems: mit jenen des Versicherungssystems, aber auch mit jenen des Solidarleistungssystems. Das passt dann in überhaupt kein System mehr. Das ist nur mehr eine Regel, die es prämiert, dass Frauen ihre Berufstätigkeit aufgeben oder zumindest stark reduzieren. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist die ideologische Komponente, die Frauen in eine ganz bestimmte Rolle drängt, und zwar, entweder gar nicht berufstätig zu sein oder ein bisschen einen Zuverdienst zu haben, aber jedenfalls in geringem Ausmaße. Das heißt aber nicht die volle eigene Absicherung durch eigene Erwerbsarbeit.

Ich bin schon sehr gespannt, wie die ersten Gesetzentwürfe aussehen werden, nämlich, wie Sie das machen wollen (Abg. Dr. Feurstein: Dann zeigen wir es Ihnen!), dass Sie etwa einen Unterhaltsanspruch in einer aufrechten Ehe überhaupt nicht berücksichtigen, das heißt, dort keine Zuverdienstgrenze schaffen, während Sie es, nehme ich einmal an, verfassungskonform nicht tun können, wenn die Ehe aufgelöst ist und es einen gerichtlich zugesprochenen Unterhaltsanspruch gibt. Ich halte diese Frage letztlich für nicht lösbar. Ich glaube, Sie verstricken sich da in Systemwidrigkeiten jeglicher Art, und das nur, um eine ganz bestimmte konservative Ideologie durchzudrücken. Das halten wir für schlecht und verfehlt. (Beifall bei den Grünen.)

Dass es tatsächlich um eine Ideologie geht, beweisen nicht nur diese Brüche im Sozialsystem, sondern das beweist auch der Umgang mit den Frauenvereinen und Frauengruppierungen. Diesen haben Sie zwar zugesagt, dass es für dieses Jahr eine gleich hohe Dotierung wie im letzten Jahr geben wird, das heißt aber natürlich angesichts der Lohn- und Gehaltsentwicklung, dass es keine Sicherheit für die weitere Tätigkeit dieser Vereine gibt.

Außerdem stelle ich Ihnen in aller Form die Frage: Glauben Sie, dass wichtige Einrichtungen, die die Sozialpolitik unterstützen, wirklich ihre Tätigkeit ungehindert betreiben können, wenn sie von einem Jahr auf das andere betteln kommen müssen? Wäre es nicht gescheiter, wenn Sie, Frau Bundesministerin – Sie bezeichnen sich ja als Rechtsnachfolgerin der Frauenministerin –, einen Rahmenvertrag schlössen und die Fraueninitiativen über einen längeren Zeitraum absicherten und von der jährlichen Bettelei unabhängig machten? (Beifall bei den Grünen.)

Insgesamt ist das ein sehr trauriger Befund in Sachen Frauenpolitik, und ich ersuche Sie dringend, bevor Sie gravierende Einschnitte, irreparable Einschnitte im sozialen System machen, sich doch mit Expertinnen und Experten dieses Bereiches zusammenzusetzen und sich mit dieser Gesetzesmaterie intensiver auseinander zu setzen, und auch feministische Argumente, wie sie etwa von der EU geteilt werden, in Ihren Plänen zu berücksichtigen und nicht mit Füßen zu treten. (Beifall bei den Grünen.)

10.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Steibl. Die Uhr ist auf 7 Minuten eingestellt. – Bitte.

10.40

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Auf die Rede von Kollegin Petrovic eingehend kann ich nur sagen: Konservativ kann auch heißen konstruktiv. (Beifall bei der ÖVP.)

Gestatten Sie mir zu Beginn, Ausschnitte aus zwei Interviews des Kollegen Ex-Finanzminister Edlinger – er ist leider nicht da – und der Abgeordneten Prammer zur Auffrischung zu bringen.

"Zeit im Bild 2", 30. November 1999, ORF, Hochner: "Ich kann mich noch gut erinnern, Herr Minister, im Wahlkampf, da waren Wahlplakate von Viktor Klima. Und da hat es geheißen: SPÖ


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wählen, dann kommt kein weiteres Sparpaket. Kaum ist die Wahl geschlagen, kommt das Sparpaket und gleich um 20 Millionen."

Edlinger: "Nun, ich glaube, das kann man nicht so sehen, denn die Maßnahmen, die ich gesetzt habe, entsprechen keinem Sparpaket, sondern entsprechen jenen Maßnahmen, die erforderlich sind." (Abg. Rosemarie Bauer: Aha!)

Weiters: "Standard" vom 18. Dezember 1999: ",Karenzgeld für alle geht jetzt nicht‘

Prammer erteilt ÖVP-Forderung Abfuhr ...

Ob es jetzt 20 Milliarden Schilling oder mehr sind – die nächste Regierung muss strikt sparen. Frauenministerin Barbara Prammer, Mitglied im Regierungsverhandlungsteam, hält im STANDARD-Gespräch die Bundgetsanierung für einen ,Knackpunkt‘ der Verhandlungen und bekennt sich zum Stabilitätskurs. ,Alles andere ist eine Geldvernichtungsmaschine.‘" (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rosemarie Bauer: Schau, schau!)

So, und jetzt frage ich Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Wer ist bei der Wahrheit geblieben: die SPÖ oder die ÖVP? – Die Österreichische Volkspartei mit Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel! Wir forderten ein Kinderbetreuungsgeld für Mütter und Väter, die diese Familienleistung derzeit noch nicht erhalten, nämlich Schülerinnen, Studentinnen und Vollhausfrauen. Wenn Kollegin Petrovic hier eine Systemverwirrung erzeugte, dann muss ich sagen, das kann nur von den Grünen kommen, weil sie auf Systeme fixiert sind, die man im 21. Jahrhundert sehr wohl positiv und auch konstruktiv und nicht konservativ verändern kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Jetzt weiß ich nicht, auf was ich fixiert bin! Bitte klären Sie mich auf!)

Sie wissen auch, dass wir diese familienpolitischen Leistungen anlässlich des Berichtes des Familienausschusses vor drei Wochen im Parlament bestätigt haben. Es handelt sich um ein familienpolitisches Förderungspaket, das finanzierbar, machbar und sozial gerecht ist. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) – Dazu komme ich schon noch.

Ich möchte gar nicht mehr auf die einzelnen Punkte eingehen, sondern einmal nur auf die Finanzierung. Finanziert werden sollen diese familienpolitischen Leistungen ja, wie es gesagt wurde, aus dem Familienlastenausgleichsfonds, der mittlerweile im Gegensatz zu fast allen anderen Fonds in Österreich strukturell kein Defizitbringer mehr ist. Hier möchte ich auch ein Danke an die Arbeitgeber aussprechen, denn mit den Dienstgeberbeiträgen sind natürlich auch diese Leistungen möglich. (Abg. Mag. Prammer: Danke! – Abg. Silhavy hält ein Blatt Papier in die Höhe. – Beifall bei der ÖVP.) – Ach, ist das eine schöne Zeichnung!

Ich meine, man sollte nicht immer nur negativ denken – ich habe das schon einige Male gesagt –, sondern auch positiv. Und wir können das Kinderbetreuungsgeld mit Mitteln des entschuldeten FLAF eben finanzieren.

Jetzt zu den Meldungen: Budgetnot verträgt kein Familienpaket. Das ist entbehrlich, auch wenn es der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses sagt, denn der FLAF ist ein eigenständiger Fonds und wurde in der Vergangenheit schon ausgeräumt, zum Beispiel zur Abdeckung der unverschämt hohen Forderungen der ÖBB für die Schülerfreifahrten. Und wo gehören die ÖBB hin? – Gut! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nun sind wir endlich so weit – gemeinsam mit unserem Regierungspartner –, dass diese Familienleistungen wieder zur Ursprungsaufgabe zurückkommen und aus dem Fonds heraus finanziert werden. (Neuerliche Zwischenrufe der Abg. Silhavy. ) Ah, meine Rede kann nicht schlecht sein, denn sonst würden Sie nicht so viel reinschreien. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang auch einen Hinweis an jene, die meinen, eine bestimmte Einkommenskategorie für Kinderbetreuungsgeldbezieher einführen zu müssen. Im Regierungsprogramm ÖVP-FPÖ gibt es klare Vereinbarungen, denn vom Familieneinkommen abhängige Lei


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stungen würden einen enormen administrativen und verwaltungstechnischen Aufwand mit sich bringen.

Also was wollen wir? – Soziale Gerechtigkeit für junge Familien und Alleinerzieherinnen, von denen noch keine Millionärin geworden ist, wie ich meine! Die Aussage, die sich in der Begründung der heutigen Dringlichen in Bezug auf Zivildiener und die Frau von Minister Bartenstein findet, ist eine Frechheit. Und wenn ich jetzt dafür einen Ordnungsruf bekomme, dann bin ich noch stolz darauf. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Alle Wünsche kann ich Ihnen nicht erfüllen, Frau Abgeordnete. (Heiterkeit.)

Abgeordnete Ridi Steibl (fortsetzend): Wenn Frau Kollegin Petrovic die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes als soziale Umverteilung von unten nach oben bezeichnet, dann muss ich Ihnen schon einmal ausdrücklich sagen: Uns ist jedes Kind gleich viel wert, und wir machen keine sozialen Unterschiede.

Befremdend ist auch, dass gerade die grünen Frauen die flexiblen Zuverdienstgrenzen während der Karenzzeit kritisieren. Genau diese ermöglichen nämlich eine Regelung, die wir uns alle wünschen und die immer gefordert wird (Abg. Dr. Lichtenberger: Für die Wirtinnen!): Aufrechterhaltung des Kontaktes zu den Betrieben und Qualifikation und Weiterbildung während der Karenzzeit. Offenbar ist es den Grünen wie den Sozialdemokraten lieber, wenn Frauen von männlichen Einkommensbeziehern abhängig gemacht werden.

Ich muss zum Schluss kommen. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, Angst ist ein schlechter Ratgeber! Wir haben Maßnahmen gesetzt, die die Schaffung der bestmöglichen Voraussetzungen für alle Familien ermöglichen, und dazu gehören für uns sehr wohl auch die Alleinerzieher und die Alleinerzieherinnen. – Danke schön. (Abg. Öllinger: Fast keine Zwischenrufe! – Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

10.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

10.47

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass die Bewertung der Politik, die die SPÖ in den letzten Jahrzehnten für die Frauen gemacht hat, höchst unterschiedlich ausfällt, ist nicht weiter überraschend, ist doch die Bewertung einer Politik auch eine Frage der politischen Perspektive.

Das Wesentlichste, das diese Politik erreicht hat, ist für mich, dass sich in den letzten Jahrzehnten das Selbstbild der Frauen sehr verändert hat, dass die Frauen selbstbewusster geworden sind und mehr Eigenständigkeit einfordern. Und unsere Politik hat ihnen in diese Richtung das Rückgrat gestärkt. (Beifall bei der SPÖ.) Dass dies, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, zum schweren Erbe gehört, das Sie übernommen haben, glaube ich Ihnen sehr gerne. Es gehört zum schweren Erbe wie viele andere Werte in dieser Gesellschaft auch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haller: Das Budgetloch haben wir nicht gerne übernommen!)

Sie verabschieden sich in der Frauenpolitik von einer Politik der Eigenständigkeit, und Sie eröffnen eine Politik der neuen Häuslichkeit. Ihnen ist es nur ein Anliegen, zu schauen, dass die Frauen möglichst lange zu Hause bleiben, und Sie verweigern dort Unterstützung, wo die Frauen Hilfe brauchen würden, um wieder zurückzukommen in den Beruf, um eine eigenständige Existenzsicherung zu haben. Es gibt keine Absicherung des weiteren Ausbaus der Kinderbetreuung, keine Arbeitszeiten, die in dieser Lebensphase wichtig wären. Wiedereinsteigerinnen-Programme bleiben dahingestellt, es ist unsicher, ob sie ausgebaut oder überhaupt erhalten werden, was in dieser Phase besonders notwendig wäre.

Aber wir haben heute ja gehört, warum. Das Ausbildungsprogramm, das diese Regierung für die Frauen vorsieht, lautet: Häuslichkeit, Managementqualitäten durch Häuslichkeit. Das ist ein in


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teressanter Ansatz und erklärt mir, warum die Männer in Scharen Hausmänner werden wollen: offensichtlich deshalb, weil sie diese Qualifikationen dort erwerben wollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie betreiben eine Politik der Verunsicherung und der Verhöhnung. Sie verunsichern die jüngeren Frauen, die zum heutigen Zeitpunkt noch nicht wissen, wie es in ein paar Monaten aussehen wird, wenn sie ein Kind bekommen, wie lange sie dann eigentlich zu Hause bleiben können. Sie verunsichern auch die älteren Frauen. Einmal hört man, die Pensionsreform kommt früher, dann wieder später. Also was stimmt? Niemand kann mehr genau von etwas ausgehen und sein Leben planen.

Sie verhöhnen – das haben wir schon gehört – die Frauen, die arbeiten wollen, und sagen ihnen: Bleibt doch zu Hause! Erwerbt dort Managementqualitäten! Sie verhöhnen die Alleinerzieherinnen, denn Sie reden von Frauen, die überemanzipiert und frustriert sind. (Abg. Dr. Feurstein: Bitte, da muss ich widersprechen! Das ist eine Unterstellung!) Sie verweisen übrigens die Anliegen der Alleinerzieherinnen weg vom Familienausschuss in den Gleichbehandlungsausschuss, mit dem Argument, es handle sich nicht um Familien. (Abg. Dr. Feurstein: Natürlich sind es Familien!) Ich möchte Ihnen eines sagen: Sie sprechen von ungefähr einer Viertelmillion Frauen in diesem Land. Das trifft also bereits jede fünfte Familie in diesem Land, denn es handelt sich bei Alleinerzieherinnen um Familien, und zwar um solche, die besondere Unterstützung seitens der Gesellschaft brauchen würden, weil sie in einer besonders schwierigen und armutsgefährdeten Situation leben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ihre Politik ist rein ideologisch motiviert. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Sie negieren, wie die Leute heute wirklich leben, unter welchen Bedingungen und welche Unterstützung sie brauchen würden. Wer Ihrem Bild nicht entspricht, der wird ausgegrenzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Heidrun Silhavy, Franz Riepl und GenossInnen betreffend Arbeitsmarktpolitik für Frauen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung hat alles zu unternehmen, um eine neuerliche, strukturelle Benachteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt, vor allem jener Frauen, die Betreuungspflichten nachkommen müssen, zu bekämpfen. Dies bedeutet eine Arbeitsmarktpolitik, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse Rücksicht nimmt und damit die unterschiedlichen Lebenssituationen der verschiedenen unselbständig Erwerbstätigen in die Arbeitsmarktpolitik einbezieht.

Damit wird eine aktive Arbeitsmarktpolitik im Sinne der ArbeitnehmerInnen möglich."

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Er hat das Wort.

10.53

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich muss eines sagen: Diese Bundesregierung hat einen starken Start gehabt. Etwas mehr als 100 Tage ist diese Bundesregierung nun im Amt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Ich verstehe natürlich, dass die Opposition hier Kritik übt, etwas anderes bleibt ihr ja auch nicht übrig. Trotz Kritik ist man allerdings deprimiert, weil man sieht, dass etwas weitergeht.

Was soll denn diese Bundesregierung jetzt angesichts dessen, dass die alte Bundesregierung ihr einen Schuldenberg hinterlassen hat, tun? – Die neue Bundesregierung muss eben jetzt zum Teil auch Maßnahmen setzen, welche die Menschen belasten, sei es im Bereich der Pensionen oder im Sozialbereich. (Abg. Mag. Kogler: Das war ein Unterwasserstart!) Es müssen Dinge und Maßnahmen erörtert werden, die die SPÖ ebenfalls geplant hat. Der Unterschied ist eigentlich nur der, dass die FPÖ mehr um sozialverträgliche Maßnahmen bemüht ist als die SPÖ.

Ich verweise nur auf das Belastungspaket für die Autofahrer: Die Sozialisten wollten den Benzinpreis um 2 S pro Liter anheben, die Grünen überhaupt auf 35 S. Diese Bundesregierung beschränkte sich auf eine Erhöhung der Kfz-Steuer. Auch das ist eine unangenehme Belastung, muss ich zugeben, aber schuld ist eben die katastrophale Budgetpolitik unserer Vorgänger. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler: Vorgänger!) – Vorgänger, ja. Sie waren ja nicht in der Regierung. Sie wären auch nicht so schnell reingekommen, Herr Kollege Kogler. Mit Ihren Argumenten kommt man nicht in eine Bundesregierung! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In Deutschland handelt es sich um eine einmalige Situation, dass jetzt dort die Grünen in der Regierung sind, aber so schnell wiederholt sich das nicht. In Österreich gehen die Uhren etwas anders.

Frau Kollegin Prammer, die frühere Frauenministerin, hat mit einem Zitat begonnen: Mehr Toleranz. – Frau Kollegin, wo war die Toleranz der SPÖ gegenüber der FPÖ, als jahrelang eine Ausgrenzungspolitik betrieben worden ist, ja zum Teil heute noch betrieben wird? Wo war da die Toleranz?, frage ich Sie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sagen, das Karenzgeld wird jetzt von der neuen Bundesregierung abgeschafft. Ich sage Ihnen, dass Sie zwei Sparpakete, nämlich 1995 und 1997, geschnürt haben, in deren Rahmen das Karenzgeld und die Dauer der Karenzzeit gekürzt worden sind. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Frau Kollegin, lassen Sie mich ausreden. Ich kann nicht auf jeden Zwischenruf eingehen.

Frau Kollegin Petrovic erzählt uns Dinge, die heute bereits in Kraft sind, und bezeichnet diese als zukünftige Belastung. Sie schneidet die Geringfügigkeitsgrenze beim Karenzgeld an. Wenn bisher jemand 5 S über der Geringfügigkeitsgrenze verdient hat, hat er kein Karenzgeld bekommen. Bei unserem Modell mit dem Kinderbetreuungsgeld ist sehr wohl die Möglichkeit geboten, auch wenn das Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze liegt, ein Karenzgeld zu bekommen, mit einer Einschleifregelung ab 12 000 S, was sicherlich sozial verträglich ist. Die Wahlfreiheit ist gegeben. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Das hält sicher, Frau Kollegin Silhavy, lassen Sie sich überzeugen. Gut Ding braucht Weile, Sie müssen uns nur ein paar Jahre arbeiten lassen. Sie werden sehen, dass es für alle Leute unter dieser Bundesregierung viel besser wird, auch für Sie. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Silhavy: Da zweifle ich sehr!)

Frau Kollegin Kuntzl, die gerade vor mir hier beim Rednerpult war, sagt, die Frauen seien viel selbstbewusster geworden. – Da gebe ich Ihnen völlig Recht, Frau Kollegin, die Frauen sind in letzter Zeit viel selbstbewusster geworden, aber nicht durch die Politik der SPÖ, das möchte ich schon in Frage stellen.

Das ist der Lauf der Zeit. Ich begrüße es auch, dass die Frauen viel selbstbewusster geworden sind. Die Ausbildung der Frauen ist viel besser geworden und wird sich auch in Zukunft noch verbessern. Die Verdienstmöglichkeiten der Frauen wird diese Bundesregierung ebenfalls verbessern, etwas, was Sie in den letzten 30 Jahren versäumt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich gebe schon zu, dass wir eine Politik der Häuslichkeit vertreten, aber wir drängen keine Frau an den Herd, sondern wir geben den Frauen die Wahlmöglichkeit und mehr Möglichkeiten der Entscheidungsfindung, wie sie den Wiedereinstieg schaffen. Es werden Möglichkeiten von uns erörtert und auch geboten, etwa durch die neue Form des Kinderbetreuungsgeldes, das in Ausarbeitung ist und eingeführt werden soll. Es wird ganz einfach das Karenzgeld von der Beschäftigung entkoppelt, was einen Meilenstein in der österreichischen Politik darstellen wird. Dadurch wird eine Erhöhung des Karenzgeldes erfolgen, ebenso eine Erhöhung der Bezugsdauer. Auch für allein erziehende Mütter gibt es zwei Jahre Karenzzeit. Maßnahmen für den Wiedereinstieg werden gesetzt, es wird für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesorgt.

Grundsätzlich wird es auf Grund des neuen Bundesbetreuungsgeldgesetzes nur noch Gewinner geben. Am meisten werden aber jene davon profitieren, die bisher nichts bekommen haben. Das sind zum Beispiel Studierende, Schüler, geringfügig Beschäftigte, Personen, die in atypischen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet haben, Hausfrauen, Hausmänner, junge Menschen, die nach der Ausbildung noch keine ausreichende Beschäftigungszeit voweisen konnten, also nicht anspruchsberechtigt waren. In Zukunft wird es durch die Bezahlung dieses Erziehungsgeldes zu einer Gleichstellung aller Eltern kommen.

Es gibt also Wahlfreiheit. Es wird den Eltern nicht vorgeschrieben, ob sie die Erziehungsleistung ganz oder teilweise selbst übernehmen, sondern sie haben durch den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes die Möglichkeit, die Kinder auch außerhalb erziehen zu lassen. Das ist eine Frage der Entscheidung, und diese Wahlfreiheit wird gewährleistet.

Ich verstehe, dass durch das rasche Tempo, das diese Bundesregierung jetzt vorlegt, die Opposition und auch der Gewerkschaftsbund total verunsichert werden. Es ist aber notwendig, in Bereichen wie Familien, Frauen, Jugend, im Pensionsbereich – dies ist überhaupt eine sehr schwierige Materie – Maßnahmen zu setzen und diese voranzutreiben. Es gibt zwei Gruppen, für die es unter allen Umständen im Pensionsbereich einen Bonus geben sollte: Das sind die Frauen – die Kindererziehungszeiten sollten als echte Beitragszeiten gewertet werden – und die Menschen, die länger als 45 Jahre lang gearbeitet haben. Diese sollten ebenfalls ohne Abschläge, wie das bisher der Fall war, mit 60 Jahren in den Ruhestand treten können. Ansonsten muss ganz einfach das Zugangsalter zur vorzeitigen Alterspension erhöht werden. Dies hat im Übrigen auch die SPÖ in ihrem Papier geplant. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir garantieren, dass in bestehende Pensionen nicht eingegriffen wird. Eine Angleichung der Pensionsregelungen in der Privatwirtschaft an jene im öffentlichen Dienst ist anzustreben. Eine Schaffung ... (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Die ehemalige Frau Sozialministerin Hostasch hat in der letzten Ausschusssitzung, in der sie noch Ministerin war, gemeint – Frau Kollegin Silhavy, da waren Sie auch noch dabei –, die Schaffung von Gleichwertigkeiten stärke das Vertrauen in das System. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Wenn Sie es nicht glauben, fragen Sie bei Ihrer Kollegin, Frau Hostasch, nach. (Abg. Silhavy: Sie greifen in bestehende Pensionen ein!)

Nein, wir greifen in bestehende Pensionen nicht ein. Das wollen vielleicht Sie. Sie dürfen nicht Ihr Papier mit unserem verwechseln, verstehen Sie. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Frau Kollegin Silhavy, mir läuft schön langsam die Zeit davon. Ich sage Ihnen nur eines: Lassen Sie die neue Bundesregierung arbeiten, lassen Sie das neue Team arbeiten, es kann nur noch besser werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Die Regierung kann nicht besser werden! – Abg. Dr. Rasinger: Woher weißt du das?)


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11.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Grünewald. Die Uhr ist auf 15 Minuten eingestellt. – Bitte. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

11.01

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Langsam kenne ich mich aus. Was wird passieren? Das Manna wird vom Himmel stürzen, nicht über die Insel der Seligen, sondern ab sofort zielgenau und sozial treffsicher. Wer’s glaubt, wird selig. Wer an eine konservative Familienpolitik glaubt, kann zukünftig vielleicht noch in einer Hinsicht modern werden, indem diese Familienpolitik vielleicht noch zur Abschaffung des Zölibats führen wird, weil es sozialpolitisch unrentabel wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage Ihnen aber, die Gesundheitspolitik der Bundesregierung erinnert mich an ein Horr orskop – und damit Sie das auch verstehen: "Horrorskop" mit zwei "r". Warum? Weil sich Banalitäten und Grausamkeiten abwechseln. Die Banalitäten zuerst: Seit langem geltende Gesetze, zum Beispiel jene der Qualitätssicherung, werden plötzlich als neue Erfindung verkauft, und No-na-net-Erkenntnisse der Umgewichtung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung werden plötzlich auch zum großen Programm erhoben, was aber jeder, der sich damit beschäftigt, letztlich seit Jahrzehnten weiß. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Warum ist nie etwas geschehen?)

Erklärungen und Widerrufe wechseln sich ab und werden irgendwie zu einem Sirup vermischt, der, wenn man ihn einnimmt, gesundheitspolitisch gesehen nichts anderes bewirkt, als dass sich das dumpfe Gefühl in der Magengrube gleich zur Kolik steigert. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin der Ansicht – und dazu stehe ich –, dass einem der Herr Staatssekretär sogar langsam Leid tun sollte, denn jedes Mal dann, wenn er der Versuchung des eigenständigen und kompetenten Denkens erliegt, bekommt er via Presse von Blau-Schwarz links und rechts Rüffel, die sich gewaschen haben. Das muss weh ... (Abg. Dr. Rasinger: Von mir hat er nie einen gekriegt!) Na ja, von Ihnen nicht – Sie sind aber auch nicht die ÖVP! (Beifall bei den Grünen.)

Das muss so wehtun und zu so einem starken Verbrauch von Schmerzmitteln führen, dass die Arzneimittelkosten bei dieser Politik wahrscheinlich gleich noch einmal explodieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich meine auch, dass der Slalomkurs, der in der Gesundheitspolitik derzeit gefahren wird, bei hochsommerlichen Temperaturen auf Rasen nichts bewirken wird, zumindest keinen Sieg. Ich denke auch, dass man bei Gesundheitskonferenzen und Krisengipfeln eher geneigt ist, geladene Experten zu Mittätern oder Mithandlern zu machen oder sie als Kronzeugen dafür zu missbrauchen, dass das ganze System in einem riesigen Wong-Pong, einem Riesencrash zu Grunde gehen werde. Daran glaube ich nicht. Und ich werde Ihnen auch erklären, warum.

Was mich aber tatsächlich irritiert, ist das wirklich vorhandene Chaos in dieser Politik, die mangelnde soziale Gesinnung und Empathie, die dahinter verborgen ist, die jedoch nicht unbedingt von den tragenden, verantwortlichen Personen ausgehen muss – da möchte ich fair bleiben –, sondern von Gesinnung und Haltung jener Parteien herrührt, die eben in Zahlen und in Bilanzen von Lohn- und anderen Buchhaltern eher zuhause sind als im Mitgefühl mit den Patientinnen und Patienten.

Ich meine, dass der Systemcrash, der immer wieder angedroht wird, die ständigen Bemerkungen, dass unser Gesundheitssystem und die Leistungen der modernen Medizin in Zukunft nicht mehr finanziert werden könnten, eigentlich nichts anderes sind als die relativ unverhohlene Drohung und Nötigung von Patientinnen und Patienten, einem gesamtösterreichischen Sparverein beizutreten, der sehr ungleich gewichtet ist zwischen jenen, die bedürftig sind, und jenen, die sich Medizin in Zukunft vielleicht allein noch leisten werden können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist für mich im höchsten Maße irritierend, um keinen stärkeren Ausdruck zu verwenden, wenn Frau Bundesminister Sickl – und ich zitiere im Folgenden – auf eine Frage im Budgetausschuss schriftlich antwortet: Eine genauere Untersuchung der steuernden Wirkung einzelner Selbstbehalte liegt nicht vor. – Zitatende.


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Ich frage mich: Wie kann man Regierungsprogramme schreiben und versuchen, ihnen mit Macht, Mehrheiten und Druck zum Durchbruch zu verhelfen, wenn keine relevanten Daten zur Steuerung vorliegen? Politik auf Verdacht haben wir in den letzten Tagen erlebt, als es um die Diskussion des Überwachungsstaates gegangen ist. Aber Politik auf Verdacht auch in die Gesundheitspolitik eingeführt zu haben, ist eine makabre und erschütternde Diagnose für die Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weiters ist es auch in höchstem Maße irritierend, wenn recht kläglich – und zu diesem Wort stehe ich auch – versucht wird, nachzuweisen, dass durch die Maßnahmen der Bundesregierung nicht, wie wir Grüne und auch die Sozialdemokraten behaupten, vorwiegend die PatientInnen zur Kasse gebeten würden, sondern Krankenkassen und Pharmaindustrie einen wesentlichen, ja einen überwiegenden Beitrag zur Sanierung des Gesundheitssystems beitragen sollen.

Das ist das Abstruseste, das ich je gehört habe. Das Einzige, das fix und verbindlich scheint, sind Selbstbehalte, und die treffen ausschließlich Patientinnen und Patienten, nicht Gesunde, nicht Fite, nicht jene in Sportklubs, sondern ausschließlich diejenigen, die krank sind, und vermehrt noch chronisch Kranke, Arme, Alte und psychisch Kranke.

Was ist mit den Kassen? – Es sollte den tragenden und verantwortlichen Personen bekannt sein, dass die Verwaltungskosten österreichischer Sozialversicherungsträger zu den niedrigsten im gesamten Europa gehören. Ich bin kein Pressesprecher der Sozialversicherung, aber Ehre, wem Ehre gebührt. Es sind die niedrigsten Verwaltungskosten, und eine Reduktion dieser Kosten würde zwangsläufig zu einer Reduktion der Serviceleistungen der Kassen führen. Auch das trifft – Sie dürfen drei Mal raten, vielleicht geht es mit einem Mal – die Kranken, die chronisch Kranken und Behinderten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und was die Arzneimittelpreise angeht: Ich bestreite nicht, dass hier gewisse Summen eingespart werden könnten, aber verantwortliche Personen sollten wissen, dass der medizinische Fortschritt, der höchste Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel, wie er in Österreich existiert, und die Verschreibepraxis, die teilweise ja auch auf Notwendigkeiten – das werden mir die anwesenden Ärzte hoffentlich auch unterschreiben – und nicht nur auf Jux, Tollerei und Unkenntnis beruht, zu eben diesen Preisen führt, also dass die Kostenentwicklung auf diese Dinge zurückzuführen ist. Internationale Statistiken weisen Österreich – sehr verblüffend, ich bin auch nicht Pressesprecher der Pharmakonzerne – als Billigpreisland bei den Arzneimitteln aus. Man höre und staune!

Das Irritierendste ist aber: Gestern bei der Getränkesteuer hätte vielleicht der Satz fallen können, man soll die Rechnung nicht ohne den Wirt machen. Aber ich als Grüner frage Sie aus dem schwarzen und blauen Lager schon noch eines: Gerade Sie, die sozusagen den Tanz um das goldene Kalb der Wirtschaft am besten beherrschen, wollen durch staatliche Eingriffe und durch planwirtschaftliche Elemente den freien Markt der Konzerne beeinflussen? Ja halten Sie uns für völlig bescheuert (Beifall bei den Grünen), wenn Sie uns versprechen, dass Preisreduktionen durch Blau-Schwarz von weltweiten Großindustrien erpresst, ernötigt, erfleht oder verhandelt werden könnten? Da ist nicht viel drinnen. Das bedeutet, zurück bleibt die Belastung, die ausschließlich auf Kosten der Kranken geht. Aus! Punkt! Basta! Amen! Es ist also kühn, Selbstbehalte mit diesen völlig ungelegten Eiern sozusagen egalisieren zu wollen. Das wird nicht klappen!

Weiters ist unbestritten, dass momentan Einsparpotentiale auf den verschiedensten Sektoren vorhanden sind, die ich Ihnen schon x-mal herunter- und vorgebetet habe. Ich halte es für unseriös, Betroffene zur Kasse zu bitten, bevor man vorhandene Sparmöglichkeiten nicht ausgelotet und nicht ausgeschöpft hat. In dieser Hinsicht sehe ich relativ wenig: Doppel-, Dreifachuntersuchungen, Balance stationär – ambulant, Qualitätssicherungsinstrumente, et cetera, et cetera. (Abg. Dr. Rasinger: Qualitätssicherung kostet aber!)

Qualitätssicherung – das steht alles im Programm. (Abg. Dr. Rasinger: Qualitätssicherung gibt es aber auch nicht umsonst!) Sicherlich, Qualitätssicherung gibt es nicht umsonst, aber eine richtige Diagnose und richtige Behandlung ist allemal günstiger und ökonomischer als eine fal


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sche und schlechte. Es wird sich also auch einmal hereinspielen. Aber trotzdem wird es einmal kommen.

Ich meine, es ist genug Geld da für die Gesundheit, es reicht aus. Wir liegen im europäischen Mittelfeld, und man kann durch Umschichtungen sogar noch Spielraum gewinnen. Es werden aber Zeiten kommen, in denen der Fortschritt seinen Tribut verlangen wird, vor allem dann – und dazu bekennen wir Grüne uns ganz intensiv –, wenn dieser Fortschritt sozial gerecht sein und allen in gleicher Weise zugute kommen soll. Wenn man das nicht will und stattdessen rationiert, wird man auch dann noch mit den derzeitigen Mitteln auskommen. Aber wenn Sie das wollen, sagen Sie es bitte den Österreicherinnen und Österreichern.

Mit sozialen Ideen, mit Empathie und Gefühl ist der Bundesregierung anscheinend nicht beizukommen. Man wird sofort in das Lager der Sozialutopisten, der Gutmenschen, der Verschleuderer, der Schuldenmacher gehievt. Also versuche ich es eben mit nüchternen Zahlen, die mehr das Stirnhirn und nicht das limbische System der Gefühle beanspruchen. Vielleicht funktioniert bei Ihnen das Stirnhirn.

Es ist bekannt, und internationale Studien haben ergeben, dass die Belastung der privaten Haushalte durch Gesundheitsausgaben wesentlich stärker angestiegen ist als die Ausgaben für Gesundheit im öffentlichen Bereich. Also sagen Sie nicht, der Staat ginge an den Gesundheitskosten zugrunde. Die einzelnen Menschen tragen von Jahr zu Jahr unverhältnismäßig mehr dazu bei. Der Staat mit seinen öffentlichen Geldern aber hat bei den Gesundheitsausgaben sinkende Quoten zu verzeichnen. Das haben Sie noch nie gesagt.

Vom Institut für Höhere Studien – keine grün-linke Wissenschaftsorganisation – wird nachgewiesen, dass in Österreich das Verhältnis vom Wirtschaftswachstum im Vergleich mit anderen Ländern und das reale Wachstum der Gesundheitskosten im Vergleich zum Wirtschaftswachstum unterdurchschnittlich ist, verglichen mit anderen OECD-Staaten. Was reden Sie da vom Systemcrash? Es ist eine Frage der Einstellung der Regierung: Was ist uns etwas wert, und was darf uns nicht zu billig werden? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber Ihre Methode funktioniert ja anders. Diese realen wissenschaftlichen Daten, die mit dem Stirnhirn allein zu bewältigen sind, die lassen Sie einfach unter den Tisch fallen. Stattdessen drohten Sie gestern mit organisierten, internationalen Verbrecherbanden, mit dem Einfall der Mongolen und jetzt auch noch mit dem Systemcrash. "Einfall der Mongolen" war symbolisch gemeint – also das haben Sie nicht gesagt, um dafür jetzt keinen Rüffel zu kriegen. (Abg. Dr. Rasinger: Auch "Systemcrash" hat niemand gesagt!) Also "Systemcrash" hat man schon gesagt. Es reicht die Wahrheit, man braucht keine Polemik bei Ihnen.

Weiters ist mir aufgefallen: Es gibt Strukturschwächen, die auch Sie erkannt haben, was ja auch keine Kunst ist, nämlich die Strukturschwächen im Verhältnis des ambulanten Bereiches zum stationären Bereich. Wie kommen aber Patienten dazu, auf Grund der geplanten Steuerung mittels Selbstbehalten in Krankenhaus-Ambulanzen diese politisch verschuldeten und mitgetragenen Strukturschwächen zu sanieren? Das frage ich mich, und ich frage mich auch, wie das bei der verschuldensunabhängigen Haftung laufen soll, wenn Patienten zur Kasse gebeten werden dafür, dass das System Risiken in sich birgt, die durch Qualitätssicherung zu beheben wären. Damit sollen die Patienten den Schaden, den sie in Gesundheitssystemen erleiden können, sozusagen selbst bezahlen.

Mit anderen Worten: Es gibt eine Reihe von Kritiken.

Etwas möchte ich noch kurz anführen: Im Drogenbereich, bei der Behandlung von Drogenabhängigen und Drogenkranken sind Einsparungen vorgenommen worden, die gewisse Institutionen fast vor die Tür setzen und ihre Arbeit in Frage stellen. (Beifall bei den Grünen.)

Nun kann es natürlich sein, dass Sie davon ausgehen, dass alle, die in therapeutischen Einrichtungen für Drogenkranke, für AIDS-Kranke ihre Arbeit leisten, sozusagen rote, grüne Terroristen seien. Auch Drogenabhängige und -kranke kämen ja nicht aus dem schwarz-blauen Lager, das sei ja alles wiederum rot-grünes Klientel – das sage ich, Sie würden andere Worte gebrauchen.


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(Abg. Dr. Leiner: Das hast jetzt aber du gesagt!) Nein, das hast du nicht gesagt, ich weiß, du würdest so etwas auch nie sagen. Aber es gibt genügend andere, die dir diese Arbeit abnehmen!

Warum spart man hier bei Kranken? Ein Satz, der in diesem Zusammenhang auch ausgesprochen wurde – ich zitiere:

Wir wollen mehr die Prävention stützen und finanziell nicht weiterhin die Krankenbetreuung in dieser Klientel durch diese Non-Profit-Organisationen in dem Maße aufrechterhalten. – Zitatende.

Die Krankenbetreuung in diesem Bereich weist jedoch eklatante Lücken auf, und diese Vereine, diese Streetworker leisten einen ganz wesentlichen Teil der Arbeit. Das war sozusagen nur ein kleines Beispiel, wo es sich irgendwo spießt.

Zum Schluss etwas leicht Verständliches. Und ich schließe wiederum in Verzweiflung darüber, dass mit Herz bei Ihnen nicht viel zu erreichen ist, mit dem Stirnhirn ab: Eine gesunde Wirtschaft braucht gesunde Menschen. Vielleicht klingelt es jetzt bei Ihnen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.17

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Dr. Grünewald! Ihr Ausspruch "völlig bescheuert" hat eigentlich nicht zur sonstigen Form Ihrer Ausführungen gepasst – und passt auch nicht in dieses Haus.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.17

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Grünewald! – Er geht gerade hinauf. – Sie haben von "Horr orskop" geredet, als Sie über die Regierung geredet haben. Also eigentlich bekomme ich Angst, wenn Sie Ihre Vorstellungen über Österreich ergießen. Und wenn Sie dann salopp formulieren, man soll das "Stirnhirn" einschalten oder "vielleicht klingelt es bei Ihnen" –: Sie bräuchten andere Abgeordnete eigentlich nicht mit solchen Argumenten abqualifizieren. Ich denke, das haben Sie nicht notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Genau Ihre Ideen sind gefährlich! Ich habe mir genau – diese Mühe habe ich mir gemacht – Ihre Pressekonferenz zu Ihren Vorschlägen zum Gesundheitswesen angeschaut. Sie sagen, 10 Milliarden Schilling seien locker umschichtbar – ja vielleicht in einigen Jahren. Akut fehlen jedoch 5,7 Milliarden Schilling in der Krankenkassa. Ich sage bewusst nicht Defizit, weil dem ja Leistungen für Patienten gegenüberstehen. Und Sie sagen angesichts dessen in der Öffentlichkeit – und das ist für mich erschwerend, wenn das ein Professor, der sich auskennen sollte, sagt –, 10 Milliarden seien locker umschichtbar. Alle Ambulanzen in Österreich kosten 11,8 Milliarden Schilling! Wie wollen Sie da 10 Milliarden Schilling zum Bereich der niedergelassenen Ärzte umschichten? Glauben Sie wirklich, dass die Spitäler das Geld dann der Krankenkassa geben? So führen Sie die Bevölkerung in die Irre. Diese Wege sind einfach nicht gangbar, diese Wege würden zu einem Kahlschlag im österreichischen Gesundheitswesen führen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Genau das, was Sie bei der Pressekonferenz als Ihr Programm vorgeschlagen haben, das sind Potemkinsche Dörfer, die einfach nicht funktionieren. Und wenn Sie sich lustig machen und sagen: 5,7 Milliarden Schilling fehlen – das haben Sie nicht gesagt, sondern Sie machen sich über Krisengipfel lustig –, ja was hätte denn die Regierung machen sollen? Hätte sie zuschauen sollen, wie die Krankenkassen in Konkurs gehen? Ist das Ihre Form von Stirnhirn, dass man den Kopf in den Sand steckt und nichts tut? Deshalb bleibe ich dabei: Ihre Vorschläge sind Horror, nicht die Vorschläge der Regierung.


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Aber es hat sich ja – Gott sei Dank, weil ich schätze Sie sehr – die Politik der Grünen etwas gewandelt. Noch vor wenigen Jahren hat Herr Abgeordneter Pilz in Büchern österreichische Spitäler als Gefängnisse beschrieben. Dazu hätte ich mir einmal ein Wort von Ihnen erwartet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Noch vor drei Jahren hat Frau Abgeordnete Haidlmayr gesagt: Wir brauchen in Österreich Heilpraktiker auf Kosten der Krankenkassen. – Da hätte ich mir von Ihnen erwartet, dass Sie hier einmal ein Wort sagen. Da Sie heute kritisieren, dass man Patienten, an denen Schäden angerichtet wurden oder bei denen Fehler unterlaufen sind, entschädigt, und da Sie das als lächerlich oder absurd darstellen, muss ich Ihnen sagen: Elf Jahre haben wir darum gekämpft, und jetzt setzen wir es um – das ist doch ein Fortschritt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Grünewald: Der Patient muss das selber zahlen!)

Alles kommt vom Bürger; auch die Steuern kommen vom Bürger. Das ist eine reine Scheindiskussion. Wir wollen die Leute entschädigen, das steht im Vordergrund. Die Leute interessiert überhaupt nicht, woher das Geld kommt. Sie wollen eine Entschädigung haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Pumberger: Sie sind doch sonst so gescheit, Herr Grünewald!)

Ich werden Ihnen zum Drogenbereich etwas sagen. Ich bin wahrscheinlich derjenige hier im Hohen Haus, der die meisten Drogenpatienten gesehen und behandelt hat, denn ich bin praktischer Arzt und kümmere mich auch um diese Leute. Der Vorwurf, dass in der Drogenarbeit nichts geschieht, ist einfach absurd und falsch. Dieser Konsens wird von allen Parteien getragen, also tun Sie nicht so, als ob Sie jetzt die Ethik in der Medizin erfunden hätten. Es gibt auch Ethik auf der anderen Seite! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Grünewald: ... dass Sie sie erfunden haben!)

Jetzt werde ich Ihnen einmal sagen, was Gesundheitspolitik bedeutet. "Planung mit Herz" müsste man eigentlich über das Gesundheitswesen schreiben. Dazu nenne ich Ihnen drei Beispiele.

Die Tochter des ehemaligen Kanzlers Vranitzky hat auf dem Naßfeld einen schweren Skiunfall und erleidet eine lebensgefährliche Nierenblutung. Gott sei Dank hat es einen Minister Löschnak gegeben, der sich gemeinsam mit dem ÖAMTC für Notfall-Hubschrauber eingesetzt hat – weit über dem kindischen Niveau des "Medicopters" im Fernsehen. Wir haben eine Weltklasse-Notfall-Hubschrauberversorgung in unserem Land, und Notfallärzte – auch von Löschnak; kein ÖVPler, sondern SPÖ, wie Sie wissen. Aber das war Planung, und es hat Jahre später jemand das Leben gerettet. Das können jederzeit auch wir sein!

Zweites Beispiel: Ein Prominenter erleidet in einer Versammlung einen schweren Kollaps, im Spital wird ein beginnender Infarkt festgestellt. Sie wissen genauso wie ich, dass die Spitalsmortalität heute nur noch halb so groß wie vor 20 Jahren ist. Dieser Patient wurde durch neue Methoden – Dehnung et cetera – gerettet und so wirksam behandelt, dass sich der Infarkt nicht einmal ausbilden konnte. Ein halbes Jahr vorher hatte die Harvard Medical School diese Arbeit veröffentlicht; in Österreich wurde das im Hanusch-Spital bereits verwirklicht. Das kostet Geld. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Grünewald: Die meisten Patienten sind nicht ...!)

Ich möchte Ihnen damit sagen, dass modernes Gesundheitswesen etwas mit Planung zu tun hat. Das Gerede über Belastungen kann ich schon nicht mehr hören. Unser Gesundheitswesen ist Weltklasse, und die Kosten sind Mittelfeld. Das haben Sie selbst gesagt. Gesundheitswesen heißt: Solidarität mit Kranken, Solidarität mit Alten. Beweisen Sie mir, dass die Regierung eine Zwei-Klassen-Medizin anpeilt! Das ist überhaupt nicht wahr. Was Sie anpeilen, ist Zwei-Klassen-Medizin – denn Sie stecken den Kopf in den Sand und sagen: Die Kosten werden sich irgendwoher vom Himmel von selbst atomisieren!

Wollen Sie rot-grüne Zustände wie in Deutschland, wo Ärzte bestraft werden, wenn sie Medikamente für Schizophrene verordnen? Wollen Sie diese Zustände? Grüne Minister in Deutschland – ich bedanke mich! (Abg. Dr. Grünewald: Wissen Sie die Gründe, warum ...?) Wollen Sie


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28. Sitzung / Seite 43

englische Zustände? – 1,3 Millionen Menschen warten dort auf eine Operation. Nehmen Sie dazu Stellung! Nehmen Sie einmal dazu Stellung, dass Patienten mit einer Heilungschance unter 5 Prozent in England nicht behandelt werden! Nehmen Sie einmal dazu Stellung! – Das ist Ihre Gesundheitspolitik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Wir gehen im Gesundheitsprogramm engagiert neue Wege, auch zu mehr Prävention. (Abg. Edlinger: Für eine sozialdemokratische Politik argumentieren Sie!) Ich? (Abg. Edlinger: Ich danke Ihnen dafür! Aber für Sie ist heute ja alles anders! – Zwischenruf der Abg. Bures. ) Jawohl, ich bekenne mich zum Konsens im Gesundheitswesen, dieser war auch mit den Sozialdemokraten immer vorhanden. Aber wir wollen die Probleme lösen, die es nach wie vor gibt. Wir wollen mehr für die Prävention tun. Das Wichtigste ist nämlich nicht, dass der Österreicher in einem weißen Bett liegt, sondern dass er gesund alt wird! (Abg. Bures: Die Kranken zur Kasse!)

Zweitens: Wir wollen die Lücken in der Rehabilitation füllen – Schlaganfall-Rehabilitation, psychiatrische Rehabilitation, Rehabilitation der Kinder, ambulante Rehabilitation. Die Leute sollen nicht vor der Zeit pflegebedürftig werden.

Drittens – eine Mega-Aufgabe, die bisher nur mangelhaft gelöst worden ist: Wir wollen selbstverständlich vom Spital nach außen verlagern. Wir wollen die Versorgung ausbauen. Wir brauchen mehr Hospize, wir brauchen mehr Schmerztherapie, wir brauchen mehr Niedergelassene auf dem Land, wir brauchen mehr in der Psychiatrie und Psychotherapie. Gesundheit ist kein lästiger Kostenfaktor!

Herr Ex-Finanzminister! Oft hatte sich Frau Ex-Ministerin Prammer beklagt: Gesundheit ist auch eine Beschäftigungschance, vor allem für Frauen. Wir von der ÖVP, wir von der Regierung werden für hohe Qualität kämpfen: für maximale Zuwendung und für eine maximale Ethik – auch wenn es mir Herr Abgeordneter Grünewald nicht glaubt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Gegen wen kämpfen Sie da? Da können Sie nur gegen sich selbst kämpfen! 30 Jahre Politik!)

11.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort gemeldet. Ich darf Ihnen § 58 Abs. 2 noch einmal nahe legen:

Die tatsächliche Berichtigung hat mit der Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beginnen, und dieser Behauptung ist dann der berichtigte Sachverhalt gegenüberzustellen. – Bitte.

11.25

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Hohes Haus! Herr Abgeordneter Rasinger hat behauptet, die Grünen wollten eine Zwei-Klassen-Medizin mit den katastrophalen Auswirkungen wie in Deutschland und in England.

Ich korrigiere: Die Grünen sind keine Anhänger des Anschlusses. Wir sind nicht die deutschen Grünen, sondern österreichische Grüne. Wir gehören auch nicht dem "House of Lords" an, sondern sind österreichische Grüne, die nicht die Zwei-Klassen-Medizin wollen.

Ihre Behauptung, ich hätte gesagt, 10 Milliarden Schilling sind locker einzusparen, und Ihre Bemerkung, das geht nicht sofort, sind insofern zu korrigieren, als ich hierfür keinen Zeitraum genannt, sondern gemeint habe: Bei Gesamtkosten von 230 Milliarden Schilling können doch mit 10 Milliarden Schilling an Umschichtungen – das sind nicht einmal 5 Prozent – sicherlich Effekte erreicht werden, um die Kranken nicht, wie Sie es wollen, zu belasten. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Rasinger: Wie?)


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28. Sitzung / Seite 44

11.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte.

11.26

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich war schon sehr beunruhigt – da sich die ersten zwei Stunden sehr einseitig um ein einziges Thema bewegt haben –, dass Politiker Gesundheit nicht mehr interessiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin sehr dankbar dafür, dass jetzt die beiden Gesundheitssprecher vor mir das Thema aufgegriffen haben, und darf vielleicht gleich dazu sagen: Das ist genau der Unterschied, den wir jetzt machen. Wir haben im Gegensatz zur vorhergehenden Sozialministerin, die Reformen entweder nur zaghaft oder gar nicht begonnen hat, jetzt einmal damit begonnen, Reformen direkt umzusetzen. Bisher waren Qualitätssicherung und Verlegung ins Extramurale zwar in drei Regierungsprogrammen vorhanden, aber immer nur als Lippenbekenntnisse. Die Umsetzung dessen, auch nur in Ansätzen, hat gefehlt.

Auch die Unfinanzierbarkeitsaussagen stammen keineswegs von uns. In dieser Hinsicht gehe ich mit Abgeordnetem Grünewald konform, dass einige Milliarden Schilling im System liegen, die einer besseren wirtschaftlichen Behandlung bedürfen. Die Unfinanzierbarkeitsaussagen sind eigentlich immer nur von der SPÖ, vom Hauptverband und von den Sozialversicherungsträgern gekommen, und sie haben einseitig in der Forderung gemündet, die österreichischen Bürger zu belasten und Beiträge zu erhöhen.

Genau das haben wir aber nicht gemacht, sondern wir haben uns jenem sicherlich nicht einfacheren Weg verschrieben, ohne Einschränkung der medizinischen Leistung, ohne Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge und ohne Selbstbehalt bei den niedergelassenen Ärzten jene Maßnahmen zu setzen, die zuerst vollzogen werden müssen, um alle Aufgaben, wie sie Abgeordneter Rasinger genannt hat, wirklich umsetzen und erfüllen zu können.

Ich kann Ihnen auch versichern, dass wir auf diesem Weg weitergehen. Wir haben bereits gestern begonnen, mit dem Herrn Finanzminister und den Landesfinanzreferenten die Spitalsfinanzierung – die Weiterführung des so genannten LKF-Modells – zu besprechen. Wir haben auch hier, so wie bisher, ein sehr konstruktives Klima vorgefunden und in den gemeinsamen Feststellungen jenes Bemühen auch seitens der Bundesländer erkennen können, die sich ebenfalls diesem Weg angeschlossen haben, die Gesundheit in Zukunft als Gesamtes zu sehen und nicht immer nur eine Trennung in einen intra- und extramuralen Bereich vorzunehmen.

Wir haben gestern vereinbart, das erforderliche Maßnahmenpaket in Arbeitsgruppen sehr rasch umzusetzen, sodass wir zuversichtlich sind, den Zeitplan ebenso wie bei den Krankenversicherungen einzuhalten.

Herr Präsident! Hohes Haus! Angesichts kaum vorhandener oder selbst von der Opposition nur moderater Kritik sehen wir, dass wir mit der Gesundheitspolitik der Regierung genau auf dem richtigen Weg sind. Wir sind vor allem deswegen auf dem richtigen Weg, weil in allen unseren Überlegungen der Mensch im Zentrum steht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.30

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.30

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Seit zirka zweieinhalb Stunden diskutieren wir über Frauen – falls Ihnen das entgangen ist. Selbstverständlich werden wir – so, wie es in der Tagesordnung vorgesehen ist – die Sozialversicherung und die Gesundheit behandeln. Aber jetzt ist seit zweieinhalb Stunden das Thema Frauen an der Reihe! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Leiner: Das war ja schon!)

Eingangs möchte ich einen Entschließungsantrag einbringen. (Abg. Dr. Leiner: Sie waren nicht da!) Ich war zweieinhalb Stunden da (Abg. Dr. Stummvoll: Nicht aufgepasst!) und habe zwei


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28. Sitzung / Seite 45

einhalb Stunden sehr genau zugehört. Es waren interessante Debattenbeiträge, Herr Dr. Leiner. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. )

Ich möchte jetzt folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maga. Barbara Prammer, Beate Schasching, Maga. Gisela Wurm und GenossInnen gemäß § 55 GOG, eingebracht im Zuge der Debatte über die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (60 und Zu 60 der Beilagen), betreffend Kinderbetreuung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, gesetzliche Maßnahmen zu setzen, welche die weitere Demokratisierung der österreichischen Gesellschaft im geschlechtsdemokratischen Sinne garantiert. Dazu gehören insbesondere Maßnahmen im Bereich der Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt und der Kinderbetreuungseinrichtungen. Das heißt, die Bundesregierung möge durch entsprechende Maßnahmen gewährleisten, dass der weitere Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder jeden Alters in allen Bundesländern weiter voranschreitet. Frauen müssen die Chance erhalten, nicht nur berufstätig zu sein, sondern einen Teil der Betreuungspflichten abgeben zu können. Dazu gehört, Kinderbetreuungseinrichtungen bereitzustellen, die nicht nur über die Mittagszeit, sondern auch jenseits der Zeitgrenze von 16 Uhr beziehungsweise in den Abendstunden und den Ferien den betreuenden Elternteilen zur Verfügung stehen.

Erst durch diese Gewährleistung wird Frauen die Möglichkeit einer Annäherung an die Zeit- und Ortautonomie, über die Männer verfügen, egal ob sie nun Väter sind oder nicht, ermöglicht.

*****

Damit bin ich schon beim Hauptthema meines Debattenbeitrages: Sie, verehrte Frau Bundesministerin, haben die Kinderbetreuungs-Milliarde abgeschafft! (Beifall bei der SPÖ.)

Jeder, jede, der beziehungsweise die das Wort "Wahlfreiheit" in den Mund nimmt und sagt, dass Kind und Beruf vereinbar sein müssen, muss dafür sorgen, dass entsprechende Kinderbetreuungseinrichtungen zur richtigen Zeit in der richtigen Qualität zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß, dass die Zuständigkeit gemäß Artikel 15 des Bundes-Verfassungsgesetzes bei den Ländern liegt. Sie wissen: Wir haben in Österreich sechs ÖVP-Landeshauptleute, einen FPÖ-Landeshauptmann und zwei SPÖ-Landeshauptleute. Ich sage Ihnen: Hier liegt vieles im Argen! Hier stimmt die Kinderbetreuung vor allen Dingen in den ÖVP-dominierten Ländern nicht! In Wien passt es, das ist unser Vorbild! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Sie kennen vielleicht das neue Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis, das es ermöglicht, dass Verkäuferinnen bis 22 Uhr arbeiten können oder müssen. (Abg. Dr. Leiner: Dürfen!) In Innsbruck geschieht das schon so, zum Beispiel im "Metro". Was heißt denn das? – Bei uns in Tirol gibt es keinen einzigen Kindergarten, der bis 22 Uhr geöffnet hat. Nicht jede Frau verfügt über eine Großmutter oder über einen Opa, der das Kind versorgt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Aber vielleicht über eine Tagesmutter! – Abg. Dr. Leiner: Eine Tagesmutter!)

So ist das, Frau Bauer: Sie haben damals Blumen bekommen für das, was wir beim Frauen-Volksbegehren nicht durchgesetzt haben. Das war beschämend! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. )


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Diese Verkäuferinnen können es sich nicht leisten, Babysitter einzustellen. (Abg. Dr. Leiner: Tagesmütter!) Sie haben normalerweise ein Gehalt von zirka 10 000 S. Das ist tragisch, das macht die Frauen arm. Diese Regierung hat ein Budget vorgegeben, das eine Belastungswelle von unten nach oben bedeutet. Frauen gehören zu denjenigen, die sich eher im unteren Einkommensdrittel befinden. (Abg. Dr. Leiner: Ja, aber das hat die sozialistische Regierung in der Vergangenheit nicht bewältigt!) Das bedeutet in Zukunft die Armut der Frauen. Die Armut ist weiblich, weil Sie eine solche Politik machen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz zum Schluss – das rote Licht leuchtet schon – möchte ich noch einiges zum Frauenbild sagen – weil das immer zeigt, wie es dann weitergehen kann –, zum Beispiel zum Frauen- und Menschenbild der Frau Zierler.

Frau Zierler hat, obwohl sie Frauensprecherin ist, dieser Debatte von Anfang an, ab 9 Uhr – ich habe sie leider nicht gesehen –, nicht beigewohnt. Frau Zierler hat eingangs, als sie diese Funktion übernommen hat, uns Frauen – ich glaube, von allen Fraktionen – einen Brief geschrieben. Das hat mich gefreut. Sie hat das Angebot gemacht, übergreifend Frauenarbeit machen zu wollen. Das ist ein nobler Ansatz, aber jetzt hört sie sich nicht einmal die Debatte an, diesen Dialog, der notwendig ist, weil man Argumenten zuhören muss, um dann – vielleicht – zu einem gemeinsamen Schluss kommen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Frau Sickl zum Beispiel sagt ... (Abg. Dr. Stummvoll: Frau Minister Sickl!) Frau Ministerin Sickl – Entschuldigung! Wenn sie also sagt: Unser Ziel kann nicht darin bestehen, Frauen zu überemanzipierten, frustrierten Alleinerzieherinnen mit zwei Umschuldungskrediten verkommen zu lassen, dann zeugt das schon von einer eigenen Gesinnung. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Frau Zierler sagte: "Wie komme ich dazu, in die Nähe von Rassismus und Faschismus gerückt zu werden, nur weil ich nicht das Frauenbild linksextremer, radikaler Feministinnen unterstütze, Männer nicht als Feinde, sondern als Partner sehe und dem linken Frauenbild – Gott sei Dank! – nicht entspreche?! – Zitatende.

Was heißt denn das? Was heißt das? Männer sind Feinde? (Abg. Dr. Stummvoll: Wer sagt das?)  – Das Gesellschaftsbild der FPÖ hat der ehemalige Obmann schon einmal ausgeführt. Partnerschaft heißt für ihn: Hier gibt es einen dienenden und einen herrschenden Teil.

Unser Partnerschaftsprinzip ist die Gleichberechtigung! (Beifall bei der SPÖ.)

11.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Haller zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

11.37

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Frauen, Familien und Soziales stehen heute auf der Tagesordnung – drei politische Bereiche, in denen ich bisher im Hohen Haus tätig war, drei gesellschaftspolitische Bereiche, die jeweils in einem eigenen Ausschuss behandelt werden, die aber jetzt in einem Ministerium zusammenfließen. Das war ein jahrelanges Anliegen der Freiheitlichen.

Ich bin sehr froh darüber, dass das so geschehen ist und dass wir in diesem Bereich eine Bundesministerin zur Verfügung haben, der ich es zutraue, richtige Entscheidungen zu treffen – sie hat es in ihren ersten Entscheidungen auch bereits bewiesen –, der ich aber auch zutraue, gesellschaftspolitisch richtige Weichenstellungen vorzunehmen, und zwar neue und bessere gesellschaftspolitische Weichenstellungen, als es bisher der Fall war.

Zu den Frauen: Ob es sich um medial hochgejubelte Power-Frauen, um Vollzeit-Mütter oder Mütter mit Doppelbelastung handelt – eines steht fest: Es wird den Frauen in unserer heutigen Gesellschaft immer schwerer gemacht, Kinder zu bekommen und großzuziehen. Ich stelle hier eine ganz ketzerische Frage (


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Abg. Huber: Warum gibt es ...?): Könnte das eine Folge des kämpferischen Feminismus der vergangenen Jahrzehnte sein? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Huber: ... Landesrätin in Kärnten! – Abg. Silhavy: Was verstehen Sie unter "kämpferischem Feminismus"? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Könnte das nicht eine Folgeerscheinung sein? – Frauen haben sehr wohl an Selbstbewusstsein gewonnen; das ist gut so. Aber sie sind verunsichert, sie sind unzufrieden, sie sind weitaus stressbelasteter als die Männer. Das ist durch Untersuchungen nachgewiesen. (Abg. Sophie Bauer: Sie dürfen nicht von sich auf andere schließen!)

Ist es nicht so, dass Frauen in der heutigen Zeit gefangen sind in einem Labyrinth – ich weiß, das ist ein bisschen drastisch –, gefangen in einem Wettlauf zwischen Karriere, Konsum und Schönheit als vorgegebenen Idealvorstellungen? – Immer mehr Frauen ergreifen die Flucht vor dem Kind. Bewiesen hat das – gerade jetzt steht es wieder in den Tageszeitungen – der eklatante Geburtenrückgang. (Abg. Huber: Weil es keine Kinderbetreuungseinrichtungen gibt!) Könnte das nicht auch ein Grund dafür sein?

Gemessen an monetären familienpolitischen Leistungen – und jetzt sind wir bei der Familienpolitik – liegt Österreich sehr gut. Es hat auch immer Lippenbekenntnisse zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegeben. Aber Familiensoziologen sagen, dass die moderne Gesellschaft strukturell rücksichtslos gegenüber Familien und Kindern ist. Das muss sich ändern! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das muss sich schon deshalb ändern, weil trotz der monetär sehr hohen Familienleistungen 15 Prozent der Österreicher armutsgefährdet sind. (Abg. Öllinger: Wenn die Gesellschaft aus Familien besteht, dann kann sie nicht rücksichtslos gegen sich selbst sein!) Wie kann es das geben? Das betrifft Frauen, das betrifft Kinder und das betrifft Familien mit Kindern. Und das muss sich ändern!

Eine soziale Innovation, die absolut positiv in diesen Bereich eingreifen könnte, wäre der Kinderbetreuungsscheck in seinem Vollausbau. Er würde eine Kursänderung in der österreichischen Gesellschaftspolitik bewirken. Genau das ist natürlich der Grund, warum er von Links so vehement bekämpft wird. Das ist aber auch der Grund dafür, dass die Frauen der GPA beziehungsweise die Frauen der FSG an der Teilzeitkarenz festhalten, diese verteidigen, obwohl sie, und zwar am selben Tag und ebenfalls in den Medien, die Zunahme der Teilzeitarbeit kritisieren. Anscheinend wissen die Frauen der linken Reichshälfte nicht mehr genau, was sie wollen. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Silhavy: ... das andere ist eine unfreiwillige Teilzeitarbeit!)

Ich behaupte, sie – und gerade auch Sie, Frau Silhavy – haben einfach Angst vor den Verbesserungen, die diese neue Regierung plant. Eines ist sicher: Den Frauen sind schon bisher nicht die gebratenen Tauben in den Mund geflogen!

Daher bin ich traurig darüber, dass uns die vergangene Regierung ein derartiges Budgetdefizit hinterlassen hat, wodurch es uns in nächster Zeit nur möglich ist, die erste Stufe des Kinderbetreuungsschecks, nämlich das Kinderbetreuungsgeld, in Kraft zu setzen. Und ich bin auch traurig darüber, dass die Überschüsse des FLAF, die uns einen Vollausbau ermöglicht hätten, zum Stopfen Ihrer Budgetlöcher verwendet werden müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abg. Rosemarie Bauer. )

Der Frau Bundesministerin möchte ich mit auf den Weg geben, sie möge das Budget des Familienlastenausgleichsfonds möglichst fest zusammenhalten und auch die Länder in die Ziehung nehmen, und zwar in Bezug auf die Aufhebung der Selbstträgerschaft, in Bezug auf die Erhöhung der seit dem Jahre 1955 gleich gebliebenen Länderbeiträge zum FLAF, die eine Verbesserung der Situation des FLAF um zwei Milliarden Schilling bringen könnte.

Und nun noch kurz zum Sozialen. Es ist auch mir wichtig, dass Sozialleistungen mit einer besseren Treffsicherheit verbunden sind. Dazu bekennt sich, glaube ich, die neue Regierung in ihrer Gesamtheit. Aber: Eine soziale Staffelung von Familienleistungen kann es nach meinem Dafürhalten als freiheitliche Familiensprecherin erst dann geben, wenn der Gleichheitsgrundsatz und die Verteilungsgerechtigkeit in der österreichischen Familienbesteuerung gewahrt sind. (Abg.


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Mag. Prammer: Das müssen Sie dem Finanzminister sagen!) Das hat die vergangene Regierung trotz dreier Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes noch nicht gänzlich zustande gebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der zuvor von Frau Abgeordneter Mag. Wurm eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

11.44

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Bundesministerin, Sie haben in Ihrem heutigen Statement zu Beginn gesagt, dass die Jugendförderung gleich hoch budgetiert wurde wie im letzten Jahr. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder haben Sie uns ein Budget vorgelegt, das nicht den Tatsachen entspricht, oder Sie müssen mir erklären, wieso 99,6 Millionen Schilling unter dem Posten Jugendförderungen im Jahre 1999 gleich hoch sind wie 84,7 Millionen Schilling im Jahre 2000. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Es gibt offenbar mehrere Rechenprobleme.

Es wurde auch klar gesagt, dass 15 Prozent bei den Ermessensausgaben eingespart werden, und die Differenz sind genau jene 15 Prozent, die im gesamten Budget drinnen sind. Angesichts all dieser Rechnerei bin ich mittlerweile schon etwas beunruhigt darüber, dass die Ausgaben für die Erwachsenenbildung im Ressort Ihrer Kollegin Gehrer so eingeschränkt worden sind, weil in Österreich offensichtlich ein gewisser Bedarf nach mathematischer Fortbildung besteht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ebenso war bei der letzten Anfragebesprechung nicht wirklich aufklärbar, wieso eine Ausschreibung im April stattfinden kann, wenn der Auftrag, um den es dabei geht, im Jänner vergeben worden ist. Es gibt also mit Zeitabläufen und mathematischen Dingen sichtlich ein Problem. Vielleicht können Sie noch einmal erklären, wie dieser Unterschied zustande kam und wie Ihre Behauptung zu verstehen ist, dass diese Ausgaben nicht gekürzt worden sind.

Ich möchte hinzufügen: Es ist nicht so, dass es nun zum ersten Mal zu einer Einschränkung der Jugendförderung kommt. Es gab schon in den letzten Jahren eine Bindung von fünf Prozent, das heißt, die Beträge sind nicht voll ausbezahlt worden. Außerdem sind seit Jahren keine zusätzlichen Förderungen beschlossen worden. All das bedeutet natürlich, dass es, wie Frau Kollegin Petrovic schon in Bezug auf die Frauenprojekte ausgeführt hat, wenn die Fixkosten gleich bleiben beziehungsweise bei den Vereinen ansteigen und die Förderungen nie erhöht werden, über kurz oder lang einfach Finanzierungsprobleme gibt, weil Personalkosten und ähnliche Dinge natürlich steigen.

Beim österreichischen Bundesjugendring aber – und das ist besonders interessant – gibt es eine weitere Regelung, die besagt, dass Organisationen, die neu aufgenommen worden sind, erst dann Geldmittel bekommen, wenn es zu einer Budgeterhöhung im Gesamtbereich kommt. Wenn Sie jetzt 15 Millionen Schilling einsparen, kann man sich vorstellen, was das heißt, nämlich dass es in den nächsten schätzungsweise fünf bis zehn Jahren keine weiteren Finanzmittel geben wird. Es gibt Organisationen, die zwar aufgenommen sind, aber seit Jahren darauf warten, Geldmittel zu bekommen. Und darunter ist nicht nur die Grüne Jugend. Herr Amon hat gemeint, die Grünen hätten nicht angesucht. Sie können sich gerne die Beantwortung der Anfrage, die wir heuer gestellt haben, anschauen. (Zwischenruf des Abg. Amon. ) Daraus ist klar hervorgegangen, dass neue Organisationen aus dem Bereich der Basisförderung keine Finanzmittel bekommen.

Ich möchte darauf noch kurz eingehen, weil das meiner Ansicht nach ein unhaltbarer Zustand ist. Wie kommen denn Organisationen, die im Laufe der Zeit beitreten, dazu, einfach keine Finanzmittel zu bekommen? Die Anfragebeantwortung, die noch von Minister Bartenstein stammt – vielleicht können auch Sie, Frau Bundesministerin, einmal dazu Stellung nehmen –, lautete, dass das Ministerium auf den Bundesjugendring keinen Einfluss habe, weil dieser ein


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eigener Verein sei. – Na gut! Wenn dieser Verein 36 Millionen Schilling Förderungen direkt vom Ministerium bezieht, Sie aber sagen, Sie hätten keinen Einfluss auf dessen Förderungsrichtlinien, dann stimmt schon am System irgendetwas nicht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Amon: Stimmt ja nicht!)

Und es sollte auf jeden Fall insofern geändert werden, dass diese Regelung beim Bundesjugendring so nicht bestehen bleibt. – Das war der erste Punkt.

Zweiter Punkt. Beim Posten Schülerfreifahrten gibt es ein interessantes Phänomen. Sie beziehungsweise Ihr Ministerium haben das Budget für die Schülerfreifahrten um vier Prozent erhöht. Gleichzeitig gibt es aber bei den Selbstbehalten eine Erhöhung von 25 Prozent, nämlich von 142 auf 177 Millionen Schilling. Das ist doch eine bemerkenswerte Vorgangsweise! Mich würde interessieren – das war schon im Ausschuss nicht wirklich aufklärbar –, wieso die Selbstbehalte plötzlich um 25 Prozent steigen, wenn das Budget nur um 4 Prozent erhöht wird. – Wieder eine eindeutige Belastung jener Dinge, die Sie jetzt rückwirkend wieder entzaubern wollen. Auch das sind eindeutig Belastungen, die Familien, die vor allem die Eltern im Schulbereich zu tragen haben. Da Sie immer Ihre Familienförderungen betonen, sollte man auch über jene Dinge reden, die schleichend im Budget eingeführt werden und zu Kostenbelastungen führen.

Der dritte Punkt, den ich erwähnen möchte, betrifft eine Geschichte, die schon bekannt ist, nämlich das Familienforschungsinstitut. Es gab unlängst eine sehr eindeutige und drastische Kritik des Rechnungshofes an der Umgangsweise mit dem Österreichischen Institut für Familienforschung. Darin wurde festgestellt, dass – ich zitiere das nur auszugsweise – die Initiative zur Erstellung von Studien und sonstigen wissenschaftlichen Forschungstätigkeiten praktisch immer vom Institut selbst ausgegangen ist, dass es also keine Auftragsforschung war, und dass es durch diese Vorgangsweise auch nie Ausschreibungen gab, sondern das Ministerium immer gleich direkt dieses Institut beauftragt hat. Bei diesem Institut konnte man sich eben darauf verlassen, dass – und ich habe das auch in den Medien so gesagt – Studien und Publikationen erstellt werden, die einem ideologisch passen. Dazu stehe ich nach wie vor!

Es gab dann auch Kritik an dieser Äußerung. Aber der Geschäftsführer dieses Instituts, Herr Schattovitsxxx o.k. , ist jedes Mal als ÖVP-Experte im Ausschuss nominiert, etwa während der gesamten Beratungen über das Familien-Volksbegehren war er drinnen. Es ist an sich ja noch nichts Schlechtes, als Experte im Ausschuss zu sitzen, aber eine Vorgangsweise des Herrn Schattovits hat seine Parteilichkeit doch sehr eindeutig belegt: Zum letzten Expertenhearing kam nur ein Experte der ÖVP, zwei wären möglich gewesen. Herr Schattovits hat dann gemeint, dass er, da von der ÖVP nur einer anwesend sei, sich das Recht nehmen könne, statt 7 Minuten 14 Minuten lang zu sprechen. Wenn er dann trotzdem behauptet, er sei nur als Experte und nicht als ÖVP-Experte nominiert, so stimmt das ganz einfach nicht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Silhavy: Das war eine Provokation sondergleichen!)

Dieses Institut gibt eine regelmäßige Publikation heraus, deren Untertitel lautet: "unabhängig/wissenschaftlich/interdisziplinär/anwendungsbezogen". Ich habe mir schon einmal erlaubt, zu behaupten, dass damit unter dem Deckmantel der Wissenschaft ideologisch gefärbte Publikationen präsentiert werden, und möchte Ihnen das anhand von zwei Beispielen heute nochmals belegen.

In dieser periodisch erscheinenden Zeitschrift wurden in der letzten Zeit zwei sehr interessante Artikel publiziert. Einer vom August 1999 hatte den interessanten Titel "Frauen stehen sich bei Halbe/Halbe selbst im Weg" – unkommentiert, in genau dieser Formulierung! In einem anderen Artikel wurde einfach ein Kommentar übernommen, der aber nicht als solcher gekennzeichnet war – und das alles mit dem Anspruch "wissenschaftlich". Ich zitiere ein paar Sätze daraus. Es geht darum, dass Frauen mit Familien gegenüber Frauen, die erwerbstätig sind, offenbar, ich weiß nicht, zurückgeblieben oder wie auch immer sind; Sie können sich selbst ein Bild machen.

Der erste Satz lautet – ich zitiere –: "Vergleichen wir im Zuge einer Dummheits-Verträglichkeitsprüfung eine Eltern-Zwei-Kind-Familie mit einem Double-Income-No-Kids-Paar." Es geht dann weiter:


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"Die dummen Eltern" – genau so steht es in dieser Publikation unter dem Titel "wissenschaftlich" – "werden für ihre Investition ordentlich abgestraft. Ihre Einzahlungen in die eigene Zukunftsabsicherung können sie vergessen, die wandern in den unermeßlichen Pott des Umlagesystems."

Der dritte Satz, den ich noch zitieren will, lautet: "Sollte sich die Mutter doch in die Erwerbswelt wagen ..., dann dumpen die DINK- und Single-Frauen ihre armen (von der Frauenbewegung dafür verhöhnten) Konkurrentinnen, die sich mit bleiernen Kugeln am Bein durch die deregulierten Arbeitsmärkte kämpfen, mit links aus dem Feld." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Bezeichnen Sie das als wissenschaftlich? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner hat sich Herr Abgeordneter Amon zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

11.53

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brosz! Zunächst zum Österreichischen Institut für Jugendforschung. (Abg. Öllinger: Familienforschung!) Wenn man sich die Schriften des Österreichischen ... (Abg. Brosz: Familienforschung!)  – Dann habe ich mich verhört und brauche also nicht unmittelbar auf Ihre Ausführungen zu replizieren, außer auf jene Aussage, dass der Österreichische Bundesjugendring 36 Millionen Schilling im Jahr erhält. Das ist einfach nicht richtig. Der Österreichische Bundesjugendring erhält etwa 2 Millionen Schilling im Jahr, und die Differenz wird auf 27, jetzt nur mehr 26 Jugendorganisationen – weil sich die Grüne Jugend aufgelöst hat und aus dem Österreichischen Bundesjugendring ausgeschieden ist – aufgeteilt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Stimmt ja nicht!)

Die Verteilung dieser Mittel basiert auf einem Beschluss der Bundesregierung, der viele Jahre zurückliegt. Ich persönlich habe immer sehr heftig kritisiert, dass damit die Mitgliedschaft in einem Verein Voraussetzung dafür ist, dass man als verbandliche Jugendorganisation eine Förderung erhält. Ich halte das für falsch! Und das ist auch der Grund dafür, warum wir sehr vehement für ein Jugendförderungsgesetz eintreten, in dem klar geregelt ist, wie verbandliche Jugendarbeit und wie die freie Jugendarbeit zu fördern ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dann sind nämlich auch derartige Missverständnisse, wie sie hier entstanden sind, ausgeschlossen. Es wurde uns ja vorgeworfen, dass wir "ach wie grauslich" als Junge ÖVP um eine Förderung im Rahmen der freien Jugendförderung angesucht haben, was jeder Jugendorganisation frei steht, denn die Bezeichnung "freie Jugendförderung" kommt nicht daher, dass nur freie Jugendprojekte zu fördern sind, sondern dabei handelt es sich um jene Mittel, die frei von Seiten des Ministeriums, eben ohne Einbindung des Österreichischen Bundesjugendringes, zu vergeben sind. (Abg. Heinisch-Hosek: Nur manchen wird sie nicht genehmigt!)  – Ich habe Ihnen in der Debatte darüber schon gesagt (Abg. Heinisch-Hosek: Wir haben auch angesucht!), dass ich mich wirklich dagegen verwahre, dass Sie damit einen Kriminalisierungsversuch starten. Das ist wirklich nicht notwendig. Und Sie leisten damit der verbandlichen Jugendarbeit wirklich einen Bärendienst! (Beifall bei der ÖVP.)

Tun Sie doch nicht so, als ob die Sozialistische Jugend oder die Kinderfreunde oder die Roten Falken nie Geld aus dem Titel "freie Jugendförderung" bekommen hätten! Das ist schlicht die Unwahrheit. Nehmen Sie das bitte auch zur Kenntnis und seien Sie fair genug, das anzuerkennen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte aber auch ein wenig auf den bisherigen Verlauf dieser Budgetdebatte eingehen, denn ich bin schon ein wenig überrascht. Wir debattieren dieses Budget nun schon die zweite Woche, und die Opposition findet keinen einzigen Punkt im gesamten Budget, dem sie zustimmen kann. (Abg. Silhavy: Den Obersten Organen haben wir zugestimmt! Sie passen ja nicht auf!) Das ist ein recht interessantes Phänomen und beweist, wie richtig die Entscheidung war,


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mit der SPÖ keine Koalition mehr zu bilden, denn all das, was im ursprünglichen Koalitionsvertrag auch gestanden ist, gilt nun nicht mehr.

Sie vergessen überhaupt, dass wir ein Budgetproblem haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich sage Ihnen: Es ist völlig unverantwortlich gegenüber der jüngeren Generation, trotz einer Staatsschuld von 1 700 Milliarden Schilling und einer jährlichen Neuverschuldung einen weiteren Ausbau von Sozialleistungen zu verlangen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben europa-, ja fast weltweit die höchsten Sozialstandards. Und wenn man ein wenig darauf achtet (Abg. Edlinger: Wir haben die höchsten Familienstandards!), dass es nicht ausschließlich zu einer Umverteilung, sondern auch – ein wenig – zu einem Leistungsprinzip kommt, dann sprechen Sie davon, dass wir uns zu einer Bananenrepublik entwickeln. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wir leben noch immer über unsere Verhältnisse, und ich sehe nicht ein, dass die kommende Generation all diese Schulden berappen soll! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Man behauptet, dass die zur Diskussion stehende Pensionsreform ach so unsozial wäre. Wenn Sie sich die nackten Zahlen ansehen, werden Sie feststellen, dass heute drei Erwerbstätige für einen in Pension Befindlichen einzahlen, und wenn Sie wissen, dass im Jahre 2030, also dann, wenn meine Generation vielleicht einen ersten Gedanken daran verschwenden können wird, einmal in Pension zu gehen, das Verhältnis Erwerbstätige zu Nichterwerbstätige 1 : 1 sein wird, dann wissen Sie auch, dass dieses Umlagesystem, will man es erhalten, reformiert werden muss! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Hören Sie auf, uns die Mär einzureden, dass man die Frage der Pensionsproblematik ausschließlich über die Beschäftigungspolitik lösen kann. Wir haben eine sehr hohe Beschäftigung und eine niedrige Arbeitslosenrate – und dennoch haben wir gravierende Probleme im Pensionssystem. Daher ist diese Reform notwendig, ja dringend erforderlich für die jüngere Generation. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

11.59

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Diese Budgetverhandlungen, die wir heute abschließen, sind bestenfalls Sozialabbauverhandlungen. Das zieht sich wie ein blau-schwarzer Faden durch sämtliche Kapitel. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Koalitionsübereinkommen war von Anfang an ein Belastungsübereinkommen. Ich kann aus Zeitgründen nur einige wenige Punkte aufzählen: Aktion Unfairness – Urlaubsaliquotierung, Streichung des Postensuchtages –, Maßnahmen im Pensionsbereich – ich werde noch konkret darauf kommen –, Energiesteuer – Unternehmer ausgenommen –, motorbezogene Versicherungssteuer – Lkw ausgenommen –, Leistungsverschlechterungen in der Unfallversicherung, in der Arbeitslosenversicherung, Gebührenerhöhung, Selbstbehalte bei Ambulanzbesuchen, Erhöhung der Rezeptgebühren, Kürzung der Krankenstandsdauer – zwei Millionen Menschen sind davon betroffen!

Es sind jedoch nur Umschichtungen: Arbeitnehmer und Pensionisten haben mit einem Minus von 31 Milliarden Schilling zu kämpfen, während Unternehmer und Selbstständige inklusive der Landwirtschaft 20,65 Milliarden bekommen werden.

Ich möchte nur einige wenige Bereiche herausnehmen: Pensionen, Anhebung des Anfallsalters, Erhöhung der Abschläge, Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Ja wissen Sie, meine Damen und Herren, dass 50 Prozent im ASVG-Bereich eben wegen geminderter Erwerbsfähigkeit in Pension gehen? Es sind aber auch 27 Prozent der Unternehmer und 60 Prozent der Bauern. Bei denen wird man dann ja wieder abschwächen.


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Außerdem gibt es da Zuckerl; diese Gruppen werden das leichter verkraften. Wenn man nur in den ASVG-Bereich fest hineinschneidet!

Herr Minister Bartenstein spricht davon, dass die Pensionsreform zur Budgetsanierung notwendig ist, Frau Ministerin Sickl sagt, zur langfristigen Sicherung der Pensionen. Meine Damen und Herren! Die langfristige Sicherung der Pensionen – und wir leugnen nicht, dass Reformen laufend notwendig sind – muss man anders angehen.

Oder wenn Sie bei der Hinterbliebenenpension von einer Spreizung von 0 bis 60 Prozent reden, so geht das, meine Damen und Herren, wieder in die falsche Richtung. Sie bestrafen ja wieder jene, die berufstätig sind, denn dort wird man beim Zusammenfallen von zwei Pensionen Kürzungen und Einschleifregelungen vornehmen. Aber die Frau eines Ministers, die vielleicht selbst nie Beiträge bezahlt hat, wird ihre gesamten 60 Prozent bekommen.

Das ist genau dasselbe wie beim Kindererziehungsgeld. Zuerst sagen Sie, alle Frauen sollen es bekommen, auch die, die keine Beiträge bezahlt haben, werden es bekommen, aber bei den Karenzgeldbezieherinnen, also bei jenen, die Beiträge geleistet haben und die nebenbei arbeiten gehen, zieht man eine Zuverdienstgrenze ein.

Eine eigenständige Alterssicherung von Frauen wird somit gänzlich in Frage gestellt. Nur zurück an den Herd mit den Frauen! Und am besten kettet man sie dort noch an. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Das geht aber zu weit!)

Was ist denn mit der kostengerechten Finanzierung der Ersatzzeiten? Was ist mit der Erhöhung des Eigenfinanzierungsgrades bei Selbständigen und Bauern? Sogar die 250 Millionen Schilling scheinen wieder in Frage gestellt zu sein.

Dann habe ich gehört, dass es eine Fristerstreckung bei den Beamtenverhandlungen geben soll. Die Herren Dr. Feurstein und Mag. Haupt haben verfassungsrechtliche Bedenken ins Treffen geführt. Ich schätze die beiden Herren sehr, die haben offensichtlich einen Blick für so etwas, aber der Rückpfiff folgte auf den Fuß. Frau Rauch-Kallat, Herr Westenthaler: Wird durchgezogen! Auch die Frau Bundesministerin hat gesagt, es wird durchgezogen.

Diese Pensionsreform wird uns im Bereich der älteren Arbeitslosen ein Plus von 47 000 bescheren. Wenn ich mir dann noch die mangelnden beschäftigungspolitischen Zielsetzungen anschaue, dann frage ich Sie: Wo führt das hin?

Zusätzliche Arbeitsplatzverluste haben wir mit den Privatisierungen in der Tabakindustrie und mit dem schon beschlossenen ÖIAG-Gesetz.

Bei der Jugendausbildungssicherung wird es zu keiner Verlängerung kommen. Sparmaßnahmen gibt es bei den Zivildienern, beim Postversand, und eine Reduzierung der Ermessensausgaben wird vorgenommen. Das trifft wieder jene Institutionen, die bisher Ältere, Kranke, Ärmere betreut und unterstützt haben.

Auch noch ein versteckter Sozialabbau: der Bundesbeitrag bei der ÖBB-Infrastruktur. Es sind schon Preiserhöhungen für 1. Juli angekündigt. Na endlich erwischen wir die auch, die sich bis jetzt kein eigenes Auto leisten konnten. Das ist ja wunderbar!

Überschussabschöpfungen aus dem Sozialfonds. – Wie wollen Sie dann ab 2002 Wahlzuckerl wie die Senkung der Arbeitgeberbeiträge und das Kinderbetreuungsgeld für alle finanzieren? Das frage ich Sie.

Dann die angesprochenen Belastungen in der Krankenversicherung: Diese Gesundheitsausgaben betreffen das untere Einkommensdrittel mit 4,1 Prozent, das mittlere mit 3,1 Prozent und das obere mit 2,4 Prozent. Und da reden Sie von sozial gerecht! Aber Sie sprechen nicht vom Eintreiben der Außenstände von 9,8 Milliarden Schilling. Davon ist keine Rede. Experten wissen und geben es in Vieraugengesprächen auch zu, dass diese Maßnahmen im Gesundheitssystem nicht reichen. Die Medikamentenkosten kann man nicht in einer Form eindämmen, dass das


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aufgewogen würde, und der medizinische Fortschritt soll ja wohl auch nicht eingebremst werden. Oder geben Sie zu, dass Sie schon ein neues Belastungspaket schnüren?

Vom Übergang von der Pflichtversicherung zur Versicherungspflicht reden Sie ja sowieso schon hinter verschlossenen Türen. Dazu bekennt sich der eine oder andere aus Ihren Parteien schon ganz offen. Das ist ja gut: Alte, Kranke, Arbeitslose, schlechte Risken in einen Topf, und um die guten Risken wird dann gekeilt. In Deutschland hat man das versucht. Man ist schon dabei, es zurückzunehmen, es zu reparieren.

Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.

Wenn man sich die Verteilungseffekte anschaut: Namhafte Experten des österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung haben dazu festgestellt, dass die untere Einkommensschicht überproportional betroffen wird, und Ärmere werden doppelt so hoch belastet wie Reichere. Das ist eine Umverteilung von unten nach oben! Zwei Drittel der Steuerreform 2000 werden aufgesogen. Und wie wollen Sie dann die 33 Milliarden Schilling Einmalmaßnahmen aus dem Budget dauerhaft bedecken? Von den Wahlzuckerln habe ich schon gesprochen.

Selbst die Europäische Kommission und ECOFIN sagen, dass diese Koalition die Budgetprobleme verschärft hat, weil sie das Füllhorn über bestimmte Bevölkerungsgruppen ausschüttet.

Es wird so kalt in unserem Land, und diese soziale Kälte verschärfen Sie von Tag zu Tag, wenn Sie nicht einlenken und Alternativen überlegen. Wenn Herr Kollege Feurstein sagt, er respektiert die Vorschläge von ÖGB und AK, dann nehmen Sie sie bitte auf und beginnen Sie einen vernünftigen Dialog dazu! (Beifall bei der SPÖ.)

12.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Schender. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

12.06

Abgeordneter Mag. Rüdiger Schender (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Brosz hat vorhin sehr heftige Kritik am Bundesjugendring, an dessen Organisation und der Förderung der verbandlichen Jugendarbeit geübt, und ich muss sagen, ich muss ihm da Recht geben. Er hat Recht, denn es ist tatsächlich ein unhaltbarer Zustand, wie die verbandliche Jugendarbeit derzeit gefördert wird. Da liegt sehr viel im Argen.

Es hat jahrelang eine wirklich geradezu skandalöse Förderungspraxis gegeben, denn hier wird ein schwammiges Gebilde, der Bundesjugendring, subventioniert, und zwar jährlich in einer Höhe von 40, 50 Millionen Schilling. Diese Gelder werden dann mehr oder weniger willkürlich unter den Mitgliedsorganisationen des Bundesjugendringes verteilt, und zwar ohne Richtlinie, ohne Auflagen und auch ohne wirkliche nachträgliche Kontrolle der widmungsgemäßen Verwendung. Hier werden und wurden Steuergelder tatsächlich verschwendet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber was passiert mit diesen beachtlichen Summen? Da setzen sich die im Bundesjugendring vertretenen Organisationen hin – und da nicht einmal alle – und überlegen, wer denn dieses Jahr wie viel Geld von dem Kuchen bekommt. Es werden da ein paar hunderttausend Schilling hingesteckt und dort ein Milliönchen, 3,5 Millionen kriegt diese Organisation. Das geht so lange, bis eben der gesamte Förderkuchen von 40 Millionen Schilling vergeben ist. Und noch einmal: ohne Richtlinien, ohne Einflussmöglichkeit durch das fördernde und dadurch letztlich auch verantwortliche Ministerium und ohne Auflagen. Das allein – da gebe ich, ich muss es noch einmal sagen, Herrn Kollegen Brosz Recht – mutet schon sehr dubios an. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber dieser Bundesjugendring – und das ist ja eigentlich der Gipfel – entscheidet auch noch darüber, wer überhaupt sein Mitglied sein darf, wer überhaupt in den Genuss der Fördergelder


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kommt. Das entscheidet der Bundesjugendring selbst. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Na und wer, Frau Kollegin Heinisch, ist denn in diesem Bundesjugendring? Frau Kollegin Heinisch, ich werde Ihnen sagen, wer in diesem Bundesjugendring Mitglied ist. Da sind die Sozialistische Jugend, die sozialdemokratische Kinderbewegung, also die Kinderfreunde und die Roten Falken, die Aktion kritischer Schüler, die Österreichische Gewerkschaftsjugend und die Österreichische Jungarbeiterbewegung drinnen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Frau Heinisch-Hosek, Sie haben gestern hier an diesem Rednerpult gesagt, Sie haben sich immer für eine gesetzliche Regelung eingesetzt. Sie haben ja gar kein Interesse daran! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Natürlich waren in diesem Bundesjugendring auch die ÖVP-nahen Organisationen wie die JVP vertreten. (Abg. Dr. Mertel: Ach so!) Man muss aber ehrlicherweise schon dazusagen, dass Werner Amon und auch die ÖVP diesen Zustand schon zu Zeiten der alten Koalition immer wieder als unhaltbar angekreidet haben und dass Werner Amon und die ÖVP – ich bin da wirklich ein unverdächtiger Zeuge – auch schon in den letzten Jahren der SPÖ-ÖVP-Regierung eine neue Lösung gefordert haben. Wer gebremst hat, das war Ihre Fraktion, Frau Kollegin Heinisch-Hosek. Die sozialdemokratische Fraktion hat das immer verhindert, und zwar ganz einfach deshalb, weil sie kein Interesse daran gehabt hat, ihren linkslinken Jugendorganisationen Gelder zu streichen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafte Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Dem Ring Freiheitlicher Jugend, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, damit das auch noch erwähnt sei, wurde die Aufnahme in den Bundesjugendring immer verwehrt, und zwar immer mit sehr fadenscheinigen Gründen.

Aber wer wurde statt dessen aufgenommen? – Es wurde das Liberale Jugendforum aufgenommen, es wurde die Grün-Alternative Jugend aufgenommen, Organisationen, die praktisch kaum existent sind. Die Grün-Alternative Jugend hat sich ja, wie es Kollege Amon in seinem Debattenbeitrag erwähnt hat, vor kurzem bereits wieder aufgelöst.

Diese Organisationen sind aufgenommen worden, dem Ring Freiheitlicher Jugend, der Jugendorganisation der zweitstärksten – demokratisch gewählten – Partei dieses Landes, wurde die Aufnahme in dieses Gremium verweigert, und somit wurde er von der Förderungsmöglichkeit ausgenommen. (Abg. Dr. Mertel: Die brauchen keine Förderung, die gehören ohnehin zu den "Tüchtigen"! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, ist das Demokratieverständnis Ihrer JunggenossInnen, der Leute, die Sie jahrelang unterstützt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Hört der Papa gut zu?)

Meine Damen und Herren! Da ist aber nicht nur der Versuch des finanziellen Aushungerns vorgenommen worden, sondern der Bundesjugendring hat sich auch noch als das Vertretungsforum der Jugend in Österreich aufgespielt. 38 Prozent der österreichischen Jugend sind in diesem Bundesjugendring aber nicht vertreten, 38 Prozent der Jungwähler haben nämlich bei der letzten Wahl die Freiheitliche Partei gewählt, und diese 38 Prozent sind nicht im Bundesjugendring, der angeblichen Vertretung der Jugend, vertreten. Das – ich kann es nur noch einmal betonen – ist Ihr Demokratieverständnis, das Sie zu verantworten haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen aber auch einen weiteren Grund nennen, warum gerade die Linken dieses Landes wenig Interesse haben, dass eine leistungsorientierte Jugendarbeit unterstützt wird: Ganz einfach deshalb, weil sie diese nicht bieten können, weil ihnen die jungen Leute immer mehr davonlaufen. Und das ist auch gut so. (Abg. Nürnberger: Die kommen schon wieder! – Abg. Mag. Schweitzer: Die kommen nicht mehr!)

Zurückkommend auf die Kritik am Bundesjugendring darf ich eines noch bemerken: Die Frau Bundesministerin hat bereits die, wie ich meine, schon längst notwendigen Schritte für eine ge


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setzliche Basis der Förderung der verbandlichen Jugendarbeit unternommen. Folgendes möchte ich hier klipp und klar schon bekennen: Jugendarbeit muss gefördert werden, und Jugendarbeit muss auch etwas wert sein. Diese Förderung muss jedoch transparent sein, sie muss nachvollziehbar sein, sie muss gerecht sein, und sie muss leistungsorientiert sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Heinisch und Herr Kollege Brosz! Die Förderung der Jugendarbeit auf gesetzliche Beine zu stellen, hierzu möchten wir Sie recht herzlich einladen. Ich hoffe und warte auf Ihre konstruktiven Beiträge. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Schweitzer: Sehr gut!)

12.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung SPÖ –: Für die 3,6 Prozent Jugendlichen, die ihr noch habt, braucht ihr kein Geld mehr!)

12.14

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Sozialministerin! Hohes Haus! Ich glaube, der letzte Redner hat den Beweis dafür geliefert, dass Lautstärke mit dem Inhalt einer Rede und deren Qualität nichts zu tun hat. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schender: Von Ihnen ist das ein Kompliment, Frau Kollegin!) Aber nun möchte ich gleich auf das, was in den letzten eineinhalb Stunden hier ausgeführt wurde, eingehen.

Frau Ministerin! Sie haben gesagt, Hausarbeit, Familienarbeit benötigt Managerqualität, und Sie lassen jetzt diese Managerqualität in einem eigenen von Ihnen geschaffenen Institut – oder wie auch immer – mehr oder weniger feststellen, und dafür gibt es ein Zertifikat.

Frau Ministerin! Das können Sie sich sparen, denn was hat die Frau davon, wenn ihr zwar von Ihnen Managerqualität attestiert wird, aber sie dann nach der Kindererziehungszeit keinen Arbeitsplatz bekommt? Da kann sie sich ihre Managerqualität am Arbeitsmarkt – ich verwende jetzt die Worte Ihrer Regierungsmitglieder – ganz einfach "in die Haare schmieren". (Abg. Steibl: Frau Haidlmayr! Nicht jeder Politiker kann es sich in die Haare schmieren! Mein Kollege – auf Abg. Dr. Trinkl weisend – hat gar keine!) Es geht vielmehr darum, dass Frauen ein Recht darauf haben, am Arbeitsmarkt tätig und präsent zu sein und ihre Managerqualitäten nicht ausschließlich in der Familienarbeit zum Einsatz zu bringen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Amon hat in seinem Debattenbeitrag gesagt, wir leben über unsere Verhältnisse. Herr Amon, ob Sie und Ihre Fraktion das tun, das weiß ich nicht, aber wenn Sie es sagen, wird es schon stimmen. Sie werden mit Ihrer Aussage doch hoffentlich nicht die Mindestpensionistin gemeint haben, die mit 8 700 S schauen muss, dass sie sich irgendwie einen Monat durchbringt und dass sie am Letzten auch noch Geld hat, weil die Lebenskosten einfach zu hoch sind. Wenn Sie heute einer Mindestpensionistin vorwerfen, dass sie über ihre Verhältnisse lebt und sparen muss, dann ist das blanker Zynismus. (Beifall bei den Grünen.)

Es wurde in den Redebeiträgen auch erwähnt, dass es gegenüber dem Staat speziell von Unternehmerseite sowohl im Steuerbereich wie auch im Sozialversicherungsbereich hohe, milliardenhohe Außenstände gibt, die niemand einfordert. Frau Ministerin! Ich möchte wissen, was passiert, wenn jemand, der sich freiwillig weiterversichern muss, weil er kein Arbeitsverhältnis hat, weil er keinen Notstandshilfeanspruch hat, seine freiwillige Weiterversicherung einmal nicht einzahlen würde. Unabhängig davon, dass er von der Versicherungsleistung herausfallen würde, käme ganz sicher der Exekutor und würde sich das Geld holen. Aber dass Unternehmer Arbeitnehmerbeiträge nicht weiter überweisen, das halte ich wirklich für unhaltbar. Aber Sie akzeptieren das! (Beifall bei den Grünen.)

Die Arbeitnehmer haben diese Beträge im Rahmen ihrer Löhne und Gehälter bereits beim Arbeitgeber abgeführt und dort gelassen, und der Arbeitgeber parkt sie jetzt mehr oder weniger auf seinen Konten, verwendet sie für irgendetwas, und im Sozialversicherungsbereich fehlen die Gelder. Anstatt sie einzufordern, sagt man: Gebühren erhöhen.


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Frau Ministerin! Überlegen Sie sich, ob dieses System in Zukunft für Sie wirklich noch tragbar ist und ob Sie es verantworten können, dass Menschen mit Selbstbehalten, und zwar mit massiven Selbstbehalten belastet werden, weil Sie nicht bereit sind, die Außenstände der Sozialversicherungsträger et cetera endlich einmal einzufordern. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Jetzt zum Budget: Ich glaube, es ist auch an Ihnen nicht vorbeigegangen, dass die Valorisierung des Pflegegeldes, die bis Ende Jänner dieses Jahres von Ihrer Fraktion, nämlich den Freiheitlichen, massivst und zu Recht gefordert wurde, nicht stattfindet. Es gibt auch in diesem Budget kein Anzeichen dafür, dass Sie vielleicht vorhaben, das mit Juni oder September zu tun, dass Sie endlich bereit sind, diesen Kostenaufwand und die Mehrbelastungen, die durch die Nichtvalorisierung des Pflegegeldes automatisch anfallen, weil sich die Lohnkosten bei Assistenzleistungen entsprechend steigern, endlich abzudecken.

Ich sehe nichts, ich habe nichts gehört. Ich habe nur mitbekommen, Frau Ministerin, dass Sie bei einer Besprechung mit dem Dachverband der Behindertenorganisationen unheimlich geschockt waren darüber, in welcher Situation behinderte Menschen großteils noch leben müssen, und Sie versprochen haben, sofort etwas zu machen.

Ihren Schock hätten Sie, wenn Sie zugehört hätten, bereits im Ausschuss haben können, weil dort habe ich Ihnen genau dasselbe gesagt, aber da wollten Sie es nicht hören. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Ich möchte Ihren Schock noch weiter aufrecht erhalten, und ich hoffe, dass Sie aus Ihrem Schock auch etwas machen werden, insbesondere bei den beruflichen Maßnahmen für behinderte Menschen. Ich weiß schon, dafür ist jetzt Herr Bartenstein zuständig, aber Herr Bartenstein sagt wieder, dafür ist Frau Ministerin Sickl zuständig. – Mir geht es nicht darum, wer zuständig ist, sondern mir geht es darum, dass im Rahmen dieses Budgets überhaupt kein Geld für berufliche Maßnahmen für behinderte Menschen vorgesehen ist. Das hat damit zu tun, dass dieser Bereich zwischen Bartenstein und Sickl aufgeteilt wurde und sich im Grunde genommen weder Bartenstein noch Sickl für diesen Bereich zuständig fühlen. (Beifall bei den Grünen.)

Es wäre nicht nur interessant, sondern auch höchste Zeit, Frau Ministerin, dass Sie in diesem Bereich endlich etwas tun. Oder wollen Sie den nächsten Schock haben, wenn Sie dann nicht nur von mir, sondern auch von anderen erfahren, dass die Arbeitslosigkeit bei behinderten Menschen bereits die 40-Prozent-Grenze überschritten hat und nichts dagegen gemacht wird?

Sie können jetzt sagen: Das betrifft Herrn Minister Bartenstein. Herr Minister Bartenstein wird wieder sagen: Das muss ich Frau Sickl sagen. Frau Ministerin! Ich gehe davon aus, dass Sie doch ein Minimum an Kooperation haben werden, um dieses Problem endlich zu lösen. – Für die Mittel im Ausgleichstaxfonds sind Sie aber ganz alleine zuständig.

Frau Ministerin! Sie wissen, dass es – gerade wenn es um die berufliche Eingliederung geht – in den letzten Jahren, speziell in den letzten Monaten massive Einschränkungen einerseits bei der Arbeitsplatzadaptierung und andererseits bei der Lohnkostenbezuschussung von arbeitenden behinderten Menschen gibt. Diese Mittel wurden aus dem Ausgleichstaxfonds bestritten. Die Mittel des Ausgleichstaxfonds werden in Zukunft nicht erhöht werden, sondern wir müssen froh sein, wenn wir diesen Erinnerungsschilling beibehalten können.

Frau Ministerin! Es ist aber notwendig, die Ausgleichstaxe zu erhöhen, damit jene, die nicht bereit sind, behinderte Menschen einzustellen, zumindest einen ansehnlichen finanziellen Beitrag leisten. Frau Ministerin! Das müsste in Ihrem Interesse sein, wenn Sie im Interesse der behinderten Menschen handeln. (Beifall bei den Grünen.)

Mit einer Strafzahlung oder Freikaufsmöglichkeit von 2 000 S pro nicht besetztem Arbeitsplatz und Monat, Frau Ministerin, ist heute niemand mehr aus dem Sessel zu heben – vor allem nicht jene Bereiche, die es betrifft. Es geht nicht darum, dass Mindestpensionisten mit ihren 8 700 S davon vielleicht 2 000 S bezahlen sollen, sondern es geht darum, dass Unternehmer, die jetzt zusätzlich hohe Steuergeschenke bekommen haben, endlich einmal ihren Beitrag dazu leisten


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müssen, wenn sie nicht bereit sind, behinderte Menschen am Arbeitsplatz zu integrieren. (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin! Diesbezüglich sind Sie gefragt. Das ist Ihr Bereich, da erwarte ich mir von Ihnen, dass in nächster Zeit – ich weiß nicht, wie lange Ihre Amtszeit noch dauern wird – zumindest einmal Signale gesetzt werden, Signale dahin gehend, dass die Ausgleichstaxe zumindest einmal auf den Durchschnittslohn in einem Unternehmen plus Lohnnebenkosten angehoben wird. Nur dann, Frau Ministerin, ist es einem Unternehmer nicht mehr völlig Wurscht – so sage ich es jetzt einmal –, ob er eine behinderte Person beschäftigt oder nicht. Die Kosten sind gleich. Es besteht lediglich der eine Unterschied, wenn er eine behinderte Person beschäftigt, dann hätte er aufgrund des Einkommens auch mehr oder weniger die Arbeitsleistung dafür im Unternehmen, die ihm sonst verwehrt bleibt.

Frau Ministerin! Sie sind gefordert, und ich wünsche mir, dass Sie diesen Bereich in Angriff nehmen und nicht beim nächsten Mal, wenn wir es wieder erwähnen, wieder so tun, als stünden Sie plötzlich unter Schock. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.26

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich neu regieren unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist ein notwendiges Erneuerungsprojekt, das erfolgreich war. (Beifall bei der ÖVP.)

Genau 100 Tage ist diese Regierung im Amt, und es waren 100 gute Tage für unser Heimatland Österreich. Obwohl wir unter denkbar schlechten Umständen diese Erbschaft antreten mussten, ist es uns gelungen, in nur vier Wochen ein funktionierendes Staatsbudget vorzulegen. (Abg. Grabner: Ihr seid seit 13 Jahren in der Regierung!) Wir werden zeigen, dass wir gewillt sind, mit dem Geld des Steuerzahlers sorgsam umzugehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grabner: Ihr wart selbst in der Regierung!)

Herr Kollege Grabner! Sie als SPÖ haben beim eigenen Geld versagt, Ihnen ist daher mit Recht die Verantwortung für dieses Land abgenommen worden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Sophie Bauer: Haben Sie 14 Jahre geschlafen? – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Dieser sorgsame Umgang mit dem Geld gilt natürlich auch für den Sozialbereich. Sie sprechen von Sozialabbau. (Abg. Grabner: Den Bauern das Geld hinten hineinschieben!) Wir wollen die Chance bewahren, unsere hohen Sozialstandards auch in Zukunft zu halten. (Abg. Silhavy: Super!) Sie sprechen von wohl erworbenen Rechten, aber sprechen Sie auch von den Rechten der Jungen? Denken Sie auch daran, was Sie der Generation nach Ihnen sagen wollen? (Abg. Sophie Bauer: Sie werden es nicht glauben: ja!)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie bewegen sich in der Vergangenheit, weil Sie immer wieder darauf hinweisen, was in der Vergangenheit doch nicht alles in Angriff genommen wurde. Wir aber bemühen uns um die Zukunft. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Bei der Schaffung des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen kommt schon durch die Namensgebung zum Ausdruck, meine sehr geehrten Damen und Herren, worum es uns geht. Die Zukunft im Sozialsystem liegt im Miteinander der Generationen. Wir müssen heute beginnen, ein System zu entwickeln, das der Jugend eine Chance gibt, dann, wenn sie einmal in Pension geht, eine annähernd gleiche Absicherung zu bekommen, wie das heute der Fall ist. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass wir den heutigen Senioren keinen einzigen Schilling wegnehmen, das möchte ich auch mit aller Deutlichkeit hier sagen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Darum bitte ich Sie, hören Sie auf, den Menschen Angst zu machen. Frau Kollegin Silhavy hat gerade von Pensionskürzungen gesprochen. (Abg. Silhavy: Pensionssicherungsbeitrag!) Bitte erklären Sie mir laut Adam Riese, wie Sie zu einer Pensionskürzung kommen, wenn Sie bei eineinhalb Beitragsjahren mehr auch 3 Prozent Steigerungspunkte mehr haben. Streuen Sie der Bevölkerung nicht Sand in die Augen! Ich bitte Sie, hören Sie damit auf. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Das stimmt doch so nicht!)

Frau Kollegin Reitsamer! Man sollte auch ein wenig bei der Wahrheit bleiben. Es gibt ein rotes Koalitionsübereinkommen, das zwar nicht in Leder, aber doch gebunden vorliegt. 80 Prozent Ihrer Forderungen sind umgesetzt, nur mit einem etwas sozialeren Anstrich. Bleiben Sie doch bitte bei der Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP.) Es ist daher kein Wunder, dass Sie für dieses Koalitionsabkommen keinen Verhandlungs- und keinen Vertragspartner mehr gefunden haben. Auch das ist die bittere Wahrheit, die Sie tagtäglich zur Kenntnis nehmen müssen.

Ich gebe aber zu, wir setzen unterschiedliche Akzente; Herr Kollege Feurstein hat das schon gesagt. Das gilt zum Beispiel ... (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Schwarzenberger und Grabner. ) – Wenn Sie das nicht verstehen, verstehe ich nicht, warum Sie hier sitzen. Und das verstehe ich auch nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gebe zu, wir setzen unterschiedliche Akzente. Das gilt für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten, das gilt aber auch für die Anerkennung der Präsenzdienstzeiten. Wir sind der Meinung, wer in Österreich etwas Besonderes leistet, soll für diese besondere Leistung auch entsprechende Anerkennung finden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dieser guten Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung wird sichergestellt, dass in Zukunft die Nachfrage nach älteren Arbeitnehmern immer mehr zunehmen wird. Ich gebe aber zu, dass wir die Betriebe auch motivieren sollten, älteren Arbeitnehmern vermehrt eine Chance zu geben.

Frau Kollegin Haidlmayr! Ihre Angriffe, dass 1 700 Milliarden Schilling an Staatschulden nur auf Grund der Rückstände der Unternehmer zustande gekommen seien, meinen Sie erstens selbst nicht ernst, so glaube ich, und zweitens wird das, auch wenn Sie es immer wieder wiederholen, dadurch nicht glaubwürdiger.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin am Ende meiner Redezeit – und darf Ihnen eines versichern: Wir werden dafür Sorge tragen, dass auch Sie in Zukunft Ihre Pension bekommen, selbst wenn der eine oder andere von Ihnen auch eineinhalb Jahre früher gehen sollte als meine Generation. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.3


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1

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Reitsamer zu Wort gemeldet. Bitte beachten Sie § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung, Frau Abgeordnete.

12.31

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Abgeordneter Trinkl hat zum wiederholten Male behauptet, es werde zu keinen Pensionskürzungen kommen. Was ist mit der Erhöhung des Pensionssicherungsbeitrages im öffentlichen Dienst? – Das ist sicher eine Pensionskürzung. (Abg. Kiss: Stellen Sie keine Fragen!)

In weiterer Folge stelle ich richtig: Es werden nur die Durchschnittspensionen angepasst, und zwar gemäß der Inflationsrate. Jeder, der eine etwas höhere Pension bekommt, als die Durchschnittspension ausmacht (Abg. Kiss: Kein Wunder, dass Sie abgelöst wurden!), hat demzufolge Kürzungen hinzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Schwarzenberger  – in Richtung SPÖ –: Ich habe immer geglaubt, dass Sie für die Schwachen da sind!)

12.32

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! (Heftige Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Silhavy ist jetzt am Wort!

Abgeordnete Heidrun Silhavy (fortsetzend): Ein Budget ist die in Zahlen gegossene Politik. Herr Kollege Trinkl! – Wo ist er denn jetzt überhaupt? (Rufe bei der ÖVP: Da!) – Da ist er, wunderbar! Herr Kollege Trinkl! Sie sind auf einmal so leise gewesen, dass ich Sie nicht bemerkt habe. (Abg. Dr. Rasinger: Trinkl war super!)

Österreich neu regieren heißt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich abzukassieren. Das ist der Grundsatz dieser Politik. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Leiner: Das stimmt doch nicht! – Abg. Dr. Trinkl: Hören Sie auf, Angst zu machen!)

Herr Kollege Trinkl! Sie kommen aus der Wirtschaftskammer, daher wissen wir, dass Sie andere Interessen vertreten, das ist schon klar. Ich bekenne mich auch zu diesem Interessengegensatz. (Abg. Schwarzenberger: Die Sozialdemokraten verlieren, und wir gewinnen!) Aber schauen wir uns an, was uns die Politik der blau-schwarzen Regierung alles bringt: Die Unternehmer bekommen Geschenke, plus 3 Milliarden aus dem IESG, plus 3 Milliarden aus der Krankenversicherung, plus 4 Milliarden aus der Unfallversicherung, plus 2,3 Milliarden Schilling aus der Arbeitslosenversicherung und so weiter und so fort. (Abg. Dr. Trinkl: Es ist nicht Weihnachten, Frau Kollegin! Noch mehr und noch mehr!) Dafür werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer Belastungswelle sondergleichen überrollt. (Abg. Gaugg: Was haben die Arbeitnehmer bekommen, als Sie das Sagen hatten?)

Diese unglückselige Koalition bringt es nämlich fertig, das soziale Gleichgewicht in Österreich zum Kippen zu bringen. Die geplanten Maßnahmen, Frau Bundesministerin, sind weit davon entfernt, verträglich zu sein, sie sind nicht einmal erträglich. (Beifall bei der SPÖ.)

Kranke Menschen werden dafür bestraft, dass sie krank sind. Die Pensionen werden massiv gekürzt, und es wird auch, wie Kollegin Reitsamer gerade tatsächlich berichtigt hat, in bestehende Pensionen eingegriffen. Wenn man eine Wertminderung hat, dann ist es ein Verlust, eine Kürzung.

Soziale Ausgrenzung wird durch Ihre Politik forciert. Dies betrifft ganz besonders Menschen mit besonderen Bedürfnissen, wie Frau Kollegin Haidlmayr vorhin schon ausgeführt hat. Der Ausgleichstaxfonds, Frau Bundesministerin, ist gleich hoch dotiert wie im Vorjahr. Sie haben aber im Ausschuss gesagt, dass die erfolgreichen Maßnahmen weitergeführt werden und dass Sie weitere Initiativen setzen werden. Mit welchem Geld, Frau Bundesministerin, wollen Sie diese Initiativen setzen, wenn keines vorhanden ist? (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! Sie haben offensichtlich auch nicht vor, die Ausgleichstaxen in irgendeiner Form anzuheben, sonst hätten Sie den Ausgleichstaxfonds höher dotiert. Oder haben Sie da auch eine Arbeitsgruppe eingesetzt? – Jedes Mal, wenn wir in einem Ausschuss eine konkrete Frage an Sie gerichtet haben, haben Sie auf Arbeitsgruppen verwiesen. (Abg. Grabner: Genau!) Es kommt mir so vor, dass es Ihr politisches Motto ist: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann schaffe ich einen Arbeitskreis. – Das ist die einzige Antwort, die man von Ihnen bekommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist uns bei der Frage der Valorisierung so gegangen, es ist uns bei der Frage der Einmalzahlung so gegangen, und es geht uns so bei der Pensionsdebatte. Die einen sagen, das muss mit 1. Oktober 2000 in Kraft treten, die anderen erkennen, dass offensichtlich ganz bedeutende und gewaltige verfassungsrechtliche Bedenken vorhanden sind. Diese Personen kommen aus anderen Parteien, aber auch aus Ihrer Partei, und es wird auch versucht, Sie zur Vernunft zu bringen. Aber alles in allem ist mir eigentlich nie klar, was Sie wirklich wollen. (Abg. Steibl: Das Verhältnis passt!) Es ist nicht nur so, dass Mitglieder dieser Bundesregierung unterschiedliche Aussagen tätigen, sondern Sie als Einzelperson machen immer wieder unterschiedliche Aus


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sagen. Heute ist es so, morgen wieder anders. Im Großen und Ganzen ist das ein Chaos und eine Verwirrtaktik. (Bundesministerin Dr. Sickl: Ein Beispiel! Ein Beispiel!)

Ein Beispiel kann ich Ihnen sagen. Heute ist schon ein paar Mal Ihr Kinderbetreuungsgeld angesprochen worden. Einmal heißt es, man wird dazuverdienen können, man wird viel dazuverdienen können, dann heißt es auf einmal, man wird den doppelten Betrag verdienen können, und dann ist es vielleicht doch nicht der doppelte Betrag. (Abg. Steibl: Das ist in Verhandlung!) Sie wissen absolut nichts. Sie gehen mit allem hinaus und behaupten, es sei schon geschaffen. – Nichts ist geschaffen! (Abg. Steibl: Was heißt "Sie"? – Das ist die Frau Ministerin!)

Auch Sie, Frau Kollegin Steibl, waren hier beim Rednerpult und haben so getan, als ob es schon umgesetzt wäre. Sie wissen ganz genau, dass es noch keine konkreten Vorlagen gibt. Sie versuchen, alles mit "Hurra!" zu verkaufen, obwohl wir noch nicht einmal wissen, was uns bevorsteht. Wir befürchten nur, dass uns das Schlimmste bevorsteht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl: Was Sie in 13 Jahren nicht geschafft haben, machen wir jetzt!)

Nichts, was Sie versprochen haben, haben Sie bisher gehalten. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) – Frau Kollegin Partik-Pablé! Sie sind auch da, vielleicht können Sie etwas zur Valorisierung und zur Einstellung der FPÖ sagen (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich bin gekommen, weil Sie reden!), denn bisher war Ihnen alles zu wenig, alles zu schlecht, was geleistet worden ist. Vielleicht sagen Sie etwas zu diesen massiven Kürzungen, die geplant sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich verstehe Sie nicht! Sie sprudeln so!)

Kein Mensch wendet sich grundsätzlich gegen das Sparen, aber Sie machen kein Sparpaket, sondern Sie setzen eine einseitige Belastungslawine in Gang. Sie schnüren ein Paket der Ungerechtigkeiten gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und Sie machen Geschenke an Ihre Klientel. Sie sind eine Gefahr für die soziale Stabilität in Österreich, und deshalb kann diesem unsozialen Belastungsbudget von keinem verantwortungsbewussten Politiker und von keiner verantwortungsbewussten Politikerin die Zustimmung gegeben werden. (Beifall bei der SPÖ.)

12.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zierler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte. (Abg. Nürnberger: Steirische Spitze!)

12.37

Abgeordnete Theresia Zierler (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Um auf meine Vorrednerin, Kollegin Silhavy, einzugehen, denke ich, ist schade um die Redezeit. Vielleicht kurz zusammengefasst zu Ihren Ausführungen (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer ) ein kurzer und prägnanter Satz: Sie haben uns belogen! – Das ist die Politik der SPÖ gewesen. (Abg. Grabner: Das ist ein Ordnungsruf! – Abg. Nürnberger: Ordnungsruf! – Abg. Parfuss  – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn –: Was ist mir Ihrem Gehör?)

Leider Gottes vermisse ich jetzt Kollegin Wurm im Plenum. (Abg. Kiermaier: Sie haben kein Niveau!) Ich hätte mich gerne bei ihr bedankt, dass sie mich in der letzten Zeit, in den letzten Stunden vermisst hat (Abg. Parfuss  – in Richtung des den Vorsitz führenden Präsidenten Dipl.-Ing. Prinzhorn –: Sie brauchen einen Hörapparat!) und hätte ihr auch gerne ausgerichtet, dass ich, auch wenn ich nicht anwesend bin, über die Debattenbeiträge Bescheid weiß. (Abg. Nürnberger: Das ist unerhört! – Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Zwischenrufe, Zwischenrufe, das bringt es nicht, meine Damen und Herren. Hören Sie lieber zu! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Kollegin Wurm hat heute eine von mir am 21. März getätigte Aussage angesprochen. Dazu muss ich sagen, das bestätigt, dass die SPÖ nicht nur jahrzehntelang im Stillstand war, sondern noch immer im Stillstand ist, denn heute auf eine Aussage vom 21. März zu reagieren beweist, wie reaktionsfähig und schnell diese Partei arbeitet. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )


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Aber das ist eigentlich nicht das Thema meiner heutigen Rede. Als unsozial und als unfair werden von den Damen der Opposition und auch des ÖGB unsere Verbesserungen im Bereich des Kinder- beziehungsweise Karenzgeldes bezeichnet. (Abg. Sophie Bauer: Von den Schwachen zu den Starken – das nennen Sie eine "Verbesserung"?) Wird es vielleicht deshalb als unfair und unsozial bezeichnet, weil jetzt Bäuerinnen und Selbständige in den Genuss einer Absicherung kommen? – Das ist unsozial für Sie, meine Damen und Herren? Warum höre ich eigentlich weder von den Damen Prammer und Petrovic noch von den ÖGB-Damen, dass auch Studentinnen und geringfügig beschäftigte Frauen jetzt in den Genuss diese Kindergeldes kommen? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Woher kommen die Mittel? – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Regen Sie sich nicht auf, wenn man Ihnen Tatsachen vorhält! Fühlen Sie sich für diese Frauengruppen, etwa für die Gruppe der Studentinnen nicht zuständig? Oder haben Sie Angst, ihnen sagen zu müssen, dass es, seit die Freiheitlichen, definitiv die FPÖ (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer ) – vielleicht eine tiefere Tonlage, es schmerzt ein bisschen, Frau Kollegin –, in der Regierung sind, auch Verbesserungen für Studentinnen gibt? Tut es Ihnen weh, das bekennen zu müssen? (Abg. Dr. Mertel: Woher kommt das Geld?) Wissen Sie auch, dass eine sehr große Frauengruppe davon betroffen ist? Ist Ihnen das bewusst? (Abg. Dr. Mertel: Woher kommt das Geld?) Wissen Sie, das es zum Beispiel 1993 unter den Studentinnen 5,5 Prozent Alleinerzieherinnen gegeben hat? 1998 waren es bereits 11,5 Prozent, und die Tendenz ist steigend.

Sie, meine Damen und Herren, kümmern sich schon um die Unis. Sie überschütten die Unis mit Flugzetteln wahrheitswidrigen Inhalts, rufen zu Demonstrationen gegen eine demokratisch gewählte Regierung auf, instrumentalisieren die Menschen für sich und für Ihre Interessen, fühlten sich aber auf der sozialpolitischen Ebene nicht zuständig, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Noch etwas finde ich sehr bemerkenswert. Sie fordern jetzt großspurig die Erhöhung des Karenzgeldes. – Ich frage Sie: Warum haben Sie das Karenzgeld jahrelang quasi eingefroren? Warum ist denn während Ihrer Regierungsbeteiligung nichts passiert? – Geben Sie mir eine Antwort! (Abg. Dr. Mertel: Die ÖVP war dabei!)

Warum geht es aber bei uns mit dem Koalitionspartner ÖVP? – Also an der ÖVP kann es nicht liegen, denn wir haben eine Koalition mit der ÖVP und bringen Verbesserungen zustande. Sie haben das nicht geschafft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Und woher kommt das Geld? Wer bringt das Geld auf?)

Wo ist das Gedächtnis der ÖGB-Damen?, frage ich mich. Wo waren Sie bei den letzten Kollektivverhandlungen? Warum klafft denn noch immer das Einkommen von Männern und Frauen seit 1993 immer weiter auseinander? Es gibt in Österreich Gott sei Dank sehr erfolgreiche Frauen. (Abg. Dr. Mertel: Sie meinen sich damit!) Die gibt es auch jetzt, aber nicht wegen der sozialdemokratischen Frauenpolitik, sondern trotzdem. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Da Sie immer mit sehr zweifelhaften Rechenbeispielen kommen, darf ich Ihnen vielleicht ein paar Rechenbeispiele sagen, die Sie nachrechnen können.

Eine Alleinerzieherin mit Bruttoeinkommen von derzeit 18 000 S wird heuer um 9 239 S mehr auf dem Konto haben. Eine Mutter mit zwei Kindern mit dem gleichen Einkommen wird heuer um 14 742 S mehr auf dem Konto haben. Und dann gibt es da auch Rechenbeispiele der Zeitschrift "Format", und ich glaube, auch Sie können diese Quelle als durchaus unverdächtig anerkennen. Eine Mutter in Karenz mit Auto – das Auto hat selbstverständlich eine Vignette – hat mit den üblichen Ausgaben wie Strom und so weiter und so fort im Jahr ein Plus von 41 000 S. – Ich habe da drei Rechenbeispiele der Zeitschrift "Format". Ich stelle Ihnen diese Rechenbeispiele sehr gerne zur Verfügung, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich würde Ihnen empfehlen: Stehen Sie endlich einmal zu Ihrer Verantwortung! In Ihrer Ära gab es beim Budget einen Abgang von 108 000 S pro Minute, unter einem Pensionistenbrief-Kanzler Vranitzky. Und dann hat sich das noch gesteigert. Sie haben es geschafft, 150 000 S Schulden


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pro Minute zu machen! – Und dem gegenüber stehen eine Million Menschen an der Armutsgrenze. Sie wissen ganz genau, was das auch für Kinder bedeutet. Jedes vierte Kind ist davon betroffen!

Was hatten Sie zu bieten? – Steuererhöhungen, Sparpakete und absoluten Stillstand. Ich frage mich nur: Haben Sie ein Gewissen? Haben Sie ein Schamgefühl? Oder schaukeln Sie sich gegenseitig derartig hoch, dass Sie mittlerweile schon selbst glauben, was Sie sagen?

Hören Sie endlich damit auf, Schwarz oder Weiß zu predigen! Vielleicht können Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass es Grautöne gibt, und zwar sehr, sehr viele Schattierungen.

Oder schauen wir uns an, wie es weiter geht: Frau Kuntzl sagte in der "ZiB 3": Die Sanktionen haben ihr Ziel nicht erreicht. – Ja, meine Damen und Herren, diese Regierung gibt es noch immer! Und was für Sie besonders schmerzhaft ist: Diese Regierung arbeitet exzellent und ausgezeichnet! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In Kärnten möchte Frau Trunk (Abg. Kiss: Wer ist das?!) bereits wieder die Massen mobilisieren und auf die Straße schicken. Wir haben Demokratie immer gelebt und politische Auseinandersetzungen nicht auf der Straße ausgetragen. Vielleicht lernen Sie von der ehemaligen Oppositionspartei, der FPÖ. Und werden Sie endlich dem Namen Ihrer Partei gerecht! Der Name Ihrer Partei ist, wenn ich nicht irre, Sozialdemokraten.  – Ich bedanke mich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Wofür?)

12.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Zierler! Im Zuge Ihres Debattenbeitrags haben Sie, an die Reihen der Opposition gewandt, gesagt: "Sie haben uns belogen." – Dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf . (Bravo-Rufe bei der SPÖ.)

Als nächste Debattenrednerin ist Frau Abgeordnete Huber zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.44

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Vorerst danke ich meiner Vorrednerin, dass sie die Steuerreform 1999, die noch von der alten Koalition beschlossen wurde, so positiv bewertet hat. Ich frage mich allerdings, warum sie sich diese Reform jetzt auf ihre Fahnen heften möchte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind jetzt am letzten Tag einer sechstägigen Budgetdebatte angelangt. Und das, was wir schon zu Beginn festgestellt hatten, wurde Tag für Tag, Stunde für Stunde, Debattenbeitrag für Debattenbeitrag bestätigt: nämlich, dass es ein Budget der Grauslichkeiten ist! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nur von Ihnen bestätigt!)  – Das sei alles notwendig, hat man uns ununterbrochen erklärt, weil Sie ja ein so "ungeheures Budgetloch" übernommen hätten und man deshalb das Budget sanieren müsse.

Wenn man sich aber das Budget anschaut, wenn man sich einmal bemüht, auch die Zahlen zu lesen, dann erkennt man, die Zahlen sprechen eigentlich eine sehr deutliche Sprache. Es werden da mit lockerer Hand ein paar Milliarden Schilling zusätzlich verteilt: an Unternehmer, an Vermögende, an Großbauern, an Zinshausbesitzer.

Wie kann man das Budget sanieren, indem man Milliarden verteilt? – Das ist wahrlich eine "Meisterleistung"! Aber man muss sich natürlich fragen: Woher kommt denn das Geld, das da verteilt wird? – Sie nehmen es von den Beziehern der kleinen und mittleren Einkommen, von den Arbeitnehmern, von den Pensionisten, von den Kranken, von den Konsumentinnen und Konsumenten, von den Autofahrern und so weiter. Sie alle zahlen die Zeche für die "besondere Wende", die in unserem Land erfolgt ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz besonders deutlich wird das am Sozialbudget. Es muss ja überall, wie Sie sagen, rigoros gespart werden. In Wirklichkeit wird aber nur dort der Sparstift angesetzt, wo Schwächere betroffen sind. Irgendwoher muss ja das Geld dafür kommen, dass alle, zum Beispiel auch die Frau Bartenstein, mehr Familienbeihilfe erhalten. Die Einkommensgrenze bei der Mehrkinder


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staffel wurde ja aufgehoben. Und es muss letztlich auch irgendwoher das Geld dafür kommen, dass alle, nämlich auch die Frau Bartenstein, Karenzgeld erhalten.

Uns geht es ja nicht um die Studentin. Sie wissen ganz genau, dass wir uns dafür eingesetzt haben, dass auch die Studentinnen Karenzgeld erhalten (Beifall bei der SPÖ), sondern wir sprechen uns vehement dagegen aus, dass das Karenzgeld ohne irgendeine Einkommensgrenze verteilt wird.

Sehr geehrte Damen und Herren! Weil dieses Budget gerade die sozial Schwachen ganz besonders trifft – von meinen Kolleginnen wurden ja all die Grauslichkeiten bereits aufgezeigt –, möchte ich mich noch mit einem speziellen Bereich beschäftigen, und zwar mit der Opferfürsorge. Dabei geht es um Personengruppen, für die der Staat eine gewisse Verantwortung hat. Ich appelliere hier an Sie, Frau Ministerin: Setzen Sie nicht bei diesen Gruppen den Sparstift an! Tun Sie dies nicht bei jenen Gruppen, für die der Staat die Verantwortung hat, und nicht bei Menschen, die ohnehin schon sehr schwer vom Schicksal getroffen wurden! Sparen Sie nicht bei den Schwächsten!

Ich sage das vor allem auch angesichts der Justizdebatte am Dienstag, bei der eigentlich klar geworden ist, wohin sich die Justizpolitik offensichtlich bewegt. Es geht offenbar nur mehr darum, Rache an den Tätern zu vollziehen. Ich mache mir Sorgen darüber, dass auch das ab 1. Jänner 1999 in Kraft getretene Gesetz für Verbrechensopfer zurückgeschraubt wird.

Ich habe vor wenigen Tagen Gelegenheit gehabt, mit dem Opfer eines Verbrechens zu sprechen – einem Opfer, dem von einer einzigen Stelle geholfen wurde, ohne dass es von Amt zu Amt pilgern musste, geholfen, obwohl der Täter nicht erkannt wurde und daher gar nicht verfolgt werden kann. Geholfen wurde dem Opfer vor allem durch psychotherapeutische Maßnahmen, damit die traumatischen Erlebnisse verarbeitet werden konnten. In diesem Bereich etwas zu streichen, wäre ein weiterer Schritt in die sozialpolitische Kälte.

Frau Minister! Noch eine Bemerkung zu Ihrer Aussage, alle Bevölkerungsgruppen seien gleich betroffen – Sie haben das am Anfang Ihres Statements gesagt –, und deshalb wären diese Maßnahmen gerecht.

Das hat mir schon zu denken gegeben. Frau Ministerin, meinen Sie wirklich, zum Beispiel 150 S für einen Ambulanzbesuch wäre für eine Mindestpensionistin, wäre für Alleinerzieherinnen, wäre für jemanden, der 8 000 S oder 10 000 S im Monat verdient, gleich viel wie zum Beispiel für Sie oder für mich?

Gleich betroffen ist noch lange nicht gerecht! Ganz im Gegenteil: Diese gleiche Betroffenheit bedeutet eben diese massive Umverteilung von Arm zu Reich – eine ungerechte Umverteilung, die sich wie ein schwarz-blauer Faden durch das gesamte Budget zieht! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.50

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser "schwarz-blaue Faden" zieht sich bei jeder Rede der Sozialisten durch das Programm.

Ich möchte jenen, die hier vom Pult aus raisoniert haben, dass die Frauen schon wieder zu kurz kommen und zu spät reden, sagen: Bitte schön, das müsst ihr euch mit eurem Klubobmann ausmachen. Er soll euch ein bisschen früher auf die Rednerliste setzen. Das Hohe Haus kann nichts dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich muss ehrlich sagen, ich war bestrebt, euer Selbstbewusstsein wirklich aufzurichten. Als alter Koalitionspartner tut es mir wirklich weh, wie ihr mit eurer Vernaderungspolitik, mit eurem blind


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wütigen Hass und euren verbalen Attacken alles zunichte macht, was wir in der letzten Legislaturperiode an Positivem für die Frauen erreicht haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Mertel: Vernaderung! – Abg. Dietachmayr: Unerhört!)

Ich wehre mich dagegen, denn ich habe das Selbstbewusstsein, dazu zu stehen. Vieles davon war nicht schlecht, und wir waren auch auf dem richtigen Weg. Dort, wo wir uns nicht getroffen haben, dort haben wir eben ideologische Schwierigkeiten gehabt. Aber jetzt haben wir einen neuen Partner – ich habe das schon einmal gesagt –, mit dem es eben leichter ist, das eine oder andere in die Richtung zu bringen, in der Weise zu regeln, wie wir es haben wollen. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Pumberger.  – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn es wirklich so ist, dass wir so viele Arme haben und die Alleinerziehenden keine Kinderbetreuungsplätze bekommen, ja dann ist es doch endlich einmal an der Zeit, dass man, wenn alles darniederliegt, vielleicht einmal einen anderen Denkansatz in der Politik verwendet und einmal etwas anderes probiert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Bundesministerin außer Dienst Prammer verwendet gerne das Wort "Skandal". Ich muss ehrlich sagen, ich habe es beinahe als einen Skandal empfunden, als sie gesagt hat: Mein Gott, ihr habt eh schon aufgehört mit dem Beweinen! Das Familienministerium ist weg in der alten Form! – Aber dass sie dann gesagt hat: Na, an sich brauchen wir es nicht, wenn ich nicht Ministerin bin!, habe ich wirklich als Skandal empfunden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Ihre Wortwahl ist ein Skandal!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie hat auch heute wieder das Thema P.S.K. angesprochen. Ich habe bereits ihre Aussendung dazu gelesen, aber es hat mich nicht erschüttert. Sie regt sich darüber auf, dass durch den ÖIAG-Beschluss und durch die Privatisierung der P.S.K. die Damen, die dort arbeiten, vom Gleichbehandlungsbereich des öffentlichen Bereichs in den Gleichbehandlungsbereich des privaten Bereiches fallen.

Wo liegt denn da eigentlich der Skandal? – Der Skandal liegt darin, dass sie offensichtlich als Ministerin zugelassen hat, dass es dort eine schlechtere Variante der Gleichbehandlungsgesetze gibt! (Beifall bei der ÖVP.)  – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die SPÖ war das nie ein Skandal. Das war nie ein Skandal für euch.

Und weil ihr immer die "kleinen Leute" ansprecht, muss ich sagen: Ihr habt euch nie um die so genannten kleinen Frauen gekümmert, die bei der Post nur so lange angestellt worden sind, bis sie ein Recht auf Arbeitslosenunterstützung gehabt haben. Dann hat die Post sie wieder entlassen, so lange, bis sie kein Arbeitslosengeld mehr bekommen haben, und dann hat die Post sie wieder eingestellt. Was glauben Sie, was diese Frauen für eine Pension bekommen? Was glauben Sie, wie die im Alter versorgt sind? Darüber haben Sie sich keine Minute lang auch nur einen Gedanken gemacht! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Mertel, Silhavy und Sophie Bauer. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sehr viel über das Budget geredet worden, darüber, ob es nicht dort oder da ein paar Milliarden oder ein paar Millionen Schilling mehr geben sollte. Ich sage Ihnen eines: Das ist nicht die Kunst. Wir Frauen verstehen von den Finanzen etwas, weil wir im Haushalt meistens das Geld verwalten. Die Frage, auf die es ankommt, ist, mit wieviel Geld man was und wie effizient macht.

Es gab doch dieses Frauenbusinesscenter in Graz. Die Frau Bundesministerin hat das mit gesponsert. Aber ich höre, es ist eingegangen, es ist ein Flop. Das heißt jetzt "Harlekin" oder "Kasperl" oder so irgendwie. Das heißt also, es ist total aus diesem ursprünglichen Gedankengut ... (Abg. Steibl: "Eulenspiegel" heißt es! – Heiterkeit.) Ach, "Eulenspiegel" heißt es, ich korrigiere mich. Danke, Frau Kollegin. – Das heißt, es ist der ganze ursprüngliche Sinn des Projektes verloren gegangen, und letztendlich ist eine Million Schilling weg, und nichts mehr ist da.

Da lobe ich mir schon das Gründerinnenzentrum. Das ist wesentlich erfolgreicher. Und wir Niederösterreicher – die Hanni Mikl-Leitner ist jetzt nicht da – haben überhaupt einen guten Erfolg.


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Wir haben dem Landesrat für Wirtschaft 4 Millionen Schilling sozusagen herausgerissen und bemühen uns, den Frauen auf dem Weg zur Selbständigkeit zu helfen. Das ist, wie ich meine, unsere Aufgabe. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie sagen, wir wollen die Eigenständigkeit der Frauen, wir wollen die Selbständigkeit der Frauen, dann kann ich das unterstreichen, und wir werden Sie wirklich ausschließlich und bedingungslos dabei unterstützen – aber mit unserem Weg.

Ich lese Ihnen noch etwas vor. – (Die Rednerin hält eine dicke schriftliche Unterlage in die Höhe und blättert demonstrativ in den zahlreichen Seiten.) Übrigens hätte ich mir von Frau Prammer einmal gewünscht, dass sie in drei Monaten so ein Programm zusammengebracht hätte, wie es Frau Kollegin Sickl zusammengebracht hat! (Beifall bei der ÖVP. – Die Rednerin legt die schriftliche Unterlage beiseite.)

Ich lese Ihnen etwas vor. Da heißt es: "Mut zu Neuem, die Kraft zum Neuen, Flexibilität und weg vom alten Denken." – Und weiter heißt es: "Wähler, die in ihrem täglichen Leben Initiative und Anpassungsfähigkeit im Hinblick auf die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen beweisen müssen, erwarten das Gleiche von ihren Regierungen und ihren Politikern."

Wer hat das gesagt? – Tony Blair und Schröder. Klima hat das nicht unterschrieben, aber es gibt ihn ja nicht mehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.55

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete Bauer! Sie haben im Zuge Ihres Debattenbeitrags an die Reihen der Opposition gesagt: "Ihr mit eurer Vernaderungspolitik." – Das Wort "Vernaderungspolitik" hat in der Vergangenheit immer einen Ordnungsruf bewirkt und bewirkt einen solchen auch heute.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Nürnberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.56

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Amon und in der Folge auch Herr Abgeordneter Trinkl haben behauptet, 80 Prozent des SPÖ-Übereinkommens seien umgesetzt. – Ich möchte jetzt wirklich zum wiederholten Male mit diesem Märchen aufräumen und nochmals der Wahrheit die Ehre geben. Es ist jetzt, wenn ich so herumschaue, außer dem Herrn Abgeordneten Khol und mir niemand mehr im Saal, der bestätigen könnte, wie sich das abgespielt hat.

Als von Herrn Minister Molterer im Zuge der Koalitionsverhandlungen die zwei Jahre Anhebung des Pensionsantrittsalters referiert worden sind, gab es den heftigsten Widerspruch von mir. Herr Molterer erklärte, das sei für die ÖVP nicht verhandelbar, wenn das gewünscht wird, stehen wir auf und verlassen den Tisch. – Ich habe, weil ich das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren konnte, nicht unterschrieben, und die überwiegende Mehrheit des sozialdemokratischen Klubs hat diese Vereinbarung nicht unterschrieben, weil wir für so unsoziale Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPÖ.) Daher bitte ich Sie, meine Damen und Herren: Hören Sie auf mit dem Märchen, dass da sozialdemokratische Vorstellungen erfüllt worden sind!

Nun zu Herrn Amon. Er hat sich für die Jugend stark gemacht. – Ich könnte ihm nachweisen, schon in den frühen achtziger Jahren gab es Anträge von der Metallergewerkschaft, vom ÖGB, von anderen Gewerkschaften, im Interesse der Jugend zu einer sehr umfassenden Reform zu kommen. Aber weil das, was nun vorliegt, nicht im Interesse der Jugend, sondern nur eine budgetäre Geldbeschaffungsaktion ist, lehnen wir diese Reform ab, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mir lange überlegt, ob ich es sagen soll, aber ich muss es sagen, und zwar an die Adresse des Herrn Abgeordneten Amon und des Herrn Abgeordneten Schender. Wenn die beiden kurz hintereinander ans Rednerpult gehen, gibt es immer ein interessantes Match. Der eine,


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Herr Abgeordneter Schender, war für heute vielleicht ein bisschen mehr inspiriert, weil der Herr Papa auf der Galerie gesessen ist. Aber bei diesem Match geht es immer darum, wer von den beiden lauter brüllt und schreit. An die Adresse dieser beiden Abgeordneten möchte ich nur sagen: Nicht in der Lautstärke liegt die Qualität der Argumente! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe mir da einige Notizen gemacht, was ich Ihnen zu dieser Pensionsreform eigentlich alles sagen wollte. Das alles haben aber die Vorredner von meiner Fraktion schon gesagt. Ich lege das weg und mache Ihnen jetzt, sehr geehrte Frau Bundesministerin, ein, wie ich glaube, sehr faires Angebot.

Ich habe hier eine Broschüre über das Thema Pensionsreform, die von den Experten der Arbeiterkammer erstellt wurde. Ich glaube, dass Sie die Qualität der Experten der Arbeiterkammer nicht in Zweifel ziehen. Wenn man sich diese Broschüre ansieht, dann findet man Beispiele. Sie können einige Beispiele daraus entnehmen, und diese Beispiele könnte man mit Leben erfüllen.

Da gibt es zum Beispiel eine Frau, verheiratet, derzeit 54 Jahre alt, sie erreicht in 2,5 Jahren 37,5 Versicherungsjahre und hat dann die Voraussetzung für die Pension. Sie wird in Zukunft Jahr für Jahr um 9 450 S weniger haben.

Ein anderer Fall: Ein Mann, Pensionierung mit 60 aus Gesundheitsgründen, hat 43 Versicherungsjahre mit Vollendung des 60. Lebensjahres. Er hat in Zukunft Jahr für Jahr um 28 000 S weniger.

Und da ein ganz besonderer Fall, weil Sie immer sagen, dem 60-jährigen Mann, der 45 Versicherungsjahre hat, passiert nichts. Auch da habe ich ein Beispiel. Dieser verliert in Zukunft Jahr für Jahr, so lange er noch lebt und die Pension genießt, 42 000 S.

Jetzt meine Angebot, sehr geehrte Frau Bundesministerin: Ich überreiche Ihnen dann diese Broschüre. Bitte schauen Sie sie an, und wenn es Ihnen gelingt, mir nachzuweisen, dass diese Fälle nicht stimmen, dann bin ich bereit, mich hier in der Öffentlichkeit in aller Form bei Ihnen zu entschuldigen. Wenn es Ihnen aber nicht gelingt, und davon bin ich überzeugt, dann werden Sie damit leben müssen, dass das keine Pensionsreform, sondern eine Geldbeschaffungsaktion, eine Schröpfungsaktion auf Kosten der Arbeiter und Angestellten ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Nürnberger überreicht der auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministerin Dr. Sickl eine Broschüre.)

13.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Pumberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

13.01

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt haben wir ihn gehört, den typischen Vertreter des "kleinen" Mannes. (Abg. Nürnberger: Sag, ob’s stimmt oder nicht stimmt!) Der große Gewerkschaftschef Nürnberger macht sich stark für den "kleinen" Mann. – Er war es, der die Koalition, die Neuauflage der rot-schwarzen Koalition zu Fall gebracht hat, indem er den Koalitionspakt nicht unterschrieben hat, weil die Interessen des "kleinen" Mannes gefährdet waren. (Abg. Nürnberger: Richtig! So ist es!)

Mein lieber Herr Gewerkschaftschef Nürnberger! Was haben Sie gesagt? – Nicht die Lautstärke macht das gute Argument aus. – Das haben Sie doch zuerst gesagt, bezogen auf Herrn Kollegen Schender. (Abg. Nürnberger: Sicher, wir schreien ja auch nicht!) Halten Sie sich selbst an Ihre guten Empfehlungen! (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frau Kollegin Zierler hat einen Ordnungsruf bekommen, weil sie behauptet hätte, die SPÖ hätte die Bürger belogen. Ich schließe mich dieser Aussage nicht an. Ich sage Ihnen aber: Sie haben der Bevölkerung 30 Jahre lang die Unwahrheit gesagt, und das stimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Blicken wir auf 30 Jahre Gesundheitspolitik, Sozialpolitik zurück: 1 Million Menschen muss an oder unter der Armutsgrenze leben! Die SPÖ hat in der Ära Klima und auch früher schon hohe Staatsschulden angehäuft, pro Minute 150 000 S. Das sind unvorstellbare Summen! (Abg. Schwemlein: Beziehen Sie auch eine Zusatzpension?) Die SPÖ hat 30 Jahre lang Gesundheitspolitik gemacht. Wenn ich an die gute alte, berühmte Wiener medizinische Schule erinnern darf: Kaiser, Könige und Ölscheichs aus der ganzen Welt sind nach Wien gekommen, um sich hier behandeln zu lassen. Es sind Professoren aus der ganzen Welt, medizinische Genies, Nobelpreisträger nach Wien gekommen, um hier noch dazuzulernen!

Und was ist jetzt, nach 30 Jahren sozialistischer Gesundheitspolitik? – Parteipolitische Einflussnahme im Allgemeinen Krankenhaus in Wien, wo nur der politische Proporz, die politische Postenbesetzung eine Rolle spielt. (Abg. Verzetnitsch: Rasinger!) Wo sind wir hingekommen? Wenn ein österreichischer Professor etwas gelten will, wenn er Professor werden will, aufsteigen will, Klinikchef werden will, dann muss er zuerst seine Kenntnisse in Amerika, in Japan oder sonst irgendwo holen, damit er in Österreich anerkannt wird. In Österreich kann er auf Grund dessen, dass Sie unser Gesundheitswesen kaputt gemacht haben, keine fundamentale Ausbildung mehr bekommen.

Die Professoren kommen aufgrund von politischem Einfluss im AKH Wien in ihre Positionen. Sie sprechen immer von der Zwei-Klassen-Medizin. Das geht so weit, dass die Professoren – und Sie schauen zu! – ihre Privatordinationen ins Allgemeine Krankenhaus verlegen und dort ihren Privatverdienst während der regulären Dienstzeit haben. Und da hat der "kleine" Mann, den Sie vertreten, Herr Nürnberger – er hat sich schon wieder vertschüst; nein, da draußen steht er noch –, keine Chance, zum Professor direkt zu kommen.

Da haben aber jene "Wohlverdiener", die oberen Zehntausend, die es sich gut richten können im sozialistischen System, eine Chance, denn die können dann dem Herrn Professor ein kleines Kuvert mit ein bisschen Inhalt überreichen, und dann haben sie sofort einen Operationstermin, dann kommen sie schneller dran. Das ist die "Kuvert-Medizin", bei der die SPÖ zuschaut. Da schauen Sie zu! Und der "kleine" Mann muss noch länger warten, bis er einen Operationstermin bekommt. (Abg. Silhavy: Das machen die Ärzte? Ihre Kollegen machen das? Das ist ein Skandal! Heißt das, dass sie bestechlich sind?) Er muss noch länger warten. Frau Silhavy! Die Lautstärke ist es nicht, die es ausmacht, hat Ihr Sitznachbar Nürnberger gesagt. Halten auch Sie sich an die Empfehlung Ihres Sitznachbarn!

Die Zwei-Klassen-Medizin ist an der Tagesordnung. 30 Jahre sozialistische Gesundheitspolitik, und die Zwei-Klassen-Medizin ist an der Tagesordnung. Es kann mir doch niemand erzählen, dass alle österreichischen Patienten gleich behandelt werden in den Spitälern! Glauben Sie das denn selber? Glauben Sie das überhaupt? Glauben Sie, dass Sie, wenn Sie etwas haben, wenn Sie untersucht werden müssen, nicht bevorzugt werden gegenüber dem so genannten kleinen Mann?

Es hat immer Unterschiede gegeben, und besonders in den letzten 30 Jahren sind diese Unterschiede gravierend herausgestrichen worden. Und dafür sind Sie verantwortlich, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben 30 Jahre lang Gesundheitspolitik gemacht, Sie haben dafür in erster Linie die Verantwortung getragen – die letzten 15 Jahre mit Unterstützung der Österreichischen Volkspartei, aber Sie haben die dominante Rolle gehabt. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sind dafür verantwortlich, dass es heute noch rote und schwarze Spitäler gibt, rote und schwarze Primariate gibt. (Abg. Dr. Kostelka: Kann Realitätsverlust auch Krankheitsursachen haben, Herr Doktor?)

Der Parteiproporz reicht bis in die kleinste Abteilung, Herr Kollege Kostelka, da können Sie ruhig lachen. Sie, Herr Kollege Kostelka, werden die beste Behandlung haben, davon bin ich überzeugt, wenn Sie das Schicksal ereilen wird und Sie einen Arzt brauchen. Sie werden mit dem goldenen Krankenwagen geholt werden und werden den besten Professor bekommen. Aber die Menschen, von denen Sie gewählt werden möchten – Sie hoffen zumindest, dass Sie von ihnen gewählt werden –, haben nicht diese Möglichkeiten. Die müssen sich mit der Kassenmedizin


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begnügen, die müssen mit der allgemeinen Basismedizin zufrieden sein, und da sind wir im internationalen Vergleich, im europäischen Vergleich schon ziemlich weit zurückgerutscht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch was die Prävention angeht, von der Sie immer sprechen, ist die sozialistische Politik gescheitert. Präventivmedizin wird in homöopathischen Dosen verordnet. Präventivmedizin gibt es quasi überhaupt nicht. Selbstbehalte, die Sie uns ankreiden, haben Sie eingeführt. 10 Milliarden Schilling Selbstbehalt bezahlen die Österreicherinnen und Österreicher schon jetzt, und wenn Sie so weiter machen, wird es noch viel mehr werden.

Wir haben jetzt eine Reform gemacht, die zukunftsweisend ist. Wir haben nicht den alten sozialistischen Weg fortgesetzt, indem wir Beiträge erhöhen und Leistungen streichen. Wir werden durch die Einführung der Ambulanzgebühr strukturelle Veränderungen erreichen. Die Patienten werden bei gleich guter Behandlung beim Facharzt kostengünstiger, ökonomischer behandelt, und das ist ein Weg zu einer Strukturreform. Wir werden auch die Gruppenpraxen ermöglichen und vieles mehr, damit es zu strukturellen Änderungen kommt.

Sie waren 30 Jahre lang dazu nicht in der Lage. Wir haben Ihnen in den ersten 100 Tagen schon vorgezeigt und vorgelebt, dass es anders auch geht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Edlinger: Glauben Sie das auch, was Sie da sagen?)

13.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte. (Abg. Schwemlein: Man sollte wissen, ob der Pumberger drei, vier oder fünf Pensionen hat! Das wäre interessant!)

13.09

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rednerinnen und Redner der ÖVP/FPÖ-Regierung haben heute von einem guten Start ihrer Arbeit gesprochen. – Ja, Sie sind durchgestartet, aber in die falsche Richtung. Sie sind dabei, eine jahrzehntelange erfolgreiche Sozialpolitik, eine Sozialpolitik mit Herz und für die Schwächeren in unserem Land innerhalb kürzester Zeit zu zerschlagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Das unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung durchgesetzte Arbeitnehmerschutzgesetz aus dem Jahre 1995 ist als Erfolgsprogramm in die Geschichte der österreichischen Sozialpolitik eingegangen. Die Zahl der Arbeitsunfälle konnte dabei erfreulicherweise um zirka 40 000 – das ist rund ein Viertel – reduziert werden. Neben der Verringerung menschlichen Leids wurde der wirtschaftliche Schaden von 1995 bis 1998 um mehr als 16 Milliarden Schilling reduziert.

Und was macht die jetzige schwarz-blaue Bundesregierung? – Die Arbeitsinspektorate wurden dem Wirtschaftsminister zugeteilt und sollen zu Service-Einrichtungen werden, Schutzbestimmungen sollen abgeschwächt werden, und der Beitrag der Arbeitgeber zur Unfallversicherung wird um 0,2 Prozent gesenkt.

Diese Verschlechterungen – das Wort "Grauslichkeiten" ist da wohl wirklich besser geeignet – gehen alle auf Kosten der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land.

Werte Damen und Herren! Hohes Haus! Die von der Regierung geplante Senkung des AUVA-Beitrages um 1,7 Milliarden Schilling ist eine unverantwortliche Geldbeschaffungsaktion für Unternehmer (Beifall bei der SPÖ), offensichtlich nach dem Motto dieser Bundesregierung: Unternehmer ent lasten und Arbeitnehmer be lasten. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Eine Senkung der Einnahmen der AUVA um 15 Prozent gefährdet die Fortsetzung der gesetzlich vorgegebenen Kernkompetenz der AUVA und damit die erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre. Bei Realisierung dieser Einnahmenkürzung sind spätestens im Jahre 2002 alle Reserven


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aufgebraucht und die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt ist mit einem Minus von 1,2 Milliarden Schilling pro Jahr pleite. Damit muss es zwangsläufig zu Leistungskürzungen kommen.

Gefährdet sind dadurch etwa der Ausbau der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Versorgung von Klein- und Mittelbetrieben, gefährdet ist die Unterstützung und Förderung des Versehrtensports und anderer Maßnahmen zur Integration von Versehrten, gefährdet ist der Ausbau von Unfallverhütungsmaßnahmen inklusive der Ersten Hilfe, gefährdet sind die Aktivitäten im Bereich der Forschung, und gefährdet ist auch die Fortsetzung der bisherigen Unfall-Entschädigungspolitik, und auch eine Einschränkung im Unfallverhütungsdienst und die Schließung von Unfall-Krankenhäusern können nicht ausgeschlossen werden.

Für mich als Sozialdemokraten, aber auch als Belegschaftsvertreter, der ich tagtäglich mit Arbeitnehmerschutz und leider auch mit Betriebsunfällen zu tun habe, ist diese Politik des Sozialabbaus auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einfach ein Skandal. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum einen will diese Bundesregierung, dass die Menschen im Zuge der Pensionsreform länger arbeiten, gleichzeitig werden aber die Voraussetzungen dafür genommen. Die geplante Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters würde sogar einen höheren Einsatz für die Unfallverhütung und die Rehabilitation erfordern. Das nenne ich eine zynische und arbeitnehmerfeindliche Politik! (Abg. Dr. Stummvoll: Na, na, na!)

Ebenso stellen wir von der sozialdemokratischen Fraktion die vorgesehene Überweisung von 1 Milliarde Schilling aus den Mitteln der AUVA an die Pensionsversicherung in Frage, weil dadurch die Möglichkeiten der AUVA im präventiven Arbeitnehmerschutz beeinträchtigt werden. Wir fordern daher, dass der Beitrag der AUVA für den Aufbau der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung in Klein- und Mittelbetrieben weiter gewährleistet sein muss.

Auch soll es der AUVA weiter möglich sein, nachhaltige und wirksame Beiträge für einen verbesserten Gesundheitsschutz zu leisten, der dem Krankheits- und Invaliditätsrisiko entgegen wirkt. Die Bundesregierung ist dazu aufgefordert, die in diesem Budget vorgesehene arbeitnehmerfeindliche und im höchsten Maße sozial ungerechte Politik zu beenden.

Wir Sozialdemokraten werden uns auf jeden Fall mit allen politischen Mitteln gegen diesen radikalen Sozialabbau zur Wehr setzen – für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Lande. (Beifall bei der SPÖ.)

13.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte.

13.14

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn man so zuhört, dann meint man, dass die Österreicher in den letzten drei Monaten völlig verarmt sind. (Abg. Dr. Mertel: Wird schon werden!) Das ist nur möglich, wenn vorher schon genügend gemacht worden ist, nicht? (Beifall bei der ÖVP.)

Aber bleiben wir jetzt bei der Gesundheitspolitik. – Ich bin davon überzeugt, dass es in der Vergangenheit nicht so schlecht gemacht wurde, wie der Koalitionspartner das vorhin dargestellt hat. Ich bin davon überzeugt, dass wir in den letzten Jahren eine solide und gute Gesundheitspolitik gemacht haben, dass Österreich eigentlich medizinisch gut versorgt ist. Ich möchte aber doch einige Denkanstöße geben, um darauf hinzuweisen, was in der Vergangenheit nicht so gut funktioniert hat.

Ich bin davon überzeugt, dass wir zu viel – zu viel! – auf die Rationalisierung und Rationierung im Gesundheitswesen hingewiesen haben und nicht den Sinn des Ganzen in den Vordergrund gestellt haben. Die Gesundheit greift zutiefst in die Umwelt, in das soziale Umfeld hinein, und nur vor diesem Hintergrund können die Probleme in unserem Gesundheitswesen verstanden und die Lösungen entsprechend gestaltet werden.


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Neben ökonomischen Faktoren ist auch der weltanschauliche Aspekt der Gesundheit zu berücksichtigen. Vom hohen Norden kam vor 20, 30 Jahren immer dieser Unkenruf: Alles ist machbar! In Schweden hat man das damals produziert, diesen Machbarkeits-Wahn, und auch in der Gesundheitspolitik hat man das so dargestellt: Alles ist machbar! Das vollkommene Heil und die Ganzheitlichkeit ist in den Vordergrund gestellt worden.

Selbst der WHO-Begriff "Gesundheit" hat utopische Züge, wenn da Gesundheit als Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens beschrieben wird. – Meine Damen und Herren! Das wird nie finanzierbar sein, weil es nicht möglich ist!

Die Kehrseite dieses utopischen Denkens und Gesundheitsbegriffs besteht darin, dass jede Beeinträchtigung des Wohlbefindens als Verhinderung des Glücks, als Einschränkung sinnhaften Lebens und somit ausschließlich negativ bewertet wird.

Die Definition der WHO bestärkt ein Anspruchsdenken und eine Anspruchshaltung, die uns auch finanziell zu stark belasten. Die Probleme bestehen darin, dass es zu einer unendlich hohen Erwartungshaltung beim Patienten und zu einem sehr starken Erwartungsdruck bei den Gesundheitsberufen und bei den Politikern kommt. Der Mensch muss in seinem sozialen Umfeld, mit seinen Schwächen, seinem Mensch-Sein gesehen werden. Warum werden zum Beispiel im Durchschnitt in England – da gibt es Studien – Akademiker um zirka 8 Jahre, glaube ich, älter als Arbeiter? – Weil man dort anscheinend nicht das soziale Umfeld berücksichtigt.

Der hohe Erwartungsdruck schlägt sich in einer extremen Verrechtlichung des Arzt-Patienten-Verhältnisses nieder. Einerseits dient diese Ausdehnung der Patientenrechte der Stärkung der Autonomie des Einzelnen, aber auf der anderen Seite führt sie auch zu einer Defensiv-Medizin, denn jeder Arzt versucht eher, falsche Handlungen zu vermeiden – mit mehr Untersuchungen, mit mehr Technik –, als die richtigen Maßnahmen schnell zu ergreifen. Ich glaube, so wird Medizin nicht billiger, nicht humaner und, wie ich meine, auch nicht ethischer.

Diesen Aspekt, diesen Gedanken sollten wir mit einbringen: dass nicht alles machbar ist, dass wir auch die Medizin nicht unendlich finanzieren können. Wir sind endlich, und wir sind auch beschränkt in unseren Möglichkeiten, aber auch in unserem Tun. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. – Bitte.

13.18

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kürzlich hat die FPÖ/ÖVP-Regierung ihr 100 Tage-Jubiläum gefeiert und auf ihre Errungenschaften hingewiesen. Ich möchte einige dieser "Errungenschaften" in Erinnerung rufen: Erhöhung der Rezeptgebühr, Behandlungsbeitrag für die Inanspruchnahme einer Spitalsambulanz mit Überweisung eines Arztes 150 S, ohne Überweisung 250 S, Erhöhung des Spitalskostenbeitrages, Kürzung der Dauer des Krankengeldbezuges von 78 auf 52 Wochen, Einsparungen bei den Zuzahlungen zu Heilbehelfen, wie zum Beispiel Krücken, Rollstühle et cetera, verordnetes Sparpaket für die Sozialversicherung, und so weiter, und so weiter. – Wahrlich eine Bilanz, meine Damen und Herren, auf die Sie "stolz" sein können! Die Belastungen zeigen, dass das Gerede von den rein ausgabenseitigen Sparmaßnahmen nur "Geschwafel" ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierung hat massive Probleme, und diese Probleme lassen sich anscheinend am besten mit dem Geld der "kleinen" Leute lösen.

Nun einige Statements zu den Spitalsambulanzen. – Es ist für viele Patienten, speziell in den ländlichen Gebieten, oft gar nicht möglich, einen Facharzt aufzusuchen. Gibt es keinen Facharzt in der Nähe, dann sind sie auf die Behandlung in einer Spitalsambulanz angewiesen.


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Durch die Erhöhung der Rezeptgebühr soll dem stetig ansteigenden Arzneimittelverbrauch Rechnung getragen werden, so die Bundesregierung. Aber die Erhöhung der Rezeptgebühr wird den steigenden Arzneimittelkonsum nicht beeinflussen können. Es ist auch ganz klar, weshalb nicht: Faktum ist, dass die Medikamente von den Ärzten verordnet werden, und die höhere Rezeptgebühr trifft nur jene Patientinnen und Patienten, die diese Medikamente benötigen, die der Arzt ihnen verschreibt.

Laut einer Analyse der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse entfallen auf 20 Prozent der Versicherten rund 80 Prozent der Medikamentenkosten. Dabei handelt es sich im Regelfall um alte und schwer kranke Menschen. Eine Erhöhung der Rezeptgebühr trifft daher wieder nur diese Menschengruppen ganz massiv.

Die geplante Ausweitung der Selbstmedikation, die Sie auch vorschlagen, bringt einen Vorteil für die Pharmaindustrie – na klar, nämlich durch den "hundertprozentigen Selbstbehalt", der Patient trägt ja dann die Kosten zu 100 Prozent selbst.

Auf die Einsparungsmaßnahmen bei den Verwaltungsausgaben, die den Kassen vorgeschrieben werden, möchte ich gar nicht näher eingehen, sondern nur ein Beispiel anführen. Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse hat einen Verwaltungskostenanteil von unter 3 Prozent. Nennen Sie mir eine andere Einrichtung, die einen so geringen Verwaltungskostenanteil nachweisen kann!

Im Zusammenhang mit diesem Sparprogramm sind auch die Zahnambulatorien ins Gespräch gekommen; sie sollen eingespart werden. Ich warne Sie davor! Zahnambulatorien sind eine wirklich wichtige Einrichtung. Es ist erfreulich, dass dort seit kurzem beispielsweise auch der festsitzende Zahnersatz angeboten wird.

Herr Staatssekretär Waneck! Sie haben gesagt, das Krankenhaus sei der beliebteste Zweitwohnsitz der Österreicher. – Diese Äußerung ist wirklich eine Verspottung der leidenden und schwer kranken Menschen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich glaube, niemand kann so masochistisch veranlagt sein, sich freiwillig ins Krankenhaus zu legen und sich dort womöglich auch noch operieren zu lassen.

Einer APA-Meldung vom 14. April entnehme ich, dass – laut Staatssekretär Waneck – der Krankengeldanspruch grundsätzlich nur mehr 52 Wochen lang bestehen soll. Eine Verlängerung auf 78 Wochen soll nur dann gewährt werden, wenn der Betreffende auf dem Arbeitsmarkt wieder integrierbar ist; unbegrenzten Krankengeldbezug könnte es nur für jene Patienten geben, die so schwer krank sind, dass sie eine beschränkte Lebenserwartung haben. – Was heißt denn das in der Praxis? Wenn jemand einen längeren Krankengeldbezug bewilligt bekommt, dann weiß er, dass er sowieso nicht mehr lange auf dieser Welt sein wird. Also diese Argumentation ist abzulehnen. Im Übrigen hat jeder Mensch von Geburt an sowieso nur eine beschränkte Lebenserwartung.

Alle Menschen in Österreich haben Anspruch auf eine ihrem Bedarf entsprechende, moderne, qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung, auf einen chancengleichen Zugang. – Meine Damen und Herren! Die Politik, wie sie von dieser Regierung vorgeschlagen wird, lehnen wir entschieden ab! (Beifall bei der SPÖ.)

13.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. – Bitte.

13.24

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Argumente, Herr Abgeordneter Dietachmayr, werden nicht wahrer, auch wenn man sie perseverierend immer wieder wiederholt. Mir ist, als ich Ihre Rede gehört habe, zur Fraktion der Sozialdemokraten etwas eingefallen: Ihr Abgeordneter Bruno Kreisky hat einmal in Zeiten, als die ÖVP in Opposition war, zur ÖVP gesagt: Genießen Sie die Opposition! – Darf ich Ihnen hiermit raten: Genießen Sie die Opposition und gesunden Sie


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daran! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Auer: Wird aber lange dauern!) – Es wird einige Zeit dauern, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.

Ich möchte heute über das Thema Gesundheit reden, über den Begriff "Gesundheit", und möchte Ihnen folgende Geschichte erzählen:

Zu meinem 30. Geburtstag habe ich ein Buch von Honoré de Balzac bekommen (Abg. Dr. Leiner: Gestern?) – er liegt schon eine Zeit lang zurück, mein 30. Geburtstag –, und der hat gesagt, die Frau von 30 Jahren sei zwar noch schön, aber "durch die eben entschwindende Jugend und ihre Leidenschaft, erstarkt durch die Ahnung einer sie erschreckenden Zukunft". – Diese "aufmunternden" Worte im Hinblick darauf, dass ich und auch Sie eine Lebenserwartung von 80 Jahren haben, wurden noch dadurch verstärkt, dass ich zu meinem 35. Geburtstag ein Buch bekommen habe mit dem Titel: "Eine Frau über 35 läuft eher Gefahr, von einem Tiger gefressen zu werden, als einen Mann zu finden." (Allgemeine Heiterkeit.)

Tatsache für uns alle ist aber, dass Frauen sogar ein bisschen länger leben als Männer, nämlich zirka 80 Jahre alt werden, und diese Lebenserwartung hat in den letzten Jahren, wie wir alle wissen, rasant zugenommen.

Tatsache ist, dass Gesundheit und Freude am Leben für uns alle in Zukunft das wichtigste Gut sind. Warum sollte man denn sonst überhaupt 80 Jahre alt werden wollen? (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Voraussetzung dafür ist aber, ein selbstbestimmtes Leben führen zu lernen, und die Voraussetzung dafür ist, die soziale Verantwortung für die Gesundheit aller zu fördern.

Gesundheit – das möchte ich Ihnen auch einfach im Sinne unserer gemeinsamen Arbeit näherbringen – ist nicht nur körperliches Wohlbefinden, sondern Gesundheit ist auch die Fähigkeit, Krankheit, Behinderung, altersbedingte Beschwerden, Konflikte, Schicksalsschläge, Oppositionsparteien zu ertragen und erfolgreich zu bewältigen.

Ich darf Ihnen ein praktisches Beispiel aus meiner Praxis vor Augen führen: Es handelt sich um eine 79-jährige Patientin mit Brustkrebs, die sich gerade einer Chemotherapie unterzieht. Wenn ich sie frage, wie es ihr geht, sagt sie zu mir: Gut, ich bin zufrieden! – Diese Frau hat eine wirklich schwere Erkrankung, aber eben deswegen, weil sie sich medizinisch gut versorgt fühlt, weil sie ein gutes soziales Umfeld hat, in ihrer Familie lebt, weil sie Gedichte schreibt, Briefe schreibt, führt sie ein gesundes Leben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist es, meine Damen und Herren, was wir bei allen, durchaus notwendigen ökonomischen Überlegungen rund um das Gesundheitssystem nicht vergessen sollen: den Menschen im Mittelpunkt! Nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche und unser soziales Umfeld beeinflussen unser gesamtes Wohlbefinden. Unsere politische Aufgabe ist es daher, verstärkt auf die Prävention, die Selbstbestimmung und – ein mir ganz wichtiger Punkt – die Enttabuisierung von Krankheiten hinzuwirken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Noch immer erkrankt jede neunte Wienerin an Brustkrebs – noch immer gehen aber weniger als 50 Prozent zur Vorsorge. Dabei ist dieser Krebs, wenn er früh erkannt wird, zu über 80 Prozent heilbar. Noch immer ist Prostatakrebs die häufigste Todesursache bei Männern über 45 – aber noch immer gehen weniger als 50 Prozent zur regelmäßigen Vorsorge. Das ist unser politischer Auftrag, darauf müssen wir einwirken, da müssen wir Vorsorge treffen: dass diese Erkrankung bereits im Vorfeld erkannt und damit auch behandelt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Leiner: Sehr gut!)

Medizinische Leistungen für alle ohne Rationierung! – Dies ist ein weiteres politisches Credo. So lange wie möglich ambulant, so wenig wie möglich stationär! Herr Abgeordneter Dietachmayr! Natürlich müssen die Patienten auf dem Land in die Spitäler, in die Ambulanzen gehen, weil Sie nicht dafür vorgesorgt haben, dass genügend niedergelassene Strukturen da sind. Gruppenpraxen – zum ich weiß nicht wie vielten Male –, Gruppenpraxen sind die Antwort darauf! Das wurde immer wieder verhindert.


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Als letztes Glied der Kette – mir als Spitalsarzt besonders wichtig –: eine flächendeckende, hoch qualifizierte Spitalslandschaft. Um diese zu erhalten, bedarf es zurzeit unserer ganz besonderen Anstrengung, denn es gibt ein ganz massives Unzufriedenheitspotential im Bereich der Spitäler und im Bereich der Gesundheitsberufe.

Unser Gesundheitssystem braucht strukturelle Änderungen sowie eine effiziente Lenkung der vorhandenen Finanzströme. Es haben alle starren Machtapparate der letzten Jahre ausgedient, genauso wie der alte und starre Begriff der "machtlos der Krankheit ausgelieferten Menschen".

Macht Politik krank? – Diese Frage wurde vor kurzem im Rahmen eines Symposiums gestellt. Ja, war die Antwort, wenn sie ausgrenzt, wenn sie verdrängt, wenn sie diskriminiert; nein, wenn sie die vorhandenen Stärken der Menschen unterstützt sowie gemeinsame  – das sei an die Oppositionsparteien gerichtet – gesundheitliche, gesellschaftliche Rahmenbedingungen schafft! Das, meine Damen und Herren, sei Ziel von uns allen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

13.31

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Ich bringe keine literarischen Zitate zu Beginn meiner Ausführungen, aber ich denke, wir kennen mittlerweile das Motto der Regierungsparteien, das da lautet: Ich weiß nicht, wohin, aber Hauptsache, ich bin schneller dort! (Beifall bei der SPÖ.)

Klar wird dies umso mehr, wenn man sich die Regierungsvorhaben im Gesundheits- und im Sozialversicherungsbereich, dem ich mich jetzt widmen möchte, näher anschaut. (Abg. Mag. Schweitzer: Das war auch ein Zitat! Nur falsch angewendet!)

Nachdem Schwarz-Blau erkannt hat, dass die Einführung eines Selbstbehaltes in der Krankenversicherung und die Kürzung der Dauer des Krankengeldbezuges für schwer kranke Menschen sowohl in der Bevölkerung als auch auf politischer Ebene und innerhalb der Sozialversicherungsträger auf totale Ablehnung stoßen, soll nun durch eine überfallsartige Gesetzesänderung, durch Initiativantrag, meine Damen und Herren, ohne breite sozialpartnerschaftliche Diskussion eine demokratisch legitimierte Selbstverwaltung abgesetzt und durch eine mehrheitlich blau-schwarze Funktionärsriege ersetzt werden, um die Sozialabbaupläne direkt exekutieren zu können.

Der FPÖ/ÖVP-Antrag zielt weder auf Strukturänderungen in den Gremien der Sozialversicherung noch auf eine Änderung der Entscheidungsabläufe ab, sondern verfolgt ausschließlich den Zweck, die Mehrheitsverhältnisse in den Gremien der Sozialversicherungsträger zu Gunsten der FPÖ- und ÖVP-Vertreter zu ändern. Einziger Zweck dieses Gesetzes: Rot raus, Blau-Schwarz rein!

Zudem sind große Gruppen von Versicherten in dem Vorschlag gar nicht enthalten: neue Vertragsbedienstete in der BVA, Arbeiterkammer-Mitglieder, neue selbständige und freie Berufe in der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft und PensionistInnen in den Gebietskrankenkassen.

Es ist hier festzuhalten, meine Damen und Herren: Ziel der Entsendung in Selbstverwaltungsorgane muss es sein, dass der demokratische Mehrheitswille, wie er sich aus den Wahlen der Interessenvertretungen ergibt, auch in den Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger durchsetzbar ist. (Beifall bei der SPÖ.) Darin liegt der Sinn einer basisdemokratisch legitimierten Selbstverwaltung. Die Minderheitenrechte sind zudem auch zu stärken. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Waneck. ) – Ja, ich weiß, wovon ich rede.

Die Versicherten wählen bei der Arbeiterkammerwahl ihre Interessenvertretung. Und die dort zum Ausdruck gebrachte klare Mehrheit sollte sich daher auch in der Besetzung der Sozialver


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sicherungsgremien widerspiegeln. Ist das nicht der Fall, dann handelt es sich um eine Beugung des demokratischen Mehrheitswillens.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der blau-schwarzen Fraktion: Wollen Sie das wirklich? Nur weil sich die Menschen in unserem Land bei den Arbeiterkammerwahlen schon gegen Ihre Sozialabbaupläne gewehrt haben und Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben? Wollen Sie wirklich mit den Husch-Pfusch-Gesetzen den demokratischen Willen beugen? (Ruf bei der SPÖ: Ja!) – Den Eindruck habe ich auch.

Außerdem garantiert das System der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung eine strukturelle und interessenspolitische Ausgewogenheit. Und dieses ausgewogene Kräftegleichgewicht sichert sachbezogene Entscheidungen.

Warum wollen Sie das nicht? – Weil Sie zu erkennen beginnen, dass eine nicht parteipolitisch ausgerichtete Selbstverwaltung der gesetzlichen Sozialversicherung aus fachlichen und sozialen Gründen viele Ihrer rasch durchgezogenen unsozialen Maßnahmen ablehnt. Nur eine Ihrer Meinung nach richtig eingefärbte Selbstverwaltung kann der Bundesregierung offenbar garantieren, dass ihre Vorschläge reibungslos umgesetzt werden können, auch wenn sie zu Lasten der Schwächsten in diesem Land gehen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir haben auch einen Initiativantrag eingebracht, der vom Sozialausschuss in die Begutachtung geschickt wurde, damit die unterschiedliche Sichtweise zum ÖVP-FPÖ-Antrag erkennbar wird. Unser Modell sieht einen Weg analog zur Entsendung der Laienrichter vor. Der Vorschlag soll künftig demokratisch in der Kammer-Vollversammlung abgestimmt werden. Die rechtskonservative Koalition versucht mit ihrem Vorschlag, die Durchsetzbarkeit des Mehrheitswillens in den Selbstverwaltungsorganen zu unterbinden.

Wir werden keinen Antrag unterstützen, der demokratiepolitisch auf äußerst bedenklichen Beinen steht und nur dazu dient, den unsozialen Maßnahmen von Blau-Schwarz möglichst wenig Widerstand entgegen zu setzen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

13.36

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Heinisch-Hosek, Sie haben zum Sozialversicherungs-Entsendungsgesetz gesprochen. – Diese Rede ist Ihnen zu früh geschrieben worden. Bedaure! Dieses Gesetz wird erst am 30. Mai den Ministerrat passieren und dann im Juni, Juli hier beraten werden. Sie haben leider ein falsches Thema referiert. So können Sie die Sozialdebatte nicht führen! (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens: In diesem Sozialversicherungs-Entsendungsgesetz steht, dass in Zukunft nach d’Hondt entsendet wird, und je besser das Wahlergebnis für Ihre Gruppe ist – und ich gönne es Ihnen –, umso stärker werden Sie vertreten sein; jene, die weniger gute Ergebnisse erzielen, werden weniger stark vertreten sein. Was ist daran schlecht? Bitte orientieren Sie sich doch endlich an den Realitäten und verharren Sie nicht immer in diesem Klassenkampf, der uns nicht weiterbringt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben auch das Motto der neuen Regierung angesprochen. – Ich sage es Ihnen: mit Verantwortung neu regieren für Österreich und seine Bürger! Das ist es, und das werden wir auch tun – mit Begeisterung, mit Fachkompetenz und auch mit all unserem persönlichen Einsatz, der dafür notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In der gesamten Budgetdebatte ist etwas Besonderes festzustellen: Die Krankjammerer verurteilen die Gesundsparer! Sie reden dauernd vom sinnlosen Sparen, von fürchterlichen Einsparungen! – Sagen wir es doch einmal ganz klar: In einigen Dingen läuft uns das Boot aus dem Ruder! In diesen Bereichen müssen wir gemeinsam nachdenken. Das haben wir in der Vergangenheit mit der SPÖ gemacht, und das werden wir jetzt mit unserem neuen Koalitionspartner


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tun, weil es in jedem Fall um die Menschen geht, um eine vernünftige Weiterentwicklung und nicht um irgendeine Effekthascherei, wo immer sie stattfinden soll. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das wahre Problem, das Sie haben, ist der Wanderungsprozess von der Macht, von der Regierung hin zur Opposition. Ich verstehe Ihren Schmerz zum Teil, aber damit werden Sie eine Zeit lang leben müssen; manche meinen, je länger je besser, aber das habe ich nicht zu beurteilen. (Abg. Schwarzenberger: Mindestens zehn Jahre!) Jedenfalls müssen Sie auch mit Ihren internen Regelungen im Klub fertig werden. Da gibt es ja einige Kolleginnen und Kollegen, die von Ihrem Klubvorstand ihrer Ämter enthoben worden sind. Sie sind stocktraurig und vielleicht deshalb manchmal so ungehalten in ihren Äußerungen.

Geben wir doch Antworten auf die offenen Fragen! – Wir haben heute in Österreich rund 1 Million Menschen – das wurde schon wiederholt gesagt –, die an oder unter der Armutsgrenze liegen. Wir sind dabei, auch diesen Menschen die Hand zu reichen und sie am Wohlstand teilhaben zu lassen. – Sind Sie dagegen? Wir wollen das!

Es gibt zwei Dinge, über die Sie – trotz Opposition – nicht hinwegkommen. Ich zeige zunächst einmal die demographische Entwicklung auf (der Redner hält eine Tafel mit dem Titel "Lebenszyklus Österreich: 1970 – 1990 – 2030" in die Höhe): Im Jahre 1970 umfasste die Ausbildungszeit 19 Jahre, heute sind es 22 Jahre. Das ist gut so.

Im Jahre 1970 betrug die Arbeitszeit 44 Jahre, heute beträgt sie nur 36 Jahre. Darüber ist nachzudenken. Im Jahre 1970 machte die Versorgungszeit mit Pensionen 14 Jahre aus, heute sind es 23 Jahre. Gut so. Aber bitte, darauf müssen wir doch eine Antwort geben! Wir können doch nicht so tun, also ob das alles nicht stattfinden würde!

Denken wir auch einmal daran, dass unsere Volkswirtschaft das leisten muss, das hereinbringen muss! Wir können doch nicht dauernd mit Vorgriffen auf die Zukunft leben, zu Lasten unserer Kinder! Das ist doch nicht verantwortungsbewusst! Und deshalb lade ich Sie ein, uns bei der Bewältigung dieser Problematik zu begleiten.

Zur Pensionsreform. Nehmen Sie – Herr Nürnberger ist jetzt nicht anwesend – Abstand vom Aufzeigen von Einzelfällen! Die gibt es in jedem System, die gibt es im Leben immer. Nehmen Sie etwas her, was wir herzeigen können, beispielsweise die Nettoersatzrate. Diese beträgt in Österreich noch immer an die 80 Prozent – in Amerika nur 35 Prozent, in Deutschland 70, in Frankreich 50 und in Großbritannien 45 Prozent. Darauf müssen wir unseren Blick richten, und wir müssen danach trachten, die Systemläufe zeitgerecht zu korrigieren. Wenn wir das nämlich nicht tun, dann werden wir das morgen mit brutalen Beitragsbelastungen – wer immer sie zahlt – einbringen müssen. Das würde unsere Volkswirtschaft, das würde unseren Wirtschaftsstandort schwächen, und die Verlierer wären wir alle. Das ist nicht das Programm! Nein, mit uns nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Nächste: Da gibt es eine Publikation "Gemeinschaft statt Egoismus" des ÖGB. Darin schreiben Sie: Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters. – Das wollen wir ja maßvoll tun. Warum sind Sie dagegen? Warum gehen Sie mit uns nicht diesen Weg der Vernunft?

Wir haben im Jahre 1988 begonnen, eine Pensionsgrundsatzdiskussion zu führen. Es gab im Jahre 1991 die erste Publikation. Im Jahre 1993 gab es die ersten Reformansätze unter Hesoun. Im Jahre 1995 gab es eine weitere Diskussion. Im Jahre 1997 gab es eine Pensionsreform. Da waren Sie überall mit dabei. Warum tun Sie heute so, als ob das alles so schlimm und furchtbar wäre?

Bekennen wir uns doch zu dem, was es letzten Endes ist: nicht der Wandlungsprozess vom Paradies über das Fegefeuer in die Hölle, sondern der Wandlungsprozess in eine ganz reale Welt hinein, in der wir alle Verantwortung tragen – Sie in der Opposition genauso wie wir in der Regierung! Wir nehmen die Herausforderung ernst im Interesse des Landes und seiner Bürger!


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(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Auer: Die SPÖ wird sich jetzt denken: Hätten wir doch solche Leute!)

13.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.43

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist nicht richtig, was Herr Kollege Donabauer gesagt hat, nämlich dass diese beiden Anträge erst im nächsten Ministerrat diskutiert werden. Schon am 25. Mai werden der Antrag 123/A der Abgeordneten Haupt, Feurstein und Genossen und der Antrag 131/A der Abgeordneten Nürnberger und Genossen betreffend Sozialversicherungs-Änderungsgesetz im Sozialausschuss diskutiert. (Beifall bei der SPÖ.)

13.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte.

13.44

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Lieber Kollege Rasinger, an dieser Stelle hier redest du anders als außerhalb des Hauses. Ich bin aber diskret und sage nichts vom Inhalt unserer sonstigen Gespräche. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Nein, das glaube ich vom Rasinger nicht!)

Ich finde es von einem Arzt nur sehr bedenklich, wenn er Patienten outet. Die Anonymität muss eigentlich immer gewährleistet sein. Man nennt auch im Plenarsaal nicht Patienten mit Namen oder weist auf sie hin. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rasinger: Sind in den Zeitungen gestanden!)

Und zur Aktualität der Journals möchte ich dir nur sagen: Verwechsle sie nicht mit dem Lesezirkel, je älter, desto billiger! Die Methoden, die du angesprochen hat, sind schon viele Jahre alt. Die sind nicht erst vor einem halben Jahr publiziert und dann angewendet worden, die werden bereits seit zehn Jahren angewendet. (Abg. Dr. Rasinger: Du kennst dich leider nicht aus!) Also so neu ist das nicht, wobei es eine bewährte Therapieform ist, das gebe ich schon zu. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rasinger: Das "New England Journal of Medicine" ist ein gutes Journal oder nicht?)

Herr Staatssekretär Waneck ist leider nicht mehr hier, sonst hätte er vielleicht dem Kollegen Pumberger über das parteipolitisch besetzte AKH Bescheid sagen können. Soviel mir bekannt ist, war Kollege Waneck lange Jahre im AKH und wurde dort auch habilitiert. Über die Qualität des AKH könnte er uns vielleicht Auskunft geben. Soviel ich weiß, war er von der Qualität dieses AKH sehr angetan. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Privatleistungen der Klinikchefs haben uns immer missfallen. Wir konnten mit dem Koalitionspartner den § 46 BundesKAG nicht abschaffen. Es bleibt Ihnen vorbehalten, sich dafür einzusetzen. Ich garantiere Ihnen, unsere Zustimmung haben Sie, den § 46 BundesKAG abzuschaffen. Auch Kollege Grünewald von den Grünen stimmt zu, es hindert uns also nichts daran, diesen § 46 zu streichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Bitte, Frau Bundesministerin, Sie haben es gehört, bereiten Sie doch eine diesbezügliche Novelle vor! Damit haben wir diese Unklarheiten beseitigt. Sie sehen, Herr Pumberger, Sie äußern einen Wunsch, und schon sind wir bereit, ihn zu erfüllen. Sie müssten doch glücklich sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben die unterschiedliche Medizin beklagt. Es mag schon sein – das wissen wir alle –, dass Prominente manchmal anders behandelt werden. Es ist für sie nicht immer zum Segen, das wissen wir auch, und wir Ärzte sagen immer, ich komme lieber als Frau Müller oder Herr Mayer ins Spital denn als ein Kollege oder ein Prominenter, denn sehr häufig leiden die Pro


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minenten dann darunter, dass man nicht den gewohnten Weg weitergeht. Das wissen wir Ärzte alle.

Weil Sie die so genannte Kuvertmedizin angesprochen haben: Wir haben immer versucht, sie zu bekämpfen, aber sie ist eben nicht offen. Ich bin eine absolute Gegnerin der Kuvertmedizin, aber da müssen wir alle zusammenhalten, damit es sie nicht mehr gibt.

Sie haben auch die Spitäler angesprochen. Es gibt Spitäler unterschiedlicher Qualität, Spitäler mit parteipolitischen Besetzungen. Erinnern Sie sich nur an Freistadt! Und was sind die Konsequenzen? Aus einer so genannten Rufbereitschaft wird eine Arbeitsbereitschaft, aber die Bezahlung entspricht der einer Rufbereitschaft. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Wenn man in 20 Minuten dort sein muss, handelt es sich um eine Arbeitsbereitschaft und nicht mehr um eine Rufbereitschaft! Das wissen Sie. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Arzt war mir der Herr Staatssekretär als Anwalt der Patienten bekannt, daher erschüttert es mich zum Teil, was jetzt mit diesem Paket kommt. Die Schlüsse aus den gestellten Analysen sind zum Teil falsch. Es stimmt, in den letzten drei Jahren stieg die Ambulanzfrequenz, und zwar durch die Einführung des LKF. Die Verkürzung der Aufenthaltsdauer zwingt dazu, die PatientInnen ambulant weiterzuversorgen, und auch die Diagnostik wird auf diese Art im Ambulanzbereich abgeschlossen. Sie werden mehr belastet und finanziell bestraft. Sozial Schwächere und Schwerstkranke werden gefährdet, besonders die schwerstkranken Kinder, die Spezialambulanzen brauchen.

Was ist die Erste-Hilfe-Leistung? Wie werden wir sie einordnen, damit keine Ambulanzgebühr bezahlt werden muss? Wer kassiert die Ambulanzgebühr – Sozialversicherung, Spitalserhalter? Was kostet die Verwaltung?

1 000 S ist nicht die Welt, sagte der Bundeskanzler. – Bei einer Viertelmillion Monatseinkommen mit Dienstwagen und Einladungen sicher nicht.

Wieso verlangt man Ambulanzgebühren dann nicht, wenn Leistungen nach § 26 KAG erfüllt werden?

Krankengeld für Schwerstkranke zu kürzen, kann ein Todesurteil sein. Die Familie hat nach ihrem Tod Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung, aber solange sie leben, steht sie vor dem Nichts, wenn der Kranke nichts mehr hat.

Was ist mit den Krankenversicherungsbeiträgen für die PensionistInnen? – Darauf haben wir von Ihnen keine Antwort.

Was ist mit den Ambulanzgebühren für Kinder? Müssen dann die bei der Gebietskrankenkasse Versicherten für die Kinder keinen stationären Selbstbehalt bezahlen? (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Ich frage das, weil Sie das vorher nicht beantwortet haben! Wir wollen das ja endlich wissen! Im Detail kennen wir Ihre Pläne nicht. (Ruf bei den Freiheitlichen: Hören Sie doch endlich einmal zu!) Ich bekomme ja manchmal komische Antworten auf meine Anfragen. Wenn ich etwa anfrage, wie es mit dem Eigenblut aussieht, sagt man mir, das entnimmt man Moribunden, und solche Sachen. Ich frage deshalb hier noch einmal. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Spezialambulanzen sind extramural nicht zu ersetzen. Wie sind denn etwa die transplantierten Tumorkinder adäquat zu versorgen? Wenn wir bei Schwerstkranken die Rezeptgebühr erhöhen, werden sie sich die Medikamente nicht leisten können. Transplantierte brauchen bis zu fünf verschiedene Immunsuppressiva pro Tag. Wie sollen sie das zahlen können neben anderen Medikamenten?

Es werden Kranke und Familien massiv bestraft. Das Verhältnis Gesunde zu Kranke, Alt zu Jung, Reich zu Arm, Dienstgeber zu Dienstnehmer ist nicht mehr solidarisch.

Es wird behauptet, die Patienten suchen die Ambulanzen aus Kostengründen auf. Ich möchte wissen, wie viele zum Facharzt und in die Ambulanz mit einem Facharztschein gehen und wie


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viele mit einem Überweisungsschein. In Wien haben praktische Ärzte zugegeben, sie überweisen die Patienten lieber in Spitalsambulanzen, denn von dort bekommen sie die Patienten zurück, beim Facharzt verbleiben sie. Das wurde in einer Vorstandssitzung gesagt.

Entsprechen alle Einweisungen der Privatversicherten in Privatspitäler dem KAG? Auch für diese Aufenthalte zahlt die Sozialversicherung.

Alle diese Dinge werden überhaupt nicht angesprochen.

Zu den 10 S an Versicherung pro Spitalstag. – Warum zahlt nicht die Haftpflichtversicherung, warum zahlen nicht die Medizinproduktefirmen, warum nicht die Pharmafirmen in einen Fonds? Wir zahlen ja alle Haftpflichtversicherung, die Schäden wären ja aus der Haftpflichtversicherung zu zahlen.

Selbstmedikation ist gefährlich. Wie viele Leukämien zeigen sich primär als ein grippaler Infekt? Hautveränderungen können Lymphome sein, Fieber und Kopfschmerzen eine Meningitis. Die frei erhältlichen Medikamente bekämpfen Symptome und sind reich an Nebenwirkungen. Generika nützen manchen Regierungskollegen – den PatientInnen aber oft weniger. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Krankenkassen sollen alle die gleichen Leistungen mit der gleichen Effizienz erbringen, und wenn, dann soll allen die gleiche Steuerleistung zu Gute kommen.

Die geplanten Maßnahmen bringen leider eine Leistungsverschlechterung. Sie sanieren die Krankenkassen nicht, sie führen zu einer Leistungsrationierung, und sie sind unsozial.

Ich wünsche mir, dass der mir als hervorragender Arzt bekannte Kollege Waneck die Herausforderungen der Medizin weiterhin erkennt und auch als Staatssekretär solidarisch mit den Kranken bleibt.

Sie von den Regierungsfraktionen! Belasten Sie die Leidenden nicht, schließen Sie sozial Schwache nicht von den Gesundheitsleistungen aus, und verteuern Sie nicht die modernen Leistungen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

13.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Hartinger. – Bitte.

13.51

Abgeordnete Mag. Beate Hartinger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Frau Kollegin Pittermann, darf ich Ihnen einen Rat geben? Wenn Sie schon so viele Fragen auflisten, bitte, hören Sie uns das nächste Mal zu, dann würden Sie die Antworten auf Ihre Fragen finden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie sagen, Kranke müssen zahlen, Kranke werden bestraft, Kranksein kann sich der Österreicher nicht mehr leisten. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Das sind Ihre diffamierenden, Angst schürenden, den Bürger verunsichernden Parolen. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass das Budget im Gesundheits- und Sozialbereich dank der effizienten Verhandlungen unserer Frau Sozialminister und unseres Staatssekretärs (Abg. Grabner: Das glauben Sie ja selber nicht!)  – doch, das glaube ich, Herr Kollege! – endlich einmal nicht nur ein leistbares Budget, sondern auch ein Steuerungsbudget ist, falls Sie wissen, was das ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es ist nämlich ein Budget, das endlich auch den lange Zeit geschützten Bereich, nämlich den der Sozialversicherung, aufzubrechen versucht.

Die Sozialdemokraten haben im Bereich der Sozialversicherung 30 Jahre lang nichts getan. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ihre Genossen in der Sozialversicherung haben die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel nicht immer – hören Sie zu! – sparsam eingesetzt. Beispielsweise haben sie Ausgaben getätigt, obwohl sie genau gewusst haben, dass die finanzielle Situation


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angespannt ist. Ich frage Sie: Wer haftet dafür? Sie tun sich immer leicht und sagen, der Bürger soll zahlen. (Abg. Parnigoni: Das ist ein völliger Unsinn!)

Weiters haben wir generell in der Selbstverwaltung total veraltete Organisationsstrukturen, die zum Teil aus der Zeit der Jahrhundertwende oder aus den sechziger Jahren stammen. (Abg. Dr. Niederwieser: Das stimmt ja alles nicht!) Was heißt, das stimmt nicht? Ich glaube, Sie kennen die Sozialversicherungen, die Strukturen nicht. (Abg. Parnigoni: Kennen Sie sich überhaupt aus? Hat Ihnen wer diese Rede geschrieben?) Schauen Sie sich bitte die entsprechenden Umfragen an, die zeigen, dass die Selbstverwaltung in den Organisationsstrukturen veraltet ist.

Ich frage Sie: Wie viele Spitzenfunktionäre gibt es, wie viele Präsidenten, Vizepräsidenten, Obmänner, Vorsitzende? (Abg. Parnigoni: Wissen Sie das überhaupt?) Ja, ich weiß es. Ich frage Sie: Wie viele sind es? – 209! 209 Spitzenfunktionäre hat die Selbstverwaltungsorganisation mit einer Funktionsgebühr von 46 978 S pro Monat, nebenberuflich. Und bitte für was? Für null Ideen, für eine Managementqualität, die überhaupt nicht vorhanden ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sogar Ihr Präsident des Hauptverbandes Sallmutter ist ideenlos, wenn es um ein effizientes Management und eine Strukturveränderung geht. Ihr Präsident sagte nämlich, nachdem er von unserer Regierung aufgefordert wurde, 1,5 Milliarden Schilling einzusparen – ich zitiere aus dem "Kurier" vom 27. April –:

"Ich weiß nicht, wie wir das aufbringen sollen." Und weiters heißt es: "Bei dieser Debatte kann es nur um Beitragserhöhungen oder Leistungskürzungen gehen, glaubt Sallmutter. Letzteres lehnt er ab." – Zitatende.

Leistungskürzungen lehnt er also ab; dazu stehen auch wir. Aber Beitragserhöhungen wollen Sie schon? Das ist Ihr soziales Gewissen? Auch wenn Ihre Genossen es sich wünschen: Sie werden es nicht erleben, dass wir die Beiträge erhöhen. Nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Regierung wird das österreichische Sozialsystem wieder auf gesunde Beine stellen. Der Unterschied zur Vorgängerregierung ist nämlich, dass unsere Regierung die Österreicher nicht krank macht und täglich nervt, wie Sie es tun. (Abg. Reitsamer: Sie haben "Argumente" beieinander!)

Wissen Sie, Herr Genosse Verzetnitsch – er ist jetzt leider nicht da –, wie man die Sozialversicherung saniert? (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. ) Ich meine, der Herr Kollege Verzetnitsch könnte sich das auch anhören, denn die Gewerkschaft macht auch diffamierende Äußerungen, die einfach nicht notwendig sind. Er könnte sich einmal anschauen, wie man die Sozialversicherungen wirklich saniert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie kann es zum Beispiel passieren, dass die Pensionsversicherung für Angestellte ein Forstgut in der Steiermark im Werte von 1 Milliarde Schilling besitzt, mit kaum einem Ertrag für den Versicherten? Wie kann so etwas passieren? Wofür, bitte? Ich kann Ihnen sagen, wofür: für die Jagd und für das Vergnügen Ihrer eigenen Funktionäre. Das ist das, was Sie für Ihre Versicherten leisten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Fischl: Wie bei den Bundessportheimen!)

Sie, meine Damen und Herren der SPÖ, haben Ihren Funktionären Spitzenfunktionen gegeben, mit denen sie wirklich überfordert sind. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Wie kann es denn passieren, dass Ihre Genossen es verantworten können, Leistungskürzungen in Kauf zu nehmen, dass zum Beispiel in Oberösterreich die Pflegeartikel gestrichen oder Verträge gekürzt werden? – Das sind die Reformvorschläge Ihrer Kassen.

Die Kassen wollen keine Veränderung. Sie wollen keine Transparenz, und sie wollen keine Qualität. Das, was wir wollen, ist, dass jeder Versicherte in Österreich – egal, in welchem Bundesland er lebt oder welcher Berufsgruppe er angehört – die bestmögliche Medizin mit Qualitäts


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kontrolle zur Verfügung hat, mit einem entsprechenden Controlling-System im Sinne unserer Patienten.

Meine Damen und Herren! Kranksein macht nicht arm! Das ist wirklich Angstmacherei. Jeder in Österreich, der krank ist und krank wird, soll, soweit es möglich ist, nach dem besten wissenschaftlich-medizinischen Stand gesund gemacht werden. Unsere Regierung verwaltet nicht, sondern gestaltet, nämlich zum Wohle unserer Patienten, zum Wohle der Gesundheit aller Österreicher. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich darf abschließend zu diesem Kapitel noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Zierler, Bauer, Haller, Steibl und Kollegen betreffend verbesserte Arbeitsmarktchancen für Frauen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird ersucht, Maßnahmen dahin gehend zu setzen, um strukturelle Benachteiligungen der Frauen am Arbeitsmarkt zu bekämpfen.

Dies bedeutet eine Arbeitsmarktpolitik,

die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Einzelnen Rücksicht nimmt,

die Frauen, welche Betreuungspflichten nachkommen müssen, besser stellt und

die die unterschiedlichen Lebenssituationen der verschiedenen unselbständig Erwerbstätigen berücksichtigt."

*****

Vielleicht finden wir auch einmal Ihre Unterstützung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.58

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte. (Abg. Fischl: Der nächste Gesundheitsguru!)

13.58

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Donabauer und andere versuchen immer wieder, uns einen Schmerz wegen des Verlustes der Regierung einzureden. (Abg. Fischl: Man sieht ihn ja!)  – Das ist eine üble Nachrede, Herr Kollege. (Abg. Aumayr: Man spürt ihn ja geradezu! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es freut uns nicht, aber wir haben ein aufrichtiges Verhältnis zur Demokratie (Abg. Fischl: Oh, oh!) und akzeptieren das Wahlergebnis. (Abg. Böhacker: Haha!) Aber Ihr immer wiederkehrendes Gerede von der demokratisch gewählten Regierung stimmt nicht. Das ist diese Regierung nämlich nicht. (Abg. Aumayr: Wieso?) Sie ist entstanden aus demokratischen Spielmöglichkeiten. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Wir sind demokratisch gewählt!) Demokratisch gewählt sind wir Abgeordneten (Abg. Aumayr: Wir auch!)  – natürlich auch Sie! –, woraus sich dann die Parteienstärke ergibt. (Abg. Aumayr: Das ist eine kühne Behauptung!)


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Aber wenn Sie von der demokratisch gewählten Regierung reden, wenn Sie aus dem Wahlergebnis etwas ablesen können, dann sicher nicht, dass das österreichische Volk einen Bundeskanzler Schüssel wollte. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Aumayr: Aber einen Klima auch nicht!)

Wenn man aus dem Ergebnis etwas ableiten kann und will, dann das, dass die Österreicher einen sozialdemokratischen Bundeskanzler wollen – vielleicht mit blauer Regierungsbeteiligung. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben schon Recht (Abg. Fischl: Sie wollten keinen Klima und keinen Gusenbauer!), dass manche Redner der Sozialdemokraten sich in dieser Frage etwas erregt artikulieren. Das liegt aber nicht daran, dass wir nicht mehr in der Regierung sind, sondern das liegt daran, dass Sie mit einer riesigen Belastungswalze durch Österreich fahren. Das erregt uns! Es erregt uns, dass Sie den Schwachen in diesem Lande 40 Milliarden Schilling wegnehmen und dass Sie den Reichen 20 Milliarden schenken. (Abg. Fischl: 20 Milliarden?) Das erregt uns, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Fischl: ... wissen wir schon von Edlinger!)

Wenn Herr Dr. Rasinger von einer guten Gesundheitspolitik in Österreich gesprochen hat, dann ist das gut, dann ist das richtig. Es wäre aber fair, auch zu sagen, dass das zweifellos ein gemeinsamer Erfolg der früheren Regierung ist. Ich möchte mich daher ein klein wenig auch damit beschäftigen, Frau Minister, was die Ergebnisse der Arbeit Ihrer Vorgängerin, der Frau Bundesministerin Hostasch, sind.

Die Politik dieser früheren Bundesministerin (Abg. Dr. Pumberger: Politik der "verbrannten Erde"!) war von zahlreichen erfolgreichen Maßnahmen im Sinne der Patienten und im Sinne des Fortschrittes des österreichischen Gesundheitswesens gekennzeichnet. (Abg. Fischl: Nur die Arbeitspolitik nicht!) Unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung gab es in der Gesundheitspolitik immer einen zentralen Punkt, nämlich den Menschen. – Nun stehen im Mittelpunkt das Abkassieren bei den kranken Menschen, die Standesinteressen der Ärzteschaft und die Gewinninteressen der Pharmaindustrie. Unter der früheren Ministerin wurde eine umfassende Gesundheitsreform eingeleitet und umgesetzt, die jetzt leider in Gefahr ist. (Abg. Fischl: Das war schon der Hesoun! Feurstein und Hesoun waren das!)

1996 einigten sich Bund und Länder auf eine Reform, die die Krankenanstaltenfinanzierung neu regelt. Zudem wurde beschlossen, einen österreichischen Gesundheitsplan zu erarbeiten und den ersten Teilplan – ÖKAP und GGP – in Kraft zu setzen.

Mit dem Beschluss zur Gesundheitsreform wurde ein Meilenstein in der österreichischen Gesundheitspolitik gesetzt und eine grundlegende Richtungsänderung in der Entwicklung des Gesundheitswesens eingeleitet.

Es wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Rationalisierungspotentiale und Synergieeffekte realisiert werden können, das bisherige hohe Leistungsniveau sichergestellt bleibt und gleichzeitig das hervorragende österreichische Gesundheitssystem auch in Zukunft im vollen Umfang finanzierbar bleibt. Eine erste Evaluierung 1998 hat den Beweis erbracht, dass diese Reform effizient und sinnvoll war.

Nach diesen ersten Reformschritten wurde die Arbeit an weiteren Teilen des österreichischen Gesundheitsplanes in Angriff genommen: Ambulanzplan, Niederlassungsplan, Pflegebereichsplan, Rehabilitationsplan.

Der Kürze halber, meine Damen und Herren, nur ein paar Stichworte aus der Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre: Krankenanstalten-Geräteplan, Qualitätssicherung, Gesundheitstelematik, Prävention und Gesundheitsförderung, Impfkonzept neu, Medien- und Informationsarbeit im Präventionsbereich – in Summe eine Erfolgsgeschichte, die nun durch den gesundheitspolitischen Kahlschlag gefährdet wird.

Zur Abrundung des Bildes erlauben Sie mir noch den Hinweis auf die Neuerungen im Bereich der Gesundheitsberufe durch das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, durch das Kardiotechniker-Gesetz und durch das Ärztegesetz, ein gesundheitspolitisch umfassendes und wirk


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sames Konzept, das hoffentlich eine gute Fortsetzung findet und für das wir der früheren Bundesministerin Hostasch und allen Mitverantwortlichen recht herzlich danken wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss seien mir noch konkrete Fragen an die Regierungsparteien im Zusammenhang mit den MTD-Berufen gestattet. Dazu hat am 15. März im AKH eine Diskussionsveranstaltung stattgefunden, an der die vier Gesundheitssprecher teilgenommen haben und bei der man übereingekommen ist, einen gemeinsamen Antrag zur Verbesserung der Ausbildung in den MTD-Berufen einzubringen.

Leider haben die Gesundheitssprecher von der ÖVP und den Freiheitlichen einen Vorschlag der sozialdemokratischen Gesundheitssprecherin Dr. Pittermann nicht unterschrieben. Sie haben sich von einem vorbereiteten Entschließungsantrag streichen lassen.

Ich darf Sie fragen: Warum haben Sie dieses Versprechen nicht eingehalten? Warum sind Sie nicht bereit, jungen Ausbildungswilligen zu helfen? Wessen Interessen vertreten Sie? Und: Wer hat Sie zurückgepfiffen? (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Dr. Pumberger – er ist jetzt nicht anwesend –, Sie haben einen Tag später, am 16. März, eine Aussendung gemacht, in der Sie das angekündigt haben, was Sie heute nicht umsetzen. Ich darf Sie erinnern: Sie sind nicht mehr Opposition, Sie sind Regierungspartei, und Sie sollten sich daher etwas seriöser verhalten. Sie haben immer beklagt, dass Sie keine Möglichkeit haben, Ihre Wünsche und Überlegungen umzusetzen. – Jetzt haben Sie die Möglichkeit! Warum tun Sie das jetzt nicht?

Es ist auch interessant, dass dieser Entschließungsantrag heute nicht auf der Tagesordnung steht, dass dieser Tagesordnungspunkt abgesetzt wurde. Ich habe gesehen, Sie haben auch einen Antrag eingebracht. Dieser liest sich zwar beim ersten Hinsehen gleich wie der rot-grüne Antrag; wenn man das aber genauer betrachtet, dann erkenne zumindest ich, dass Sie das Thema nicht ernst nehmen, dass Sie nur reden wollen und das Thema wieder verschleppen wollen.

Wir wollen mit unserem Antrag eine unentgeltliche Ausbildung für alle Interessierten noch in diesem Jahr 2000 schaffen. Wenn Sie das auch wollen, dann stimmen Sie bitte zu! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brosz. )

Sie sind einmal mehr Ihrem Motto treu geblieben: Wie versprochen, so gebrochen. – Kein Handschlagqualität – schade!

Sie verstehen unter "Österreich neu regieren": Österreich abkassieren! (Beifall bei der SPÖ. – Bravo-Ruf bei der SPÖ.)

14.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

14.06

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Geschätzte Frau Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den ersten Sätzen des Herrn Kollegen Kaipel war direkt der Schmerz über den Abschied aus der Regierung spürbar. Sie brauchen sich keine Sorgen darüber zu machen, Herr Kollege Kaipel, wie das Wahlergebnis zu interpretieren ist. Faktum ist jedenfalls: 5 Prozent Verlust bedeuten nicht automatisch den Anspruch auf den Bundeskanzler! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Persönlich glaube ich, am besten interpretiert man das Wahlergebnis so, dass die Wählerinnen und Wähler eigentlich wollten, dass Österreich in einer neuen Art regiert wird. (Abg. Parnigoni: Abkassierer! Abkassierer-Regierung!) Es war die SPÖ, die die Zusammenarbeit mit der ÖVP gekündigt hat! Nicht wir haben gekündigt, Sie haben gekündigt! Daher arbeiten wir mit einem neuen Partner. – So einfach ist das. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Ing. Kaipel und Silhavy. )


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Meine Damen und Herren! Es gibt Dinge, die man nicht oft genug betonen kann und immer wieder in Erinnerung rufen muss: Die Kinder und Jugendlichen sind die Zukunft für uns alle. Diese Prämisse sollte auch die Politik in Österreich in Zukunft noch deutlicher als bisher prägen. Regierungsprogramm und Budget bieten hier deutliche Ansätze mit einer zukunftsorientierten Familienpolitik.

Wenn wir jedoch Politik für Jugendliche und Kinder machen, dann müssen wir uns auch deren Bedürfnisse näher ansehen. In Oberösterreich hat das Landesjugendreferat eine Studie, die "Jugendstudie 2000", durch das Market-Institut durchführen lassen, um einen Einblick in die Jugendkultur und in die Erwartungshaltungen – welche Wünsche und Anliegen und dergleichen gibt es bei den Jugendlichen? – zu erhalten.

Die wichtigsten Ergebnisse waren unter anderem: Für Jugendliche in Oberösterreich heißt Jungsein Spaß haben. Dennoch stehen Ehrlichkeit und Geradlinigkeit ganz vorne. Die Mitgestaltung der eigenen Zukunft – das heißt auch Mitarbeit in der eigenen Heimatgemeinde – ist für die Jugendlichen durchaus ein anzustrebendes Ziel. Die Jugend in den ländlichen Regionen wünscht sich eine bessere Infrastruktur, die näher an ihren Bedürfnissen ist, angefangen von der verkehrstechnischen Einbindung bis hin zur Versorgung mit Ausbildungsmöglichkeiten, Ausgehmöglichkeiten und Einkaufschancen.

Nur ein Beispiel in diesem Zusammenhang: In den letzten Tagen wurde des Öfteren der abgestufte Bevölkerungsschlüssel angesprochen. Der Jugendliche in Wien ist mehr als 12 000 S im Jahr wert, ein Jugendlicher in ländlichen Regionen nur 6 000 S. Ist das gerecht? – Ich glaube, der abgestufte Bevölkerungsschlüssel schreit eigentlich nach Neuordnung und nach Gerechtigkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Insbesondere Arbeitsplätze sind ein Topthema bei den Jugendlichen. Weitere Themen in dieser Rangordnung sind für die Jugend vor allem auch die Pensionen und die Kriminalität. Das heißt, die Jugendlichen haben durchaus einen Weitblick.

Diese wenigen Eckpunkte der Studie zeigen: Die Jugendlichen haben konkrete Vorstellungen von ihrer Zukunft und wollen sich für diese auch engagieren, und sie halten Werte wie Ehrlichkeit sehr hoch. Auf der anderen Seite sind manche Jugendliche durchaus politik- und auch europaverdrossen – ein Grund mehr dafür, dass wir uns der Jugend zuwenden, anstatt sie aus dem Blickfeld zu verdrängen. Oder, anders gesagt: Die Politik darf in Zukunft nicht "jugendverdrossen" sein.

Ein wesentlicher Punkt ist, dass sich die jungen Oberösterreicher mehr Zeit mit der Familie wünschen. Ich glaube, da sind wir als Regierungsparteien auf dem richtigen Weg: in Richtung bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das Thema "sichere Arbeitsplätze" steht an oberster Stelle. Arbeitslosigkeit kann bei Jugendlichen wirklich bis zu hin einer Sinnkrise führen, sie beeinträchtigt schlicht und einfach auch das Selbstbewusstsein. Arbeit und Beschäftigung gehören zum gesamtheitlichen Ansatz und zur Akzeptanz in der Gesellschaft. Es muss unsere Aufgabe sein, verstärkt weiterhin Arbeitsplätze für Jugendliche zu schaffen und darüber hinaus entsprechend in Richtung Ausbildung und Bildung vorzusorgen.

Jugendliche im ländlichen Raum sind in bestimmten Bereichen benachteiligt. Ich denke dabei zum Beispiel an die fehlende Heimfahrtbeihilfe für Internatsschüler und Schüler. Diese Ungerechtigkeit muss, sobald es das Budget erlaubt, beseitigt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich denke, neben diesen beispielhaft angeführten konkreten Maßnahmen müssen sich die Politiker aller Fraktionen in der Zukunft mehr der Anliegen der Jugendlichen annehmen. Jugendliche haben ein gutes Gespür dafür, wer gebetsmühlenartig Phrasen betet, und wer – auch wenn dies manchmal unangenehm ist – sich wirklich bemüht, die Wahrheit sagt und ihre Anliegen ernst nimmt, wer sich kompetent um die Lösung von Problemen bemüht, wer sich wirklich zur Heimat


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bekennt und für unsere Heimat arbeitet – und nicht in Brüssel um Sanktionen ersucht, von denen besonders die Jugendlichen betroffen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Politik muss ehrlich und sachlich sein. Ich glaube, die jungen Menschen sind in ihrem Denken und in ihrem Verständnis wesentlich weiter, als viele Politikerinnen und Politiker annehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Reheis: So ist es!)

14.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.

14.12

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! – Herr Dr. Pumberger – er ist zwar jetzt nicht da –, mit deinem Redebeitrag hast du wieder einmal eindrucksvoll bewiesen, dass nicht nur die ÖVP die letzten 13 Jahre umsonst einer Bundesregierung angehört hat, sondern dass auch du, lieber Herr Dr. Pumberger, die letzten vier Jahre zwar physisch anwesend, aber offenbar geistig wenig präsent gewesen bist.

Lieber Kollege Pumberger! Du hast in einem Rundumschlag das österreichische Gesundheitswesen in Grund und Boden geredet. Man muss ja den Damen und Herren von der ÖVP, speziell den Kollegen Rasinger und Leiner, fast dankbar sein, dass sie sich noch daran erinnern, dass wir gemeinsam ein Gesundheitswesen geschaffen haben, das weltweit wahrscheinlich eines der besten und effizientesten ist, wenn man den Einsatz der Mittel betrachtet.

Meine Damen und Herren von der FPÖ! Vielleicht könnten Sie dem Herrn Kollegen Pumberger noch einmal in Erinnerung bringen – man kann ihm das offensichtlich nicht oft genug sagen –, dass die vorige Regierung und speziell Ministerin Hostasch in diesem Bereich, der Gesundheitspolitik, wahrlich Hervorragendes geleistet haben. Kollege Kaipel ist ja schon mehrmals darauf eingegangen, und ich werde es jetzt nochmals kurz tun.

Es wurde eine Gesundheitsreform geschaffen, angefangen von der LKF bis hin zu einem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das weltweit Vorbild ist. (Beifall bei der SPÖ.) Jetzt herauszugehen und zu behaupten, dass das nicht so ist, das heißt schon, die Tatsachen arg zu verdrängen.

Herr Dr. Pumberger hat in seinem Redebeitrag mehr oder weniger behauptet, es wird jetzt alles besser, denn die Frau Ministerin kommt aus seiner Partei, und auch der Herr Staatssekretär kommt aus seiner Partei. – Ich habe mir einmal die Ideen des Herrn Staatssekretärs aus einer Zeit, als er noch Mitglied eines Komitees freier Ärzte in Wien war, angesehen und dabei Interessantes gefunden. Da schreibt er zum Beispiel über die Freiheit der Honorargestaltung und bringt das dann in Bezug zur Honorarunterbietung. Er schreibt, das höchste Ziel sei für ihn der Honorarfriede, der aber auf lange Sicht nur durch Honorargerechtigkeit möglich sei. Zur Erreichung dessen seien alle legitimen Mittel einzusetzen.

Meine Damen und Herren! Das Ergebnis seiner Bemühungen sieht nun, nachdem er kaum drei Monate lang im Amt ist, einfach so aus, dass Kranke in Österreich zahlen müssen. Das, meine Damen und Herren von der FPÖ, ist aber wohl erst der Anfang. Ich glaube, es wird noch wesentlich mehr auf uns zukommen.

Kranke müssen also zahlen, etwa beim Aufsuchen einer Ambulanz: mit Überweisung 150 S, ohne Überweisung 250 S. Diese Beträge sind zwar zugegebenermaßen mit 1 000 S im Jahr limitiert, sie bedeuten aber dennoch eine Belastungswelle, einen Griff in die Taschen der kranken Menschen.

Meine Damen und Herren! Dass dies auch anders geht, beweist Frau Sassadek in ihrem Kommentar "Bürgerliche Reform". Ich will Ihnen den Anfang ersparen, aber zumindest den letzten Absatz, der sehr aufschlussreich ist, hier wiedergeben.

Darin schreibt sie: Die Alternative zu diesen Selbstbehalten für kranke Menschen wäre ein höherer Beitrag zur Krankenversicherung gewesen. Den hätten alle gleichermaßen nach ihrer


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finanziellen Leistungsfähigkeit zu berappen gehabt: die Armen ebenso wie die Reichen, die Gesunden ebenso wie die Kranken. So funktioniere nun einmal eine solidarische Gesellschaft, auf die wir bisher so stolz waren. – Dem ist nichts hinzuzufügen, außer dass Sie drauf und dran sind, dieses Solidarsystem nachhaltig zu zerstören.

Meine Damen und Herren! Ich hätte mich natürlich gefreut, wenn wir uns, so wie ich das eigentlich wollte, heute über eine Fortsetzung der erfolgreichen Gesundheitspolitik der letzten Jahre hätten unterhalten können. Aber es gibt nichts, was greifbar ist, wenn man diese Belastungen betrachtet. Diese haben Sie allerdings mit einem erstaunlichen Tempo durchgesetzt. Das ist aber relativ wenig, wenn man bedenkt, dass Sie ständig behaupten, Sie wollen neu regieren und neue Ideen einbringen.

Lassen Sie mich zum Abschluss vielleicht doch noch ein paar Anregungen zum Thema Gesundheitspolitik machen.

In unserer Zeit wurde das leistungsorientierte Gesundheitssystem beziehungsweise die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung eingeführt. Wir wissen, dass dieses System noch nicht ausgereift ist. Natürlich wissen wir auch, dass wir noch einiges tun müssen. Wir brauchen klarere Vorgaben im Hinblick auf den Kern- und Steuerungsbereich. Diese werden einfach vonnöten sein, weil sich in der Praxis herausgestellt hat, dass da noch einiges zu tun ist.

Ebenso wird es nötig sein, in Zukunft auch eine gleiche leistungsorientierte Abgeltung im Bereich der Ambulanzen vorzunehmen. Hier wird auf dem, was bereits an Vorarbeiten geleistet worden ist, aufzubauen sein. Ich denke, Sie haben hier bereits hervorragende Vorarbeiten von uns übernommen.

Es gäbe noch eine Reihe von anderen Problemen, Frau Minister. Sie haben das Thema Qualitätsmaßnahmen angeschnitten. Sie haben uns ja in Ihrer Anfragebeantwortung mitgeteilt, dass Sie in diesem Bereich auch aufbauend auf dem bereits Initiierten weitere Maßnahmen setzen wollen. Ich denke, das ist gut. Dabei werden wir Sie unterstützen, weil ich glaube, dass es auch notwendig ist. Ich bin allerdings auch da der Meinung – und da gebe ich Ihnen Recht –, dass man das mit einer Zweckbindung der finanziellen Mittel verbinden sollte, weil das, wie ich meine, notwendig ist.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Da bisher – ich habe das bereits festgestellt – kaum eine wahrnehmbare Gesundheitspolitik Ihrerseits stattgefunden hat, sollten Sie sich nunmehr doch rasch dieser Thematik zuwenden. Ich hoffe ja doch, dass das nicht wie bisher ausschließlich unter dem Aspekt des Bedienens einer Klientel erfolgt. Politik, meine Damen und Herren von der Regierung, ist für die Menschen da, und nicht für die Klientel. Sie sollten nunmehr Ihren vollmundigen Ankündigungen rasch Taten folgen lassen, die diesen Ansprüchen gerecht werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich noch eine Anmerkung zu einer Behauptung machen, die Frau Kollegin Hartinger – sie ist jetzt nicht da – in ihrem Redebeitrag erhoben hat, und zwar bezüglich der Pensionsversicherungsanstalt und des Erwerbs von Liegenschaften. Wahrscheinlich ist sie auch nicht so perfekt. Sie kennt offensichtlich das ASVG doch nicht so gut, wie sie behauptet. Sie sollte einmal den § 446 ASVG, "Vermögensanlage", studieren. Damit wäre ihre wüste Anschuldigung überflüssig geworden. Frau Bundesminister, vielleicht darf ich Ihnen das überreichen (der Redner überreicht der auf der Regierungsbank sitzenden Bundesministerin Dr. Sickl ein Schriftstück), damit Sie es dann an Frau Kollegin Hartinger weitergeben.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass in diesem Hause in nächster Zeit wirklich Gesundheitspolitik stattfindet. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)


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28. Sitzung / Seite 86

14.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Staffaneller. – Bitte.

14.19

Abgeordneter Norbert Staffaneller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Wiederholt wurde heute hier behauptet, dass die Frauen nunmehr die Benachteiligten seien und sein werden, dass für Frauen in Zukunft arbeitsmarktpolitisch und auch sozial nichts mehr getan werde.

Die Kapitel Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit in wenigen Minuten umfangreich zu behandeln, ist wohl kaum möglich. Ich kann Ihnen allerdings einiges darlegen, was für Frauen, was für Behinderte und was für Langzeitarbeitslose geplant beziehungsweise bereits eingeleitet worden ist. Lassen Sie mich kurz auf die Bedeutung des Arbeitsplatzes und auf den Stellenwert dieser Personengruppen eingehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Neben der Gesundheit ist wohl der Arbeitsplatz, der ein gesichertes Einkommen bietet sowie frei und unabhängig macht, das Wichtigste sowohl für Einzelpersonen als auch für Familien. Da werden Sie mir wohl nicht widersprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist daher, so weit wie möglich, die Unabhängigkeit von staatlichen Sozialsystemen anzustreben. Es muss unser Ziel sein, Personen, die sich in Schwierigkeiten befinden, in erster Linie durch Hilfe zur Selbsthilfe zu motivieren, damit sie zu ihren Problemlösungen selbst beitragen. Mit Hilfe qualifizierter Beratungen und dem gezielten Einsatz von Förderungsmitteln im unbedingt notwendigen Ausmaß – darüber hinaus braucht es nicht zu gehen – müssen die Ziele, Frauen, Jugendliche und Behinderte in das normale Berufsleben zu integrieren, in den nächsten Jahren erreicht werden. Dabei ist die Eigenverantwortung zu fördern und auch verstärkt anzustreben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Im neuen ESF-Zielprogramm 3 für die Jahre 2000 bis 2006 stellen der Einsatz präventiver Maßnahmen, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit im Allgemeinen und der Unternehmen im Besonderen sowie die Problematik der Diskriminierung von behinderten Frauen neue Ansätze dar. Und da ist anzusetzen, da ist nachzufassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ab heuer wird in Verträgen zwischen den Bundessozialämtern und den Projektträgern besonders auf die Integration von behinderten Frauen auf dem Arbeitsmarkt hingewiesen. Frau Bundesminister Sickl hat das schon erwähnt. Der Einsatz der Arbeitsassistenz – in diesem Zusammenhang auch die Zusammenführung mit Betrieben – wird ein Schwerpunkt des Ministeriums für soziale Sicherheit sein. An diesem Punkt ist anzusetzen und weiterzuarbeiten, und zwar Arbeit mit Arbeitsassistenz zu finden, Arbeit mit Unterstützung zu finden. Dann muss es automatisch weiterlaufen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Um der Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzusteuern und eine Heranführung von Menschen mit Behinderungen an den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, wird auch vom Arbeitsmarktservice im Auftrag des Herrn Bundesministers Bartenstein eine Reihe neuer Qualifizierungsmaßnahmen angeboten. Die Zusammenarbeit beider Ministerien wird forciert, und dadurch wird dieses Vorhaben auch klappen. Laufende Maßnahmen sind allerdings zu evaluieren, um die Treffsicherheit zu optimieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

So hat die berufliche Rehabilitation arbeitslos vorgemerkter Behinderter Priorität. Es gilt, dem negativen Trend der letzten zehn Jahre entgegenzuwirken, es gilt, die Zahl der 40 000 angestauten arbeitslosen Behinderten abzubauen, es gilt, ihnen zu helfen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Entsprechende arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen des AMS wurden nunmehr bis zum Jahr 2002 entwickelt. Lesen Sie in den Programmen nach, Sie werden das dort finden! Darüber hinaus soll bis zum Jahre 2002 erreicht werden, dass 20 Prozent aller Arbeitslosen an aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnehmen können. Im Jahre 1998 waren dies erst 13,7 Prozent.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Verhältnis der aktiven Mittel zu den passiven Mitteln des AMS war noch nie so günstig wie im ersten Jahr dieser Regierung. Alle anderen Behauptungen sind unwahr und billige Polemik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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28. Sitzung / Seite 87

Ich nenne Ihnen Zahlen: 26,7 Milliarden Schilling an passiven Mitteln stehen heuer bereits 11,1 Milliarden Schilling an aktiven Mitteln gegenüber. Von einer Kürzung dieser aktiven Mittel kann überhaupt keine Rede sein! Solche Aussagen von Frau Prammer und auch von Herrn Öllinger sind reine Erfindungen. Das ist echte Polemik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Arbeit des AMS in den vergangenen Jahren hat stets die Anerkennung der SPÖ gefunden, obwohl die Bediensteten des AMS über so manche parteipolitischen Zielvorgaben nicht glücklich waren. Ich hoffe, dass Sie in Zukunft das AMS auch anerkennen werden, wenn die Aufgaben gestrafft und entsprechend ausgerichtet werden, damit in erster Linie die betroffenen Personen Erfolg haben und nicht sozialdemokratische Trägerorganisationen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben davor Angst, dass diese Trägerorganisationen, die teilweise gute Arbeit geleistet haben, teilweise aber auch der Systemerhaltung dienen, in Zukunft weniger Mittel bekommen werden. Sie haben davor Angst, dass in diesem Bereich die Mittel eingeschränkt werden. (Abg. Edler: Wir haben überhaupt keine Angst!) Das ist der wahre Grund, warum Sie hier polemisieren und warum Sie diese arbeitslosen Frauen in den Vordergrund stellen: damit nämlich Ihnen finanziell weiter gedient ist. Sie haben Angst vor jeder Objektivierung. Jede Objektivierung ist Ihnen zuwider, weil diese mehr den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Sinne helfen würde. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)

14.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte.

14.27

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte meinen Debattenbeitrag dem Thema Gentechnik und Lebensmittel widmen. Für diese Bereiche sind Sie, Frau Bundesminister, ja auch zuständig. Ich möchte hier gleich aus Ihrer gestrigen Presseaussendung zitieren, die mich, ehrlich gesagt, einigermaßen erstaunt hat. Sie sagen:

"Die Konsumenten wollen klipp und klar wissen, was in den Lebensmitteln enthalten ist." Und weiters: "Es passe einfach nicht ins Bild vom Feinkostladen Österreich, dass der Konsument nach wie vor im Unklaren darüber gelassen werde, was er eigentlich kauft."

Ich kann das hier von dieser Stelle aus nur unterstreichen. Frau Bundesminister! Sie hätten seit 100 Tagen bereits die entsprechenden Maßnahmen setzen können. Warum haben Sie das verabsäumt? Warum haben Sie eine völlig zahnlose Lebensmittelgesetznovelle vorgelegt? – Sie haben jetzt die Instrumente in der Hand, für eine ordentliche Kennzeichnung im Lebensmittelbereich zu sorgen. Warum haben Sie das nicht getan? (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung gibt es eine dringende Forderung, nämlich die Offenlegung der so genannten Lebensmittelsünder. Das sind jene Firmen, die zwar Gentechnikbestandteile verwenden, ihre Lebensmittel aber leider nicht entsprechend kennzeichnen. Es ist schlicht und einfach das Recht der Konsumenten, zu wissen, welche Firmen gentechnisch veränderte Bestandteile verwenden und welche nicht, in Gefahr. Es ist das Recht der Konsumenten, über diese Produkte Bescheid zu wissen!

Eigentlich sollte man meinen, dass das eine Selbstverständlichkeit ist, aber die Diskussion darüber zieht sich schon seit Monaten hin. Ich frage mich, Frau Bundesminister, warum sich ein Passus, der diese Information der Konsumenten ermöglicht, in Ihrem letzten Lebensmittelgesetzentwurf nicht gefunden hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Zurzeit besteht nämlich das große Problem, dass es genau in diesem Kennzeichnungsbereich einige Wiederholungstäter gibt, das heißt, Firmen, die lieber eine klitzekleine Verwaltungsstrafe bezahlen, weiterhin nicht kennzeichnen und damit die negative PR umgehen. Genau das wollen wir in Zukunft verhindern.


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Sie sagen in Ihrer Aussendung: "Der Konsument will keine Katze im Sack." – Frau Minister! ich fordere Sie auf: Tun Sie etwas dagegen, setzen Sie Maßnahmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt im Lebensmittelgesetz zu sprechen kommen, nämlich auf die durchschnittliche Strafhöhe. Wissen Sie, wie hoch die durchschnittliche Strafhöhe für Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz ist? – Sie beträgt ungefähr 146 S. Das ist absolut lächerlich und wird nie eine Abschreckung für Firmen sein, eben nicht gegen das Lebensmittelgesetz zu verstoßen! (Zwischenruf des Abg. Dolinschek. ) Deswegen fordern wir Sie auf, eine Erhöhung der Höchststrafe in diesem Bereich durchzusetzen und dies auch in diese Lebensmittelgesetznovelle hineinzuschreiben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dietachmayr: Das gehört hinein!)

Auch andere wichtige Maßnahmen, wie etwa ein Verbot von Antibiotika als Leistungsförderer oder der Schutz der kleinen Angestellten, die derzeit bei einem Kennzeichnungsverstoß einer Firma sozusagen zum Handkuss kommen, wären wichtig. Das heißt, der kleine Billa-Supermarktleiter muss Strafe zahlen, wenn eine Firma gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht entsprechend ordentlich kennzeichnet. Das halte ich für untragbar! Auch das muss eindeutig im Lebensmittelgesetz geändert werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dietachmayr: Stimmt das wirklich, Frau Minister?)  – Das stimmt wirklich.

Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte zum so genannten Gen-Gipfel verlieren. Frau Bundesminister! Es ist mir ein völliges Rätsel, warum Sie uns zuerst zu einem Gen-Gipfel eingeladen haben, zu einem, wie ich meine, politischen Gespräch über die dringendsten Probleme in diesem Bereich, dann aber offensichtlich kalte Füße bekommen haben – anders kann ich das nicht interpretieren –, denn Sie haben die ganze Veranstaltung schnell in eine Podiumsdiskussion pro und contra Gentechnik umgewandelt.

Frau Bundesminister! Debatten pro und contra Gentechnik haben wir in Österreich in den letzten fünf Jahren wirklich ausführlichst an vielen Orten geführt. Es gab auch das Gentechnik-Volksbegehren. Jetzt ist die Zeit dafür gekommen, dass man sich einfach den politischen Problemen stellt und die nächsten dringenden Schritte setzt. Daher möchte ich Sie auffordern und darum bitten, dass Sie diesbezüglich Ihr Versprechen einlösen und zu diesem politischen Gespräch, zu einem Gen-Gipfel einladen, im Rahmen dessen wir über die dringendsten anstehenden Probleme sprechen können. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mitterlehner. – Bitte.

14.31

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Grundmuster der heutigen Diskussionsbeiträge seitens der Opposition war immer, den Beleg dafür zu erbringen, dass es Sozialabbau, Umverteilung und Abkassieren gibt. Ich möchte das – er ist gerade hereingekommen – am Beispiel der Ausführungen des Herrn Abgeordneten Öllinger illustrieren, denn das Grundmuster seiner Argumentation entlarvt schon ein wenig diese Einstellung.

Herr Öllinger! Sie haben heute am Beispiel der Unfallversicherung gesagt, dass in diesem Bereich eine Abkassiererei im Gange sei und der Staat dort Gelder wegnehme. Sie können es ja nachlesen. (Abg. Öllinger: Lesen Sie im Protokoll!)  – Ja, das werde ich tun. – Damit sei die Gefahr gegeben, dass die arbeitsmedizinische Betreuung und die sicherheitstechnische Betreuung nicht mehr im notwendigen Ausmaß gegeben wären. (Abg. Öllinger: Ja!) Sie haben dann den Beweis dafür geführt und haben gesagt, die Unfallzahlen im Jahr 1999 würden diese Entwicklung belegen, weil sie das erste Mal seit längerer Zeit, wenn auch nur leicht, angestiegen sind.

Jetzt sage ich Ihnen Folgendes, Herr Öllinger: Die Zahlen steigen tatsächlich leicht. Wissen Sie aber, was noch der Fall ist? – Da es diese arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung erst seit 1. Jänner 1999 gibt, ist die Logik eigentlich die, dass gerade, weil es diese Be


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treuung gibt, die Unfallzahlen beziehungsweise die Meldungen darüber entsprechend angestiegen sind.

Wir haben bei der AUVA angerufen, um zu erfahren, warum es zu dieser Steigerung gekommen ist. Wissen Sie, was die uns gesagt haben? – In den Betrieben sind seit Beginn des Vorjahres diese Maßnahmen im Gange. Dadurch gibt es mehr Information, mehr Bewusstsein, und das führte auf der einen Seite zu mehr Meldungen im Bereich der Unfälle. Auf der anderen Seite – das ist die Konsequenz daraus – ist aber die Zahl der Krankmeldungen entsprechend zurückgegangen. Das heißt, damit ist doch ganz eindeutig nachweisbar, dass überhaupt kein Sozialabbau erfolgt, gar nichts in der Form vorhanden ist. Das ist eine willkürliche Behauptung, die Sie hier in den Raum stellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Das Zweite, was heute hier dauernd angeführt wurde, war die Meinung, es finde eine Umverteilung statt, und diese Umverteilung verlaufe von unten nach oben. Was Sie aber in dem Zusammenhang nicht angesprochen haben, ist Folgendes: Es gibt eine ganz andere Umverteilung im Zuge der Steuerreform, aber auch im Zuge des gesamten Steueraufkommens. Sie werden sicherlich verfolgt haben, dass 1,6 Prozent der Lohnsteuerzahler in etwa 37 Prozent des Aufkommens zahlen, und 50 Prozent aller Lohnsteuerzahler nicht mehr als 5 Prozent beitragen. Das heißt, da gibt es eine Umverteilung, aber von oben nach unten! Es gibt 17 Milliarden Schilling an Entlastungen in diesem Jahr. (Beifall bei der ÖVP.) Das muss man entsprechend würdigen, das ist ganz klar.

Da jetzt die Finanzsituation dramatisch ist und sie auch so dargestellt wird, sagt der Herr Finanzminister außer Dienst immer, er hat punktgenaue Landungen gemacht. Und Herr Professor Frisch warnt vor zukünftigen Maßnahmen. – Er hat auch Sie gewarnt, Herr Finanzminister außer Dienst, und zwar im November des Vorjahres hat Frisch gesagt – im "trend" abgedruckt –:

Ich habe ihm schon im Sommer vorgerechnet, dass das Budgetdefizit 2000 auf jeden Fall 2,4 bis 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen wird. – Zitatende.

Sie haben das immer negiert und haben nichts davon gesagt. Sie haben nur gesagt: Alles in Ordnung. Und jetzt sagen Sie, die ÖVP war bei jeder Maßnahme dabei und hat alles gewusst. – Jetzt sage ich Ihnen, es ist ein Unterschied, wer etwas sagt. (Abg. Edler: Wart ihr nicht dabei?) Wenn Franz Meier sagt, die Zinsen steigen, dann wird das keine Auswirkungen auf den Aktienmarkt haben. Wenn aber Alan Greenspan etwas sagt, dann hat das entsprechende Auswirkungen. (Abg. Edlinger: Danke für den Vergleich!) Was Sie nicht gemacht haben, Herr Ex-Finanzminister, ist: Sie haben nicht rechtzeitig gewarnt. (Beifall bei der ÖVP.)

Genau das gleiche Problem haben wir jetzt bei den Pensionen wieder. Dort machen Sie wieder dasselbe Spiel, ziehen dieselbe Masche durch und sagen, wir sollten doch eigentlich die Pensionsreform verschieben. Sie sei sozial ungerecht und einiges mehr. Wenn Sie sich aber die Budgetzahlen, wenn Sie sich vor allem die Zuschussnotwendigkeiten anschauen, was sehen Sie dann? – Sie steigen. Daher ist die logische Konsequenz daraus, dass jedes Verzögern, jedes Zuwarten die ganze Reform nur kostspieliger und schmerzhafter macht. Sie wollen aber genau das und sagen: Verschieben wir das doch! (Abg. Edler: Und der ÖAAB-Obmann Fasslabend? Der Dinkhauser?)  – Natürlich ist das nicht angenehm, aber auf die Dauer ist eben das System sicherer, wenn man jetzt damit beginnt, und nicht später.

Wir haben das teuerste Pensionssystem der ganzen Welt – mit 15,1 Prozent des Bruttonationalprodukts! Das schaut gut aus, aber die Finanzierung ist nicht gesichert. Alle anderen Länder haben das entsprechend umgesetzt, alle anderen Länder sind in dieser Richtung weiter vorangegangen.

Hugo von Hofmannsthal hat einmal gesagt: Politik ist, das Wichtige gemeinsam tun. (Abg. Dr. Mertel: Redezeit!)  – Ich bin schon beim Schlusssatz. – Politik ist, das Wichtige gemeinsam tun.

Gerade im Bereich der Pensionen sollten Sie das, was Sie vorher gesagt haben, auch jetzt noch sagen (Abg. Edlinger: Keine Abschläge, haben wir gesagt! Sie sind Pensionsdemolierer!) und das Gemeinsame vor das Trennende stellen sowie auch entsprechend mithelfen, die


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Pensionsreform umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Der Herr Mitterlehner denkt wahrscheinlich mehr an ...!)

14.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

14.37

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Was die blau-schwarze Regierung macht, liegt klar auf der Hand. Herr Mitterlehner! Auch das Grundmuster ist erkennbar: Mit einem enormen Belastungspaket werden gezielt Familien mit kleinen und mittleren Einkommen getroffen. Es werden Steuern und Gebühren in einem Ausmaß von rund 15 Milliarden Schilling jährlich verhängt, sodass die Einkommensverbesserung durch die Steuerreform 1999 und das Familienpaket 1998 rückgängig gemacht werden. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Es gibt Belastungen, ob für das Auto, bei Krankheiten oder für Strom – die österreichischen Familien werden zur Kasse gebeten! Demgegenüber, meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP, stehen Milliardengeschenke für Großbauern, Großunternehmen und Zinshausbesitzer. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das ist Ihr Grundmuster. Das zieht sich wie ein blau-schwarzer Faden durch Ihr Budget 2000! Das ist das Grundmuster, dem wir gegenüber stehen.

Frau Ministerin! Im Budgetkapitel Familie und Jugend sieht es nicht besser aus. (Abg. Kiss: Wahnsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Überschüsse des FLAF mit zweckgebundenen Mitteln haben Sie flugs zur Pensionsversicherung transferiert (Unruhe im Saal – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen), um das Budget zu sanieren. Damit ist fraglich und bleibt offen, ob die weitere Finanzierung von familienpolitischen Leistungen wie Familienbeihilfen, Schüler- und Lehrlingsfreifahrten und Schulbuchaktionen überhaupt noch gesichert ist. (Abg. Mag. Trattner: Was hat der Herr Edlinger gemacht? Unterhalten Sie sich mit Edlinger!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Meine Damen und Herren! Wenn Sie quer durch den Saal diskutieren, wird die Rednerin kaum eine Chance haben, gehört zu werden. Ich bitte, ihr diese Möglichkeit zu geben!

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (fortsetzend): Die Förderungen von Familienorganisationen wurden gekürzt. Ihre Arbeit ist dadurch gefährdet, ebenso die Tätigkeit der Jugendorganisationen. Vor allem im internationalen Jugendaustausch haben Sie gespart. Gerade jetzt, in dieser politisch hochsensiblen Situation, wäre es notwendig, das Jugendaustauschprogramm fortzuführen und es verstärkt durchzuführen.

Kinderbetreuungseinrichtungen existieren für Sie überhaupt nicht mehr. Diese kommen gar nicht vor. Wenn die Frau Ministerin in diesem Zusammenhang von Geld spricht, von 133 Millionen Schilling, dann ist das der Restbetrag, der Restbetrag aus der vorhergehenden Regierungszeit, der zur Ausschüttung kommt. Für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen hat diese Regierung, die blau-schwarze Regierung, nichts vorgesehen. Das spiegelt natürlich auch die Haltung der Frau Ministerin hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wider. Sie hat im Budgetausschuss ja gesagt: Grundsätzlich ist die Familie der beste Kinderbetreuungsplatz. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Bravo! Richtig! Jawohl!)

Über 50 Prozent der Kinder, die in Kinderbetreuungseinrichtungen sind, sind Kinder von Familien, in denen nicht beide Elternteile berufstätig sind.

Aber eines muss man Ihnen lassen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen und der ÖVP: In der Familienpolitik arbeiten Sie mit Perfektion und Präzision. Das ist unbestreitbar. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf: Danke!)  – Präzise und perfekt in den Widersprüchen, präzise und perfekt in der Verwirrtaktik, präzise und perfekt bei der Wählertäuschung (Abg. Fischl: Wir haben ja nicht bei euch gelernt!), beim Bruch von Wahlversprechen und beim Chaos! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Fischl: Das sind ja eure Attribute! Sie sind heute auf der falschen Veranstaltung!)


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In den vergangenen Jahren propagierten Sie landauf, landab die Einführung des Kinderschecks. Sie erinnern sich: In Kärnten hieß es, 6 000 S pro Monat für jedes Kind. Und dann kam die Ankündigung des "Karenzgeldes für alle". Damit gingen Sie auf Wählerfang. Alle Bedenken, alle Einwendungen seitens der SPÖ, wie das finanziert werden soll, haben Sie einfach vom Tisch gewischt. Sie haben nicht gefragt: Wer bringt eigentlich das Geld dafür auf? – Sie wissen offenbar nicht, dass das 83 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind. (Zwischenruf der Abg. Haller. )

Sie meinten, der Familienlastenausgleichsfonds sei eine nie versiegende Quelle, eine Quelle, deren Goldregen man auf alle, auch auf jene, die ihn nicht brauchen, verteilen kann. (Rufe bei den Freiheitlichen: So wie die VOEST! "Konsum"!) Und das bedeutet nichts anderes, als dass die Textilarbeiterin der Industriellengattin, der Gattin der Bartensteins und der Prinzhorns – ich bin nicht ganz sicher, ob er überhaupt eine Gattin hat – das Karenzgeld bezahlt. – So viel zum Karenzgeld. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Fischl: Wie viel Tausend "Konsum"-Arbeiter habt ihr vernichtet? 17 000, 22 000 ArbeiterInnen?)

Um dem Ganzen einen Schub zu geben, haben Sie im September 1999 ein Familien-Volksbegehren gestartet. (Abg. Fischl: Sie predigen Wasser und trinken Wein!) Und dann haben Sie ein Koalitionsübereinkommen abgeschlossen, das die Einführung des Karenzgeldes mit 1. Jänner 2002 vorsieht. (Abg. Fischl: Ihr seid sozialpolitische Geisterfahrer!)

Meine Damen und Herren! Wir haben uns hier im Parlament in einem Unterausschuss – in einem eigenen Unterausschuss zur Familie – mit 24 Experten monatelang viele Stunden lang mit den Forderungen des Familien-Volksbegehrens, Kinderbetreuungsgeld und "Karenzgeld für alle", auseinander gesetzt. Jetzt fragt man sich: Wozu der Aufwand? Was ist das Ergebnis dieses Aufwandes von 24 Experten? – Nichts. Keine Beschlussfassung! (Abg. Wattaul: Ihr habt nichts zusammengebracht! Gar nichts! 30 Jahre habt ihr nichts zusammengebracht!)

Ich hatte mir vorgestellt, dass die Freiheitlichen und die ÖVP das Kinderbetreuungsgeld beschließen. – Nein, sie konnten sich nicht einigen. Sie haben das Ganze wieder an den Familienausschuss rückverwiesen.

Verblüfft hört man dann die Aussagen des Herrn Klubobmannes Westfahl vom 14. Mai 2000. (Abg. Fischl: "Westfahl"? Wer ist das?)  – Er sitzt sonst da, wo Sie jetzt sitzen. Am Sonntag in der Sendung "Zur Sache" sagte Westenthaler (Abg. Fischl: Aha!)  – Sie versprechen sich ja nicht, Herr Ex-Präsident (Abg. Fischl: Ich habe schon gesagt, Sie sind sozialpolitische Geisterfahrer!)  – vor einem großen Fernsehpublikum: Also das Kindergeld kommt.

Im "NEWS" vom 11. Mai 2000 war auch zu lesen, dass die neue Generalsekretärin, die lächelnde Theresia Zierler verkündete: "Am 1. Juli kommt das Kinderbetreuungsgeld." – Am 1. Juli! – Und die zwei Karenzjahre kommen auch am 1. Juli (Abg. Schwarzenberger: 2002!), und das dritte Karenzjahr kommt auch am 1. Juli! – Gut, sie hat nicht dazugesagt: 2000 oder 3000. Aber sie hat jedenfalls gesagt, dass es am 1. Juli kommt. Also: Man ist verblüfft. (Abg. Wattaul: Wir bringen wenigstens etwas zusammen!)

Frau Sickl hat im Budgetausschuss gesagt: Wir stehen unter keinem zeitlichen Druck, denn in Wirklichkeit kommt das Ganze erst mit 1. Jänner 2002. – Aber die Frau Generalsekretärin weiß das sicher besser. Da haben Sie, Frau Minister, vielleicht etwas verschlafen, denn sie sagt, dass es am 1. Juli kommt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Sickl. )

Man fragt sich aber: Wo sind die gesetzlichen Grundlagen dafür, dass das schon am 1. Juli 2000 kommt? Auf Grund welcher gesetzlicher Grundlagen kommt das? – Es wäre doch wirklich einzigartig, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erstmals auf Grund von öffentlichen Ankündigungen der Freiheitlichen Partei plötzlich zwei Jahre Karenz in Anspruch nehmen können – ab 1. Juli! Die Rechnung wird Frau Zierler zahlen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)  – Und die Arbeitgeber werden sich freuen.


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Ihre Widersprüche, meine Damen und Herren, sind wirklich Legion. Im "Morgenjournal" vom 26. April 2000 hieß es: Der freiheitliche Finanzminister Grasser sagte: "Ich bin gegen das mit der ÖVP vereinbarte Karenzgeld!" Er fordert soziale Treffsicherheit. Im selben "Morgenjournal" sagt Frau Sickl, sie halte am Karenzgeld fest. – Erster Widerspruch. Dieses "Karenzgeld für alle" (die Rednerin stellt eine Tafel aufs Rednerpult) spaltet nicht nur die Regierung, sondern auch die Freiheitliche Partei, meine Damen und Herren! (Abg. Böhacker: Das täten Sie sich so wünschen! – Weitere Zwischenrufe.)

Anfang April versandte die Frau Ministerin eine Regierungsvorlage zum Familienlastenausgleichsgesetz zur Begutachtung. Inhalt dieses Gesetzes: Streichung der gesetzlichen Einkommensobergrenze beim Mehrkinderzuschlag. – Die Begutachtungsfrist geht vorüber. Und was hat der Herr Finanzminister dazu gesagt? – Er hat sich nicht geäußert, er hat keine Stellungnahme abgegeben – offiziell! Seine inoffizielle können wir im "Standard" vom 26. April 2000 lesen, wo Grasser – der freiheitliche Finanzminister – sagt: "Diese Regierungsvorlage wird niemals meine Zustimmung finden. Das ist völlig kontraproduktiv."

Am 3. Mai 2000, also wenige Tage später, meldet sich Herr Bundeskanzler Schüssel zu Wort. (Ruf bei der ÖVP: Ein guter Kanzler!) Er sagt, dass er vom "Karenzgeld für alle" nicht abrückt. Frau Vizekanzlerin Riess-Passer sagt hingegen, dass sie sich sehr wohl vorstellen kann, dass man davon abrückt. Sie möchte sich aber noch nicht festlegen und verweist auf eine Studie, die die soziale Treffsicherheit überprüfen soll. (Abg. Böhacker: Wir haben ja keine Einheitsmeinung wie die SPÖ!)

Frau Bundesministerin! Eine Frage an Sie: Ist diese Studie überhaupt schon in Auftrag gegeben worden? (Bundesministerin Dr. Sickl: Ja.)  – Und an wen?

Welche Aussage gilt jetzt eigentlich? – Tatsache ist, meine Damen und Herren von der FPÖ-ÖVP-Regierung: Bis heute haben Sie keine einzige familienpolitische Maßnahme im Nationalrat beschlossen! Ich wiederhole: keine einzige! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich muss eines zugeben: Mit dem Budgetbegleitgesetz haben Sie 8,2 Milliarden Schilling an FLAF-Überschüssen in die Pensionsversicherung transferiert und damit einen Teil des Budgets saniert. (Abg. Mag. Trattner: Und für was wird es verwendet? – Sagen Sie das auch dazu!) Zweckgebundenes Geld für Pensionen, zweckgebundenes Familiengeld zur Budgetsanierung!

Dagegen opponiert hat zuletzt Herr Schattovits, der Leiter Ihres ÖVP-Familieninstitutes, und zwar am 16. März 2000 im Familienausschuss, aber vor allem Frau Haller. Sie hat das immer beklagt und dagegen gewettert. Frau Haller hat immer mit dem Finger aufgezeigt (Abg. Auer: Sie zeigen mit drei Fingern!) und gemeint, man dürfe ja nicht Familiengeld für Pensionsleistungen verwenden. Am 15. Dezember 1999 hat sie noch einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem steht, die Mittel des FLAF und des Reservefonds dürfen nur zweckgebunden und ausschließlich für familienpolitische Zwecke ausgegeben werden. – Ich freue mich schon auf die Sitzung des Familienausschusses (Abg. Haller: Ich auch!) und bin gespannt darauf, wie Sie mit diesem Antrag umgehen werden. Aber das ist Ihre Politik: Ihre Verwirrtaktik und Ihre Wählertäuschung!

Demgegenüber hat die SPÖ immer klar und deutlich ihren Standpunkt vorgetragen – vor der Wahl und nach der Wahl. Nämlich: Die vorhandenen Mittel müssen sozial treffsicher verwendet werden.

Daher bringe ich heute einen Entschließungsantrag ein, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, im Interesse der Kinder, der Jugendlichen, der Frauen und der Familien bestimmte, in 14 Punkten festgehaltene Maßnahmen zu verwirklichen. Dieser Entschließungsantrag wurde an Sie alle verteilt.

Unter anderem fordern wir darin: die sofortige Erhöhung des Karenzgeldes auf 6 000 S; die sofortige Bereitstellung einer weiteren Milliarde Schilling zum zügigen Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen. – Es sind insgesamt 14 Punkte, die bis zur schrittweisen Umgestaltung der Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds von lohnsummenabhängigen Beiträgen auf


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Wertschöpfungskomponenten und zur schon lange verhandelten und eingeforderten Heimfahrtbeihilfe reichen. (Abg. Schwarzenberger: Da sind wir aber gespannt, ob der Edlinger mitstimmt! Der hat bisher schon gesagt, die Familien werden stark genug gefördert!)

Meine Damen und Herren von der ÖVP und der FPÖ! Ihnen geht es nicht um die Sanierung, sondern Ihnen geht es um eine Umverteilung von unten nach oben, von Arm zu Reich. (Beifall bei der SPÖ.)

14.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben in seinen Grundzügen vorgetragene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel, Gabriele Binder, Mag. Barbara Prammer, Franz Riepl, Heidrun Silhavy und Genossen zum Bericht des Budgetausschusses (80 und Zu 80 der Beilagen) über die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 sowie Anlagen (60 und Zu 60 der Beilagen) zu familienpolitischen Maßnahmen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Interesse der Kinder, Jugendlichen, Frauen und Familien folgende Maßnahmen zu setzen bzw. für die Verwirklichung folgender Zielsetzungen zu sorgen:

1. Die sofortige Erhöhung des Karenzgeldes auf 6.000 Schilling sowie mittelfristig die Anhebung des Karenzgeldes auf ein existenzsicherndes Niveau.

2. Die sofortige Verlängerung des Karenzgeldbezuges für AlleinerzieherInnen auf zwei Jahre.

3. Die sofortige Bereitstellung einer weiteren Milliarde zum zügigen Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten, insbesondere für Kinder im Alter bis zu drei Jahren und ab sechs Jahren.

4. Die Einrichtungen von Betriebskindergärten forcieren.

5. Verankerung des Rechts des Kindes auf einen Kinderbetreuungsplatz mit hohem, klar definiertem, bundeseinheitlichem Qualitätsstandard.

6. Das Recht auf Teilzeitarbeit bis zum Schuleintritt des Kindes mit dem Recht, auf einen Vollzeitarbeitsplatz zurückzukehren.

7. Partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit und die Väterkarenz in der Öffentlichkeit stärker bewußt machen.

8. Die Behaltefrist (Kündigungsschutz) nach der Karenzzeit von 4 auf 26 Wochen verlängern.

9. Die Wiedereinstiegshilfen nach familienbedingten Unterbrechungen (Qualifizierung, Neuorientierung, finanziell ausreichend ausstatten, bewerben und breit streuen) ausbauen.

10. Familienfreundliche Arbeitszeitmodelle auf der Basis betrieblicher und kollektivvertraglicher Vereinbarungen umsetzen.

11. Verstärkung und Ausweitung der Weiterbildungsmaßnahmen und der Beratung für KarenzgeldbezieherInnen.


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12. Bundesweit einheitliche Rahmengesetzgebung für die Sozialhilfe schaffen.

13. Die Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds von lohnsummenabhängigen Beiträgen auf Wertschöpfungskomponenten schrittweise umgestalten.

14. Die SchülerInnen- und Lehrlingsfreifahrt bzw. Fahrtenbeihilfe ist für jene, die außerhalb des Wohnortes eine Zweitunterkunft haben (Heimfahrtbeihilfe für InternatsschülerInnen und -lehrlinge), auszuweiten. Weiters soll die Freifahrt auch bei privaten Verkehrsbetrieben ermöglicht, der Kreis der Freifahrtberechtigten (z. B. Praktikanten u.s.w.) erweitert und der Selbstbehalt bei mehreren Fahrausweisen nur ein Mal eingehoben werden.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Sickl. – Bitte.

14.50

Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich freue mich, dass Herr Abgeordneter Nürnberger jetzt wieder hier im Plenum ist, denn ich habe mittlerweile die drei Beispiele der Broschüre, die er erwähnt hat, durchrechnen lassen. Und jetzt frage ich Sie, Herr Abgeordneter, im Gegenzug: Werden Sie der Pensionsreform zustimmen, wenn die drei Beispiele falsch sind? (Abg. Nürnberger: Die sind ja nicht falsch!) – Alle drei sind falsch. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin von den Experten der Arbeiterkammer eigentlich enttäuscht. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Ich hätte nämlich genauso wie Sie angenommen, dass sie richtig rechnen und hier korrekte Beispiele anführen. Das ist aber nicht der Fall.

Zum Beispiel heißt es im Beispiel drei: 43 Versicherungsjahre würden nach geltendem Recht auch den Bezug einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ermöglichen. Nach der im FPÖ-ÖVP-Modell vorgesehenen Anhebung der Altersgrenzen kann Herr Gruber mit 60 nur mehr – und das ist jetzt der entscheidende Punkt – die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit in Anspruch nehmen. – Die wollen wir doch gerade aufheben! Es kommt genau das Gleiche heraus! Die Zahl im Beispiel ist falsch. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Oder: "Pensionsabschläge entwerten Schutzbestimmung", steht hier. "Auf jene wenigen Männer, die tatsächlich auf 45 echte Beitragsjahre kommen, wartet ein saftiger Abschlag." – Gerade der "saftige Abschlag" wird bei Männern, die 45 Beitragsjahre haben, nicht stattfinden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )  – Also: Auch das ist falsch!

Und beim dritten Beispiel ist es genauso. Ich hoffe daher, Herr Kollege Nürnberger, dass unsere Wette gilt und Sie der Pensionsreform zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf noch ganz kurz Folgendes zur Pensionsreform sagen. Sicherlich gibt es zwei Aspekte: den wichtigen Aspekt, dass es unser Ziel ist, langfristig die Pensionen für die junge Generation zu sichern – das ist richtig! (Ruf bei der SPÖ: Mogelpackung!) Aber selbstverständlich ist es auch notwendig, die Bundesbeiträge zur Pension zu stabilisieren und nicht explodieren zu lassen – und das ist unser kurzfristiges Ziel.

Ich nenne Ihnen die Zahlen: 1998: 71 Milliarden Schilling Bundesbeitrag, 1999: 75 Milliarden, 2000: 81 Milliarden, 2001: 85 Milliarden. Anhand dieser Zahlen sehen Sie, dass insbesondere auch im Lichte der EU-Vorstellungen hier dringender Handlungsbedarf gegeben ist. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf auf ein paar Fragen Bezug nehmen und korrigieren: Es ist gesagt worden, dass ich weniger Geld für die Interventionsstellen gegen Gewalt ausgebe. – Das Gegenteil ist der Fall. Im vergangenen Jahr waren es über 13 Millionen Schilling, und heuer sind es über 15 Millionen


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Schilling. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Martin Graf: Alles falsch von der SPÖ!)

Auch was das Budget für die Frauen anlangt, darf ich Ihnen die Zahlen nennen: 1999: 59 037 000 S, im Jahre 2000: 69 235 000 S – das sind um 10 Millionen Schilling mehr, die ich für die Frauen ausgebe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Und dennoch behaupten Sie, dass ich für die Frauen nichts tue!

Zu den Ausführungen der Frau Kollegin Petrovic zum Karenzgeld. Sie hat gesagt, in besonderem Maße zahle die Arbeitslosenversicherung das Karenzgeld. – Das ist nicht ganz richtig: 70 Prozent dafür kommen aus dem FLAF und nur 30 Prozent aus der Arbeitslosenversicherung. In Zukunft aber wird alles aus dem FLAF fließen. Ich kann Ihnen auch versichern, dass künftig die gesamte Pensionsversicherung und die Krankenversicherungen aus dem FLAF bezahlt werden. (Abg. Dr. Mertel: Und woher kommen die Mittel in den FLAF, Frau Minister? Von den Unternehmern? Die liefern es nur ab! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Kollegin Kuntzl sagt, dass es keine Unterstützung für Wiedereinsteigerinnen gibt. Ich kann das Gegenteil behaupten: Ich habe eine Reihe von Wiedereinstiegsprogrammen für Frauen, und diese Programme werden finanziert. Gerade mein neues Projekt, das den Wiedereinstieg der Frauen durch ein Zertifikat unterstützt, das auch von der Wirtschaft anerkannt wird, spricht ja für sich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Außerdem geht es mir darum, Frauen auch im Zusammenhang mit den neuen Technologien zu sehen und in diesem Bereich zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu unterstützen – es gibt bereits gemeinsam mit dem Bildungsministerium ein entsprechendes EU-Projekt.

Was AlleinerzieherInnen und deren angebliche Benachteiligung durch mich anlangt, darf ich sagen, dass von mir gerade AlleinerzieherInnen aus den Familien förderungsmitteln gefördert werden. Das ist doch ein deutliches Signal dafür, dass ich selbstverständlich auch zu AlleinerzieherInnen als Familienform stehe! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sagen auch, dass diese Koalition, dass diese Bundesregierung die Frauen zurück in die Häuslichkeit und zurück an den Herd treibt. Dazu Folgendes: Die heute schon oft erwähnte Wahlfreiheit beweist das Gegenteil! Aber ich muss auch sagen: Wir wollen doch dem Wunsch und dem Willen der Österreicher entgegenkommen, und es gibt eine Statistik, wonach 90 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher in den allerersten Lebensjahren eines Kindes am liebsten bei ihrem Kind zu Hause bleiben. Ich wiederhole: In der Regel – Ausnahmen gibt es natürlich immer – ist für das zarte Alter von null bis drei Jahren die Familie sicher der beste Kinderbetreuungsplatz. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das wird sogar von eher links orientierten Experten bestätigt.

Wenn Sie sagen, dass wir mit dem Kinderbetreuungsgeld die Frauen zurück an den Herd drängen, dann darf ich Ihnen sagen: Durch das jetzige Karenzgeld passiert genau das, denn jetzt dürfen die Frauen nur bis zur Geringfügigkeitsgrenze von 3 977 S zum Karenzgeld dazuverdienen. – Nach unseren Vorschlägen soll das wesentlich mehr sein. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben hier auch meinen Umgang mit den Frauenvereinen ins Visier genommen. Ich darf Ihnen dazu sagen: Ich habe vor wenigen Wochen alle Frauenvereine Österreichs in den Spiegelsaal des Ministeriums eingeladen und mit ihnen eine stundenlange Diskussion abgehalten, die sehr konstruktiv war und von der ich viele Anregungen mit nach Hause genommen habe, die ich umsetzen möchte.

Die Frauenvereine haben, wie gesagt, die volle Förderung bekommen – wie im vergangenen Jahr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Anregung, dass es nicht sinnvoll sei, dass diese Frauenvereine jedes Jahr quasi als Bittstellerinnen hier "anrücken" müssen, ist richtig, das sehe ich genauso. Ich habe daher in meiner


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Sektion bereits Gespräche darüber geführt, was wir machen können, damit es dreijährige Rahmenverträge für diese Förderungen gibt. Das halte auch ich für sinnvoll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Martin Graf: Jetzt schaut aber die Prammer alt aus!)

Ich habe aber auch vor kurzem – das war ein schon lange gehegter Wunsch der Frauenbeauftragten; sie sind unter Kollegin Prammer schon sehr lange nicht mehr gemeinsam einberufen worden – die Frauenpolitische Föderationsplattform in Linz einberufen, mich stundenlang mit den Frauenbeauftragten der verschiedenen Länder zusammengesetzt und auch dort sehr wesentliche Anregungen erhalten.

Was die Selbstbehalte bei den Schülerfreifahrten und die Höhe der Förderung der Schülerfreifahrten aus dem FLAF anlangt, darf ich Ihnen sagen, dass diese ganz gleich geblieben sind. Die unterschiedliche Zahl ergibt sich daraus, dass das mit dem Schuljahr und nicht mit dem Budgetjahr abgerechnet wird. Dadurch ergibt sich eine gewisse Differenz.

Es ist auch erwähnt worden, ich möge für die Opferfürsorge und für die Kriegsopferfürsorge doch gleich viel Geld ausgeben. – Das geschieht! Die Leistungen sind dieselben – es ist allerdings so, dass es sich hier vorwiegend um schon alte Menschen handelt, die auf Grund ihres Alters versterben, weshalb ein gewisser numerischer Rückgang der Förderung gegeben ist. Aber die Leistung an die lebenden Opfer bleibt gleich. – Im Gegenteil: Mir ist es ein Anliegen, gerade diese Opfer auch durch die neue ASVG-Novelle im Rahmen der Pensionsreform zu fördern. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Sie wissen, dass sich während der NS-Zeit die sehr traurige Geschichte abgespielt hat, dass manche Opfer weder die Volks- noch die Hauptschule besuchen durften. Es ist ein lange gehegter Wunsch der Israelitischen Kultusgemeinde, dass diese Menschen diese verlorenen Jahre als beitragsbegründende Jahre angerechnet bekommen. Ich habe diesem Wunsch Rechnung getragen, und das ist in der ASVG-Novelle, die jetzt in Begutachtung ist, vorgesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ebenfalls ist es mir ein großes Anliegen, allerärmste Menschen, Kriegsopfer aus dem Zweiten Weltkrieg, Blinde, Kriegsblinde, Schwerstbehinderte, zu unterstützen.

Es ist deren lang gehegter Wunsch, dass sie, wenn sie in stationäre Pflege eingewiesen werden, das Pflegegeld weiterhin bekommen. Sie werden von mir eine massive finanzielle Unterstützung für diesen Zweck bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn von Ihrer Seite behauptet wird, dass für das Jugendaustauschprogramm nichts getan wird, so muss ich Ihnen entgegnen, dass wir Lob von Seiten der EU bekommen haben, weil ich gerade dabei bin, die Nationalagentur ordnungsgemäß und korrekt auszuschreiben.


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Frau Bundesministerin! Wünschen Sie, die Rede jetzt mit einem Schlusssatz zu beenden, oder wollen Sie nach der Behandlung der Dringlichen Anfrage Ihre Ausführungen fortsetzen? (Bundesministerin Dr. Sickl: Ich möchte die Rede beenden!) Dann bitte ich Sie um den Schlusssatz.

Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl (fortsetzend): Ich darf meine Rede beenden und möchte zum Jugendaustauschprogramm nur noch Folgendes sagen: Die Nationalagentur wird ausgeschrieben, und in den nächsten sieben Jahren werden 40 Millionen Schilling aus der EU für unsere Jugendorganisationen fließen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.01

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Nürnberger, Edlinger, Heidrun Silhavy und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Wiederherstellung der Verteilungsgerechtigkeit und neuerliches Sparpaket (812/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nunmehr, wie angekündigt, zur Behandlung der Dringlichen Anfrage 812/J.

Diese ist inzwischen im Sitzungssaal verteilt worden, und es erübrigt sich daher eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die von der Bundesregierung im Rahmen des Bundesfinanzgesetzes 2000 und des Budgetbegleitgesetzes 2000 beschlossenen Belastungspakete treffen gezielt kleine und mittlere Einkommensbezieher, Unselbständige und Konsumenten. Dagegen sind für Großbauern, Großunternehmer und Hausherren zusätzliche Begünstigungen vorgesehen, die in den kommenden Jahren noch wesentlich erhöht werden sollen. Durch die von der Regierung beschlossenen und zusätzlich geplanten Maßnahmen wird das Ziel der sozialen Ausgewogenheit und Verteilungsgerechtigkeit drastisch verfehlt. Im Gegenteil: Viele Maßnahmen sind bewusst so konstruiert worden, dass zwangsläufig negative Verteilungswirkungen ausgelöst werden.

Die Erhöhung von Steuern und Gebühren im Ausmaß von jährlich 14,4 Mia ATS, zu der im kommenden Jahr weitere Gebührenerhöhungen in Milliardenhöhe kommen sollen, macht die Einkommensverbesserung rückgängig, die sich durch die von der SP-VP-Regierung beschlossene Steuerreform 2000 ergeben hätte. Es erscheint besonders absurd, dass eine Regierung, die Steuern und Gebühren im Ausmaß von mindestens 14,4 Mia ATS erhöht, sich mit den positiven Folgen der Steuerreform 2000 brüstet, gegen welche die Abgeordneten der FPÖ im Juni 1999 gestimmt haben.

Die Steuerreform 2000 hat vor allem untere Einkommensgruppen begünstigt. Dieser Effekt ergab sich im wesentlichen aus der Erhöhung des allgemeinen Absetzbetrages. Bei einem Bruttobezug pro Monat von 13 000 ATS liegt die prozentuelle Entlastung des Einkommens bei 2,2 Prozent. Bei einem Bruttobezug von 100 000 ATS liegt die prozentuelle Entlastung des Einkommens nur bei 0,5 Prozent. Dieser progressive Effekt der Steuerreform 2000 war nur möglich, weil die SPÖ gegen den heftigsten Widerstand der ÖVP nicht nur eine Senkung des Einkommensteuertarifs, sondern die Erhöhung des allgemeinen Absetzbetrages durchsetzen konnte.

Den unteren und mittleren Einkommensgruppen, die von der Steuerreform 2000 besonders profitiert haben, werden diese Einkommenszuwächse nun gezielt weggenommen. Die Erhöhung der Tabakabgabe, der Elektrizitätsabgabe, der motorbezogenen Versicherungssteuer und die Gebührenerhöhungen belasten in erster Linie das untere Einkommensdrittel der österreichischen Haushalte. Experten des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung haben berechnet, dass durch die Belastungspakete der Bundesregierung das untere Einkommensdrittel 1,6 Prozent seines Einkommens verlieren wird, das mittlere Einkommensdrittel 1,1 Prozent und das oberste Einkommensdrittel 0,8 Prozent. Das heißt: die unteren Einkommensbezieher werden gezielt doppelt so stark belastet wie die obersten Einkommensbezieher.

Auch die im Sozialbereich angekündigten Maßnahmen werden in hohem Maße negative Verteilungseffekte auslösen. Da die Pensionisten in Österreich überwiegend zum einkommensschwächeren Teil der Bevölkerung zählen (die Hälfte zählt zum unteren Einkommensdrittel der Haushalte, ein Viertel zum mittleren Einkommensdrittel) werden die angekündigten Pensionskürzungen vor allem einkommensschwächere Gruppen treffen. Das gleiche gilt für steigende private Ausgaben für die Gesundheit, da das untere Einkommensdrittel 4,1 Prozent seines Einkommens für Gesundheit ausgeben muss, das obere Einkommensdrittel nur 2,4 Prozent.

Andererseits gehören die großen Unternehmer, die Großbauern und die Hausherren zu den Gewinnern der Regierungspolitik. Die LKW wurden von der Erhöhung der Versicherungssteuer ausgenommen, die Unternehmer wurden von der Erhöhung der Energieabgabe ausgenommen und die im Rahmen der Steuerreform 2000 beschlossenen Regelungen bezüglich der Aktiengewinnbesteuerung und der Börsenumsatzsteuer werden zunächst aufgeschoben, wahrscheinlich aber überhaupt aufgehoben.


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Zudem soll die Senkung der Lohnnebenkosten steuerliche Begünstigungen der Unternehmer im Ausmaß von 15 Milliarden Schilling erbringen. Dieses Steuergeschenk wird in erster Linie die Gewinne erhöhen. Ob sich daraus Beschäftigungseffekte ergeben, ist zu bezweifeln. Neben der Entlastung der gewerblichen Unternehmen kommt es auch zu einer deutlichen Entlastung der Bauern. Die zusätzlichen Begünstigungen für die Landwirtschaft – Mineralölsteuerentlastung, Bergbauernhilfe, Umweltprogramme etc. – betragen bis zu 4 Milliarden Schilling.

Die Arbeitnehmer werden nicht nur durch die Steuer- und Gebührenerhöhungen, sondern durch zahlreiche andere Maßnahmen belastet. Die Kürzung der Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik, die Kürzung der Mittel für den Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung und die Verschlechterungen für das Arbeitsmarktservice wird zu einer Verminderung des Ausbildungsniveaus und zu einer Erhöhung der Zahl der Arbeitslosen führen. Auch durch die überfallsartig erfolgende Anhebung des Antrittsalters bei Frühpensionen wird die Arbeitslosigkeit ansteigen.

Die Urlaubsaliquotierung hat zur Folge, dass die Arbeitnehmer bei einem Arbeitsplatzwechsel Urlaubsansprüche bzw. Urlaubsentschädigungen im Ausmaß von etwa 4,2 Mia ATS verlieren werden.

Zusätzlich sind im Regierungsprogramm Kürzungen von Transferleistungen im Ausmaß von 3 Mia Schilling unter dem Titel ‚Treffsicherheit‛ versteckt, die zum größten Teil die einkommensschwachen Gruppen besonders belasten werden. Im Detail sind diese Maßnahmen noch nicht bekannt, die geplanten Kürzungen öffentlicher Leistungen werden sich aber negativ auf die Einkommenssituation der sozial Schwachen auswirken.

Die Konsolidierung der Kostenstruktur im Krankenversicherungsbereich kostet den kranken Menschen insgesamt 4,1 Mia ATS. Das bedeutet für 4 Millionen kranke Menschen eine Mehrbelastung von 1 000 ATS pro Jahr. So ist unter anderem vorgesehen:

Erhöhung der Rezeptgebühr von 45 auf 55 ATS (Mehreinnahmen 1,5 Mia ATS);

Behandlungsbeitrag für die Inanspruchnahme einer Spitalsambulanz durch Überweisung eines praktischen Arztes 150 ATS (Mehreinnahmen 850 Mio ATS);

Behandlungsbeitrag für die Inanspruchnahme einer Spitalsambulanz ohne Überweisung eines praktischen Arztes 250 ATS (Mehreinnahmen 100 Mio ATS);

Erhöhung des Spitalskostenbeitrages von 78 auf 100 ATS (Mehreinnahmen rund 150 Mio ATS);

Kürzung des Krankengeldbezuges von 78 auf 52 Wochen (Diese Kürzung betrifft potentiell über 2 Mio Versicherte.);

Einsparungen bei den Zuzahlungen zu Heilbehelfen und Hilfsmitteln (z.B. Sehbehelfe, Krücken, Rollstühle, etc.);

Verordnetes Sparpaket für die Sozialversicherung im eigenen Bereich von 1,5 Mia ATS (dadurch wird die Leistungsfähigkeit insbesondere der Gesundheitszentren und Rehabilitationseinrichtungen der Sozialversicherung massiv gefährdet).

Überproportional werden die Pensionistinnen und Pensionisten belastet. Im Zeitraum bis 2003 werden die Pensionen um 15 Mia ATS gekürzt.

Besonders hart sind die rund 300 000 AusgleichszulagenbezieherInnen betroffen. Diese Gruppe konnte keine Vorteile aus der Steuerreform lukrieren, da sie keine Lohnsteuer bezahlt, jedoch überproportional von den Belastungen durch die Kopfsteuern sowie durch die Erhöhung der Gebühren etc. getroffen wird. In einem durchschnittlichen Fall, mit einem Nettomonatseinkommen von rund 8 500 ATS, kann das zu Kürzungen von

585 ATS führen. Im Jahresdurchschnitt sind das rund 7 000 ATS oder eine Verminderung des Jahreseinkommens um 8,3 Prozent.


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Die erste Belastungswelle, die unser Land überrollt, ist noch nicht einmal beschlossen, und schon ist den jüngsten Medienberichterstattungen zu entnehmen, dass der Finanzminister einen neuerlichen Kassasturz plant – sein zweiter innerhalb von 3 Monaten. – Diesmal aber zu seinem eigenen Budgetvoranschlag.

Es drängt sich die Frage auf, ob wir nun nach jedem Grasser-Budget mit einem Kassasturz rechnen müssen. Die Solidität und Glaubwürdigkeit der österreichischen Budgetpolitik wird damit jedenfalls erheblich in Frage gestellt.

Der Finanzminister hat ferner nach Medienberichten seinem Budget-Weisenrat den Auftrag gegeben, Vorschläge für einen weiteren Budgetkurs zu erarbeiten, der einerseits die Wahlversprechungen und andererseits ein Maastricht-konformes Defizit garantieren soll.

Das aber gleicht der Quadratur des Kreises, weil Mehrausgaben und Verzicht auf Einnahmen mit dem Ziel einer weiteren Defizitreduktion schlicht nicht in Einklang zu bringen sind. Das hat auch die Kommission in Brüssel festgestellt und die Politik des Füllhorns dieser FPÖVP-Koalition kritisiert.

Das bedeutet, dass in Wahrheit unter dem Deckmantel der Budgetkonsolidierung massiv Umverteilung von unten nach oben betrieben wird, was im großen und ganzen, wie oben ausgeführt, auch schon im Budget 2000 erkennbar ist. Die Maastricht-Ziele werden aber dennoch glatt verfehlt.

Das ist weiters auch nicht verwunderlich, denn schließlich gilt es, wie gesagt, 15 Milliarden Schilling Lohnnebenkostensenkung, verteilt mit der Gießkanne, rund 6 Milliarden Schilling an zusätzlichen Jahresausgaben als Morgengabe für die NATO, bis zu 6 Milliarden Schilling mehr Subvention für Großbauern, Karenzgeld für alle, ohne jede soziale Staffelung im Ausmaß von 7 Milliarden Schilling und sonstige im Regierungsprogramm verankerte Wohltaten für die Klientel und Freunde der FPÖVP zu finanzieren.

Die Rechnung dafür zahlen die kleinen Leute.

Jetzt schon bezahlen dafür die Autofahrer, Raucher, Zivildiener, gemeinnützige Vereine, Mieter, Strombezieher und alle, die Gerichte oder sonstige Leistungen des Staates in Anspruch nehmen.

So müssen die Zivildiener beim Essen sparen, um das Mehrkindergeld auch für Frau Bartenstein und andere reiche Freunde der Koalitionäre zu ermöglichen, die aufgrund der bisher geltenden sozialen Staffelung dieses ja nicht erhalten haben. So werden auch im Jahr 2001 und danach die vielen kleinen Zahler gefunden werden müssen, die die Rechnung für die versprochenen Mehrausgaben bezahlen.

Erste Hinweise darauf, wie dies geschehen könnte, sickern bereits durch:

So soll es zusätzliche Einsparungen bei den Pensionen geben und noch mehr bei den Beamten eingespart werden – insgesamt um weitere 6 Milliarden Schilling. Steuererhöhungen werden überlegt, Gebühren sollen noch einmal erhöht werden. Und zu guter Letzt wird auch noch über eine höhere Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehalts spekuliert.

Nicht andere sind verantwortlich für die Belastungswelle, mit der die Koalition das Land schon überzogen hat, schon gar nicht für jene, die noch kommen werden. Vielmehr ist es die Spendierhose, die die FPÖVP für ihre Klientel und ihre ‚Freunde‛ angelegt hat.

Schließlich begrüßt auch der Rat der Finanzminister zum aktualisierten Stabilitätsprogramm Österreichs für 2000 bis 2003 die Tatsache, dass mit der Budgetpolitik der letzten Jahre ‚die vereinbarten Defizitzielwerte des ursprünglichen Stabilitätsprogramms 1998 und 1999 eingehalten wurden‛. Und die EU-Kommission kritisiert die neuen Regierung, dass ihr vorgelegtes Stabilitätsprogramm zuwenig ambitioniert ist. Sie kritisiert insbesondere, ‚dass zu umfangreiche Einmalmaßnahmen im Ausmaß von jährlich 0,3 % des BIP, hauptsächlich Liegenschaftsverkäufe,


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veranschlagt werden‛ und erachtet es ferner als nicht plausibel, dass Länder und Gemeinden auch in Zukunft Überschüsse von 0,5 % des BIP zum österreichischen Defizit beitragen. – Was angesichts der Bemühungen der Regierung, die Gemeindefinanzierungen nachhaltig zu demolieren, nicht verwundert (siehe Getränkesteuer).

Bemerkenswert und besorgniserregend ist auch die Aussage des Finanzministers Grasser, wonach er hinsichtlich der Maßnahmen zur Einnahmenfindung ‚die Kreativität der Erfindung Journalisten, Opposition oder dem Koalitionspartner‛ überläßt. Es stellt sich nämlich damit die Frage, wer eigentlich die Verantwortung für den Bundeshaushalt hat. Es stellt sich auch die Frage, ob Finanzminister Grasser nur der ‚Kassasturz-Minister‛ ist, der noch bevor sein Budget im Parlament beschlossen ist schon zum nächsten Kassasturz aufbricht.

Die unterfertigten sozialdemokratischen Abgeordneten sind besorgt über diese Entwicklung und stellen daher an den Herrn Bundeskanzler nachstehende

Anfrage:

1. Teilen Sie grundsätzlich auch (wie die EU-Gremien) die Auffassung, dass das Konsolidierungserfordernis in der laufenden Legislaturperiode zur Erreichung der Stabilitätsziele wesentlich geringer wäre, wenn es zu keinen zusätzlichen Ausgaben wie höhere Militärausgaben, Karenzgeld für alle oder zusätzliche nationale Fördermittel für die Bauern käme bzw. wenn nicht auf bestehende Einnahmen verzichtet würde, wie das beispielsweise im Regierungsprogramm im Rahmen der Lohnnebenkostensenkung oder die Gewährung von Steuervorteilen für bestimmte Gruppen vorgesehen ist, und welche betragsmäßigen Auswirkungen haben in diesem Zusammenhang die Maßnahmen des Regierungsprogramms?

2. Wie wirken sich die von Ihnen geplanten ausgaben- und einnahmenseitigen Maßnahmen auf Unselbständige, Selbständige, und Bauern bzw. auf die verschiedenen Einkommensgruppen aus?

3. Können Sie ausschliessen, dass es im Laufe 2001 oder in der Legislaturperiode zu Steuererhöhungen bzw. ‚Anpassungen‛ wie Sie das nennen, kommt?

4. Können Sie ausschließen, dass es zu Einsparungs-Maßnahmen bei den Pensionen und beim öffentlichen Dienst kommt, die über jene im Regierungsprogramm angekündigten hinausgehen?

5. Können Sie ausschließen, dass es zu keinen weiteren Kürzungen im Bereich der Förderungen und Investitionen kommt?

6. Werden Sie das Regierungsprogramm auch in jenen Punkten auf Punkt und Beistrich einhalten, d. h. alle darin enthaltenen Maßnahmen wie angekündigt termingerecht umsetzen, die grosse Ausgaben bzw. Einnahmenausfälle verursachen, wie zum Beispiel Lohnnebenkostensenkung um 15 Milliarden S. p. a., Karenzgeld für alle um rund 7 Milliarden S. p. a., Erhöhung der Heeresausgaben um rund 6 Mrd. S. p. a. etc.; wenn nein, welche im Regierungsprogramm enthaltenen Maßnahmen werden verschoben bzw. nicht weiter betrieben?

7. Sind Sie als Führer der kleineren Koalitionspartei tatsächlich für die Kreativität der Erfindung bei neuen Belastungen zuständig, wie Finanzminister Grasser das in einem Interview darlegt?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Begründer der Dringlichen Anfrage hat eine Redezeit von 20 Minuten.


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Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer zur Begründung der Dringlichen Anfrage an den Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.02

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Herr Bundeskanzler, Sie sind mit einem Kassasturz angetreten, um Klarheit über die Budgetvoraussetzungen und die Budgetzahlen zu schaffen, und zwar ganz nach dem Motto: Ich habe davor nie etwas davon gehört! Sie tun so, als ob Sie nie bei den diesbezüglichen Verhandlungen gewesen wären, nie etwas von den Budgetzahlen gesehen hätten. Es haben hingegen Ihr Landeshauptmann Sausgruber und der von Ihnen benannte Budgetexperte Professor Lehner gesagt, dass immer alle Verhältnisse klar auf dem Tisch gelegen sind.

Herr Bundeskanzler! Sie haben diesen Kassasturz inszeniert, "um für die Zukunft letztendliche Klarheit zu schaffen", wie Sie gesagt haben. Und die Konsequenz, die Sie angekündigt haben, war Sparen. Vor diesem Hintergrund ist das Budget zu beleuchten, das nun beschlossen werden soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich dieses Budget ansieht, dann wird man feststellen, dass darin nichts vom Sparen enthalten ist, sondern dass es darin ausschließlich um das Abkassieren geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Budget zeichnet sich durch 14 Milliarden Schilling an zusätzlichen Einnahmen aus Steuern und Gebühren aus, die die Österreicherinnen und Österreicher belasten werden. Dieses Budget zeichnet sich durch Einmaleffekte aus Fondsüberschüssen und anderen Dingen aus, aber es ist darin nichts enthalten, aus dem man rückschließen könnte, wo gespart wird, wo es Strukturreformen gibt. Daher sind diese 14 Milliarden Schilling, die die Österreicherinnen und Österreicher zu zahlen haben werden, die ersten "Wende-Kosten" dieser Regierung. Während am 3. Oktober 1999 der Wahltag war, dann ist der 1. Juni 2000 offensichtlich der Zahltag – aber nur der erste Zahltag – für die Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der SPÖ.)

Die von dieser Regierung beschlossenen Belastungsmaßnahmen haben eine klare Verteilungswirkung: Sie belasten das untere Einkommensdrittel doppelt so stark wie das obere Einkommensdrittel. Das ist nicht nur die Meinung jener Experten des Wifo, die eine Studie darüber gemacht haben, sondern auch des Experten, der von der ÖVP im Budgethearing bestellt wurde, nämlich des Herrn Professor Lehner, der im Budgethearing ausdrücklich gesagt hat (Abg. Ing. Westenthaler: Warum sagt dann Kramer etwas anderes?), dass die Erhöhung indirekter Steuern, wie der Tabakabgabe, der Elektrizitätsabgabe, der motorbezogenen Versicherungssteuer, der Umsatzsteuer und sonstiger Gebühren, die Bezieher niedriger Einkommen wesentlich stärker treffen wird als die Bezieher höherer Einkommen. (Abg. Ing. Westenthaler: Kramer sagt das Gegenteil!) Es geht Ihnen nicht um das Sparen, sondern es geht Ihnen um das Umverteilen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Budget hat auch keinerlei ökologisch sinnvolle Komponente, weil es zum sparsamen Umgang mit Energie und Ressourcen nicht motiviert. Es haben alle Budgetexperten darauf hingewiesen, dass durch die sachlich unbegründeten Kompetenzverschiebungen zwischen den Ministerien auch die Transparenz dieses Budgets außerordentlich kritisch betrachtet werden muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch dieses Budget wurden in vielen Bereichen die selbst gestellten Zielsetzungen nicht erfüllt. Nur ein Ziel hat man dadurch erreicht: die Ärmeren in diesem Land ärmer zu machen, und die Reicheren reicher. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Das eigentlich Schlimme ist aber erst in der Zwischenzeit aufgetaucht: Sie haben eine Revision des Stabilitätsprogrammes durchgeführt und das Ergebnis dann der Europäischen Kommission geschickt. Die Europäische Kommission hat dazu klar Stellung bezogen, und nun liegt ihr Urteil als Dokument vor. Und was ist das Ergebnis dieser Prüfung? – Das Budgetprogramm der österreichischen Bundesregierung, nämlich der blau-schwarzen, wird als weniger ambitioniert erachtet als das Stabilitätsprogramm, das seinerzeit noch Finanzminister


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Edlinger eingebracht hat. (Rufe bei der ÖVP: Das ist falsch!) Also wo ist da Ihre Sparsamkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren? (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man in die Details dieses Berichtes geht, dann fallen einem noch eine Reihe interessanter Tatsachen auf. So kritisiert etwa die Kommission mit Recht, dass Sie nicht Strukturmaßnahmen angehen, sondern mit Budgettricks und Einmaleinnahmen arbeiten, indem Sie zum Beispiel Immobilien im Ausmaß von 30 Milliarden Schilling an eine 100-prozentige Tochter des Bundes verkaufen wollen. Das wird allgemein als Budgettrick interpretiert, und es wird festgestellt, dass mit diesen Einmalmaßnahmen die Budgetproblematik nicht lösbar ist.

Aber es kommt noch dicker, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Abg. Mag. Kukacka: Noch dicker!) Die Kommission weist der Regierung nach, dass ihre Budgetprobleme selbstverursacht und hausgemacht sind, weil sie auf der einen Seite zwar zusätzliche Einnahmen erschließt, aber auf der anderen Seite mit beiden Händen das Geld an die Freunde dieser Bundesregierung wieder ausgibt. Das ist das Problem des Budgets, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist interessant, dass diese Art von Stabilitätsprogramm von einem Finanzminister entworfen wurde, der vollmundig angekündigt hat, keine Budgets mit Budgettricks, keine Budgets mit doppeltem Boden machen zu wollen, und der sich nun von der EU-Kommission ganz unverblümt ins Gesicht sagen lassen muss, dass das, was er angekündigt hat, zu vermeiden, in Zukunft die Praxis seiner Finanz- und Budgetpolitik sein wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sparen ist ein Teil der Show dieses "Showkanzlers" und seiner "Showregierung". Die Wahrheit heißt: Abkassieren, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Oh-Rufe, Empörung und Widerspruch bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: "Gratuliere"!)

Besonders interessant ist auch der Umstand (Abg. Ing. Westenthaler: Heute hat er die "Krafthosen" angezogen!), dass Ihnen der zuständige EU-Kommissar mitteilt, dass dieses Stabilitätsprogramm im Widerspruch zu den Vertragsverpflichtungen steht. Das ist insoferne interessant, als man sich hier von diesem Rednerpult aus über die Stabilität des Euro Sorgen gemacht hat, während wir jetzt lesen müssen, dass der EU-Kommissar das Stabilitätsprogramm dieser österreichischen Bundesregierung zu einem Mitverantwortlichen dafür macht, dass die Erholung nicht eintreten kann. – Das ist Ihre Verantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Bericht der Kommission ist eine einzige Peinlichkeit für den Finanzminister und für seinen "Puzzle-Kanzler". (Abg. Ing. Westenthaler: Was für ein Kanzler?)  – Puzzle, Herr Westenthaler. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben "tolle" Ausdrücke! Erfinden Sie selber diese Ausdrücke?)

Was ist die Konsequenz aus diesem Bericht? (Abg. Ing. Westenthaler: Erfinden Sie diese Kraftausdrücke selber?)  – Es steht in einer Wochenzeitung zu lesen, dass der Herr Finanzminister angekündigt hat, einen neuen Kassasturz zu machen. Er teilt mit: Ich kann heute beim besten Willen nicht sagen, was die Lücke sein wird. Jetzt machen wir Kassasturz im engsten Kreis.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das tut er so unter dem Motto: "Hält man die Leute mit der Wahrheit kurz, dann macht man einen Kassasturz!" – Das ist das Motto dieser Regierung! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie sollten weniger "NEWS" lesen!)

Überhaupt ist das Verhältnis innerhalb dieser Bundesregierung interessant. Es teilt nämlich der Herr Finanzminister laut einem autorisierten Interview mit, er mache einen Kassasturz im engsten Kreis. – Ich weiß nicht, ob Sie zu diesem Kreis gehören, Herr Bundeskanzler. Der Herr Finanzminister hat offensichtlich eine sehr eigenartige Auffassung von der Arbeitsteilung in der Regierung. Diesen Eindruck hat man, wenn man dieses Interview liest. Er versteht sich offensichtlich ausschließlich als Kassasturz-Minister und nicht als Finanzminister, denn die notwendigen Belastungen oder die Lösungen bietet der Finanzminister nicht an. Er sagt ganz offen: Die Kreativität der Erfindung überlasse ich Journalisten, Opposition oder dem Koalitionspartner.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der erste Finanzminister, der seine Rolle nur im Kassasturz-Machen sieht und nicht im Vorlegen von Vorschlägen für die Sanierung der Budgetproblematik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Der Edlinger glaubt heute noch immer, es gäbe kein Budgetloch!)

Aber offensichtlich sieht er bereits voraus – Herr Stummvoll, das ist für Sie besonders interessant –, was der Kassasturz ergeben wird, denn auf die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre (Abg. Dr. Stummvoll: Edlinger hätte einen Kassasturz machen sollen!), das Familienpaket und die Lohnnebenkostensenkung auszusetzen, teilt er mit, es sei nicht sein Stil, der Regierung über die Medien auszurichten, dass es Veränderungen am Regierungspakt geben soll.

Herr Bundeskanzler! Wenn er es Ihnen nicht über die Medien ausrichtet, dann frage ich Sie: Hat er Ihnen in der Ministerratssitzung schon gesagt, dass Sie sich sowohl das Familienpaket als auch die Lohnnebenkostensenkung abschminken können, weil er es nicht finanzieren kann? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: So stellt sich das der kleine Maxi vor!)

Aber da er offensichtlich nur für den Kassasturz zuständig ist und Sie für die Belastungsmaßnahmen zuständig sind, gibt er Ihnen auch eine Reihe von Ideen mit auf den Weg. Es wird aus dem engsten Kreis unter anderem angeregt, die Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes zu erhöhen (Oh-Rufe bei der SPÖ), was nichts anderes bedeutet, als dass er 5,2 Milliarden Schilling einnehmen wird, und ein durchschnittlicher österreichischer Einkommensbezieher 1 500 S im Jahr mehr Steuer zu bezahlen haben wird.

Aber das dicke Ende schickt er noch nach, indem er anregt, die Mehrwertsteuer von 20 Prozent auf 22 Prozent zu erhöhen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, es handelt sich dabei "nur" um 22 Milliarden Schilling – und eine durchschnittliche österreichische Familie wird das im Jahr 5 000 S kosten. Das ist die Politik, die Ihnen Ihr Finanzminister vorschlägt! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie reden die ganze Zeit von tiefgreifenden Reformen. Wir stellen fest: Das Einzige, was tiefgreifend ist, ist Ihr Griff in die Geldbörseln der Österreicherinnen und Österreicher! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ihr Verhältnis zu den Städten, Gemeinden und Ländern haben Sie uns in den letzten Tagen hier vorexerziert. Es ist bekannt, dass im Stabilitätsprogramm steht, dass die Länder und die Gemeinden mit einem Überschuss von 0,5 Prozent des BIP zum Stabilitätsprogramm beizutragen haben – eine Aufgabe, deren Durchführbarkeit von der EU-Kommission höchst bezweifelt wird. Ihre Erfüllung ist auch dadurch nicht leichter geworden, dass über die Werbesteuer- und Getränkesteueränderung die Gemeinden nun über eine verminderte Finanzgrundlage verfügen werden.

Aber der Finanzminister ist erneut hilfreich: Er gibt Ihnen einen Hinweis, wie Sie die Länder schröpfen können, und zwar ganz einfach: indem man die Landesregierungen abschafft.

Ich frage Sie: Haben Sie vor, das mit den Ländern bei den Finanzausgleichsverhandlungen ernsthaft auf Basis des Vorschlages des Finanzministers zu verhandeln, und wollen Sie damit den österreichischen Föderalismus in Frage stellen? – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klarheit ist angebracht über die abenteuerlichen Programme dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es muss endlich Schluss damit sein, dass die Österreicherinnen und Österreicher angeschwindelt werden und wir uns in eine Etappe hineinbegeben, in der jedes Grasser-Budget nach dem gleichen Motto abläuft: Hoppla, Kassasturz, Belastungspaket. – Das hat er beim Budget 2000 so gemacht, das kündigt er jetzt für das Budget 2001 an, und offensichtlich ist das sein Strickmuster für die gesamte Budgetpolitik in Österreich. Das lehnen wir ab, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich auch die Frage, wie Ihr Verhältnis zur Zukunft ist. Interessant ist, dass Sie Einnahmen von rund 4,5 Milliarden Schilling für den Verkauf der Welthandylizenz budgetieren. Auf


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grund allgemeiner Schätzungen weiß jeder, dass zumindest zwischen 15 und 20 Milliarden Schilling erzielbar sein werden. Da stellt sich nun die Frage: Verwenden Sie auch diese zusätzlichen Einnahmen dazu, um die von Ihnen selbst aufgerissenen Löcher zu stopfen, oder sind Sie bereit, in die Zukunft unseres Landes zu investieren und so wie in jedem anderen zivilisierten Land diese Mehreinnahmen für Ausbildung, Technologie und Forschung zu verwenden? – Das braucht Österreich, und nicht dieses Schröpfprogramm! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist Zeit, dass Sie nach der Show der ersten 100 Tage zu einer vernünftigen Politik für Österreich kommen, und diese beginnt damit (Abg. Mag. Kukacka: Die "Show" ärgert Sie!), den Österreicherinnen und Österreichern reinen Wein einzuschenken. Sie sollten Ihr Motto "Österreich neu regieren" der Ehrlichkeit und der Realität anpassen. Ihnen geht es nicht um das neue Regieren, sondern darum, Österreich neu abzukassieren. Das ist die Handschrift Ihrer Regierungspolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber Sie haben heute die Gelegenheit, Klarheit zu schaffen, Herr Bundeskanzler. Wir haben Ihnen eine Reihe von Fragen gestellt, und Sie können all die Abenteuerlichkeiten, die der Finanzminister angekündigt hat, hier heute kategorisch ausschließen. Dann weiß Österreich, wohin es geht. Wenn Sie sich aber weiterhin gegenüber Ihrem FPÖ-Regierungspartner so verhalten wie gegenüber den Aussagen des Jörg Haider, nämlich indem Sie verharmlosen und nicht klar Stellung beziehen, dann ist das nicht nur für Österreich, sondern auch für die Budget- und Finanzpolitik schlecht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diesem Kurs können wir nicht zustimmen! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage gelangt der Herr Bundeskanzler zu Wort. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.20

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel (mit Beifall von der ÖVP und den Freiheitlichen begrüßt): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich hätte mir gedacht, es gibt im Parlament einen Konsens darüber, dass die Rettung der Staatsfinanzen etwas absolut dringend Notwendiges ist, damit wir für die Zukunft wieder Handlungsspielraum gewinnen. Ich hätte mir gedacht, dass die Budgetdebatte Gelegenheit gibt, in einer harten und kritischen Abrechnung Maßnahmen der Regierung zu kritisieren und eigene Alternativen vorzulegen.

Ich hätte mir gedacht, dass Sie, Herr Abgeordneter Gusenbauer, den Mut haben, dass Sie zu dem stehen, was wir an Maßnahmen zur Rettung des aus den Fugen geratenen Budgets in monatelangen gemeinsamen Verhandlungen zur Bildung einer Regierung schon außer Streit gestellt haben. Falsch! Die Dringliche Anfrage ist eigentlich der Beweis dafür. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Abgeordneter Gusenbauer hat alles, jede einzelne Maßnahme dieser Bundesregierung, in Bausch und Bogen kritisiert und hat es geschafft, keine einzige Alternative vorzulegen, wie in all den Tagen der Budgetdebatte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das ist einfach zu wenig, selbst für eine Opposition. Sie können und sollen uns kritisieren, aber dann bitte auch den Mut haben, zu sagen, wo es fehlt. Wie schauen denn Ihre Alternativen aus? Ja, es ist richtig, die EU-Kommission hat uns kritisiert und gemeint, dass wir zu wenig ambitioniert sind. Wie schauen denn Ihre Vorschläge konkret aus? Sollen wir mehr sparen, oder soll es mehr Einnahmenerhöhungen geben? Heraus mit den Alternativen! Wir haben unsere Vorstellungen für das Budget 2000 auf den Punkt gebracht. (Abg. Dr. Gusenbauer: Weniger Neuausgaben!) Ja, aber keine neuen Ausgaben, Herr Abgeordneter Gusenbauer, retten uns doch nicht! 30 Jahre sozialistische Finanzminister haben uns pro Jahr 100 Milliarden Schilling an Zinsenzahlungen eingebrockt! Das ist die Wahrheit! Das rettet uns nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer hält ein Schriftstück in die Höhe.)

Ehrlich gesagt, ganz schlimm ist es, dass Ihre zwei strategischen Instrumente in der Anfrage Angstmache und Klassenkampf sind. Und eigentlich muss ich Ihnen ganz offen sagen, Herr Abgeordneter Gusenbauer: Das ist unter Ihrem Niveau! Wenn Sie in die Anfragebegründung


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hineinschreiben, es wird geplant, dass wir Rollstühle und orthopädische Behelfe einsparen oder mit Selbstbehalt belegen wollen, dann muss ich sagen: Das ist einfach unrichtig! Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie nicht einmal lesen, was diese Regierung vorschlägt. In unserem Arbeitsplan ist ausdrücklich enthalten – ich habe ihn sogar mit –: ausgenommen Maßnahmen der Rehabilitation gemäß ASVG, Rollstühle, orthopädische Gehbehelfe. – Hören Sie auf, den Menschen Angst zu machen, Herr Abgeordneter, selbst in der Opposition! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In der Anfragebegründung schreiben Sie, wir wollen den Unternehmern große Geschenke machen. (Ruf bei der SPÖ: No na!) Wir belasten die Autofahrer, und die LKW-Fahrer wären von der Versicherungssteuer ausgenommen. – Hören Sie zu! Herr Abgeordneter Gusenbauer! Wissen Sie denn nicht, dass es gar keine Versicherungssteuer für LKW gibt? (Heiterkeit.) 30 Jahre lang stellte doch Ihre Partei den Finanzminister! Aber sozial ausgewogen, wie wir vorgehen, erhöhen wir immerhin die Schwerverkehrsabgabe für LKW von 16 000 S auf bis zu 21 000 S, je nach den Abgasen. Das ist bitte ökologisch und sozial verträglich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie glauben uns kritisieren zu können, wenn wir sagen, für die Treffsicherheit von sozialen Ausgaben sollen 3 Milliarden Schilling im Budget eingestellt werden, und begründen das damit, dass wir damit die Einkommensschwachen noch mehr schwächen wollen. – Herr Abgeordneter Gusenbauer! Das Gegenteil ist wahr! Wissen Sie denn nicht mehr, dass wir gemeinsam mit Ihnen diese 3 Milliarden Schilling auch schon außer Streit gestellt haben? (Abg. Dr. Gusenbauer: "Karenzgeld für alle!") Sie sollen dazu dienen, dass nicht jene eine Leistung bekommen, die sie nicht brauchen, sondern dass jene, die schwach sind, jederzeit jede Leistung bekommen sollen. Das ist der Sinn! Ich hoffe, Sie haben es wenigstens jetzt verstanden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nächster Punkt: die Handys. Ja, bitte, auch bei Rudolf Edlinger stand völlig außer Streit, dass 4 Milliarden Schilling dafür angesetzt werden. Und werden es mehr, dann werden wir vielleicht eine Milliarde oder 1,5 Milliarden oder 2 Milliarden für offensive Ausgaben, für eine Forschungsoffensive einsetzen. Der Rest dient der Schuldentilgung. So war es vereinbart, und so werden wir es auch auf Punkt und Beistrich machen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damals wussten wir aber noch nicht, dass die Engländer für die Lizenzen 500 Milliarden Schilling bekommen. Also jetzt werden wir einmal sehen, was die Versteigerung der Handylizenz wirklich bringt. Und wir werden so seriös sein, dass wir nicht eine utopische Zahl einsetzen, sondern genau bei dem seriösen Weg bleiben, den Karl-Heinz Grasser vorgegeben hat und der eigentlich ursprünglich auch Ihr seriöser Weg gewesen wäre. Wir werden eine bescheidene Summe für eine Offensive einsetzen, der Rest muss für die Schuldenreduktion eingesetzt werden. So verlangt es die Staatsräson! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das Groteskeste ist ja die Legende, wir machen den Unternehmern Geschenke durch die Absenkung, durch die Reduktion der Lohnnebenkosten. (Abg. Sophie Bauer: So ist es!)  – Frau Abgeordnete! Ich habe mir den gemeinsam mit Ihnen ausverhandelten Text eines Koalitionsabkommens mitgenommen. Da steht unter Punkt 10: Stärkung des Wirtschaftsstandortes – jedes Wort ist mit Ihnen ausverhandelt worden –: In einem Bündnis für Arbeit und Wirtschaft wird die Bundesregierung mit den Sozialpartnern zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich und zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen bis 2003 die Lohnnebenkosten im Ausmaß von 15 Milliarden Schilling pro Jahr nachhaltig absenken. (Abg. Dr. Stummvoll: Aha!)

Wissen Sie denn nicht mehr, was Sie noch vor 100 Tagen mit uns seriös und verantwortungsvoll verhandelt haben? So schnell ist das Kurzzeitgedächtnis weg, dass man nicht mehr weiß, was eigentlich für die Stärkung und Sicherung der Arbeitsplätze notwendig wäre? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Das Ganze vorlesen!)

Sie zitieren ja gerne Professor Walterskirchen und einige andere vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Diese haben im November 1999 eine eigene Studie mit dem Titel "Die Möglichkeiten und Auswirkungen einer Senkung der Lohnnebenkosten" – Autoren: Walterskirchen, Huber,


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Lehner und Andrea Weber – herausgegeben. Sie fragen darin: Warum ist es sinnvoll, die Lohnnebenkosten zu senken? – Vor allem zwei Argumente sprechen dafür: die damit verbundene Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit – das spielt in einer kleinen, offenen Volkswirtschaft wie der österreichischen für das Wirtschaftswachstum eine besondere Rolle – und die Erhöhung der Beschäftigungsintensität des Wachstums.

Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen, bitte immerhin ein ThinkTank der Sozialpartner, hat es kürzlich so formuliert: "Wenn das wirtschaftliche Hauptproblem Europas die völlig unbefriedigende Beschäftigung ist, muss es Hauptaufgabe der Steuerpolitik sein, unterstützende Beiträge für mehr Beschäftigung zu liefern. Der wichtigste Ansatz wird dabei die Senkung der Lohnnebenkosten sein." – Da haben Sie noch gewusst, was wirtschaftlich vernünftig ist! (Abg. Dr. Khol: Aha! – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher: Wir werden uns da nicht beirren lassen. Wir werden diese Linie gehen, weil sie im Interesse der Arbeitsplätze und auch der Beschäftigten ist. (Abg. Dr. Gusenbauer: Geht der Finanzminister mit?)

Meine Damen und Herren! Für mich ist alles sozial gerecht, was Arbeit schafft. Sozial ungerecht ist daher alles, was Arbeit behindert. Wir müssen daher zu einer Belohnungs- statt zu einer Bestrafungsstrategie kommen. Alles ist sozial gerecht, was Arbeit vermittelt und nicht Arbeitslosigkeit einfach verwaltet. Daher auch eine Lockerung der Zuverdienstgrenzen. Daher unser Programm, den Arbeitslosen mehr Qualifikation, mehr Bildung, aber auch Anreize, gemeinwirtschaftliche Tätigkeiten zu übernehmen, zu geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sozial gerecht ist für uns von den Regierungsfraktionen alles, was allen Kindern gleiche Chancen bietet. Wenn wir den Kindern Zeit anbieten, Zeit von ihren Eltern – zwei Jahre für einen Partner, ein Jahr für den weiteren Partner –, dann ist das wahrscheinlich die wichtigste Investition für eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft und im Hinblick auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die wir uns überhaupt vorstellen können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vielleicht ist es Ihnen entgangen, aber eine kleine Statistik, vor kurzem publiziert, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Im Jahre 1999 ist zum ersten Mal seit 15 Jahren die Zahl der Todesfälle wieder größer als die Zahl der Geburten. Daher: Hören wir auf, so kurzfristig und kurzsichtig zu denken! Investitionen in Kinder, in Familien sind Investitionen in die Solidarität und in die Wärme unserer Gesellschaft, und das muss es uns wert sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Bures. )

Sozial gerecht ist für uns auch, dass wir in Generationen denken, Frau Abgeordnete, und nicht heute alles verbrauchen, was auch für die Zukunft und für die anderen, für die Jungen vorgesehen ist. In Generationen denken heißt, dass wir nicht ununterbrochen auf den Privilegien oder wohlerworbenen Rechten einer Gruppe beharren können.

Wenn wir etwa an die Pensionen denken, dann, muss ich sagen, ist hier natürlich in wenigen Tagen oder Wochen die Stunde der Entscheidung gekommen. Vor 50 Jahren wurde sieben Jahre länger gearbeitet und zwölf Jahre kürzer in der Pension gelebt. Jeder, der heute behauptet, man bräuchte nicht zu handeln, man bräuchte nichts zu tun, der gefährdet meiner Meinung nach den sozialen Frieden und die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft viel mehr, als wir es mit unseren Reformen tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen auch sehr offen: Sozial gerecht ist für mich, rechtzeitig zu handeln und auch die Schwachstellen aufzudecken. Es ist nicht sozial gerecht, wenn wir jedem auf Kosten der Kassen oder der Allgemeinheit ein Kopfwehpulver geben. Aber es ist sozial gerecht, wenn wir wirklich ein Gesundheitssystem erhalten, das nicht ab einem bestimmten Alter Menschen Medikamente nicht mehr zugänglich macht.

Ich halte es für einen der großen Skandale, dass jüngst aufgedeckt wurde, dass ein Chefarzt einer Sozialversicherung laut bestehenden Vorschriften einer Frau (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler )  – das war damals schon eine andere politische Zuständigkeit, das sei auch einmal


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gesagt – ein teures Medikament von einem Tag auf den anderen nicht mehr genehmigen konnte, weil sie an diesem Tag 70 Jahre alt geworden ist. – Das ist der eigentliche soziale Skandal, und nicht das Anheben der Rezeptgebühr von 45 auf 55 S, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für mich ist es sozial gerecht, wenn wir für ein krebskrankes Kind, das für seine Heilung eine Spezialklinik in Übersee braucht, die Kosten, die Hunderttausende Schilling betragen können, ersetzen. Das ist für mich sozial gerecht. Oder auch, wenn wir jemandem, der multiple Sklerose hat, die Chance geben, mit Hilfe eines teuren Medikamentes vielleicht Monate oder Jahre lang ohne Schmerzen zu leben. Aber im Gegenzug muss es erlaubt sein, die Frage zu stellen, ob man nicht für einen Spital- oder Ambulanzbesuch 150 S als Selbstkostenbeitrag bezahlen kann.

Meine Damen und Herren! Das ist für mich soziale und solidarische Gerechtigkeit: dass wir hier die Balance halten und nicht einfach wohlerworbene Privilegien verteidigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gleiches gilt natürlich auch für das Arbeitsrecht. Kann mir jemand erklären, wieso es ein eigenes Berufsrecht für Hausbesorgerinnen und Hausbesorger geben muss, nicht aber für Krankenschwestern? Warum muss es ein eigenes, ein besseres Pensionsrecht für Eisenbahner als für Lehrer geben? – Sozial gerecht ist für mich, das Ganze zu sehen und nicht in jedem Einzelfall an einem Privileg, das wohlerworben sein mag, festzuhalten, obwohl es in der heutigen Zeit wichtiger ist, an das Ganze und an die ganze Gesellschaft zu denken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das nenne ich Kreativität: Wenn wir ein solches solidarisches Modell entwickeln, das den Schwächeren und jenen, die wirklich Schutz in der Gesellschaft brauchen, hilft und dennoch die gesamtwirtschaftlichen Stabilitätsziele nicht gefährdet.

Sie haben in der Anfragebeantwortung geschrieben, Sie seien über die Entwicklung besorgt. Das wäre ich an Ihrer Stelle auch, wenn ich die Kritik von Professor Frisch – das ist nicht einer, der der ÖVP oder der FPÖ nahe steht – in diesen Tagen lesen würde. Der alten Regierung, vor allem Finanzminister Edlinger, warf Frisch vor, 1998 und 1999 habe es einen absoluten Stillstand in der Budgetkonsolidierung gegeben. – Da wäre ich auch besorgt, aber nicht, weil diese Regierung jetzt einen vernünftigen Budgetkurs fährt, sondern weil Sie jahrelang eigentlich die Zügel schleifen haben lassen und wir leider jetzt die Dinge in die Hand nehmen müssen und sie hoffentlich auch gut und richtig besorgen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu Ihren konkreten Anfragen.

Die erste Frage geht dahin, ob wir die Meinung der EU-Gremien teilen, dass das Konsolidierungserfordernis in der laufenden Legislaturperiode geringer wäre, wenn es zu keinen zusätzlichen Ausgaben wie höhere Militärausgaben, Karenzgeld für alle oder zusätzliche nationale Fördermittel für die Bauern käme, und so weiter.

Dann kommen noch die Lohnnebenkosten und zusätzliche Einnahmen – ganz abgesehen davon, dass nicht alle diese Einnahmen für die Budgetsanierung zur Verfügung stehen oder jedenfalls nicht dauerhaft, sondern zweckgewidmete Mittel entweder für die Familien oder für Unfälle oder für die Krankenversicherung sind und daher nicht einfach umgewidmet werden können, so wie Sie es glauben oder wollen. (Abg. Edlinger: Doch!)  – Genau das ist ja der Punkt: Selbstverständlich!, sagt Rudolf Edlinger. Das ist ja der große Graben, der uns trennt. Wir glauben, dass die Mittel zweckgewidmet für jene Begünstigten eingesetzt werden müssen, für die man auch die Beiträge einhebt, und man nicht willkürlich umverteilen kann.

Wir glauben, dass wir einen großen Konsolidierungsbedarf haben, das ist wahr. Wir wissen auch, dass wir nach den ersten 100 Tagen, in denen wir praktisch nur ein Sofortbudget für 2000 gemacht haben, eine sehr sorgsam strukturierte Gesamtreform für die ganze Periode vorlegen müssen. Ich sage Ihnen auch, es kann nicht unser Ehrgeiz sein, dass Österreich Schlusslicht der Euro-11 bleibt. Das kann für eines der reichsten Länder Europas kein Ziel sein.


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Daher werden wir uns mehr anstrengen müssen und hoffen auch auf Ihre Mitarbeit, auf Ihre Alternativvorschläge, und wir hoffen, dass Sie sich dem gesamtwirtschaftlichen Konsens letztlich nicht verschließen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 2, wie die verschiedenen Maßnahmen auf die einzelnen Gruppierungen wirken.

Dazu kann ich Ihnen sehr kurz sagen: Vieles von dem, was wir bisher gemacht haben, wirkt in einer außerordentlich positiven Art und Weise. Eineinviertel Millionen Arbeiter bekommen längere Zeit mehr Geld, wenn die Gleichstellung im Krankheits- oder im Dienstverhinderungsfall Gesetz wird, was derzeit im Parlament beraten wird.

Arbeiter und Angestellte werden, wenn unser modernes Abfertigungsrecht kommt, wesentlich leichter entweder zu einem Abfertigungsanspruch oder zu einer betrieblichen Pension kommen. Niemand wird dabei der Verlierer sein, selbst wenn Sie dies der Öffentlichkeit als Kürzungen verkaufen wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben Maßnahmen im Wohnrecht vorgeschlagen, die durch die Senkung der Betriebskosten oder die Senkung der Mieten ganz sicher Einkommensverbesserungen oder Kostenentlastungen für die Mieter und Benützer von Wohnungen zur Folge haben werden.

Die von uns eingeleitete beschleunigte Liberalisierung von Strom und Gas wird alle Einkommen, natürlich besonders die kleinen Einkommen, die viel weniger substituieren können, entlasten.

Die Neuordnung der ÖIAG wird ein Segen für die Mitarbeiter und die Zulieferer in den betroffenen Betrieben sein. Reden wir in einigen Monaten weiter, wenn die Profis, die wir vorgestern eingesetzt haben, ihre Arbeit aufnehmen und zum Wohl der Betriebe, zum Wohl der ganzen Gesellschaft und sicherlich auch der Aktionäre agieren werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bei den Bauern haben wir nicht vor, die Großbauern zu fördern, sondern etwas, was ich für absolut wichtig halte: Gerade die Einkommen in der Landwirtschaft sind in den letzten Jahren um etwa 0,7 Prozent je Landwirt gesunken. Die angesprochene Bergbauernhilfe, die Sie offensichtlich so stört, soll ja gerade den sozial schwachen und kleinen Landwirten helfen. Oder haben Sie schon einen Großbauern irgendwo im Gebirge getroffen? – Ich nicht, Herr Gusenbauer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die angesprochenen Umweltprogramme, die natürlich auch Geld kosten, dienen genau der Forderung, die Sie auch verschämt in einem Halbsatz drinnen haben, nämlich der flächendeckenden Ökologisierung der österreichischen Landwirtschaft und unserer Führungsrolle beim ökologischen Landbau.

Letzter Punkt, nicht zuletzt: Was wir vorhaben, ist, durch eine offensive Wirtschaftspolitik in den nächsten zwei Jahren 100 000 Arbeitsplätze zusätzlich zu schaffen – ein ehrgeiziges, aber erreichbares Ziel, denn auch zurzeit halten wir bei 50 000 Beschäftigen mehr als im Jahr 1999. Wenn wir das schaffen, werden wir allein für das Budget einen positiven Saldo von etwa 10 Milliarden Schilling bekommen. Das ist die Politik der Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 3, die sich auf Einnahmenerhöhungen oder "Anpassungen, wie Sie es nennen" bezieht.

Wir wollen vor allem auf der Ausgabenseite sparen und in die Strukturreformen hineingehen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Können Sie ausschließen?) So haben wir es ja auch beim Budget 2000 gehalten. Immerhin haben wir das Defizit halbiert, um 54 Milliarden Schilling auf etwa 54 oder 55 Milliarden halbiert. Wichtig ist uns dabei vor allem, dass wir auf der Zinsenseite, bei der Reduzierung der Schulden etwas tun. Wenn uns das nicht gelingt, dann kommen wir auch nie vom Erbe der 30 Jahre sozialistischer Finanzminister herunter, für das wir pro Jahr 100 Milliarden Schilling allein für Zinsen aufwenden. (Abg. Parnigoni: Wo waren Sie während dieser Jahre?)


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Übersehen Sie nicht, dass wir im heurigen Budget einen Primärüberschuss von 40 Milliarden Schilling nach Einnahmen/Ausgaben erwirtschaften, nicht berechnet die Zinsenzahlungen und die Rückzahlungen für das Kapital. Das ist Ihr Erbe, weil wir da noch immer nicht aus der Schuldenfalle herausgekommen sind. Dort liegt eigentlich die Lösung, und darauf wollen wir uns konzentrieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 4  – den Pensionen.

Die Beantwortung dieser Frage hängt ursächlich damit zusammen, ob wir im Parlament und in den Gesprächen mit den Sozialpartnern zu einem Konsens kommen. Ich würde ihn mir sehr wünschen, und ich möchte an dieser Stelle an alle anwesenden Sozialpartner appellieren, hierbei wirklich einen nationalen Konsens im Interesse der Jungen zu finden. Es kann doch nicht so sein, dass man praktisch in der Verteidigung der wohlerworbenen Rechte einer Generation, die in Wahrheit genau gewusst hat, dass es irgendwann einmal so wie in allen anderen europäischen Ländern zu einer schrittweisen Anhebung des Frühpensionsalters kommen wird, nichts tut. Ich meine, jetzt handeln heißt, solidarisch handeln und heißt, jetzt den Bestand des sozialen Netzes auch für die kommenden Jahre und Jahrzehnte zu sichern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zur Frage 5  – Kürzungen bei Förderungen und Investitionen.

Ich finde, schon die Frage ist einfach falsch formuliert, denn wir haben ja auch jetzt nicht generell, querfeldein mit dem Rasenmäher gekürzt. (Abg. Dr. Gusenbauer – in seiner Textvorlage auf die entsprechende Passage deutend –: Haben Sie das gelesen?) Nein, ich lese es ja gerade! – Allein in meinem Bereich habe ich etwa bei den Volksgruppenförderungen überhaupt nicht gekürzt, in der Kunstförderung nicht gekürzt, und wir haben in anderen Bereichen sogar Offensiven gestartet (Abg. Dr. Kostelka: Sie beantworten, was gar nicht gefragt ist! – Abg. Schieder: Das war nicht gefragt!), etwa in der Informations- und Kommunikationstechnologie, e-Austria, e-Education, e-Learning und alle diese Bereiche. Wir wollen uns daher ganz bewusst vor allem bei den Investitionen nicht auf Kürzungen hin bewegen, auch wenn kurzfristig im heurigen Jahr sicherlich nicht mehr drinnen gewesen ist.

Zur Frage 6, ob wir uns die Reformmaßnahmen, für die wir uns auch Termine gesetzt haben, wie bei den Lohnnebenkosten und bei den Familienmaßnahmen, weiterhin vornehmen werden.

Na selbstverständlich ist das die Absicht der Bundesregierung, das genau auf Punkt und Beistrich einzuhalten! (Abg. Dr. Gusenbauer: Und wie sieht das Ihr Finanzminister?) Ja, es ist die Absicht der Bundesregierung, das einzuhalten, und ich sage Ihnen ganz offen noch etwas dazu, was Sie vielleicht auch nicht mehr wissen: Vor einem Jahr gab es einen nationalen Konsens, dass wir in Österreich für den Katastrophenfall, für Transporte Hubschrauber ankaufen müssen. Damals waren Sie noch dafür. Ich bin heute auch noch dafür. Mein Kurzzeitgedächtnis funktioniert auch über 100 Tage hinaus. Wir werden diese notwendigen Maßnahmen im Interesse unserer Gesellschaft finanzieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die letzte Frage kann ich ja nur als ein wenig ironisch bezeichnen. Das ist ja nicht gerade eine Frage der Vollziehung, aber nehmen wir halt Ihren ironischen Ball auf. Ich verstehe die Bundesregierung als ein Team, und zu diesem Team gehören die Vizekanzlerin und natürlich für die Finanz- und Budgetpolitik Karl-Heinz Grasser an vorderster Stelle dazu. (Abg. Edlinger: Aha, das ist sehr interessant!) Na sicher, das ist der Unterschied zu euch von früher. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Unsere Kreativität, Herr Abgeordneter Gusenbauer, werden wir nicht gegeneinander richten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Gegen die Österreicher, das wissen wir!) Reibungsflächen, Reibungsverluste hat dieses Land genug! Was uns auszeichnet, und darauf bin ich tatsächlich ein wenig stolz, ist, dass wir in diesen 100 Tagen erstklassig zusammengearbeitet haben. Sie freut das nicht, aber die Bevölkerung draußen schätzt es umso mehr, und so wird es bleiben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Unsere Kreativität geht daher nicht in neue Belastungen, sondern in gute, umsetzbare, neue Ideen für das Land, für das Volk und für eine gute Politik. Und eines sage ich Ihnen nach der Rede schon noch, Herr Abgeordneter Gusenbauer: New Economy ist mit Old Politics Ihres Stils niemals möglich. Wir machen es anders! (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Lächerlich! – Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsbehandung!)

15.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte.

15.47

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Gemäß § 93 Abs. 4 der Geschäftsordnung ist das befragte Regierungsmitglied verpflichtet, die Fragen zu beantworten. (Abg. Schwarzenberger: Hat er gemacht! – Abg. Kiss  – in Richtung SPÖ –: Kauft dem Kostelka ein Hörgerät!) Eine der Fragen ist beispielsweise die klar mit einem "Ja" oder "Nein" zu beantwortende Frage: Können Sie ausschließen, dass im Laufe von 2001 oder in dieser Legislaturperiode Steuererhöhungen kommen?

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Sie haben diese und sechs weitere einfache Fragen nicht beantwortet. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Scheinwerfer ins Gesicht und Verhör dritten Grades!)

Ich richte daher im Sinne der Geschäftsordnung die Frage an Sie, wenn Sie nicht Willens oder in der Lage sind, diese Fragen hier zu beantworten, ob Sie den Österreichern und der Fraktion, die die Fragen gestellt hat, wenigstens schriftlich Auskunft geben werden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung vor. – Herr Klubobmann Dr. Khol, bitte.

15.48

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geschäftsordnung sieht klar und deutlich vor, dass Fragen zu beantworten sind, dass aber das Mittel, wenn Sie mit der Anfragebeantwortung nicht zufrieden sind ... (Abg. Dr. Kostelka: "Ja" oder "Nein"?)  – Nein, das hat schon Herr Kreisky gesagt, dass er kein dummer Mensch sei, der Fragen nur mit "Ja" und "Nein" beantwortet. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das hat Herr Kreisky schon gesagt!

Der Herr Präsident weiß es – und alle erfahrenen Mitglieder der Präsidialkonferenz wissen es –, dass es keinen Anspruch darauf gibt, dass eine Frage in einer bestimmten Weise inhaltlich beantwortet wird. (Abg. Dr. Kostelka: Aber inhaltlich beantwortet müssen sie werden!) Die Fragen wurden beantwortet. Wenn Sie die Antworten nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann können Sie den Antrag stellen, die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen. Dann werden wir sehen, ob das Plenum mit der Anfragebeantwortung zufrieden ist oder nicht. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Zitat von Kreisky hat ein bisschen anders gelautet, aber das macht nichts. (Abg. Haigermoser: Wie denn, Herr Präsident, wie hat es denn gelautet?)

Kollege Westenthaler, wollten Sie sich zu Wort melden? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Ich gebe jetzt zu dieser Geschäftsordnungsdebatte keine Erklärung ab. Ich habe nach der Geschäftsordnung keinen Einfluss auf die Anfragebeantwortung bei einer schriftlichen Beantwortung, bei einer Fragestunde oder bei einer Dringlichen, außer darauf, dass zum Beispiel die Formalerfordernisse erfüllt sein müssen. (Abg. Dr. Martin Graf: Und auch nicht auf die Fragen!) Da wir morgen Präsidialkonferenz haben, ist es, so denke ich, klüger, morgen darüber zu reden, als jetzt die Debatte fortzusetzen. (Abg. Dr. Khol: Der Präsident ist gnädig mit Herrn Kostelka!)


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Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung in dieser Sache liegen nicht vor.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Nürnberger. Ich muss aber zuvor noch feststellen, dass wir nunmehr in die Debatte eingehen, dass in dieser Debatte jede Fraktion eine Redezeit von 25 Minuten hat und dass in dieser Debatte kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf. – Herr Abgeordneter Nürnberger, bitte.

15.51

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister für Kassastürze! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie können argumentieren und schönreden, so viel Sie wollen, und ich werde es Ihnen dennoch beweisen: Ihre Maßnahmen sind die größte Umverteilung seit Bestehen der Zweiten Republik. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben, von Arbeitern, Angestellten, Beamten, Pensionisten zu Unternehmern, Selbständigen, Bauern und Hausherren. Ich werde Ihnen einige Beispiele dafür geben. (Abg. Ing. Westenthaler: Das sagt der Richtige! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ihre eigenen Zahlen: auf der einen Seite aufgelistet die Belastungen für die Arbeitnehmer, insgesamt rund 31 Milliarden Schilling, inklusive der Belastungen für die Pensionisten – auf der anderen Seite die Begünstigungen für Arbeitgeber, bei den Lohnnebenkosten 15 Milliarden Schilling.

Da Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, aus einer Wifo-Studie zitiert haben, erlaube ich mir, auch aus einer Studie von Experten des Wifo zur Frage der Lohnnebenkosten wie folgt zu zitieren:

"Zudem soll die Senkung der Lohnnebenkosten bei vollem In-Kraft-Treten im Jahr 2003 Einsparungen von 15 Milliarden Schilling bringen. Selbst, wenn man unterstellt, dass davon schätzungsweise ein Drittel wieder den Arbeitnehmern über gedämpfte Preise und positive Beschäftigungseffekte zufließen könnte, bleibt der Löwenanteil davon den Unternehmern. Eine Senkung der Lohnnebenkosten erscheint langfristig aus standort- und beschäftigungspolitischen Gründen sinnvoll. Sie sollte jedoch erst nach einer grundsätzlichen Konsolidierung des Budgets erfolgen."

Und jetzt kommt es: "Verteilungspolitisch bedeutet eine Senkung der Lohnnebenkosten eine massive Umverteilung zu den Unternehmern." – Zitatende.

So Experten des Wifo, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Unternehmer, Selbständige und die Landwirtschaft bekommen zum Beispiel 15 Milliarden Schilling durch die Senkung der Lohnnebenkosten. Herr Bundeskanzler, können Sie uns das erklären? Landwirtschaft: 6 Milliarden Schilling, da ist eine Senkung der Mineralölsteuern für die Bauern enthalten. Warum senken Sie nicht die Mineralölsteuer für die Pendler? – Insgesamt nach Abzug der Belastungen Geschenke von rund 21 Milliarden Schilling. (Abg. Dr. Mitterlehner: Welche Zeit?) Also 31 Milliarden Schilling Belastungen auf der einen und 21 Milliarden Geschenke auf der anderen Seite. Jetzt frage ich Sie, Herr Bundeskanzler: Wer macht da Angst? Wer betreibt da Klassenkampf? – Sicherlich nicht die Sozialdemokratie, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Keine Polemik!)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben den Budgetexperten Fritsch zitiert. Ich frage Sie: Warum haben Sie nicht auch die Titelseite zitiert? Auf der wird nämlich vom selben Budgetexperten ausgeführt: "Familienpaket aufschieben – Karenzgeld für alle und Berufsheer sind vorerst nicht finanzierbar." (Abg. Edlinger: Das nennt man selektive Wahrnehmung!) Aber wie ich Sie kenne, Herr Bundeskanzler, haben Sie den Ehrgeiz, auch der Millionärin Frau Bartenstein ein Karenzgeld zuzuschieben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarzenberger: Ist das jetzt Klassenkampf oder nicht?)

Sie feierten 100 Tage FPÖ/ÖVP-Regierung. Die Öffentlichkeit sollte überzeugt werden, Sie seien jung, dynamisch, reformfreudig. In Wirklichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, sind Sie uralt. Weil Sie zur Zeit Thatchers und Reagans nicht an


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der Macht waren, meinen Sie, diese Politik jetzt nachholen zu müssen. Aber nicht einmal noch konservativere Parteien in der Welt machen heute mehr eine Politik wie Sie! Sie verfolgen eine überholte Politik und sind damit eine Uralt-Regierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Umverteilung von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern: Ich bin froh, dass Herr Abgeordneter Stummvoll – im Moment ist er nicht da – auf der Rednerliste steht. Ich möchte Ihn nur bitten – er ist ja ein sehr intelligenter Mensch, ich schätze ihn –, sich einmal etwas anderes einfallen zu lassen als den Vergleich mit dem Boot. Meine Antwort kennt er – ich bekenne mich dazu –, aber anscheinend versteht er den Vergleich mit dem Rudern und mit dem Sonnendeck nicht. Dann sage ich ihm eben, dass dieses Boot eine extreme Schieflage hat.

Der Herr Bundeskanzler hat wieder von der großartigen Reform der Angleichung der Rechte bei den Arbeitern und Angestellten gesprochen. Bei dieser Reform bleibt aber unter dem Strich für die Arbeitgeber ein "Körberlgeld" von 2,3 Milliarden Schilling übrig!

Sie hören auch den Ausdruck "Mogelpackung" nicht gerne, also verwende ich einen anderen Ausdruck: Das ist ein großer Luftballon! Was ist ein großer Luftballon? – Ein bisschen Gummi und viel Luft drinnen. Hin und wieder kommt er einem auch aus, es macht "pflusch", und es ist nichts mehr da, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Zur "Abfertigung neu". Erklären Sie der Öffentlichkeit, Herr Bundeskanzler, wieso die Arbeitgeber darüber jubeln, dass sie in Zukunft 5 Milliarden Schilling weniger zahlen müssen! Ich sage Ihnen, diese "Abfertigung neu" ist eine Zwangsenteignung der Arbeitnehmer dieses Landes. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Na geh, so ein Unsinn! – Abg. Dr. Puttinger  – in Richtung SPÖ –: Uralt-Denken!)

Oder: Lehrlinge, Verlängerung der Arbeitszeit bis 23 Uhr. Was steckt dahinter, Herr Puttinger? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Teure ältere Arbeitskräfte, denen Sie Überstundenentlohnung bezahlen müssten, tauschen Sie gegen billige Lehrlinge aus. Was ist das? – Den Arbeitnehmern nehmen Sie das Geld aus der Tasche, und es bleibt mehr für Sie, für die Gastwirte übrig! (Beifall bei der SPÖ.)

Anmerkungen zu den Fragen des Ist-Lohnes, der Arbeitszeit und so weiter streiche ich aus Zeitmangel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Haigermoser: Bist du Oberkellner in der Transsibirischen Eisenbahn oder was?) Das Resümee stammt wieder aus der Zusammenfassung der Studie, und da die Zeit schon ein bisschen fortgeschritten ist, zitiere ich nur den letzten Satz. Darin heißt es – ich zitiere –:

"Es kann eine politische Strategie im Geiste von Reagan und Thatcher sein, die Unternehmer sowie die Besserverdienenden zu entlasten – Leistung muss sich wieder lohnen – und die einkommensschwächeren Haushalte stärker zur Kasse zu bitten. Aber man sollte diese Strategie nicht als Politik für den kleinen Mann verkaufen." – Zitatende.

So die Experten des Wirtschaftsforschungsinstitutes, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Wissen Sie, was Sie, was die Abgeordneten Khol, Stummvoll, ich, was viele hier herinnen gemeinsam haben? Wenn wir in Zukunft beim Heurigen sitzen, müssen wir auf Grund dieser Belastungen nicht einmal um ein Achtel Wein weniger trinken. Aber Ausgleichszulagenempfänger oder Alleinverdiener mit zwei Kindern werden sich auf Grund dieses Belastungspaketes sehr stark einschränken müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

In letzter Zeit werden die neu gewählten Arbeiterkammern konstituiert. Bei einer solchen Konstituierung hat ein Arbeiterkammerpräsident in seiner Antrittsrede Folgendes gesagt: In seiner


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Rede betonte der wiedergewählte AK-Präsident die Wichtigkeit, "alles für die Menschen zu tun, für die wir gewählt worden sind". Es sei Zeit, "Vollgas zu geben" und sich "gegen die beabsichtigten Belastungen der Regierung" zu wehren. – Zitatende.

Die beiden Generalsekretäre Zierler und Rauch-Kallat hätten wieder gesagt: wild gewordene, sozialdemokratische Kammerpräsidenten! Herr Bundeskanzler! Wissen Sie, wer das – "Gas geben gegen die Regierung" – gesagt hat? – Ihr Parteifreund, der Tiroler Kammerpräsident Dinkhauser. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu meinem Schlusswort kommen. Es ist auch nicht mein Schlusswort, ich leihe mir die Worte von einem nicht unbekannten ehemaligen Parlamentskollegen, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Herr Bundeskanzler, von Ihrem Parteifreund Fritz Neugebauer. Er sagte vor 4 000 Betriebsräten:

"Wir können – und ich sage das völlig emotionslos – aus der Erfahrung der Geschichte, der guten Entwicklung in der Zweiten Republik, dieser Bundesregierung nur empfehlen, nicht auf die Mitarbeit und Mitverantwortung der Gewerkschaften zu verzichten. Andernfalls hätte sie ihr Ablaufdatum vorprogrammiert. Gelebte Sozialpartnerschaft ist angesagt, Regieren heißt regieren und nicht diktieren. Ein Diktat werden wir aktiv bekämpfen." – Ende des Zitates.

Herr Bundeskanzler, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Worten von Fritz Neugebauer nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haupt. Er hat das Wort. Die Uhr ist auf 8 Minuten eingestellt. – Bitte.

15.59

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Ing. Westenthaler: Guten Flug, Herr Gusenbauer!) Herr Kollege Nürnberger, Sie haben gerade mit Ihrer Rede einen Kredit verspielt, den Sie, so wie viele andere Gewerkschafter, die ich in der Vergangenheit geschätzt habe, bei mir eigentlich gehabt haben. Beginnend mit Präsident Hesoun, über Kollegen Hums, Kollegen Geppert, Kollegen Ettl, bis hin zum Präsidenten Unterrieder in Kärnten habe ich auch Sie, Kollege Nürnberger, bisher als jemanden eingeschätzt, der Handschlagqualität hat. (Abg. Nürnberger: Stimmt ja nicht!)

Vor zwei Stunden haben Sie hier im Parlament der Frau Sozialminister bei der Überreichung der Broschüre der Arbeiterkammer versprochen, dass Sie, wenn sie Ihnen nachweist, dass die drei Berechnungsbeispiele falsch sind, hierher an dieses Rednerpult gehen und in entsprechender Form revozieren werden.

Sehr geehrter Herr Kollege! Alle hier im Parlament haben die Aussagen der Frau Sozialminister gehört, alle haben gehört, dass Ihre drei Beispiele durchwegs falsch waren. Aber in Ihrer Rede, sehr geehrter Herr Kollege, haben Sie kein einziges Wort von dem, was Sie der Frau Sozialministerin versprochen haben, gesagt. Und ich bezweifle, dass die anderen Zahlen, die Sie vorgelegt haben, seriöser sind als jene Zahlen, die Sie in den Rechenbeispielen gehabt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrter Herr Kollege Nürnberger! Sie kommen nicht darum herum: Das Wort, das Sie der Frau Sozialministerin gegeben haben, Ihr gewerkschaftliches Angebot haben Sie nicht eingehalten. (Abg. Mag. Trattner: Die SPÖ flüchtet vor der eigenen Dringlichen!) Wenn das der neue Stil der Zusammenarbeit in der Sozialpartnerschaft sein soll, dann wirklich: Guten Abend, Österreich!

Sehr geehrter Herr Kollege Nürnberger! Wenn Sie heute hier lang und breit ausgeführt haben, dass von dieser Bundesregierung die Unternehmer gestärkt werden, dann wissen Sie im Innersten Ihres Herzens genau, dass nicht die Unternehmer, sondern die Unternehmungen und


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damit der Wirtschaftsstandort Österreich gestärkt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie wissen das ganz genau, sehr geehrter Herr Kollege Nürnberger, und die Arbeitsmarktdaten der letzten Wochen und Monate zeigen das auch klar und beredt.

Da Sie hier begonnen haben, sozialkritische Aussagen zu machen, indem Sie dieser Bundesregierung eine Umverteilung von unten nach oben vorwarfen, darf ich Sie, sehr geehrter Herr Kollege, doch daran erinnern, was jemand aus Ihrem Bereich, nämlich der ehemalige ÖGB-Chef von Tirol, Kaltenhauser, Herrn Kollegen Edlinger am 14. Jänner 2000 vorgehalten hat: Der Edlinger-Bua sei der Schutzherr der Herren Haselsteiner, Prinzhorn und Konsorten geworden, der Reichen gegen die Armen. (Abg. Parnigoni: Wer ist Herr Kaltenhauser?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Einschätzung der Politik, die Edlinger gemacht hat, durch Ihre eigenen Parteifreunde ist nichts hinzuzufügen. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Selbstverständlich! Sie sollten sich die entsprechenden Presseaussendungen zu Gemüte führen, und wenn Sie sie nicht haben, Herr Kollege, werde ich sie Ihnen gerne zur Verfügung stellen.

Noch etwas, sehr geehrter Herr Kollege! Darf ich es Ihnen genau vorlesen: "Kurier" vom 14. Jänner 2000:

"Deutliche Worte vom Alt-Klubobmann der SP. "Der Arbeiterbua Edlinger ist der Schutzherr für Androsch, Prinzhorn und andere Stiftungsherren geworden." Klubobmann der Tiroler Sozialdemokraten, Alfons Kaufmann.

Sie können es nachlesen, "Kurier" vom 14. Jänner 2000, Seite 8, Ressort Chronik, Tiroler Ausgabe. Ich gebe es Ihnen gerne, falls Sie es überlesen haben sollten, Herr Kollege Edlinger.

Noch ein Wort zum Kollegen Dinkhauser. Ich gebe Kollegen Dinkhauser durchaus Recht, dass jene Arbeiterkammerpräsidenten, die wieder gewählt worden sind, im Unterschied zu den sozialdemokratischen Kandidaten jene sind, die sich um die Anliegen der Arbeiter und der arbeitenden Menschen gekümmert haben und nicht um die Ideologie und um Manipulation mit falschen Zahlen, wie Sie es betreiben, Herr Kollege Nürnberger. Ich hätte mir von Ihnen, Kollege Nürnberger, in der heutigen Debatte mehr Seriosität erwartet.

Nunmehr zum Einbegleiter der heutigen Dringlichen, zum Kollegen Gusenbauer. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist denn Herr Gusenbauer?) Herr Kollege Gusenbauer, es ist ja schön, dass Sie heute wenigstens um 15 Uhr Zeit gehabt haben, die Dringliche einzubegleiten. Wie wichtig Ihnen das Thema und die Beschäftigten in Österreich sind, haben wir in der letzten Woche der Budgetdebatte gesehen, und das sehen wir heute auch wieder. Kaum haben Sie fertiggesprochen, kaum haben die Medien eingepackt, sind Sie, Herr Kollege Gusenbauer, weg. (Abg. Ing. Westenthaler: Beide Klubobmänner der sozialistischen Fraktion sind weg!) Das Schielen nach Medienberichten ist Ihnen wichtiger als eine seriöse Politik und seriöse Zahlen hier im Hohen Hause. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es wäre wichtig, Herr Kollege Gusenbauer, wenn Sie sich endlich der Oppositionsarbeit hier im österreichischen Parlament widmen würden und nicht zu den "Freunden" Österreichs von Moscovici beginnend bis hin zum belgischen Außenminister Michel bewegen würden, um Österreich im Ausland offensichtlich nicht gutzureden, sondern eine Verlängerung der Sanktionen herbeizuführen. Ich glaube, Herr Kollege Gusenbauer, für eine verantwortungsvolle Opposition, die über ein Drittel der Stimmen in diesem Haus verfügt, die die verfassungsmäßige Sperrminorität hat, wäre es höchst an der Zeit, in die Arbeit einzutreten, die Straße zu verlassen und das Schielen nach billigen Effekten im Fernsehen zu unterlassen und seriöse Vorschläge, seriöse Zahlen und seriöse Angebote vorzulegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf als Beispiel die Militärpolitik herausgreifen: Der Herr Bundeskanzler hat richtigerweise gesagt, dass die Hubschrauberanschaffung unbestritten war. Wir alle erinnern uns an Galtür, wir alle erinnern uns an die Aussagen Ihres ehemaligen Vorsitzenden und Bundeskanzlers Klima


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nach Galtür, wir alle erinnern uns noch an die Aussagen im Finanzausschuss zum Heeresbudget, als Kollege Leikam mitgeteilt hat, dass unter sozialdemokratischer Führung 1,5 Milliarden Schilling mehr für das Heer budgetiert worden wären. Und was steht heute in der Dringlichen Anfrage? Die unnötigen Ausgaben für das Bundesheer seien selbstverständlich eine Belastung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Adenauer hat einmal gesagt, man kann nicht daran gehindert werden, klüger zu werden. Sie, sehr geehrte Damen und Herren, werden offensichtlich dann von einer Minute zur anderen klug, wenn Sie nicht mehr in der Bundesregierung sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Zur Geschäftsbehandlung!)

16.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung. – Bitte, Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler.

16.06

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Oppositionsparteien und vor allem die SPÖ und ihr Klubobmann lassen keine Gelegenheit aus, immer wieder darauf zu drängen, dass bei Dringlichen Anfragen und anderen Geschäftsbehandlungen der zuständige Minister, in dem Fall auch der Bundeskanzler, auch wenn er noch so weit entfernt in Österreich unterwegs ist, ins Haus kommt, zur Regierungsbank kommt und sich den Fragen stellt.

Es entspricht nicht der Courtoisie des Hauses, und es ist eine Unerhörtheit, dass der Antragsteller gleich zu Beginn nach dem ersten Redner den Saal verlässt und hier nicht mehr anwesend ist. Ich halte das für eine Zumutung für das ganze Haus! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.06

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Dr. Kostelka zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.

16.06

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ganz kurz, Herr Präsident: Wenn etwas unerhört ist, dann ist es, dass sieben Fragen gestellt worden sind, klare, verständliche Fragen, und der Herr Bundeskanzler dezidiert abgelehnt hat, auch nur eine davon zu beantworten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Mitterlehner: Hör auf! – Abg. Schwarzenberger: Der muss schwerhörig sein!)

16.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Die Geschäftsordnung enthält Bestimmungen über die Anwesenheit von Regierungsmitgliedern. Sie enthält außer der Bestimmung über das Quorum keine über die Anwesenheit von Abgeordneten. Ich kann daher ebenfalls geschäftsordnungsmäßig in dieser Sache nicht einschreiten. (Abg. Jung: Er fehlt uns eh nicht! – Abg. Dr. Martin Graf: Dauernde Abwesenheit führt zu Mandatsentzug!)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

16.07

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn es nach der Geschäftsordnung formal nicht notwendig ist, wäre es doch für das Land gut, wenn Herr Kollege Gusenbauer bei uns wäre, denn wenn er im Ausland ist und mit seinen sozialdemokratischen Freunden darüber diskutiert, wie gerechtfertigt die Sanktionen gegen Österreich sind, richtet er mehr Schaden an, als wenn er hier wäre. Daher wäre eigentlich geboten, er sollte hier sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gebe aber gerne zu, dass ich es menschlich verstehe, dass er jetzt nicht hier ist. Ehrlich gestanden, ich hätte mich ja überhaupt als SPÖ-Parteiobmann zum Budget nicht zu Wort gemeldet. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Schon gar keine Dringliche eingebracht!) Wie Sozialisten mit Geld


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umgehen, meine Damen und Herren, haben wir gesehen bei der verstaatlichten Industrie, beim "Konsum" und bei den eigenen Parteifinanzen, Herr Kollege Kostelka. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn ich Parteifinanzen zu verantworten hätte, die sich in einem derartigen Desaster und Chaos befinden, würde ich mich hüten, hier im Hohen Haus vom Rednerpult aus gescheit über das Budget zu reden, Herr Kollege Kostelka. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Herr Kollege Parnigoni! Ein Wort auch noch zum Vorredner, Kollegen Nürnberger: Kollege Nürnberger hat heute etwas Wahres gesagt. (Abg. Edlinger: Er sagt immer was Wahres!) Er hat heute in der Budgetdebatte Soziales gemeint, er trete ein für die Anliegen des kleinen Mannes. Sein Hauptverdienst war, dass er mit der Verweigerung seiner Unterschrift unter dem Koalitionspakt den Weg frei gegeben hat für eine Regierung, die sehr wohl für den kleinen Mann eintritt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat Herrn Professor Helmut Frisch zu Recht zitiert, den wir alle sehr schätzen. Er ist seit vielen Jahren der Vorsitzende des Finanzschuldenausschusses. Er hat vor etwa zehn Tagen gesagt, die alte Regierung habe die Stabilitätsziele zu wenig ernst genommen. Was hat er damit gemeint? Er hat damit genau das gemeint, was wir schon kritisiert haben, als wir noch mit der SPÖ in einer Regierung waren, dass es nämlich Alt-Finanzminister Edlinger trotz massiver Aufforderungen durch den damaligen Vizekanzler und jetzigen Bundeskanzler, trotz vieler Aufforderungen aus dem Hohen Hause, vor zweieinhalb Jahren unterlassen hat, eine Ausgabeneinsparungskommission einzusetzen.

Die hätte Vorschläge machen sollen, wie die Steuerreform, die notwendig und richtig war, durch Ausgabeneinsparungen finanziert werden kann. (Abg. Parnigoni: Da hätte aber kein ÖVPler drinnen sitzen dürfen!) Herr Alt-Finanzminister Edlinger, das war ein schweres Versäumnis Ihrer Tätigkeit als Finanzminister! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der zweite große Vorwurf ist, dass Sie es waren, der den positiven Ausdruck "Sparen" – Sparen als positiver Grundwert – mit dem Ausdruck "Sparpaket" negativ besetzt hat, Herr Finanzminister! (Abg. Dr. Wittmann: Wo waren Sie?) Jetzt müssen wir uns bemühen, das Sparen wieder so zu definieren, wie wir es verstehen. Wir verstehen das Sparen nicht zu Lasten des Bürgers, sondern Sparen heißt für uns, die Mittel des Steuerzahlers effizient und sozial verträglich einzusetzen, meine Damen und Herren – und nicht Sparen zu Lasten des Bürgers! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Sie haben alles beschlossen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber da gibt es natürlich Probleme in Ihrer Partei, Herr Kollege Parnigoni. (Abg. Parnigoni: Überhaupt nicht!) Sie haben Probleme. Wenn man sich einbetoniert in ein starres, soziales Besitzstandsdenken, dann kann man mit der modernen Zeit nicht mitkommen. Wir werden mit den alten sozialistischen Rezepten die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft nicht bewältigen, Herr Kollege Parnigoni! (Abg. Dr. Wittmann: Sie waren zugleich in der Regierung! – Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

"Sozial" heißt heute – wie es der Bundeskanzler definiert hat –: Arbeit schaffen, Einkommenschancen erhöhen, in Generationen denken und nicht zulassen, dass durch eine Blockade der Reformpolitik die Zukunft unserer Kinder gefährdet wird. Das ist heute soziale Verantwortung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Der vorhin zitierte Professor Frisch hat heute im "Standard" einen zweiten Satz gesagt. Er hat über die alte Regierung gesagt – speziell hat er Finanzminister Edlinger erwähnt –, dass in den letzten zwei Jahren nichts zur Budgetkonsolidierung beigetragen wurde. Er hat damit Recht. Er fordert sehr massive Reformen, genauso wie Professor Kramer, wie Professor Felderer und wie Professor Lehner. (Abg. Dr. Wittmann: Wo waren Sie damals?)

Ihr Problem in der SPÖ besteht darin, dass Ihnen das, was wir heute an Reformen durchführen, viel zu rasch und viel zu einschneidend ist. (Abg. Dr. Wittmann: Wo waren Sie in den letzten


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Jahren?) Aber alle Experten sagen, wir müssten mehr tun – egal, ob es die EU-Kommission ist oder ob es unsere heimischen Experten sind. Sie sind hier in einem Dilemma, aus dem Sie nicht herauskommen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sagen: Was ist zu tun, um dieses Problem zu lösen? – Ich nenne nur vier Beispiele.

Erstens ist dies selbstverständlich die Aufgabenüberprüfung des Staates. Wir können Ausgaben nur einsparen, wenn wir Aufgaben überprüfen. Wir können diese Reformen im öffentlichen Dienst nur mit dem öffentlichen Dienst und nicht gegen ihn durchführen. Wir werden die kreativen Ideen jener Beamten und jener Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, die an der Front stehen und täglich sehen, was dort schief läuft, mit einbringen, um durch eine Reform im öffentlichen Dienst – ohne zu Lasten der Beamten zu sparen – die Mittel des Steuerzahlers sinnvoll einzusetzen.

Auch für das zweite Beispiel, die Pensionsreform, gilt: Wer heute behauptet, dass diese Reformen nicht notwendig sind, ist ein Scharlatan. Das würde nämlich bedeuten, die Zukunft unserer Jugend zu gefährden. Wir haben es vom Herrn Bundeskanzler gehört: Im Vergleich zu 1970 erfolgt heute der Eintritt ins Erwerbsleben zwei Jahre später, der Pensionsantritt vier Jahre früher, und der Pensionsbezug dauert acht Jahre länger. Wer hier Reformen blockiert, handelt sozial unverantwortlich und gefährdet die Zukunft unserer Kinder. Das werden wir nicht zulassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ein letzter Punkt: Wir sind uns bewusst – und auch diese Bundesregierung ist sich bewusst –, dass das Problem allein mit Ausgabeneinsparungen nicht lösbar ist. Wir treten für eine Doppelstrategie ein: Ausgaben einsparen auf der einen Seite, neue Arbeit schaffen auf der anderen Seite. Ich unterstreiche voll, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat: Diese Regierung wird in den nächsten zwei Jahren 100 000 neue Jobs schaffen! 100 000 neue Jobs, das heißt 10 Milliarden mehr an Einnahmen im Budget, das heißt 10 Milliarden weniger an Schulden, das heißt 10 Milliarden weniger an Budgetdefizit. Das sind die positiven Perspektiven für die Zukunft, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kogler. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Kukacka: Das wird ein fader Aufguss werden!)

16.15

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kanzler! (Ruf bei der ÖVP: "Bundeskanzler" heißt das!) Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Man macht sich durchaus Sorgen, wenn man die Debatte hier im Haus verfolgt, wenn man daran glauben will, dass sich hier drei staatstragende Parteien duellieren sollen, um die Finanz- und Budgetzukunft zu debattieren. (Abg. Dr. Stummvoll: Ihre Partei ist nicht staatstragend!)

Ich habe tatsächlich den Eindruck, den Kollege Gusenbauer wiedergegeben hat: Es handelt sich hier um eine Show-Regierung, es handelt sich um Show-Fraktionen (Abg. Donabauer: Wo ist der Gusenbauer?)  – dazu komme ich noch, abwarten! –, die tatsächlich schon klatschen, bevor noch der Kanzler überhaupt etwas gesagt hat. (Abg. Dr. Khol: Also bei Ihnen passiert das nicht!) Ich weiß nicht, was das alles hier in dem Haus soll. Ich habe Ihnen schon das letzte Mal gesagt: Wenn der Westenthaler noch ein paar Mal ins Stadion geht, machen Sie alle nachher hier die Welle. Das ist wirklich ein Showprogramm! (Abg. Ing. Westenthaler: Das war jetzt halb-lustig!)

Die Absenz des Kollegen Gusenbauer ist eine Sache. Aber die Sache seiner Rede ist ernster, da er nämlich sehr viel Zeit darauf verwendet hat, eine Aneinanderreihung von Kalauern zu bieten, und wenig dazu gesagt hat, was die Verantwortung der SPÖ-Regierung in der Vergangenheit betrifft. Das muss man einfach einmal festhalten. Es ist Ihnen nicht nur nicht zu ersparen, meine Damen und Herren von dieser Hälfte, sondern es ist Ihnen auch vorzuhalten. Es wird bitte Besserung einkehren müssen, was das betrifft.


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Ich erinnere daran, dass wir hier jetzt nicht das erste Sparpaket haben. Darauf wird noch einzugehen sein; ich würde sagen, das ist ein Umverteilungspaket und kein Sparpaket. Wir haben schon zwei Sparpakete gehabt, die immerhin das Ziel hatten, etwas zur Budgetkonsolidierung beizutragen. Aber auch die SPÖ hat in ihrer vormaligen Regierungsbeteiligung Sparpakete gemacht, die die kleineren Einkommensschichten relativ stärker getroffen haben. (Abg. Ing. Westenthaler: So ist es!) Das muss festgehalten werden! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Stimmt das, Herr Edlinger? – Abg. Edlinger: Koalition!)

Es ist sogar so, dass gewisse Parallelen zu dem vorhanden waren, was wir heute feststellen. Die Folge dessen, dass wir Sparpakete gehabt hatten, waren Steuerreformen, die den Unternehmenssektor in diesem Land so begünstigt haben wie sonst nirgends im OECD-Raum. Das wird Sie freuen! Wir dürfen uns diese Kritik erlauben, und wir haben auch die Verpflichtung dazu (Abg. Ing. Westenthaler: Sehr gut!), weil die SPÖ-Regierung über die Jahre, sagen wir, 1993 und 1994 hinweg – das ist der entsprechende Zeitraum – genau die Vorbereitungen für diesen Kurs getroffen hat, der jetzt voll zuschlägt. (Abg. Silhavy: Lieber Kollege Kogler! Damals hat es keine SPÖ-Alleinregierung gegeben! Ich möchte Sie nur daran erinnern!)

Frau Kollegin Silhavy! Nehmen wir doch irgendetwas heraus: Das Stiftungssteuerrecht sucht in Europa seinesgleichen. Man hätte damals gleich in die rot-schwarze Regierungsvorlage hineinschreiben können, dass Einkommen von über 1 Milliarde Schilling in Österreich steuerfrei gestellt sind. Das wäre ehrlicher gewesen. Und das haben Sie mit zu verantworten! (Beifall bei den Grünen.)

Ich gestehe Ihnen zu, dass man das jetzt nicht ohne weiteres rückgängig machen kann, ohne quasi die Anleger zu verprellen. Das sehe ich noch ein, aber der Fehler, der da passiert ist, war enorm. Es ist Lacina nicht darin Recht zu geben, dass er meinte: Dadurch kommt Kapital herein, das sonst nicht da wäre, und wir haben die zusätzlichen Einnahmen. – Es haben nämlich sehr viele prominente Österreicher – Prinzhorn fehlt! –, die sonst ihr Einkommen hier hätten und ihr Vermögen anders versteuern müssen, auch davon Gebrauch gemacht. Deshalb stimmt diese sozialdemokratische Ausrede nicht. Sie haben von dem, was heute Status quo der sozialen Lage in diesem Land ist, sehr viel mit zu verantworten. Das ist schlimm genug! (Beifall bei den Grünen.)

Aber kommen wir zum Paket dieser Regierung! Es ist eigentlich ein Umverteilungspaket, nämlich ein Paket einer Umverteilung von Arm zu Reich. Die diversen zitierten Wifo-Studien ergeben das ganz klar. Ich möchte das alles nicht mehr wiederholen; wir haben das schon im Budget-Hearing und hier in den meisten Debatten gehört.

Nur eine Feststellung: Das untere Einkommensdrittel wird mit 1,6 Prozent relativ um das Doppelte belastet gegenüber dem obersten Einkommensdrittel mit 0,8 Prozent. Das ist natürlich die neue Qualität: Nicht, dass jetzt mit den Mehreinnahmen irgendwie das Budget konsolidiert werden würde – nein, es werden die eigenen Klientelen versorgt! Das ist einer der wenigen Punkte, in denen Gusenbauer Recht zu geben ist; das stimmt!

Jetzt muss man sich natürlich fragen, was die Strategie dieser Bundesregierung ist. Wir haben schon einen ausgerufenen Kassasturz hinter uns; er hat jedoch noch nicht zum Sturz des Ministers oder gar der Regierung geführt, das ist richtig. (Abg. Parnigoni: Das lässt ja jetzt hoffen für den nächsten Kassasturz!) Allerdings sind Sie bei dem groß angekündigten Vorhaben der "Leichensucherei" im Keller tagelang verschwunden, Herr Finanzminister, um dann im "NEWS" mit einer Zahl aufzutauchen, die sich um nicht einmal 1 Prozent von dem unterschieden hat, was Edlinger die ganze Zeit gesagt hatte. Das war das Ergebnis Ihrer "Leichensucherei". (Beifall bei den Grünen.)

Sie stellen sich damit durchaus in eine gewisse Tradition. Fast würde mir da – ich weiß nicht, ob das Ordnungsruf-tauglich ist – das Wort "Leichenfledderei" einfallen. Diese Tradition wird jetzt fortgesetzt, wie bereits festgestellt wurde.

Jetzt ist offensichtlich der Aufbereitungskurs für die nächste Umverteilungs-Orgie im Gange, nämlich noch einmal von Arm zu Reich. Deshalb ist der Begriff "Kassasturz" mit Sorge zu ver


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nehmen. Wenn der empirische Befund stimmt, dann heißt es nämlich nicht "Guten Abend, Österreich!", wie Kollege Haupt gesagt hat, sondern "Gute Nacht, Österreich!" Sie gefährden mit dieser Ansage den sozialen Frieden in Österreich! Das kann ich Ihnen einfach nicht ersparen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben von Kollegen Gusenbauer zu Recht eingefordert, dass durchaus auch die Opposition aufgerufen und manchmal sogar angehalten ist – wenn sie bald neue Mehrheiten in dem Land schaffen will –, selbst Vorschläge zu machen. Okay, schauen wir uns das in der restlichen Zeit an!

Die Unternehmensbesteuerung in Österreich ist, wie gesagt, der Höhe nach am Ende der OECD-Skala. Wir haben im Unternehmensbesteuerungssektor durchwegs die halben Steuersätze im Vergleich zu den Vereinigten Staaten – die halben Steuersätze gegenüber den USA, das muss man sich einmal vorstellen! Die Lohn- und Einkommensteuern sind entsprechend höher. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Das stimmt ja nicht, Herr Abgeordneter!) Natürlich stimmt es, lesen Sie die einschlägigen Berichte!

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Kogler, ich unterbreche Sie für eine Sekunde. Ich hatte die Uhr irrtümlich falsch eingestellt, Sie haben ab jetzt noch 3 Minuten an Redezeit. Bitte um Entschuldigung!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): So gewinnt man auch etwas. (Heiterkeit.) Das wäre natürlich eine Gelegenheit, um einmal ein wenig phantasievoller darüber nachzudenken, ob man nicht eine Korrektur machen kann, wenn das Problem existiert – und das anerkenne ich ja –, dass gespart werden muss. Die grüne Fraktion ist nicht so weit, dass sie sagt: Wurscht, was Staatsquote und Schuldenquote sind. Es ist völlig klar, dass das Begrenzungen unterliegt.

Ich mache Sie bei der Gelegenheit aber darauf aufmerksam, dass das selbstverständlich eine klare Folge des Euro-Raumes und der Euro-Zentriertheit ist. Die Währungsunion, die hier gemacht wurde – darauf ist von den Grünen immer hingewiesen worden –, hatte eine klare Tendenz. Es hätte zwei Wege gegeben. Der eine wäre eine Einheitswährung gewesen, die durchaus eine sozialere Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik im europäischen Raum zugelassen hätte. Aber es wurde mit diesem Euro-Konzept, mit den Stabilitätskriterien und dem Stabilitätspakt glasklar und knallhart ein neoliberales Wirtschaftskonzept durchgesetzt.

Wir haben dem zu folgen – noch dazu, da wir die Sünden der Vergangenheit auszubaden haben; darin gebe ich Ihnen Recht –, sodass an der Budgetkonsolidierung letztlich kein Weg vorbeiführt. Wenn das jetzt der Fall ist, dann können Sie nicht hergehen und noch einmal einnahmenseitig wie ausgabenseitig bei den Ärmsten anfangen. Deshalb muss es legitim sein, darüber nachzudenken, ob man, wenn man eingreift, nicht bei den Unternehmensbesteuerungen, bei den Stiftungsbesteuerungen oder bei den Vermögenssteuern insgesamt eingreift. Das wird jedenfalls gescheiter sein, als noch einmal die unteren EinkommensbezieherInnen, AlleinerzieherInnen et cetera zu belasten.

Nächster Punkt: Hinsichtlich der Wohnbauförderung könnte man phantasievoll darüber nachdenken, ob sie nicht zumindest zu hoch ist; noch dazu, da die Wohnbauförderung – im Übrigen völlig logischerweise, wenn man darüber nachdenkt – ebenfalls Umverteilungseffekte von Arm zu Reich bewirkt. Bei diesem System, das wir haben, kommen nur die zumindest Teilbegüterten überhaupt in den Genuss dieser Förderungen; diejenigen, die nichts haben, können die Förderung gar nicht beanspruchen.

Ich möchte gar nicht davon reden, was rote, schwarze und, wie wir wissen, mittlerweile auch blaue Wohnbaugenossenschaften sonst an Geldern in den Sand setzen oder zumindest in die Parteikassen befördern. Das ist aber im Vergleich zum Gesamtproblem marginal, das gebe ich zu. Jedenfalls ist dieses System der Wohnbauförderung völlig überholt, und darüber sollte man einmal nachdenken. Da sind Milliarden zu holen, das wissen Sie ganz genau. (Beifall bei den Grünen.)


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Letzter Punkt: die Militärausgaben. Das ist auch etwas für die SPÖ, ich muss sie noch einmal mit ins Boot nehmen; dieser historische Schulterschluss ist also hier nicht mehr zu vermeiden, zumindest in dieser Betrachtung.

Sie von der SPÖ – der ehemalige Verteidigungsminister Fasslabend musste uns das im Rechnungshofausschuss vorlegen, als er noch Verteidigungsminister war – haben ebenfalls ein Papier, ein Koalitionsübereinkommen unterzeichnet (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), worin festgeschrieben wurde, dass eine außerbudgetäre Abfangjäger-Finanzierung vorgesehen ist, und zwar in Höhe von zig Milliarden.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Der Schlusssatz ist ganz einfach: Da ist ziemlich viel verloren, wenn bei Ihnen etwas zu gewinnen ist. Bitte schön, gehen Sie in sich, kommen Sie auf den richtigen Kurs! Das wäre gut für dieses Land, denn sonst werden die neuen Mehrheiten auch nicht zu neuen Richtungen führen. Das ist mein Appell, und das wäre gut für das Land. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Ah, er stellt die Rute ins Fenster!)

16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edlinger. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt werden wir die besseren Vorschläge erfahren! Wie es besser geht! – Abg. Mag. Trattner: Jetzt kommen die Alternativen!)

16.25

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Finanzminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist richtig und legitim, dass die sozialdemokratische Fraktion hier und heute diese Dringliche Anfrage gestellt hat. Es ist schon sonderbar, dass an jenem Tag, an dem das Budget 2000 beschlossen werden soll, von jenem Mitglied der Bundesregierung, das die Verantwortung für dieses Budget hat, bereits über Medien kolportiert wird, dass am Ende des Beginns des Budgets 2000 bereits ein Kassasturz steht, von dem er nicht weiß, wie groß die Differenz ist, die für das Budget 2001 hereingebracht werden muss – infolge der Tatsache, dass er an seine eigenen Zahlen im Budget 2000 nicht glaubt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Insofern halte ich es für wichtig und legitim, dass wir heute diese Frage besprechen. Aber ich möchte doch versuchen, auf einige in der Diskussion immer wiederkehrende Argumente einzugehen. Die Bundesregierung ist jetzt drei Monate im Amt, und es ist Zeit genug vergangen, um eine Bewertung der Politik dieser Regierung vornehmen zu können, eine Bewertung anhand wichtiger politischer Bereiche, die auch der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung angesprochen hat. Er hat damals die Politik unseres Landes, das er übernommen hat, nach drei Bilanzen dargestellt – wenn ich das in Erinnerung rufen darf –, nämlich nach der ökonomischen Erfolgsbilanz, der demokratischen Erfolgsbilanz und der sozialen Erfolgsbilanz.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich habe damals in meiner Rede nicht vergessen, Ihnen dafür recht herzlich zu danken, da dies aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers die Würdigung 30-jähriger sozialdemokratischer Politik in diesem Lande war! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bilanzen waren geprägt vom Konsens und der Toleranz. Im Mittelpunkt stand das Ziel, das es ständig zu verbessern gilt: das Ziel einer Gesellschaft des sozialen Zusammenhalts, einer Gesellschaft des Dialogs, einer Gesellschaft, die unter der neuen Bundesregierung durch Differenzierung und Fragmentierung dieser Gesellschaft zu zerbrechen droht. Das ist die Bilanz der drei Monate, die Sie allein zu vertreten haben, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Bilanzen zeigten auch 30 Jahre erfolgreicher Politik unter sozialdemokratischer Führung auf: 30 Jahre, in denen es gelungen ist, Österreich vom europäischen Nachzügler zur drittreichsten Nation Europas zu entwickeln (Abg. Mag. Trattner: Der höchsten Verschuldung!);


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30 Jahre lang zu den Ländern mit der geringsten Arbeitslosigkeit und einer hohen Beschäftigung zu gehören (Abg. Mag. Firlinger: Was ist mit den Schulden?), ein dichtes soziales Netz und eine der besten familienpolitischen Realitäten zu haben; 30 Jahre, in denen es gelungen ist, ein exzellentes Gesundheitssystem zu entwickeln, ein Pensionssystem, das den Alten einen guten Lebensabend garantiert (Abg. Mag. Trattner: Aber nicht finanzierbar ist!), einen freien Zugang zur Bildung und vieles andere mehr. Die Politik dieses Landes besteht nicht nur aus nackten Budgetzahlen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich frage mich bei Anerkenntnis des Konsolidierungszieles, ob die Portugiesen, die jetzt als Beispiel genannt werden, in der Realität gerne mit einem Österreicher tauschen wollen: ein geringeres Budgetdefizit und eine soziale Realität, die weit von dem entfernt ist, was in Österreich normal ist und was Sie jetzt gefährden, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Mag. Firlinger. ) Das möchte ich in aller Dezidiertheit feststellen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nie würde ich behaupten, dass diese 30 Jahre ausschließlich ein Ergebnis sozialdemokratischer Politik waren, denn ich habe kein selektives Erinnerungsvermögen, wie es aber offensichtlich der Herr Bundeskanzler hat. In den letzten 14 Jahren war nämlich die Österreichische Volkspartei mit den Sozialdemokraten in einer Koalitionsregierung, und jede einzelne Maßnahme der Regierung der letzten 14 Jahre war ein Ergebnis gemeinsam erzielter politischer Kompromisse! Das heißt, dass für jene Budgetsituation, die wir nun vorfinden, die gesamte Bundesregierung als Kollegialorgan, als Organ, das für die politische Führung dieses Landes verantwortlich ist, die Verantwortung trägt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte schon in aller Deutlichkeit sagen, dass in jenen drei Jahren, in denen ich die Ehre hatte, Finanzminister sein zu können, die Österreichische Volkspartei die treibende Kraft der Ausgabenpolitik dieser Bundesregierung war. Die FPÖ, damals in Opposition, klammere ich aus, denn mit Flat tax, Kinderbetreuungsscheck, Streichung der Kommunalsteuer, Streichung der Getränkesteuer hätten dem Budget weit über 100 Milliarden Schilling gefehlt.

Aber die klientelbezogene Ausgabenpolitik der ÖVP war ganz einfach Legion. Zu Beginn war das gemeinsame Ziel akzeptiert, aber ab dem Jahre 1998 wurde die ÖVP offenbar von allen guten Geistern verlassen. Sie wollten nämlich nicht eine maßvolle Steuerreform ohne zusätzliche Ausgaben anstreben, sondern der damalige Herr Vizekanzler sagte, was er – wie ich höre – kürzlich auch dem neuen Finanzminister gesagt hat: Alles geht, wenn man politisch will – ganz egal, wie nachher das Resultat im gemeinsamen Haushalt aussieht!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussionen, die wir vor einem Jahr geführt haben, lauteten etwa folgendermaßen – ich zitiere –:

Forderungen der ÖVP überzogen: Über 40 Milliarden Schilling für die Steuerrefom. Steuerreform: Edlinger blockt ÖVP-Wünsche ab! Karenzdebatte spitzt sich zu! Edlinger: VP-Forderungen ums Budget überzogen!

Was sagten die Bauern nach der Agenda 2000? – Edlinger muss ausgleichen, her mit dem Geld, ganz egal, woher es kommt!

Und ich war es, meine sehr verehrten Damen und Herren – und das sage ich Ihnen, Herr Dr. Stummvoll, und all den anderen, die immer von der Ahnungslosigkeit der Volkspartei in dieser Sache sprechen, in aller Deutlichkeit –, der öffentlich am 16. September, und das war nicht das erste Mal, sondern das letzte Mal, eingeschritten ist: "Edlingers Budgetposaune: Politik muss auch nein sagen können! – Neue Standpauke gegen unfinanzierbare ÖVP-FPÖ-Versprechen im Wahlkampf."

Und selbst jemand, der Politiker selten positiv qualifiziert, meinte am 18. Februar 1999 – ich lese es Ihnen vor –:

"Beinahe schon wie ein Fels in der Brandung steht in diesen Tagen der Finanzminister Edlinger da, um alle Geldforderungen abzuwehren, die unter dem Sperrfeuer schwerer Demagogie-


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Artillerie im derzeitigen Wahlkampf vorgebracht wird." – So weit "Staberl", der damit erfolglos versucht hat, mich vor Ihnen in Schutz zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eine abschließende Bemerkung machen. Noch ist es nicht zu spät, das Budget wieder in Tritt zu bringen und auch der Kritik aus der EU zu entsprechen. Wir brauchen nur eines: Sparsamkeit und keine zusätzlichen Ausgaben – keine familienpolitischen Ausgaben, keine Heeresausgaben, keine Unternehmerbonifikation, keine zusätzlichen Förderungen für welche Berufsgruppe auch immer.

Wenn Sie tun, was Ihnen die Experten vorschlagen (Ruf bei der ÖVP: Was Sie nicht gemacht haben!), dann, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierung, haben Sie eine Chance. Was Sie allerdings tun müssen – und der Herr Bundeskanzler verwendet neuerdings so gerne Worte wie etwa Seriosität –, wenn Sie seriös und gelassen bleiben wollen: Erklären Sie Ihr Regierungsprogramm zur Makulatur, und machen Sie eine ernsthafte Politik im Interesse der Menschen dieses Landes!

Sie haben gesagt, wir sollen aufhören, Angst zu machen. Wir machen keine Angst, wir brauchen auch keine Angst zu machen. (Rufe bei der ÖVP: Na, na, na!) Die Menschen, meine sehr verehrten Damen und Herren, beginnen sich langsam vor dem, was sie von Ihnen hören und lesen, von selbst zu fürchten. Das ist das Resultat der dreimonatigen Politik Ihrer Bundesregierung! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pilz. )

16.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaugg. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. Ich erteile ihm das Wort. (Abg. Edlinger: Der Vertreter des "kleinen Mannes"!)

16.35

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister Edlinger, das war wieder eine Folge von "Rudis Märchenstunde". Sie sind derjenige, der meint, nie in der Regierung gewesen zu sein, und Sie sind es, der ebenfalls ein Wort geprägt hat: "punktgenau"! (Abg. Edlinger: Es hat immer alles gestimmt!) Wir werden Sie zum "Pünktchen-Rudi" oder was auch immer ernennen. Es ist wirklich abenteuerlich, an dieses Rednerpult zu treten und zu behaupten, es wäre alles machbar! Dann muss ich Sie nämlich fragen: Warum sind Sie dermaßen daneben gelegen?

Sie sind mit Ihrem Budget daneben gelegen. Und diese Dringliche Anfrage würden wir sachlich gar nicht brauchen, denn es hätte Kollege Gusenbauer nur bei der Budgetdebatte ständig anwesend zu sein brauchen. Aber er hat andere Dinge zu tun gehabt, daher wird halt einmal eine Dringliche Anfrage gestellt. Sie wird ja deshalb gestellt, weil Sie Ihre Wahlniederlage nicht verkraften! (Abg. Dr. Gu


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senbauer: ... Kärntner Kammerwahl!)

Sie von der SPÖ verkraften Ihre Wahlniederlage nicht, daher arbeiten Sie mit Unterstellungen, mit Fehlinformationen und mit der Mobilisierung der Straße. (Abg. Dr. Gusenbauer: Ja, ja! Die Mobilisierung der Straße!) Sie arbeiten mit der Verunsicherung der Bevölkerung und mit Destabilisierung durch Interventionen im Ausland. Und Ihnen, Herr Vorsitzender, würde ich dringend empfehlen: Bleiben Sie hier, fahren Sie nicht nach Belgien! "Red Fred" sollte einmal im Lande bleiben und daran arbeiten (Abg. Dr. Gusenbauer: Dann verlieren Sie ja!), dass wir konstruktiv im Interesse der Bevölkerung etwas weiterbringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf: Nicht viel, wie man gesehen hat!)

Ihr Finanzminister, Herr Gusenbauer, war es nämlich, der eine Pleite hinterlassen hat. Aber wir werden dieses Land mit dem neuen Finanzminister zur Blüte führen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das kann ich Ihnen versprechen! (Abg. Schieder: Es ist eh schon im Verblühen!) Sie werden es erleben. Sie sind es, der verantwortlich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was Sie mit Ihrer Dringlichen Anfrage aufführen, ist Klassenkampf pur. Beuteln Sie doch endlich einmal den Staub der Moskauer Erde ab! Das ist ja nicht mehr erträglich! (Abg. Dr. Gusenbauer: Wissen Sie überhaupt, von was Sie reden?) Jedes Mal derselbe Klassenkampf! Häuselbesitzer und Vertreter des kleinen Mannes, wird immer gesagt.

Man braucht ja nur in die Reihen der SPÖ-Granden zu schauen, wie und wo sie wohnen. Ich will ja nicht jedes Mal den Verzetnitsch quälen, denn es wissen ohnehin schon alle, dass er in einem BAWAG-Penthouse mit Swimmingpool und Ähnlichem mehr wohnt. (Abg. Edlinger: Ich wohne unter Ausländern im 15. Bezirk!) Aber der Herr hinter Ihnen, Herr Kollege Edlinger, wohnt in – ich musste mir das aufschreiben, weil der Ort nicht besonders bekannt ist – Mannersdorf (Abg. Edlinger: Ich wohne ... in Fünfhaus!), natürlich, wie es ihm zusteht, mit Swimmingpool, damit er sich erholen kann, wenn er wieder einmal die Interessen der Metaller vertreten hat.

Hören Sie doch endlich einmal auf, immer vorzugeben, dass Sie die Interessen der kleinen Männer vertreten. Sie sind ja gar nicht so klein und so leicht! (Abg. Edlinger: Die kleinen Männer sitzen in der Regierung, da haben Sie Recht!)

Sie sollten sich, meine ich, eher darauf konzentrieren, was wirklich notwendig wäre. Stattdessen gehen Sie durch die Lande und betreiben eine Politik der verbrannten Erde, der Mobilisierung der Straße – zunächst durch die Demonstrationen, die Gewerkschaft geht auf die Straße und Ähnliches mehr.

Kollege Nürnberger hat so gesprochen, als ob es bis zum 4. Februar 2000 in Österreich ein Arbeiterparadies gegeben hätte. Bis zum 4. Februar war die Welt also offensichtlich in Ordnung. (Abg. Nürnberger: Besser ist es ihnen schon gegangen!) Jetzt wird sie besser. Ich garantiere Ihnen, sie wird besser (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) , und zwar aus zwei Gründen: Erstens, wenn Sie davon sprechen, dass die Abfertigung enteignet wird, wissen Sie, dass Sie die Unwahrheit sagen. Das ist einfach nicht wahr! Gerade Sie, die SPÖ-Fraktion, haben jahrelang vergessen, die Abfertigungen für alle Arbeitnehmer in Erwägung zu ziehen. – Das ist der erste Punkt.

Zweitens: die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten. Und ich bitte Herrn Präsidenten Verzetnitsch, dabei zuzuhören. Ich kann Ihnen versichern, dass ich als Abgeordneter genau darauf achten werde, dass es zu einer kostenneutralen Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten kommt. Das garantiere ich! (Abg. Verzetnitsch: Das werden wir ja sehen!) Das kann ich Ihnen garantieren. Und ich lade Sie ein, bei all diesen Dingen, die notwendig sind, um das zu erreichen, dabei zu sein.

Ihre soziale Ausgewogenheit, von der Sie auch in Ihrer Dringlichen Anfrage sprechen, endet dort, wo die Funktionäre des ÖGB nicht mehr selbst davon betroffen sind. ÖGB-Mitarbeiter erhalten zwei Jahresgehälter Abfertigung! (Abg. Verzetnitsch: 1994 abgeschafft!)  – Herr Präsident Verzetnitsch! Wo sind denn die Abfertigungen für die anderen Arbeiter in Österreich geblieben? Sie haben Kollektivverträge wie in Hollywood. Ihr Kollektivvertrag beim ÖGB und in der Arbeiterkammer bringt Einkommen, von denen andere Arbeitnehmer nur träumen können.

Hunderttausende Arbeitnehmer in Österreich haben keinen Kollektivvertrag (Abg. Öllinger: Zum Thema!) oder, wenn ich an das Wachepersonal denke, einen niedrigeren Kollektivvertrag als jene, die inhaftiert sind und Stundenlöhne beziehen, die höher sind als etwa von jenen, die am Flughafen in Schwechat beschäftigt sind. Das ist Ihre Form der sozialen Ausgewogenheit.

Ihre soziale Ausgewogenheit endet auch bei den Arbeiterkammerpräsidenten. Denen ist es möglich, nach zehn Jahren 60 Prozent des Letztbezuges als Pension zu bekommen. Warum kriegen das nicht alle Arbeiter? Warum kriegen das nicht die Arbeiter, die Sie vorgeben zu vertreten? (Abg. Silhavy: Fragen Sie doch bitte den Herrn Stummvoll!) Sie haben dieses Land in eine Zweiklassengesellschaft geführt, in der auf der einen Seite die Funktionäre ein schönes Leben haben und die Arbeiter auf der anderen Seite auf der Strecke bleiben. Das war Ihre Form der Beschäftigung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden auch an der Abschaffung der Ruhensbestimmungen arbeiten – auch das ist etwas, was die Gewerkschaft jahrelang gefordert hat, aber nie umgesetzt wurde, weil es ja nur einige


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wenige betrifft. Auch bei den Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte gibt es Verbesserungen durchzuführen.

Ich fordere Sie auf: Messen Sie uns mehr an den Taten als an jenen Ankündigungen, die in den Medien stehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Verzetnitsch zu Wort gemeldet. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte die Geschäftsordnung zu beachten!

16.41

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Zu den wiederholt geäußerten Vorwürfen des Herrn Abgeordneten Gaugg betreffend die Wohnverhältnisse, aber auch die Abfertigung verweise ich auf die im Parlament bereits mehrfach aufliegenden Berichtigungen.

Ich glaube, dass dem damit Genüge getan ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: 24 Monate Abfertigung für jeden ÖGB-Mitarbeiter!)  – Das ist seit 1994 nicht mehr der Fall, Herr Kollege Gaugg, das habe ich Ihnen schon zehn Mal gesagt, aber Sie wollen das nicht kapieren! (Abg. Gaugg: Sie betrifft das nicht mehr!)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte. (Abg. Parnigoni  – in Richtung des Abg. Gaugg –: Er ist ein Giftspritzer!)  – Herr Abgeordneter Parnigoni, so geht das nicht! Bitte, nehmen Sie das zurück! (Abg. Parnigoni: Ich nehme es zurück! – Abg. Ing. Westenthaler: Brav, Parnigoni!)

Am Wort ist jetzt Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

16.42

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liest man den Titel Ihrer Dringlichen Anfrage zum Thema Verteilungsgerechtigkeit und Einsatz für die Bezieher kleiner Einkommen, dann hätte man eine seriöse Diskussion darüber erwartet, und in dieser hätten Sie uns auf Ihrer Seite. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn es Ihnen wirklich darum geht, darüber zu reden, wie man unter dem Gesichtspunkt des Sparens jenen Pensionisten, die nur eine Ausgleichszulage haben, den Lebensstandard sichern kann, dann hätten Sie uns auf Ihrer Seite. Wir wollen, dass sie zumindest die Inflationsrate pro Jahr abgegolten bekommen.

Hätten Sie ein Interesse daran, dass man sich Gedanken darüber macht, wie man denen, die keine Arbeit haben, aber arbeiten wollen, einen Arbeitsplatz verschafft, Sie hätten uns auf Ihrer Seite. (Abg. Edlinger: Uns brauchen Sie den Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung nicht zu erklären!) Wir wollen das aber tun, indem wir viele neue Arbeitsplätze und nicht eine neue Arbeitsmarktverwaltung schaffen – darin unterscheiden wir uns. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und hätten Sie tatsächlich ein Interesse daran, wie man jungen Familien helfen kann, die im Aufbau befindlich sind und wenig Geld haben, Sie hätten uns auf Ihrer Seite. (Abg. Edlinger: Das glaube ich aber nicht!) Wir haben ein Karenzgeld für alle vorgeschlagen, weil wir im Auge haben, dass es auch Menschen gibt, die nur geringfügig beschäftigt sind und keinen Anspruch darauf haben. (Abg. Silhavy: Nach Ihnen hätten die nicht einmal eine Sozialversicherungsmöglichkeit!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Von Ihnen habe ich von einem Einsatz für diese Personen noch nichts gehört. Darum unterscheiden wir uns auch in diesem Punkt der Familienpolitik, und wir sind stolz darauf! (Beifall bei der ÖVP.)

Für mich zeigt sich in dieser Diskussion eindeutig: Sozialistisch ist nicht gleich sozial! Und das zieht sich auch wie ein roter Faden durch Ihre Politik der letzten Jahre. (Beifall bei der ÖVP und


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bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Und christlich-sozial ist weder christlich noch sozial!)

Sie haben heute eine Dringliche Anfrage gestellt, die tatsächlich in dem Satz gipfelt: "So müssen die Zivildiener beim Essen sparen, um das Mehrkindergeld auch für Frau Bartenstein und andere reiche Freunde der Koalitionäre zu ermöglichen,..." (Abg. Dr. Stummvoll  – in Richtung SPÖ –: Unterste Lade!)

Meine Damen und Herren! Das ist ein Klassenkampf der untersten Lade! (Abg. Huber: Das ist leider die Wahrheit!) Eine Sozialdemokratische Partei hätte sich meiner Ansicht nach einen anderen Stil verdient. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wenn Sie tatsächlich glauben, dass Sie die Reichen als neues Feindbild in dieser Republik aufbauen müssen, dann ist das offenbar deshalb der Fall, weil Ihnen die Feinde heute so wichtig sind. Freunde sind Ihnen offensichtlich abhanden gekommen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Der ganze Stil, wie Sie diese Dringliche in diesem Hause vorbringen, ist tatsächlich bemerkenswert. Ich möchte noch weiter gehen: Wenn sich Ihre Politik tatsächlich mit dem messen will, was die Bundesregierung vorhat, dann frage ich Sie: In welchem Jahrhundert leben Sie? Im 19., als der Klassenkampf relevant war? Oder leben Sie mit uns im Jahr 2000, wo es ganz andere Fragen für Arbeitnehmer gibt, die auch Sie einmal mit beantworten sollten?

Ich stelle Ihnen zum Beispiel unser Modell der "Abfertigung neu" als Frage gegenüber. Wir haben gesagt: Wie können wir, da heute die Arbeitsverhältnisse anders geworden sind, da viele mehrere Dienstgeber haben, da man nicht mehr darauf warten kann, dass man 25 Jahre bei einem Dienstgeber ist und dann einen tollen Abfertigungsanspruch in der Höhe von 12 Monatsgehältern hat, dem Arbeitnehmer zukünftig eine Abfertigung ermöglichen? (Abg. Silhavy: Das ist ja dieselbe Mogelpackung!) Unser Modell lautet: Langsam ansparen, jeder Monat Arbeit zählt! (Abg. Verzetnitsch: Das erste Jahr ist schon heraußen!) In unserem Modell kann ich mir später aussuchen, ob ich entweder eine Abfertigung oder eine Zusatzpension möchte. (Abg. Verzetnitsch: Was ist mit den Saisonniers?)

Was haben wir in der letzten Legislaturperiode von der SPÖ dazu gehört: ein Njet! Und wissen Sie, warum? – Weil es nicht Ihnen eingefallen ist, sondern uns! Das war der wahre Grund. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Sozialistisch ist eben nicht sozial!

Oder denken Sie an das Problem der älteren Arbeitnehmer, die vielfach keinen Job mehr finden. Wir haben ein Modell für eine Altersteilzeit vorgelegt, weil wir gedacht haben, wir können dem Unternehmer damit vielleicht die Kosten für die älteren Arbeitnehmer mildern. Was war die Antwort der SPÖ? – Zuerst ein Njet, und dann haben Sie mit uns eine Maßnahme beschlossen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war, weil so viele Voraussetzungen formuliert wurden, dass fast kein Dienstgeber darauf eingegangen ist. Altersteilzeit ist aber ein modernes Mittel, wie man jemandem einen langsamen Einstieg in die Pension ermöglichen kann. Das sind die Fragen, die ältere Arbeitnehmer heute betreffen, und nicht Klassenkampf, wie Sie das beurteilen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Ing. Westenthaler. )

Meine Damen und Herren! Das aktuellste Beispiel ist letztlich die gerade diskutierte Frage der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfall. Wir haben das in der letzten Legislaturperiode mit Ihnen gemeinsam diskutiert. Aber was haben wir gehört: ein Njet! Wir haben von Ihnen immer wieder ein Njet gehört (Abg. Silhavy: Weil es verantwortungslos gewesen wäre!) Auch heute hören wir wieder vom Kollegen Nürnberger, dass der Grund dafür die Verknüpfung mit der Urlaubsaliquotierung gewesen ist. (Abg. Sophie Bauer: Wissen Sie, was das heißt für unsere Leute, die Urlaubsaliquotierung? Sie haben überhaupt keine Ahnung!)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Unterstellen Sie doch den Arbeitnehmern nicht, dass sie sozusagen nur ein Arbeitsjahr "ankratzen" wollen, damit sie einen neuen Urlaubsanspruch bekommen! Das ist eine Unterstellung, die sich die Arbeitnehmer in Österreich gar nicht verdienen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Auch in diesem Fall geht es uns um soziale Gerechtigkeit. (Abg. Edlinger: Und zweieinhalb Milliarden ersparen sich die Unternehmer ...!) Und wir glauben, dass eine Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfall überfällig war und werden sie demnächst beschließen. (Abg. Edlinger: Sie bemogeln die Arbeitnehmer! Sie sind ein "schöner" Arbeitnehmervertreter!)

Meine Damen und Herren! Die heute von Ihnen eingebrachte Dringliche Anfrage zeigt einmal mehr ganz klar: All diese Aktionen von Ihnen laufen immer auf dieselbe Frage hinaus – es ist eine Frage an Sie selbst –: Wer trägt die Verantwortung für 30 Jahre Schuldenmachen auf Kosten der nächsten Generationen? (Abg. Silhavy: Deswegen gehören wir zu den drei reichsten Ländern Europas!) Und diese Frage müssen Sie selbst beantworten, nicht wir! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Ich erteile ihm das Wort.

16.48

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist meiner Ansicht nach schon wichtig, dass man sich auch von Seiten der Sozialdemokratischen Partei einmal darüber klar wird, dass man, wenn man ein drittes, ein viertes und wahrscheinlich ein fünftes Belastungspaket zu Recht beklagen will, auch eine oder zwei oder mehrere Tränen über das Belastungspaket Nummer 1 und 2 vergießen müsste.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei! Vieles von den Vorwürfen, die Sie an die Adresse der Regierungsparteien gerichtet haben, teilen wir inhaltlich. Aber es wirkt so lange etwas hohl und schal, solange die Sozialdemokratische Partei nicht für sich klarstellt, dass das auch etwas mit ihrer unmittelbaren Vergangenheit als Regierungspartei, mit ihren wirtschafts- und sozialpolitischen Konzepten zu tun hat. – Das ist der erste Punkt.

Und an die Adresse der Freiheitlichen Partei gilt das umgekehrt natürlich mindestens ebenso: Wer beim Spar- oder Belastungspaket Nummer 1 oder 2 noch lauthals geschrieen hat, jetzt aber ganz stumm geworden ist (Abg. Dr. Mertel: Stummvoll! – Abg. Dr. Stummvoll: Sehr originell!) und das alles in Ordnung findet, was hier an Belastungen auf die kleinen Leute niederprasselt, der hat jeden Rest an Glaubwürdigkeit verloren. Und das Resultat erleben Sie momentan auch bei den Arbeiterkammerwahlen. (Beifall bei den Grünen.)

Das Problem, das ich mit der Anfrage in eben diesem Sinne habe, werte Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei, betrifft den Titel. Da heißt es nämlich "Wiederherstellung der Verteilungsgerechtigkeit und neuerliches Sparpaket". Wiederherstellung – das wäre schön. Wir hatten leider in den letzten 10, 20 Jahren keine Situation, in der wir uns auch nur annähernd an Verteilungsgerechtigkeit erfreuen konnten. Das betrifft nicht nur die Verteilungsgerechtigkeit bei den Einkommen allgemein oder bei Einkommen und Vermögen, das betrifft auch die Verteilungsgerechtigkeit zwischen Männern und Frauen, eine auseinanderklaffende Schere, das betrifft die Verteilungsgerechtigkeit zwischen denen, die Arbeit haben und noch mehr arbeiten müssen – die neue Regierung trägt ja das Ihre dazu bei, dass es an Überstunden nicht mangeln wird –, und denen, die keine Arbeit haben, weil sie arbeitslos sind, die aber von Ihnen jetzt auch noch zu einem Arbeitsdienst verdonnert werden, auch dann, wenn sie möglicherweise viel lieber und aus guten, nämlich gesundheitlichen Gründen in Pension gehen würden und gehen müssten.

Meine Damen und Herren! Das ist das eine. Wenn wir über Verteilungsgerechtigkeit diskutieren, dann legen wir die Fakten auf den Tisch. Und die Fakten sprechen eine klare Sprache, und das nicht nur durch dieses neue und das noch in Zukunft zu erwartende Belastungspaket, über das wir bis jetzt noch überhaupt nicht gesprochen haben. Das wäre ja das Interessante, von Ihnen, Herr Bundeskanzler, endlich einmal zu erfahren, wie Sie sich das im nächsten Jahr beim Budget 2001 vorstellen. Egal, ob man den "Kurier" liest oder die "Neue Zürcher Zeitung" oder sonst eine Zeitung, klar ist: Es klafft durch die von Ihnen jetzt, aber auch schon im Vorjahr geschaffenen


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Maßnahmen, nämlich die Lohnsteuerreform und das Familienpaket, eine Differenz zu dem, was der Herr Edlinger an Zahlen nach Brüssel gemeldet hat.

Wir werden im Herbst, dann, wenn das Budget ins Haus kommt, über einen Fehlbetrag von 60 oder 70 Milliarden Schilling diskutieren. Da müssen Sie dann erklären, Herr Bundeskanzler, ob es tatsächlich die Maßnahmen sind, die heute in "NEWS" diskutiert werden, dass das 13. und das 14. Gehalt linear höher besteuert werden und eben nicht nach verteilungsgerechten Kriterien unterschieden wird, ob es das 13. und 14. Gehalt eines Arbeiters oder eines kleinen Angestellten oder eines Beamten ist oder ob es das 13. und 14. Gehalt von solchen Menschen ist, die pro Monat 50 000, 100 000 oder 150 000 S kassieren und möglicherweise auch noch ein 15. oder 16. Monatsgehalt zum begünstigten Tarif erhalten. – Das wäre eine Frage und eine Diskussion über Verteilungsgerechtigkeit.

Meine Damen und Herren! Ich lese Ihnen vor, was die "Neue Zürcher Zeitung" über das, was Sie jetzt an Maßnahmen planen, wobei Sie ohnehin kaum vom Fleck kommen, zum "Kinderbetreuungsgeld/Karenzgeld" schreibt:

"Diese einkommens- und beitragsunabhängigen, nach dem Giesskannenprinzip ausgeschütteten Gelder stellen eine neue, quer in der Landschaft stehende strukturelle Belastung für den Etat dar. Sie sind auch deshalb umstritten, weil Familien bereits durch die 1999 beschlossene, rund 27 Mrd. S ‚schwere‘ Steuerreform entlastet wurden. In kaum einem anderen Land der Welt kommen Familien in den Genuss derartig üppiger Transferzahlungen wie in Österreich."

Nun kann man natürlich darüber diskutieren, ob man diese Transferzahlungen für Gruppen ausbaut, die sie noch nicht erhalten haben, aber bitte nach Kriterien der Verteilungsgerechtigkeit. Und wo sind denn diese, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien? Sie wissen doch selbst ganz genau, dass Sie mit den von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen beim Kinderbetreuungsgeld erstens wahrscheinlich genau jene Frauen – in erster Linie Frauen –, die Beruf und Familie auch in der Kinderbetreuungsphase miteinander vereinbaren müssen, strafen, und wahrscheinlich wollen Sie das auch, nämlich durch die Zuverdienstgrenzen. (Abg. Haller: Nein! Herr Kollege Öllinger, Sie sind doch gar nicht so unvernünftig, wie Sie tun!) Es werden natürlich die Frauen, die arbeiten gehen müssen, wenn sie über einer bestimmten Einkommensgrenze liegen, dieses Kinderbetreuungsgeld nicht erhalten. Das ist die erste Unanständigkeit, weil Sie damit ein Versprechen, dass Sie vor den Wahlen gegeben haben, brechen. Das ist der Bruch eines Wahlversprechens. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber das ist noch nicht alles. Jetzt, wo Sie zu rechnen anfangen, meine Damen und Herren, kommen Sie darauf, dass es auch Probleme bei der Bedeckung gibt. Das liegt klar auf der Hand. Die Frau Sozialministerin hat uns die Zahlen gegeben oder zumindest einen Teil der Zahlen, das andere kann man sich ausrechnen. 5 Milliarden Schilling zahlt der FLAF derzeit für das Kinderbetreuungsgeld oder Karenzgeld. Den Rest von 2 bis 3 Milliarden Schilling zahlt die Arbeitslosenversicherung. Die neue Leistung kostet zwischen 13 und 15 Milliarden Schilling, inklusive Krankenversicherungsbeiträge und Pensionsversicherungsbeiträge. Aber was darin noch nicht enthalten ist, das ist die Abgeltung für die Ersatzzeiten, was darin noch nicht enthalten ist, ist die Abgeltung für die neu geschaffenen Beitragszeiten. Auf diese Weise würde das Paket 20, 21 oder 22 Milliarden Schilling kosten. Und dieses Geld haben Sie nicht, meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Martin Graf: Sind Sie dagegen, dass das gezahlt wird?) Dieses Geld haben Sie nicht, um es ausgeben zu können, und wenn Sie es trotzdem ausgeben, dann auf Kosten und zu Lasten genau jener Pensionsversicherung, die Sie jetzt sanieren wollen.

Das ist der Punkt, meine Damen und Herren! Sie schaffen neue Belastungen für die Pensionsversicherung. Das ist offensichtlich Ihre Absicht, damit Sie dann in ein oder zwei Jahren wieder hergehen und für diejenigen, die noch nicht in Pension sind, wieder neue Belastungen im Pensionsbereich erfinden und sich ausdenken können. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Prammer. )

Soll das die Politik der Zukunft sein? Soll das wirklich eine Absicht von Ihrer Seite sein, in der Zukunft das Pensionssystem tatsächlich nachhaltig zu sanieren? Was auch immer das von Ihrer


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Seite heißen mag. Die Nachhaltigkeit bezieht sich doch nur auf die jetzt noch Jungen. Sie haben in keiner Weise Bereitschaft bekundet, darüber zu diskutieren, wo jene steuerlichen Begünstigungen, die es für hohe Pensionen derzeit gibt – ich rede nicht von den niedrigen Pensionen –, gestrichen werden könnten. Nein! Sie sind nicht bereit, darüber zu diskutieren, den Pensionistenabsetzbetrag für Pensionen, die 40 000, 50 000 oder 60 000 S ausmachen, zu streichen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein. ) Aber die mit den niedrigen Pensionen erhalten ihn nicht, Herr Kollege Feurstein. Das wissen Sie, und das ist Verteilungsungerechtigkeit, denn die niedrigen Pensionen erhalten zu zwei Dritteln die Frauen und zu einem Drittel die Männer, und bei den hohen Pensionen, Herr Kollege Feurstein, ist es genau umgekehrt. (Abg. Dr. Feurstein: Es ist vergeblich, mit Ihnen zu diskutieren!) Zwei Drittel der Männer erhalten Pensionen über der ASVG-Höchstgrenze und nur ein Drittel der Frauen.

Das ist eine Frage von Verteilungsgerechtigkeit, und da sollten Sie beginnen, endlich einmal zu lernen und sich die Fakten anzusehen, die in den letzten Jahren in den entsprechenden Berichten auch publiziert wurden!

Ein Weiteres, meine Damen und Herren: Diskutieren wir über Konzepte, etwa im Steuerbereich, nicht nur beim Pensionistenabsetzbetrag! Schauen wir uns an, Herr Kollege Stummvoll, was diese Regierung in den vergangenen 10, 15 Jahren an Entlastungen im Unternehmensteuerbereich gemacht hat! Das sind teilweise durchaus sinnvolle Entlastungen, aber gleichzeitig ist bei den privaten Vermögen jegliche Besteuerung entfallen, gleichzeitig ist im Bereich der Erbschaftsbesteuerung auch entsprechend eingespart worden.

Was wir fordern, ist Verteilungsgerechtigkeit auch im Steuerbereich, meine Damen und Herren! Nehmen Sie sich das Erbschafts-, Vermögens- und auch Schenkungssteuerrecht vor, und schaffen Sie einmal Gerechtigkeit, damit die Belastungen nicht nur die Unselbständigen bezahlen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Stummvoll: Sie wollen die Vermögen vertreiben!)

16.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Silhavy. – Bitte.

16.59

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler, es ist natürlich eine Frage des Stils, ob man Menschen, die einem eine Frage stellen, diese Frage beantwortet. Sie haben hier Ihren Stil unter Beweis gestellt, indem Sie uns die Antworten auf unsere Fragen schuldig geblieben sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Dennoch offenbart sich bei Ihrem Budget bereits die Politik, die Sie anstreben: Es ist eine eindeutige Klientelpolitik. Die blau-schwarze Bundesregierung betreibt mit einer Schamlosigkeit sondergleichen massive Budgetverschiebungen. Ein Belastungspaket nach dem anderen wird den Arbeitern und Arbeiterinnen, den Angestellten, den Beamten und Beamtinnen aufgedrückt, um die eigene Klientel wie Großunternehmer, Großbauern und so weiter zu bedienen. (Beifall bei der SPÖ.)

Einige Beispiele seien hier nur kurz angerissen: Den Familien wird Geld vorenthalten, weil der Familienlastenausgleichsfonds ausgeräumt wird. Das Karenzgeld wird nicht erhöht, weil Sie die Gelder aus dem FLAF zur Budgetsanierung verwenden, aber Sie wollen das Karenzgeld ja ohnedies abschaffen. Das ist das blau-schwarze Zukunftsmodell. (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist das, bitte?) Taschengeld für Reiche, aber Streichung der Rechtsansprüche für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – das ist Ihre Devise. Die Sozialversicherung wird geschröpft. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer hat Ihnen diese Rede geschrieben!) – Beschäftigen Sie sich mit dem Thema, dann werden Sie vielleicht auch einmal sachlich argumentieren können. Dazu sind Sie leider derzeit noch nicht in der Lage. (Beifall bei der SPÖ.)

Der AUVA werden notwendige Mittel entzogen, sodass das Geld für Prävention, zum Beispiel hinsichtlich der so notwendigen Stressforschung und der Bekämpfung von psychosomatischen Berufserkrankungen, fehlt. – Liebe Arbeitnehmerin! Lieber Arbeitnehmer! Pech gehabt! Arbeit darf eben krank machen.


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Die größte Mogelpackung Ihrer blau-schwarzen Regierung ist die, wie Sie die "Aktion Fairness" verkaufen. Eigentlich müsste man als Schlagwort nehmen: Sie zahlen zwar mehr, bekommen aber weniger! Selbst in Ihrem eigenen Antrag kann man nämlich nachlesen, dass die Wirtschaft durch die Urlaubskürzung von den Arbeitnehmern mehr Geld bekommt, als die Angleichung der Entgeltfortzahlung kostet. – Das ist ein Punkt. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Der zweite Punkt ist aber, dass auch die Krankenkassen draufzahlen, weil auch diese Regelung sie mehr kostet, als sie erstattet bekommen. Das spielt für Ihre Klientel keine Rolle. Statt zur Sanierung der Kassen beizutragen, steigern Sie die Kosten. Für Blau-Schwarz kein Problem, Sie haben ja die Lösung: Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zahlen, wenn sie krank sind, halt mehr: 22 Prozent, wenn sie ein Medikament brauchen, zusätzliche Behandlungsbeiträge – beim Spitalsaufenthalt steigen die Kosten um 30 Prozent –, dafür wird der Krankengeldbezug von 78 auf 52 Wochen gekürzt. (Abg. Verzetnitsch: Das ist solidarisch!) Das zahlt ja nicht Ihre Klientel, das zahlen ja nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes. Für diese gilt offensichtlich Ihr Solidaritätsbegriff, Herr Bundeskanzler, nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine weitere Mogelpackung, nämlich die Abfertigung, sei hier nur am Rande erwähnt, meine Damen und Herren, aber sie passt in das Bild der Pensionspläne dieser blau-schwarzen Regierung. Diese blau-schwarze Regierung plant eine dramatische Kürzung neuer Pensionen durch eine enorme Anhebung von Abschlägen. (Abg. Dr. Trinkl: So ein Blödsinn!) Die blau-schwarze Regierung plant eine drastische Wertminderung der bestehenden Pensionen bei den Anpassungen und Kürzungen durch den Sicherungsbeitrag. (Abg. Dr. Trinkl: Das stimmt doch nicht!) Diese blau-schwarze Regierung muss die Menschen in eine risikobehaftete Privatvorsorge drängen, weil sie eine Politik macht, die zwangsläufig zur Altersarmut führt. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist eine Falschinformation!)

Die Pensionspläne dieser Regierung sind keine Reformpläne, sondern sind eine kurzfristige Budgetentlastung. Dafür startet Blau-Schwarz einen Totalangriff auf alle Menschen, die nach vielen Jahren harter Arbeit auf den Erhalt ihres Lebensstandards gehofft hatten. Sie, Herr Bundeskanzler, bringen mit Ihrer Politik, mit Ihrem blau-schwarzen Verständnis von Politik das soziale Gleichgewicht dieses Landes zum Kippen! (Beifall bei der SPÖ.)

Während die erste einseitige Belastungswelle auf die ArbeitnehmerInnen zurollt, kündigt Ihr Finanzminister schon das nächste Belastungspaket für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an. Ihre Politik, Herr Bundeskanzler, ist eine Gefahr für die soziale Stabilität Österreichs! (Beifall bei der SPÖ.)

17.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Genossen und Genossinnen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

17.04

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Bei der SPÖ weiß man wirklich nicht mehr, was sie eigentlich will. Das kam heute bei dieser Dringlichen besonders ausgeprägt zutage. (Abg. Brix: Ganz einfach: kein Belastungspaket!) Einerseits beklagt Abgeordnete Silhavy, dass wir den Familien Geld vorenthalten, andererseits hat sich vorher der Finanzminister a. D. Edlinger beklagt darüber, dass wir den Familien zu viel Geld geben und dass wir hier eigentlich einsparen könnten. Ich werde dann im Laufe meiner Ausführungen noch auf mehrere solche Widersprüche aufmerksam machen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! In den letzten Wochen habe ich viel gerätselt: Was meint die SPÖ eigentlich mit den Milliardengeschenken an die Bauern oder – wie Sie sagten – an die Großbauern?


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Erstens: Der größte österreichische Land- und Forstwirtschaftsbetrieb sind die Österreichischen Bundesforste, der zweitgrößte ist die Stadt Wien. Dann gibt es noch etwa eine Handvoll Gutsbetriebe. Die können ja nicht Milliardenbeträge verbrauchen. (Abg. Schwemlein: Nein, aber überproportional sind sie beteilt worden!)

Zweitens: Ich habe mir deshalb die Entwicklung des Bundesbudgets angesehen, und diesen Bundesvoranschlag haben eigentlich auch alle SPÖ-Abgeordneten erhalten, da er bei der Budgetrede verteilt worden ist. Da hatten wir im Jahre 1995 noch 33,2 Milliarden Schilling, und das sinkt auf 21,2 Milliarden Schilling im Budget 2000. Hier haben wir ja ein Budgetopfer gebracht, um das Budget sanieren zu können, wobei von diesen 21,2 Milliarden Schilling – und das muss auch einmal erwähnt werden; Herr Finanzminister a. D. Edlinger, Sie wissen es – 14,9 Milliarden Schilling von der EU rückerstattet werden. Das sind nicht die Beträge, die vom österreichischen Steuerzahler für die Landwirtschaft aufgebracht werden. Hier ist nämlich auch das EU-Budget drinnen. (Abg. Edlinger: Zahlen wir keine Mitgliedsbeiträge an die EU?) Ja, sehr geschätzter Herr Abgeordneter, wir zahlen sicher unsere Beiträge an die EU. (Abg. Edlinger: Wir zahlen mehr ein, als wir zurückbekommen!) Aber selbst wenn wir Geld für die Landwirtschaft aus der EU einsparen, zahlen wir genauso viel an die EU ein. Das heißt, wir haben dann einen höheren Nettozahlbetrag an die EU zu leisten. (Abg. Edlinger: Ihr wollt ja zusätzliche Mittel!)

Die Budgetentwicklung konnte es also eigentlich nicht sein, denn auch im Koalitionsübereinkommen, das wir zuerst noch mit der SPÖ getroffen haben ... (Abg. Gradwohl: Das haben wir ja nicht getroffen!) Wir haben dem am 18. Jänner im Bundesparteivorstand noch die Zustimmung gegeben, und auch in der SPÖ-Präsidiumssitzung wurde dieses Übereinkommen noch beschlossen. (Abg. Gradwohl: Nein!) Im Vorstand gab es dann keine Mehrheit mehr. Und ich bin jetzt dem Abgeordneten Nürnberger dankbar, dass er gezeigt hat, dass Sie nicht mehr bereit sind, dieses Übereinkommen zu vertreten und umzusetzen, und auch dem Minister a. D. Edlinger, der sozusagen Sesselklebereigenschaft hatte und damit erst die Koalition mit der FPÖ ermöglicht hat. (Abg. Edlinger: Mir können Sie alles Mögliche unterstellen, aber Sesselkleben sicherlich nicht! Da kenne ich andere!)

Wir haben hier im Budgetteil das Übereinkommen mit der SPÖ wortwörtlich abgeschrieben. Kein Satz, kein Beistrich ist anders. Folglich ist das an und für sich schon alles mit der SPÖ vereinbart worden. (Abg. Dr. Mertel: Herr Schwarzenegger! Herr Schwarzenegger, wie lange sind Sie noch da?)

Mit dieser Dringlichen Anfrage wurde das Geheimnis dann erst gelüftet. Hier steht wortwörtlich: "Die zusätzlichen Begünstigungen für die Landwirtschaft – Mineralölsteuerentlastung ..." – Übrigens: Alle europäischen Bauern haben das. Wir zahlen den höchsten Dieselpreis, sind aber mit unseren Agrarpreisen europaweit dem Wettbewerb ausgesetzt. Auch – man höre und staune! – die Bergbauernhilfe ist etwas, was für die SPÖ beklagenswert ist.

Das kommt davon, weil der Parteiobmann der SPÖ, Gusenbauer, gestern bei der Agrardebatte überhaupt nicht anwesend war. Alle sozialdemokratischen Redner zum Landwirtschaftsbudget haben beklagt, dass der Sockelbetrag, der eine Milliarde Schilling für die Bergbauern bringen würde, auf nächstes Jahr aufgeschoben und nicht schon heuer eingeführt wird. Auch wurde beklagt, dass die Aufstockung des Umweltprogramms, des ÖPUL 2000, auf nächstes Jahr verschoben worden ist. Da wissen die Sozialisten in der ersten Reihe eben nicht, was die Sozialdemokraten in den hinteren Reihen hier beim Budget verlangen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Auch im Übersichtsblatt zu den Tabellen und auch im Grünen Plan 1998 ist genau vermerkt, dass wir aus dem Budget eigentlich nur rund 6,5 Milliarden Schilling für die Landwirtschaft verwenden, und das müssen die Leistungen der Landwirtschaft den Österreichern wert sein.

Vor wenigen Wochen hat mir ein in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat, der Vizebürgermeister der Nachbargemeinde, der eine Zeitlang auch Bahnhofsvorstand im Hauptbahnhof in Salzburg war, gesagt, ihm imponiert diese neue Regierung, denn jetzt wird endlich regiert und nicht alles


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auf die lange Bank geschoben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Diese Regierung ist angetreten, Österreich mit Verantwortung neu zu regieren. Sie saniert das Budget, schafft Arbeitsplätze und sorgt endlich für Gerechtigkeit in Österreich. Das merken auch die Wähler, und deshalb ist die SPÖ so nervös geworden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der mir vorliegende Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy, Genossen und Genossinnen ist zwar ausreichend unterstützt, wurde aber nicht verlesen und steht daher nicht mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Restliche Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.11

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Einige Vorredner, etwa Herr Abgeordneter Spindelegger, haben die Frage des Stils angesprochen. In aller Form gebe ich die Frage zurück, ob Sie das, was der Herr Bundeskanzler und bis vor kurzem auch noch Ihr Klubobmann für so lustig gefunden haben, angefangen beim Strolchi bis zu den Lumpen und den Pünktchen und ich weiß nicht, was noch alles, tatsächlich als den Inbegriff des Stils finden. Diese Aussagen kommen von einer Partei, die mit Ihnen gemeinsam eine Regierung bildet. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Auer: Sehr schwacher Applaus!) Auch wird von Rednern der freiheitlichen Fraktion dieses Hauses immer öfter in die Debatte eingebracht, wer in welcher Wohnung wohnt, wer welchen PKW fährt. (Abg. Auer: Da waren Sie die Ersten!) Ich finde, das ist miserabel. Ich bin schon froh, wenn Herr Gaugg nicht zu buchstabieren anfängt, das würde dem Land noch mehr Schaden bringen. (Beifall bei den Grünen.)

Zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers: Sie haben beklagt, dass seitens der Einbringer der Dringlichen Anfrage keine Alternativ-Konzepte vorgelegt worden sind. Wir von den Grünen merken immer wieder an: Es stimmt, der Kurs, der jetzt extrem beschleunigt wird, ein Kurs des Sozialabbaues, ein Kurs der sozialen Ungerechtigkeit, ist nicht ganz neu. Es gab ihn auch in der Vergangenheit, und wir haben das immer wieder beklagt.

Auch die bisherige Regierung hat der Frauenpolitik, der Umverteilungspolitik, der Umweltpolitik, der Abrüstungspolitik nicht höchste Prioritäten eingeräumt, leider ganz im Gegenteil. Doch eines nehme ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, nicht ab, dass Sie ernsthaft je die Bereitschaft dazu hatten. Sie hatten diese weder in Ihrer früheren Regierungsbeteiligung mit den Sozialdemokraten, an die Sie sich jetzt so ungern oder gar nicht erinnern, noch jetzt.

Wir haben seitens der Grünen umfangreiche Konzepte vorgelegt, sowohl in Sachen Budgetsanierung als auch in Sachen Neuregelung des Steuerrechtes, und wir haben vor allem ein Modell der sozialen Grundsicherung vorgelegt. Dieses Modell würde vor allem die Unabhängigkeit der Frauen stärken und damit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser ermöglichen, und zwar auf Basis einer eigenständigen Absicherung von Frauen. Wir haben niemals, weder von der vergangenen Regierung noch jetzt, eine Rückmeldung erhalten. Weder Kritik noch Zustimmung, sondern einfach Ignoranz war die Folge. Das charakterisiert einen Stil in dem Land, den wir sehr bedauerlich finden. (Beifall bei den Grünen.)

Zu den Vorwürfen, die wir Ihnen immer wieder nahe bringen: Wir nehmen zur Kenntnis, dass es eine konservative, in meinen Augen teilweise reaktionäre Mehrheit in diesem Land gibt, aber ich frage mich, warum Sie nicht einmal im Rahmen Ihrer eigenen Konzepte konsequent bleiben.

Ich spreche immer wieder folgendes Beispiel an: Sie haben das "Karenzgeld für alle" versprochen. Ich habe im Prinzip eine andere Meinung dazu, denn ich glaube, ein emanzipatorisches Grundsicherungsmodell wäre besser. Aber wenn Sie schon ein vom Familienlastenausgleichsfonds zu finanzierendes Karenzmodell verlangen, dann frage ich Sie: Wieso sollen das nicht alle


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Frauen bekommen? Warum erfolgt genau dieser Systembruch bei den durchgehend berufstätigen Frauen, dass die das nicht bekommen sollen, wenn andere Leistungen des Familienlastenausgleichsfonds, wie etwa die Kinderbeihilfe – ich sage dazu: richtigerweise –, allen Kindern zustehen? (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Spindelegger. )

Herr Bundeskanzler! Ich weiß, Sie werden auf diese Fragen wieder nicht antworten, wir sind es schon gewohnt. Sie werden die Beschädigungen Österreichs, die durch Gesetzesvorstöße, welche vom Kärntner Landeshauptmann vorgetragen werden, passieren und die tatsächlich an autoritäre Vorbilder erinnern, nicht minimieren können. (Abg. Mag. Schweitzer: Zeit!) Diese Vorstöße schaden dem Land (Abg. Mag. Schweitzer: Die Zeit!), schaden uns allen. Ich glaube, es wird die Zeit kommen (Abg. Mag. Schweitzer: Zeit!), wo auch Sie zu diesen Dingen Stellung beziehen müssen. (Beifall bei den Grünen.)

17.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

17.16

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Baumeister der blau-schwarzen Koalition, Kollege Nürnberger, ... (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Ich glaube, Sie sind ja der Baumeister, denn immerhin haben Sie es durch Ihre Nichtunterschrift auf einem bereits vereinbarten Pakt zwischen der Österreichischen Volkspartei und der Sozialdemokratischen Partei ermöglicht, die vernünftige Koalition der Freiheitlichen mit der ÖVP zustande zu bringen.

Herr Baumeister Nürnberger! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Es geht um Folgendes: Es hat natürlich jede Partei hier im Hohen Hause das Recht, eine Dringliche Anfrage zu stellen, wenn es um noch offene Fragen geht. Aber dann sollte man die Dringliche Anfrage in einer Art und Weise stellen beziehungsweise inhaltlich so formulieren, dass es auch Sinn hat, auf die Fragen einzugehen. (Abg. Haigermoser: Richtig!)

Wenn ich heute den Inhalt Ihrer Dringlichen Anfrage hernehme und ihn mit einem Papier einer neuen Bank in Österreich, nämlich der "FSG-Bank Austria" – haben Sie davon schon gehört?; das ist mittlerweile auch protokolliert, denn den Eröffnungsvortrag hält Dr. Alfred Gusenbauer –, vergleiche, dann muss ich sagen, da wird mit Zahlen herumgeworfen, die nicht mit den Zahlen in der Dringlichen Anfrage in Einklang zu bringen sind.

In der Dringlichen Anfrage gehen Sie davon aus, dass die Lohnnebenkosten beziehungsweise die Urlaubsaliquotierung und die Postensuchtage eine Belastung für die Arbeitnehmer in der Höhe von 4,2 Milliarden Schilling ausmachen werden. Im Papier der "FSG-Bank Austria" des Herrn Kollegen Gusenbauer ist nur von 2,6 Milliarden Schilling die Rede. Was sagen Sie dazu, Herr Baumeister Nürnberger? (Abg. Haigermoser: Mit der Differenz möchte er die Schulden bezahlen!)

Wenn Sie jetzt davon ausgehen, dass die Arbeitnehmer insgesamt 31 Milliarden Schilling verlieren, und sich dabei auf eine Studie der Arbeiterkammer beziehen und sich Herr Kollege Gusenbauer ebenfalls auf eine Studie der Arbeiterkammer bezieht, laut der 13,3 Milliarden Schilling herauskommen, dann entspricht das einem Fehlbetrag in der Höhe von ungefähr 18 Milliarden. (Abg. Dr. Martin Graf: So ist es bei der SPÖ!) Mittlerweile erklärt sich, wie Sie mit Zahlen umgehen, denn genau so schauen das Bundesbudget und die Finanzen Ihrer eigenen Partei aus. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber es stehen auch die Lohnnebenkosten mit 15 Milliarden darin, obwohl das im Jahre 2000 auf die Lohnnebenkosten überhaupt keine Auswirkungen hat. Sie gehen aber auch auf die Landwirtschaft ein, denn auch den Bauern wird viel zu viel gegeben. Aber auch da kommen Sie zu unterschiedlichen Zahlen.


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In dem Papier von Herrn Dr. Gusenbauer werden die Bauern in einer Größenordnung von 6 Milliarden Schilling begünstigt, in der Dringlichen Anfrage – Anfragesteller ist ebenfalls Dr. Gusenbauer – ist nur mehr von 4 Milliarden Schilling die Rede. Also was stimmt jetzt? – Die 4 Milliarden Schilling aus der Dringlichen Anfrage oder die 6 Milliarden Schilling in dem Papier von Dr. Gusenbauer? (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Kollege Schwarzenberger! Vielleicht können Sie uns da aushelfen, damit wir auch diese Frage beantworten können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Gusenbauer! Es geht in diesem Zusammenhang darum, welche Noten die bisherige Bundesregierung unter diesem Finanzminister bekommen hat. Sie haben schlechte Noten bekommen. Sie haben aber diese schlechten Noten nicht von einem Freund der Freiheitlichen Partei beziehungsweise der Österreichischen Volkspartei bekommen, sondern Sie haben die schlechten Noten vom Chef des Staatsschuldenausschusses Frisch bekommen. Er sagt, dass Sie derjenige waren, der ein Familienpaket beziehungsweise Steuerreformpaket beschlossen hat und hiefür – wortwörtlich – einen ungedeckten Wechsel, was schlichtweg unvertretbar war, ausgestellt hat. (Abg. Parnigoni: Sagen Sie das gleich dem Herrn hinter Ihnen!) Sie haben diesen "Wechsel" dezidiert ausgestellt, Herr Alt-Finanzminister. (Abg. Parnigoni: Heute weiß er nichts davon!)

Die neue Bundesregierung kommt seitens des EU-Rates ganz anders weg als die alte Bundesregierung. Sie haben nämlich Belastungspakete geschnürt, bei denen die Steuerzahler mehr als 50 Prozent des Konsolidierungsbedarfes über Steuererhöhungen aufbringen mussten, und dieser neuen Bundesregierung ist es gelungen, den Konsolidierungsbedarf mit Steuererhöhungen von nicht einmal 15 Prozent zu bewerkstelligen. Das ist eben der Unterschied zwischen einem freiheitlichen und einem sozialdemokratischen Finanzminister. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Dass diese Bundesregierung am goldrichtigen Weg ist, das hat auch der EU-Rat bestätigt, und zwar hat er gesagt, dass eben diese neue Bundesregierung in kürzester Zeit ein Budget und ein sehr informatives Stabilitätsprogramm zustande gebracht hat. Der Rat unterstützt vollinhaltlich den Kurs der Bundesregierung, mit dem das offensichtliche Problem der Budgetkonsolidierung gelöst werden soll, und zwar primär über Ausgabeneinsparungen. Insbesondere befürwortet er die Pensionsreform der Bundesregierung, um auch künftigen Generationen eine ausreichende Pension zu sichern, ebenso die geplanten Reformen im Gesundheitsbereich und im öffentlichen Sektor. Weiters meint er auch klar, dass Sozialtransfers bedarfsorientierter gestaltet werden sollen, und lobt die Privatisierungsinitiative seitens der Bundesregierung wie auch die Liberalisierung im Energie- und Telekombereich.

Der EU-Rat lobt die Pensionsreform, und Sie schreiben hier in Ihrer Dringlichen Anfrage etwas, was absolut nicht den Tatsachen entspricht und absolut zur Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung beiträgt. Auf Seite 4 dieser Anfrage schreiben Sie:

"Überproportional werden die Pensionistinnen und Pensionisten belastet. Im Zeitraum bis 2003 werden die Pensionen um 15 Milliarden Schilling gekürzt."

Das ist eine glatte Unwahrheit, die da steht, und ich fordere Sie auf, diese Tatsache, die Sie hier falsch berichtet haben, zu berichtigen. (Abg. Edlinger: Geh, hör auf!) Es geht nämlich darum, dass dieser Konsolidierungsbedarf notwendig ist, dass auf Grund der Pensionsreform der Bundeszuschuss von 2000 bis 2003 von 30 Milliarden auf 15 Milliarden Schilling gekürzt wird und in bestehende Pensionen nicht eingegriffen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mit diesen Unwahrheiten, Herr Alt-Finanzminister und Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion Edlinger, wollen Sie einfach die Bevölkerung verunsichern. Aber hier liegen die Tatsachen schwarz-weiß auf der Hand. Sie manipulieren einmal mit Zahlen aus dem eigenen Bereich, und in einer Anfrage zum selben Bereich bringen Sie andere Zahlen. Sie sollten herausgehen und klarstellen, welche Zahlen nun tatsächlich stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.23


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28. Sitzung / Seite 134

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Riepl. Restliche Redezeit: 4 Minuten. – Bitte.

17.23

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ein Wort zu meinem Vorredner, Herrn Abgeordneten Trattner: Baumeister, Herr Abgeordneter, sollten nur das bauen, was Sinn macht. Ich bin froh, dass mein Fraktionskollege Nürnberger nicht unterschrieben hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Regierung plant, sehr verehrte Damen und Herren, einen großen gesellschaftlichen Umbau unserer Republik. (Abg. Haigermoser: Das war jetzt ein Rohrkrepierer! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Belastungen für die einen und Entlastungen für die anderen ist dabei das Ziel. Dem Kleinen nehmen, dem Großen geben, ist dabei der Leitgedanke. Die Begründung ist der Schuldenberg. Vergessen wird dabei – mein Kollege Edlinger hat darauf hingewiesen –, dass den Schulden auch Werte gegenüberstehen – Werte, die auch für die nächsten Generationen geschaffen wurden und daher nicht von einer Generation allein finanziert werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten haben so viele neue Schulen finanziert wie nie zuvor in diesem Land, in die Verkehrsinfrastruktur investiert – zum Beispiel werden vom U-Bahnbau in Wien die Menschen noch in 100 Jahren profitieren –, unser Gesundheitssystem auf Weltklasseniveau gebracht – das hat Kollege Rasinger heute gesagt –, die Beschäftigung ausgebaut, die Arbeitslosigkeit abgebaut und der Jugend Chancen in der Ausbildung geboten.

Was geschieht jetzt, sehr verehrte Damen und Herren? – Werte werden umverteilt. Das kann nicht gut gehen. Sie machen eine Politik, die sich kein Familienvater leisten könnte. – Lieber Herr Bundeskanzler! Wenn ich mit meinen drei Söhnen zum Molin-Pradel auf der Ottakringer Straße auf ein Eis gehen und zu meinem 18-jährigen Sohn sagen würde, nimm dir, so viel du willst, zu meinem 13-jährigen Sohn, du bekommst eine Normalportion um 17 S, und zu meinem 10-jährigen Sohn sagen würde, du bekommst heute nur ein leeres Stanitzel, dann würde der Protest vom Kleinsten auf jeden Fall gesichert sein. Aber spannend wäre, was meine Frau dazu sagen würde. Sie würde wahrscheinlich genauso protestieren, weil es einfach ungerecht ist, Menschen unterschiedlich zu bevorzugen oder zu benachteiligen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin sicher, dass mein ältester Sohn zu mir sagen würde: Vater, das ist ungerecht! Gib dem Kleinen auch etwas, er ist letztlich mein Bruder und auch Mitglied unserer Familie! Teil es besser auf, würde er sagen. (Abg. Edlinger: Das ist christlich!)

Sehr verehrter Herr Bundeskanzler! Ich würde Ihnen empfehlen, probieren Sie das mit Ihren Kindern aus. (Abg. Dr. Stummvoll: Märchenstunde!) Probieren Sie, ob nicht die gleiche Reaktion kommen würde, so wie ich sie erwarte. Aber was machen Sie? – Als Politiker machen Sie es anders: den Großen geben, so viel sie wollen, den Kleinen die leeren Stanitzeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Diskussion hat gezeigt, wie wichtig nachstehender Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy und Genossen ist, den ich hiemit einbringe.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Silhavy und GenossInnen betreffend Vorlage eines Verteilungsberichts

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis zum 30. Juni 2000 dem Nationalrat einen Bericht über die Umverteilungswirkungen der bereits beschlossenen beziehungsweise im Regierungsübereinkommen enthaltenen Maßnahmen vorzulegen.

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

17.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.27

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Riepl, noch nie waren wir uns, was Ihren ersten Satz anlangt, so einig. Auch ich – das möchte ich klipp und klar sagen – bin sehr, sehr froh darüber, dass Kollege Nürnberger nicht unterschrieben hat und daher der Mann ist, der einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Freiheitlichen heute in der Regierung sitzen. – Danke, Herr Kollege Nürnberger, danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Edlinger. )

Deshalb hat er auch ein Freispiel, und ich widerspreche ihm auch heute nicht, denn das war eine ganz hervorragende Leistung.

Ganz anders verhält es sich mit Ihnen, Herr Kollege Gusenbauer! Sie sind heute in der Früh aufgestanden, haben sich vor den Spiegel gestellt und gesagt: Heute bringe ich eine Dringliche Anfrage ein, heute zieh’ ich mir die "Krafthose" an! Man hat bei Ihren verbalen Aussagen, die zwar inhaltsleer waren, aber doch mit großer Kraft vorgetragen wurden, heute gemerkt, dass Sie diese "Krafthose" angezogen haben. Leider muss ich nach dieser Rede sagen, Sie passen nicht einmal in diese "Krafthose" hinein, auch die ist Ihnen zu groß, denn diese Dringliche Anfrage war ein Rohrkrepierer sondergleichen. Das muss einmal ganz deutlich gesagt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Ihre Überheblichkeit ...! Das garantiere ich Ihnen!)

Diese Dringliche Anfrage wurde offenbar, wenn man sich den Text ansieht, im Hause Fellner, "NEWS", im Galaxie-Gebäude geschrieben, von dort kommen all diese Unsinnigkeiten und die Zahlen her, die Sie heute zitiert haben. Davon stimmt überhaupt nichts. Aber wir wissen, es gibt in diesem Haus noch zwei Menschen, nämlich Gusenbauer und Edlinger, die noch immer glauben, was in "NEWS" steht. Das wissen wir jetzt auch einmal ganz klar. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Edlinger! Sie wollen es noch immer nicht begreifen: 1 700 Milliarden Schilling Schulden haben Sie uns hinterlassen. 109 Milliarden Schilling beträgt das Budgetdefizit. (Abg. Edlinger: Der Verursacher sitzt hinter Ihnen!) Zwei Belastungspakete hatten wir, 1 Million Menschen leben an der Armutsgrenze, und wir haben 6 Milliarden Schilling Krankenkassendefizit.

Herr Kollege Edlinger! Da Sie mir das nie glauben und immer sagen, das stimmt alles nicht, habe ich mir das jetzt genauer angeschaut, weil ich mir gedacht habe, vielleicht lernt er, wenn ich ihm das etwas genauer darstelle. Sparpakete 1996/97: Edlinger erhöhte die Lohn- und Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer (Abg. Edlinger: Da war ich nicht einmal Mitglied der Regierung!)  – mit Ihrer Partei –, die Tabaksteuer, die Umsatzsteuer, die Versicherungssteuer. Er hat folgende Gebühren und Abgaben erhöht: die Normverbrauchsabgabe, die Energieabgabe auf Strom und Gas, die Stempelmarken-Gebühren, und er hat – siehe da! – die Rezeptgebühr erhöht. (Ah-Rufe bei den Freiheitlichen.)


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Er wirft uns vor, dass wir die Rezeptgebühr erhöhen, aber er hat sie drei Mal erhöht: 1996 von 35 auf 42 S, 1998 von 42 auf 43 S und 1999 von 43 auf 44 S. Sie haben drei Mal die Rezeptgebühr erhöht und haben daher kein Recht, das heute uns vorzuwerfen, Herr Kollege Edlinger! Sie sind der Belaster der "kleinen" Leute! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber es geht weiter. Was hat die SPÖ mit ihren vielen Finanzministern in diesen Jahren – sie wurden ja oft ausgetauscht, weil sie nie gehalten haben –, was haben die SPÖ und Edlinger alles gekürzt? – Das Karenzgeld in Dauer und Höhe, die Kinderbeihilfe, Sie haben das Pflegegeld gekürzt. Sie haben sogar die Stirn gehabt, das Pflegetaschengeld zu halbieren, also jenes Geld, das ursprünglich den behinderten Menschen gehörte! Das haben Sie ihnen weggenommen. Das war eine besonders schändliche Tat, und das soll auch einmal klipp und klar gesagt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. )

Sie haben beim Bausparen gekürzt, Sie haben den allgemeinen Absetzbetrag gestrichen, Sie haben die Absetzbarkeit von Sonderausgaben abgeschafft, Sie haben die Steuerermäßigung bei den Überstunden gestrichen, und Sie haben beim 13. und 14 Gehalt, beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ebenfalls gekürzt. Sie haben die Geburtenbeihilfe sowie die Studentenfreifahrt abgeschafft, und Sie kritisieren, dass wir jetzt den Preis der Autobahnvignette erhöhen, die Sie 1996 eingeführt haben! So ist es! (Abg. Haigermoser  – in Richtung SPÖ –: Wo war da die Gewerkschaft?!)

Das ist Ihr Budgetdesaster, Herr Kollege Edlinger. In Zahlen gegossen schaut das so aus: Direkte Steuererhöhungen 1996 und 1997: 65,58 Milliarden Schilling, indirekte Steuern: 28,11 Milliarden Schilling, ergibt Steuererhöhungen in den Jahren 1996/97 des sozialistischen Finanzministers im Ausmaß von 93,7 Milliarden Schilling – zusätzlich zu Ihrem 108-Milliarden-Schilling-Budgetloch. (Abg. Haigermoser  – in Richtung SPÖ –: Wo war da die Gewerkschaft?!)  – Und dann stellen Sie sich hier heraus und haben die Stirn zu sagen, durch das vorliegende Budget gebe es eine Umverteilung von unten nach oben.

Meine Damen und Herren! Es gibt in Österreich eine einzige derzeit laufende Umverteilung von unten nach oben: Diese spielt sich im Hause der SPÖ ab, denn genau diese SPÖ hat – genauso wie bei den Krankenkassen und beim Budget – auch im eigenen Haus ein Defizit von 350 Millionen Schilling gebaut. Und dafür lassen Sie jetzt Ihre "kleinen" Mitglieder zahlen! (Abg. Bures ahmt stehend minutenlang die Handbewegungen des Redners nach.) 750 S soll jedes Mitglied zahlen, damit Ihr Budgetdesaster, Ihr höchstpersönliches Budgetdesaster in Ihrer Parteizentrale finanziert werden soll! – Das ist die einzige Umverteilung von unten nach oben, und dafür sollten Sie sich eigentlich vor Ihren eigenen Mitgliedern genieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Schluss kommend: Sie alle haben die "Kronen Zeitung" bekommen. Werfen Sie einen Blick hinein! Auf Seite 3 ist ein schöner Artikel unter dem Titel: "So stehen Parteien in der Wählergunst". Darin heißt es – ich zitiere –:

"Neueste IMAS-Umfrage, wie die Parteien in der Wählergunst stehen: Die SPÖ" – sagt IMAS nach einer Umfrage mit einem Sample von 950; also ein sehr repräsentatives Ergebnis – "speckte im Vergleich zur Nationalratswahl von 33,2 auf 30 Prozent ab. ÖVP und FPÖ haben knapp zu ihr aufgeschlossen – die Bandbreite beträgt 26,5 bis 29 Prozent."

 

IMAS-Chef Kirschhofer bewertet diese Umfrage so: "Die SPÖ hat sich mit ihrer Linie geschadet." – Heute haben Sie einen weiteren Beitrag dazu geleistet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Silhavy zu Wort gemeldet. – Bitte beachten Sie § 58 Abs. 2 GOG, und beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen, Frau Abgeordnete.

17.33

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Kollege Westenthaler hat soeben die Behauptung aufgestellt, Herr Bundesminister Edlinger habe 1996, 1997 und 1998 die Rezeptgebühr angehoben. – Diese Behauptung ist falsch!


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Tatsache ist vielmehr, dass der § 136 Abs. 3 ASVG die Rezeptgebühr regelt, die nach dem § 108 angehoben wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Er und seine Finanzminister, habe ich gesagt! – Abg. Mag. Trattner: Klima und seine Finanzminister! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

17.34

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Restliche Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

17.34

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Diese Dringliche Anfrage hat einige Erkenntnisse klargemacht, so, wie es in der gesamten Budgetdebatte eigentlich nicht möglich war, weil die Politik der SPÖ ja eine Diskurs-Verweigerung war. (Ironische Heiterkeit der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Dr. Kostelka. )

Es war sehr gut, dass Alfred Gusenbauer heute an das Rednerpult getreten ist und gleichsam eine Art Regierungserklärung abgegeben hat, erklärt hat, wie er die Fragen sieht. Ich finde, das ist gut. Man gewinnt Erkenntnisse und Antworten auf die Frage: Wohin geht die Sozialdemokratie unter dem neuen Obmann Alfred Gusenbauer?

Die erste Erkenntnis, die ich gewonnen habe, ist folgende: Nachdem ich das weinerlich vorgetragene Selbstlob des letzten Finanzministers gehört habe, habe ich mir gedacht: Wie richtig war es doch, dass Wolfgang Schüssel gefordert hat, dass wir einen anderen Finanzminister bekommen (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), und dass das eine wichtige Frage bei der Regierungsbildung war! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als ich dann nach dieser heutigen Debatte meinen zweiten Merksatz formulieren wollte, ist mir plötzlich der Ur-Faust von Johann Wolfgang von Goethe eingefallen, in dem Mephisto sagt: "Ich bin der Geist, der stets verneint." – Und das ist mir eingefallen, nachdem ich Gusenbauer gehört habe, denn er hat keinen einzigen positiven Vorschlag gemacht, sondern nur verneint! – Sie sind der Geist, der stets verneint, auch wenn Sie jetzt ostentativ hier Ihre Briefpost erledigen, Herr Kollege Gusenbauer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer liest in einer umfangreichen Mappe. – Abg. Ing. Westenthaler: Ich glaube, er hat gar nichts drinnen in der Mappe! Da sind keine Briefe drinnen!)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Die dritte Sentenz aus dieser Debatte. Ich habe Sie von Großbauern, Großunternehmern und von Hausherren reden gehört, und ich habe eigentlich schon erwartet, dass Sie noch dazusagen werden: "und andere Klassenfeinde", denn Sie sind mit Volldampf unterwegs zurück ins 19. Jahrhundert. Sie werden sehr bald Karl Marx, "Das Kapital" und den Vulgärmarxismus neu entdecken und zur Maxime Ihrer Sozialdemokratischen Partei machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Grabner. )

Und meine vierte Sentenz, Herr Kollege Gusenbauer – und da wäre ich schon dankbar, wenn Sie mir einmal zuhören würden –, ist schon, dass Sie das Parlament nicht ernst nehmen. Sie nehmen dieses Hohe Haus nicht ernst! Wir haben in der vorhergegangenen Gesetzgebungsperiode mehrmals schwerwiegende Debatten darüber gehabt, ob eine Anfrage wirklich dringlich sei. Die Anfragen, die Sie von der SPÖ stellen, können nicht dringlich sein, wenn zeitweise nur ein Drittel Ihrer Fraktion im Raume ist. Wenn derjenige, der die Anfrage stellt und begründet, nur bei einem Teil der Debatte anwesend ist und am Schluss seine Briefe – wahrscheinlich an jene Mitglieder, die Spenden für den Abbau des Parteidefizits abgeliefert haben (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen)  – unterschreibt, dann muss ich sagen: Das Parlament ist ein Ort des Diskurses. Das Parlament ist der Ort, wo man miteinander redet, und das kann nicht ein Dialog sein, bei dem einer nicht zuhört. (Zwischenrufe der Abgeordneten Bures, Dr. Jarolim und Grabner. ) Wir haben Ihnen aufmerksam zugehört, und wir wissen, was die SPÖ unter Ihnen bedeutet.

Meine Damen und Herren! Der sozialistischen Klubführung möchte ich Dank und Anerkennung für diese Anfrage aussprechen. Sie hat einmal mehr gezeigt: Alfred Gusenbauer – Wolfgang


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Schüssel: kein Vergleich! Der Vergleich macht uns sicher! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.38

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Edlinger zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, bitte berücksichtigen Sie § 58 Abs. 2 GOG und beginnen Sie mit der Behauptung, die Sie zu berichtigen wünschen.

17.39

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Klubobmann Khol behauptete, Abgeordneter Gusenbauer hätte eine Regierungserklärung abgegeben. – Das ist falsch! (Abg. Ing. Westenthaler: Er unterschreibt Schuldscheine! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wahr ist vielmehr, Abgeordneter Gusenbauer stellte konkrete Fragen an den Herrn Bundeskanzler, aber dieser hat sie nicht beantwortet. Fragen nicht zu beantworten, heißt, das Parlament nicht ernst zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Die Abgeordneten Dr. Khol und Dr. Stummvoll: Das ist keine Berichtigung! – Abg. Haigermoser: Eine matte Sache! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ging nach hinten los!)

17.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Silhavy und Genossen betreffend Vorlage eines Verteilungsberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Beratungsgruppe VII wieder auf.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.40

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Ich möchte an die vorhergegangene Debatte anschließen, die letzte Rednerin vor der Dringlichen war Frau Kollegin Mertel. Sie hat erklärt, die ÖVP hätte sich mit der Aussage und mit dem Plakat "Karenzgeld für alle" auf Wählerfang begeben.

Dazu möchte ich sagen, die ÖVP bekennt sich nach wie vor zu dieser Aussage. Aber – und da wird Frau Kollegin Mertel staunen – wir bekennen uns auch zu Ihrer Aussage und zu Ihren Plakaten, meine Damen und Herren von der SPÖ, nämlich zu jenen, auf denen gestanden ist: "Auf den Kanzler kommt es an!" Und die heutige Dringliche Anfrage hat genau das bewiesen: Auf den Kanzler kommt es an! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die Opposition hat im Grunde etwas erkannt: Sie von der SPÖ haben das Lamentieren darüber, dass wir kein eigenes Frauenministerium mehr haben, aufgegeben, weil auch Sie erkannt haben, dass der Zusammenschluss der Bereiche Familie, Frauen, Generationenfragen und soziale Fragen das Richtige ist, dass das eine Querschnittsmaterie ist, die man gemeinsam betrachten und behandeln soll. Und ich bin sehr froh, dass diese Debatte in Ihren Beiträgen nicht mehr geführt wurde, weil das dem Frauenministerium Nachweinen schon längst keine Berechtigung mehr hat. Auch Sie haben das eingesehen und erkannt, dass die neue Ministerin gerade auch im Frauenbereich gute Akzente setzen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Generell ist es aber so, dass man sicher folgenden Spruch auf die SPÖ anwenden kann. Gogols Ausspruch "Im nachhinein ist der Verstand immer am schärfsten" trifft sicher auf Sie zu. Sie hatten wirklich in allen Bereichen, die Sie immer wieder ansprechen, 30 Jahre lang Zeit, Ihre Vorstellungen zu verwirklichen und gute Politik zu machen. Für uns geht es um eine gute Frauenpolitik, um Chancengleichheit und um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Wir werden uns nicht nur mit einer Gruppe von Frauen beschäftigen – etwa, indem wir sagen würden, nur berufstätige Frauen sind uns wichtig –, sondern wir wollen eben dafür sorgen, dass Frauen die Wahlfreiheit haben, dass sie sozial abgesichert sind, und auch dafür, dass sie eine Alterssicherung haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gute Familienpolitik bedeutet Unterstützung für die Familien. Unsere Familiensprecherin Ridi Steibl hat das ja schon ausgeführt. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Stummvoll. ) Gute Familienpolitik ist nicht gleich Frauenpolitik, aber gute Familienpolitik hilft den Frauen, damit sie eben Familie und Beruf vereinbaren können, und das ist für uns auch sehr wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Bundeskanzler hat ausgeführt, dass gute Jugendpolitik Arbeitsplätze und Ausbildung für die Jugend schafft, dass sie den jungen Menschen Unterstützung und Hilfe gibt, aber auch, dass er für die Einhaltung des Generationenvertrages sorgen wird. Auch dafür stehen wir: dass dieser Generationenvertrag eingehalten wird und dass die Jugend nicht mit einer Hypothek auf die Zukunft in einem zu hohen Ausmaß belastet werden kann.

Gute Gesundheitspolitik heißt auch, dass wir bei kleinen Problemen durchaus auch den Patienten zur Mithilfe und zur Mitfinanzierung heranziehen können, dass es aber bei großen Problemen sehr wohl die Solidarität von uns allen geben muss. Das heißt auch, dass wir uns in der Gesundheitspolitik neuen Fragen stellen werden müssen, wie zum Beispiel dem Ausbau der Hospizbewegung, die in Österreich noch sehr im Argen liegt.

Gute Behindertenpolitik bedeutet Integration, Arbeitsassistenz, die Einbeziehung der Behinderten – das heißt, sie zu integrieren und sie nicht auszugrenzen.

Gute Seniorenpolitik – dafür steht ein hervorragender Sprecher bei der ÖVP: unser Seniorensprecher Dr. Bruckmann –, das heißt Alterssicherung und Teilnahme an der Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP. – Einige Abgeordnete der ÖVP spenden Abg. Dr. Bruckmann stehend Beifall. – Dieser dankt.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich denke, es ist wichtig, noch einen Punkt anzusprechen, der mir immer wieder in Ihren Debattenbeiträgen aufgefallen ist. Die SPÖ hat immer gesagt, Frauen müssen berufstätig sein – für ihr Selbstwertgefühl, um für ihren Unterhalt zu sorgen, Arbeit ist Lebensinhalt. (Abg. Dr. Mertel: Wann haben wir das gesagt? Sie müssen die Wahlmöglichkeit haben!)

Auch wir bekennen uns dazu! In der Behindertenpolitik haben wir immer gesagt, wie wichtig es ist, dass Behinderte arbeiten können, dass sie eben ihr Selbstwertgefühl daraus beziehen können. Wir müssen sie einbeziehen und integrieren.

Arbeitsfreude ist etwas ganz Wesentliches. Es gibt nicht nur Arbeitsleid. Aber bei der Pensionsfrage, bei der Erhöhung des Antrittsalters, da gibt es für Sie auf einmal diese Arbeitsfreude nicht mehr! Da ist es auf einmal nicht mehr wichtig, dass man sich mit dem Beruf identifiziert, dass man gerne arbeitet. Bei der Frage des Pensionsantrittsalters gibt es für Sie auf einmal nur mehr Arbeitsleid, Arbeitslast. Und jeder zusätzliche Arbeitsmonat, den man einem 56-, 57- oder 58-Jährigen Ihrer Meinung nach zumutet, ist für Sie auf einmal unzumutbar und reines Arbeitsleid.

Vielleicht könnte mir eine Ihrer Rednerinnen einmal den Unterschied erklären zwischen einer berufstätigen Frau einerseits und jemandem ab 56 Jahren andererseits! Bei der Integration von Behinderten setzen wir sehr wohl alles daran, dass zum Beispiel auch Behinderte, die körperlich nicht die Voraussetzungen mitbringen, aber trotzdem einen Beruf ergreifen wollen, arbeiten können, während Sie bei 56-Jährigen bei sechs zusätzlichen Monaten ein Problem sehen.


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Meine Redezeit geht zu Ende. Ich finde, dass in den letzten 100 Tagen sehr gute Politik und Sozialpolitik geleistet worden ist, dass es eben auf den Kanzler und sein Team ankommt und dass wir bei unseren ersten Schritten sehr gute Arbeit geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.46

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

17.47

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Frau Kollegin Gatterer, ich denke, man kann über das Pensionsantrittsalter sehr wohl diskutieren. Uns geht es dabei vor allem um die Planbarkeit und auch um den Vertrauensschutz. Ich schließe bei Ihrer Wortmeldung an, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft, und möchte den Bereich der Kinderbetreuung ansprechen, der mir sehr wichtig erscheint und der immer im Zusammenhang mit den Frauen genannt wird. Bei diesem Thema denke ich aber, es müsste künftig auch für Männer selbstverständlich sein, in diesem Zusammenhang aktiv zu werden.

Meine Damen und Herren! Kinderbetreuung ist auch eine Frage von Qualität und Quantität. Sie betrifft vor allem die Kinder. Was ich noch sehr wichtig finde und betonen möchte, meine Damen und Herren, ist Folgendes: Kinderbetreuungseinrichtungen ersetzen nicht die Familie, sie ersetzen nicht die Eltern, sondern sollen vor allen Dingen als ergänzend, fördernd und ausgleichend dazu betrachtet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Außerhäusliche Kinderbetreuung ist ein Service, eine Dienstleistung, und die Kinder sind die Kunden und Kundinnen. Die Kinder sind eigenständige Personen und sollen nicht nur als Teil der Familie gesehen und akzeptiert werden. Wer profitiert denn von qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen? – Zuallererst die Kinder. (Abg. Steibl: Kinder sind Teil der Familie!)  – Das habe ich ja gesagt, Frau Kollegin Steibl, natürlich, aber sie sind auch Personen, die eigene Rechte haben, sie sind nicht nur ein Teil der Familie! (Beifall bei der SPÖ.) – Also, sind wir einer Meinung? – Gut.

Wer profitiert von qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen, meine Damen und Herren? – Die Kinder, die Eltern, die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt.

Zu den Kindern: Gute Betreuungsplätze sind Bildungseinrichtungen und die ideale Ergänzung zum Familienleben. Eine Befragung der Österreichischen Kinderfreunde unter Kindern ergab Folgendes: Während die Kinder im Kindergarten überwiegend mit FreundInnen spielen und sich kreativ betätigen, überwiegen zu Hause das Spielen allein, das Fernsehen beziehungsweise die Beschäftigung mit dem Computer.

Zur Erinnerung: Schon 1980 warnte der amerikanische Soziologe Neil Postman vor einem Verschwinden der Kindheit. Die kulturelle Leistung, die in der klaren Abgrenzung vom Kinder- und Erwachsenenalter liegt, sah er vor allem durch die gleichschaltende Wirkung des Fernsehens bedroht.

Von Betreuungseinrichtungen profitieren die Eltern, meine Damen und Herren, denn Elternschaft ist endlich kein Grund mehr für ein Ausschließen vom Arbeitsmarkt. Es profitieren aber auch die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt von zufriedenen Mitarbeiterinnen und von zusätzlichen Arbeitsplätzen, die in Betreuungseinrichtungen geschaffen werden.

Meine Damen und Herren! Ich weiß schon, dass Kinderbetreuung in der Kompetenz der Länder und Gemeinden liegt. Frau Ministerin! Gerade diese Unterschiedlichkeit bringt für die Kinder eine Ungleichbehandlung. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, die so genannte Kindergartenmilliarde weiterhin zur Verfügung zu stellen, um die erforderliche Quantität zu erreichen, und ein bundeseinheitliches Rahmengesetz für die Kinderbetreuung zu schaffen, um dadurch die Rechte der Kinder auf Qualitätssicherung zu garantieren. (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Kinderbetreuung ist ein soziales Grundrecht. Das familienpolitische Chaos – ich kann es Ihnen nicht ersparen, das so zu bezeichnen – dieser Regierung verunsichert die Familien und ist von Planlosigkeit geprägt. Ich halte es mit dem Sozial-Hirtenbrief und dem Leiter der Katholischen Sozialakademie, der sagt: Mehr Markt und weniger Staat sei der aktuelle Slogan. Der Hirtenbrief fordere mehrfach das Eingreifen des Staates, wenn es um Gerechtigkeit, Bekämpfung von Armut, Ausgrenzung oder Arbeitslosigkeit geht. Es sei eine gefährliche Illusion, die Lösung der neuen sozialen Fragen allein dem Markt oder den Regelmechanismen rivalisierender Gruppeninteressen zu überlassen. Leider sei die Parole "Staat, lass nach!" auch in Österreich politisch salonfähig geworden. Das nützt den wirtschaftlich gut Abgesicherten, während die Schwächeren, die sich bestimmte Dinge nicht selber organisieren können, auf der Strecke bleiben. – So die Katholische Sozialakademie Österreichs.

Meine Damen und Herren! Die österreichischen Familien, die Kinder haben ein Recht auf Stabilität, Kontinuität und Berechenbarkeit, und das muss gewährleistet werden. (Beifall bei der SPÖ.)

17.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lentsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.52

Abgeordnete Edeltraud Lentsch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren von der SPÖ, beenden Sie doch endlich Ihre Trauerarbeit! Ich finde, 100 Tage sind genug. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gibt nämlich Themen in der Politik, die sich für ideologische Streitereien überhaupt nicht eignen. (Abg. Binder: Vor allem die Kinder!) Dazu zähle ich an erster Stelle die Gestaltung der ganz persönlichen Lebensumstände, vor allem die Beziehung jeder und jedes Einzelnen von uns zum jeweiligen Lebenspartner und zu ihren beziehungsweise zu seinen Kindern. Keine Weltanschauung, keine Partei, aber auch kein Ministerium kann das Gefühl für diese Menschen und das, was wir für sie zu tun oder zu lassen bereit sind, wirklich nachhaltig beeinträchtigen, und das finde ich gut so.

Ich finde es daher völlig unangebracht, dass sehr viele unserer rot-grünen Kolleginnen permanent an einem Wertekodex basteln, der festlegt, wann eine Frau emanzipiert ist, ab wann sie sich als selbstbewusst bezeichnen darf, ab wann sie mit beiden Beinen im Leben steht, kurz: unter welchen Bedingungen sie sich als eine moderne Frau von heute bezeichnen darf, die man bewundert und möglichst auch nachahmen sollte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie sich doch endlich gesagt sein: Die Frauen brauchen Ihre politischen Anleitungen zum Glücklichsein nicht! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg.Silhavy. ) Frauen brauchen von der Politik nur die Wahlfreiheit, ihr Leben so zu gestalten, wie es ihnen und ihrer Familie gefällt, und wir haben dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an der Lebensgefährtin des neuen SPÖ-Vorsitzenden! Kürzlich habe ich in einer Zeitung gelesen, dass auch ihr die Erziehung ihres Kindes wichtiger war beziehungsweise wichtiger ist als der volle Wiedereinstieg in den früheren Beruf. Ich freue mich für diese Frau, und ich freue mich für dieses Kind! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und jetzt meine Frage an die grün-roten Kolleginnen hier im Haus: Wollen Sie auch dieser Frau ihre Selbstbestimmung und ihr Selbstbewusstsein absprechen, nur weil sie sich – und ich nehme an, in Absprache mit Dr. Gusenbauer – dafür entschieden hat, einige Jahre der Kindererziehung zu widmen? (Abg. Schwemlein: Darf ich auch eine Frage stellen: Wer hat Ihnen diese schlechte Rede geschrieben?)

Geschätzte Damen und Herren! Unsere Devise lautet jedenfalls: Jede Frau soll auf ihre Weise ihr Leben bestimmen und ihre eigenen Wege gehen können. Unsere Devise lautet: Jede, wie sie will! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Natürlich steht und fällt die Wahlfreiheit der Frauen zwischen Beruf und Familie mit den geeigneten Möglichkeiten für die Betreuung der Kinder. Das ist uns schon klar. Aber auch hier gilt: Der Weg ist das Ziel. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Wer hat Ihnen diese schlechte Rede geschrieben?) Für viele mag der Kindergartenplatz das Richtige sein, aber immer öfter braucht man auch flexiblere Einrichtungen. Deswegen steht die Volkspartei auch ganz klar zu den Tagesmüttern, zum einen, weil sie eine familiäre Atmosphäre bieten, die ein individuelleres Eingehen auf jedes einzelne Kind erleichtert, zum anderen aber auch, weil sie viel flexibler reagieren können, wenn einmal ein Berufstag länger dauert oder irgendetwas anderes dazwischenkommt.

Natürlich sind auch wir für ein partnerschaftliches Teilen der familiären Aufgaben mit den Männern, aber dieses Feld eignet sich wohl kaum für Forderungen und Gesetze und schon gar nicht für Verordnungen.

Nur ein Beispiel, obwohl wir auch hier dafür sind: Was haben wir vom gesetzlichen Anspruch auf Väterkarenz, wenn sich die Familien das einfach nicht leisten können, dass gerade der Verdiener ausfällt, der am meisten zum Familienbudget beiträgt? – Und die Männer verdienen nun einmal mehr als die Frauen, das ist uns doch wohl allen bewusst.

An dieser Stelle kann ich den Damen von der SPÖ, die so sehr den Verlust des Frauenministeriums beklagen, eine Frage nicht ersparen: Wo sind denn nun die Erfolge von 30 Jahren SPÖ-Dominanz im Frauenministerium? Warum müssen Frauen nach wie vor um gleichen Lohn für gleiche Arbeit kämpfen? Wo sind denn die lang versprochenen Jobsharing-Möglichkeiten für die Frauen? (Abg. Schwemlein: Also wenn Sie das noch nicht mitbekommen haben! Sie wären noch in der Küche, wenn es nicht so eine erfolgreiche Frauenpolitik gegeben hätte!) Wo haben all die Frauenministerinnen die Situation der Frauen in Österreich nachhaltig verbessert? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Parfuss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Schwemlein: Frau Kollegin! Sie stünden heute noch in der Küche, wenn wir nicht erfolgreiche Frauenpolitik gemacht hätten! – Abg. Böhacker: Geh bitte, Kollege Schwemlein! In der Küche sicher nicht!)

17.58

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte allen Rednern von der Opposition widersprechen, die behauptet haben, dass die Budgetplanung der Regierung chaotisch war. Mitnichten! Die Koalition hat einen exakten Stufenplan, und zwar nach sechs Stufen: Erste Stufe: Begeisterung. Zweite Stufe: Verwirrung. Dritte Stufe: Ernüchterung. Vierte Stufe: Suche nach den Schuldigen. Fünfte Stufe: Bestrafung der Unschuldigen. Sechste Stufe: Lobpreisung der Regierung und Halleluja! – 100 Tage ÖVP/FPÖ! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Mit dem Halleluja hapert es nach den 100 Jahren (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen) noch ein bisschen – außer mit dem Eigenlob.

Meine Damen und Herren von der Einheitspartei! Sie sind ein Gerichtsvollzieher, der sich als Weihnachtsmann verkleidet hat. Das macht die heutige Diskussion klar. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Nürnberger hat heute den "Kurier" hergezeigt: Nur 23 Prozent der Befragten sind für eine einheitliche Auszahlung – abgesehen davon, dass Herr Professor Frisch vom Staatsschuldenausschuss sagt, dass das alles ohnehin nicht finanzierbar ist. Frau Bundesminister Sickl! Sie singen Ihre Lieder, bevor Sie sie komponiert haben. (Bundesministerin Dr. Sickl: Das ist aber ein Wunder!)

Meine Damen und Herren! Die Linie von FPÖ und ÖVP ist heute ausgiebig diskutiert worden. Eines ist mir natürlich besonders aufgefallen: Es gibt die Gleichung: Familie = Kindererziehung zu Hause = Frauen, aber nicht für Alleinerzieherinnen. Das Familienbudget, das heute vorgelegt


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worden ist, ist voller Widersprüche. Wir haben es bereits gehört. Aber, Frau Bundesminister, Sie müssen das vor den Menschen in Österreich verantworten! Das ist Ihre Angelegenheit.

Frau Bundesminister! Im Budgetausschuss haben Sie ein Bekenntnis zur Jugendförderung abgegeben. Wir haben gehört: Der internationale Jugendaustausch ist durch massive Kürzungen gefährdet, und die Jugendherbergsbetriebe sind von den Kürzungen stark betroffen. Die Familien werden sich dafür "bedanken"!

Frau Bundesminister, in einem "Standard"-Interview haben Sie gesagt, wir brauchen mehr Kinderbetreuungsplätze. – Gut, das ist auch unsere Meinung, nur: Wir hören die Worte, aber uns fehlt der Glaube. Ich fürchte, Frau Bundesminister Sickl, aus Ihren Träumen im Frühling wird im Herbst Marmelade gemacht. Dafür wird Ihr Finanzminister sorgen. (Abg. Böhacker: Wie war das mit der Marmelade?)

Meine Damen und Herren! Diese Regierung ist für uns Sozialdemokraten, ist für viele Menschen in Österreich eine schwere Prüfung, die uns das Leben stellt. Sie wird gehen, so wie sie gekommen ist – leider mit schwerwiegenden Folgen für die Menschen in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

18.01

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

18.01

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich bitte feierlich um Verzeihung, wenn ich nun all jene unter Ihnen enttäuschen werde, die mich vornehmlich als "Kehrausredner" schätzen, der nach einer ermüdenden Debatte mit ein paar Literaturzitaten oder einer Anekdote einen versöhnlichen Abschluss sucht.

Hohes Haus! Heute bin ich zu Recht mitten in der Debatte zum Budgetkapitel Soziales angesetzt, da ich mich als Seniorensprecher meiner Fraktion zu einem wichtigen Spezialaspekt zu Wort melden möchte, nämlich dem Beitrag der öffentlichen Hand zur Pensionsfinanzierung.

Von den 213 Milliarden Schilling Ausgaben für soziale Zwecke entfallen allein 65 Milliarden Schilling – mit Ausgleichszulagen, allerdings noch ohne Beamtenpensionen – auf den Bundeszuschuss zu den Pensionen. Im Zuge der Notwendigkeit, das ohne steuernde Maßnahmen drohende Budgetdefizit von 109 Milliarden Schilling drastisch zu reduzieren, konnte an diesem Brocken nicht vorbeigegangen werden. Mehr noch: Innerhalb der nächsten drei Jahre wäre dieser Betrag um weitere 27 Milliarden Schilling auf satte 92 Milliarden Schilling gestiegen, was jede Bestrebung, das Bundesbudget mittelfristig halbwegs in Ordnung zu bringen, konterkariert hätte.

Hohes Haus! Man könnte noch einen Schritt weiter gehen und fragen, ob es sich bei diesem Brocken überhaupt um eine konstitutive Aufgabe des Staates handelt, vergleichbar mit Aus-gaben für die Hoheitsverwaltung oder für die öffentliche Sicherheit. Ich dürfte der Einzige der hier Anwesenden sein, der seinerzeit, vor fast 40 Jahren, noch am Zustandekommen der Pensionsdynamik mitgewirkt hat, damals als außenstehender Experte.

Ich erinnere mich noch ganz genau, wie in den vorbereitenden Gesprächen ein Diskussionsredner einmal gesagt hat: Das ist eine so große Aufgabe, dass man sie nicht Arbeitgebern und Arbeitnehmern allein überlassen kann, da muss auch der Staat helfen!, und wie Horst Knapp breit gelächelt und gesagt hat: Was heißt "der Staat"? Der Staat hat nur das verfügbar, was er dem Steuerzahler abnimmt, und Steuerzahler sind erst recht wieder Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ein hoher Staatszuschuss vernebelt nur die Tatsache, dass in einem auf dem Umlageverfahren beruhenden Pensionssystem jeder Schilling, den ein Pensionist erhält, gleichzeitig einem Aktiven aus der Tasche gezogen werden muss, unter welchem Titel auch immer.

Hohes Haus! Es fiele mir wesentlich leichter, über dieses Thema 25 Minuten lang zu sprechen als nur jene 5 Minuten, die mir zustehen. In der erforderlichen Kürze sei gesagt: Den nunmehr


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vorgesehenen Maßnahmen liegt zugrunde, dass der Bundeszuschuss von den heutigen 65 Milliarden Schilling nicht auf 92 Milliarden Schilling, sondern "nur" – unter Anführungszeichen – auf 77 Milliarden Schilling steigt. Es ist also einfach unwahr, dass den Pensionisten 15 Milliarden Schilling weggenommen werden sollen. Es wird nur der für den Bundeszuschuss vorgesehene Betrag um 15 Milliarden Schilling weniger stark steigen. Die Pensionisten erhalten in den nächsten Jahren immer noch aus Budgetmitteln um 12 Milliarden Schilling mehr als heute.

Es sei aber ausdrücklich festgehalten, dass diese Verringerung des Zuwachses um 15 Milliarden Schilling einen beachtlichen Beitrag der Pensionisten zur Budgetsanierung darstellt. Es sei ferner festgehalten, dass den vorgesehenen Maßnahmen primär die langfristige Sicherung unseres Pensionssystems zugrunde liegt und dass es sich beim Beitrag zur Budgetsanierung nur um einen positiven Nebeneffekt handelt.

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die hiefür erforderlichen Maßnahmen, die moderater sind als jene, die im damals fertig gestellten Koalitionspakt zwischen SPÖ und ÖVP enthalten waren, ablehnen, lade ich Sie herzlich ein, konstruktive Alternativvorschläge vorzulegen und sich nicht nur auf ein simples und blindes Njet zu beschränken (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – Abg. Silhavy: Auch wenn Sie es noch einmal erwähnen, es ist nicht unterschrieben worden!) und so zu tun, als ob sich die grundlegende Pensionsproblematik allein durch Gesundbeten lösen ließe. Die Regierungsparteien sind sich ihrer Verantwortung für Österreich bewusst, sie werden dieser Verantwortung auch entsprechen.

Ich möchte aber dennoch meinem Ruf, nicht ohne Bonmot zu schließen, insofern nachkommen, als ich mir erlaube, einen Kollegen vom Koalitionspartner, Kollegen Trattner, zu korrigieren. Er hat Kollegen Nürnberger als "Baumeister" der neuen Koalition bezeichnet. Ich glaube, das ist zu viel der Ehre. Ich möchte mich auch nicht jenen bösen Zungen anschließen – ich schließe mich ihnen nicht an, Herr Präsident, um keinen Ordnungsruf zu bekommen –, die ihn als "Totengräber" der alten Koalition bezeichnet haben. Ich bin vielmehr sicher, dass der Abgeordnete Nürnberger von der späteren Geschichtsschreibung als jener bezeichnet werden wird, der die Hebamme der neuen Koalition war. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reheis. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.07

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Prinz hat heute hier in seiner Rede gesagt, Politik darf nicht jugendverdrossen machen. Herr Kollege Prinz, ich schließe mich Ihrer Meinung völlig an und unterstreiche dies auch. Wenn man die Zukunft allerdings wirklich neu regieren will, wie Sie das in Ihr Programm hineingeschrieben haben, muss man der Jugend dieses Landes alle Chancen einräumen, mit zu entscheiden und dieses Land auch mit zu gestalten. Schauen wir uns also an, was sich diese Regierung in ihrem Regierungsprogramm so alles für die Zukunft der Jugend Österreichs ausgedacht hat. (Abg. Schwemlein: Anschauen ist ja kein Problem, aber ...!)

Herr Kollege Schwemlein! Ganze 16 Zeilen inklusive Überschriften, ganze 10 Zeilen ohne Überschriften mit "Nonanet!" bis nichts sagenden Allgemeinplätzen in einem Konvolut von immerhin 121 Seiten sind der Jugend gewidmet! (Abg. Schwemlein: Traurig! – Abg. Böhacker: Schwemlein, da gehörst du nicht dazu, zur Jugend!) Die Jugend, sprich die Zukunft unseres Landes, ist Ihnen nichts sagende zehn Zeilen wert. Und da soll unsere Jugend nicht politikverdrossen werden, Herr Kollege Prinz?! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch im Jahr 2000 werden zirka 3 000 bis 5 000 Schulabgänger wieder eine Lehrstelle suchen. Kein Wort davon, was Sie mit den arbeitslosen Jugendlichen machen. Sie werden mit dem Problem dieser Jugendlichen konfrontiert sein, da für sie keine Lehrstelle in einem Betrieb zur Verfügung steht. Diese Bundesregierung, die sich die Zukunft auf die Fahnen geheftet hat, hat es bisher unterlassen, im Budgetbegleitgesetz ausreichende Mittel für die Fortsetzung der sehr erfolgreichen Maßnahmen des Jugendausbildungssicherungsgesetzes vorzusehen. Damit neh


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men Sie in Kauf, dass Tausenden jungen Menschen kein Zugang zu einer beruflichen Ausbildung eröffnet wird.

Weiters wird im Regierungsprogramm lapidar festgeschrieben, die Länder sollen eine Harmonisierung der Jugendschutzgesetze herbeiführen. Wäre es nicht viel wirksamer, wenn seitens der Bundesregierung bei den Ländern auf die rascheste Umsetzung einheitlicher Jugendschutzgesetze hingewirkt wird? Noch immer gibt es nämlich Unterschiede bei den Jugendschutzgesetzen in den einzelnen Bundesländern. Der Aufenthalt an allgemein zugänglichen Orten, Aufenthalt in Gaststätten, Glücksspiel und Glücksspielapparate und so weiter werden unterschiedlich bewertet. Jugendliche sind in den einzelnen Bundesländern nicht gleich viel wert und gleichberechtigt.

Was in Ihren zehn Zeilen, die Sie der Jugend in Ihrem Programm gewidmet haben, weiters fehlt, ist unter anderem auch die Forderung nach einem Bundesjugendförderungsgesetz auf Grundlage der Autonomie von Jugendorganisationen nach dem Prinzip der Flexibilität und Offenheit. (Bundesministerin Dr. Sickl: Das ist alles da! Das ist in der Begutachtung!)

Frau Bundesministerin! Sie haben heute Vormittag darauf hingewiesen, dass ein Bundesjugendförderungsgesetz als Vorlage schon bald in Begutachtung geht. Ich weise Sie darauf hin, dass dies schon in der letzten Gesetzgebungsperiode, nämlich am 3. September 1999, mit einer Frist bis 15. November 1999 versehen wurde. Tun Sie also nicht so, als ob das Bundesjugendförderungsgesetz auf Ihr Betreiben hin zustande kommt! (Beifall bei der SPÖ.)

SPÖ und ÖVP haben dazu schon in der vergangenen Gesetzgebungsperiode einen umfangreichen Entschließungsantrag eingebracht.

Meine Damen und Herren! Jugend – darüber gäbe es sehr viel zu diskutieren, aber das Lämpchen leuchtet schon, ich habe sehr wenig Zeit. Ich fordere Sie auf, auch darüber nachzudenken, was Sie unter Mitsprache verstehen.

Werden Sie das Wahlalter für Jugendliche im kommunalen Bereich auf 16 Jahre senken? – Eine Frage, die sehr wichtig ist, in der Sie mit uns rechnen können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Themen wie Zugang zu den neuen Medien, Internet für Kinder und Jugendliche, Zugang zu neuen Medien in Schulen sind aktueller denn je! – Kein Wort davon in Ihrem Programm. Dieses wichtige Zukunftsthema fehlt. Wir fordern Sie auf, sich von Allgemeinplätzen, von Ihrem Chaos in der Jugendpolitik zu verabschieden und endlich Taten folgen zu lassen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.12

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kampichler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.12

Abgeordneter Franz Kampichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich müsste ich jetzt auch bejammern – so wie es die Grünen und die Sozialdemokraten gemacht haben –, dass es kein Familienministerium, kein Frauenministerium mehr gibt. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich brauche das nicht zu tun, denn ich beurteile jede Regierung danach, was sie für die Familien weiterbringt und nicht nach den vorhandenen Ministerien. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, wir sind jetzt in einer sehr guten Situation, denn die Regierung Schüssel hat sich vorgenommen, sehr viel im Familienbereich umzusetzen. Berechtigte Anliegen der Familien werden jetzt realisiert, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinderbetreuungsgeld – wir haben es ausreichend diskutiert –, Anerkennung der Kindererziehungszeiten als pensionsbegründend, Verlängerung der Karenzzeit und vieles andere mehr, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Abg. Dr. Niederwieser: Werden wir das noch erleben?)  – Diese Regierung wird für die Familien als eine sehr positive in die Geschichte eingehen! (Beifall bei der ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits in den ersten 100 Tagen Regierungsarbeit wurden wesentliche Weichenstellungen vorgenommen. Ich gratuliere unserer Regierung, denn Familienpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren – das ist heute auch schon durchgeklungen –, ist Zukunftspolitik. (Abg. Dr. Mertel: Was haben Sie gemacht?)  – Ich darf gleich darauf zurückkommen, Frau Mertel.

Geschätzte Damen und Herren! Eine Sache, die sehr bemerkenswert ist: Die Frau Minister hat eine Initiative gestartet, sie hat einen bislang nicht sehr deutlichen Aspekt in den Vordergrund gestellt, nämlich den Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt von Müttern und Vätern durch Familienkompetenz. Die Frau Minister hat heute bereits ganz kurz darauf hingewiesen. Personalchefs und die Wirtschaft schätzen diese Qualifikation, und es ist erfreulich, dass diese Qualifikation jetzt in den Vordergrund rückt, denn bisher, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat man immer von den Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg ins Berufsleben gesprochen. Heute sind wir in der glücklichen Situation – und das ist auch wissenschaftlich untermauert –, dass Familienkompetenz als "besondere Fähigkeit" angesehen wird. Zu diesen besonderen Fähigkeiten zählt man zum Beispiel Stressresistenz, Kommunikations- und Organisationsfähigkeit, Integrations- und Konfliktfähigkeit. (Abg. Dr. Mertel: Gilt das für die Väter auch?)  – Frau Mertel! Sie wissen ganz genau, dass ich die Väter immer miteinbeziehe. Das habe ich alles schon von Ihnen gelernt. (Beifall bei der ÖVP.)

Vor allem auch pädagogische Fähigkeiten zählen dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diese Fähigkeiten – das habe ich bereits gesagt – werden derzeit von der Wirtschaft erkannt und sehr geschätzt. Im Herbst soll ein Pilotprojekt starten, das Familienkompetenzen an fünf Familienberatungsstellen in einem mehrstufig innovativen Coaching-Programm herausarbeiten soll. – Ein Programm, das auf die Anforderungen, die an Mütter beziehungsweise Väter auf dem Weg zurück ins Berufsleben gestellt werden, ausgerichtet ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Kooperation mit AMS und Industrie sollen hier wirklich motivierte Arbeitnehmer in den Arbeitsprozess zurückgeführt werden. (Abg. Dr. Khol: Schlusssatz!) Durch die Einführung des Kindergeldes wird eine Erwerbstätigkeit nicht verboten, was den Wiedereinstieg in das Berufsleben ebenfalls erleichtern wird. Das Budget, das wir heute beschließen, bietet die optimale Grundlage dafür. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Restliche Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

18.16

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegen uns zwei Anträge vor: einer von Mag. Prammer betreffend Arbeitsmarktpolitik für Frauen, ein zweiter von Abgeordneter Zierler betreffend verbesserte Arbeitsmarktchancen für Frauen. Die Grünen werden beiden Anträgen nicht zustimmen, und Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, weshalb nicht. Diese beiden Anträge unterscheiden sich maximal in der Satzstellung und in der Setzung der Satzzeichen, inhaltlich unterscheiden sie sich in nichts, weil sie gleichzeitig alles und nichts fordern.

Das möchte ich Ihnen auch begründen. Beide Anträge gehen von strukturellen Benachteiligungen der Frauen aus. – So weit richtig. Strukturelle Benachteiligungen der Frauen erfordern aber strukturelle Maßnahmen als Antwort. Was aber in den Anträgen gefordert wird, sind individuelle, auf die unterschiedlichen Lebenssituationen der Menschen, der Frauen Bezug nehmende Maßnahmen.

Dritter Punkt: Arbeitsmarktpolitik setzt per se am Individuum an und ist daher per definitionem ungeeignet, strukturelle Benachteiligungen zu bekämpfen. Wenn Sie, meine Damen und Herren – und Sie wissen es ja alle –, wirklich strukturelle Benachteiligungen von Frauen am Arbeitsmarkt bekämpfen wollen, dann streichen Sie erstens die unsäglichen Verfügbarkeitsbestimmungen, die Frauen ausgrenzen (Beifall bei den Grünen), und geben Sie zweitens den Frauen beziehungsweise allen mit Betreuungspflichten befassten Personen das Recht auf Teilzeitarbeit!


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Das wären konkrete Antworten auf konkrete Fragen. Also bitte: in Zukunft keine Anträge mehr – ich spreche alle drei Parteien an –, die alles und damit auch gleichzeitig nichts fordern. (Beifall bei den Grünen.)

18.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Freund. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.18

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ein wichtiger Teil im Budget ist das Kapitel Frauenangelegenheiten. Im Vergleich zum letzten Jahr wurde der diesbezügliche Budgetansatz um zirka 10 Millionen Schilling erhöht, was sehr zu begrüßen ist. Das sage ich ganz bewusst auch als Mann. (Beifall bei der ÖVP.)

Die neue Regierung beweist damit, dass ihr die Probleme und die Gleichstellung der Frauen wichtige Anliegen sind. Erstens haben wir hervorragende, starke Frauen in der Regierung, und zweitens haben wir ein ambitioniertes Programm. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu den größten Leistungen, die von der neuen Bundesregierung in Bezug auf Frauenangelegenheiten geplant sind, gehört erstens die geplante Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei der Pensionsbegründung, denn diese Maßnahme wird massiv zur wirtschaftlichen und sozialen Unabhängigkeit der Frau beitragen.

Zweitens: Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes erhalten alle Eltern völlige Wahlfreiheit in ihrer Lebensgestaltung und eine neue Qualität in der Eigenverantwortung. Darum geht es uns letztendlich: Wahlmöglichkeit wird geschaffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mit der Einführung des Karenzgeldes für alle sowie der Erweiterung der Karenzzeit auf zwei Jahre für Frauen oder Männer wird das erreicht. Außerdem gibt es in Zukunft die Möglichkeit, etwas dazuzuverdienen und damit die Chancen für einen Wiedereinstieg ins Berufsleben verbessern zu können.

Aus der Sicht der Bäuerinnen, aber auch Studentinnen und Hausfrauen bringt dieses Paket große Verbesserungen mit sich. Dieser erfolgreiche Ausbau der Familienförderung seit Jänner 1999 beziehungsweise Jänner 2000 wurde von unseren Bäuerinnen sehr gut aufgenommen, denn gerade in den bäuerlichen Familien leben die meisten Kinder.

Diese verbesserte Familienförderung führt zu einer steuerlichen Entlastung und damit zu einer Verbesserung der Situation der Frau insgesamt. (Beifall bei der ÖVP.)

Alles in allem, meine Damen und Herren, sind vielversprechende Maßnahmen im Bereich Gleichstellung der Frau und Verbesserung der Wahlmöglichkeiten für Frauen geplant.

Der Kritik seitens der Opposition an der Abschaffung des Frauenministeriums kann ich entgegenhalten: Bisher waren die Frauenangelegenheiten ein Anhängsel des Konsumentenschutzes, jetzt liegen die Frauenangelegenheiten in der Kompetenz des Sozial- und Familienministeriums, wodurch wesentlich mehr Budgetmittel zur Verfügung stehen. Das ist der große Vorteil für die Interessen der Frauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eines der größten Probleme bei der Gleichstellung von Frauen ist, dass Frauen immer noch deutlich weniger verdienen als Männer. Das "Neue Volksblatt" vom 10. Mai legt eine Studie vor, nach der die Kluft zwischen Frauen- und Männergehältern in den letzten 30 Jahren sogar noch größer geworden ist. 1977 lagen die Gehälter der Frauen um 29 Prozent unter jenen der Männer, jetzt liegen sie sogar um 32 Prozent darunter – das alles, meine sehr geschätzten Damen und Herren, trotzdem wir eine Frauenministerin gehabt haben und 30 Jahre lang sozialistische Frauenpolitik betrieben worden ist.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Auch bei den Politikergehältern verhält es sich so. Das muss man einmal zur Kenntnis bringen. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass die jetzigen beiden Zentralsekretärinnen der SPÖ weniger verdienen als ihr Vorgänger Rudas, und daran sieht man, was den Sozialisten letzten Endes die Frauen wert sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) So sieht nämlich die sozialistische Frauenpolitik in der Realität aus, meine Damen und Herren: Ein Mann ist der SPÖ gleich viel wert wie zwei Frauen. Und uns wird ständig vorgeworfen, wir seien gegen die Gleichstellung der Frauen.

Im Regierungsübereinkommen ist jedenfalls eindeutig festgelegt, dass Frauenpolitik ein breiter politischer Gestaltungsauftrag ist. Und wie man an den ersten Maßnahmen der neuen Bundesregierung auch sehen kann: Es zeichnet sich bereits jetzt ein guter Erfolg ab, und das bereits nach 100 Tagen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort gemeldet. Aus gegebenem Anlass, Herr Abgeordneter, ersuche ich Sie, § 58 Abs. 2 GOG einzuhalten. (Abg. Dr. Martin Graf: Das macht er nie! Er hält sich nie an Bestimmungen!)

18.23

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Freund hat jetzt schon wieder behauptet, dass das Budget für Frauenangelegenheiten heuer um 10 Millionen Schilling höher veranschlagt wäre als letztes Jahr. – Herr Abgeordneter! Diese Tatsachenbehauptung ist falsch!

Richtig ist, dass voriges Jahr 10 Millionen Schilling weniger im Grundbudget, dafür 27 Millionen Schilling in einem Nachtragsbudget, also ingesamt 17 Millionen Schilling mehr zur Verfügung gestanden sind als im Jahre 2000. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Von Budgetpolitik keine Ahnung! – Abg. Haigermoser: Das aber ausreichend!)

18.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Tancsits. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

18.24

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Eine Bemerkung zum Vorredner: Ich finde, es ist interessant, etwas, was noch nicht beschlossen ist, nämlich dieses Budgetkapitel, tatsächlich zu berichtigen.

Ich möchte jetzt zu dem in Diskussion stehenden Budgetkapitel soziale Sicherheit, Frauen, Generationen, Familien sprechen. – Diese Organisations- und Budgetgliederung ist sinnvoll und programmatisch, weil ein soziales Netz nur durch das Zusammenwirken und nicht durch das gegeneinander Ausspielen von Gruppen und Generationen, wie wir es in den letzten Jahren und Jahrzehnten erlebt haben, geschaffen werden kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nicht Alt gegen Jung, nicht Berufstätige gegen Kinder erziehende Hausfrauen, nicht Erwerbstätige gegen Pensionisten! – Daher ist ein wesentlicher Beitrag zum Vertrauen in das Halten des sozialen Netzes die konzipierte Pensionsreform, gleichzeitig als Sicherung der Zukunft. Die Zahlen wurden heute schon oft genannt: 14 Jahre Pension im Jahre 1970, 23 Jahre Pension im Jahre 1990; Pensionsantrittsalter im Jahre 1970 im Durchschnitt 62 Jahre, 1990 58 Jahre. Ich mache darauf aufmerksam, dass ich bewusst mit dem Jahre 1990 und nicht mit 1999 oder 1998 vergleiche, denn die Entwicklung hat sich klar abgezeichnet. Es ist das jahrzehntelange Versäumnis sozialdemokratischer Finanz- und Sozialminister, dieser Entwicklung nicht gegengesteuert zu haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich halte es daher für äußerst verantwortungsvoll, Veränderungen herbeizuführen. Den gewohnten Lebensstandard zu erhalten, das erwarten wir von einem Pensionssystem, und das kann nur


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erreicht werden durch Anhebung des Antrittsalters, nicht durch Kürzung der Pensionen und nicht durch Erhöhen der Beiträge. Das, was bisher geschehen ist, war eine tatsächliche Schieflage, eine Schieflage zu Lasten der Erwerbstätigen und zu Lasten der Jungen. Die einzige Schieflage, die Sie uns vorwerfen können, ist nicht – wie Sie immer in Ihrem seltsamen und lustigen Neusprech sagen –, dass das Geld zu UnternehmerInnen, ZinsgeierInnen und GroßbäuerInnen hinübergeschoben wird, sondern, und das lassen wir uns gerne vorwerfen: zugunsten der Jungen, der Erwerbstätigen und der Familien! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Noch eine Bemerkung zum Gesundheitssystem – eine wesentliche und schwierige Aufgabe für diese Bundesministerin. Langfristig abzusichern ist sicherlich schwieriger als alles andere, nämlich auf Grund der höheren Lebenserwartung, auf Grund der medizinischen Leistungsfähigkeit. Keine Leistungsreduzierungen vorzunehmen halte ich daher für einen ganz wesentlichen Grundsatz, den sie geliefert hat. In Großbritannien etwa will man einem 68-Jährigen keine medizinische Versorgung mehr zukommen lassen oder in den Niederlanden noch Schlimmeres, was zum Flüchten der Menschen führt. – Bestmögliche Versorgung muss gewährleistet bleiben!

In diesem Sinne habe ich auch Vertrauen in dieses Sozialsystem, in diese Sozialministerin und gebe hiezu meine Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.28

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Spezialberichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beratungsgruppe VII des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000.

Diese umfasst die Kapitel 15 bis 17 und 19 des Bundesvoranschlages in 60 der Beilagen.

Zu Kapitel 15 und 17 haben die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Mag. Trattner und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse daher zunächst über die vom Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen finanzgesetzlichen Ansätze und danach über die restlichen Teile von Kapitel 15 bis 17 und 19 des Bundesvoranschlages in 60 der Beilagen abstimmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Mag. Trattner und Genossen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen Teile der Beratungsgruppe VII des Bundesvoranschlages für das Jahr 2000 in 60 der Beilagen.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die bei der Verhandlung der Beratungsgruppe VII des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Entschließungsanträge sogleich vorzunehmen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Prammer und Genossen betreffend Gleichstellung von Männern und Frauen in Österreich.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir kommen ferner zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Prammer und Genossen betreffend Arbeitsmarktpolitik für Frauen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Prammer und Genossen betreffend Kinderbetreuung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Zierler, Rosemarie Bauer und Genossen betreffend verbesserte Arbeitsmarktchancen für Frauen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen. (E 11.)

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Mertel und Genossen betreffend familienpolitische Maßnahmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Beratungsgruppe XI

Kapitel 50: Finanzverwaltung

Kapitel 51: Kassenverwaltung

Kapitel 52: Öffentliche Abgaben

Kapitel 53: Finanzausgleich

Kapitel 54: Bundesvermögen

Kapitel 55: Pensionen (Hoheitsverwaltung)

Kapitel 56: Sonstige Finanzierungen und Veranlagungen

Kapitel 58: Finanzschuld, Währungstauschverträge

Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan und Fahrzeugplan

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zur gemeinsamen Verhandlung über die Beratungsgruppe XI sowie über den Text des Bundesfinanzgesetzes, Stellenplan und Fahrzeugplan sowie alle Anlagen, soweit sie noch nicht in Verhandlung gestanden sind.

Ein Wunsch betreffend mündliche Berichterstattung liegt weder von der Frau Spezialberichterstatterin noch vom Herrn Generalberichterstatter vor.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Heindl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

18.32

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Budgetdebatte der letzten Tage war davon gekennzeichnet, dass die Vertreter der


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Regierungsparteien jeweils dort, wo es Probleme gibt oder gegeben hat, immer wieder sagen: Schuld ist Minister Edlinger! All das, was wir heute tun müssen, ist die Folge dessen, was Minister Edlinger gemacht hat!

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst damit auseinander setzen, und zwar vor allem deswegen, weil der Bundeskanzler gesagt hat – und das hat mir gefallen –: Messt uns an unseren Handlungen, setzen wir uns sachlich auseinander! – Ich will das tun. Ich will mich mit der Art der Konsolidierungspolitik und der Art und Weise der Konsequenzen dieser Politik, der Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz im ECOFIN-Rat und ganz besonders mit der Qualifizierung der Politik der Vorgängerregierung durch die jetzige Regierung und vor allem durch Minister Grasser selbst, nämlich durch das von ihm vorgelegte Dokument, den Budgetbericht 1999, auseinander setzen.

Wenn man diesen Budgetbericht aufmerksam durchliest und ihn entsprechend sachlich analysiert, dann kommt man zu bemerkenswerten Ausführungen. Zum Beispiel: In den vergangenen Wochen wurde ständig die Entwicklung der Staatsquote kritisiert. Was steht im Budgetbericht 1999, vorgelegt von Minister Grasser namens der Bundesregierung? – Es wird insbesondere darauf hingewiesen, dass die Staatsquote von 57,3 Prozent im Jahr 1995 auf 53,7 Prozent reduziert wurde. Meine Damen und Herren! Das ist der Erfolg einer Politik, die insbesondere Minister Edlinger zu verantworten hat! Ich glaube, allein das beweist, dass eine ordentliche Politik gemacht wurde! (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters wird auf die positive Entwicklung der Finanzwirtschaft in Kennziffern hingewiesen und ausdrücklich betont, dass die wirtschaftlichen Wachstumserfolge der vergangenen Jahre – man höre und staune, ich zitiere wieder aus dem Budgetbericht – "ein Ergebnis der budgetpolitischen Konsolidierungsstrategie" waren. Weiters wird im von Minister Grasser vorgelegten Budgetbericht der Entlastungseffekt durch die Steuerreform 2000, die nun auch von freiheitlicher Seite reklamiert wird, und durch das Familienpaket betont. (Abg. Böhacker: Wir haben es finanziert!) Voriges Jahr haben Sie es intensiv abgelehnt! Ich habe noch im Kopf, wie Sie ganz deutlich gesagt haben: Was ist denn das für eine Steuerreform? Das ist gar keine! Meine Damen und Herren! So war es! (Beifall bei der SPÖ.)

Heute wird im vom eigenen Minister dargestellten Budgetbericht klargemacht, dass durch diese Steuerreform und durch das Familienpaket 16,5 Milliarden für das Jahr 2000 zusätzlich den Konsumenten zur Verfügung stehen. Meine Damen und Herren! Es geht noch weiter: Da heißt es auch, dass die Steuerreform 2001 einen Entlastungseffekt von 20 Milliarden bringen wird. – In dieser Richtung, meine Damen und Herren, könnte ich noch fortfahren.

Etwas möchte ich noch, ehe ich mich den ECOFIN-Ausführungen zuwende, festhalten: Im Budgetbericht wird wörtlich betont, dass der "1996 eingeleitete Personalabbau auch 1999 fortgesetzt" wurde und "Einsparungen insbesondere in der allgemeinen Verwaltung erfolgten".

Meine Damen und Herren! Solche Einsparungen wurden bisher von den Freiheitlichen immer bestritten! Nun hält dies jedoch der eigene Minister der Freiheitlichen Partei, Finanzminister Grasser, in diesem Budgetbericht fest. Das sind Fakten! Ich zitiere nur! Das ist nicht meine Meinung, sondern ich zitiere aus dem Budgetbericht, mit dem ich mich jetzt auseinander gesetzt habe. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Wichtig ist auch – ich habe das schon einmal gesagt, und es wurde heute von Bundeskanzler Schüssel wiederum gesagt –, dass die Budgetkonsolidierung ausgabenseitig fortgesetzt wird. Wie schaut die Wirklichkeit aus? – In diesem Budgetbericht halten Sie selbst fest, dass einnahmenseitig 24 Milliarden und ausgabenseitig 30 Milliarden zur Verfügung stehen. Das zeigt doch deutlich, dass Minister Edlingers Politik richtig war! Kollege Günter Stummvoll ist jetzt nicht da. (Abg. Dr. Stummvoll: Da bin ich!) Herr Kollege! Ich kann nicht glauben, dass du dich jetzt von dem, was du vor einigen Monaten beziehungsweise voriges Jahr zu dieser Politik gesagt hast, absentierst! (Abg. Dr. Stummvoll: Was habe ich denn gesagt?) Du hast am 17. Juni 1999 wörtlich im Nationalrat zur Steuerreform gesagt – ich zitiere aus dem Stenographischen Protokoll –:


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"Wir können stolz darauf sein, daß die OECD die Steuer- und Wirtschaftspolitik unseres Landes im Vergleich zu Gesamteuropa derart hervorhebt. ... Die Steuerreform ist das größte Steuersenkungsprogramm in der Geschichte der Zweiten Republik, ein Programm, das die Weichen ins nächste Jahrtausend stellt."

Danke! Das, was ich zitiert habe, ist die Qualifizierung der Politik von Minister Edlinger! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas: Noch vor einigen Wochen, am 26. Jänner, bei einer Debatte hier im Hause sagte Abgeordneter Stummvoll: "Finanzminister Edlinger ist beim Budget mehrmals eine Punktlandung gelungen." Auch das ist wiederum eine positive Aussage, die jetzt weggewischt wird, als wäre man nicht dabei gewesen! (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll. )

Ich will unterstreichen, dass du in deiner Argumentation richtig liegst! Im OECD-Bericht für 1999 wird Österreich einmal mehr ausdrücklich bescheinigt – du hattest also Recht, als du das hervorgehoben hast! –, dass mit der raschen Budgetkonsolidierung zwischen 1995 und 1997 sehr gute Arbeit geleistet wurde. (Abg. Dr. Stummvoll: Der Kassasturz war nachher!) Durch diese rasche und ohne soziale Konflikte durchgeführte Konsolidierung habe Österreich nicht nur den Beitritt zur Wirtschafts- und Währungsunion per Beginn des heurigen Jahres geschafft – und so weiter. Meine Damen und Herren! All das sind positive Aussagen. Aber auf einmal gilt das nicht mehr! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Neudeck. )

Meine Damen und Herren! Ständig wird geredet von 30 Jahren sozialdemokratischer Budgetpolitik. (Abg. Dr. Stummvoll: Das war vor dem Kassasturz!) Ich meine: Ihr von der Österreichischen Volkspartei könntet prüfen – und ihr könntet es auch tun, das ist nämlich ganz interessant, denn für euch ist sogar eine positive Periode dabei! –, wie sich die Staatsschuld in den letzten 30 Jahren entwickelt hat. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. ) Frau Kollegin! Hören Sie zu, was ich jetzt sage! Prüfen Sie das! Ich kann Ihnen nämlich sagen: Ich habe das überprüfen lassen. Im Durchschnitt der jeweiligen Regierungsperioden betrug die Zunahme der Staatsschuld gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Jahr während der SPÖ-Alleinregierung 1,7 Prozent. Und jetzt hör gut zu, lieber Kollege Günter Stummvoll: In der Zeit der SPÖ/ÖVP-Regierung belief sich dieser Prozentsatz auf 2,6 Prozent! Davon redet ihr nicht mehr! Ihr tut so, als trage die Verantwortung dafür die Sozialistische Partei allein. Vielmehr trugen dafür aber die Sozialistische Partei und die Österreichische Volkspartei die Verantwortung. Tut also nicht so, als ob in dieser Phase die Sozialistische Partei allein regiert hätte! Das entspricht nicht der Realität! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Stummvoll: Bundeskanzler und Finanzminister waren von der SPÖ! – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Meine Damen und Herren! Ich habe nicht mehr viel Zeit, daher kann ich mich jetzt mit den Zwischenrufen nicht auseinander setzen! Ich muss noch auf den ECOFIN zu sprechen kommen, weil hier immer so getan wird, als würde der ECOFIN-Rat so positiv der jetzigen Entwicklung gegenüberstehen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. )

Lieber Kollege Trattner! Wie schaut die Wirklichkeit aus? – Aus dem Bericht geht eindeutig hervor, dass am Programm 2001 bis 2003 massive Kritik geübt wird. (Zwischenruf des Abg. Dr.  Martin Graf. ) Ich rechne es dem Finanzminister hoch an – daher bin ich ja für eine faire Auseinandersetzung, diskutieren wir darüber! –, dass er sagt: Das Budget 2000 ist kein Idealbudget. Er gibt es selbst zu. Ich sage Ihnen: Man muss sich genau durchlesen, in welche Richtung die Kritik geht! Die Hauptkritik der Kommission bezieht sich nämlich nicht auf die Vergangenheit, wie Vertreter der Regierungsparteien immer wieder glaubhaft machen wollen, sondern insbesondere auf die jetzige Regierung und ihre Maßnahmen, die für die Zukunft geplant sind.

Insbesondere – auch das steht in diesem Bericht – kritisiert die EU massiv, dass durch die neue Regierung – hören Sie gut zu! – defizitreduzierende Maßnahmen teilweise durch geplante defiziterhöhende Maßnahmen konterkariert werden. (Abg. Mag. Trattner: Ein Beispiel!) Ihr wisst genau, was das heißt. Das ist es, was wir kritisieren: Geben Sie nicht zusätzlich Geld aus und versuchen Sie nicht, das dann durch sozialpolitisch nicht vertretbare Maßnahmen, durch eine


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Schieflage in der gesamten Entwicklung, ins rechte Licht zu bringen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Damit komme ich zum Ende. Ich bin überzeugt davon, dass Sie mir nicht glauben. Daher darf ich Ihnen sagen, was ein unverdächtiger Kritiker oder Beobachter, der berufsmäßig dazu verpflichtet ist, meint. Was sagt Nationalbankgouverneur Klaus Liebscher zu diesem Budget? Ich zitiere:

"Die Pläne zur Budgetkonsolidierung sind wenig ambitioniert. Und sie sind letztlich auch nicht konform mit dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt."

Genau das kritisiert auch der ECOFIN-Rat. Daher sage ich Ihnen: Aus all diesen Gründen lehnt die Sozialdemokratische Partei das Budget 2000 ab. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.42

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Trattner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

18.42

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kollege Heindl, bleiben wir fair, oder? (Abg. Dr. Heindl: Ja, selbstverständlich!) Bleiben wir fair! Wenn es einer Bundesregierung und einem Finanzminister mit seinen Ressortkollegen gelungen ist, innerhalb kürzester Zeit ein Budget zustande zu bringen, dann ist es absolut unfair, Forderungen zu stellen und Vorhalte zu machen, dass zu wenig strukturelle Maßnahmen darin enthalten sind! Das weißt du auch ganz genau! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Niederwieser: Es werden falsche Dinge über den ECOFIN erzählt! Das ist das Problem!)

Kollege Heindl! Wenn Sie sagen, dass der Rat die bisherige Budgetpolitik der alten Bundesregierung gelobt hat, dann muss ich dem entgegenhalten, das ist nicht richtig! Der Rat hat dezidiert kritisiert, dass zwischen 1997 und 1999 die Budgetkonsolidierung zum Stillstand gekommen ist, die Schuldenquote über 60 Prozent liegt und 1999 sogar noch angestiegen ist. Das ist das Problem, mit dem wir konfrontiert sind. Kollege Heindl! Das kann man jetzt nicht einfach wegwischen und sagen: Die alte Regierung hat gut gearbeitet! (Abg. Dr. Heindl: Hat sie wirklich!) Der Finanzminister hat gute Leistungen vollbracht! Die neue Regierung ist jetzt sehr viel schuldig geblieben!

Wir werden, wenn wir die Budgetkriterien Maastricht-konform nach einem Budgetplan, der vorgegeben wurde, einhalten wollen, ein so genanntes Konsolidierungsproblem in der Größenordnung von 248,9 Milliarden Schilling in den nächsten vier Jahren haben, und damit haben wir uns zu befassen. Die strukturellen Maßnahmen müssen jetzt durchgezogen werden, denn sie werden für die Jahre 2001 und 2002 budgetwirksam. Das muss gelingen, und es werden auch die Oppositionsparteien hier im Hohen Hause in die gesamte strukturelle Budgetpolitik mit einbezogen, denn man kann ruhig unterschiedlicher Meinung sein; auch die Vorschläge eurerseits werden aufgenommen. (Abg. Edlinger: Es könnte zum Beispiel eine soziale Staffelung geben! – Abg. Dr. Heindl: Dafür sind wir Partner!)

Es gibt Einigkeit, dass das Budgetziel erreicht werden muss. Das sind für das heurige Jahr 46,1 Milliarden Schilling. Dabei hat man sich beholfen. Für das nächste Jahr sind es 63,6 Milliarden Schilling. Die Bundesregierung wird einen Vorschlag unterbreiten, und ich hoffe, dass die Oppositionsparteien auch Vorschläge unterbreiten werden, und wenn man mit Ihren Vorschlägen rascher, besser, sozial ausgereifter und gerechter zum Ziel kommt, dann soll uns das Recht sein! (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Selbstverständlich!

Kollege Edlinger! Es geht aber nicht an, dass man hier nur die Maßnahmen der Bundesregierung kritisiert und selbst kein Jota eines vernünftigen Vorschlages einbringt! Sie betreiben hier Fundamentalopposition. (Abg. Edlinger: Machen Sie Vorschläge!) Wir haben Vorschläge gemacht! Und Sie sind eingeladen, diese Vorschläge zu unterstützen beziehungsweise auch bessere Vorschläge zu machen! Wenn etwas vernünftig ist, dann kann man darüber natürlich re


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den! Aber wenn Sie heute nur fordern, fordern und fordern, dass zusätzliche Ausgaben wirken, dann verlieren Sie die letzte Glaubwürdigkeit! Sie haben ja bei den letzten Umfragen bereits gemerkt, dass Sie über 3 Prozent verloren haben! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Altfinanzminister Edlinger! Die Tabelle, die ich hier habe, stammt von Ihnen, und aus dieser Tabelle lässt sich ein Konsolidierungsbedarf in der Größenordnung von 248,9 Milliarden Schilling ablesen. Und jetzt sprechen wir von dem, was diese Bundesregierung macht und was die alte Bundesregierung gemacht hat: Damals, 1996/1997, gab es einen Konsolidierungsbedarf in der Größenordnung von über 100 Milliarden Schilling. Sie wissen das ganz genau! Sie haben gesagt: Sie bewerkstelligen zwei Drittel durch Ausgabeneinsparungen und ein Drittel durch Steuererhöhungen. – Mittlerweile wissen wir ganz genau, dass das Verhältnis 60 : 40 zu Lasten von Steuererhöhungen war!

Diese Bundesregierung hat jetzt ein Budgetprogramm vorgelegt, in dem die Steuererhöhungen 15 Prozent dieses Konsolidierungsausmaßes ausmachen. Das ist eben der Unterschied: Sie haben Steuererhöhungen im Ausmaß von 60 Prozent gemacht, diese Bundesregierung versucht hingegen, mit 15 Prozent und strukturellen Ausgabenmaßnahmen durchzukommen, um das Budgetziel zu erreichen! (Abg. Dr. Heindl: Das stimmt nicht!) Wenn Sie bessere Vorschläge haben, dann bringen Sie sie ein, wir diskutieren sie selbstverständlich! (Abg. Edlinger: Der Sozialtransfer kommt von uns!) Aber nur Fundamentalopposition genügt nicht, und das bin ich von Ihnen, Herr Kollege Edlinger, auch nicht gewohnt! (Abg. Dr. Heindl: Das sind wir nicht!) Und auch Sie, Herr Kollege Heindl, sollten vernünftige Vorschläge einbringen! Wir werden dafür immer ein offenes Ohr haben. Aber nur dagegen zu sein, das ist einfach zu wenig! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung SPÖ –: Ihr müsstet doch schon alle Vorschläge auf den Tisch legen können! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Mag. Trattner und Edlinger. )

18.47

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! (Der Redner hält auf Grund der Zwischenrufe inne. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Bitte, wir sind schon so neugierig, was Sie sagen!) Das ist keine Haidlmayr-Aktion!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Nun ist glücklicherweise ein bisserl Ruhe eingekehrt. In Wirklichkeit besprechen wir jetzt fast das gleiche Thema wie am Vormittag, wie bei der Dringlichen, wie gestern bei der Getränkesteuer. Jetzt reklamieren Sie Langeweile. – Was wollen Sie denn? (Abg. Dr. Martin Graf: Wissen Sie, was heute noch gefehlt hat? Die Faschismuskeule ist heute noch nicht geschwungen worden!) Sie sollten viel öfter über das meditieren, was Sie gemacht haben! Das wäre gut für Sie und die Republik! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll. )

Genau! Es ist fast alles gesagt worden, das stimmt! Es ist aber schon zu vielen Zeiten fast alles gesagt worden, Kollege Stummvoll, schon zu vielen Zeitpunkten! Selbst als die ÖVP mit einem anderen Partner in der Regierung war, ist Gescheites gesagt worden. Ich möchte jedoch hinzufügen – ich habe es gestern schon erwähnt, jetzt können wir es aber etwas ruhiger austragen –: Es erinnert sich allerdings nur mehr Farnleitner an die gescheiten Geschichten und an die bösen erst recht! Alle anderen waren nicht dabei! Kollege Grünewald sollte sich forschungsmäßig in seiner Berufsdisziplin vielleicht ein bisserl damit beschäftigen, um welchen Virus oder möglicherweise Bazillus es sich eigentlich handelt, dass nur Farnleitner sich erinnert, alle anderen jedoch nirgends dabei waren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber es gibt ja auch Gutes. (Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. ) Es kann sich doch nicht nur darum handeln, dass jemand das Ministeramt nicht mehr innehat!

Es gab auch etwas Gutes, nämlich den Bericht der Steuerreformkommission an den Bundesminister, den nunmehrigen Abgeordneten Edlinger. Darin sind viele gescheite Dinge gesagt wor


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den. Darauf sollte man sich auch ein bisserl besinnen, denn beim Kapitel Finanzen muss jetzt wohl auch die Frage nach den Defizitquoten und den Staatsschuldenquoten im Allgemeinen gestellt werden. Das ist natürlich ein Punkt, der aus zwei Gründen auch von der grünen Fraktion als ein Punkt erkannt wird, den man nicht umgehen kann.

Erstens: Beitritt in den Euro-Raum. Ich habe es vorhin schon erwähnt: Es ist kein Naturgesetz, dass eine Defizitquote von 1, 2 oder 3 Prozent oder auch von 0 Prozent per se gut oder schlecht ist. Das ist vielmehr auch der Ausfluss einer politischen Vorgabe, in diesem Fall der wesentlichsten Staaten der Europäischen Union, welche Art von Wirtschaftspolitik und damit auch – weil das eben eine integrative Sache ist – von Budgetpolitik und Beschäftigungspolitik überhaupt gemacht wird.

Aufgrund der Währungsunion kann es klarerweise keine autonome Geldpolitik mehr geben, es kann nur mehr ganz schwer eine autonome Fiskalpolitik geben, und in Wahrheit kann wegen der Mitnahmeeffekte und der Streuverluste von beschäftigungspolitischen Maßnahmen eine wirklich tragfähige Beschäftigungspolitik auch nur mehr eine gemeinsame sein.

Daher halte ich es für so pervers ... (Abg. Böhacker: Was? – Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll. ) Wo vermuten Sie eine Ordnungsruffähigkeit? (Abg. Böhacker: Es war knapp daran vorbei! Die Reifen quietschen noch! Aber fahren Sie doch fort, Herr Kollege!) Wollen Sie das aufhalten? (Abg. Auer: Müssen wir weiterhelfen? – Abg. Dr. Stummvoll: Keine Zwischenrufe!)

Herr Kollege Stummvoll! Irgendwann muss selbst bei diesen banalen Dingen einmal das Richtige gesagt werden: Die Beschäftigungspolitik zu nationalisieren und alle anderen wesentlichen Elemente der Wirtschaftspolitik auf die höhere Ebene der EU oder auf den Euro-11-Raum abzustellen, heißt natürlich nichts anderes, als die Beschäftigungspolitik blöd sterben zu lassen, außer die Maßnahmen sind schwer koordiniert. Das sind sie aber nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Die nationalen Aktionspläne zur Beschäftigung sind unter diesem Titel natürlich in gewisser Weise ein Sand-in-die-Augen-Streuen für engagierte europäische Beschäftigungspolitik, die das Vollbeschäftigungsziel noch nicht vergessen hat. Aber das geht ganz offensichtlich maximal aus den Papieren hervor, und diese würde in dieser Hinsicht ich als Makulatur bezeichnen!

Die gleiche Haltung und gleiche Philosophie führen aber dazu, dass wir angehalten sind, besonders niedrige Defizitquoten zu haben, nicht nur Staatsschuldenquoten, sondern auch Defizitquoten. Jetzt könnte man sagen: Bevor diese allzu hoch werden, hätte jeder nationale Staat allein auch schon einen Sparauftrag. In diesem Punkt stimmt die grüne Fraktion zu. Was aber völlig übersehen und überhaupt nie mehr in Österreich debattiert wird, ist, dass dieser Euro-Raum einfach eine neoliberale wirtschaftspolitische Veranstaltung ist, was er gar nicht sein müsste, weil eine Einheitswährung etwas durchaus Gescheites ist, wenn die anderen wirtschaftspolitischen Instrumente entsprechend abgestimmt wären. (Beifall bei den Grünen.)

Das hieße natürlich auch, dass es andere Budgetvorgaben geben könnte als die zwei, ein oder null Prozent und dass sich Österreich – wie es mittlerweile ausschaut – nicht auch noch als eines der Ursachenländer für den weichen Euro plötzlich an den Pranger stellen lassen müsste.

Ich gebe aber zu, dass es mir andererseits – und wir werden sehr wohl darauf zu schauen haben, wo zu sparen ist – mittlerweile als sehr bedenklich erscheint, dass wir hinsichtlich der Defizitquote tatsächlich Schlusslicht der Euro-11 werden. Das irritiert selbst einen leicht keynesianisch angehauchten Menschen wie mich, und zwar nicht, weil man sich grundsätzlich genieren muss, wenn man in irgendeinem Punkt hinter mediterranen Ländern liegt. Ich möchte behaupten, dass diese uns in vielen Dingen sehr viel voraus haben, jedenfalls kulinarisch, aber auch sonst. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Sie verstehen von der Geschichte wirklich so wenig, dass nicht einzusehen ist, wieso Sie da dazwischenkeppeln müssen! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )

Der Punkt ist, dass man sich anschauen muss, wo diese Länder vor wenigen Jahren gestanden sind und warum sie es doch geschafft haben, einen derartigen Prozess einzuleiten. Da würde sich der Schluss anbieten, dass Österreich diesbezüglich tatsächlich besonders säumig war.


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Warum verhält sich das so? – Weil unser Budget eklatante Strukturschwächen hat, für welche die neue Regierung – außer einer Hälfte davon, aufpassen: Farnleitner-Syndrom! – bekanntlich nichts kann. Das geht nicht über Nacht. Das ist völlig klar.

Daher ist auch klipp und klar die Frage zu stellen, wo in Zukunft gespart werden soll, und zwar offen und ohne Jonglieren mit Einmalmaßnahmen, die immer wieder eine Rolle spielen. Sie müssen einfach zugeben, dass die Sache mit der Bundesimmobiliengesellschaft nicht wirklich einen schlanken Fuß für das Budget macht, Kollege Stummvoll! (Heiterkeit bei den Grünen.)

Das ist auch entsprechend von der EU enttarnt worden, und auch andere Einmalmaßnahmen sind kritisiert worden, sofern sie jetzt mit ins Budget eingerechnet werden sollen und als Konsolidierungsvorgabe dienen müssen. So geht es einfach nicht! Im Gegenteil: Man muss aufpassen, dass man bei zu schnellen und überhasteten Privatisierungen – ich spreche jetzt auch ein Parallelproblem an – nicht zusätzlich Schaden anrichtet, weil man einfach zu wenig Einnahmen lukriert im Verhältnis zu einer vernünftig abgewickelten und mit zeitlicher Perspektive versehenen Privatisierung, wenn sie schon kommen soll. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Edlinger: Vielleicht ist das das Konzept!)

Ein Konzept ist es insbesondere dann, wenn man nämlich Verdacht darüber entwickeln könnte, wer denn diejenigen sind, die auf der anderen Seite die Begünstigten sind, wenn das um diesen Preis hinausgeschossen wird. (Abg. Edlinger: Ich habe nichts gesagt!) Das ist eine Spekulation, und ich will das jetzt nicht weiter fortführen, weil ich mir ausgerechnet heute nicht mit dem Zweiten Präsidenten in die Haare geraten will. Aber ich hätte fast vermutet, dass in seinem Freundeskreis möglicherweise ein paar Leute ganz spitz schauen werden. (Abg. Leikam: Mit den Haaren hast du ein Problem!)

Ich komme zum Schluss: Dieses Budget ist insgesamt und im Speziellen von Grund auf unsozial. Und es ist auch für die Zukunft nichts Besseres zu erwarten. (Abg. Dr. Martin Graf: Woher wissen Sie das?) Ihre jetzigen Darbietungen reichen schon! Es handelt sich tatsächlich um eine Umverteilung von Arm zu Reich. Herr Grasser! Um diesen Punkt kommen Sie einfach nicht herum! Sie nehmen auch nicht Stellung zu diesen Vorwürfen. Da kann man Ihnen zahlreiche Untersuchungen des Wifo vorhalten. Dann muss der Kanzler beispringen und sagen: Die reden alle Unfug, die müssen überhaupt sanktioniert werden! – Das ist überhaupt auch ein einmaliger Vorgang bis jetzt. Also nicht nur die Zivildiener werden geschröpft, auch die Wirtschaftsforscher werden irgendwie an die Kandare genommen!

Es muss aber doch einmal darüber nachgedacht werden, wie man wirklich zu Geld in diesem Land kommt: Den Armen kann man bald ohnehin nichts mehr wegnehmen, weil man erstens schon so viel weggenommen hat und weil der Zustand der Minderbemitteltheit zweitens auch beinhaltet, dass man auf die Dauer dort nicht wirklich sehr viel holen kann, weil halt wenig da ist. Das muss auch einmal quasi finanzmathematisch betrachtet werden, denn dann wird man wohl einmal herausfinden, dass das so nicht weitergeht, und zwar einnahmenseitig.

Ausgabenseitig – ich habe es Ihnen heute schon gesagt – ist das natürlich eine Ansage in Richtung soziale Überwerfungen, die Sie begehen würden, wenn dieser Kurs weiter gefahren wird. Wenn die zukünftigen Sparbudgets die gleichen Umverteilungswirkungen haben wie die jetzigen, dann wird es wirklich dramatisch. Das untere Einkommensdrittel trifft im Vergleich zum oberen die doppelte Belastung. (Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Das ist gar nicht schlecht: Sie nicken, Herr Kollege, wir sind also tatsächlich einer Meinung. Das kann gar nicht oft genug für das Protokoll gesagt werden, denn nachher weiß das womöglich wieder keiner! (Beifall bei den Grünen.)

Wohin soll das führen? (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid. ) Herr Minister Schmid! Auch wenn Sie ein steirischer Landsmann sind, ist es wirklich ein bisschen eigenartig, wenn Sie dauernd Kollegen Grasser etwas in einer Art und Weise ins Ohr flüstern, dass es gerade noch so laut ist, dass ich es auch höre. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid. ) Ja, Sie dolmetschen das ins Kärntnerische. Aber vielleicht ist es eh gut, wenn es nur bis zu mir kommt, denn sonst würden sich


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die Damen und Herren bei dem Inhalt schrecken, den Sie da zum Besten geben! (Abg. Schwarzenberger: Sie haben diese Rede schlecht vorbereitet! Damit können Sie Ihre ...! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Bitte setzen Sie mit Ihren Ausführungen fort!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Herr Kollege Schwarzenberger! Für Ihre Fraktionen reicht das noch allemal! (Beifall bei den Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. )

Sie machen es einem wirklich schwer, hier noch einen Schuss Ernst herein zu bringen, aber ich will es trotzdem für das Protokoll festhalten: Der Bundeskanzler selbst hat in einer Wahlrede gesagt, er hat diesen Millenniumswechsel ... (Abg. Schwarzenberger: Mit dieser Rede vertreten Sie Ihren Klubobmann nicht gut!)

Der Bundeskanzler hat gesagt, dass es jetzt um die Zukunft im nächsten Jahrtausend gehe. – Man muss sich einmal diese semantische Großtat, diese große Leistung vorstellen: Er hat gesagt, dass es um die Zukunft im nächsten Jahrtausend geht. Das hat er im Dezember 1999 gesagt.

Wenn es wirklich um die Zukunft geht, dann ist einmal zu hinterfragen, ob es in der Steuerpolitik ständig so weitergehen kann, dass man dort die Steuergegenstände aufsucht, wo wirklich nicht mehr viel zu holen ist, nämlich im sozialen Bereich. Aber ich gebe auch zu: Bei den hohen Lohnnebenkosten, die wir in Österreich haben, wird auch dort nicht mehr viel zu holen sein. Daher ist es vielleicht wirklich nicht so blöd, wenn man einmal überlegt, wie man da wieder herunter kommt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Trattner. )

Wenn wir aber gleichzeitig das Budgetdefizit verringern sollen, dann wird man schon von irgendwo Geld herbekommen müssen. Diese "Wunderwurst", bei der sich das alles ausgeht, werden Sie, Herr Staatssekretär, und der Herr Finanzminister nicht herbeizuzaubern wissen, denn das wäre wirklich eine Wurst ohne Ende. Wenn das Budgetdefizit sinken soll – und zwar drastisch und in vorgeschriebener Weise –, wenn Sie Ihre Klientelen weiter mit Ausgaben bedienen, wenn gleichzeitig Unternehmenssteuern weiter gesenkt werden, dann, bitte, sagen Sie endlich einmal, wo das Geld herkommen soll! Das würde mich doch glatt interessieren! (Beifall bei den Grünen.)

Da wir heute dazu angehalten worden sind, es uns auch als Opposition zu leisten, gescheite Vorschläge zu machen, darf ich noch einmal darauf verweisen, dass das, was die Steuerreformkommission vorgeschlagen hat, tatsächlich ein weiteres Mal überdenkenswert wäre und dass man sich endlich einmal – auch wenn nicht viel Hoffnung besteht, weniger als bei der alten Regierung – einem grundsätzlichen Umbau des Steuersystems mit Perspektive auf Jahrzehnte hinaus annähern sollte und wohl auch müsste. Irgendwann wird man auch damit anfangen müssen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es geht ja nicht weiter an, dass außer einigen Feldern in der Umweltbesteuerung die Umweltzerstörung generell steuerfrei gestellt ist. Das wäre doch einmal ein Fortschritt, wenn irgendeine Bundesregierung – ich würde Ihnen da ja durchaus auch ein Lob konzedieren wollen – erkennen würde, dass auch die Umwelt als solche, die Natur ein wesentlicher Produktionsfaktor ist. Mit Produktionsfaktoren hat man aber sorgsam umzugehen.

Es ist nun einmal so, dass Steuern auch steuernde Effekte haben. Es kann daher nicht so sein, dass ständig das, was man eigentlich haben sollte und haben wollen sollte – so müsste man das sagen –, nämlich Arbeitskraft, Arbeitsplätze, so hoch besteuert wird, dass man dort ein Problem bekommt, während massive Bereiche der Umweltzerstörung steuerfrei gestellt sind.

Irgendwann wird irgendeine Bundesregierung damit anfangen müssen, gescheite Maßnahmen zu setzen. Ich habe Ihnen gestern das Konzept überreicht. Wenn es diese Bundesregierung nicht ist, dann wird es eine der nächsten sein, die es hoffentlich bald geben wird. – Das war’s. (Beifall bei den Grünen.)

19.02


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Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte. (Abg. Mag. Schlögl: Jetzt ist es schwer!)

19.03

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kogler, ich habe zwar Verständnis dafür, dass Sie jetzt offensichtlich kurzfristig für Kollegen Van der Bellen eingesprungen sind, aber ich glaube, Sie haben das Ende einer Budgetdebatte wirklich ein bisschen mit einer Plauderstunde am Kamin verwechselt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich gebe zu, Ihre Rede hat – wie Ihre eigenen Kollegen in der grünen Fraktion durch ihre Körpersprache, durch Schmunzeln, durch leichtes Lachen bestätigt haben – einen gewissen Unterhaltungswert gehabt. Aber wir sollten doch auch zu später Stunde, auch wenn nur wenige Kollegen hier im Hohen Haus anwesend sind, ein bisschen die Würde des Hohen Hauses hochhalten, Herr Kollege Kogler. Ihre Ausführungen haben durchaus kabaretthafte Züge gehabt, wofür man menschliches Verständnis haben kann, aber es war eigentlich keine Rede, wie sie in der Finanzdebatte eines Parlaments erwartet wird. (Abg. Öllinger: Ihre "Zeigefinger-Reden" brauchen wir auch nicht!) Ich freue mich schon, wenn das nächste Mal Kollege Van der Bellen statt Ihnen in der Finanzdebatte ans Rednerpult tritt. (Beifall bei der ÖVP.)

Das war übrigens ein Kompliment für Van der Bellen. (Abg. Öllinger: Aber ein sehr verstecktes! – Abg. Dr. Martin Graf: Das er gar nicht verdient!) Das er gar nicht verdient – okay. Als Finanzmann habe ich ihn immer geschätzt, weniger als Parteiobmann. (Abg. Dr. Martin Graf: Er beschäftigt sich immer mit anderen Themen!)

Meine Damen und Herren! Wenn diese Budgetdebatte der letzten sechs Tage gewisse Dinge aufgezeigt hat, dann waren das für mich folgende Punkte:

Ich glaube, die Budgetdebatte dieser sechs Tage hat erstens gezeigt, dass die Entscheidung des Wählers am 3. Oktober nicht nur gesellschaftspolitisch richtig war, sondern auch finanz- und budgetpolitisch richtig war. (Abg. Edlinger: Die ÖVP ist Dritte geworden! Das war eine weise Entscheidung!) Ich glaube, es war gut für dieses Land, einmal diesen Kassasturz gemacht zu haben. (Abg. Schwarzenberger: Aber jetzt sind wir wieder Erste! Das ist entscheidend! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Edlinger. ) Das Land ist seit dem 3. Oktober auch in der Budgetpolitik, meine Damen und Herren, Herr Kollege Edlinger, ehrlicher geworden, als das vorher der Fall war. Wir haben die wahren Zahlen auf dem Tisch.

Lieber Kollege Kurt Heindl! Die Zitate waren alle in Ordnung, nur haben sie eben einen Fehler gehabt: Das waren lauter Zitate aus der Zeit, bevor der Kassasturz durchgeführt wurde, bevor das berühmte "Edlinger-Budgetloch" entdeckt wurde. (Abg. Edlinger: Der Kassasturz hat nur meine Zahlen bestätigt! – Abg. Dr. Heindl: Am 20. Jänner ...!) Ich stehe zu allen Zitaten, ich stelle nur fest: Der zeitliche Zusammenhang war ein anderer. Damals glaubten wir noch, dass Alt-Minister Edlinger uns die richtigen Zahlen vorgelegt hat. Leider wissen wir inzwischen, dass sie nicht gestimmt haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Edlinger: Da habe ich Sie unterschätzt, Herr Stummvoll, was Sie sich so einfallen lassen!)

Zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Ich glaube, die Budgetdebatte hat sehr deutlich gezeigt, dass diese Regierung in sehr kurzer Zeit, eigentlich in einer Rekordzeit von drei Wochen, ein Budget zustande gebracht hat, von dem die Regierung selbst sagt (Abg. Dr. Heindl: Kein Idealbudget!), es ist nicht das ideale Budget – das wäre unmöglich: das Budget kann, das liegt in der Natur der Sache, gar nicht die großen strukturellen Reformen enthalten –, aber es war ein Budget, das genau den Maastricht-Kriterien entspricht. Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Dafür ein Kompliment! In so kurzer Zeit, ohne Vorarbeiten, ohne Übergabe, ohne geregelten Übergang innerhalb von drei Wochen dieses Budget erstellt zu haben, das verdient Applaus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine dritte Konsequenz – und ich glaube, auch das fällt unter das Kapitel "Österreich neu regieren" – ist, dass man, glaube ich, schon nach den ersten 100 Tagen dieser Regierung sagen


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kann: Es hat sich bewährt, dass dann, wenn zwei Partner eine Koalition neuen Stils eingehen, Bundeskanzleramt und Finanzministerium nicht in einer Hand sind. Das hat sich bewährt! Ich glaube, es ist eine gute Lösung, dass wir im Bundeskanzleramt den Kanzler Schüssel und die Frau Vizekanzler Riess-Passer und im Finanzministerium den Herrn Finanzminister Karl-Heinz Grasser und den Herrn Staatssekretär Alfred Finz haben. Ich glaube, das ist eine neue Form der Zusammenarbeit, die sich in den ersten 100 Tagen bereits bewährt hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ist ein neuer politischer Stil, und ich würde sagen, es ist zwischen zwei Koalitionspartnern auch polithygienisch gut, wenn diese beiden Schlüsselressorts, Bundeskanzleramt und Finanzressort, nicht in einer Hand sind.

Ein letzter Punkt: Die Finanzdebatte, die Budgetdebatte hat auch gezeigt – trotz aller Zwischenrufe, die jetzt vielleicht kommen werden –, dass von Seiten der Opposition in der Tat kein einziger konstruktiver Vorschlag gekommen ist. Das war klassische Fundamentalopposition, meine Damen und Herren! Das war sehr deutlich zu spüren. Ich gebe aber zu, dass es nicht leicht ist, denn wenn man nach 30 Jahren aus der Regierung ausscheidet, dann hat man als Opposition noch nicht richtig Tritt gefasst. Dafür habe ich Verständnis.

Ich würde Sie aber, genauso wie mein Kollege Gilbert Trattner, wirklich einladen: Das Budget 2001, das wir im Herbst hier diskutieren werden, wird eine wesentlich größere Herausforderung sein. Wir sind gerne bereit, konstruktive Vorschläge der Opposition auch eingehend zu beraten. Wir alle wären im Interesse des Landes dankbar, wenn hier im Herbst nicht wieder reine Fundamentalopposition betrieben würde, sondern – im Herbst haben Sie offensichtlich schon ein bisschen Tritt gefasst als Opposition – wenn dann auch konstruktive Vorschläge für das Budget 2001 kommen würden. (Abg. Parfuss: Was glauben Sie, was wir für einen Tritt haben! – Abg. Dr. Martin Graf: Die heutige Debatte lässt das nicht erhoffen!)

Wir von den beiden Regierungsparteien, meine Damen und Herren, sind jedenfalls überzeugt davon, dass dieser neue Stil des Regierens im Interesse des Steuerzahlers auch für die Budgetpolitik wichtig für unser Land und für die Zukunft unseres Landes war! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.08

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

19.08

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Kollege Trattner hat gemeint, es gebe keine Vorschläge. – Ich greife das insofern auf, als ich einerseits sage, Herr Professor Frisch hat eine Reihe von Vorschlägen gemacht (Abg. Mag. Trattner: Nein, von Ihnen hier!) – ich weiß schon, ich komme schon noch darauf zu sprechen –, und da wird es jetzt interessant sein, zu sehen, wie sehr Sie diese Vorschläge (Abg. Mag. Trattner: Hören wir sie jetzt?) bei der Gestaltung des nächsten Budgets aufgreifen werden. – Wir werden sehen.

Herr Professor Frisch empfiehlt Ihnen nämlich, dass Sie nicht mehr Geld für das Bundesheer zur Verfügung stellen und dass Sie die Verbesserung im Bereich des Karenzurlaubsgeldes de facto auf Eis legen.

Aber, Kollege Trattner, wir werden Ihnen trotz alledem durchaus unsere Vorschläge zur gegebenen Zeit präsentieren. Wir werden uns im Besonderen mit den Fragen der sozialen Staffelung und der sozialen Treffsicherheit auseinander setzen, und wir werden uns dort, wo es darum geht, dass wir vielleicht eine verfassungsmäßige Mehrheit brauchen, gemeinsam möglicherweise nach einem dritten Partner umsehen, damit wir derartige Vorschläge, die wir erarbeiten und mit Ihnen diskutieren werden, dann auch umsetzen können.

Meine Damen und Herren! Kollege Stummvoll hat gemeint, diese sechs Tage hätten gezeigt, dass die Entscheidung des Wählers richtig war. Ich nehme für mich zur Kenntnis, wir nehmen zur Kenntnis, dass Ihre Meinung ist: Die ÖVP am dritten Platz, das ist genau das Richtige! (Abg.


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Dr. Stummvoll: Das Signal für den Wechsel war entscheidend!) Das war die Entscheidung des Wählers, Kollege Stummvoll!

Sie haben sich ganz einfach nur durch – so würde ich sagen – Ausbooten Ihres Partners an die Kanzlerschaft (Abg. Dr. Stummvoll: Mit Hilfe von Nürnberger!) "herangehantelt". (Abg. Dr. Stummvoll: Nürnberger hat sehr geholfen!) Meine Damen und Herren! Tatsache ist, dass diese Regierung nicht in dieser Form vom Volk gewählt worden ist! (Abg. Böhacker: Da war die "Hebamme" Nürnberger!)

Kollege Stummvoll! Sie haben die Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen gelobt und gemeint, sie sei jetzt so toll. Das ist auch die Begründung für meine Wortschöpfung: Die "Freiheitliche Volkspartei" ist auferstanden, die hat sich nunmehr gegründet, die gibt es! Sie haben das ja jetzt gerade in Ihren Ausführungen de facto bestätigt. (Zwischenruf des Abg. Neudeck. ) Diese "Freiheitliche Volkspartei", meine Damen und Herren, hat jetzt ihr erstes Budget vorgelegt.

Hohes Haus! Wenn wir uns dieses Ergebnis ansehen, dann haben wir ganz einfach große Sorge – viele Menschen haben große Sorge –, denn diese "Freiheitliche Volkspartei" besteht (Abg. Dr. Stummvoll: Sie machen schon wieder Angst!), lieber Günter, aus einer "wilden Mischung" – wie das im Tee-Bereich heißt –, nämlich aus Abgeordneten, die zu den Vergesslichen gehören: zu jenen Vergesslichen, die 14 Jahre lang Mitglied einer Regierung waren und heute in diesen sechs Tagen bewiesen haben, dass sie nichts gewusst haben (Beifall bei der SPÖ), dass sie keinen einzigen Beschluss mitgetragen haben. Sie wissen ja – denn Sie sind ja in diesen 14 Jahren selbst eine gewisse Zeit in dieser Regierung gesessen –, dass es in dieser Bundesregierung Einstimmigkeit gibt und dass die ÖVP daher jede Entscheidung mitgetragen haben muss! Jedes Darlehen haben Sie mit aufgenommen (Abg. Edlinger: Die haben nichts gewusst und trotzdem darüber geredet! Das ist es ja! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ), jedes Budget haben Sie mitbeschlossen! (Abg. Dr. Martin Graf: Die haben euch immer vertraut!)

Meine Damen und Herren! Diese Regierung, diese "Freiheitliche Volkspartei" besteht auch noch aus den Ungerechten. Das, was Sie an Maßnahmen vorgelegt haben, ist etwas, was im Besonderen jene im unteren Einkommensdrittel sehr stark belastet – im Vergleich zu jenen im oberen Einkommensdrittel. Im Besonderen treffen Sie die Ausgleichszulagenbezieher, die sowieso keine Vorteile aus der Steuerreform haben und denen durch Ihre Maßnahmen nunmehr in Wirklichkeit beinahe ein Monatseinkommen verloren geht. (Abg. Dr. Stummvoll: Du distanzierst dich von der Steuerreform?)

Sie sind auch deshalb eine Gruppe von Ungerechten, weil Sie die Autofahrer massiv belasten, aber im LKW-Bereich keinen Beitrag zur Budgetsanierung verlangen. (Abg. Dr. Martin Graf: "Parnigoni der Gerechte"!) Es geht Ihnen also hier nicht um die Sanierung, sondern um eine Umverteilung in einem bestimmten Ausmaß. (Abg. Neudeck: Sind Sie für jemanden eingesprungen? – Ruf: Der ist auch für den Alexander eingesprungen! – Abg. Dr. Martin Graf: Sind Sie auch kurzfristig für Van der Bellen eingesprungen?)

Aber, meine Damen und Herren: Diese "Freiheitliche Volkspartei" hat eine Reihe von Mitgliedern aus der Gruppe der "Versprechensbrecher" – ich muss aufpassen, damit ich mich nicht verspreche und irrtümlich "Verbrechen" sage. Das möchte ich nicht! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Martin Graf. ) – Da, meine Damen und Herren, gibt es ja eine lange Latte: von den 6 000 S Kindergeld für jedes Kind bis zum sechsten Lebensjahr über die Flat-Tax, die Sie selbst schon ins Reich der Träume geschickt haben, bis hin zur Abschaffung der Kommunalsteuer. (Abg. Neudeck: Was heißt "Flat-Tax"?) Jetzt haben Sie ja bewiesen, dass Sie den Gemeinden bei der Sanierung der Getränkesteuer natürlich schwerst geschadet haben. Sie haben vor den Wahlen eine generelle Steuersenkung versprochen. – Das Gegenteil ist der Fall: Dieses Budget und diese Maßnahmen führen dazu, dass gerade jene Vorteile aus der Steuerreform, die die Sozialdemokraten mit der ÖVP beschlossen haben, de facto nicht zum Tragen kommen. (Abg. Böhacker: Aber finanziert habt ihr es nicht!)

Sie von den Freiheitlichen haben – mein Kollege Firlinger im Besonderen – immer einen Belastungsstopp für die Autofahrer in den Raum gestellt. Was aber haben Sie getan? – Den Preis


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für die Vignette erhöht, die Versicherungssteuer erhöht, die Kfz-Steuer erhöht und vieles andere mehr. Da waren Sie also auch nicht gerade weltbewegend unterwegs, meine Damen und Herren!

Schließlich gibt es in dieser "Freiheitlichen Volkspartei" noch eine vierte Gruppe von Abgeordneten, nämlich jene der Unglaubwürdigen. Das ist dann der Fall, wenn man Budgetansätze bei den Einnahmen zu niedrig ansetzt, um einen künstlichen Budgetnotstand herbeizuführen, damit man eine Belastungswelle argumentieren kann. Das ist genau das, was Sie getan haben! Wenn man sich ansieht, was Sie bei den geplanten Erlösen für die UMTS-Lizenzen und -Frequenzen eingetragen haben, nämlich 4,1 Milliarden Schilling, so muss ich sagen, das ist gerade ein Zehntel von dem, was Sie zu erwarten haben! – Hohes Haus, ein Zehntel! (Abg. Böhacker: Das werden wir uns anschauen! – Abg. Dr. Stummvoll: Die Differenz zahlst du! – Abg. Böhacker: Top – die Wette gilt!)

Meine Damen und Herren, wenn in Deutschland die Deutsche Telekom für eine Lizenz 180 Milliarden Schilling – bei sechs Lizenzen, die in Deutschland vergeben werden – anbietet und wenn ich Österreich gegenüber Deutschland in ein Verhältnis von eins zu zehn stelle, dann kommen schlussendlich bei fünf Lizenzen, die in Österreich vergeben werden, 90 Milliarden Schilling heraus. (Abg. Dr. Stummvoll: Die Differenz kommt von dir!) Da rechne ich jetzt nur die Hälfte, dann sind wir bei 45 Milliarden Schilling.

Aber es beginnt ja schön langsam: Herr Minister Schmid hat erklärt, mehr als 10 Milliarden Schilling seien auf alle Fälle drin. Aus dem Finanzministerium hört man, 20 Milliarden werden erwartet. Der Herr Direktor von ONE, Zehetner, hat erklärt, 15 Milliarden Schilling seien das Mindeste, was er sich daraus an Eingängen für die Kasse des Staates erwarte. Also, bitte sehr, meine Damen und Herren!

Kollege Trattner – er ist jetzt nicht im Saal –, was hätten Sie, wenn Sie 40 Milliarden Schilling mehr an Einnahmen budgetiert hätten, den Menschen in diesem Land ersparen können! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: Dreimal verteilen, so wie Sie, das geht nicht!) – Daher sind Sie eine Gruppe von Unglaubwürdigen!

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Martin Graf: Der ordentliche Kaufmann budgetiert nicht so wie Sie!) Sie wollen ja nichts anderes, als jetzt sozusagen (Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben immer so budgetiert!) die "kleinen" Leute abkassieren – die wollen Sie rasieren – (Abg. Böhacker: ... ist ja unglaublich!), und dann will der Finanzminister mit den "unerwarteten Milliarden" als der glänzende Budgetsanierer dastehen! Das ist das Ziel, das Sie haben – und das ist in Wirklichkeit ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: Parnigoni, du musst aufpassen! Es setzt sich schon jemand auf deinen Sitz!)

Kollege Stummvoll hat ja von der guten Zusammenarbeit und von der großartigen Leistung des Finanzministers und der ÖVP gesprochen. – Dazu darf ich aus der "Presse" zitieren, in der Herr Unterberger gemeint hat:

"Die FPÖ war offenbar völlig unvorbereitet auf die Macht; die ÖVP" – und das ist ja interessant! – "ist trotz (oder wegen?) 14jähriger Machtteilhabe in vielen Bereichen (Finanz, Soziales) überraschend blank. Jetzt bleibt beiden nur noch ein rasches ,learning by doing‘."

"Zahn S’ an", damit für dieses Land etwas weitergeht, denn jetzt sind Sie nicht wirklich gut drauf! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: So ist es! Wer hat das geschrieben?)

19.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. – Bitte.

19.18

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! In den letzten sechs Tagen wurde vieles gesagt, wurde vieles oft gesagt, wurde fast alles gesagt. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Aber nicht von jedem!


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Ich darf mich daher hier auf einen einzigen Satz beschränken und einen unverdächtigen Zeugen zitieren, nämlich den Wifo-Chef Kramer: Die Konsolidierungsmaßnahmen für das Budget 2000 bezeichnete Kramer als "unumgänglich". Jede neue Bundesregierung hätte nicht anders handeln können. – Das ist auf den Punkt gebracht!

Gratuliere, Herr Finanzminister! Gratuliere, Herr Staatssekretär! Wir werden diesem Budget zustimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Das ist eine Überraschung! Das hätte ich nicht geglaubt! Sapperlot! So was! Der Grasser hat sofort den Böhacker überzeugt! Ein Wahnsinn, wirklich! Was mir drei Jahre lang nicht gelungen ist, gelingt dem in zwei Monaten!)

19.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

19.20

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Stummvoll, Sie haben gemeint, die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und der FPÖ habe sich bewährt. – Es ist nur die Frage, welche Klientel man vertritt. Es ist völlig klar, es hat sich bewährt, dass Sie die Wirtschaft vertreten, denn im Moment liefern die Autofahrer den "Treibstoff" für das Budget – wenn man es so nennen kann. Es wird allerdings dann problematisch, wenn wir an die Berufspendler denken.

Aus einem konkreten Anlass heraus darf ich Ihnen das an einem Beispiel vor Augen führen: Ein 56-jähriger Mann, Alleinverdiener mit zwei Kindern, pendelt, weil seine Firma in Konkurs gegangen ist, 80 Kilometer zum neuen Arbeitsplatz und 80 Kilometer zurück, das sind 160 Kilometer täglich. Das macht bei einem Auto mit 90 PS in der Woche 590 S Benzingeld aus. (Abg. Neudeck: Wie ist das bei 30 PS?) Das sind 2 360 S Benzinkosten im Monat bei einem Verdienst von 15 000 S netto. (Abg. Neudeck: Mit 15 000 fahre ich kein Auto mit 90 PS!) Wenn Sie das abziehen, bleiben 12 640 S.

Erhöht werden – und jetzt horchen Sie hin! – die Versicherungssteuer, die Kfz-Steuer, der Preis der Autobahnvignette und der Benzinpreis. Im "Kurier" von heute steht, dass in Österreich in den letzten 14 Tagen der Benzinpreis dreimal erhöht wurde (Abg. Auer: Daran ist auch die Koalition schuld!) und dass wir um 20 Prozent über dem EU-Durchschnitt liegen. (Abg. Neudeck: Das muss man dem Ruttenstorfer sagen!) Wenn nun noch die geplante Mehrwertsteuererhöhung dazukommt, Herr Finanzminister, dann ist das auch eine Belastung für die Arbeitnehmer, die pendeln. Wenn nun, wie ich höre, für die Landwirtschaft der Treibstoff verbilligt werden soll – was legitim und auch richtig ist –, dann, bitte, ist es mehr als legitim und notwendig, dass auch die Pendlerpauschale für die Berufspendler erhöht wird. (Abg. Kampichler: Ruttenstorfer!) Herr Finanzminister, Sie sagen immer (Abg. Neudeck: Gibt es auch "Bauernpendler"?), Sie vertreten die soziale Treffsicherheit: Genau hier, durch eine Zustimmung zur Erhöhung der Pendlerpauschale, könnten Sie die soziale Treffsicherheit erhöhen! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Spindelegger hat heute gesagt, Altersteilzeitarbeit sei ein gutes Instrument. Ich gebe ihm Recht, aber, meine Damen und Herren, Altersteilzeitarbeit wird für die Menschen nicht mehr finanzierbar sein, wenn sie derartige Wegstrecken zurücklegen müssen und derart hohe Benzinkosten haben.

Ich lade Sie daher alle ein, sowohl jene von der FPÖ, die die Arbeitnehmer vertreten, als auch jene von der ÖVP, die die Arbeitnehmer vertreten – es sind ganz wenige von diesen im Saal –, unserem


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Entschließungsantrag betreffend Erhöhung der Pendlerpauschale beizutreten. (Zwischenruf des Abg. Kampichler. )

Meine Damen und Herren! Mehr brauchen Sie gar nicht, denn damit könnten Sie von der ÖVP und auch Sie von der FPÖ Ihren Arbeitnehmervertretern sehr helfen! (Abg. Böhacker: In der Kürze liegt die Würze!)

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Marianne Hagenhofer, Rudolf Edlinger, Heinz Gradwohl, Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend Erhöhung des Pendlerpauschales

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, eine Novelle des Einkommensteuergesetzes vorzulegen, durch die die Wertansätze des Pendlerpauschales um 10 Prozent erhöht werden. Die finanzielle Bedeckung dieser Maßnahme soll in einem Verzicht auf die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der Einkommensbegrenzung der Mehrkindstaffelung der Familienbeihilfe gemäß § 9a Abs. 1 FLAG finden, da diese Maßnahme dem Ziel der sozialen Treffsicherheit von Transferleistungen völlig widerspricht."

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Trattner, du kannst schon zustimmen! Das ist ein kluger Vorschlag! Im Interesse der "kleinen Leute"!)

19.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte. (Abg. Mag. Schlögl: Jakob! Kurz, bitte!)

19.24

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Hagenhofer, Sie wissen, wir schätzen Sie – nicht nur, weil Sie Oberösterreicherin sind –, aber eine Bitte hätte ich schon: dass Sie, auch wenn Sie hier vielleicht zu Recht die Fragen des Pendlers in Erinnerung rufen, dazusagen, dass es auch auf Landesebene eine nicht unbeträchtliche Pendlerbeihilfe gibt – und ich sage ausdrücklich, ich bekenne mich dazu. Wenn man hier schon Dinge zitiert, dann, bitte, im Ganzen und nicht immer nur so quasi mit dem Fingerzeig, weil die Landwirtschaft vielleicht die Chance hat, sich bei den Betriebsmitteln EU-weit angleichen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Nun zum Budget 2000: Die notwendigen Maßnahmen, die Schwierigkeiten und Begleitumstände (Zwischenruf der Abg. Hagenhofer ) wurden von den Vorrednern ausgeführt, auch was die notwendigen Strukturreformen, welche in Angriff zu nehmen sind, betrifft. Ich möchte mich einem Punkt widmen: dem Kapitel 53, nämlich – wie so oft und wie immer – dem Finanzausgleich.

Meine Damen und Herren! Nicht dass es hier sozusagen um Neidgefühle geht, nicht dass zwischen Stadt und Land der Kampf ausbrechen soll, wie es einmal formuliert wurde, nicht dass hier Krieg oder etwas anderes angesagt ist: Ich bitte nur zu berücksichtigen, dass ein Finanzausgleich, der, was den abgestuften Bevölkerungsschlüssel betrifft, auf den Tatsachen des Jahres 1948 beruht, nämlich auf der Notwendigkeit der Behebung der Kriegsschäden, im Jahre 2000 nicht mehr gerecht sein kann und daher zu ändern ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist vom Höchstgericht festgehalten, dass er verfassungswidrig ist, dass der tatsächliche Finanzbedarf zu berücksichtigen ist und – das ist auch uns klar – dass die Änderungen nur schrittweise zu erfolgen haben.

Meine Damen und Herren! Gestern bei der Getränkesteuerdebatte ist manchmal so die Meinung durchgeklungen, dass die Gemeinden ja sparen könnten und dass es dadurch doch ohne weiteres möglich sein müsste, den Einnahmenausfall zu kompensieren, und so weiter. Ich sage dazu: Selbstverständlich gibt es Gemeinden, wo Sparsamkeit notwendig ist, aber in den kleinen, finanzschwachen Gemeinden braucht man das Sparen nicht zu lernen. – Da reden die Blinden von der Farbe, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


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Der beste Weg, um Sparsamkeit zu erzielen, würde darin bestehen, hier im Bund, aber auch in jedem Bundesland Bürokratieabbau tatsächlich durchzuführen und nicht nur davon zu reden. Wenn ich mir so manche Gesetze – auch von uns – ansehe, dann frage ich mich schon, was zwischen Theorie und Praxis tatsächlich geschieht. Daher: Bürokratieabbau tatsächlich durchführen und nicht nur davon reden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Auch ein Punkt, der die Sparsamkeit der Gemeinden betrifft – man hört hier so oft "man könnte" und "man sollte" und was weiß ich was alles –: Ich habe mir von meiner Bezirkshauptmannschaft Zahlen über die Steigerung der Ertragsanteile von 1996 bis 1999 offiziell herausgeben lassen: Sie beläuft sich auf ein Plus von 7 Prozent. Das ist durchaus positiv: von 1996 bis 1999 ein Plus von 7 Prozent. Aber: Wissen Sie, um wie viel die Kosten für die Unterbringung in den Heimen, Anstalten und so weiter in diesen Jahren gestiegen sind? – Um 68 Prozent! Wissen Sie, welche Steigerung die Kosten im Rahmen der Erziehungshilfe aufweisen? – 43,5 Prozent! – Meine Damen und Herren! Da braucht man uns wenig zu lehren, was das Sparen betrifft.

Meine Damen und Herren! Vielleicht ein Vorschlag auch im Rahmen des Finanzausgleiches: Wäre es denn nicht überlegenswert, dass die Bundesländer über die Verteilung der Mittel in ihrem Bundesland zu entscheiden haben, damit man dann nicht immer sagen kann, der böse Finanzminister, der Gemeindebund, der Städtebund oder die Parlamentarier hätten sich nicht geeinigt? Man würde damit auch dem Herrn Finanzminister helfen, der meinte, die Gebietskörperschaften sollten sich über die Aufbringung beziehungsweise Verteilung der Mittel einigen.

Ich würde noch einmal dringend an Sie appellieren, Herr Bundesminister und Herr Staatssekretär: Die Frage der Rückzahlung der Getränkesteuer ist noch nicht geklärt. Ich erinnere mit aller Klarheit daran, dass diese Frage nicht auf dem Rücken der Gemeinden ausgetragen werden kann! Das möchte ich hiermit klarstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schluss eine Bitte: Was die Frage der Finanzierung der Feuerwehren, welche Körperschaften öffentlichen Rechts sind, im Rahmen des 1,5-Prozent-Anteils an der Haftpflichtversicherung betrifft, so würde ich bitten, Herr Bundesminister, dies im Rahmen des Budgets 2001 tatsächlich zu überlegen. Wir alle sollten froh sein, dass die Feuerwehren dann, wenn eine Katastrophe eintritt, ein Verkehrsunfall geschieht oder was auch immer zu beheben ist, ihrer Aufgabe nachkommen können. Dieser nachkommen können sie allerdings nur dann, wenn die Finanzkraft und die entsprechende Ausstattung mit Gerätschaften gesichert sind.

Insgesamt ist das Budget 2000 jedoch ein gutes Budget. Es zeigt die Handschrift einer neuen Art zu regieren. Wir sollten froh darüber sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller. – Bitte.

19.30

Abgeordneter Hans Müller (Freiheitliche): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! In der vergangenen Woche wurde in vielen Zeitungen eine Graphik veröffentlicht, mit der die ganze Dramatik der finanziellen Lage Österreichs besonders eindrucksvoll aufgezeigt wurde. Unter den Defizit-Staaten der EU liegt Österreich dank der Budgetpolitik der letzten Regierungen mit deutlichem Abstand an letzter Stelle. Das Traurige an diesem Zustand ist aber, dass wir diese rote Laterne auch dann nicht abgeben werden, wenn wir das Budget 2000 so einhalten, wie es heute zur Beschlussfassung vorliegt.

Dieser vorhin erwähnten Graphik ist aber auch zu entnehmen, dass in den Jahren 1999 und 2000 in der EU bereits sechs Staaten Budgetüberschüsse erwirtschaften. Hervorheben möchte ich hier die Nordstaaten Finnland und Schweden, welche gleichzeitig mit Österreich der EU beigetreten sind. Im Jahre 1995 wies beispielsweise Finnland noch ein Budgetdefizit von 4,6 Prozent auf; in Österreich waren es damals 5,1 Prozent. 1999 verzeichnete Finnland bereits einen Überschuss von 3 Prozent; in Österreich gab es noch immer ein Defizit von 2,2 Prozent. Schwe


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den hatte 1995 ein Minus von 6,9 Prozent; 1999 war es bereits ein positiver Wert von rund 2 Prozent.

Hier erlaube ich mir, an unseren ehemaligen Finanzminister Edlinger die Frage zu richten, ob die Wirtschaftspolitik der Finnen und der Schweden um so viel besser als unsere war. Nebenbei möchte ich bemerken, dass Finnland und Schweden ebenfalls sozialdemokratische Regierungen haben. (Ruf bei der ÖVP: Die haben keinen Edlinger gehabt! – Abg. Edlinger: Keine ÖVP haben die gehabt! Das ist ...!) Auf die Frage, wie er das gemacht hat, antwortete der sozialistische Premierminister Persson kurz und bündig: Sei rüde, sei ehrlich und mach es schnell! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Keine ÖVP haben die gehabt! – Abg. Mag. Trattner: Edlinger hat einen ÖVP-Komplex!)

Um auf Österreich zurückzukommen: Dem Regierungsprogramm vom Februar 2000 ist zu entnehmen, dass im Interesse der kommenden Generationen der Budgetkonsolidierung der Vorrang zu geben ist. Ein wichtiger Faktor wird die überwiegend ausgabenseitige Konsolidierung sein. Sollten, aus welchen Gründen auch immer, neue, zusätzliche budgetäre Ausgaben entstehen, so müssten diese durch konkrete Gegenfinanzierung bedeckt werden. Selbst Experten wie Kramer, Felderer und Lehner stellen in einer seltenen Einigkeit fest: Alle zusätzlichen Ausgaben oder Geldgeschenke wären angesichts der tristen Budgetlage beinahe schon frivol. (Abg. Kiermaier: Richtig!)

In einem Vortrag am 15. Mai im Finanzministerium stellte Dr. Pichelmann die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der EU für Österreich vor. Ich möchte nur drei Punkte herausnehmen: Die vorgelegten Defizitzahlen sind zu gering und müssten noch tiefer angesetzt werden, da das derzeitige Wirtschaftswachstum von rund 3,5 Prozent hierfür sehr behilflich ist. Die Konsolidierung des Budgets ist vorwiegend ausgabenseitig zu tätigen. Auf Zukunftsinvestitionen im Human-, Sozial- und Sachbereich darf nicht vergessen werden.

Auch Finanzstaatssekretär Dr. Finz stellt in einer Stellungnahme fest, dass der Schuldenabbau eine ganz vordringliche Aufgabe des Staates sei. Er erinnert daran, dass die Staatsschulden in Österreich immer noch über 60 Prozent des BIP betragen, wodurch das Budget sehr stark belastet werde. So würden jährlich 100 Milliarden Schilling an Zinsendienst und 170 Milliarden für Tilgungen aufgewendet.

Hohes Haus! Was die Sanierung des Budgets 2000 betrifft, müssen die Privatisierung und die damit verbundenen Erträge im Zentrum der Bemühungen stehen. Zu den wichtigsten Gründen hierfür gehört das Ende der Rolle des Staates als Unternehmer. Es ist budgetpolitisch besonders wichtig, dass Privatisierungserlöse zur Tilgung außerbudgetärer Schulden und somit zur Entlastung der Steuerzahler eingesetzt werden.

Schließlich wird die Privatisierung einen schon längst erwarteten Aufschwung der Börse auslösen. Direktor Zapotocky von der Börse AG begrüßte die Privatisierung als einen wichtigen Impuls für die Börse. Er bezifferte das jährliche Aufnahmepotential der Börse für Privatisierungsprojekte mit 50 Milliarden Schilling. Weiters sei die Privatisierung ein positives Instrument für Mitarbeiter und den Arbeitsmarkt. Nicht der Kampf gegen die Globalisierung, sondern das Schaffen von Rahmenbedingungen für die Unternehmer, damit diese auf dem freien Markt bestehen können, soll im Interesse der Arbeitnehmer liegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den Medien ist weiters zu entnehmen, dass der Chef der ÖIAG, Generaldirektor Streicher, aus der Telekom-Privatisierung 25 Milliarden erwartet und weitere 15 Milliarden Schilling aus der Privatisierung der P.S.K. Mit diesen 40 Milliarden Schilling könnten 50 Prozent der ÖIAG-Schulden abgedeckt werden.

Unser Finanzminister Grasser stellte unlängst fest: Wenn es uns gelingt, über 80 Milliarden an Schulden zu tilgen, dann diene dies sämtlichen Beteiligten, den Mitarbeitern, den Unternehmungen und den Steuerzahlern.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass unsere Bundesregierung und insbesondere unser freiheitlicher Finanzminister es schaffen werden, unsere Bun


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desfinanzen in Ordnung zu bringen, sodass wir von einer erfolgreichen Budgetpolitik sprechen können. Dann kann auch Herr Dichand in einer Bankenwerbung ruhig Recht haben, wenn er feststellt: Erfolg ist das Letzte, was einem in Österreich verziehen wird! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.35

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Mag. Mühlbachler. – Bitte.

19.36

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte den Abänderungsantrag der Abgeordneten Dkfm. Mühlbachler, Mag. Trattner und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen – 60 und Zu 60 der Beilagen – in der Fassung des Ausschussberichtes – 80 und Zu 80 der Beilagen – einbringen und ersuche den Nationalrat, diesen Abänderungsantrag in zweiter Lesung zu beschließen.

Es gibt vier Kernpunkte dieses Abänderungsantrags.

Erstens geht es um die budgetäre Umsetzung der Ersatzlösung für die Getränkesteuer, insbesondere im Kapitel 52 "Öffentliche Abgaben" und im Kapitel 53 "Finanzausgleich".

Zum Zweiten betrifft dies die Budgetierung der Einnahmen der neu eingeführten Werbeabgabe.

Zum Dritten handelt es sich um die Bereitstellung von 150 Millionen Schilling für den Postzeitungsversand durch eine diesbezügliche Überschreitungsermächtigung.

Viertens ergeben sich durch die betragsmäßigen Änderungen auch Änderungen der Schlusssummen im Artikel I des Bundesfinanzgesetzes 2000, die ebenfalls in den vorliegenden Abänderungsantrag aufgenommen wurden.

Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Ich wünsche Ihnen zum Vollzug des Budgets 2000 alles Gute! – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe bekannt, dass der in seinen Kernpunkten soeben erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Dkfm. Mühlbachler, Mag. Trattner und Genossen auch schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Er steht daher mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrags lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen; im Übrigen wird er auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Kfm. Mag. Mühlbachler, Mag. Trattner und Kollegen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2000 samt Anlagen (60 und Zu 60 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes (80 und Zu 80 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage ist wie folgt zu ändern:

1. Im Artikel I lauten die Schlusssummen:

 


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Allgemeiner

Haushalt

Ausgleichs-

haushalt

Gesamt-

haushalt

   

Millionen Schilling

 

Ausgaben

781 457,971

496 010,293

1 277 468,264

Einnahmen

726 809,846

550 658,418

1 277 468,264

Abgang

54 648,125

-

-

Überschuss

-

54 648,125

-

 

2. Im Artikel VI Abs. 1 wird nach der Z 18 folgende neue Z 19 eingefügt:

"19. beim Voranschlagsansatz 1/65178 bis zu einem Betrag von 150 Millionen Schilling für den Postzeitungsversand, wenn die Bedeckung durch Ausgabeneinsparungen und/oder Mehreinnahmen sichergestellt werden kann;"

3. Die bisherige Z 19 in Artikel VI Abs. 1 erhält die Bezeichnung "20".

4. a) In der Anlage I der im Titel bezeichneten Regierungsvorlage sind die nachfolgenden Paragrafe und Voranschlagsansätze samt Anmerkungen wie folgt einzufügen bzw. zu ändern:

     

abzuändern

VA-Ansatz

Aufgaben-

Bezeichnung

von

um

auf

 

bereich

 

Millionen Schilling

1/50

 

Finanzverwaltung:

     

1/50296

 

Bundesministerium für Finanzen (Förderungsmaßnahmen); Sonstige Förderungen



198,594



+0,045



198,639

 

43

 

76,513

+0,045

76,558

           

1/53

 

Finanzausgleich:

     

1/5301


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7

43

Finanzkraftstärkung der Gemeinden


1.082,996


+2,636


1.085,632

1/53207

21

Zuschüsse für Krankenanstalten

1.410,859

+5,778

1.416,637

           

1+7/56

 

Sonstige Finanzierungen und Veranlagungen:

     

1/56208

43

Verzinsung und Aufgeld

892,322

-0,002

892,320

7/56219

43

Tilgung

2.744,651

-0,002

2.744,649

5622

 

Bundesschatzscheine:

     

1/56228

43

Verzinsung und Aufgeld

-

+0,002

0,002

7/56229

43

Tilgung

-

+0,002

0,002

           

     

abzuändern

VA-Ansatz

Aufgaben-

Bezeichnung

von

um

auf

 

bereich

 

Millionen Schilling

2/52

 

Öffentliche Abgaben:

     

2/52204

43

Umsatzsteuer

235.000,000

+900,000

235.900,000

2/52414

43

Biersteuer

1.900,000

+360,000

2.260,000

2/52464

43

Alkoholsteuer

1.200,000

+90,000

1.290,000

2/52606

43

Werbeabgabe

-

+450,000

450,000

2/528

 

Ab Überweisungen (I):

     

2/52804



43

Ertragsanteile der Länder und Gemeinden


171012,072
170961,672


+1.777,381
+1.777,381


172789,453
172739,053

2/52805

43

Steueranteil für Kranken-anstaltenfinanzierung *)


1.410,859


+5,778


1.416,637

           

2/53

 

Finanzausgleich:

     

2/53205

21

Überweisung für Krankenanstaltenfinanzierung *)


1.410,859


+5,778


1.416,637

           

2+8/56

 

Sonstige Finanzierungen und Veranlagungen:

     

5622

 

Bundesschatzscheine:

     

2/56224

43

Erfolgswirksame Einnahmen

-

+0,002

0,002

8/56229

43

Erlöse – Bundesschatzscheine

-

+0,002

0,002

2/56404

43

Zinsen und Aufgeld

588,349

-0,002

588,347

8/56519

43

Kapitalrückzahlung

2.744,650

-0,002

2.744,648

 

*) Anmerkungen:

2/52805Hievon 2000 Überweisung an VA-Ansatz 2/53205 in Höhe von 1.416,637 Millionen Schilling.

2/532052000 Überweisung von VA-Ansatz 2/52805 in Höhe von 1.416,637 Millionen Schilling.


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28. Sitzung / Seite 169

b) Die durch die Änderung bedingten Betragsänderungen sind auch in den in der Anlage I sowie Ia, Ib und Ic enthaltenen Summenbeträgen entsprechend zu berücksichtigen.

Begründung

Zu Z 1:

Die Abänderungen der Schlusssummen in Artikel I sind durch Änderungen auf Grund der Ersatzlösung für die Getränkesteuer und der Einführung der Werbeabgabe bedingt.

Zu Z 2:

Auf Grund der Änderung des Postgesetzes 1997 in zweiter Lesung (Artikel 30 neu des Budgetbegleitgesetzes 2000) hat der Bund dem Betreiber des Postzeitungsversandes die Differenz zwischen den erforderlichen und nachgewiesenen variablen Kosten für diese Leistungen und den Einnahmen aus den für die Beförderung von Zeitungen festgelegten Entgelten abzugelten; die Gesamthöhe dieser Abgeltungen darf im Zeitraum 1. Juli 2000 bis 31. Dezember 2000 den Höchstbetrag von 150 Millionen Schilling nicht überschreiten. Durch die vorliegende Überschreitungsermächtigung wird für die Bereitstellung der dafür notwendigen Budgetmittel vorgesorgt.

Zu Z 3:

Redaktionelle Berichtigung.

Zu Z 4:

Änderungen auf Grund der Ersatzlösung Getränkesteuer und Einführung der Werbeabgabe sowie für die sachgerechte Verrechnung der Austrian Treasury Bills (ATB) in fremder Währung wie im Kapitel 58.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Sodian. – Bitte.

19.38

Abgeordneter Andreas Sodian (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Was ich hier in diesem Hause, aber auch in den Medien von den Gewerkschaften und den Vertretern der Arbeiterkammer in den letzten Wochen gehört habe, hat mich sehr stark verwundert. Da wurde von der großen Umverteilung von unten nach oben gesprochen: Die Unternehmer, die Großbauern, die Miethausbesitzer sind die Nutznießer dieses großen Budgets. (Abg. Dietachmayr: So ist es!)

Da komme ich am Mittwoch ins Hotel und drehe den Fernseher auf: "Zeit im Bild 2". Wen sehe ich? – Kollegen Verzetnitsch. Was gibt es für Themen? – Die Gewerkschaften sind auf der Straße. Und was erzählt er uns? – 20 Milliarden Schilling auf Kosten der kleinen Arbeitnehmer bekommen die Unternehmer.

Dann lese ich die "ÖGB-News". Darin schreibt ein gewisser Herr Dr. Leutner, seines Zeichens Leitender Sekretär im ÖGB: Unternehmer kassieren, Arbeitnehmer zahlen.

Das hat mich stark verunsichert. Ich habe mir gedacht: Ich als Unternehmer bekomme bares Geld vom kleinen Mann, vom Arbeitnehmer? – Das kann nicht sein, dem würde ich nicht zustimmen! (Abg. Dobnigg: Persönlich werden wir es nicht vorbeibringen!)

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich es Ihnen ja glauben – aber so "seriös", wie der ÖGB und die Arbeiterkammer in den letzten Tagen gerechnet haben! – Wir haben heute das Musterbeispiel von Herrn Nürnberger gehabt: Seine Rechenbeispiele haben nicht ganz ge


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stimmt. (Abg. Jäger: Und das war seriös ...?) Daher schauen wir uns ein wenig genauer an, was Herr Verzetnitsch gesagt hat.

Was steht im Regierungsprogramm? – Der Unfallversicherungsbeitrag soll mit dem Jahre 2001 um 0,2 Prozent gesenkt werden. Das soll den Unternehmen ungefähr 1,5 Milliarden Schilling bringen. Wer hat das bis jetzt eingezahlt? – Nur der Unternehmer! Und warum können wir etwas senken? – Weil Überschüsse in diesem Fonds vorhanden sind. Das ist ein reiner Unternehmerfonds.

Nehmen wir den Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds: Senkung der Beiträge ebenfalls im Jahre 2001. Es geht um ungefähr 3 Milliarden Schilling, von denen wir hier sprechen. Wer zahlt das ein? – Ebenfalls nur der Unternehmer! (Abg. Dr. Petrovic: ... die Unternehmer schuldig geblieben sind!)

Ich kann mich erinnern, im Jahre 1994 lag die Beitragshöhe bei 0,1 Prozent. Jetzt beträgt sie 0,7 Prozent. Was ist in der Zwischenzeit passiert? – Im Jahre 1995 wurde er auf das Fünffache erhöht. (Abg. Hagenhofer: Warum?) Ja, warum? – Weil damals die "Konsum"-Pleite war! (Abg. Hagenhofer: Aber nicht nur der "Konsum"! Da gibt es andere ...!) Es hat auch andere gegeben, aber der "Konsum" war einer derjenigen, die das notwendig gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Neudeck: Die größte Pleite war das!)

Alle kleineren und mittleren Betriebe haben die "Konsum"-Pleite mitbezahlt. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Es gibt eine Solidarhaftung!) Jetzt haben wir endlich wieder Geld, sodass wir den Beitrag senken können. (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. ) Kein Problem, Herr Dietachmayr!

Was kommt noch? – Es kommt noch die Arbeitslosenversicherung. Diese Beiträge sollen, wenn die Konjunktur so anhält, im Jahr 2002 um 0,5 Prozent gesenkt werden. Das soll 3,5 Milliarden Schilling bringen. In diesen Fonds zahlen die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber zu jeweils 50 Prozent ein.

Was haben wir außerdem? – Den Postensuchtag. Dieser verursacht Kosten in Höhe von 300 Millionen Schilling; so steht es auf dem Papier. Weiters haben wir jetzt die Urlaubsaliquotierung gehabt. Geschätzte Kosten: 2 Milliarden Schilling. Es hat sich in der Zwischenzeit herausgestellt, dass diese Zahl richtig sein wird. Dem steht wieder die Entgeltfortzahlung bei der Angleichung von Arbeitern und Angestellten entgegen; die Belastung beträgt etwa 2 Milliarden Schilling. Das hebt sich ungefähr auf.

Wenn wir das zusammenzählen, kommen wir im Jahre 2001 auf 5 Milliarden Schilling und im Jahre 2002 auf 8,5 Milliarden Schilling. Von 15 Milliarden sind wir also weit entfernt. Dabei sind diese 5 oder 8,5 Milliarden Schilling nur Beitragssenkungen aus Fonds der Unternehmen – nichts davon zahlt ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber, da läuft nichts von Klein zu Groß! (Abg. Hagenhofer: Aber der Arbeitnehmer arbeitet für den Unternehmer, dass er einzahlen kann!) Ach so, aha – das ist eine "Logik", Frau Kollegin! Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie es so sehen. Ich sehe es als Unternehmer ein wenig anders.

Es erfolgen daher keine Zahlungen vom Arbeitnehmer zum Arbeitgeber! Da war ich schon richtiggehend erleichtert. Noch dazu bekommen wir die 8,5 Milliarden Schilling ja nicht, sondern wir brauchen sie als Unternehmer nur nicht zu zahlen, wenn alles so kommt, wie es geplant ist. Es ist ja noch nicht beschlossen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Na ja wir wissen ja nicht, wie sich die Konjunktur entwickeln wird.

Wenn ich weiter überlege, sehe ich, dass ich als Unternehmer genauso eine motorbezogene Versicherungssteuer zahle. Die kostet mich ebenfalls etwas, denn ich muss für meine Firmen genauso ein Pickerl kaufen. Ich zahle auch genauso die Energiesteuer. Das vergessen Sie nämlich immer; Sie lasten diese Steuern nur dem kleinen Arbeitnehmer an. Dass aber Firmen, kleine und mittlere Betriebe ebenfalls dafür zahlen müssen, vergessen Sie in Ihrer Rechnung. (Abg. Hagenhofer: ... schreibt er ab!) Aha! Da muss ich aber zuerst etwas haben, wovon ich es


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abschreiben kann. Das ist wieder die große Voraussetzung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nehmen wir überhaupt das Jahr 2000 her. Was geschieht heuer? – Der Herr Bundeskanzler hat sich schon bei den Unternehmern bedankt: 14 Milliarden Schilling kommen aus den Überschüssen der Fonds der Unternehmer – fast nur von den Unternehmern – in das ordentliche Budget 2000. Nichts ist es mit 15 Milliarden für die Unternehmer!

An diesem Tag war es überhaupt ganz gut. Da habe ich die Zeitung gelesen; ich lese in der Früh, dass Herr Arbeiterkammerpräsident Wipplinger schreibt: Wenn die VOEST verkauft wird, stehen die Hochöfen still. – Die Arbeiterkammer weiß schon wieder mehr. (Heiterkeit des Abg. Dr. Stummvoll. ) Ich weiß nichts davon. Herr Kollege Stummvoll, wird die VOEST verkauft? (Abg. Dr. Stummvoll: Nein!) Ich bin ein junger Abgeordneter, bin vielleicht nicht auf dem letzten Stand. Ich habe nichts davon gehört.

Der beste Satz kommt erst: Das Eintreten für die verstaatlichten Betriebe ist eines der zentralen Anliegen der Gewerkschaft. – Da habe ich mir gedacht: Na prost! Das ist eine gefährliche Drohung!

Wie es geendet hat, als sich die Gewerkschaft dafür einsetzte, wissen wir. Das zahlen wir alle noch immer! 120 Milliarden Schilling an Schulden, Zigtausende Arbeitsplätze vernichtet! Wie bei der AMAG: 12 Milliarden Schilling aus Budgetmitteln, 1 000 Arbeitsplätze vernichtet, und um einen Schilling haben wir sie schließlich verkauft. (Abg. Dr. Stummvoll: Wie beim "Konsum"! – Abg. Dobnigg: Gewinne in der Verstaatlichten gibt es auch!) Um einen Schilling haben wir die AMAG verkauft, und eine Milliarde haben wir ihnen noch dazugegeben, dass sie überhaupt genommen worden ist.

Meine Damen und Herren! Das war Ihre Politik. Die ist mit Recht abgewählt worden! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

19.45

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorweg einige Worte zu den Ausführungen der ersten Rednerin des heutigen Tages, der ehemaligen Konsumentenschutz- und Frauenministerin, Frau Kollegin Prammer.

Sie hat in ihrem Debattenbeitrag allen Ernstes gesagt, dass die flexible Arbeitszeit lediglich im Interesse der Unternehmen ist. (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist absurd!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, das hat mich sehr verblüfft. Ich halte es für unglaublich, dass alle Studien zum Thema Frauen und flexible Arbeitszeit offensichtlich spurlos an der ehemaligen Frauenministerin vorbeigegangen sind. (Abg. Mag. Schweitzer: An ihr ist noch mehr spurlos vorbeigegangen!) Selbstverständlich ist flexible Arbeitszeit ein ganz wesentliches Anliegen der Frauen. Frauen brauchen Schutz gegenüber dem Arbeitgeber, und dort wäre eigentlich die Gewerkschaft gefordert. Das wäre durchaus ein Auftrag an die Gewerkschaft, allerdings ist sie da einiges schuldig geblieben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich muss sagen, es wundert mich nicht, dass in den vergangenen Jahren wenig in der Frauenpolitik weitergegangen ist, denn die ehemalige Frauenministerin hat grundsätzliche Wünsche der Frauen nicht begriffen.

Gestatten Sie mir ein weiteres Wort zur Schlussbemerkung von Frau Prammer: Was hätten wir alles zustande gebracht, wenn wir 14 Jahre weiter allein regiert hätten! – In der Frauenpolitik nichts! Der Bericht über Einkommen von Frauen und Männern in unselbständigen Beschäftigungen, der mir heute mit der Post zugegangen ist, stellt in seiner Einleitung ziemlich trocken fest, dass der Einkommensabstand zwischen Frauen und Männern unter dem Strich kaum geringer


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als vor 30 Jahren ist. Vor 30 Jahren haben die Sozialdemokraten die Regierungsverantwortlichkeit übernommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regierung hat eine schwierige Hinterlassenschaft übernommen, wie schon mehrfach betont wurde. Die Damen und Herren von der Opposition haben heute mehrfach süffisant darauf hingewiesen, dass die ÖVP 13 Jahre lang Regierungsverantwortung mit getragen hat. Ich muss Sie in diesem Zusammenhang an das Jahr 1995 erinnern. Wenn die ÖVP 1995 nicht Budget, Budgetkonsolidierung und Sparen zum Thema gemacht hätte und wenn die Entwicklung der Staatsschulden ungebremst geblieben wäre, dann hätten wir jetzt ein Budgetdefizit von 7 bis 8 Prozent. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Damals, 1995, hat man eine Trendwende geschafft. Aber man hat sie nur deswegen geschafft, weil Wolfgang Schüssel persönlich den Mut hatte, Budget, Sparen und Budgetwahrheit zu einem politischen Thema zu machen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Da jetzt in ganz Europa Budgetdefizite abgebaut wurden beziehungsweise werden, wird auch in Österreich die Konsolidierung der Staatsfinanzen gelingen – davon bin ich überzeugt –, wenn die Strukturreformen wie die Pensionsreform, die Gesundheitsreform und der Abbau der bürokratischen Überregulierung glücken.

Wenn es wahr ist, dass es den Oppositionsparteien wirklich um die Interessen der "kleinen" Leute geht, dann muss es auch in ihrem Interesse sein, dass die Reformen gelingen, denn unter "kleinen" Leuten verstehe ich auch die Jugend. Die Jugend hat ein Interesse daran, dass es zu einer Pensionsreform kommt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich verstehe unter "kleinen" Leuten auch die älteren Leute. Die älteren Leute benötigen eine Reform des Gesundheitswesens, weil sie auch in Zukunft eine Gesundheitsfürsorge haben wollen, die ihren Bedürfnissen entgegenkommt.

Manchmal meine ich, dass es den Oppositionsparteien lediglich um Besitzstandswahrung geht. Das ist eigentlich zu wenig für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich habe Zuversicht in die Reformkraft der Bundesregierung. Darin unterstützt mich die heutige "Zürcher Zeitung", die ein Zitat von Stuart Eizenstat bringt, worin er dem Bundeskanzler der österreichischen Bundesregierung "Leadership, Hingabe, Kreativität und Tatkraft" bescheinigt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte zum Schluss kurz einige persönliche Bemerkungen zur Budgetdebatte machen. Es war meine Erste; ich habe sie sehr spannend gefunden, es waren sechs interessante Tage. Es wurden auch Argumente ausgetauscht. Allerdings war die Debatte in vieler Hinsicht außerordentlich vergangenheitsbezogen; das ist, wie ich meine, für die Zukunft weniger gut.

Österreich braucht in seiner jetzigen schwierigen Lage andere Denkansätze. Österreich braucht Mut zu Neuem, zu Kreativität und meiner Meinung nach auch zu Selbstkritik. Jammern und Angstmachen lösen keine Probleme, sondern schaffen nur zusätzliche! – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Lizentiatin oder Lizentiat-Absolventin Irina Schoettel-Delacher. Vielleicht kann sie uns persönlich sagen, wie die richtige Bezeichnung lautet. (Abg. Neudeck: Aber nicht innerhalb der Redezeit!)

19.51

Abgeordnete lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Die neue Regierung hat bei ihrem Amtsantritt im


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Finanzministerium folgende Situation vorgefunden: 109 Milliarden Schilling Nettodefizit, 2 000 Milliarden Schilling Staatsschulden, 100 Milliarden Schilling jährliche Zinszahlungen und auf 745 Milliarden Schilling angestiegene Bundeshaftungen. Das ist ernüchternd und gleichzeitig beängstigend! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sie sind sehr mutig. Der angefallene Konsolidierungsbedarf von 47 Milliarden Schilling wurde mit 40 Milliarden Schilling über Ausgabeneinsparungen und Einmalmaßnahmen sowie mit moderaten 7 Milliarden Schilling über Einnahmenerhöhungen gedeckt. Es wird also sechsmal so viel von der Ausgabenseite wie von der Einnahmenseite zum Konsolidierungsbedarf beigetragen. Hier kann man beim besten Willen keine gravierende soziale Ungerechtigkeit erkennen.

Sozial ungerecht war vielmehr, dass die Sozialdemokraten jahrzehntelang mehr ausgegeben als eingenommen haben, und das trotz mehrerer Sparpakete. Mehr Ausgaben, weniger Einnahmen, Sparpakete, und trotzdem hinterlassen Sie uns ein Nettodefizit von 109 Milliarden Schilling – eine sagenhafte Leistung! (Abg. Mag. Posch: Das ist so langweilig!) Da stellen Sie sich auch noch hier heraus und beschuldigen den Finanzminister, er würde ein Budget mittels Budgettricks und Einmalmaßnahmen erstellt haben!

Zum Ersten: Wir haben es nicht nötig, mit Tricks zu arbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Die Stärke dieser Regierung ist es nämlich, den Österreichern die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie nicht immer angenehm ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Stummvoll: Jawohl!) Wissen Sie, wie man das nennt? – Sorgfältiger Umgang mit dem Vertrauen des Wählers! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Zweiten, zu den Einmalmaßnahmen: Richtig, neben den Ausgabenreduktionen hat es auch Einmalmaßnahmen gegeben! Es war nicht anders möglich, in vier Wochen große Strukturmaßnahmen zu realisieren. (Abg. Mag. Posch: Das ist ja so langweilig!) Aber in diesen vier Wochen hat der Finanzminister immerhin mehr zur Budgetkonsolidierung beigetragen als die SPÖ in den vergangenen zwei Jahren, wie Professor Frisch treffend festgestellt hat. – Soviel zum Budget 2000.

Noch ein paar Worte zur Verschuldung: 2 000 Milliarden Schilling an Schulden nach 30 Jahren sozialdemokratischer Finanzminister, die diesen Staat beinahe schuldenfrei übernommen haben! Diese Schulden bescheren uns jährliche Zinsenzahlungen von sage und schreibe 100 Milliarden Schilling! Wissen Sie, wie viel das pro erwerbstätigen Österreicher pro Monat ausmacht? – 2 700 S. Das ist sozial ungerecht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oberstes Ziel kann es daher nur sein, konsequent und rasch die Schulden abzubauen, die Ausgaben zu reduzieren, die Verwaltung zu reformieren und Reformmaßnahmen voranzutreiben. Sonst, meine Damen und Herren, wird es nicht kalt in diesem Land, wie die SPÖ immer behauptet, sondern sehr eng.

Herr Bundesminister, machen Sie so weiter! Sie haben nicht nur unsere volle Unterstützung, sondern auch die eines Großteils der Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Fink. – Bitte.

19.55

Abgeordneter Ernst Fink (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Drei Punkte, meine sehr geehrten Damen und Herren:

Erstens: Zur Konsolidierung des Budgets gibt es keine Alternative! (Demonstrativer Beifall der Abg. Steibl. )


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Zweitens: Nürnberger, Edlinger, Gusenbauer und Co haben es in dieser Budgetdebatte zustande gebracht, keinen einzigen Vorschlag zur Konsolidierung des Budgets vorzubringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Steibl: Ist das was Neues?) Ich erinnere an das, was Bundeskanzler Schüssel heute Nachmittag gesagt hat: Das ist zu wenig, selbst für eine linke Opposition, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Drittens: Wir werden diesem Budget sehr gerne unsere Zustimmung geben! (Bravo-Rufe und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Grasser. – Bitte.

19.57

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (mit Beifall von Seiten der Freiheitlichen und der ÖVP begrüßt): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte abschließend, nach diesen sechs Tagen einer durchaus sehr tief gehenden und in weiten Teilen konstruktiven Budgetdebatte, Ihnen allen den Dank für die Unterstützung dieses ersten Budgets des Kollegen Staatssekretärs und meiner Person aussprechen. (Abg. Dr. Kostelka: Bitte, gerne, das nächste Mal wieder!)

Kollege Kostelka! Sie merken, ich bin ein unverbesserlicher Optimist (Abg. Dr. Kostelka: Ich auch!) und habe die Hoffnung, dass Sie noch erkennen (Abg. Dr. Kostelka: Ich unterstütze sehr gerne!), dass dieser Voranschlag wichtige Maßnahmen für die Bevölkerung beinhaltet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe Klubobmann Khol und Klubobmann Westenthaler versprochen, dass ich mit ungefähr einer halben Stunde an Redezeit auskommen werde. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Aber da mir bewusst ist, dass sechs Tage der Diskussion reichen, möchte ich nur etwas betonen, was mir wichtig ist. Ein Finanzminister wird, denke ich, nicht oft Gelegenheit haben, zu sagen: Es gibt in diesem Jahr 2000 nicht ein Belastungspaket, es gibt nicht ein Sparpaket, wie Sie es gerne herbeidiskutieren würden, sondern es gibt in Wirklichkeit, meine Damen und Herren, 21 Milliarden Schilling netto an Kaufkraftgewinn für die Bevölkerung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Bravo!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heißt, die Gewinner dieses Budgets sind – beispielsweise gerechnet bei einem Bruttoeinkommen von 18 000 S im Monat – eine allein erziehende Mutter mit einem Kind mit netto 9 239 S mehr, auf das Jahr 2000 gerechnet (Zwischenrufe bei der SPÖ) , oder eine Mutter mit zwei Kindern mit netto 14 742 S mehr, auf das Jahr 2000 gerechnet, oder eine Familie mit zwei Kindern mit netto 13 919 S mehr in der Brieftasche im Jahre 2000. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dietachmayr: Das ist das Ergebnis der Steuerreform!) Das ist die Politik dieser Koalition. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Sie ist für die Bevölkerung. Sie ist für die Sanierung des Budgets, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Abschließend möchte ich feststellen, meine Damen und Herren: Die Sanierung der Staatsfinanzen ist einfach das Erfordernis der Stunde für unsere Bevölkerung und für die nächste Generation. Wer einen sanierten Staatshaushalt herbeiführt, steht für nichts anderes als für niedrige Inflation in Österreich, für mehr Wachstum in Österreich und für Rahmenbedingungen, die in Österreich Vollbeschäftigung ermöglichen. Dafür soll unsere Budgetpolitik für Österreich, für die nächste Generation Perspektiven schaffen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In diesem Sinne: Weniger reagieren und mehr an aktiver Politik, mehr an Gestaltung, mehr an Spielräumen schaffen, damit unsere Wirtschaft über Rahmenbedingungen verfügt, mit welchen Arbeitsplätze für unser Land sichergestellt werden können! Das soll eine Finanzpolitik ermöglichen, der wir uns alle verpflichtet fühlen! Und, meine Damen und Herren, ich habe auch Hoffnung, dass auch die Opposition nicht nur Kritik üben wird – die in manchen Fällen sicherlich


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auch berechtigt ist, denn wir lernen gerne jeden Tag dazu, wie wir es besser machen können –, sondern hoffentlich auch Vorschläge einbringt, sodass aufgrund sanierter Staatsfinanzen auch im europäischen Vergleich Österreich die Rolle beigemessen wird, die es wirklich haben soll.

Österreich ist ein reiches Land, in dem viel geschaffen worden ist, das aber auch in der Finanzpolitik eine mustergültige Position hat. Die "rote Laterne" soll in die Geschichtsbücher eingehen, daher wollen wir sie so bald wie möglich ablegen. Dafür will diese Koalition stehen: ein Bekenntnis zu stabilen Finanzen, meine Damen und Herren! – Vielen Dank für das Vertrauen! (Anhaltender, teilweise im Stehen gespendeter Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Oh! Siehe da!)

20.02

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sie können sich wieder setzen! Es wird nämlich in diesem Hause – das ist, glaube ich, gute Tradition – ein Mitglied dieses Hauses das letzte Wort haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Warum redet jetzt nicht Cap?)

Zunächst möchte ich sagen: Wir haben ganz genau beobachtet, dass jetzt aus guten Gründen bei Ihnen einige nicht aufgestanden sind. Ich darf jenen wenigen Aufrechten sehr herzlich gratulieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wirklich bemerkenswert ist, dass es der Herr Bundesminister bei einer Dringlichen Anfrage, in welcher auch Fragen an ihn enthalten waren, nicht der Mühe wert fand, sich auch nur ein einziges Mal zu Wort zu melden. Jetzt hätte ich fast etwas gesagt, was dem Herrn Präsidenten nicht gefallen würde. Jedenfalls ist der Minister schweigend auf der Regierungsbank gesessen und hat beispielsweise keine Antwort auf die Frage gegeben, ob es Steuererhöhungen geben wird. (Abg. Dr. Stummvoll: Hätten Sie die Frage an ihn gerichtet!) Das hat er nämlich in einem Interview sehr wohl angekündigt. Jetzt hat er sich, nach einer langen Debatte zum Kapitel Finanzen, zu Wort gemeldet, um die Leistungen der Bundesregierung darzustellen. (Abg. Dr. Stummvoll: Hätten Sie die Frage doch an ihn gerichtet!) Wissen Sie, worin die Leistungen bestehen? – Sie bestehen in jener Steuerreform, gegen welche Ihre Fraktion, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, gestimmt hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Die gesamte soziale Kompetenz, die Sie in Ihre bisherige Regierungstätigkeit eingebracht haben, war, die Steuerreform, die die sozialdemokratische Handschrift trägt, nicht zurückgenommen zu haben! Ganz im Gegenteil: Das, was ins Haus steht, ist ein Budgetdesaster. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Die Vorbereitungen dafür beginnen bereits. Das Strickmuster ist eindeutig: Budget, Grasser’sche Aktivität hinsichtlich eines Kassasturzes, wiederum Budget, wiederum Kassasturz. Das ist ein Kassasturz-Minister! Meine Damen und Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher werden in den nächsten Monaten und Jahren schon noch bemerken, was es heißt, eine blau-schwarze Regierung zu haben! (Abg. Dr. Martin Graf: Es ist wichtig, dass der Kassasturz stimmt!)

Meine Damen und Herren! Ich sage aus Sicht meiner Fraktion mit aller Deutlichkeit: Für dieses Abkassieren in diesem und im nächsten Budget werden Sie die Antwort der Österreicherinnen und Österreicher bekommen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

20.05

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Bitte.

20.05

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Meine Damen und Herren! Nach einer sechstägigen Budgetdebatte und nachdem der Herr Finanzminister hier klar Rede und Antwort gestanden ist, ist die Botschaft für uns klar. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das Budget 2000, das der ehemalige Herr Finanzminister Edlinger auf Grund einer Verfassungspflicht bis Oktober des letzten


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Jahres hätte vorlegen sollen und nicht vorgelegt hat (Abg. Dr. Kostelka: Ihr wolltet es so!), wurde von dieser Regierung in Rekordzeit vorbereitet, vorgelegt und wird heute beschlossen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Um diese Zeit an diesem Tag ist das, was wir heute und jetzt hier besprechen, etwas, was wir gleichsam entre nous besprechen können. Da brauchen wir uns nicht anzuagitieren! Ich sage Ihnen etwas, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie (Abg. Grabner: Sag es lieber nicht, sonst musst du noch einmal beichten gehen!): Das Budget, das wir heute beschließen werden, unterscheidet sich von jenem Budget, das eine Koalition mit Finanzminister Edlinger beschlossen hätte, in ganz wenigen Punkten. Finanzminister Edlinger hätte die Mineralölsteuer erhöht und den Benzinpreis zwischen 1 und 3 S erhöht. (Rufe bei der SPÖ: Falsch! Falsch! Falsch!) Oder waren es 4 S, Herr Edlinger?

Die Sparmaßnahmen wären wahrscheinlich weniger drastisch ausgefallen, nämlich das, was im Budget selbst gespart wird. Aber dass die Einmalmaßnahmen überwiegen und dass die Struktureffekte in sechs Wochen nicht grundgelegt werden können, dessen waren Sie sich bewusst und dessen ist sich auch diese Regierung bewusst. Daher lügen wir uns doch bitte nicht in den Sack hinein! (Abg. Dr. Kostelka: Ordnungsruf!) Ich habe gesagt: wir! Ich habe nicht gesagt: Sie! (Abg. Dr. Kostelka: Ihr lügt euch also in den Sack!)

Ehrlichkeit bedeutet: Dieses Budget war in der kurzen Zeit der Vorbereitung ein Budget, das uns in den Eckdaten objektiv vorgegeben war. Wir haben es in der optimalen Zeit durchgebracht, und damit haben wir das Staatsschiff wieder auf Kurs gebracht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe schon früher in einer Debatte hier gesagt: Das war das Gesellenstück eines Finanzministers, der ohne Schonfrist und ohne Vorbereitungszeit schnell und zielbewusst agiert hat. Wir sind ihm dankbar dafür, und wir begrüßen das! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )

Jetzt kommt es darauf an, dass wir uns nicht ermattet zurücksinken lassen, denn im Monat Juni und im Monat Juli kommen die Strukturmaßnahmen an die Reihe. (Abg. Nürnberger: Das klingt wie eine gefährliche Drohung!) Diese Strukturmaßnahmen wurden uns von internationaler Seite nahe gelegt, aber auch laut unserem Regierungsprogramm besteht dafür wirklich dringende Notwendigkeit. Wir haben diese geplant, und wir haben in diesem Zusammenhang heute, gestern und vorgestern immer wieder das Werturteil des ECOFIN beraten, aber auch des Staatsschuldenausschusses, des Herrn Frisch.

Alle, die hier sitzen, wissen: Ohne Strukturmaßnahmen wird es eine Sanierung des Budgets 2001 nicht geben! Ich erwarte, dass man in den künftigen Debatten nicht mehr nach dem Motto: Ich bin der Geist, der stets verneint!, jegliche Sparmaßnahmen und jede konstruktive Mitarbeit ablehnt! Da lobe ich mir Herrn Kogler, bei dem heute durchgeklungen ist, dass man zwar andere Maßnahmen vorschlägt, aber zumindest Vorschläge macht, sodass man darüber diskutieren kann – und nicht Briefe unterschreibt, während hier das Budget diskutiert wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Mein Kollege Klubobmann Kostelka hat vor einigen Minuten gesagt: Die Antwort wird der Wähler geben. – Herr Kollege Kostelka: Bei Philippi sehen wir uns wieder! Auf diese Antwort freue ich mich schon! (Abg. Dr. Kostelka: Ich auch!) Der Wähler hat bereits viele Antworten gegeben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube, dass dieser Gedanke der Befreiung, der durch Österreich geht, für uns Ansporn und Auftrag für das nächste Budget bedeutet! – Glück auf, Herr Finanzminister! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

20.10

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Regen Sie sich doch nicht so auf!


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Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 177

Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Ich möchte am Ende dieser Debatte zunächst einmal Herrn Kostelka nicht gratulieren zu dem verunglückten Versuch, die verunglückte Rede seines verbal bei der Dringlichen Anfrage eher verunglückten Obmannes zu kaschieren. (Abg. Dr. Kostelka: So reden Sie immer, wenn Sie unsicher werden!) Dazu gratuliere ich Ihnen nicht!

Ich mache jetzt einen allerletzten Versuch. Jedes Mal zähle ich Ihnen die Schulden, die Zinsen und alles, was da kommt, auf. (Zwischenruf des Abg. Nürnberger. ) Jetzt habe ich mir den ganzen Tag die Mühe gemacht und habe Ihnen die Steuererhöhungen, die Sie gemacht haben, extra herausgeschrieben und vorher auch vorgelesen. Sie haben es aber noch immer nicht verstanden! Jetzt starte ich einen allerletzten Versuch, um das der SPÖ in einer Art und Weise, in der es jeder – auch die SPÖ – verstehen müsste, noch einmal zu erklären.

Zum Mitschreiben und gut Aufpassen: Die Staatsschulden betragen 1 700 Milliarden Schilling. (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch. ) Die Zinsen für diese Staatsschulden betragen 100 Milliarden Schilling pro Jahr. Und jetzt mache ich es Ihnen einfach: 100 Milliarden Schilling Zinsen pro Jahr sind 274 Millionen Schilling Zinsen pro Tag, die Sie uns hinterlassen haben. Das heißt, wenn man das weiter umlegt, dass Sie uns 11,5 Millionen Schilling pro Stunde, 190 000 S pro Minute oder 3 170 S pro Sekunde an Zinsen hinterlassen haben, die wir alle zahlen müssen! Und jetzt mache ich es noch einfacher: Für die Zeit, die ich hier stehe und einmal ein- und ausatme, haben Sie Zinsen von 10 000 S verursacht! Das ist am einfachsten. Merken Sie sich diese Rechnung, denn sie ist wirklich relativ einfach! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das ist die Zinsenlast, die Sie allein aufgrund des Schuldenbergs hinterlassen haben! Deshalb finde ich es gut und richtig, dass wir eine neue Regierung haben und eine politische Wende in diesem Land vollzogen wird, mit einem neuen Budget, mit einem neuen Stil, mit neuen Zahlen im Sinne der Bevölkerung, der wir mehr Luft zum Atmen geben wollen. Das Geld soll nicht nur für Schulden ausgegeben werden, sondern wir müssen Zinsen auch entsprechend lukrieren und das Geld den "kleinen" Leuten überreichen können!

In diesem Sinne darf ich namens der freiheitlichen Parlamentsfraktion Herrn Finanzminister Karl-Heinz Grasser, also dir, lieber Karl-Heinz, und dem Staatssekretär zu diesem ersten Budget, das in dieser kurzen Zeit erstellt wurde und mit diesen Daten wirklich ein Rekordbudget ist, gratulieren! Es ist ein gutes Budget im Sinne der Bevölkerung! Ich darf euch zu diesem Budget ganz herzlich gratulieren! Es ist eine Freude, mit dem Finanzminister auf diese Art und Weise zusammenzuarbeiten!

Alles Gute auch für den Herbst für das nächste Budget! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Edlinger. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Einmal hin- und hergehen sind 30 000S! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

20.14

Abgeordneter Rudolf Edlinger (SPÖ) (mit Beifall von Seiten der SPÖ begrüßt): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Teilweise geschätzte Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) In der Tat haben wir eine ... (Abg. Ing. Westenthaler: Sind das auf Ihrer Krawatte Hunde? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Krawatte ist, wie viele andere auch, ein beredtes Beispiel für die Situation, in der wir uns befinden. Ich habe mir diese Krawatte gekauft, nachdem ein sehr launiger Landeshauptmann in Österreich den staunenden Österreichern verkündet hat, dass sie von einem Hundepärchen regiert werden, nämlich von Susi und Strolchi. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist die Wurscht?)


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28. Sitzung / Seite 178

Dieser "Gag" – unter Anführungszeichen – hat den Herrn Bundeskanzler in so abgrundtiefe Verzückung versetzt, dass er es nicht verabsäumt hat, der Susi ein Büchlein über "Susi und Strolchi" zu schenken, wahrscheinlich deshalb, weil er es bedauert, dass er nie die Popularität von "Susi und Strolchi" in diesem Lande erreichen wird! – Ein trauriges Kapitel, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Was ist das nun auf der Krawatte? – Abg. Dr. Khol: Ist das der Hund mit der Knackwurst? – Abg. Haigermoser: Wau! Wau! Wuff! Wuff!) Sie lernen, denn Sie bellen schon ganz gut, Herr Haigermoser! Das ist wahr, und das ist intelligenter als so manches, was ich sonst schon von Ihnen gehört habe. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Er ist auf den Hund gekommen! – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man soll manches durchaus aufmerksam lesen. Der Herr Bundeskanzler gefällt sich auch im sehr einfachen Übersetzen von schwierigen Problemen. Man muss – das hat Anneliese Rohrer in der "Presse" so vorzüglich geschrieben – "die Dinge mit den Augen der Kinder sehen", wie "Bundeskanzler Wolfgang Schüssel seit seinem Wechsel an die VP-Spitze 1995 immer wieder zu sagen" pflegt.

Weiters schreibt Frau Rohrer: "Nun denn: Betrachten wir die Aussagen von Schüssel zur aktuellen Budgetsituation so. Dann würden Kinder fragen, wo denn der Bundeskanzler als Vizekanzler in den letzten Jahren war, wenn er doch höchstpersönlich in jener Regierung saß, die das nun beklagte Budgetdesaster verursacht hat? Was denn mit der ,Sanierung‘ des Budgets passiert sei, die sich die ÖVP seit 1995 auf ihre Fahnen geheftet hat?" Zitatende. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Wo war denn der Finanzminister?)

Weiter heißt es in dem Artikel von Anneliese Rohrer: "Warum Schüssel nicht auf seinen Wirtschaftsminister Johann Farnleitner und seinen guten Parteifreund, Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber, gehört hat, die doch beide um die wirkliche Lage des Budgets Bescheid gewußt haben?" (Abg. Dr. Khol: Hat der Hund jetzt die Wurscht gefressen oder nicht!) Herr Khol, ich zitiere weiter:

"Kinder haben nämlich, auch wenn sie auf Zahlenreihen so verständnislos blicken wie angeblich die schwarz-blauen Regierungsmitglieder am Freitag bei der Klausur, ein feines Gespür für Gerechtigkeit."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich zitiere noch immer Frau Rohrer: "Der Rest ist eine Frage des Politik-Marketings. Die neue Regierung hat sich da eine Strategie zurechtgelegt: Zuerst deutet FPÖ-Chef Haider ein schlimmes Erwachen an, dann gab sich die Regierung ,geschockt‘ – und schon ist das Terrain psychologisch für neue ,Opfer‘ aufbereitet."

Die Opfer sind die Bürger unseres Landes! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie sind schuld!) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist die Strategie der Politik, die zu betreiben Sie in unserem Lande vorhaben!

Eine zweite Bemerkung. Ich bin in der Tat sehr stolz darauf, dass das einzige positive Blümchen, das Sie sich aufs Revers stecken, die Steuerreform ist! (Abg. Ing. Westenthaler: Wir finanzieren sie!) Diese Steuerreform trägt nämlich die sozialdemokratische Handschrift, wo Herr Khol mit Zähnen und Klauen versucht hat, dem Amtsgehilfen und Hilfsarbeiter im Jahr den Gegenwert einer Schachtel Zigaretten und dem Direktor 20 000 S zuzuschieben! Das haben wir nicht zugelassen! Das ist Ihre Politik! (Beifall und Bravo-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Nürnberger: So ist es!)

Herr Khol! Mit diesen Zahlen saßen Sie mit Peter Kostelka mit Taferln im Fernsehen. Das ist so schön! Ich sage Ihnen das für den Fall, dass Sie sich nicht mehr erinnern können, denn selektive Wahrnehmung und Verdrängung ist bei Ihnen offenbar Punkt eins! Wenn man die Beitrittserklärung für Ihre Partei unterschreibt, ist das eine wichtige Voraussetzung: Verdrängung und letztendlich ... (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt kommt der Hass so richtig heraus!) Das kenne ich gar nicht, denn ich liebe alle Menschen, lieber Herr Westenthaler! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Vor allem die Hunde! – Abg. Schwarzenberger: Die Hunde, die die Wurst fressen!)


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28. Sitzung / Seite 179

Im Übrigen möchte ich Ihnen sagen: Bei dieser Budgetdebatte haben Sie eine Ausrede gehabt! Sie haben nämlich fast 1 000 Mal den früheren Finanzminister erwähnt. Ich freue mich darüber! Ich frage mich nur: Was tun Sie arme Teufel nächstes Jahr? Ich wünsche Ihnen viel Glück! – Die Österreicher bedauere ich heute schon! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

20.20

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. – Bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

20.21


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28. Sitzung / Seite 180

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll
(ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Edlinger hat jetzt ein bisschen kabaretthafte Züge hineingebracht. Ich hoffe, dass die Stimmung jetzt etwas aufgelockert ist!

Daher möchte ich zu Beginn einer kurzen Rede ehrlich zugeben: Es war eine spannende Budgetdebatte! Ich gebe aber zu, dass ich natürlich nicht sechs Tage lang nur intensiv zugehört habe. Vielmehr habe ich – so wie viele von uns – auch ein bisschen in den Zeitungen geblättert, und in der "Raiffeisen Zeitung" habe ich mehrere Zitate gefunden.

Herr Präsident! Ich sage gleich: Das, was ich jetzt zitiere, trifft auf niemanden zu, der hier im Hohen Hause sitzt. Ich riskiere keinen Ordnungsruf. Ich zitiere aus der "Raiffeisen Zeitung" nur einen sehr schönen Spruch, der mir während der sechs Tage dieser Budgetdebatte eingefallen ist. Ein Herr Janis Rainis hat einen sehr klugen Spruch getan, der aber auf niemanden hier gemünzt ist. Das Zitat lautet:

"Die Weisheit hat ihre Grenzen, die Dummheit ist aber grenzenlos." – Das ist ein Zitat aus der "Raiffeisen Zeitung". (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage das nur deshalb, weil jetzt ein heiterer Zug durch den früheren Herrn Minister Edlinger hineingekommen ist. – Aber Spaß beiseite. Herr Kollege Edlinger: Bei all Ihrer geschliffenen Rhetorik mit sehr viel Populismus können Sie etwas doch nicht wegdiskutieren, nämlich letztendlich Ihr Versagen in der vergangenen Legislaturperiode und die Tatsache, dass wir heute dort sind, wo diese neue Bundesregierung eine Herausforderung findet, wie sie seit vielen Jahren nicht gegeben war! (Zwischenruf des Abg. Grabner.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.)

Wir von den beiden Regierungsfraktionen trauen dieser Bundesregierung aber zu, dass sie mit dem ehrgeizigsten Schuldenabbauprogramm in der Geschichte der Zweiten Republik das Desaster, das 30 Jahre lang sozialistische Bundeskanzler und sozialistische Finanzminister zustande gebracht haben, diesen Schuldenberg abtragen wird, Herr Kollege Grabner! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der neue Stil dieser Bundesregierung "Österreich neu regieren" hat natürlich in der Finanz- und Budgetpolitik mit diesem Kassasturz beginnen müssen! Sie haben das heute ins Lächerliche gezogen, aber ich glaube, dass dieses Land seit dem Antritt dieser Regierung, in diesen letzten 100 Tagen, erstens offener geworden ist, meine Damen und Herren! Es ist eine Freude, zu sehen, wie die Bürger wieder an Politik interessiert sind! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Die Bürger verstehen, dass Budgetpolitik Zukunftsgestaltung ist und dass Budgetpolitik nicht Schuldenmachen bedeutet. Budgetpolitik heißt Zukunftsgestaltung!

Zweitens ist das Land ehrlicher geworden, meine Damen und Herren! "Österreich neu regieren" bedeutet nicht, Dinge zu verschleiern und zu manipulieren, sondern bedeutet, die Fakten auf den Tisch zu legen (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Abg. Dr. Kostelka: Vor allem ist das nicht wahr!), auch dann, Herr Kollege Kostelka, wenn es unangenehm ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter! Ich bitte um das Schlusswort!

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (fortsetzend): Das Land ist auch rascher geworden, denn noch keine Regierung hat so rasch ein neues Budget vorgelegt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.24

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Spezialberichterstatterin oder der Herr Generalberichterstatter das Wort? – Das ist offensichtlich nicht der Fall.

Dann lassen Sie mich noch feststellen, dass ich sehr froh darüber bin, dass eine teilweise sehr emotional geführte Debatte einen fast fröhlichen Ausklang gefunden hat.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beratungsgruppe XI des Bundesvoranschlags für das Jahr 2000.

Diese umfasst die Kapitel 50 bis 56 und 58 des Bundesvoranschlags in 60 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichts in 80 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Mag. Trattner und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen finanzgesetzlichen Ansätze und danach über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Beratungsgruppe XI abstimmen lassen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Mag. Trattner und Genossen, der sich auf mehrere Voranschlagsansätze der Kapitel 50, 52, 53 und 56 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile der Beratungsgruppe XI des Bundesvoranschlags für das Jahr 2000 in 60 der Beilagen in der Fassung des Spezialberichtes in 80 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Gemäß § 55 Absatz 5 der Geschäftsordnung schlage ich vor, die Abstimmung über die bei der Verhandlung der Beratungsgruppe XI des Bundesfinanzgesetzes eingebrachten Anträge sogleich vorzunehmen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hagenhofer und Genossen betreffend Erhöhung des Pendlerpauschales.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Text des Bundesfinanzgesetzes samt Titel und Eingang in 60 der Beilagen in der Fassung des Ausschussberichtes in 80 der Beilagen.

Die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Mag. Trattner und Genossen haben dazu einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über die von diesem Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und danach über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Textes des Bundesfinanzgesetzes abstimmen.


Nationalrat, XXI.GP
Stenographisches Protokoll
28. Sitzung / Seite 181

Die Abgeordneten Mag. Mühlbachler, Mag. Trattner und Genossen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Z 19 in Art. 6 Abs. 1 samt der dadurch bedingten Änderung der Ziffernbezeichnung bezieht und eine Änderung der Schlusssummen in Art. 1 zum Inhalt hat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Textes des Bundesfinanzgesetzes samt Titel und Eingang in 60 der Beilagen in der Fassung des Ausschussberichtes in 80 der Beilagen.

Bei Zustimmung ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über die zum Bundesfinanzgesetz gehörenden Anlagen, soweit über diese noch nicht abgestimmt wurde.

Es sind dies die Zusammenfassung nach Gruppen und Kapiteln der Anlage I und die Anlagen Ia bis Ic (Gesamtübersichten) unter Berücksichtigung der sich aus den Spezialberichten in 80 der Beilagen ergebenden Abänderungen sowie die Zusammenfassungen nach Gruppen und Kapiteln der Anlage II – Konjunkturausgleich-Voranschlag samt dessen summarischer Aufgliederung in der Anlage IIa –, ferner die Anlage III – Stellenplan – und weiters die Anlage IV – Fahrzeugplan – in der Fassung des Ausschussberichts in 60 und Zu 60 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Damit ist die zweite Lesung über das Bundesfinanzgesetz 2000 samt Anlagen beendet.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. Damit ist das Budget für das Jahr 2000 verabschiedet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 171/A bis 176/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 812/J bis 847/J eingelangt.

*****

Ich gebe bekannt: Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Dienstag, 6. Juni 2000, 11 Uhr, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Weg einberufen werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 20.30 Uhr