Stenographisches Protokoll

18. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

 

XXII. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 4. Juni 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Stenographisches Protokoll

18. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXII. Gesetzgebungsperiode                        Mittwoch, 4. Juni 2003


Dauer der Sitzung

Mittwoch, 4. Juni 2003: 9.00 – 21.31 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Das Angebot der Bundesregierung zur Pensions-Sicherung“

2. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz über die Höhe des existenzsichernden Mindest­lohns (Mindestlohngesetz) (85/A)

3. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz, BGBl. 183/1947 geändert wird (86/A)

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (92/A)

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolle­ginnen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über die Re­gierungsvorlage 59 d. B. betreffend ein Budgetbegleitgesetz 2003 gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 6. Juni 2003 zu setzen      ............................................................................................................................... 34

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 35


Nationalrat, XXII.GP
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18. Sitzung / Seite 2

Redner:

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................................... 145

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 148

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 149

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 150

Dr. Michael Spindelegger .......................................................................................... 152

Annahme des Fristsetzungsantrages .......................................................................... 153

Antrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kollegin­nen und Kollegen, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 132/A der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und das Bundes­bezügegesetz geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 6. Juni 2003 zu setzen – Annahme ................................................................................................  35, 224

Antrag der Abgeordneten Dr. Josef Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einset­zung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorwürfe möglicher Geldflüsse, nützlicher Aufwendungen und Manipulationen des Vergabeverfah­rens im Zuge der Beschaffung von Kampfflugzeugen für das österreichische Bundesheer seit April 2001 gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung                206

Bekanntgabe ................................................................................................................... 35

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 35

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen auf Einset­zung eines Untersuchungsausschusses zu den Vorgängen im Zusammenhang mit der Beschaffung vor Eurofighter-Kampfjets gemäß § 33 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung ................................................ 211

Bekanntgabe ................................................................................................................... 43

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 44

Festlegung auf Durchführung einer gemeinsamen Debatte über die beiden An­träge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ......................................................................................... 51

Redner:

Dr. Günther Kräuter ................................................................................................... 213

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 215

Walter Murauer ........................................................................................................... 217

Anton Gaál .................................................................................................................. 218

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 220

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 222

Ablehnung der beiden Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen ...... 223

Wortmeldungen im Zusammenhang mit den von ÖVP und Freiheitlichen gestell­ten Fristsetzungsanträgen:

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 35

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 36

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 36

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 36

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 37


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18. Sitzung / Seite 3

Aktuelle Stunde (5.)

Thema: „Reformschwindel der Bundesregierung statt gerechte Pensionsre­form für Österreich“

Redner:

Heidrun Silhavy ............................................................................................................ 14

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ................................................................................. 17

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................... 20

Doris Bures ................................................................................................................... 21

Maximilian Walch ......................................................................................................... 23

Dr. Eva Glawischnig .................................................................................................... 24

Ridi Steibl ...................................................................................................................... 26

Rudolf Nürnberger ....................................................................................................... 28

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 29

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 31

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................  33, 198, 204, 206

Unvereinbarkeitsangelegenheiten

Dritter Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses ........................................................ 34

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanz­ler betreffend gebrochene Versprechen und fehlende Harmonisierung bei den PolitikerInnenpensionen (473/J)                       112

Begründung: Karl Öllinger .......................................................................................... 117

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ................................................................... 121

Debatte:

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 123

Mag. Dr. Josef Trinkl .................................................................................................. 126

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 129

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 129

Mag. Dr. Magda Bleckmann ...................................................................................... 132

Dr. Gabriela Moser ..................................................................................................... 135

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................. 137

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 138

Herbert Scheibner ...................................................................................................... 140

Jakob Auer .................................................................................................................. 141

Karl Öllinger ................................................................................................................ 144

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Abschaffung von Politikerprivilegien im Pensionsrecht – Ab­lehnung .................. 135, 145

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäfts­ordnung des Nationalrates zum Thema „Das Angebot der Bundesregierung zur Pensions-Sicherung“ ......................... 37


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18. Sitzung / Seite 4

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 37

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsord­nung                   13

Redner:

Dr. Alfred Gusenbauer ................................................................................................ 44

Mag. Wilhelm Molterer ................................................................................................ 48

Dr. Alexander Van der Bellen ..................................................................................... 51

Herbert Scheibner ........................................................................................................ 56

Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ................................................................................. 60

Friedrich Verzetnitsch ................................................................................................. 64

Mag. Walter Tancsits ................................................................................................... 66

Karl Öllinger .........................................................................................................  68, 192

Mag. Dr. Magda Bleckmann ........................................................................................ 70

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 73

Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................................................ 75

Michaela Sburny ........................................................................................................... 77

Maximilian Walch ......................................................................................................... 78

Dr. Alexander Van der Bellen (tatsächliche Berichtigung) ......................................... 80

Mag. Barbara Prammer ............................................................................................... 80

Karl Donabauer ............................................................................................................ 82

Sabine Mandak ............................................................................................................. 84

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................... 85

Dr. Christoph Matznetter ............................................................................................. 87

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ............................................................................. 88

Mag. Brigid Weinzinger ............................................................................................... 90

Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ............................................................................................... 92

Mag. Andrea Kuntzl ..................................................................................................... 93

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 95

Josef Broukal (tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 97

Dieter Brosz .................................................................................................................. 97

Klaus Wittauer .............................................................................................................. 99

Josef Broukal .............................................................................................................. 101

Mag. Karin Hakl .......................................................................................................... 103

Theresia Haidlmayr .................................................................................................... 105

Dr. Helene Partik-Pablé ............................................................................................. 107

Karl Dobnigg ............................................................................................................... 108

Karlheinz Kopf ............................................................................................................ 110

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 111

Renate Csörgits .......................................................................................................... 154

Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................................... 155

Mag. Walter Posch ..................................................................................................... 156

Christine Marek .......................................................................................................... 158

Marianne Hagenhofer ................................................................................................ 160

Detlev Neudeck ........................................................................................................... 161

Franz Riepl .................................................................................................................. 162

Mag. Dr. Josef Trinkl .................................................................................................. 164

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 166

Elmar Lichtenegger ................................................................................................... 167

Mag. Melitta Trunk ..................................................................................................... 169

August Wöginger ....................................................................................................... 170

Dietmar Keck .............................................................................................................. 172

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................................. 173

Mag. Christine Lapp ................................................................................................... 175

Norbert Sieber ............................................................................................................ 176

Walter Schopf ............................................................................................................. 178


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18. Sitzung / Seite 5

Anna Franz .................................................................................................................. 179

Bettina Stadlbauer ..................................................................................................... 180

Konrad Steindl ............................................................................................................ 182

Erwin Spindelberger .................................................................................................. 183

Johann Rädler ............................................................................................................ 185

Anita Fleckl ................................................................................................................. 186

Dr. Gertrude Brinek ................................................................................................... 187

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 189

Mares Rossmann ....................................................................................................... 190

Entschließungsantrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Sicherstellung, dass Pensionen unter 1 000 € brutto monatlich von den aktuellen Kürzungsplänen der Regierung nicht betroffen sind – Ableh­nung .........................................................  70, 193

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pensionen, die fair, sicher und gerecht sind – Ablehnung ...................................  81, 193

2. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Höhe des existenzsichernden Mindestlohns (Mindestlohngesetz) (85/A)             ............................................................................................................................. 193

Redner:

Karl Öllinger ................................................................................................................ 193

Dipl.-Ing. Günther Hütl ............................................................................................... 195

Renate Csörgits .......................................................................................................... 196

Sigisbert Dolinschek .................................................................................................. 196

Christoph Kainz .......................................................................................................... 197

Zuweisung des Antrages 85/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ................. 198

3. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz, BGBl. 1883/1947, geändert wird (86/A)                        199

Redner:

Karl Öllinger ................................................................................................................ 199

Ing. Josef Winkler ....................................................................................................... 200

Rosemarie Schönpass .............................................................................................. 201

Mag. Eduard Mainoni ................................................................................................. 201

Mag. Ulrike Lunacek .................................................................................................. 202

Zuweisung des Antrages 86/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ................. 204

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz geändert wird (92/A)                        204

Redner:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 204

Carina Felzmann ........................................................................................................ 205

Josef Bucher ............................................................................................................... 205

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 206

Zuweisung des Antrages 92/A an den Finanzausschuss ............................................ 206


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18. Sitzung / Seite 6

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen ................................................................................................... 33

44: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über Än­derungen und Ergänzungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Ungarischen Volksrepublik zur Sichtbarerhaltung der gemeinsamen Staats­grenze und Regelung der damit im Zusammenhang stehenden Fragen vom 31. Oktober 1964 in der Fassung des Vertrages über Änderungen und Ergän­zungen vom 29. April 1987 samt Anlagen

55: Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten König­reich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbe­reiches des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf die Ballei Guernsey

81: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Entwicklungszusammen­arbeit (Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, EZA-G), das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter­dienstge­setz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirt­schaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden (EZA-Ge­setz-Novelle 2003)

87: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Republik Armenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

88: Übereinkommen über die Errichtung des Joint Vienna Institute

91: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik, mit dem der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowaki­schen Sozialistischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. De­zember 1973 geändert und ergänzt wird samt Anlagen

92: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung der Islamischen Republik Iran zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

93: Kundmachungsreformgesetz 2004

109: Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Bäckereiar­beiter/innengesetz 1996 geändert werden

Berichte ......................................................................................................................... 34

III-29: Wahrnehmungsbericht über Teilgebiete der Gebarung des Bundes; Rech­nungshof

III-31: Bericht zur sozialen Lage der Studierenden; BM f. Bildung, Wissenschaft und Kultur

III-32: Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2003; Bundesregie­rung

Anträge der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tierseuchenbekämpfung (Rinderleukosegesetz 1982) (136/A) (E)


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18. Sitzung / Seite 7

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringend erforderliche Maß­nahmen zur Verbesserung der Nitratbelastung des Grundwassers in Österreich (137/A) (E)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU-konforme Novellierung der Altölbestimmungen in Österreich (138/A) (E)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forcierung der Lärmbekämp­fung in Österreich (139/A) (E)

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen betreffend zusätzliche Maßnahmen im Kampf gegen Alkohol am Steuer (140/A) (E)

Mag. Christine Lapp, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Straßenverkehrsordnung (StVO 1960) geändert wird (141/A)

Heinz Gradwohl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agrarisches Betriebsmittelrecht und Lebensmittelrecht (142/A) (E)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lebensmittelrecht und Agra­risches Betriebsmittelrecht (143/A) (E)

Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gesamtstudie zur Museumslandschaft (144/A) (E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Verkehrssicherheit durch ein Überholverbot für LKW im oberösterreichischen Autobahnnetz (145/A) (E)

Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Antidiskriminierungs­gesetz (146/A)

Dr. Michael Spindelegger, Herbert Scheibner, Mag. Kurt Gaßner, Mag. Terezija Stoisits, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiter (Parlamentsmitarbei­tergesetz) geändert wird (147/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Verwertung der geschlossenen Bezirksgerichte durch die Bundesimmobiliengesellschaft mbH (469/J)

Dr. Helene Partik-Pablé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend Anzeigenverbot österreichischer Ärzte in Zeitungen (470/J)

Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Um­setzung der Anti-Rassismus-Richtlinie der Europäischen Union (471/J)

Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Honorarabrechnungen Agentur Communit (472/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend gebrochene Versprechen und fehlende Harmonisierung bei den PolitikerInnenpensionen (473/J)


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18. Sitzung / Seite 8

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an den Vizekanzler betreffend zynische, sündteure Werbung mit Steuergeldern (474/J)

Manfred Lackner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend zyni­sche, sündteure Werbung mit Steuergeldern (475/J)

Wolfgang Großruck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehren im Bereich der Innkreisautobahn (476/J)

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zukunft des A1-Ringes – Formel I Grand Prix 2004 in Österreich? (477/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innova­tion und Technologie betreffend CEATS (478/J)

Kurt Eder, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Benzin-Scooter (479/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend „Lebensmittel-Direktverkauf – landwirtschaftliche Produzen­ten Kontrollen“ (480/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zuständigkeiten Passwesen (481/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend „Kosten der Justiz (Eigendeckungsgrad) – Erledigung der Geschäftsfälle“ (482/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Nationale Fußballinformationsstelle und Sicherheit bei Fußballspielen (483/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Videoüberwachung in Österreich (484/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend den Jahresbericht 2002 der Bundesheer-Beschwerdekommission (485/J)

Anita Fleckl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Veröffentlichung der Korridoruntersuchung zum Ver­kehrsausbau im Ennstal (486/J)

Katharina Pfeffer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorwurf der illegalen Flüchtlingsabweisung an der österreich-slowakischen Staatsgrenze (487/J)

Katharina Pfeffer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung betreffend Vorwurf der illegalen Flüchtlingsabweisung an der österreich-slowa­kischen Staatsgrenze (488/J)

Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Erar­beitung eines überfälligen Bundestierschutzgesetz in Österreich (489/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gerüchte über Übernahme von JustizwachebeamtInnen in das BMI (490/J)

Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Gerüchte über Übernahme von JustizwachebeamtInnen in das BMI (491/J)


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18. Sitzung / Seite 9

Walter Schopf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Inserate über die „Wirklichkeit“ einer noch nicht vom Parlament beschlossenen und somit noch „unwirklichen“ Pensionsreform (492/J)

Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Wehrdienstleistung des Bundesministers für Finanzen (493/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend AKW Temelίn – mangelndes Engagement der Bundesregierung (494/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend AKW Temelίn – mangelndes Engagement der Bundesregierung (495/J)

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärti­ge Angelegenheiten betreffend AKW Temelίn – mangelndes Engagement der Bundes­regierung (496/J)

Karl Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Wien-Woche (497/J)

Walter Schopf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend passives Betriebsratswahlrecht (498/J)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Wahrung der baukulturellen Verantwortung des Bundes (456/J) (Zu 456/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen (258/AB zu 257/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen (259/AB zu 259/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen (260/AB zu 252/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (261/AB zu 253/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen (262/AB zu 276/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen (263/AB zu 263/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kol­leginnen und Kollegen (264/AB zu 314/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (265/AB zu 237/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Krist, Kol­leginnen und Kollegen (266/AB zu 274/J)


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18. Sitzung / Seite 10

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (267/AB zu 281/J)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (268/AB zu 293/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen (269/AB zu 230/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen (270/AB zu 295/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Barbara Prammer, Kolleginnen und Kollegen (271/AB zu 258/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Dobnigg, Kolleginnen und Kollegen (272/AB zu 227/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima, Kolleginnen und Kollegen (273/AB zu 145/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Luna­cek, Kolleginnen und Kollegen (274/AB zu 245/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (275/AB zu 287/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (276/AB zu 225/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen (277/AB zu 231/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolle­ginnen und Kollegen (278/AB zu 241/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen (279/AB zu 265/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Kollegin­nen und Kollegen (280/AB zu 268/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (281/AB zu 288/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (282/AB zu 233/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (283/AB zu 234/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen (284/AB zu 236/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen (285/AB zu 251/J)


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des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (286/AB zu 261/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Heidrun Walther, Kolleginnen und Kollegen (287/AB zu 264/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen (288/AB zu 271/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Erika Scharer, Kolleginnen und Kollegen (289/AB zu 275/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Gabriele Binder, Kolleginnen und Kollegen (290/AB zu 278/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Franz Eßl, Kolleginnen und Kollegen (291/AB zu 279/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (292/AB zu 238/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kol­legen (293/AB zu 240/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kollegen (294/AB zu 266/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulrike Lunacek, Kolle­ginnen und Kollegen (295/AB zu 249/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (296/AB zu 313/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Kolleginnen und Kollegen (297/AB zu 280/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kollegin­nen und Kollegen (298/AB zu 283/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (299/AB zu 289/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (300/AB zu 286/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (301/AB zu 292/J)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordne­ten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (302/AB zu 284/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (303/AB zu 290/J)


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des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (304/AB zu 304/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen (305/AB zu 296/J)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen (306/AB zu 300/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Gerhard Reheis, Kolleginnen und Kollegen (3/ABPR zu 3/JPR)



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Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter Präsident Dr. Heinz Fischer.

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich eröffne die 18. Sitzung des Nationalrates und be­grüße Sie, meine Damen und Herren, alle sehr herzlich.

Das Amtliche Protokoll der 17. Sitzung vom 23. Mai 2003 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Einem und Dipl.-Ing. Prinzhorn.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Ent­schließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner, wird durch Frau Bundesministerin Maria Rauch-Kallat vertreten.

Ankündigung einer Erklärung des Bundeskanzlers zum Thema „Das Angebot der Bundesregierung zur Pensionssicherung“

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Herr Bundeskanzler hat seine Absicht bekundet, zum Thema „Das Angebot der Bundesregierung zur Pensionssicherung“ eine Erklä­rung abzugeben.

Ferner gebe ich bekannt, dass ein Verlangen von fünf Abgeordneten vorliegt, über die­se Erklärung gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Debatte durchzuführen. Die Erklärung sowie die anschließende Debatte werden nach der Aktuellen Stunde durchgeführt.

Aktuelle Stunde

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde, deren Ge­genstand der sozialdemokratische Klub wie folgt formuliert hat:

„Reformschwindel der Bundesregierung statt gerechte Pensionsreform
für Österreich“

 

 


Als erste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Silhavy. Die Redezeit beträgt laut Geschäftsordnung 10 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.


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9.02

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bun­desminister! Frau Staatssekretärin! Wir haben für die Aktuelle Stunde den Titel „Re­formschwindel der Bundesregierung statt gerechte Pensionsreform für Österreich“ ge­wählt.

Eine gerechte Reform, Herr Vizekanzler, würde Folgendes bedeuten: eine langfristige Finanzierungssicherung des Pensionssystems, die Erhaltung des Lebensstandards auch im Alter und vor allem mehr Gerechtigkeit. Alle diese drei Punkte – und das wis­sen Sie, Herr Vizekanzler, denn immerhin stammt diese Reform ja aus Ihrem Haus – erfüllt diese Pensionsreform nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Glawisch­nig.)

In diesem Zusammenhang, Herr Vizekanzler, möchte ich Ihnen – weil Sie immer so tun, als ob Sie mit dieser Regierungsvorlage gar nichts zu tun hätten – in aller Klarheit eine Frage stellen, nämlich: Wie stehen Sie jetzt, unter dem nunmehrigen Aspekt, zum Thema Volksabstimmung über diese Pensionsreform? (Ironische Heiterkeit des Abg. Donabauer.) – Herr Vizekanzler, vielleicht können Sie uns diese Frage beantworten. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Vizekanzler! Diese Trickkiste – Reformschwindel statt tatsächliche Reform – ist ja nichts Neues: Schon in der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung hat man unter dem Titel „sozi­ale Treffsicherheit“ alle Grausamkeiten, die konservativen Köpfen entspringen können (Abg. Steibl: Das ist aber tief!), unter das Volk gebracht, veröffentlicht und diskutiert (Abg. Steibl: Das ist aber tief! – Abg. Scheibner: Das fängt ja „sehr gut“ an! – Abg. Steibl: Die Menschen haben bei der Wahl anders entschieden! Die wissen, was sie wollen!), man hat Ambulanzgebühren und Unfallrentenbesteuerungen eingeführt, hat die bisher höchste Abgabenquote geschaffen und hat dann gesagt: Wir haben ja ohnedies nicht alles gemacht! Wir haben nur einen Teil davon umgesetzt, das ist ja ohnedies sozial verträglich!

Genau in dieselbe Trickkiste, Herr Vizekanzler, greift diese Bundesregierung auch bei dieser Pensionsreform. Das ist unverschämt, und dafür sollten Sie sich eigentlich schämen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Vizekanzler! Diese ganze Sache ist eine Mogelpackung, sie ist unausgegoren, und sie kommt auch nicht zusammen ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete! Für das Wort „Mogelpackung“ ist in der vergangenen Legislaturperiode einem freiheitlichen Abgeordneten ein Ordnungs­ruf erteilt worden! (Abg. Scheibner: Das muss für alle gelten!) Ich tue das am Beginn der Sitzung nicht. Nur: Ich bitte alle Abgeordneten, diese Sitzung in einer würdigen Form durchzuführen! Wir haben uns darüber in der Präsidialkonferenz verständigt.

Frau Abgeordnete, ich bitte Sie, das Wort „Mogelpackung“ nicht mehr zu verwenden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Zurücknehmen!)

 


Abgeordnete Heidrun Silhavy (fortsetzend): Selbstverständlich, Herr Präsident. Ich nehme beziehungsweise ziehe den Ausdruck „Mogelpackung“ zurück.

Ich glaube, dass diese Bundesregierung eher in der Historie Anleihe genommen hat: Herr Vizekanzler, Sie erinnern sich wahrscheinlich an den Trojanischen Krieg. (Abg. Scheibner: Da kann er sich nicht daran erinnern, denn das ist schon länger her!) Dort hat man eine ganz einfache Finte angewendet: Man hat das Trojanische Pferd hinge­stellt. Mit diesem Trojanischen Pferd wollte man vortäuschen, dass man abzieht, dass man sich zurückzieht. Doch was hat man in Wirklichkeit gemacht? – Man hat sozusa­gen den Gegner – und offensichtlich ist die Bevölkerung Österreichs der Gegner dieser


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Bundesregierung – damit überlistet und über den Tisch gezogen. (Abg. Scheibner: Das hat aber mit dem Trojanischen Pferd sehr wenig zu tun! ... Geschichte lernen!)

Genau dasselbe machen Sie mit dieser Pensionsreform, meine Damen und Herren! Dessen sollten Sie sich bewusst sein, und das sollte man der Bevölkerung auch offen und deutlich sagen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Vizekanzler! Sie werden keinem Menschen erklären können, warum Sie auf der einen Seite durch Senkung der Steigerungsbeträge eine 11-prozentige Pensionskür­zung planen, durch die Verlängerung der Durchrechnungszeiten eine 3- bis 15- bis 20-prozentige Pensionskürzung – längerfristig – planen, durch die Abschläge weitere hö­here Verluste planen und durch das Aussetzen der Pensionsanpassung im ersten Jahr noch einmal Verluste planen – all das führt zu Verlusten, die weit über 20 Prozent lie­gen! – und dann auf der anderen Seite auf einmal sagen: Wir deckeln das ja alles mit 10 Prozent!

Das klingt ja sehr klasse, aber was heißt denn das? Ist diese Deckelung verfassungs­mäßig gewährleistet, und wenn ja, bis wann? Wie lange hält diese Deckelung? (Abg. Scheibner: Wollen Sie das ändern? Wollen Sie das wieder ändern?) Oder können Sie sie nächstes oder übernächstes Jahr mit einfacher Mehrheit wieder aufheben? Was garantieren Sie denn da, Herr Vizekanzler? – Nichts garantieren Sie! Das Ganze ist eine Luftblase und nicht mehr! (Beifall bei der SPÖ.)

Es handelt sich dabei wieder um genau so ein Versprechen an die Bevölkerung, wie es der Herr Bundeskanzler im Jahr 2000 abgegeben hat. Er hat damals gesagt: Mit dieser Reform haben wir jetzt die Pensionen langfristig gesichert. Jetzt brauchen wir nichts mehr zu tun. Wir brauchen keine Verschlechterungen hinzunehmen. Die Pensionen sind auch für die Zukunft gesichert, sie sind auch für die Jugend gesichert! – Jetzt ha­ben wir das Jahr 2003, drei Jahre später, oder nicht einmal, denn das ist ja eigentlich alles erst in Kraft getreten. Also in Wirklichkeit kann man von diesen Ihren Worten so gut wie nichts halten, weil sie in Wahrheit leere Versprechungen sind. Das muss man den Menschen sagen, und dagegen treten wir an! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, Herr Vizekanzler, ob sich die Mitglieder dieser Bundesregierung, ob sich zum Beispiel Herr Minister Bartenstein in einen durchschnittlichen Pensionisten verset­zen kann! – Jetzt wird er sagen, so alt ist er noch nicht, aber ich spreche jetzt nur die Einkommenssituation an, Herr Bundesminister. Ein durchschnittlicher Pensionist in Österreich hat ein Nettoeinkommen von 13 733 €. 13 733 € – das werden Sie sich nicht vorstellen können, dass man damit ein Jahr lang auskommen muss. Und diesen Menschen wollen Sie, ohne dass es Ihnen die Schamröte ins Gesicht treibt, noch min­destens zehn Prozent dieses Einkommens wegnehmen? – Herr Vizekanzler, dafür sollten Sie sich schämen! (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Bundesregierung, die immer so großartig behauptet, sie sei so familienfreundlich (Abg. Steibl: Das sind wir auch!), sagt: Liebe Frauen, geht in Teilzeit, denn dann könnt ihr Beruf und Familie vereinbaren! – Was tut denn diese Bundesregierung in der Pen­sionsreform für die Frauen, die wegen der Familie in Teilzeit gegangen sind? (Abg. Steibl: Sie werden es noch hören! Mehr als die SPÖ getan hat!) Sie bestrafen sie noch mit dieser Pensionsreform! Dafür sollten Sie sich schämen, Frau Kollegin Steibl! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Steibl, Sie brauchen gar nicht dazwischenzurufen, dadurch wird Ihre Poli­tik nicht besser. Sie bestrafen die Frauen dafür, dass sie etwas tun, was Sie von Ihnen verlangen. – Das ist eine Schande, ein Skandal, und dafür sollten Sie sich schämen! (Beifall bei der SPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Ihre Aufregung zeigt Ihr schlechtes Gewissen. (Abg. Scheibner: Wir sind nicht aufgeregt! Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!) Sie wissen selbst ganz genau: Was Sie da tun, ist sozial ungerecht, hat nichts mit Re­form zu tun und ist vor allem eine Gefährdung unserer Jugend! Die Jugend wird sich die Privatvorsorge nicht leisten können, die Jugend wird nichts davon haben, wenn es um Betriebspensionen geht. Sie sind nicht der, der ihre Zukunft garantiert – das kommt ja noch dazu, Herr Vizekanzler –, sondern die Jugend wird mehr zahlen müssen als bisher und weniger Pension bekommen. Ich bin Mutter und Großmutter, und ich habe Interesse daran, dass Kinder und Jugendliche auch in Zukunft ein gutes System und ein gesichertes System haben. Aber das, was Sie machen, gefährdet die Zukunft unse­rer Jugend. Das ist ein Skandal, und das ist eigentlich das, was zu verwerfen ist! (Abg. Scheibner: Mehr als „Skandal“ fällt Ihnen eh nicht ein bei dieser Rede!) Sie gaukeln der Jugend vor, etwas für sie sichern zu wollen, und in Wahrheit nehmen Sie ihr ihre Zukunftssicherung. Und dagegen wehren wir uns! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Eile, mit der Sie dieses Paket durchziehen und durch­drücken wollen, zeigt ganz genau, dass Ihnen nicht daran gelegen ist, für die Bevölke­rung etwas Gutes, etwas Zukunftssicherndes zu tun. Sie haben die Angebote der So­zialpartner abgelehnt. Sie haben die Angebote der Oppositionsparteien abgelehnt. Es geht Ihnen nicht um eine Gesamtreform, es geht Ihnen nicht um die Sicherung der Zu­kunft, es geht Ihnen auch nicht um die Harmonisierung der Pensionen, sondern: Ihnen geht es nur darum, jetzt, momentan, abzuzocken, und zwar bei jenen, bei denen Sie glauben, es am leichtesten machen zu können! Das ist der wahre Hintergrund Ihrer Eile! Das ist der wahre Hintergrund dafür, warum Sie das jetzt noch unbedingt durch­drücken wollen!

Sie hätten Zeit bis Herbst, meine Damen und Herren! Ja Sie hätten sogar noch länger Zeit, würden Sie es ernst, würden Sie es gerecht meinen, würden Sie die Zukunftssi­cherung im Auge haben, würden Sie es positiv im Sinne der Jugend meinen. Diese Zeit nehmen Sie sich aber nicht! Doch warum nehmen Sie sich diese Zeit nicht? (Zwi­schenruf des Abg. Wittauer.) – Weil Sie ganz genau wissen: Es ist eine ungerechte, eine unsoziale, einfach eine nicht gerechtfertigte Maßnahme! Dafür sollten Sie sich schämen! (Abg. Scheibner: Schon wieder!) Dafür wollen Sie sich hergeben und hier im Haus zustimmen? Sie sollten sich schämen, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scheib­ner: Bringen Sie Ihre Vorschläge! Sagen Sie, was Sie wollen!)

Herr Kollege, es ist kein Wunder, das Sie so hektisch werden. Wir haben unsere Vor­schläge auf den Tisch gelegt. Aber Sie sind nicht bereit, darüber zu diskutieren! (Abg. Scheibner: Ich will nur wissen, was Ihre Vorschläge sind!) Sie fabrizieren nur Luftbla­sen, geben leere Ankündigungen von sich. Es liegen keine Vorschläge von Ihnen im Hause auf. Wir können daher nicht beurteilen, was qualitativ hinter Ihren Worten steckt. Vermutlich sind es aber dieselben Vorankündigungen wie jene des Herrn Bundeskanz­lers bei der Pensionsreform im Jahr 2000. Wir können uns darauf nicht verlassen! Wir können uns nur darauf verlassen, dass diese Ankündigungen platzen! Das ist das Problem mit Ihrer Politik – und das ist das, was so verwerflich ist! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Schon wieder „verwerflich“! Sagen Sie einmal, was Ihre Vor­schläge sind!)

Lieber Herr Kollege, ich kann nichts dafür, dass Sie jetzt so hektisch werden! (Abg. Dr. Bleckmann: Sie sind hektisch!) Ich weiß schon, das schlechte Gewissen, das drückt Sie, das mag schon sein, aber Sie haben ja noch eine Wahlmöglichkeit: Sie müssen dem Ganzen nicht Ihre Zustimmung geben. (Abg. Scheibner: Wir würden Ihnen ja gerne zustimmen, aber wir wissen nicht, wozu!) Sie können uns hier im Ho­hen Haus die Chance lassen, tatsächlich Parlamentarismus zu betreiben, sodass wir


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tatsächlich darüber diskutieren können, was denn für die Menschen das Beste ist – und nicht was für Ihre Politik und für das Budget das Beste ist, sondern was für die Menschen in Österreich das Beste ist. Dafür nämlich sind wir angetreten, und dafür stehen wir SozialdemokratInnen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Sagen Sie, was Ihre Vorschläge sind!)

 


9.13

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich Herr Vize­kanzler und Bundesminister Mag. Haupt zu Wort gemeldet. Auch Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


9.13

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Fernsehschirmen! Hohes Haus! Jahrelang haben die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften längst notwendige Änderungen im Pensionssystem verschleppt. Schon im Jahre 1986 forderten der ehemalige SPÖ-Klubobmann und Obmann der Gewerkschaft der Metaller, Sepp Wille, sowie der Gene­raldirektor des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, Dra­gaschnig, in einer gemeinsamen Pressekonferenz die Harmonisierung der Pensions­systeme.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute das Jahr 2003! 18 Jahre sind seit jener Zeit vergangen, als Wille und Dragaschnig eine Harmonisierung der Pensions­system verlangt haben! Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie und von den Gewerkschaften, haben diese 18 Jahre ungenützt verstreichen lassen. So ist Ihr Reformwille! Deutlicher kann man das nicht sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Angesichts dessen, dass uns die Arbeiterkammer mit x falsch gerechneten Modellen (Widerspruch bei Abgeordneten der SPÖ) soziale Härte vorwirft, darf ich Sie, Herr Prä­sident Verzetnitsch, bitten, Ihre Beschlüsse im Präsidium des Österreichischen Ge­werkschaftsbundes zu überdenken, denn gestern haben mich Hunderte Menschen empört angerufen und haben sich beklagt, dass sie bei einem durchschnittlichen Kol­lektivvertragslohn von 10 € pro Stunde nur 7 € aus den übervollen Streikkassen des Gewerkschaftsbundes refundiert bekommen. Das bedeutet eine Streichung von 30 Prozent des Einkommen, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist die Gewerk­schaft, wie sie lebt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Scheibner: Das ist sozial?)

Ich habe mit meiner Initiative beim Herrn Bundespräsidenten sicherlich manche in den Reihen meines Koalitionspartners, der Österreichischen Volkspartei, irritiert. Aber ich habe damals das ehrliche Bemühen gehabt, den Dialog wieder anzuregen, in einen fairen Dialog einzutreten. Wir haben Stunden, ja ganze Nächte am „Runden Tisch“ zunächst beim Herrn Bundespräsidenten und dann im Bundeskanzleramt um eine ein­vernehmliche Mitarbeit der Sozialpartner bei der Pensionsreform gerungen. (Ruf bei der SPÖ: Scheinverhandlungen!) Nicht wir von der Bundesregierung, sehr geehrte Dame und Herren, haben den Verhandlungstisch verlassen, sondern während wir Ihnen unser Angebot noch schriftlich ausgefertigt haben, damit es auch klar und deut­lich nachlesbar und für Ihre Berechnungen nachvollziehbar wird, haben Sie bereits in den Vormittagsstunden den Streik ausgerufen, die Menschen auf die Straße und zum Streik gerufen. Das ist die Tatsache, sehr geehrte Damen und Herren! Den Dialog hat nicht die Bundesregierung verweigert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Puswald: Sie haben die Leute auf die Straße getrieben!)


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Ich fordere Sie heute so wie damals am „Runden Tisch“ auf: Arbeiten Sie mit! Machen Sie bei dieser Reform mit! Mein besonderes Anliegen heute und am „Runden Tisch“ war die neu geschaffene Regelung für Schwerarbeiter, damit diese auch in Zukunft vorzeitig in die Alterspension gehen können. (Abg. Dr. Puswald: Wo ist die Re­gelung?) Machen Sie von der Gewerkschaft mit, dass das, was derzeit legistisches Gerüst ist, nicht erst am 1. Jänner 2007, sondern, wenn möglich, schon mit 1. Jänner 2004 umgesetzt werden kann. Die Schwerarbeiter in Österreich haben sich das ver­dient. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Kein einziger Bauarbeiter kommt nämlich bis dato in den Genuss der Hackler-Rege­lung. Wir denken an die Menschen, die tatsächlich betroffen sind. Arbeiten Sie mit und zeigen Sie, dass Sie auf der Seite der Arbeitnehmer stehen und nicht einen politischen Streik zum Sturz dieser Bundesregierung vorhaben!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind jetzt in der Debatte im Parlament. Wir wer­den Ihnen, so wie wir es vereinbart haben, die entsprechenden Anträge 48 Stunden im Vorhinein übermitteln (Abg. Dr. Glawischnig: Das geht sich nicht mehr aus!), damit Sie das Ganze nachrechnen, beraten und auch in entsprechender Form evaluieren können. (Abg. Dr. Van der Bellen: 48 Stunden?!) – Entschuldigung, 24 Stunden!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden hier mehr politische Courtoisie zeigen, als Sie 1995 und 1997 der freiheitlichen Fraktion gegenüber gehabt haben, als die Sit­zungen des Sozialausschusses nachweislich unterbrochen werden mussten, weil sei­tenlange Abänderungsanträge erst direkt im Sozialausschuss eingebracht worden sind und nicht vorher übermittelt werden konnten. (Abg. Scheibner: Auch im Plenum!)

Ich darf Sie daran erinnern, dass ich als Dritter Präsident des Nationalrats zur frühen Morgenstunde die Plenarsitzung unterbrechen musste, weil das Antidumpinggesetz so unvollständig ausgearbeitet war, dass erst nach einer Unterbrechung der Sitzung von zwei Stunden allen Abgeordneten überhaupt der rechtsgültige Text übermittelt werden konnte!

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ! Das unterscheidet uns von Ihnen! Wir sind an einem fairen Dialog und an Nachvollziehbarkeit und Fairness bei der Gesetz­gebung interessiert. Wir werden Sie nicht überfahren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Da Sie immer in der Öffentlichkeit behaupten, diese Pensionsreform sei ein Husch-Pfusch und werde überstürzt, darf ich Sie darauf auf­merksam machen, dass Sie bereits im Jahre 1991 infolge einer Studie des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen, an denen auch die Arbeiterkammer und der Österreichi­sche Gewerkschaftsbund mitgearbeitet haben, genau gewusst haben (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch), dass Beitragserhöhungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer, dass Beitragserhöhungen für den Wirtschaftsstandort Österreich das Schlech­teste sind!

Warum haben Sie daher vor Wochen zur Erhöhung des Spielraumes ausschließlich Beitragserhöhungen verlangt und keine anderen konkreten Vorschläge gemacht? (Abg. Parnigoni: Schreien Sie alle nieder! ... Schreihals!)

Ich fordere Sie auf: Machen Sie in den Ausschüssen endlich konkrete Abänderungs­vorschläge im Interesse der Österreicher und für eine langfristige Sicherung der Pensi­onen, aber keine Wahlzuckerln! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Damit könnten Sie beweisen, dass Sie gelernt haben, dass 80 Prozent der Österreicher dar­an interessiert sind, eine Pensionsreform zur Sicherung der Pensionen für alle Bevöl­kerungsgruppen und für alle Generationen zu bekommen, und nicht daran, einige we-


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nige Privi­legierte besonders zu bevorzugen. (Abg. Dr. Rada: Überfordert! Einfach über­fordert!)

Sehr geehrte Frau Kollegin Silhavy! Sie haben die Situation der Frauen angesprochen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass namhafte Gewerkschafter schon vor 15 Jahren gemeint haben, dass es – nachzulesen in den österreichischen Medien – bei den Frauen zwei Gruppen gibt, nämlich jene, die durch das vorgezogene Pensionsan­trittsalter, das gesetzlich fixiert ist und an dem niemand rühren will, privilegiert sind, sowie jene, die auch Familienleistungen erbringen und dadurch benachteiligt sind. (Abg. Mag. Trunk: Zeigen Sie uns privilegierte Frauen! Zeigen Sie sie uns!)

Erst 1995 haben Sie begonnen, die Familienleistungen langsam anzuerkennen. Diese Bundesregierung wird die Familienleistungen in einem Ausmaß anerkennen, wie es in der Zweiten Republik noch nie da war, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn Sie meinen, dass die Verbesserung der Berechnungsbasis um 2 Prozent jährlich in den nächsten 15 Jahren, die Erhöhung von derzeit 100 Prozent des Ausgleichs­zulagenrichtsatzes auf den Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepaare ungenügend wä­re, so darf ich darauf hinweisen, dass wir auch aus diesem Grund den Ausgleichszula­genrichtsatz für Ehepaare auf 1 000 € erhöhen werden. – Das ist die nächste exorbi­tante Er­höhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes, und zwar in einer Höhe, wie sie unter den Sozialdemokraten nicht stattgefunden hat. Wir haben heuer schon 7 Prozent erhöht, und wir werden jetzt noch ein zweites Mal, auf 1 000 €, erhöhen. Das haben Sie von den Sozialdemokraten nie zuwege gebracht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! In den Verhandlungen haben sowohl Arbeiterkam­mer als auch Gewerkschaftsbund gemeint, dass Härtefonds-Regelungen keine Ange­legenheit ihres Interesses sind. Daher werden wir einen Härtefonds in der Höhe von 10 Millionen € im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsu­mentenschutz einrichten, damit alle Arbeitnehmer, die 35 Beitragsjahre und 40 Ver­sicherungsjahre haben und durch die Pensionsreform mehr als 3 Prozent verlie­ren, eine Entschädigung bekommen, damit sich für die Bezieher kleiner Ein­kommen unter 1 000 € die Verluste in Grenzen halten. – Etwas, das wir gefordert ha­ben, setzen wir damit auch um, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemo­kratie! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Wenn Sie den Härtefonds in den von Ihnen ge­führten Trägern nicht haben wollen, werden meine Beamten für so­ziale Gerechtigkeit sorgen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben Tag für Tag hart gerungen (Zwischenrufe bei der SPÖ – Abg. Dr. Jarolim: Mäßigen Sie sich!), wir haben das Begutachtungsver­fahren ernst genommen. Frau Kollegin Lapp, Sie haben mir vorgeworfen, ich wäre im Zusammenhang mit den 1 000 € für die behinderten Menschen umgefallen. Ich bin nicht umgefallen, sondern ich habe die im Rahmen des Begutachtungsverfahrens ge­machten Stellungnahmen durchgelesen: eine Reihe von Bundesländern, auch sozial­demokratisch geführte Bundesländer, waren dagegen und haben mir sogar den Kon­sultationsmechanismus angedroht. Daher werde ich die 10 Millionen € für die Angehö­rigen, die ihre Behinderten der Pflegestufen 4 bis 7 zu Hause pflegen, verwenden.

Ich bin also nicht umgefallen, sondern die Zielgruppe wird (Zwischenrufe bei der SPÖ) – unabhängig vom Konsultationsmechanismus – das Geld bekommen, das ihr die Bundesregierung zugemittelt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Alle Österreicher wissen, dass diese Pensionsreform nicht dazu dient, Wahlzuckerl und Geschenke zu verteilen, sondern dass die Zeiten ernst sind (Rufe bei der SPÖ: Aufhören! Redezeit!), dass die wirtschaftlichen Rahmen­bedingungen ernst sind und dass wir nicht mehr wie im Jahre 1973 volle Staatskassen


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haben (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen), sondern durch Ihre Politik leider verschuldete Staatskassen und dass wir daher nicht mehr die Spendierhosen anhaben können. (Abg. Schieder: Herr Präsident! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es wird daher eines besonderen Augenmaßes bedürfen, um die Absicherung des So­zialsystems auf dem hohen österreichischen Niveau zu garantieren. Ich garantiere den Österreichern: Wir werden das in dieser Koalitionsregierung schaffen, und das ist gut so! (Lang anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


9.24

Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Die Zwischenrufe aus den Reihen der Opposition betreffend die Redezeit darf ich mit dem Hinweis auf die Ge­schäftsordnung beantworten: Die Redezeit des Regierungsmitgliedes soll 10 Minuten nicht überschreiten. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Es kann daher auch länger reden. Ich habe aber mit dem Glockenzeichen darauf hingewiesen.

Ab jetzt gilt eine Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.

Herr Abgeordneter Mag. Tancsits, Sie gelangen nun zu Wort. (Abg. Silhavy: Herr Vi­zekanzler! Was ist mit der Volksabstimmung? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


9.24

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretär! Meine Herren Minister! Hohes Haus! Die SPÖ hat als Bezeich­nung für diese Aktuelle Stunde „Reformschwindel ... statt gerechte Pensionsreform ...“ gewählt. (Abg. Parnigoni: Sie nehmen den Bürgerinnen und Bürgern das Geld aus der Tasche, Herr Tancsits!) Ich halte dazu fest: Ein Teil dieses Hauses ringt – und macht es sich nicht leicht – um eine gerechte Pensionsreform, die den Österreicherinnen und Öster­reichern eine Zukunft gibt, und ein Teil dieses Hauses bezeichnet dies als „Re­formschwindel“ (Zwischenrufe bei der SPÖ), ohne sich in Wirklichkeit mit den Dingen auseinander zu setzen. Ich weise dies namens meiner Fraktion mit aller Deutlichkeit zurück! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie, meine Damen und Herren, ob diese Bezeichnung, die ich gar nicht wie­derholen will, nicht viel eher auf eine andere Vorgangsweise zutrifft: nämlich dass man, wissend, was notwendig ist, nämlich eine Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsal­ters, eine Ausweitung der Durchrechnung – das erste Mal im Jahr 1991 von den Sozi­alpartnern festgestellt –, den Menschen Briefe schreibt, wie Ihr ehemaliger Parteiob­mann Vranitzky, in welchen steht, dass es genügt, die SPÖ zu wählen, um die Pensio­nen zu sichern. Ist nicht viel eher das die Unwahrheit und ein Beschwindeln der Men­schen als das Ringen um eine gerechte Pensionsreform? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es hat eine Pensionsreformkommission, von der Bundesre­gierung eingesetzt, zwischen 2000 und 2002 getagt, und zwar mit Beteiligung der So­zialpartner und aller wesentlichen Verbände (Zwischenruf der Abg. Silhavy), um sich dann vor der Präsentation der Ergebnisse zu drücken. Ist nicht eher das, den Men­schen die Unwahrheit zu sagen und jene im Regen stehen zu lassen, die um eine ge­rechte Pensionsreform, die Zukunft gibt, ringen?

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie weiters (Abg. Mag. Posch: Können Sie das wiederholen, ich habe nicht verstanden, was Sie gesagt haben! – Weitere Zwischenru­fe bei der SPÖ): Ist es nicht eher eine Reformunwahrheit, wenn man in der Öffentlich­keit sagt, durch diese Pensionsreform würden für die Menschen 30, 40 Prozent ihrer Pensionsleistung abstürzen, und gleichzeitig im Fernsehen erklärt (Abg. Mag. Pram­mer: Ma­chen Sie keine Kindesweglegung!), der 10-Prozent-Deckel sei gar nicht not­wendig – für die Zuseherinnen und Zuseher: also die Verlustbegrenzung ist gar nicht


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notwendig (Abg. Dr. Puswald: Die gibt es ja nicht! – Abg. Eder: Wo steht denn die?) –, das bräuchten wir gar nicht, oder sie sei zu hoch oder zu wenig, und wenn man gleich­zeitig heute etwa in der „Kärntner Woche“ inseriert: Frau Nationalrats­abgeordnete Scheucher – eine Kollegin meiner Fraktion –, warum wollen Sie den Kla­genfurtern bis zu 40 Prozent ihrer Pension wegnehmen? (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig.)

Für wen gilt jetzt die Bewertung, dass er für eine gerechte Pensionsreform eintritt, und wer begeht hier einen Reformschwindel? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

Wenn Sie die Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich aufklären wollen, dann sagen Sie Ihnen doch (Abg. Hagenhofer: Das ist ja Ihre Aufgabe!), dass das Heran­führen an das gesetzliche Pensionsalter, 65/60, nicht schlagartig erfolgt, sondern bis zum Jahr 2017, sagen Sie ihnen doch, dass niemand mehr als 10 Prozent seiner Pen­sion verlieren kann (Rufe bei der SPÖ: Was ja nicht stimmt!), und sagen Sie ihnen doch, dass die Sozialpartner in die Verhandlungen voll eingebunden waren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich denke, dass sich dieser Titel der Aktuellen Stunde selbst ad absurdum führt. Hier sitzen jene Abgeordneten – und wir haben es uns nicht leicht gemacht (Abg. Silhavy: Das hat man im Budgetausschuss gemerkt! Kein einzi­ger An­trag ist da!) –, die eine gerechte Pensionsreform erarbeiten wollen und darüber ab­stimmen wollen.

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben Ihre Vorgangsweise besser beschrieben, als man sie selbst hier darstellen könnte: nämlich den Menschen nicht die Wahrheit, sondern die Unwahrheit zu erzählen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Bu­res. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


9.30

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Der Herr Vizekanzler ist momentan abhanden gekommen. Herr Kollege Tancsits, Sie haben es sich leider sehr leicht gemacht. Das ist genau der Vor­wurf, den man Ihnen machen muss. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass Sie davon ge­sprochen haben, dass eine Pensionsreformkommission über Jahre getagt hat, und ich möchte Ihnen in Erinnerung rufen, was die Experten in dieser Pensionsreform­kommission gesagt haben, nachdem sie Ihren Entwurf gesehen haben. Sie haben ge­sagt: All das, was wir drei Jahre diskutiert haben, all das, was wir vorgeschlagen ha­ben, findet sich in diesem Entwurf der Bundesregierung nicht. – Dieser Entwurf hat also nichts mit den Vorschlägen der Pensionsreformkommission zu tun! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Herr Vizekanzler und der Herr Bundeskanzler beziehungsweise diese Regierung versucht seit Wo­chen, mit immer neuen Worthülsen – heute hat der Herr Vizekanzler das sehr lautstark bis fast brüllend getan (Abg. Steibl: Also so eine Frechheit! – Abg. Scheibner: Was ist denn das jetzt? – Abg. Mag. Mainoni: Und das bei Ihrem Or­gan!) – irgendwie den Ein­druck zu erwecken, dass es sich bei ihrem Konzept um kein unsoziales Pensionskür­zungskonzept handelt. Sie versuchen immer wieder den Ein­druck zu erwecken, die Reform doch etwas entschärfen zu wollen. Sie selbst haben gesagt, Ihr Entwurf habe Giftzäh­ne, die man ziehen werde. Tatsache ist, dass sich nach drei Ankündigungen in der Substanz, im Kern, am unsozialen Charakter Ihrer Reformvorschläge in Wirklichkeit nichts geändert hat. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich denke, wenn gestern über 1 Million Menschen in 18 000 Betrieben in Österreich gegen Ihr Modell protestiert hat, dann sind ein bisschen Nachdenklichkeit und Demut angebracht – und nicht Arroganz, mit der man diesen Menschen begegnet! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diese eine Million Menschen, die gestern protestiert hat (Abg. Mag. Mainoni: Es sind alle hinzugerechnet worden, auch die Badegäste!), steht nämlich stellvertretend für Tausende Menschen, die Sorgen um ihre Pension haben, weil Sie einen ungerechten Entwurf vorlegen. Aber für die Sorgen dieser Menschen haben Sie ja kein Ohr (Abg. Scheibner: Sie!), die Sorgen und Anliegen der Menschen sind Ihnen völlig egal, über die sind Sie schon in der letzten Legislaturperiode hinweggefahren, und Sie scheinen das in dieser fortzusetzen. (Abg. Großruck: Hören Sie einmal auf mit diesem Schmäh! So ein Wahnsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wissen Sie, was das Traurige daran ist? Sie sind auch noch stolz darauf. Sie sind stolz darauf, dass Sie über die Bevölkerung drüberfahren, dass Ihnen die Anliegen und Probleme völlig egal sind, und nennen das den neuen Weg einer Konfliktdemokratie. Aber wissen Sie, was das bedeutet, dass Sie seit Wochen in Wirklichkeit gegen die Menschen in diesem Land, gegen die Bevölkerung regieren, dass Sie gegen die Sozi­al­partnerschaft regieren (Beifall bei der SPÖ), dass Sie gegen die kritische Öffentlich­keit regieren? Sie setzen damit den sozialen Frieden und den sozialen Zusammenhalt in Österreich aufs Spiel, und das ist traurig, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Zu der von Ihnen viel gepriesenen Deckelung: Sagen Sie doch, was diese „tolle“ De­ckelung ganz konkret bedeutet! Einer Frau mit einer durchschnittlichen Pension von 650 € – und das ist die durchschnittliche Frauenpension – nehmen Sie mehr als 75 € im Monat weg! Das sind mehr als 1 000 S! (Abg. Großruck: Wer sagt das? – Abg. Scheibner: Das ist falsch! Das ist genau diese Angstmache, die Sie betreiben!) Das sind eineinhalb Monatsbezüge. Das ist so, wie wenn Sie den 13. Monatsbezug und den halben 14. streichen würden. Das sind die Auswirkungen Ihres Systems! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso schreien Sie denn so? Zuerst hat Herr Kollege Posch gesagt, wer schreit, ist im Un­recht! Da müssen Sie ordentlich Unrecht haben!)

Weil der Herr Vizekanzler sozusagen den Appell an uns gerichtet hat, dass man Abän­derungsanträge einbringen soll: Bei diesem Stückwerk, diesem unsozialen Stückwerk, das Sie präsentiert haben, sind keine Abänderungsanträge einzubringen, sondern es ist ein faires Modell umzusetzen! Die SPÖ hat ein Fairness-Modell präsentiert (Abg. Scheibner: Wo ist dieses Modell? – Vizekanzler Mag. Haupt: Ja wo denn? Wo denn? – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), das dazu führt, dass die Pensionen langfristig gesichert sind, das dazu führt, dass der Lebensstandard gesichert ist, das dazu führt, dass es mehr Gerechtigkeit und eine wirkliche Harmoni­sierung des Pensionssystems gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen, dass die Harmonisierung bereits nächstes Jahr beginnt – und nicht 2034, wo der Herr Vizekanzler fast 90 Jahre alt ist. Da wollen Sie dann erst beginnen. Das ist ein ungerechtes System!

 


Außerdem: Wir fordern einen Solidarbeitrag. Es wird Verlierer geben, aber Verlierer sollen jene sein, die hohe Pensionen haben. Wir fordern einen Solidar­beitrag von je­nen, die über 2 000 € Pension beziehen. Diese Gruppe soll einen Soli­darbeitrag leis­ten – und nicht die kleinen Pensionsbezieher, nicht die Frauen und nicht die Jungen unter 35 sollen vor existentielle Probleme gestellt werden. (Abg. Großruck: Auch der Herr Blecha! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schreien Sie doch nicht so!)


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Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete! Ihre Redezeit ist aus. Einen Schlusssatz bitte ich Sie noch zu formulieren.

 


Abgeordnete Doris Bures (fortsetzend): Einer unsozialen Reform zu Lasten der klei­nen Pensionsbezieher, der Frauen und der Jungen wird die Sozialdemokratie nicht die Zustimmung geben. Wir haben ein Fairness-Modell, das sozial gerecht ist. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Wo? Wo? Wo?)

 


9.36

Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Walch. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


9.36

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Wertes Präsidium! Werte Damen und Herren! Werte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Es ist schon interessant, wenn sich Frau Kollegin Silhavy herausstellt und derart nega­tive Sachen über die Pensionsreform behauptet. Ich glaube, sie redet von Deutschland und nicht von Österreich, denn anscheinend kennt sie das diesbezügliche Papier in Österreich nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Kollegin Silhavy, ich kann Ihnen nur eines sagen – und das ärgert mich beson­ders als Arbeitnehmervertreter, denn Sie sind ja auch Mitglied der Gewerkschaft oder einmal Gewerkschaftsangestellte gewesen oder Bezugsempfängerin –: Ihre Aufgabe wäre es auch gewesen, dass Sie mithelfen, das abzustellen, was Sie in den letzten dreißig Jahren bei den Pensionen aufgeführt haben, indem Sie nämlich drei verschie­dene Systeme mit Privilegierten und nicht Privilegierten geschaffen haben.

Aber Sie haben statt dessen die Mitarbeit verweigert, und daher muss ich Ihnen an die­ser Stelle wirklich sagen: Sie haben kein Recht, hier Kritik zu üben! Sie haben keine Vorschläge eingebracht, daher haben Sie auch kein Recht, Kritik zu üben. (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Was derzeit von Seiten der Opposition beziehungsweise des ÖGB passiert, der eigent­lich die Arbeit der Sozialdemokraten macht, ist unverantwortlich: Die Bevölkerung wird total verunsichert, und es werden keine Vorschläge eingebracht. Es wird behauptet, dass in bestehende Pensionen eingegriffen wird. Das stimmt nicht! Den 2 Millionen Pensionisten in Österreich passiert überhaupt nichts, in keiner Art und Weise! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Traurig ist nur eines: dass unser Vizekanzler hergegangen ist und versucht hat, die Sozialpartner zu Verhandlungen einzuladen. Das ist zunächst nicht gelungen, weshalb er sogar zum Bundespräsidenten hat gehen müssen und ihn gebeten hat, dass er euch zur Pflicht ruft und sagt: Kommt her, ihr seid mit verantwortlich und müsst mitarbeiten! Doch was habt ihr dann dort gemacht? Außer Kritik zu üben und die Forderung zu er­he­ben, die Beiträge zu erhöhen, ist nichts herausgekommen.

Ich kann nur eines sagen: Ich bin überglücklich, dass wir so einen Vizekanzler und Sozialmi­nister haben, der durch seine Tatkraft und durch seine guten Ideen jetzt eine gerechte Pensionsreform für alle zustande gebracht hat, die sowohl die bereits beste­henden Pensionen als auch jene für die Jugendlichen sichert.

Das Wichtigste ist: Die SPÖ hätte die vorzeitige Alterspension wahrscheinlich schon 2007 abgeschafft, wenn sie an der Regierung wäre. Wir haben eine Übergangsrege­lung bis 2017 vorgesehen. Die Absenkung der Steigerungsbeträge, bezüglich welcher ihr in der Öffentlichkeit verbreitet habt, dass diese sofort durchgeführt wird, wird in Fünf­jahresschritten vollzogen! Ebenso verhält es sich mit der Verlängerung des Durch­rech­nungszeitraumes: Erst in 25 Jahren gibt es einen Durchrechnungszeitraum von 40 Jahren!


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Das „Schönste“ ist die Horrormeldung, dass der Bevölkerung bis zu 50 Prozent der Pension weggenommen werden. Das ist eine Blamage für euch, muss ich sagen, weil es derzeit 3 beziehungsweise höchstens 8 Prozent sind, und es wird vielleicht einmal Richtung 10 Prozent gehen.

Bitte bleibt bei der Wahrheit und verunsichert die Bevölkerung nicht so! Es ist unver­antwortlich, was in dieser Sache die Sozialpartner machen beziehungsweise der Ge­werkschafts­bund mit den Mitgliedern macht – und die Sozialdemokraten ohnehin.

Die Gesamtdeckelung wird nicht mehr als 10 Prozent ausmachen. Was mich als Be­triebsrat einer Baufirma ganz besonders freut: dass wir ein neues Modell der vorzeiti­gen Alterspension in Österreich schaffen, wonach Arbeitnehmer wieder mit dem 60. Lebensjahr – nicht mit 61,5, wie Sie es beschlossen haben, sondern mit dem 60. Lebensjahr! – und Frauen mit dem 55. Lebensjahr in Pension gehen können. Das sind echte Reformvorschläge! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber hört gut zu, denn bei uns könnt ihr etwas lernen! (Heiterkeit und Beifall bei Abge­ordneten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was den Durchrechnungszeitraum angeht, ist es auch nicht so, wie eine Vorrednerin gemeint hat: dass die Frauen bestraft werden. Ihr habt die Frauen bestraft, als ihr das Karenzgeld vor zwei Jahren auf eineinhalb Jahre reduziert habt; wir haben es wieder auf zweieinhalb Jahre hinaufgesetzt.

Was wird noch verändert? – Die Altersteilzeit wird es unbegrenzt geben, und es ist nicht so, wie es seinerzeit die Sozialdemokraten beschlossen haben: dass es in Öster­reich ein Arbeitslosengeld von nur 52 Wochen gibt, von einem Jahr also, oder wenn man über 59 Jahre alt ist, von 78 Wochen. Wenn die Altersteilzeit ausläuft und der/die Betreffende noch keinen Anspruch auf eine Pension hat, wird es ein Altersübergangs­geld geben – aber nicht nur das Arbeitslosengeld, sondern Arbeitslosengeld plus 25 Prozent! – Das sind Leistungen unseres Vizekanzlers! (Beifall bei den Freiheitli­chen. – Rufe bei der SPÖ: Redezeit!)

Für den Anspruch auf Ausbildung und Wieder- ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Herr Kollege, den Schlusssatz bitte!

 


Abgeordneter Maximilian Walch (fortsetzend): Das sind Pensionsreformen, wie man sie sich vorstellt, und das ist Gerechtigkeit.

Ein Wort noch, bitte, Herr Präsident, wenn Sie es mir erlauben: Ich habe ein Pa­pier der Sozialdemokraten und der Grünen ...

9.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es geht leider nicht mehr, Herr Abgeordneter. Viel­leicht kann ein Kollege von Ihnen das vortragen.

(Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP für den das Rednerpult verlassenden Abg. Walch.)

Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte, Frau Ab­geordnete.

 


9.42

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Vizekanzler! Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich verstehe, dass Sie heu­te nervös und angespannt sind, Herr Vizekanzler (Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP) – ich wäre auch nervös und angespannt, wenn ich solch eine Pensions-


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reform präsentieren müsste –, aber ich halte es für ein Armutszeugnis: Anstatt hier inhaltlich zu argumentieren, warum die FPÖ dieser Pensionsreform nun doch ihre Zu­stimmung gegeben hat, fällt Ihnen nichts anderes ein, als die Gewerkschaften zu kriti­sieren – und damit die 1 Million Menschen schlecht zu machen, die gestern für eine gerechte Pensionsreform demonstriert haben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Um ein wenig bei der Geschichtstatsachen-Berichtigung zu bleiben: Es sind nicht der ÖGB und die Gewerkschaften, die hier Verunsicherung betreiben, sondern es wa­ren verantwortliche Politiker in den vergangenen Jahren, die maßgeblich versucht ha­ben, der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. Ich möchte in diesem Zusam­menhang ein paar Zitate bringen.

1997 hat der jetzige Bundeskanzler im Rahmen einer Pensionsreform von einer „Jahr­tausendreform“ gesprochen (Abg. Großruck: Das war 1997 bis 2000! Da hat er Recht gehabt!), und er hat sich festgelegt, dass die nächsten 20 Jahre nichts notwendig sein wird.

Im Jahr 2000 hat es wieder eine so genannte „Jahrhundertreform“ gegeben, bereits mit Beteiligung der FPÖ. Auch damals hat es geheißen, für die nächsten Jahre sei nichts notwendig.

Die damalige Generalsekretärin der ÖVP und jetzige Frauenministerin hat vor der Wahl gesagt: Wir denken nicht an die Abschaffung der Frühpension.

Da frage ich Sie schon: Wer verunsichert denn hier die Menschen? Wer streut ihnen denn Sand in die Augen? Wer hat denn hier nicht die Wahrheit gesagt? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich habe erwartet, dass es hier einige inhaltliche Präsentationen geben wird (Abg. Großruck: Die kommen! Der Bundeskanzler wird sie bringen!), eine Rechtfertigung, warum dieser Pensionsreform zugestimmt wird. Ich habe aber bis jetzt nichts als Flos­keln gehört, nämlich: Leistungsfähigkeit des Systems stärken, und immer wieder – im­mer wieder! – ist vom Vertrauen der jungen Menschen die Rede, das aufrechterhalten werden muss. (Abg. Scheibner: Da sind wir gespannt auf Ihr Modell! Das werden wir ja jetzt hören!)

Ich möchte Sie fragen, Herr Vizekanzler: Finden Sie es eigentlich gerecht, finden Sie es sozial ausgewogen und finden Sie es intelligent, dass Menschen, die in Bildung investieren, dass junge Leute, die sehr viel Zeit auf den Universitäten verbringen, Qua­lifikationsmaßnahmen machen, bestraft werden durch die Pensionsreform? (Abg. Dr. Fekter: Genau die schützen wir!) Finden Sie das gerecht und sozial ausgewogen? Finden Sie es ausgewogen, dass Studierende, die, um sich die Studiengebühren leis­ten zu können, bereits jetzt schon immer öfter daneben arbeiten müssen und dadurch Nachteile für ihre Pension haben werden? Finden Sie es gerecht, dass Menschen in meinem Alter und jünger, Menschen, die 34 und jünger sind, mit Verlustabschlägen bis zu 40 Prozent rechnen müssen? (Abg. Scheibner: Schon wieder diese Falschmeldun­gen!) Ist das eine Pensionsreform, die die Jungen in irgendeiner Form in ihrem Ver­trauen in die staatliche Pensionsvorsorge stärkt, Herr Vizekanzler? – Dazu haben Sie nichts gesagt!

Folgendes möchte ich Sie auch fragen: Finden Sie es gerecht, finden Sie es grund­sätzlich gerecht, dass man Menschen, dass man Frauen, die 681 € Pension bekom­men, überhaupt 1 Prozent wegnimmt? – Sie wollen 10 Prozent wegnehmen und ver­teidigen das als großartigen Erfolg! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich frage Sie: „Nur“ 1 Prozent – aber ist das sozial gerecht und ausgewogen?


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Tatsache ist, dass die Jüngeren – und damit meine ich Menschen, die 1968, 1969 ge­boren sind und die jünger sind – ein Fiasko im Pensionsalter erwartet. Tatsache ist auch, dass alle Menschen, die sich weiterbilden, in der Zukunft regelrecht dafür be­straft werden. Tatsache ist auch, dass viele junge Menschen, die unterbrochene Er­werbsbiogra­phien haben, die vielleicht bis Ende 20 noch keinen Job haben, noch keine fixe Berufs­anstellung haben, die in unselbständigen, die in ... (Abg. Großruck: Haben Sie schon einmal etwas von demographischen Daten gehört? Wenn es jetzt keine Re­form gibt, bekommen sie überhaupt keine Pension!)

Hören Sie einmal auf junge Leute! Lassen Sie sich einmal einklären, wie es denen geht! Hören Sie sich einmal an, wie jetzt Erwerbsbiographien ausschauen, wie schwer es ist, überhaupt bis 30 eine fixe Anstellung zu bekommen!

Diese jungen Menschen bestrafen Sie alle, und Sie bestrafen vor allem die Wissen­schaftler und die Studierenden und alle, die sich bemühen, das Know-how in Öster­reich anzusammeln und zu bereichern und zu stärken. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich möchte an die weiblichen Abgeordneten hier noch einen Appell richten. In einer Umfrage haben 80 Prozent der befragten Frauen zum Ausdruck gebracht, dass sie sich von den weiblichen Abgeordneten im Parlament wünschen, dass diese gegen diese Pensionsreform stimmen. – Ich habe keine Neuerungen gehört, die die Frauen in irgendeiner Weise besser stellen. 80 Prozent der Frauen fordern Sie als weibliche Ab­geordnete auf: Stimmen Sie gegen diese Pensionsreform!

Ich glaube, dass eine Frauenministerin, die vor der Wahl etwas anderes sagt als da­nach und die sich dazu hinreißen lässt, ausschließlich Parteiinteressen zu verteidigen und nicht die Interessen der Frauen, abgedankt hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

9.47

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Steibl. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


9.47

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatsse­kretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eingangs gleich zur SPÖ und zu den ewigen Vorwürfen unter dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde.

Alle Arbeits- und Sozialrechtsexperten, wie Marin, Rürup, Tomandl, Marholt oder Mat­zolt (Rufe bei der SPÖ: Mazal!), um nur einige zu nennen, ha­ben bestätigt, dass eine Pensionssicherungsreform dringend notwendig ist – dringend notwendig ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Auch seitens der EU wurden wir aufgefordert, im Pensionesbereich Maßnahmen zu setzen. Bereits 1991 – das wurde von meinem Kollegen Walter Tancsits heute schon erwähnt – haben die Sozialpartner in einer Beiratsstudie genau das empfohlen, was jetzt von der Regie­rung vorgeschlagen wurde. Ich möchte hier nur drei Punkte nennen: Anrechnung der Kindererziehungszeiten ... (Abg. Silhavy: ...! Ihr habt die Unwahrheit gesagt!)

Kollegin Silhavy! Lesen – denken – sprechen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Freiheitlichen.)

Anrechnung der Kindererziehungszeiten, Ausweitung der Durchrechnungszeiten und ein langes Auslaufen der Frühpension: Darum geht es! Drei Jahre hat die Pensionsre­formkom­mission unter dem Vorsitz von Professor Tomandl beraten – unter Einbindung der So­zialpartner. (Abg. Silhavy: Sie haben die Beiratsstudie nie gelesen!)


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18. Sitzung / Seite 27

Sehr geehrte Damen und Herren! Zukunft braucht Verantwortung, und wir von der ÖVP und der FPÖ haben gezeigt, was Parlamentarismus ist: In einem Land der geleb­ten Solidarität, wie Österreich, wird am Verhandlungstisch gearbeitet. (Abg. Öllinger: Im Parlament? Das stimmt ja nicht!) Es ist für mich klar – ich betone: es ist für mich klar! –, dass Sie versuchen, diese parlamentarische Demokratie durch Streiks auf der Straße zu untergraben. Aber das wird Ihnen nicht gelingen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Viele europäische Länder haben es längst geschafft; schauen Sie einmal nach Skandinavien – warum werden diese Länder immer wieder von Ihnen genannt? – oder auch in andere Länder!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verschleierungs- und Verwässerungspolitik der SPÖ wie der Grünen kennen wir schon von der Pensionsreform 1997/2000. Damals haben sie auch versucht, dagegen zu arbeiten, und haben nicht mitgearbeitet. Von Ihnen wird alles versprochen, aber die anderen sollen es bezahlen. Sie wissen ganz genau ... (Abg. Silhavy: Bei den Arbeitslosen zum Beispiel, bei den Abfangjägern!)

Liebe Frau Kollegin von der SPÖ! Sie wissen nicht, was Sie wollen!

Ich zitiere nur einige Aussagen des SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer.

17. Jänner 2003, „Kurier“: „Der SPÖ-Chef bekennt sich dazu, die Frühpensionen aus­laufen zu lassen ...“  – Was ist das? (Abg. Mag. Trunk: Warum zittern Sie so?)

30. Jänner 2003, „Oberösterreichische Nachrichten“: „Die erste Frage, die wir außer Streit gestellt haben, ist, dass aus dem Titel steigender Pensionsaufwand bis zu 2006 1 Milliarde € kommen soll.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr brauche ich, wie ich meine, nicht dazu zu sa­gen. Im Prinzip stehen also alle hinter dieser Pensionssicherungsreform. Oder? Wie sehen Sie das?

Wir von der Regierung – jetzt komme ich zu einem äußerst wichtigen Punkt – haben für Familien mehr getan als alle anderen Regierungen davor. Wir haben positive Maß­nahmen gesetzt, die sich sehen lassen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen. – Abg. Mag. Wurm: Wo sind die Kindergartenplätze?)

Ich zähle auf: In puncto Kinder- und Familienfreundlichkeit kann uns niemand etwas nachsagen, auch Sie von der Opposition nicht. Bei Mehrlingsgeburten erhält die Mutter 50 Prozent mehr an Kinderbetreuungsgeld. Pro Kind gibt es vier Jahre Ersatzzeiten. Pro Kind werden drei volle Jahre aus der Durchrechnungszeit herausgenommen. Das gilt auch für die Familienhospiz-Karenz. Pro Kind in Zukunft zwei volle Jahre Beitrags­zeit. (Abg. Mag. Trunk: Aus welcher Vorlage lesen Sie denn jetzt?) – Bitte zuhören! – Die Bemessungsgrundlagen für die Kindererziehungszeiten werden in zweiprozentigen Steigerungsraten auf 150 Prozent angehoben.

Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Herbert Haupt haben also für die Familien in Österreich gute Arbeit geleistet. Wir von der Re­gierung haben somit die soziale Sicherheit für Mütter und Väter ausgebaut, um gerecht und nachhaltig den Generationenvertrag zu sichern! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen. – Abg. Mag. Trunk: Deswegen gehen eine Million Men­schen demonstrie­ren!)

9.52

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Nürn­berger. Redezeit 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



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18. Sitzung / Seite 28

9.52

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Hohe Haus erlebt heute ein Novum in seiner Geschichte: Der zuständige Ressortminister Vizekanzler Haupt legt einen Entwurf vor – wahrscheinlich hat die Frau Staatssekretärin daran mitgearbei­tet –, und in wenigen Minuten wird er uns erklären, wie hart er verhandelt hat, und zwar wahrscheinlich mit sich selbst. Herr Vizekanzler! Wahrscheinlich haben Sie am „Run­den Tisch“ einmal Pro und einmal Kontra gegeben. Wenn Sie hier jetzt lautstark Ver­besse­rungen angekündigt haben, dann frage ich mich: Warum haben Sie das nicht gleich in den Entwurf hineingegeben? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Ich werde Ihnen die Antwort darauf noch geben.

Wir haben aber noch ein Novum: In der Geschichte der Zweiten Republik hat es noch nie ein Gesetz gegeben, das von so viel Chaos gekennzeichnet gewesen ist. Allein zu dem Vorschlag von Frau Staatssekretärin Haubner: 1000 € – darunter darf nichts ge­schehen, hat es im 10-Minuten-Abstand divergierende Pressemeldungen gegeben. Die fünf Minuten Redezeit, die ich habe, reichen nicht, um sie alle aufzuzählen.

Ich möchte nur eines sagen – und da werden wir genau aufpassen müssen –: Sie ha­ben einen Vorschlag unterbreitet. Wenn wir das schriftlich bekommen, werden wir nachlesen, wie das formuliert ist.

Ich anerkenne die Anhebung: Bis 1000 € eine Ausgleichszulage – das ist ja recht gut. Man muss wissen, dass 61 Prozent der Pensionisten unter 1 000 € haben. Sie sind wahrscheinlich erst draufgekommen, was Ihr Vorschlag bedeutet, als Sie sich die Zah­len angeschaut haben. Wie Sie jetzt jemandem helfen wollen, wenn der Ehegatte eine Pension von 700 € und die Ehefrau eine Pension von 400 € hat und Sie den Aus­gleichszulagenrichtsatz auf 1000 € erhöhen, frage ich mich. Das geht nicht! Bei Ihrem Vorschlag werden die Zeche die Frauen und jene, die verheiratet sind, zahlen. Da wer­den wir genau rechnen und aufpassen müssen. Da liegt nämlich die Falle! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich sage Ihnen, warum es eigentlich zu der Diskussion gekommen ist und warum Sie bereit waren, einige Retuschen vorzunehmen. – Weil am 6. Mai dieses Jahres 500 000 Menschen bereit waren, Aktionen zu setzen, weil am 13. Mai – sehr viele habe im Budgetausschuss gelächelt, als sie gesehen, dass das größte Unwetter in der Ge­schichte über Wien heruntergeht, bei Sonnenschein kann man leicht demonstrieren – 200 000 Menschen auf die Straße gegangen sind. 200 000 Menschen auf die Straße zu bekommen, wenn es hagelt und regnet und die Menschen somit nass wurden – das kann ein Funktionär nicht auf Knopfdruck machen. Die Menschen waren persönlich betroffen und überzeugt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn gestern 1 Million Menschen quer durch alle politischen Fraktionen bereit gewe­sen sind, sich dafür einzusetzen, dann ist klar, dass das auch nicht einige Funktionäre anordnen konnten, sondern die Menschen waren betroffen und selbst bereit, sich dafür einzusetzen.

Ich bin sehr dankbar, dass heute das Fernsehen überträgt, denn ich möchte allen Menschen, den Hunderttausenden, ja Millionen Menschen, die mitgeholfen haben in Form von Maßnahmen, ein herzliches Dankeschön sagen, liebe Kolleginnen und Kol­legen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Jeder Funktionär in der österreichischen Gewerk­schaftsbewegung vom Präsidenten bis zum kleinsten Vertrauensmann bekennt sich zur Demokratie, bekennt sich zum Parlamentarismus, hat nie vorgehabt, gegen die Regierung zu streiten (Ah-Rufe bei der ÖVP), sondern nur gegen einzelne Maßnah­men dieser Regierung! Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir werden uns auch in Zukunft,


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wenn wir die Interessen der arbeitenden Menschen in den Betrieben vertreten, von niemandem in diesem Lande daran hindern lassen, wenn wir es als notwendig erach­ten, gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen einzusetzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich einige Sätze zur Rolle des so genannten „einfachen Parteimitgliedes“ aus Kärnten sagen, denn das ist ein Weltmeister im Ankündigen, was er alles verhin­dern wird. (Abg. Wattaul: Gut ist er!) Er hat angekündigt und groß plakatiert: Abfangjä­ger wird er verhindern. Er wird der Erste sein, der applaudieren wird, wenn der erste Abfangjäger die Ehrenrunde über das Bärental ziehen wird. – Nichts wird er verhin­dern, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Bei der Pension hat er detto nichts verhindert, meine sehr geehrten Damen und Her­ren.

Herr Präsident! Ich bringe Sie jetzt nicht in Verlegenheit, ich sage jetzt nicht, das war eine „Mogelpackung“, ich spreche bewusst nicht von „Mogelpackung“, aber ich bin da­von überzeugt, dass in dem, was uns in wenigen Minuten vorgelegt werden wird, nichts drinnen sein wird, was mehr Gerechtigkeit bringen wird. Es wird keine Gerechtigkeit geben! Es wird keine Lebensstandardsicherung geben, und es wird keine langfristige Sicherung der Pensionen geben!

Eines darf ich Ihnen zur Rolle des „einfachen Parteimitgliedes“ in Erinnerung rufen: Herr Präsident! Ich zitiere die APA.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Aber bitte sehr kurz, weil Ihre Redezeit zu Ende ist.

 


Abgeordneter Rudolf Nürnberger (fortsetzend): Ja, gut. Ich darf nur eines sagen: Sie haben gesehen, wer am Nasenring gezogen wird – das ist von Ihnen, Herr Khol, ein­mal behauptet worden. In Zukunft können Sie sich selbst ausdenken, wer wen in die­sem Land am Nasenring durch das Land zieht.

Herr Vizekanzler Haupt! Mein Beileid mit Ihnen hält sich in Grenzen. Die Rede, die Sie hier gehalten haben ... Sie sind ein Parteiobmann auf Abruf. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

9:58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bitte, Sie sind in der sechsten Minute! –

Zu Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Abgeordneter Dolinschek. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte; Herr Abgeordneter.

 


9:58

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Frau Staatssekretärin! Herr Kollege Nürnberger, ich hätte mir gewünscht, dass der Österreichische Gewerkschaftsbund in der Vergangenheit etwas mehr an Vor­schlägen eingebracht hätte, anstatt streiken zu gehen, denn der Streik hat im Prinzip überhaupt nichts gebracht. Gestreikt haben jene, die aus dem geschützten Bereich kommen. (Abg. Dr. Glawischnig: 1 Million Menschen im „geschützten Bereich“!) Ich habe zwar Verständnis für diese Leute, weil die eben etwas zu verlieren haben, aber es ist einfach wichtig, dass wir in Österreich zu einer Reform unseres Pen­sionssystems kommen, denn es ist bereits fünf Minuten vor zwölf, und wenn nichts getan wird, ist es am schlimmsten.

Wir haben es uns nicht einfach gemacht und haben hart gearbeitet, während andere gestreikt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Streik ist zwar ein legitimes Mittel, aber ich hätte mir gewünscht, auch als ÖGB-Mitglied, dass man sich Gedanken über eine zukünftige Pensionsreform macht. Bereits 1986 – das hat der Herr Bundesminister vorher schon erwähnt – hat der ÖGB-Vorsitzende Sepp Wille den Vorschlag gemacht, eine Harmonisierung der Pensionssysteme in Österreich


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durchzuführen. Davon ist bei der österreichischen Gewerkschaft nichts mehr übrig geblieben.

Ich lese zwar immer wieder in Aussendungen, dass eine Harmonisierung notwendig ist, aber genau diese bekämpfen Sie die ganze Zeit, weil Sie aus dem geschützten Bereich vieles zu verteidigen haben. Das ist Ihr Problem, und das bekritteln Sie hier!

Es ist auch ein starkes Stück, wenn man hier Äpfel mit Birnen vermischt. Frau Kollegin Glawischnig rechnet uns hier 40 Prozent Verluste vor, Kollegin Silhavy ebenfalls. – Das spielt es nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Reform, wie sie jetzt ausgearbei­tet wird, wird Nägel mit Köpfen haben. Wir werden die Pensionen langfristig sichern. Menschen mit langen Versicherungszeiten und kleinen Pensionen werden besonders geschützt (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk), vor allem auch im Frauenbereich, Frau Kollegin Trunk. Sie sollten sich überlegen, dass dort Handlungsbedarf ist. Dort werden wir ansetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Trunk: Was hast du vor den Gewerkschaftern in Kärnten erzählt?)

Frau Kollegin Trunk, wir haben dieses Problem nicht nur in Österreich. Es gibt diese Probleme auch in Frankreich, in Deutschland und in der Schweiz. Ich war vor kurzem in der Schweiz, und die haben dasselbe Problem, obwohl sie wesentlich länger arbei­ten. (Abg. Mag. Trunk: Ja eben, sehr gut!)

Die Pensionsreformkommission hat drei Jahre lang gearbeitet. Das streitet niemand ab. Die Sozialpartner und die Seniorenvertreter waren in die Entscheidungen mit ein­gebunden, nur: Mitentscheiden wollen sie nichts, das wollen sie anderen überlassen!

Daher werden wir diese Reform durchbringen. Wir werden sie für alle Österreicherin­nen und Österreicher sozial gerecht gestalten. (Abg. Mag. Trunk: Gerne!) Das werden wir machen, denn von Ihnen kann man sich das nicht erwarten. Wir sind mitten in den Beratungen, wir beraten morgen weiter, und ich erhoffe mir von jenen Teilen des Ös­terreichischen Gewerkschaftsbundes, der auch die ASVG-Versicherten vertritt, dass gewisse Vorschläge eingebracht werden und nicht nur Kritik geübt wird. Kritik kann zwar befruchtend sein, aber irgendwann einmal muss man auch Vorschläge einbrin­gen. So geht das nicht weiter! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Niemand wird oder soll bei einer Pensionsreform bestraft werden. (Abg. Mag. Trunk: Soll!) – Nein, niemand soll bestraft werden. Nie­mand soll bestraft werden, Frau Kollegin Trunk! (Abg. Dr. Matznetter: Warum machen Sie es dann?) – Weil eine Pensionsreform notwendig ist, Herr Kollege Matznetter, weil sie notwendig ist und weil Sie das verhindern und hinausschieben wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Je länger wir das hinausschieben, desto schlimmer wird es für die Österreicherinnen und Österreicher, desto schlimmer ist es. Das müssten Sie als Steuerberater eigentlich wissen – oder ich weiß nicht, wie Sie Ihre Leute sonst beraten. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Re­heis: Sehr nervös!)

Wichtig ist, dass diese Pensionsreform und eine Harmonisierung, die damit Hand in Hand gehen muss, für alle Österreicher und Österreicherinnen transparent sind und für jeden durchzurechnen sein werden. Die Verluste müssen human sein. Wir haben eine Gesamtdeckelung von 10 Prozent eingezogen. Die Verluste für die Bezieher geringer Pensionen sollten bei null liegen. Und – das ist ebenfalls wichtig – die Pensionen müs­sen für die Zukunft gesichert sein. (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) Das werden wir in den nächsten Tagen umsetzen. Sie sind eingeladen, mitzuarbeiten und auch mitzustimmen, damit Sie nicht alleine übrig bleiben, Herr Kollege Matznetter!

 



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Auf jeden Fall haben es sich die Österreicherinnen und Österreicher verdient, in Zu­kunft eine Pension zu haben, mit der sie rechnen und auch auskommen können. Ich hätte mir gewünscht, dass der Österreichische Gewerkschaftsbund in der Vergan­genheit bei den Mindestlöhnen etwas gemacht hätte. Mit der Steuerreform wollen wir 1 000 € Mindestlohn einführen, das wäre eigentlich ein Thema des Österreichischen Gewerkschaftsbundes gewesen, genauso wie ein steuerfreies Einkommen in der Höhe von 14 500 €.

Präsident Dr. Andreas Khol: Den Schlusssatz, bitte!

 


Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Aber diesbezüglich müssen wir als Abgeordnete in diesem Hohen Haus eingreifen. Das wäre eine Aufgabe des Öster­reichischen Gewerkschaftsbundes gewesen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als letzte Rednerin hiezu gelangt Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.03

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Mei­ne Damen und Herren auf der Regierungsbank! Die gute Nachricht zum Tag lautet: Man kann den Satz „und er bewegt sich doch“ nach wie vor verwenden.

Was ist ge­schehen? – Wir haben einen inferioren Vorschlag für eine Pensionsreform vom zu­ständigen Minister Haupt vorgelegt bekommen. Wir hatten einen Bundeskanz­ler, der sagte: Es ist mir völlig Wurscht, welche Kritik es gibt: Am 4. Juni wird sie be­schlossen! (Abg. Dr. Fekter: Das hat er nie gesagt, das ist eine Unterstellung!) Der angebliche „Druck der Straße“, den ich als berechtigten Widerstand der Bevölkerung, die massiv betroffen ist, bezeichnen würde, hat zumindest erreicht, dass wir heute kei­ne schlechte Pensionsreform beschließen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Erfreulicherweise hat es einige Änderungen gegeben. Ich möchte nun auf einen be­stimmten Teilbereich zu sprechen kommen, wobei ich jetzt ganz bewusst nicht das Wort „Mogelpackung“ verwende, obwohl manche Frauen vielleicht so darüber denken würden. Wir haben erlebt, dass eine Reihe Runder Tische vom Bundeskanzler einbe­rufen wurde, an denen interessanterweise nur Männer teilgenommen haben. Wir ha­ben eine Pensionsreform vorliegen, die unbestritten von allen, mit denen ich jemals gesprochen habe – mit einer Ausnahme –, als vor allem für die Frauen besonders ne­gativ bezeichnet wird. Die eine Ausnahme, die das in meiner Anwesenheit bestritten hat, ist pikanterweise gerade die Frauenministerin. – „Herzlichen Dank“, Frau Frauen­ministerin! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben jetzt so genannte Verbesserungsvorschläge in dieser Pensionsreform, die auf Grund der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen, auf Grund der fehlenden Altersabsicherung, die Frauen schon heute erleiden, auf Grund der typi­schen Einkommenslücken in der Erwerbsbiographie einer Frau zu massiven Ver­schlechterungen führen wird. Wir haben jetzt eine Reform, die als Angebot, wie es vermutlich dann auch noch wortreich beschworen werden wird, den Frauen Folgendes bietet: Jenen, die heute Kindergeld beziehen, werden in Zukunft, wenn sie in zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren in Pension gehen, 18 bis 24 Monate angerechnet, falls wir das bis dahin nicht wieder abgeschafft haben. Pro Kind werden drei Jahre angerech­net, falls die Kinder vom Alter her nicht zu nahe beisammen sind. (Abg. Lentsch: Nein, nein, für jedes Kind drei Jahre!) Vorsicht, da gibt es Unterschiede. Die Frauen bekom­men auch angeboten, dass die Kinderbetreuungszeiten besser berechnet werden, und


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zwar um ungefähr – wir haben das ausgerechnet – 12 € im Monat in der Endausbau­stufe.

Wenn der Herr Vizekanzler sagt: Diese Regierung anerkennt endlich die Familienar­beit!, dann möchte ich ergänzen: Ja, allerdings bei weitem nicht so wie den Präsenz­dienst und den Dienst an der Waffe. Für Präsenzdiener gibt es noch immer eine ein­kommensabhängige Berechnung der Pension. Für Frauen oder auch für die wenigen Männer, die Kinder betreuen, gibt es das nicht. Diese bekommen 640 € als Berech­nungsgrundlage. (Beifall bei den Grünen.)

Ich frage Sie daher, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler und jene Partei, die sich als Vertreter des „kleinen Mannes“ bezeichnet – ich weiß nicht, ob ich nach den „kleinen Frauen“ auch fragen kann –: Was tun Sie für die 400 000 Menschen, die heute keine eigenständige Pensionsabsicherung haben? Was machen diese? Wie werden Sie die Einkommensunterschiede ausgleichen, damit nicht im Alter weiterhin Frauen um die Hälfte weniger Pension bekommen als Männer und damit sie nicht auf Grund der Durchrechnung zusätzlich dafür bestraft werden, dass sie vorher auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert wurden?

Was sagen Sie einer Teilzeitbeschäftigten, die wegen mangelnder Kinderbetreuungs­zeiten gar nicht ganztags arbeiten kann, die bei weitem keine 1 000 € im Monat ver­dient, auf die Frage, wie sie sich die von Ihnen gepriesene private Pensionsvorsorge von 150 bis 200 € im Monat leisten können soll? – Erklären Sie ihr das bitte! Wie erklä­ren Sie einer Frau, die 640, 650 € Pension hat, dass sie in Hinkunft zirka 70 €, also 1 000 S, im Monat weniger bekommen soll? 10 Prozent Deckelung klingen gut, können aber sehr hart werden. Wie erklären Sie den 80 Prozent der Frauen, die appel­lieren, dass die Abgeordneten in diesem Haus, die weiblichen Abgeordneten in diesem Haus dieser Pensionsreform nicht zustimmen, was Sie hier tun?

Ich möchte den Appell ausweiten: Es dürfen nicht nur im Interesse der Frauen die weiblichen Abgeordneten ablehnen, sondern ich lade auch ganz herzlich die Männer ein, abzulehnen, wenn schon die Männer die Beratungen dominiert haben. (Bei­fall bei den Grünen.)

Zu den Beratungen: Offensichtlich sind die Wörter „Männer“ und „schneller“ untrennbar miteinander verbunden. Ich frage mich, was das für eine Form des Parlamentarismus, der vom Herrn Vizekanzler beschworen wurde, ist, wenn wir einen Antrag, der noch gar nicht vorliegt – ich komme damit zum Schluss –, beraten sollen und diese Beratun­gen laut einer Frist­setzung, die heute beschlossen werden soll, bis zum 6. Juni abge­schlossen sein sollen. In meinen Augen ist das eine Missachtung des Parlaments! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.09

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Einlauf und Zuweisungen

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:


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A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 469/J bis 472/J;

Zurückziehung: 456/J.

2. Anfragebeantwortungen: 258/AB bis 306/AB;

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 3/ABPR.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit (Entwicklungszusammenarbeitsgesetz, EZA-G), das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richterdienstge­setz, das Landesleh­rer-Dienstrechtsgesetz 1984 und das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985 geändert werden (EZA-Gesetz-Novelle 2003) (81 der Beila­gen),

Kundmachungsreformgesetz 2004 (93 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz, das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Bäckereiarbei­ter/innen­gesetz 1996 geändert werden (109 der Beilagen).

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Bautenausschuss:

Antrag 135/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vereinheitlichung des Baurechts;

Budgetausschuss:

Antrag 133/A der Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Dr. Heinz Fischer, Herbert Scheib­ner, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen über ein Bundesgesetz betreffend die finanzielle und administrative Unterstützung des Österreich-Konvents;

Finanzausschuss:

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Armenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (87 der Beilagen),

Übereinkommen über die Errichtung des Joint Vienna Institute (88 der Beilagen),

Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Islamischen Republik Iran zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (92 der Beilagen);

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über Änderungen und Ergänzungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Ungari­schen Volksrepublik zur Sichtbarerhaltung der gemeinsamen Staatsgrenze und Rege­lung der damit im Zusammenhang stehenden Fragen vom 31. Oktober 1964 in der Fassung des Vertrages über Änderungen und Ergänzungen vom 29. April 1987 samt Anlagen (44 der Beilagen),

Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik, mit dem der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialis-


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tischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 geän­dert und ergänzt wird samt Anlagen (91 der Beilagen);

Justizausschuss:

Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Groß­britannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereiches des Euro­päischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf die Ballei Guernsey (55 der Beilagen);

Landesverteidigungsausschuss:

Antrag 134/A der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz betreffend ein Verbot des Ankaufes von Kampf­flugzeugen;

Rechnungshofausschuss:

Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über Teilgebiete der Gebarung des Bun­des (III-29 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Bericht der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur sozialen Lage der Studierenden (III-31 der Beilagen),

Österreichischer Forschungs- und Technologiebericht 2003 der Bundesregierung (III-32 der Beilagen).

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Weiters gebe ich bekannt, dass der Dritte Bericht des Unvereinbarkeitsausschusses an alle Mitglieder des Hohen Hauses verteilt wurde.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Die Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kolle­gen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 473/J der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „gebrochene Versprechen und fehlende Harmonisierung bei den PolitikerInnenpensionen“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt wer­den.

Fristsetzungsanträge

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass die Abgeordneten Mag. Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kolle­gen beantragt haben, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über die Regie­rungs­vorlage 59 der Beilagen betreffend ein Budgetbegleitgesetz 2003 eine Frist bis 6. Juni 2003 zu setzen.


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Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzufüh­ren.

Da für die heutige Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage ver­langt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an die Debatte über die Dringliche Anfrage stattfinden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluss dieser Debatte erfolgen.

*****

Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Budgetausschuss zur Be­richterstattung über den Antrag 132/A der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und das Bundesbezügege­setz geändert werden, eine Frist bis 6. Juni 2003 zu setzen. Die Abstimmung über die­sen Fristsetzungsantrag wird nach Beendigung der Verhand­lungen in dieser Sitzung erfolgen.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ferner haben die Abgeordneten Dr. Cap, Kollegin­nen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersu­chungsausschuss zur Aufklärung der Vorwürfe möglicher Geldflüsse, „nützlicher Auf­wendungen“ und Manipulationen des Vergabeverfahrens im Zuge der Beschaffung von Kampfflugzeugen für das österreichische Bundesheer seit April 2001 einzusetzen.

Es liegt das von fünf Abgeordneten geschäftsordnungsmäßig gestellte Verlangen vor, eine Debatte darüber durchzuführen. Diese Debatte und die Abstimmung finden nach Erledigung der Tagesordnung statt. (Abg. Dr. Cap: Zur Geschäftsbehandlung!)

Herr Abgeordneter Cap zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.

 


10.12

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte Folgendes anmerken: Es gab eine Präsidialsitzung, in der wir über das Proce­dere hier im Nationalrat diskutiert haben. Jetzt plötzlich müssen wir vernehmen, dass es einen Fristsetzungsantrag gibt. Das heißt: Noch bevor der Bundeskanzler hier seine Stellungnahme zum Thema der Pensionsreform abgegeben hat, bevor über­haupt in den Sitzungen des Budgetausschusses ordentlich verhandelt werden kann, soll hier schon ein Fristsetzungsantrag beschlossen werden, dass am Freitag die Frist abgelau­fen sein wird. Das ist ein demokratiepolitischer Skandal, und ich möchte hier meinen Protest anbringen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Es wurde zwar kein Antrag gestellt, aber entspre­chend unserem Usus wird es nun eine Runde von Wortmeldungen zur Geschäftsbe­handlung geben.

 


Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.


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10.13

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Man muss sich das wirklich sozusagen auf der Zunge zergehen lassen: Es wird ein Fristsetzungsantrag gestellt, der vorsieht, dass der Budgetausschuss über­morgen die Debatte über etwas abschließen muss, was er heute noch gar nicht kennt. (Rufe bei der SPÖ: Ja, genau! – Abg. Dr. Glawischnig: Wir haben nichts!) Heu­te, Mittwoch, Viertel nach zehn, liegen die Abänderungsanträge meines Wissens – zumin­dest meiner Fraktion – nicht vor. Ich nehme an, dass die ÖVP mehr Informatio­nen darüber hat; das kann schon sein. Aber jedenfalls liegt dieser Abänderungsantrag den Oppositionsparteien und insbesondere den Grünen nicht vor.

Ich bitte daher um die Einberufung einer Präsidiale zu dieser Frage, Herr Präsident. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.14

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Mol­terer. – Bitte. (Abg. Silhavy: Speed kills!)

 


10.14

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte einiges klarstellen.

Erstens ist seit Wochen eine intensive Diskussion über die Frage Budget und Budget­begleitgesetz im Ausschuss im Gange.

Zweitens: Es ist vereinbart, dass der Ausschussvorsitzende morgen um 10 Uhr die Beratungen, die unterbrochen sind, fortsetzt.

Drittens: Es ist der Opposition angekündigt – und zwar seit Tagen! –, dass heute zu Mittag die Abänderungsanträge übergeben werden. (Abg. Öllinger: Das ist ein Scherz! – Abg. Mag. Wurm: So etwas von zynisch und undemokratisch!)

Viertens: Es ist klar, dass gemäß Geschäftsordnung ein derartiger Fristsetzungsantrag vor Eingang in die Tagesordnung vorgelegt werden muss. Ich gehe daher davon aus, dass wir im Ausschuss ausreichend Zeit haben werden, auf Basis der Abänderungsan­träge in seriöser Arbeit eine Entscheidung hier im Nationalrat zu treffen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fischer: Wozu brauchen wir die Fristsetzung?)

10.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Klub­obmann Scheibner. – Bitte.

 


10.15

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu früheren Zeiten, als die Oppo­sition zum Teil erst während der zweiten Lesung Abänderungsanträge erhalten und es überhaupt keine Möglichkeit gegeben hat – und da waren Sie in der Regierung, meine Damen und Herren von der SPÖ –, sich umfassend mit diesen Problemen zu befassen (Zwischenruf der Abg. Silhavy), haben wir jetzt seit vielen Stunden, seit vielen Tagen, seit vielen Wochen über die Thematik der Pensionsreform auch hier im Parlament dis­kutiert. (Abg. Öllinger: Immer etwas anderes!)

24 Stunden, so wie es vereinbart ist, vor den entsprechenden Ausschusssitzungen werden der Opposition die Abänderungsanträge zugemittelt. Es werden zwei volle Aus­schusstage und auch die entsprechenden Debatten im Nationalrat für Diskussio­nen über diese Abänderungsanträge zur Verfügung stehen.


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Ich glaube daher, dass nicht nur der Geschäftsordnung Genüge getan wird, sondern auch dem Parlamentarismus (Abg. Dr. Fischer: A la FPÖ!) – im Gegensatz zu frühe­ren Zeiten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.16

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Der Anregung zur Einberufung einer Präsidiale wer­de ich nachkommen; den Zeitpunkt werde ich noch in Verhandlungen festlegen.

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dau­er der Debatten der Tagesordnung erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ vereinbart. Daraus ergeben sich folgende Redezeiten: ÖVP und SPÖ je 140, Freiheitliche 96, Grüne 104 Minuten.

Weiters wurde folgende Redezeitvereinbarung für die Debatte bis 13 Uhr, die vom ORF übertragen wird, getroffen:

Der Herr Bundeskanzler wird eine Erklärung von 25 Minuten abgeben, anschließend folgt je eine Wortmeldung pro Fraktion mit einer Redezeit von je 15 Minuten, sodann eine Wortmeldung des Vizekanzlers von 15 Minuten, in weiterer Folge je eine Wort­meldung pro Fraktion von je 8 Minuten, danach je eine Wortmeldung pro Fraktion von je 7 Minuten. Die rest­liche Redezeit bis 13 Uhr wird vom Vorsitz führenden Präsidenten vor Beginn der letz­ten Runde auf die vier Fraktionen in der Weise verteilt, dass noch alle Fraktionen zu Wort kommen.

Außerdem besteht Einvernehmen darüber, dass tatsächliche Berichtigungen erst nach 13 Uhr aufgerufen werden.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Vorschlag der Präsidialkonferenz.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezüg­liches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Wir werden daher so vorgehen.

1. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Das Angebot der Bundesregierung zur Pensions-Sicherung“

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesord­nung.

Im Anschluss an die Erklärung des Bundeskanzlers wird eine Debatte stattfinden.

Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte.

 


10.17

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Gestern haben viele Menschen, hunderttausende Menschen (Abg. Nürn­berger: 1 Million!), wie ich glaube, aus berechtigter Sorge ihre Aktionen gesetzt, und ich respektiere das.


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Umgekehrt möchte ich aber auch darum ersuchen, dass Sie respektieren, dass ich als Regierungschef, Herbert Haupt als Vizekanzler und amtierender Sozialminister und die Mehrheit dieses Hauses aus ehrlicher Verantwortung diese Pensionssicherungsreform dem Parlament vorgelegt haben (Abg. Parnigoni: Mehr Ehrlichkeit!) und für sie eintre­ten, weil es wichtig ist, jetzt zu handeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herbert Haupt hat in der Aktuellen Stunde schon darauf hingewiesen, dass diese Dis­kussion ja nicht neu ist. Im Jahr 1986 hat der damalige Sozialminister Alfred Dallinger erklärt (der Redner hält in der Folge jeweils Kopien von Zeitungsartikeln in die Höhe): „Ein höheres Pensionsalter kommt auf die Österreicher zu“. – Er wurde blitzartig vom damaligen Bundeskanzler eingebremst, er beschwichtigte daraufhin und sagte, dass kein höheres Pensionsalter kommen werde.

Eine Woche später hieß es von Seiten Dallingers: „Hinaufsetzen des Pensionsalters frühestens nach dem Jahr 2000“.

Und wieder eine Woche später, im November, hieß es: „Dallinger schwenkt auf eine Pensionsgarantie“; wir brauchen so etwas überhaupt nicht.

Ich sage das nicht deswegen, um es mir billig zu machen, sondern ich glaube, dass Alfred Dallinger – einer, mit dem ich in vielen Punkten ganz anderer Meinung gewesen bin – aus genau solcher ehrlicher Überzeugung für etwas eingetreten ist, was ihm da­mals andere, die vielleicht gemeint haben, das sei nicht opportun, es stünden Wahlen bevor, quasi abgedreht haben.

Ein zweites Beispiel: Einer, den ich sehr schätze, der politisch Ihnen nahe stand und steht, den ich als Sozialpartner kennen gelernt habe, ist der ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie, der Vorgänger von Rudolf Nürnberger, Sepp Wille. Ich habe mir ein wörtliches Zitat von Sepp Wille herausgesucht:

Die Anhebung des Pensionsalters ist für mich eine biologische Selbstverständlichkeit. Wenn wir mit 63 Jahren statt mit 60 in Pension gehen, geht denn dann die Welt unter? Die Pensionsreform ist die größte sozialpolitische Aufgabe der nächsten Jahre. Wann sie kommen sollte? Mir wäre am liebsten morgen. – So Sepp Wille, Sozialpartner, Vor­sitzender der Metallarbeitergewerkschaft.

Sepp Wille ist als ehrlicher Klubobmann, aus ehrlicher Überzeugung für dieses Anlie­gen eingetreten, aber er ist genauso eingebremst worden wie Alfred Dallinger oder Hofrat Dragaschnig, der Obmann des ... (Abg. Nürnberger: Sie haben unvoll­ständig zitiert! – Abg. Eder: Unwahrheit! – Abg. Dr. Jarolim: Wir ersuchen um Ehrlich­keit!) – Warum unterbrechen Sie mich? Genau das Thema „Harmonisierung“ ist von die­sen beiden Politikern immer wieder angesprochen worden, aber immer wieder wurden sie gebremst, und immer wieder haben sich die Bremser durchgesetzt.

Ich sage Ihnen ganz offen: Es ist Zeit, dass die Reformer gewinnen und nicht die Blo­ckierer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von den Oppositionsparteien! Seien wir doch ehrlich, ein bisschen ehrlich auch in einer solch ernsten Situation: Innerlich geben Sie uns ja Recht! Es haben manche von Ihnen unter vier Augen genau das gesagt: Wann, wenn nicht jetzt, müssen wir handeln? Langfristig handeln! Wann, wenn nicht jetzt, wo es in ganz Europa Diskussionen über eine alternde Gesellschaft, über die Kon­sequenzen einer längeren Lebenserwartung gibt, müssen wir auch in Österreich die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen?

Solche Diskussionen gibt es auch in Frankreich, wo beispielsweise der Sozialdemokrat Rocard – das ist auch ein Beispiel für einen Stil, der in Österreich nicht üb­lich ist; die­ses Zitat ist in der heutigen Ausgabe der „Kronen-Zeitung“ nachzulesen – sinngemäß


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gesagt hat: Wenn wir in der Regierung wären, wir Sozialisten, wir könnten nichts ande­res vorschlagen als das, was die Mitte-Rechts-Regierung in Frankreich derzeit vor­schlägt.

Das ist ein ehrliches Wort! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Brou­kal: Wir können aber etwas anderes vorschlagen!) Das ist Mut zum aufrechten Gang, und das gehört respektiert! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Oder: Wenn Sie schon mir nicht glauben oder wenn Sie glauben, ich würde das durch eine getönte Brille sehen, zitiere ich Helmut Schmidt, den ehemaligen Bun­deskanzler Deutschlands und SPD-Chef: „Weil Deutschland sich ändern muss“ – eine gnadenlose Abrechnung mit denen, die nicht bereit sind, die Zeichen der Zeit zu er­kennen.

Als weiteres Beispiel darf ich jemanden erwähnen, der noch aktiv in der Politik ist, und zwar Göran Persson, sozialdemokratischer Regierungschef Schwedens. Er hat genau diese Reformen längst gemacht, er hat früher, ja in schwierigeren Zeiten damit begon­nen. Er sagt: Verfallen Sie – das gilt für Deutschland, es kann aber auch auf uns bezo­gen werden – doch jetzt nicht in Depressionen! Versuchen Sie doch nicht, den Men­schen den Mut zu nehmen! Alle Probleme sind lösbar. – Er sagt weiters: Sparen ist links, weil es den Sozialstaat erhält.

Ich sage: Sparen ist weder links noch rechts, sondern richtiges, vernünftiges, sozial verantwortliches Sparen ist notwendig, weil es uns die Spielräume für die Zukunft, für Investitionen, für Bildung, für unser Humankapital erhält. Genau das ist die eigentliche Herausforderung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Oder nehmen wir die beeindruckende – zumindest für mich beeindruckende – Diskussion am SPD-Parteitag letzten Sonntag her. Es war eine ehr­liche, absolut schonungslose, aber im Stil, in der Atmosphäre gut geführte Diskussion, die auf höchstem Niveau abgewickelt wurde. Gerhard Schröder hat sich dort einge­setzt, weil er jetzt das umsetzt, was wir übrigens in Österreich auf dem Arbeitsmarkt in der Flexibilisierung, in der Vermittlung der Arbeitssuchenden längst geschafft haben. Ich betone: längst geschafft haben! Die Deutschen sind jetzt auf dem Weg dorthin, was Österreich mit seiner halb so hohen Arbeitslosenrate den Deutschen bereits vorexer­ziert hat.

Aber die Diskussion um die Rentengerechtigkeit, um die Pensionsreform wird in Deutschland genauso geführt wie in Österreich oder wie in der Schweiz, wo der Schweizer Sozialminister jetzt die Anhebung des Rentenantrittsalters auf 67 Jahre vor­geschlagen hat, ge­nauso wie dies in Deutschland und in anderen europäischen Län­dern derzeit ange­dacht wird.

Eine Rede, die mich persönlich sehr berührt hat, war die Rede von Erhard Eppler, der in der Politik nicht mehr aktiv ist. Es war meiner Meinung nach eine der wich­tigsten Reden auf diesem Parteitag. Er hat gesagt, er war eigentlich mit der „Agenda“ zu­nächst überhaupt nicht einverstanden, und erst dann, als er begriffen hat, dass es kei­ne Alternativvorschläge dazu gegeben hat, ist er plötzlich nachdenklich geworden. Er sagte dann: Die Alternativvorschläge, die gemacht worden sind, waren Ende der sieb­ziger Jahre bereits überholt.

Was ihn gestört hat, war die geradezu unkritische Diskussion in einer seltsam leeren, geradezu leergeräumten Welt – in einer Welt, wo es keine EU-Kommission, keine Maastricht-Kriterien, kein global agierendes Kapital gibt, das gegenüber den National­staaten den Daumen hinauf oder hinunter setzen kann, wo Standorte jederzeit verla­gert werden können und wo eine Regierung sozusagen so tun kann, als würde sie in einem luftleeren Raum agieren.


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Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Dieser Appell, aufzuwachen und zu sehen, in welcher Welt wir uns eigentlich befinden, nämlich in einer Welt mit Chancen, aber auch in einer Welt mit Bedrohungen, wenn wir glauben, den Status quo um jeden Preis verteidigen zu müssen, war beeindruckend. Diese Rede hat mich beeindruckt, und ich würde mir wünschen, dass heute ein Sozialdemokrat an das Rednerpult tritt und eine ähnliche Rede für Österreich hält. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herbert Haupt und ich haben versprochen, Ihnen heute unsere Angebote, die wir in vielen Gesprächen, in stundenlangen Diskussionen mit unseren Sozialpartnern, mit unseren Arbeitnehmervertretern und mit unseren Frauen­politikerinnen erarbeitet haben, im Detail vorzustellen.

Ich möchte Folgendes dazusagen: Ich bedauere keine Minute dieser Gespräche mit dem Präsidenten des Gewerkschaftsbundes oder den Präsidenten der Arbeiterkam­mer, der Wirtschaftskammer und der Bauern, denn es sind viele ehrliche Argumente in dieser Diskussion vorgebracht worden. Wir, Herbert Haupt und ich, haben nach bes­tem Wissen und Gewissen versucht, darauf eine positive Antwort zu finden.

Ich glaube, dass man heute bewusst sagen kann: Die Bundesregierung, die Parla­mentsmehrheit hat sich bewegt. Wir haben keinerlei Justament-Standpunkt einge­nommen, wir sind ... (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) – Ist das wirklich notwendig? Ist es möglich, dass wir einmal gemeinsam eine sachliche Diskussion führen (Zwi­schenrufe bei der SPÖ) und dass wir versuchen, einander zuzuhören und auch die Inhalte zu prüfen, die bei den Gesprächen herausgekommen sind? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Gradwohl: Bitte, kehren Sie zu den Inhalten zurück!)

Ich glaube ganz persönlich, dass die Menschen, die uns zusehen, so etwas von uns erwarten, geradezu ersehnen, dass wir miteinander einen sachlichen Dialog führen. Mit dem können, glaube ich, die Menschen viel mehr anfangen als mit wechselseitigen Schuldzuweisungen.

Meine Damen und Herren! Das Angebot, das wir gemacht haben, sieht so aus:

Erstens: keine Eingriffe in bestehende Pensionen. – Das ist wichtig, denn 2 Millionen Menschen können ihre Lebensplanung nicht mehr umstellen, wenn sie schon in der Pension sind. Ausgenommen sind der Pensionssicherungsbeitrag von 1 Prozent und die Politikerregelung; auf diese möchte ich nachher noch eingehen. Sonst wird es kei­nen Eingriff in bestehende Pensionen geben. Das halte ich für wichtig und sozial abso­lut notwendig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweitens: Wer jetzt schon in Pension gehen könnte, aber lieber länger arbeiten möch­te, der hat keinerlei Nachteile, wenn er nach dem 1. Jänner 2004 in Pension geht. (Abg. Broukal: Wie „großzügig“!) Nein, das ist nicht großzügig, aber es ist klug, weil Sie mit Ihrer Gräuelpropaganda genau das Gegenteil behaupten, meine Damen und Herren. Daher ist diese Antwort hier sehr wichtig. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Drittens: Es muss für die Zukunft eine Harmonisierung aller Pensionssysteme geben! Ich halte es für absolut notwendig, dass wir aufhören, verschiedene ständische Pensi­onssysteme zu pflegen, mit eigenen Anstalten, Sozialversicherungsanstalten, mit eige­nem Leistungs- und eigenem Beitragsrecht. Die Zeit ist reif für ein einheitliches, har­monisiertes Pensionssystem, und wir werden das – hoffentlich auch mit Hilfe der Sozi­alpartner; sie sind herzlich eingeladen – bis zum Jahresende dem Hohen Hause vorle­gen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Eckpunkte für ein solches harmonisiertes neues System stehen eigentlich zwi­schen den Sozialpartnern und uns völlig außer Streit: Erstens: 65 Jahre, das ist dann, in 30 Jahren, das Pensionsantrittsalter für Männer und Frauen. Zweitens: Es muss mit


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dem 65. Lebensjahr nach 45 Versicherungs- und Beitragsjahren – denn die müssen ja dann angeglichen werden – 80 Prozent des Lebenseinkommensdurchschnitts geben. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Element, damit jeder weiß, dass mit seinem persönlichen Pensionskonto, das verzinst und aufgewertet wird, all das, was eingezahlt wird – entweder von ihm selbst oder von der Leistungsgemeinschaft solidarisch über den Familienfonds oder vom Staat für Präsenzdienst und vieles andere mehr – auch hunderprozentig garantiert für seine Pension zur Verfügung steht. Das halte ich für wichtig, und es entspricht auch dem, was in der Opposition angedacht und vorgedacht wurde. Ich glaube nicht, dass dies ein Thema ist, bei dem wir inhaltlich weit auseinan­der liegen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vierter Bereich: Es wurde kritisiert, dass wir das Pensionsantrittsalter zu schnell an­heben. Darauf sind wir substantiell eingegangen und haben das Tempo wesentlich verringert, wesentlich verlangsamt. Wir hatten ursprünglich vor – so wie in den letzten drei Jahren –, das Frühpensionsantrittsalter um acht Monate pro Jahr anzuheben. Wir ver­langsamen, auch im Lichte der Konjunkturentwicklung, auf die Hälfte, das heißt pro Jahr vier Monate. Das heißt, beginnend ab jetzt, 2003, bis zum Jahr 2017 läuft dieses System der Frühpensionen aus. Ich glaube nicht, dass somit noch irgendjemand sagen kann, das sei ein Überfall. Wir haben sehr substantiell auf die Kritik und die Anregun­gen der Sozialpartner reagiert, und ich hoffe, dass Sie uns auf diesem Weg auch fol­gen werden.

Meine Damen und Herren! Wir haben weiters überlegt, dass wir uns im Bereich der Durchrechnungszeiten, die auf 40 Jahre angehoben werden sollen, einen 25-jährigen Übergangszeitraum vornehmen. – Das ist nicht verändert gegenüber der Regierungs­vorlage.

Wir haben bei den Steigerungsbeträgen nicht drei, sondern fünf Jahre vorgesehen. – Auch das ist jedenfalls ein Bereich, der für die Übergangsphase die Effekte dieser Re­form deutlich vermindert.

Es wurde von den Sozialpartnern sehr massiv – vieles davon war unfair und nicht nachvollziehbar! – kritisiert, dass die Verluste für den einzelnen Versicherten im Einzel­fall sehr hoch sein können; bis zu 40, manchmal sogar bis zu 50 Prozent, wurde be­hauptet. Wir haben viele dieser Beispiele nachgerechnet – sie waren alle falsch! Wir haben Ge­genbeispiele auf den Tisch gelegt und haben zusätzlich darauf reagiert, und zwar mit einer Be­grenzung der maximalen Verluste auf höchstens 10 Prozent. Aus allen Maßnahmen, ob Reduzierung des Steigerungsbetrages, ob Verlängerung der Durchrechnungszeit­räume, ob Abschläge, wenn man früher in Pension geht, aus kei­nem Fall kann mehr Verlust entstehen als 10 Prozent.

Ich meine, dass wir damit den Anregungen der Sozialpartner weitestgehend entgegen­gekommen sind – denn eines sage ich Ihnen auch: Eine Reform, die keine Wirkung hat, ist auch keine Reform! –, und das entspricht durchaus dem, was Alfred Gusen­bauer und andere gesagt haben, nämlich die Zielsetzung insgesamt sei, dass am Ende das Pensionsniveau gegenüber der heutigen Situation um etwa 10 Prozent verringert werden wird. Ich glaube, dass wir diese maximal 10 Prozent – am Anfang werden es im Durchschnitt 3 Prozent für Frauen und 5 Prozent für Männer sein – durchaus argu­mentieren können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Übrigen glaube ich auch, dass man den Mut haben sollte, den Menschen zu sagen, dass wir – gerade diese Bundesre­gierung! – mit der zweiten und dritten Säule, mit der Mit­arbeitervorsorge oder mit Eigenvorsorge, Möglichkeiten geschaffen haben, solche Verluste auszugleichen. Ich bin nicht einer – um das Argument auch gleich vorwegzu­nehmen –, der sagt, die staatliche Versorgung solle geschwächt werden. – Überhaupt nicht! Sie wird das Rückgrat der sozialen Altersvorsorge in Österreich für die nächsten


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Jahre und Jahrzehnte bleiben müssen. Aber machen Sie nicht die private Vorsorge oder die Be­triebspensionen schlecht; schließlich haben wir sie gemeinsam, sogar ein­stimmig, be­schlossen, meine Damen und Herren! Mitarbeitervorsorge beziehungs­weise steuerli­che Eigenvorsorge waren immer ein Thema. Viele Menschen haben ge­sagt, es müsse Spielräume geben, damit man auch selbst vorsorgen kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr ernst genommen haben wir die Einwände vor allem der Arbeitnehmerseite, dass der Arbeitsmarkt durch die Maßnahmen bei den Frühpensionen unter Umständen massive Spannungen erleiden könnte. Wir haben stundenlange Diskussionen mit Ex­perten, mit Professor Guger und Professor Marin, am Runden Tisch geführt, und wir haben auch die Zahlen außer Streit gestellt. Für den gesamten Zeitraum, also für die nächs­ten vierzehn Jahre, kommt dadurch ein zusätzliches Angebot von 80 000 Men­schen auf den Arbeitsmarkt zu, das heißt pro Jahr etwa 5 000, 6 000 zusätzliche Arbeitskräfte. Wir haben darauf reagiert, indem wir das Tempo deut­lich verlangsamt haben. Wir haben darauf reagiert, indem wir ein großzügiges Sen­kungsprogramm für die Lohnnebenkos­ten entwickelt haben – 2 Milliarden Schilling oder 140 Millionen € –, damit die Betriebe ältere Mitarbeiter länger sinnvoll beschäfti­gen können.

Wir haben das Recht auf Qualifikation eingeführt. Wir haben die Zusage der Arbeitge­berseite und der Arbeitnehmerseite, dass man im Falle einer Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation ein Sonderprogramm in Bewegung setzen könnte. Wir haben die Altersteilzeit verlängert, das Altersübergangsgeld deutlich angehoben. – In Summe ein Programm, das gerade für den Arbeitsmarkt wichtige flankierende Maßnahmen setzt, denn uns ist es nicht gleichgültig, wenn das Argument kommt, dass wir zwar die Pen­sionssicherungsreform ernst nehmen, aber die Fragen des Arbeitsmarktes in den Hin­tergrund treten lassen.

Sozial ist, was Arbeit schafft! – Das muss unsere Voraussetzung sein, das muss unse­re Zielsetzung sein, und das werden wir schaffen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein wesentlicher Punkt waren die Frauen- und Kinderproblematik, die Familien. In die­sem Zusammenhang haben wir gerade aus unseren Reihen – von anderen haben wir weni­ger gehört, aber aus unseren Reihen haben wir sehr massive ... (Abg. Dr. Fischer: Das ist die sachliche Argumentation!) Sachliche Vorschläge kamen schon von unserer Seite. Einmal ausdrücklich hervorheben möchte ich hier etwa Ursula Haubner oder Maria Rauch-Kallat oder Ridi Steibl und viele andere.

Ich schließe natürlich alle Frauenpolitikerinnen mit ein, aber ich möchte einmal aus­drücklich für die konkreten Vorschläge danken, die aus unserem Klub gekommen sind; gar nicht so sehr von der Regierung allein. Ich möchte dafür danken, dass wir, FPÖ und ÖVP, die Chance gehabt haben, ein Programm zu entwickeln, das in dieser Form noch von keiner Regierung in keiner Legislaturperiode in Bewegung gesetzt wurde: zwei Jahre Pensionsbegründung, drei Jahre weniger Durchrechnung für jedes Kind, ohne Überlappungseffekte, vier Jahre Ersatzzeiten und eine deutliche Aufwertung, was de facto mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz dazu führt, dass es nicht nur 150, son­dern deutlich über 200 Prozent sein werden, wie wir hier aufwerten werden. – In Sum­me ein Programm, das weitestgehend auch den Vorschlägen der Sozialpartner ent­spricht. Ich hoffe, dass Sie dieses Programm mit uns gemeinsam tragen werden. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vorletzter Punkt: die kleinen Einkommen; ein ganz wichtiges Thema für Herbert Haupt und auch für mich. Wir müssen darauf achten, dass nicht die „Kleinen“ draufzahlen, sondern dass wir das wirklich fair verteilen können. In diesem Zusammenhang haben wir die Familienausgleichszulage, nämlich die Zulagengrenze im Auge. Wir haben sie


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bereits zweimal erhöht, und wir werden sie noch auf 1 000 € anheben. Das hat es auch noch nie in der Geschichte dieses Hohen Hauses gegeben. Ein ganz wichtiger Punkt ab dem 1. Jänner 2004!

Dazu kommt die Steuerfreiheit für Einkommen unter 1 000 €. Dazu kommt ein Härte­fonds beim Sozialminister, der solche Dinge ausgleichen kann. – In Summe, so meine ich, ein ganz wichtiger Schritt.

Letzter Punkt: die Politikerpensionen. – Ein heißes Thema, und ich gebe hier ganz klar unsere gemeinsame Linie bekannt. Es darf keine Ausnahmen geben. All das, was wir für den sonstigen Bereich, für Bauern, für Arbeiter, für Selbständige, für Angestellte, vorschlagen, gilt 1 : 1 auch für Politiker und dazu einiges mehr. Das heißt, das Pensi­onsantrittsalter für Politiker wird genauso wie in den anderen Systemen auf 65 ange­hoben. Es wird keinerlei Doppelanrechnung mehr geben, da Versicherungsmonate für Abgeordnete und Minister beispielsweise oder Landesräte nur mehr ein Mal gelten. Abschläge für Politikerpensionen wird es genauso geben wie im ASVG. Es ist über­haupt keine Frage, dass dies für uns außer Streit steht. Es darf nur mehr ein Bezug ausbezahlt werden: entweder Pension oder Aktivbezug, aber nicht zusammenfallend. Wir werden bei der Bezugsfortzahlung eine wesentliche Reduktion vornehmen: In der Dauer werden wir die Bezugsfortzahlung halbieren, in der Höhe von 100 auf 75 Pro­zent absenken.

Meine Damen und Herren! Wir Politiker werden auch ein Solidaropfer – 8 Prozent bis zur Hö­he der ASVG-Höchstgrenze und für jene, die darüber liegen, ein Solidaropfer von 15 Prozent – vorschlagen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, insgesamt haben wir damit ein Modell geschaf­fen, ein umfassendes Paket, das wirklich alle Bevölkerungsgruppen mit einbindet, das aber auch die Sicherheit gibt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass wir bis Jah­resende an einem harmonisierten neuen Modell arbeiten und dass wir jetzt für das Übergangsmodell die Voraussetzungen geschaffen haben, dass wir soziale Sicherheit auf der einen Seite, aber auch eine Zukunftsperspektive auf der anderen Seite geben können.

Meine Damen und Herren! Arbeiten Sie mit! Wir freuen uns auf den Dialog. Ich habe meine Rolle auch nie so verstanden, dass wir ungerührt über die Diskussionen drü­bergehen. Ganz im Gegenteil! Wir haben hingehört, wir haben zugehört und wir haben auch reagiert. Wenn mir vorgeworfen wird, ich wolle das jetzt aus Machtgründen so, dann antworte ich ganz schlicht: Es wäre viel einfacher gewesen, sich – wie vielleicht auch manche meiner Amtsvorgänger – vorzunehmen, drei, dreieinhalb Jahre noch irgendwie drüberzuwurschteln. Wenn wir, Herbert Haupt, das ganze Regierungsteam und ich, das tun, wenn wir diese Reformen umsetzen, dann tun wir das aus ehrlicher Überzeugung und Verantwortung für das Ganze. Das sollen Sie hier im Hohen Haus und auch die Menschen an den Fernsehgeräten wissen. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.40

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Erklä­rung.

Ankündigung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Bevor ich Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer das Wort erteile, teile ich mit, dass die Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuss


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zu den „Vorgängen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Eurofighter-Kampf­jets“ einzusetzen. (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Schon wieder!)

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten geschäftsordnungsgemäß gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

Gemäß § 33 der Geschäftsordnung finden Debatte und Abstimmung nach Erledigung der Tagesordnung, und zwar im Anschluss an Debatte und Abstimmung über den An­trag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Unter­suchungsausschusses, statt.

Ich werde – da der Gegenstand beider Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungs­ausschusses parallel ist – mit den Fraktionen noch Gespräche darüber führen, ob wir die alte Praxis beibehalten, dass beide Anträge begründet werden, aber nur eine De­batte dazu stattfindet.

*****

Wir gehen nun in die Debatte zur Erklärung des Herrn Bundeskanzlers ein. Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

 


10.42

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bun­deskanzler, ich stelle fest, dass Sie mit bedeutend größerer Begeisterung über den Parteitag der SPD als über Ihre Pensionsreformvorschläge gesprochen haben. (Heiter­keit und Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Falls Sie, Herr Bundeskanzler, vorhaben, Mitglied der SPD zu werden: Gerhard Schrö­der wird sicher ein offenes Ohr für Sie haben! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Groß­ruck: Dann hätten die wenigstens einen Gescheiten dabei! – Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Aufregung bei der ÖVP? – Es sollen nicht gleich alle das Bedürfnis haben, Mitglied der SPD zu werden. Es reicht, wenn das Ihr Parteiobmann macht, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Sie will man bei der SPD eh nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Heute gilt es, zum dritten Mal zu bewerten, ob das, was die Bundesregierung vorschlägt, den eigentlichen Zielen einer Pensionsreform entspricht. Und die Ziele einer Pensionsreform stehen meiner Meinung nach in der österreichi­schen Öffentlichkeit außer Zweifel. Es geht darum, dass die langfristige Finanzierung der Pensionen gesichert ist, dass der Lebensstandard der Menschen auch im Alter gesichert wird – und dass eine Pensionsreform zu mehr Pensionsgerechtigkeit führt.

Alle Menschen, die sich mit Pensionen beschäftigen – diese Fragen sind natürlich in den letzten Tagen im Vordergrund gestanden –, fragen sich: Bekomme ich einmal eine Pension? Unter welchen Bedingungen bekomme ich eine Pension? Wie hoch wird die­se Pension sein?

Eine möglichst verlässliche Auskunft zu diesen Fragen bildet die Grundlage dafür, ob es Vertrauen in die Politik und Vertrauen in eine solche Pensionsreform gibt.

Herr Bundeskanzler, ich habe den Eindruck, dass auch nach dem, was Sie heute ge­sagt haben, dieses Vertrauen bei den vielen hunderttausend Menschen, die diese Fra­gen in den letzten Wochen intensiv diskutiert haben, nicht herzustellen ist! Und ich bringe Ihnen zwei Beispiele zu Ihren Ausführungen: Es geht um die angekündigten Kürzungen um 10 Prozent. (Abg. Dr. Bösch: Nicht Kürzung, sondern Deckelung! Das ist ein Unterschied!) Sie, Herr Bundeskanzler, weisen darauf hin, dass es bei den klei-


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neren Pensionsbeziehern die eine oder andere Maßnahme geben wird. Aber die Maß­nahmen, die Sie vorgeschlagen haben, kompensieren bei weitem nicht das, was eine 10- oder 12-prozentige Kürzung ausmacht – und das beispielsweise für Frauen im ASVG-Bereich mit einer Durchschnittspension von nicht einmal 650 €!

Die Vorschläge, die Sie, Herr Bundeskanzler, gemacht haben, reichen bei weitem nicht aus, um jene Einbußen auszugleichen, die ein männlicher Arbeitnehmer, ein durchschnittlicher künftiger Pensionist haben wird, nämlich im Ausmaß von 1 100 €!

Und da stelle ich mir schon die Frage, ob man über die Betroffenheit von Hunderttau­senden in Österreich so einfach hinweggehen kann und sagt, das sei notwendig. Fol­gender Vergleich ist schon herzustellen. Man könnte ja auch sagen – wie wir das unter anderem vorgeschlagen haben –, dass es bedeutend angebrachter wäre, wenn dieje­nigen, die heute eine hohe bezie­hungsweise sehr hohe Pension beziehen und denen dabei kein Stein aus der Krone fällt, einen 10-prozentigen Solidarbeitrag leisten wür­den, als dass die Durchschnittspensionisten in Öster­reich, Männer und Frauen, ihre Pension um 10 Prozent gekürzt bekommen. Das wäre soziale Gerechtigkeit gewesen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Abg. Großruck: Da wird der Herr Blecha keine Freude haben mit Ihnen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben gemeint, wir alle seien uns einig darüber, dass die Pension nach 45 Versicherungsjahren 80 Prozent Netto-Ersatzrate ausmachen soll. – Also wenn das tatsächlich so wäre, könnten wir sofort, und zwar in weiten Bereichen, Übereinstimmung erzielen. Der Punkt ist nur: Das, was uns bisher an gesetzlichen Grundlagen vorgelegt wurde, führt nicht dazu, dass auch die heute jungen Menschen in Zukunft, nach 45 Jahren Arbeitszeit, auch wirklich 80 Prozent Nettopension erhalten werden!

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das – darauf sind Sie, Herr Bundeskanzler, heute nicht eingegangen –, was Ihr Minister Bartenstein bei einigen öffentlichen Auf­tritten gesagt hat, der dabei meinte: Die 10 Prozent Pensionskürzung gibt es so lange, bis dass es dann das individuelle Beitragskonto gibt. – Will heißen: Wenn dieses Konto dann kommt, können die Pensionskürzungen auch höher sein als diese 10 Prozent. (Widerspruch bei der ÖVP.)

In Anbetracht der Technik Ihre Gesetzesvorschlages, nämlich alte Versicherungszeiten nicht aufzuwerten, sondern erst die künftigen, würde ich Sie, Herr Bundeskanzler, er­suchen: Schauen Sie sich doch diese Gesetzesvorlage noch einmal an, die Sie ja selbst vorgelegt haben – und dann werden Sie sehen: Das führt für junge, für unter 40-jährige Menschen leider zu bedeutend höheren Pensionskürzungen als 10 Prozent! Und wenn Sie tatsächlich 80 Prozent für alle haben wollen, dann müssen Sie das drin­gend ändern, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht natürlich auch um die Frage der Pensionsgerechtigkeit. Ich glaube, in Österreich ist die Bereitschaft der Menschen zu einer Pensionsreform und auch die Bereitschaft dazu, Opfer zu erbringen, sehr stark ausgeprägt. Aber dieser große Widerstand gegen Ihre Pensionskürzungspläne kommt doch daher, dass die Menschen – und das zu Recht! – den Eindruck haben, diese Pensionsreform ist ungerecht, ist zu hart und belastet einseitig die Arbeitnehmer.

Zum Thema „Erhöhung der Pensionsgerechtigkeit“ haben Sie, Herr Bundeskanzler, leider keinen einzigen Vorschlag gebracht. – Jeder Mensch in Österreich weiß, dass unser Pensionssystem aus unterschiedlichen Traditionen heraus, die einmal sehr wohl berechtigt waren, heute eine Reihe von Ungerechtigkeiten aufweist.


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Die Bereitschaft der Bevölkerung, ja zu einer Pensionsreform zu sagen, hängt eng da­mit zusammen, ob die Pensionen der Zukunft gerechter sein werden als die Pensionen der Vergangenheit. – Aber zu diesem Thema haben Sie leider keinen einzigen Vor­schlag gemacht, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Großruck: Harmonisierung bis Ende 2003!)

Ich sage Ihnen ganz offen: Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, wie man diese drei Reformziele – langfristige Finanzierung, Sicherung des Lebensstandards und mehr Pensionsgerechtigkeit – erreicht, ist ein einheitliches und gleiches Pensionssystem für alle Österreicherinnen und Österreicher: ein einheitliches Pensionssystem, in dem je­der Euro gleich viel wert ist, in dem es bei gleichen Beiträgen auch eine gleiche Leis­tung gibt und in dem letztendlich bestehende Ungleichheiten abgeschafft werden, so­dass es eine gemeinsame Grundlage gibt. Daher sage ich Ihnen: Pensionssicherung ist von einer Harmonisierung der Pensionssysteme nicht zu trennen. Daher sollten wir es gemeinsam machen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Irgendwie kommen natürlich Zweifel auf, nachdem Sie in den vergangenen Wochen Vorschläge vorgelegt haben, die in erster Linie bei den Arbeitnehmern, den Arbeitern und Angestellten im ASVG-Bereich, massive Kürzungen bedeuten, während gleichzei­tig die Harmonisierung eine Absichtserklärung ist. Herr Bundeskanzler, bei dieser Trennung von zwei sehr wesentlichen Angelegenheiten haben viele den Eindruck: Was jetzt beschlossen wird, ist einmal sicher, mit diesen Kürzungen können oder müssen alle in Österreich rechnen; was hingegen in Zukunft kommt und ob diese Harmonisie­rung so durchgeführt werden wird, das steht für viele in den Sternen. Ich würde sagen, diese Zweifel können Sie leicht ausräumen: Beschließen wir am selben Tag im öster­reichischen Nationalrat die Pensionssicherung und die Harmonisierung! Dann wäre es eine glaubwürdige Vorgangsweise, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich glaube, dass diese Pensionsreform-Diskussion eine wichtige Angelegenheit für die Zukunft unseres Landes ist und daher überhaupt keine Grundlage für – so meine ich – Polemiken bietet. (Abg. Großruck: Aha! Wer plakatiert „Pensionsraub“? Wer inseriert „Pensionsraub“? Die SPÖ macht es! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie sagen, alle Beispiele, die die Sozialpartner vorgelegt haben, haben Sie nachgerechnet und sie waren falsch, dann würde ich sagen: Herr Bundeskanzler, ich kann Sie nicht zur Ordnung rufen, aber wenn Sie eine ehrliche Dis­kussion führen, dann würden Sie zugestehen, dass die Beispiele, die die Sozialpartner vorgelegt haben, aus den Quellen des Hauptverbandes kommen und objektiv nachge­wiesene Zahlen enthalten und dass Sie diese mit Ihren Vokabeln von „Gräuelpropa­ganda“ und „falschen Beispielen“ nicht wegpolemisieren können. Stattdessen sollten Sie sich der Lebensrealität der Menschen stellen, die hinter diesen Beispielen steht, und das nicht mit „Propaganda“ abtun, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn Sie eine ehrliche Diskussion einfordern, dann, würde ich sagen, sollte das auch für Sie selbst gelten. Sie sagen immer, diejenigen, die Ihre Meinung teilen, sind dieje­nigen, die mutig sind; alle jene, die Ihre Meinung nicht teilen, sind nach Ihrer Darstel­lung entweder Bremser und Blockierer oder sie betreiben Gräuelpropaganda. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat nichts mit einer sachlichen Diskussion zu tun! Sachliche Diskussion heißt, dass man, wenn man in den Zielen übereinstimmt, fair überprüfen kann, ob die Instrumente, die vorgelegt wurden, auch dieser Zielsetzung entsprechen.


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Wenn bei Ihnen, bevor Sie einen neuen Vorschlag schriftlich auf den Tisch des Hohen Hauses bringen, Ihre Abgeordneten bereits fordern: Schluss der Debatte, Fristsetzung bis Freitag!, dann müssen alle den Eindruck haben (Abg. Wattaul: Gusi, jetzt wirst polemisch!), dass im Detail und im Kleingedruckten dessen, was Sie vorgelegt haben, eine Reihe von Dingen verborgen sind, und dass Sie deshalb erreichen wollen, dass zwei Tage nicht ausreichend sind, um all diese Dinge aufzudecken. Wenn Sie Mut ha­ben, dann geben Sie dem Parlament ausreichend Zeit, diese Pensionsreform zu disku­tie­ren, und ziehen Sie diese Fristsetzung zurück! (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

Wenn Sie über die Bedeutung der zweiten und der dritten Säule sprechen, dann bin ich der Meinung: Selbstverständlich haben die zweite und die dritte Säule eine Bedeutung! Die dritte Säule hat vor allem eine Bedeutung für diejenigen, die über genügend Ein­kom­men verfügen, sodass sie sich eine Eigenversorgung leisten können.

Aber seien wir doch realistisch: Wenn wir die Durchschnittseinkommen der Österrei­cher betrachten, wenn wir uns vor Augen halten, dass der normale Lebensverlauf einer Frau oder eines Mannes darin besteht, dass junge Menschen leider weniger verdienen, sich eine Wohnung anschaffen oder ein Haus bauen müssen, und dass sich die Spar­quote in Österreich meistens erst ab dem vierzigsten Lebensjahr zu entwickeln be­ginnt, dann wissen wir auf Grund der Verzinsungen, dass aus dieser privaten Säule niemals ein Teilersatz für eine den Lebensstandard sichernde Pension entstehen kann, sondern sie kann bei denjenigen, die gute Einkommen haben, eine zusätzliche Versor­gung bieten.

Was ich aber nicht verstehe, wenn Sie so sehr auf die zweite und dritte Säule beste­hen, ist, dass hier im österreichischen Parlament ein Gesetzesantrag vorgelegt wird, mit dem die Verzinsungsgarantie bei den Pensionskassen reduziert wird. Das bedeutet genau einen Schlag ins Gesicht der zweiten Säule, Herr Bundeskanzler! Das ist keine konsequente Politik, die Sie hier betreiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es uns als Sozialdemokraten nicht einfach gemacht und haben ein Modell der Fairness-Pension für alle Österreiche­rinnen und Österreicher vorgelegt. Sie haben auf ein paar Punkte durchaus Bezug ge­nommen. Dieses Modell versucht, die langfristige Finanzierung, die Lebensstandardsi­cherung und die Harmonisierung in einem großen Schritt zu bewältigen. Ich bin nach Studium dessen, was Sie uns vorgelegt haben, nach wie vor der Meinung, dass dieser  unser Vorschlag der bessere Vorschlag ist, um die Pensionen der Österreicherinnen und Österreicher zu sichern, weil er ein Vorschlag ist, der wirklich gerecht ist, fair ist und die Pensionen auch in Zukunft sichern wird. (Der Redner hält eine Broschüre mit dem Titel „Die Fairness-Pension“ in die Höhe.) Ich biete Ihnen erneut an, die Vorschlä­ge, die wir hier unterbreitet haben, zur Grundlage dessen zu machen, was Sie in einem Geset­zesvorschlag im österreichischen Parlament präsentieren sollten. (Beifall bei der SPÖ. – Vizekanzler Mag. Haupt: Kann ich eines haben?)

Ich kann das gerne für jedes Mitglied der Bundesregierung zur Verfügung stellen. Ich habe mir gedacht, der Herr Bundeskanzler kann die Verteilung vornehmen, und über­reiche es ihm daher persönlich. (Der Redner überreicht Bundeskanzler Dr. Schüssel die Broschüre.) Daher kann es dann auch der Herr Vizekanzler nachlesen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich muss, weil mir der Herr Vizekanzler freundlicherweise eine Bemerkung von hinten zuruft, aber schon Folgendes sagen (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen): Was Sie, Herr Vizekanzler, heute hier gesagt haben, steht in einem eklatanten Wider­spruch zu den Stellungnah­men der FPÖ in den letzten Wochen. Es bleibt der Eindruck


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bestehen, dass Sie erneut im Liegen umgefallen sind. Das ist sehr traurig für die Pen­sionen in unserem Land! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ und Beifall bei Abgeordne­ten der Grünen.)

10.58

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Mol­terer. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


10.58

Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Gusenbauer, es ist durchaus möglich, dass Bundeskanzler Schröder Interesse an Bundeskanzler Schüssel hat – bei Ihnen bin ich mir da nicht ganz sicher, weil mir noch in Erinnerung ist, dass Schröder zum Beispiel die Einladung zum Wahlkampfauftakt der SPÖ abgesagt hat. Er wird seine Gründe gehabt haben, Herr Abgeordneter Gu­senbauer! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sie sind falsch informiert! Leider falsch informiert!)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Sie haben gesagt, dass Sie eine sachliche Informa­tion und eine sachliche Diskussion haben wollen. Ich bin daran interessiert. Es gehört aber nicht zur Sachlichkeit, sondern in die Kategorie Polemik, wenn in dieser Woche, von der SPÖ bezahlt, Inserate erscheinen, in denen einer Abgeordneten vorgeworfen wird, Pensionskürzungen bis zu 40 Prozent verantworten zu wollen, obwohl Sie wis­sen, dass ein Verlustdeckel mit 10 Prozent eingezogen ist. (Abg. Broukal: Begrenzt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, es stellt keine sachliche Auseinandersetzung dar, wenn von der Landes-SPÖ in Oberösterreich namentlich angeführten Abgeordneten unserer Gesinnungsgemeinschaft auf Plakaten „Klau“ vorgeworfen wird. Das ist keine sachliche Auseinandersetzung, sondern pure Polemik, Herr Abgeordneter Gusenbau­er! (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Genauso wenig gehört es zur sachlichen Auseinandersetzung – ich sage Ihnen sehr offen, dass mich das persönlich auf das Äußerste irritiert hat –, was gestern vor der Bundesparteizentrale der Österreichischen Volkspartei im Zuge einer Aktion der Städti­schen Feuerwehr Wien vonstatten gegangen ist. Über Geschmacksfragen kann man immer geteilter Meinung sein, aber wenn bei dieser Aktion auch eine SPÖ-Stadträtin, Frau Brauner, anwesend ist, und wenn bei dieser Aktion der SPÖ-Landesgeschäfts­führer Kopietz anwesend ist, Herr Abgeordneter Gusenbauer, so fra­ge ich Sie: Wo bleibt denn da die Sachlichkeit! Das ist pure parteipolitische Polemik! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Skandal! – Abg. Dr. Glawischnig: Sagen Sie zu den Pensionen auch noch was?)

Meine Damen und Herren! Uns beschäftigt heute eine Erklärung des Bundeskanzlers zu einer der wichtigsten Fragestellungen für unser Land, nämlich: Wie können wir das beste Pensionssystem der Welt, das wir haben, auch in Zukunft und auf Dauer erhal­ten? Das ist eine der wichtigsten Fragen für die Menschen in unserem Lande, eine der wichtigsten Fragen vor allem für die jungen Menschen. Wir müssen in aller Offenheit und in aller Ehrlichkeit Entwicklungen ins Auge sehen, die einfach Tatsachen sind. Wer diese Tatsachen leugnet, handelt unverantwortlich.

Es ist Tatsache, meine Damen und Herren, dass die Menschen in diesem Lande eine um drei Jahre längere Ausbildungszeit haben; diese hat sich in den letzten 30 Jahren um drei Jahre erhöht. Es ist Tatsache, meine Damen und Herren, dass sich die Ar­beitszeit der Menschen in diesem Lande in den letzten 30 Jahren um insgesamt sechs Jahre verkürzt hat, und es ist Tatsache, dass die Menschen in diesem Lande – und ich


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sage Gott sei Dank – zwölf Jahre länger ihre Pension genießen können. Wer diesen Tatsachen nicht ins Auge blickt, der handelt fahrlässig, weil er die Zukunft gefährdet, weil er die Sicherheit der Altersvorsorge in Zukunft untergräbt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir dürfen die Augen auch nicht davor verschließen, dass gesunkene Kinderzahlen, gesunkene Geburtenzahlen natürlich das Verhältnis zwischen aktiven Beitragszahlern und Pensionisten verändern. Wir dürfen die Augen weiters nicht davor verschließen – und wer das tut, handelt unverantwortlich, Herr Abgeordneter –, dass derzeit nur etwa 3 Prozent aller Menschen zum gesetzlichen Pensionsalter in Pension gehen und 97 Prozent aus unterschiedlichen Gründen früher. Wir können diese Tatsachen nicht wegreden, wir können diese Tatsachen aber vor allem auch nicht wegstreiken, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Hier den Kopf in den Sand zu stecken, würde Gefahr für die Zukunft bedeuten. Zu lange ist das in diesem Lande geschehen! Sepp Wille ist heute schon mehrfach zitiert worden. Ich verwende nur einen Satz und den vollständig. Er lautet – ich zitiere –: So sind mehr als 15 Jahre verschlafen worden. Oft greift die Politik eben erst dann, wenn sie die Tatsachen dazu zwingen. – Zitatende.

Wir handeln, meine Damen und Herren! Wir handeln verantwortungsvoll, wir handeln zeitgerecht. Wann, wenn nicht jetzt, ist Zeit zu handeln? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bedanke mich daher ausdrücklich bei Bundeskanzler Dr. Schüssel und bei Vize­kanzler Herbert Haupt, dass Sie den Mut hatten und haben, dieses heiße Eisen in einer Art und Weise anzugreifen, dass wir heute sagen können: Es liegt ein Konzept vor, das der Zielsetzung nachhaltige, soziale und gerechte Sicherung der Altersvor­sorge tatsächlich entspricht. Diese Vorlage, dieses Konzept, wird die Zukunft für die jungen Menschen genauso sicherstellen wie für jene, die bereits jetzt den Ruhestand genie­ßen können. Verantwortungsvolle Politik für Österreich, das ist das Motto, meine Da­men und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich ist die Frage berechtigt, und ich halte das für eine der wichtigsten Diskussio­nen, wie die Gesamtkonzeption langfristig aussieht. Die Menschen haben ein Recht darauf, das zu wissen. Ich denke, wir haben die einzig richtige Zielsetzung gewählt, nämlich auch in Zukunft eine starke, umlageorientierte, staatlich organisierte erste Säu­le der Altersvorsorge als tragende Säule, als Rückgrat der Altersvorsorgung zu haben. Aber es ist ganz klar, dass zu dieser ersten Säule eine zweite und eine dritte Säule ergänzend dazu kommen müssen. Ich verstehe nicht, dass diese zweite und dritte Säule dort oder da in Frage gestellt werden.

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Sie und die SPÖ haben damals auch dank der Initiati­ve der Sozialpartner die „Abfertigung neu“, die Mitarbeitervorsorge mitverhandelt, eine Idee, die aus den Reihen der Österreichischen Volkspartei gekommen ist. Sie ist Reali­tät, sie ist Wirklichkeit! Reden Sie nicht etwas schlecht, was positiv für die Zukunft wirkt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer! Wir haben mit der Allgemeinen Zukunftsvorsorge in der letzten Legislaturperiode den generellen Durchbruch für die dritte Säule geschaf­fen. Was wir jetzt mit der Veränderung im Pensionskassengesetz machen, ist, dass die Pensionskassen ihre Aufgaben für die Sicherung der dritten Säule auch dann wahr­nehmen können, wenn auf Grund wirtschaftlicher Entwicklungen Schwankungen in den Erträgen von Veranlagungen eintreten. Würden wir das jetzt nicht machen, dann wür­den wir tatsächlich diese dritte Säule gefährden. Nein, wir handeln jetzt, wir handeln verantwortungsvoll und wir handeln richtig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)


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Auf dieser Konzeption aufbauend, meine Damen und Herren, ist klar, dass wir nachhal­tig und sozial gerecht in zwei Schritten die Altersversorgung langfristig absichern. Sie, Herr Abgeordneter Gusenbauer, haben die Frage gestellt: Warum zwei Schritte? Dazu kann ich Ihnen sagen, dass wir in der Pensionssicherungsreformkommission von Pro­fessor Rürup genau erklärt bekommen haben – und ich halte das für richtig –, dass es notwendig ist, in zwei Schritten vorzugehen, und zwar jetzt die notwendigen Anpas­sungen zielgerichtet vorzunehmen und in einem nächsten Schritt die Harmonisierung vorzulegen. Das werden wir tun.

Bei Ihnen, Herr Abgeordneter Gusenbauer, bin ich mir nicht mehr ganz so sicher. Ich erinnere mich, in der letzten Woche in einem Interview gelesen zu haben, dass die SPÖ nicht mehr bereit wäre, den Weg der Harmonisierung mitzugehen. Was gilt jetzt? Gilt das, was Sie bisher gesagt haben, oder verabschieden Sie sich aus der Verant­wortung? (Abg. Gradwohl: Das ist selektive Wahrnehmung!) Wir werden das nicht tun, wir werden die Harmonisierung der Pensionssysteme einheitlich und gerecht vorlegen.

Ich sage Ihnen auch meinen sehr persönlichen Zugang dazu: So wie wir eine Pensi­onssicherungsreform machen müssen, damit das Generationenband, der Generatio­nenvertrag hält, genauso müssen wir eine Harmonisierung der Pensionsrechte durch­führen, damit die Solidarität zwischen den Berufsgruppen hält, damit Gerechtigkeit zwi­schen den Berufsgruppen gegeben ist. Sie können sich darauf verlassen, meine Da­men und Herren, dass diese Bundesregierung die Harmonisierung der Pensionsrechte mit den vom Bundeskanzler vorgegebenen und heute dargelegten Eckpunkten, zu de­nen die Sozialpartner ja gesagt haben, auch umsetzen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir warten aber nicht so lange, Herr Abgeordneter Gusenbauer, meine Damen und Herren, wir handeln jetzt, wir handeln mit den notwendigen Anpassungen richtig und zielgerichtet – auch zielgerichtet vor der Harmonisierung. Warum? Die Anhebung des Durchrechnungszeitraums – aus meiner Sicht eine wichtige Frage der Gerechtigkeit – auf 40 Jahre gilt für alle und ist in Wirklichkeit ein systemimmanent wichtiger Schritt zur Harmonisierung und zur Vorbereitung der Harmonisierung. Wir handeln richtig und sozial gerecht, wenn wir das vorzeitige Pensionsantrittsalter schrittweise auf 65 Jahre für alle anheben, und zwar auch in Richtung Harmonisierung richtig und zielgerichtet. Wir handeln sozial gerecht, wenn wir die Abschläge einheitlich mit 4,2 Prozent festle­gen, weil das ebenfalls zielgerichtet auf die Harmonisierung verweist. Und wir handeln sozial gerecht und richtig, wenn wir die Steigerungsbeträge in fünf Jahresschritten von 2 Prozent auf 1,78 Prozent absenken, und zwar richtig, sozial gerecht und zielgerichtet auch in Richtung Harmonisierung.

Selbstverständlich haben wir als Ergebnis dieser Diskussion der letzten Wochen, die in allen politischen Gruppen geführt wurde und die natürlich auch in der Öster­reichischen Volkspartei intensiv geführt wurde, ein Paket vorliegen, bei dem wir etwa mit der Ge­samtbegrenzung der möglichen Verluste auf 10 Prozent auf einen der Kritik­punkte rea­giert haben: Ja, wir haben die Anregungen ernst genommen und setzen sie auch um! Wenn jetzt aber von den Sozialdemokraten der Eindruck vermittelt wird, dass die De­ckelung in Frage gestellt wird, dann frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie: Was wollen Sie? Wollen Sie die Verluste begrenzen? – Dann sagen Sie ja zu dieser Deckelung! Wenn Sie die Deckelung ablehnen, dann heißt das in Wirk­lichkeit, dass Sie, was die Verluste betrifft, nach oben hin offen sind! Ihr Experte hat zum Beispiel gesagt, 15 Prozent wären vertretbar. Wir hingegen sagen: 10 Prozent sind genug! Das ist unsere Antwort. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben nicht nur für die so genannten Hackler jetzt eine vernünftige und gute Rege­lung, sondern wir haben eine Dauerregelung für die Schwerstarbeiter in Zukunft abge­sichert.


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Wir haben für die Frauen ein umfassendes Paket, in dem die berechtigten Ansprüche und die berechtigten Einwendungen, die von den Frauen an uns herangetragen wor­den sind, entsprechend umgesetzt werden und diesen Sorgen Rechnung getragen wird. Danke auch für diese Anregungen, meine Damen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben im Bereich der Bezieher kleiner Pensionen eine entsprechende Schwer­punktsetzung in Kombination mit der Steuerfreiheit von 14 500 € mit einem Modell der Pensionsanpassung, das besonders auf die Bezieher von kleinen Pensionen eingeht. Und wir haben etwa mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz genauso richtig gehandelt wie mit dem Paket für die älteren Arbeitnehmer und den Arbeitsmarkt.

Die Politiker werden selbstverständlich genauso dieser Reform unterzogen. Ich beken­ne mich dazu, dass wir zusätzlich zu den notwendigen Schritten auch vorsehen, dass jene Politiker, die höhere Pensionen haben, ein Solidaropfer erbringen. Mit einer Höhe von 15 Prozent ist dieses Solidaropfer meiner Ansicht nach richtig und gerechtfertigt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich, was den Verlauf der letzten Tage betrifft, einen Appell an den Gewerkschaftsbund richten: Sie, meine Damen und Herren vom Gewerkschaftsbund, haben den Verhandlungstisch verlassen. Sie haben sich für einen Streik entschieden. Das ist legitim. Sie haben damit aber auch die gemeinsame Linie der Sozialpartner verlassen – darauf möchte ich be­sonders aufmerksam machen!

Das Ergebnis der letzten Tage und Stunden zeigt aber: Wer verhandelt, wer den Dia­log führt, der bringt etwas weiter! (Abg. Gradwohl: Legt es einmal auf den Tisch, und dann reden wir weiter! Legt einmal auf den Tisch, was ihr verhandelt habt!) Wer ver­handelt, bringt gute Ergebnisse zustande. Wer streikt, begibt sich hingegen ins Abseits und steht in der Sackgasse. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe Interessenvertretung immer so verstanden, dass es selbstverständliche Pflicht ist, die Interessen der Mitglieder zu vertreten, dass es aber genauso selbstverständliche Pflicht ist, die Interessen der Allgemeinheit in den Mittelpunkt zu rücken – und nicht wegen Gruppeninteressen die Interessen des Staa­tes in Frage zu stellen. Das ist mein Verständnis und unser Verständnis von Interes­senvertretung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.14

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen das Wort ergreift, ist kurz Folgendes abzuklären:

Wie Herr Präsident Dr. Khol bekannt gegeben hat, liegt ein Antrag Dr. Cap auf Einset­zung eines Untersuchungsausschusses nach § 33 GOG und ein Antrag Dr. Pilz vor. Nach Rücksprache mit den betroffenen Fraktionen und nach Studium der beiden An­träge, die im Kernpunkt sehr Ähnliches betreffen, könnten wir – ohne Präjudiz – festle­gen, dass beide Fraktionen das Wort zur Begründung mit je 10 Minuten erhalten und dann eine gemeinsame Debatte über die beiden Anträge durchgeführt wird.

Da es dagegen, wie ich annehme, keinen Einwand gibt, werden wir so vorgehen.

*****

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte.

 


11.15

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Da­men und Herren! Es gibt Dinge, über die man streiten muss, soll und kann, und andere,


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über die man nicht zu streiten braucht. So hat Bundeskanzler Schüssel auf einige Din­ge hingewiesen, die natürlich unbestreitbar sind, die aber auch von uns nie bestritten wurden.

Es ist wahr, dass wir im Laufe der nächsten Jahrzehnte – nicht nur in Österreich, son­dern auch in anderen Ländern Europas, in den meisten Ländern Europas – ein Finan­zierungsproblem bekommen werden. Das stimmt schon. Die Zahl der 60-Jährigen, der 80-Jährigen wird in den nächsten 20 , 30, vielleicht 40 Jahren zunehmen, dann wird sich das nach den Vorhersagen und Prognosen etwas einpendeln. Und – was uns vor min­destens ebenso große Probleme stellt –: Die Zahl der Menschen zwischen 15 und 65 Jahren, also jener im erwerbsfähigen Alter, wird in Österreich deutlich abnehmen.

Das stellt natürlich das Pensionssystem vor erhebliche Probleme, aber nicht nur das Pensionssystem: Auch im Gesundheitssystem werden wir rechtzeitig Vorsorge zu tref­fen haben. Insbesondere im Bereich der Pflege wird einiges an Herausforderun­gen auf uns zukommen. – Das ist alles unbestritten. Man kann sich darüber unterhal­ten, wie groß sozusagen die Bandbreite der Fehler ist, ob es bei den über 65-Jährigen oder bei den 15- bis 65-Jährigen um 100 000 mehr oder um 100 000 weniger sein werden, aber von der Tendenz her ist diese Entwicklung unbestreitbar.

Aber, meine Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Die Antwort darauf blieben Sie schuldig! Was ist also das neue Pensionssystem des Jahres – denken wir 30 Jahre voraus – 2033? Wie sieht denn dieses neue Pensionssystem aus? – Genau darauf bleiben Sie die Antwort schuldig! (Abg. Dr. Brinek: Die Gewerkschaft auch! Aber die Gewerkschaft bleibt es auch schuldig! Die inseriert nur!) Alles, was ich seit Wochen und Monaten höre und was ich auch heute wieder gehört habe, ist das Schlagwort „Harmonisierung“. – Schön und gut. Jeder ist für Harmonisierung, auch wenn nicht zuletzt Kollege Neugebauer von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst schon darauf aufmerksam macht: Das sagt sich leicht, da wird es aber erhebliche Fra­gen zu lösen geben! So etwa die Erhöhung der Aktivgehälter, die Erhöhung der Gehäl­ter insbeson­dere der bis zu – weiß ich nicht – 35-Jährigen und so weiter und so fort. Das ist also nicht so einfach. Aber Sie geben die Antwort auf diese offenen Fragen nicht! Sie geben zumindest hier und heute – und auch im Laufe der nächsten Wochen, muss ich wohl annehmen – an die jetzt 20-Jährigen, 30-Jährigen, 35-Jährigen nicht die Antwort auf die Frage, wie das Pensionssystem der Zukunft aussehen soll. (Beifall bei den Grü­nen.)

Alles, was Sie machen, ist, Maßnahmen vorzuschlagen, wie das jetzige Pensionssys­tem an dieser oder jener Stelle in seinen – wie soll ich sagen? – Auswirkungen gekürzt und reduziert werden soll. Das ist alles! Das nenne ich aber, das Pferd beim Schwanz aufzuzäumen. Genau das ist eines der Probleme, das die neue Bundesregierung schon seit ihrem Amtsantritt Anfang März begleitet.

Noch etwas, Herr Bundeskanzler Schüssel: Die Veränderung der Alterspyramide ist uns allen als Herausforderung bewusst. Aber Sie haben vergessen hinzuzufügen, dass hier und jetzt, in den letzten zwei, drei Jahren und – sagen wir es einmal vorsichtig – für die kommende Zeit nicht das staatliche Pensionssystem in einer akuten Krise ist, nicht das Umlageverfahren in einer akuten Krise ist, dass es vor allem nicht in Öster­reich in einer akuten Krise ist. (Abg. Mag. Posch: Die Regierung ist in einer akuten Krise!) – Die Regierung ist auch in einer akuten Krise. Das ist ein guter Zwischenruf. Danke. (Abg. Scheibner: Also, das haben Sie nicht notwendig! – Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.)

Worauf ich hinauswollte, ist aber eigentlich: Das private Vor­sorgesystem, die privaten Pensionskassen, die sind in einer akuten Krise, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Ich erinnere Sie nur – Sie haben das mit Sicherheit auch gesehen – an die Titelge­schichte des „Economist“ in seiner Ausgabe von vor zwei oder drei Wochen – des in diesem Fall, so glaube ich, zuverlässigen „Economist“, der als liberal – manche sagen: neoliberal; ich sage: ein bisschen „altbacken liberal“ – und als eine ökonomisch ver­lässliche Zeitschrift gilt. Wenn diese Zeitschrift darauf hinweist, dass das Pensionskas­sensystem international in der Krise steckt, dann steckt es in der Krise!

Und jeder hier im Raum, hier im Nationalrat, der in eine Pensionskasse Beiträge ein­zahlt – ich nehme an, das ist mindestens die Hälfte der Abgeordneten –, weiß, was das heißt, nämlich im letzten Jahr ein Kapitalstockverlust von 10 Prozent. Man hat zwar eingezahlt, aber die versprochene Pension – wenn man denn einmal 65 werden soll­te – wird gesenkt. Das sind die Risken der privaten Vorsorge, das sind die Risken der zweiten und dritten Säule, die von Regierungsseite dauernd beschworen werden.

Ich bin nicht dagegen, diese zweite und dritte Säule sozusagen nebenbei weiterzufüh­ren, weil wir ja sehen, welche Risken das staatliche System für die Betroffenen birgt, aber nicht, weil es inhärent riskant ist, sondern weil die Regierungsparteien es so handhaben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Der Ein­zelne allerdings ist diesem Risiko ausgeliefert.

Noch etwas, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Man kann schon über die zweite und dritte Säule – das heißt, die Betriebskassen beziehungswei­se die private Vorsorge über Versicherungen, über Pensionskassen, aber im Wesentli­chen eben börseorientierte Vorsorgeformen – reden, aber reden Sie den Leuten nicht ein, dass das billiger ist! Zahlen wird die junge Generation auf jeden Fall: die jetzigen Pen­sionsbeiträge, vielleicht sogar etwas höhere, und die privaten Vorsor­gemaßnahmen, die Sie vorschlagen. (Abg. Scheibner: Das ist richtig! Weil zu spät gehandelt wurde!) – Aber fallen diese Beiträge vom Himmel? Der Euro, der bezahlt werden muss, ist für den Betroffenen 1 € und senkt das verfügbare Einkommen, ganz gleichgültig, ob er in das staatliche Pensionssystem eingezahlt wird oder in ein priva­tes.

Der private Handlungsspielraum, wenn Sie so wollen, wird nur für diejenigen größer, die sich das auch leisten können – das sind etwa die 183 Abgeordneten hier im Haus. Aber angesichts einer derzeitigen Pensionshöhe von – was habe ich heute gelernt? –unter 1 000 € für 60 Prozent der ASVG-Pensionisten verschonen Sie mich mit privaten Vorsorgemaßnahmen in diesem Bereich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn jemand so wenig Pension bezieht, dann muss er auch ein entsprechend gerin­ges Einkommen gehabt haben und kann sich diese private Vorsorge gar nicht leisten! Darauf müssen wir, das heißt die Politik, einfach Rücksicht nehmen! Und daran appel­liere ich, appellieren wir daher wöchentlich, täglich – aber erfolglos, muss ich sagen.

Es gibt zwar einzelne Abgeordnete, sogar Staatssekretärinnen der FPÖ, die gesagt haben: Na ja, jetzt haben wir bemerkt, wir haben da ein Problem, es gibt ja so viele Menschen, die 1 000 € oder weniger an Pension beziehen, und diese müssen daher von diesen Kürzungsmaßnahmen ausgenommen werden, sie dürfen von der Decke­lung daher gar nicht betroffen sein! Aber was passiert? – Ich habe der Äußerung von Bundeskanzler Schüssel heute nicht entnommen, dass das der Fall ist. (Abg. Scheib­ner: Warten Sie auf den Vizekanzler!) – Ich warte auf den Vizekanzler, auf die mündli­che Erklärung des Vizekanzlers. (Abg. Brosz: Das wird sicher klar sein! – Abg. Mag. Kogler: In aller Klarheit!)

Das ist eine sehr nette Bemerkung, Herr Kollege Scheibner, macht aber gleichzeitig auf ein Grundproblem dieser ganzen Debatte aufmerksam: Wir haben eine mündliche Erklärung des Bundeskanzlers gehört, nach mir wird es eine mündliche Erklärung des Vizekanzlers geben (Abg. Scheibner: Dann kommen noch 50 Redner!) – nur: schrift­lich haben wir bis zur Stunde nichts, gar nichts! (Abg. Gaál: Das ist eine Missachtung


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des Parlaments!) Gar nichts: Wir haben keinen Abänderungsantrag – und in diesem Punkt kann ich dem Kollegen Neugebauer von der GÖD nur zustimmen, wenn er sagt: Ich rede nur über das, was schriftlich vorliegt. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Warum reden Sie dann?) – Ich kann nicht nur über das reden, was schriftlich vorliegt, weil die Geschäftsordnung des Nationalra­tes zu solchen Erklärungen eine Debatte vorsieht – was prinzipiell gut ist, aber über etwas zu reden, worüber man keine schriftlichen Informationen hat, bei dem man nicht weiß, ob man glauben soll – zur Gänze, zur Hälfte oder gar nicht –, was einem von Regierungsseite gesagt wird, das ist schon ein bisschen schwierig. (Abg. Mag. Mol­terer: Sind Sie an einer Diskussion ... interessiert?)

Halten Sie mich nicht für zu misstrauisch, Herr Kollege Molterer, aber ich bin ein ge­branntes Kind! Ich darf Sie daran erinnern, dass es nur wenige Wochen her ist, dass Finanzminister Grasser von der Regierungsbank aus (Abg. Brosz: Molterer auch!) und viele andere Kollegen und Kolleginnen von den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ im Ernst behauptet haben, dass die Ausgaben für Bildung und Wissenschaft im Jah­re 2004 um 800 Millionen € steigen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Nicht schon wieder das­selbe!)

In diesem Fall war es ein Glück, dass wir 24 Stunden Zeit hatten, uns die Daten ein bisschen anzuschauen, zu fragen: Kann das stimmen? Stimmt das überhaupt?, und feststellen mussten: Es stimmt überhaupt nicht! Diese 800 Millionen € bei den Bil­dungs- und Wissenschaftsausgaben sind kein buchhalterischer Trick – denn was in den Unterlagen angeführt wurde, war vollkommen korrekt –, sie sind vielmehr eine Chimäre: Sie existieren nicht! Die Universitäten bekommen heuer 100 Millionen € we­niger, nächstes Jahr werden sie ungefähr auf dem Stand von 2002 sein.

Das war die Erfahrung von vor wenigen Wochen. Und jetzt? Ich frage mich ja, wie viele der hier anwesenden Abgeordneten von ÖVP und FPÖ überhaupt wissen, was in die­sem berühmten Abänderungsantrag, wenn er denn eines Tages kommt, wirklich genau stehen wird. Das frage ich mich im Ernst! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie gehen hier blauäugig an dieses Rednerpult und behaupten irgendetwas, von dem Sie hoffen, dass es schon irgendwie stimmen wird, weil es der Bundeskanzler und der Vizekanzler hier auch behaupten. Echte Informationen haben die meisten von Ihnen von ÖVP und FPÖ genauso wenig wie ich, muss ich leider befürchten.

Sie tun mir ja ein bisschen Leid. (Abg. Mag. Prammer: Aber nur ein bisschen!) – Für die Oppositionsparteien ist es normales, trockenes Brot, zu spät zu erfahren, was eigentlich geplant ist. Wirklich klassisch war der heutige Versprecher – das will ich ein­mal annehmen – von Vizekanzler Haupt, der davon gesprochen hat, dass wir die Un­terlagen 48 Stunden vor der Ausschusssitzung erhalten werden. Dazu muss ich sagen: Die Ausschusssitzung findet morgen Früh um 10 Uhr statt; nun ist es 11.30 Uhr – es können sich diese 48 Stunden bis morgen nicht wirklich ausgehen. (Abg. Scheibner: ... 24 Stunden!) – Herr Kollege Scheibner von der FPÖ! Es gehen sich auch die ver­sprochenen 24 Stunden nicht aus (Abg. Scheibner: Doch, doch! Das wissen Sie, dass wir um 10 Uhr die Luftraumüberwachung haben!) – sie gehen sich wieder nicht aus! Das ist die Informationspolitik von ÖVP und FPÖ! (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es war jetzt seitens der Regierungsbank und der Kollegen von ÖVP und FPÖ viel davon die Rede, dass das eine oder andere ohnehin entschärft werden wird. – Das werden wir sehen, irgendwann werden wir es ja nachlesen können.

Aber: Dass Sie sozusagen freiwillig, kraft besserer Einsicht, kraft Erleuchtung über ir­gendein Wochenende draufgekommen sind, dass das eine oder andere vielleicht doch ein bisschen entschärft werden sollte – zum Beispiel die Deckelung auf 10 Prozent


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setzen und nicht auf 20 oder 30 Prozent oder mehr –, das ist Ihnen nicht von ungefähr gekom­men, das war der so genannte – die Formulierung stammt von Ihnen von ÖVP und FPÖ – Druck der Straße! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es waren die Gewerkschaften, die mit ihren Aktionen diesen Druck erzeugt haben, die Sie überhaupt erst zum Nachdenken gebracht haben. (Widerspruch bei den Freiheitli­chen.) – Na sicher! Okay, sagen wir es so: Nachdenken tun Sie immer – nehme ich einmal an –, aber dieses Nachdenken hätte ohne diese Aktionen zu keinen Konse­quenzen geführt! Das ist der Punkt.

Und all das geschah vor dem Hintergrund – daran muss ich Sie schon erinnern –, dass mit dem Gerede vom – diese drei Worte bleiben mir in Erinnerung – Druck der Straße immer wieder fatale Assoziationen erweckt wurden.

Ich gehe gerne auf der Straße, ich finde daran nichts Ehrenrühriges. Was Sie damit erzeugen wollten, ist eine ganz andere Assoziation, nämlich so etwas wie Ra­dau, Ge­sprächsverweigerung. – Aber das ist ja alles nicht wahr! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir erinnern uns noch an die Donnerstagsdemos!) Sie wissen, dass Sie damit nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch all jene Hunderttausenden von Leuten, die mit Recht empört waren, gestreikt und demonstriert haben, diskreditieren und damit sozusagen Druck wegnehmen wollten, bis Sie es nicht mehr tun konnten. Und ich finde es sehr bedenklich, was da passiert ist!

Einmal mehr zur Erinnerung: Das Streikrecht ist ein Grundrecht, in Österreich und an­derswo! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Man kann natürlich immer darüber reden, wie das bei einzelnen Berufsgruppen ist – man kann und sollte vielleicht auch bei den Beamten darüber reden, wie das mit dem Streikrecht ist –, aber wenn ausgerechnet jener Finanzminister, der nichts dabei findet, einen ungedeckten Scheck über 2 oder – je nach Interpretation – 4 bis 5 Milliarden € im Zusammenhang mit den Abfangjägern auszustellen, seinen Vertragsbediensteten sagt: Aber nicht einen Cent gibt es für diesen Tag, wenn ihr streikt!, dann finde ich das schon sehr eigenartig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.)

Das Streikrecht ist ein Grundrecht, darüber gibt es überhaupt nichts zu diskutieren! Ein Recht, ein Grundrecht auf Abfangjäger, ein Grundrecht, dafür einen ungedeckten Scheck von 5 Milliarden € auszustellen, gibt es für den Finanzminister nicht! (Neuerli­cher Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie werden am Nachmittag noch Gelegenheit haben, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, uns zu erklären, wie Sie das genau meinen, wie das Bundeskanzler Schüssel genau meint. Er hat heute gesagt: Bei den Alt-Politikerpensionen – ich bin ja nicht betrof­fen – wird 1 : 1 übernommen, was im ASVG gemacht wird. – Na das schaue ich mir an, da bin ich wirklich gespannt. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Vier Jahre An­wartschaft bei Bundesministern, im ASVG 15. Wird das 1 : 1 über­nommen? Durch­rechnungszeit, wird das auch nur mit einem Monat übernommen statt mit 40 Jahren? (Zwi­schenruf.)

Entschuldigung, meine Redezeit ist schon zu Ende, aber Sie werden Gelegenheit ha­ben, wirklich in extenso zu erklären, ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz! – Ich war so fasziniert, ich habe nicht aufgepasst. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

 


Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (fortsetzend): ..., wie Sie bei diesen Zusatzpensionen für Altpolitiker die ASVG-Kürzungen 1 : 1 übernehmen wollen. Kein Wort wird davon wahr sein. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

11.31

 



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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Glei­che Redezeit von 15 Minuten. – Bitte.

 


11.31

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Van der Bellen, Sie haben gesagt, die Abgeordneten der Regie­rungsfraktionen tun Ihnen Leid, weil Sie annehmen, dass sie die Entwürfe und Vorla­gen zur Pensionsreform nicht kennen. – Herr Abgeordneter Van der Bellen! Unse­re Abgeordneten brauchen Ihnen nicht Leid zu tun, denn es geht hier weniger um das Kennen oder Nichtkennen, sondern darum, inwieweit man mitgearbeitet hat (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen) bei der Reform. (Beifall bei den Freiheitli­chen.) Unsere Abgeordneten kennen nicht nur diese Anträge, sondern sie haben auch bei deren Erstellung mitgearbeitet. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Sie haben diese Abänderungsentwürfe entworfen und mitgestaltet, und das hätten wir uns auch von Ihnen erwartet in den vielen Stunden der Ausschussberatungen, die wir bis jetzt hatten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Gusenbauer, Sie haben von Vertrauen der Bevölkerung in die Poli­tik gesprochen, das wichtig ist, und in die Pensionsreform. Diesbezüglich gebe ich Ihnen vollkommen Recht: Es ist notwendig und wichtig, der Bevölkerung Vertrauen zu geben dahin gehend (Abg. Öllinger: Da sind Sie geeignet dafür!), dass sich die Politik, dass sich die Regierung und auch das Parlament um die wichtigen Anliegen der Be­völkerung auch der Zukunft kümmern.

Das ist auch notwendig, denn in der Bevölkerung trifft man, wenn man mit ihr spricht, zwei Positionen an: die Angst der Pensionisten, dass ihre Pensionen nicht gesichert sind, und die eher fatalistische Einstellung bei vielen Jungen, die sagen: Ich werde in 20, 30 Jahren sowieso keine Pension mehr bekommen. (Abg. Dr. Puswald: Da haben sie Recht!) – Das ist die Angst.

Ja, da haben sie Recht, das sagen Sie zu Recht, denn das ist das Ergebnis von 30 Jahren sozialdemokratischer Sozialpolitik in diesem Bereich, die solch eine Stim­mung hat entstehen lassen. Da haben Sie vollkommen Recht. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.) Aber da sollten Sie nicht herunterrufen, sondern ein bisschen mehr Selbstkritik üben, darüber nachdenken, warum solch eine Stimmung entstehen konnte.

Und genau deshalb, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sagen wir heute: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Altersvorsorge muss wiederhergestellt werden (Abg. Öllinger: Das haben Sie ja ruiniert!), denn es ist ein Grundprinzip des Sozialstaates, dass die Jungen Vertrauen haben, dass auch sie ihren Lebensabend sozial abgesichert gestalten können. (Abg. Mag. Wurm: Sie haben das Vertrauen er­schüttert!)

Es ist auch ein wichtiges Prinzip des Generationenvertrages, dass wir den Pensionis­ten sagen: Wir greifen in eure Rechte, in eure Pensionen nicht ein! – Das ist auch ein wichtiges Prinzip dieser Pensionsreform, und das sollten Sie auch zu Ihrer Politik ma­chen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Man kann nicht einfach nur das machen, was Sie und die Sozialpartner vorgeschlagen haben, nämlich die Pensionsbeiträge ganz einfach zu erhöhen. (Abg. Dr. Puswald: Stimmt ja nicht!) – Natürlich gab es auch am Runden Tisch den Vorschlag (Abg. Dr. Puswald: Stimmt ja nicht! Nein!), die Pensionsbeiträge zu erhöhen. Das ist nicht die richtige Politik!


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Wir zeigen den Pensionisten: Wir sichern die Altersvorsorge, keine Eingriffe in beste­hende Pensionen mit Ausnahme der Politikerpensionen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Wir müssen ehrlich sein in diesem Bereich. Es geht um Ehrlichkeit, Herr Abgeordneter und Klubobmann Gusenbauer, darum, dass man vor allem der jüngeren Generation eben nicht weismachen will, dass es schon irgendwie gehen wird, dass man ihr nicht sagt: Ihr werdet schon sehen, was in 20, 30 Jahren ist (Abg. Dr. Gusenbauer: Das sagt ja niemand!), und außerdem ist keine durchgreifende Reform notwendig!

Es ist eine Reform notwendig, und wir müssen sie jetzt machen, denn es ist ohnehin sehr spät.

Wenn Sie – wie wir heute gehört haben – Ihren Vorgängern in der Sozialdemokra­tie gefolgt wären, die bereits vor zehn, 15 und 20 Jahren eine durchgreifende Reform im Pensionssystem gefordert haben (Abg. Dr. Puswald: Wo war da die ÖVP?), dann könnten wir jetzt diese Umstellung leichter bewerkstelligen. Je später, desto schwieri­ger ist es, je später, desto massiver müssen die Umstellungsschritte sein. Deshalb: Machen wir sie jetzt, und schieben wir sie nicht – so, wie Sie das wollen – auf künftige Jahre und Generationen ab! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es war nicht ehrlich – und die Vertrauenskrise ist ja deshalb entstanden –, die berühmten Vranitzky-Briefe an die Pensionisten zu schreiben, in de­nen vor der Wahl versprochen wurde: Wenn die SPÖ gewählt wird, dann gibt es Erhö­hungen für die Pensionisten, dann gibt es keine Einschränkungen, wenn aber die an­deren gewählt werden, dann gibt es Einschränkungen! – Die Pensionisten haben das in ei­nem hohen Ausmaß geglaubt. Und was war das Ergebnis? – Wenige Tage nach der Wahl sind von der Sozialdemokratie schon Kürzungen bei den Pensionen ange­kündigt worden. (Abg. Mag. Wurm: Abfangjäger!) 1996, 1997: Null Prozent Erhöhung bei den Pensionen. Das sind Eingriffe in die bestehenden Pensionen, meine Damen und Her­ren von der Sozialdemokratie, die wir ablehnen. Wir garantieren den Pensio­nisten, dass der Lebensstandard auch in Zukunft gesichert ist. (Abg. Dr. Puswald: Welcher Standard?) Das ist die Politik, die man von einer Regierung, in die man Ver­trauen ha­ben kann, erwartet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Für die künftigen Generationen – Herr Abgeordneter Gusenbauer, ich habe Ihrem De­battenbeitrag entnommen, dass wir uns da sogar finden würden – ist die Harmonisie­rung der Pensionssysteme vorgesehen. Ja, selbstverständlich, das ist notwendig, es soll in Zukunft nur mehr ein Pensionssystem für alle Beschäftigten geben, keine Son­derpensionsrechte mehr bei den Sozialversicherungen, bei den Österreichischen Bun­desbahnen, im Beamtendienstrecht. Nein, diese Sonderpensionsrechte müssen abge­schafft werden. Hoffentlich sind Sie dann auch bereit, bei den ÖBB die Son­derpen­sionsrechte abzuschaffen, nämlich dass man schon mit Mitte 50 in Pension geht; auch bei den Sozialversicherungen, wo man weit über das ASVG hinausgehend Pensionen bekommt, und in anderen Institutionen, wo Sie ganz gern Ihre Funktionäre und Ihre Beschäftigten unterbringen. Ein Pensionssystem für alle, das ASVG für alle, das muss das Prinzip eines wirklich harmonisierten Pensionsrechts sein. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Van der Bellen, Sie haben gesagt, da hätten Sie noch nichts gehört: Das ist jetzt auch Sache der Parlamentarier. Arbeiten wir an einem Antrag! (Abg. Öllin­ger: Fristsetzungsantrag!) Arbeiten wir an einem Entschließungsantrag, kommen Sie wieder in die Verhandlungsgruppe (Abg. Sburny: Gebt einmal das Papier her!), und erarbeiten wir gemeinsam bis zur zweiten Lesung diesen Entschließungsantrag, in dem wir die Eckpunkte der Harmonisierung festlegen, in dem wir auch Zeithorizonte festlegen. Nicht sofort, wie es Abgeordnete Bures verlangt hat, nämlich für alle sofort –


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denn was würde das bedeuten? Das ist doch nicht ernst gemeint, und wir müssen ernsthafte Reformen machen. Das würde ja bedeuten, dass man heute 55-, 56-Jährige sofort in ein neues System überführt, unabhängig davon, wie viel sie bis jetzt im Ver­trauen auf ihre Pension eingezahlt haben. (Abg. Dr. Gusenbauer: Stimmt nicht! Erzäh­len Sie nicht solchen Unsinn!) Das ist doch nicht wirklich vernünftig und auch nicht machbar.

Wir wollen es nächstes Jahr einführen, wir wollen, dass alle neu Eintretenden und jün­geren Arbeitnehmer ein einheitliches Pensionssystem haben. Da sind Sie gefordert, da sind Sie eingeladen mitzuarbeiten. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist verschoben auf 2033!) Ich bin schon sehr gespannt darauf, ob Ihre diesbezüglichen Ankündigungen Realität werden, wenn es darum geht, diese Harmonisierung durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Wenn es darum geht, ein Drei-Säulen-Modell einzuführen, wie wir das seit Jahren verlangen, geht es nicht darum, die staatliche Säule abzuschaf­fen. Nein, sie muss auch in Zukunft die Grundsäule, das Fundament für die Altersvor­sorge sein, keine Frage. (Abg. Öllinger: Zuckerwatte!) Aber wenn man weiß, dass der Zeitraum des Arbeitsprozesses immer kürzer wird, dass der Zeitraum des Ruhestan­des immer größer wird – Gott sei Dank, weil die Lebenserwartung höher wird –, dass immer mehr Personen in Pension sind, dann weiß man auch, dass es auch bei der staatlichen Säule Veränderungen geben muss und dass die zweite und dritte Säule nur eine Ergänzung des staatlichen Fundaments sein können – das soll auch in Zukunft so sein.

Bei der Reform der staatlichen Säule, die wir heute hier diskutieren, die wir in den Aus­schüssen stundenlang diskutiert haben (Abg. Öllinger: Wo? Was?), auch im Plenum diskutieren – Herr Kollege Öllinger, hören Sie mir bitte zu! (Abg. Öllinger: Wir haben ja noch gar nicht den Antrag! – Abg. Sburny: Wir können es uns nicht ansehen, weil wir es nicht haben!) –, wird es wichtig sein, dass man die Forderungen, das sind auch jene der Regierung, klar sagt: lange Übergangszeiten für diese Reformen, Beschränkung der Abschläge und Sonderregelungen für bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel Schwerarbeiter und auch Frauen. Und genau diese Prinzipien sind in dieser Pensions­reform der Bundesregierung, der Regierungsparteien enthalten.

Erstes Prinzip: Es gibt lange Übergangsfristen. Die Anhebung des Frühpensionsalters erfolgt in 14 Jahren – also 14 Jahre Übergangsfrist. Damit wird wohl der Vertrauens­grundsatz ein­gehalten. Die Durchrechnung wird im Laufe von 25 Jahren ausgedehnt – also 25 Jahre Ü­bergangszeit bis zur Durchrechnung eben als Übergang in das harmo­nisierte System, als Übergang zum einheitlichen Pensionskonto, wo dann klarerweise die Lebensarbeitszeit und alle einbezahlten Beträge maßgeblich sein werden für die Höhe der ausgezahlten Pension.

Zweites Prinzip: die Deckelung, Beschränkung von Abschlägen, eine zehnprozentige Deckelung. All diese Gräuelmärchen sind falsch! Eine dreißig- bis vierzigprozentige Pensionskürzung ist ein Märchen, meine Damen und Herren! Rea­lität ist: höchstens 10 Prozent Abschläge in dieser ersten Säule. Ich glaube, das ver­steht auch die Bevöl­kerung, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass eine Reform in diesem Bereich notwendig ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Drittes Prinzip: die Sonderregelungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Für Frauen gibt es eine verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten. – Das sollten Sie sich doch eigentlich auch auf Ihre Fahnen heften, wo Sie doch immer sagen, Sie seien die Vertreter der Frauen. In diesem Bereich gibt es nun eine verbesserte Anrechnung, auch Verbesserungen in Bezug auf die Abschläge.

Was kleine Pensionen angeht, werden die Ausgleichszulagenbezieher von dieser Pen­sionsreform nicht betroffen sein. Das sollte hier auch einmal betont werden. Die Aus-


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gleichszula­genbezieher, die Bezieher kleiner Pensionen sind von Abschlägen und von Kür­zungen nicht betroffen.

Die Erhöhung des Familiensatzes auf 1 000 € – wo ist das in Ihren Programmen gewe­sen? Das ist auch eine wichtige soziale Maßnahme dieser Pensionsreform. Und nicht zu ver­gessen der Härtefonds des Sozialministers, der gerade bei den sozial Schwa­chen einen Ausgleich schaffen kann. (Abg. Öllinger: Man nimmt den Leuten das Geld weg und lässt sie dann bitten!)

Das sind die sozialen Maßnahmen, die uns besonders wichtig gewesen sind bei dieser Pensionsreform. Sie sollten ehrlicherweise zugestehen, dass hier ein gutes Paket vor­liegt, das zwar nicht für jeden angenehm ist, keine Frage, aber das notwendig ist. Wir bekennen uns dazu, nicht immer nur das Angenehme zu vertreten, sondern, wenn es nötig ist, auch das Sinnvolle und Notwendige durchzusetzen. Und das tun wir mit die­ser Pensionsreform. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist das Zustandekommen kritisiert worden und dass zu wenig Zeit wäre und keine Vorbereitung stattfinden könne. Ich habe heute bei dieser kurzen Geschäftsordnungsdebatte schon gesagt, wie es früher gewesen ist. Können Sie sich jemals an eine grundlegende Reform erinnern, so wie jetzt diese Pensionsre­form, bei der so viel und so lange in der Öffentlichkeit und auch hier im Parlament disku­tiert worden ist? (Abg. Öllinger: Nein, in der Form hat es das überhaupt noch nie ge­geben!) Ich kann mich erinnern an Reformen, bei denen wir in zweiter Lesung noch umfang­reiche Abänderungsanträge bekommen haben, wo wir keine Gelegenheit hat­ten, in den Ausschüssen auch substantielle Änderungen zu diskutieren, wo außerhalb des Parlaments alles auf Punkt und Beistrich ausverhandelt worden und das Paket dann dem Parlament vorgelegt und von der Regierungsmehrheit beschlossen worden ist. (Abg. Öllinger: Dieses Mal auch!)

Jetzt ist ein anderer Weg beschritten worden: Es gab vier Wochen Begutachtung. Es war vier Wochen Zeit, diesen Begutachtungsentwurf zu bewerten, auch zu kritisieren, keine Frage. Gerade die Abgeordneten der freiheitlichen Fraktion haben sehr harte Kritik an den entsprechenden Entwürfen geübt. (Abg. Öllinger: Am eigenen Entwurf! Am Ent­wurf Ihres Ministers!) Sie haben aber auch konstruktive Abänderungsvorschlä­ge ge­macht und ihre Handschrift in diesen Abänderungsvorschlägen eingebracht. Ge­rade deshalb ist es glaubwürdig, wenn wir sagen, erst jetzt kann dieser Entwurf die Zustim­mung der freiheitlichen Fraktion bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben eine Regierungsvorlage bekommen, wir haben sie jetzt auch in den Aus­schüssen diskutiert, und es wird auch noch Zeit sein, in zweiter Lesung darüber ent­sprechend zu diskutieren. Es gab viele Stunden an Debatten im Ausschuss, im Ple­num, auch beim Runden Tisch auf Einladung des Vizekanzlers, wo auch für die Sozi­alpart­ner Gelegenheit bestand, sich einzubringen. Es war nicht die Regierung, es wa­ren nicht die Regierungsparteien, die diesen Dialog abgebrochen haben, es war die Opposition, es war die Gewerkschaft, die den Dialog verweigert hat, meine Damen und Herren, weil man den Streik eben unterstützen wollte.

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon beim Streik sind, noch ganz zum Schluss: Es ist keine Frage, dass das Streikrecht ein wichtiges Gut ist. Keine Frage! Aber die Frage ist schon, ob das Streikrecht auch dafür herhalten muss, um politische Anliegen durchzusetzen, um politische Pakete zu kritisieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie sagen, diese Streiks seien ja zum Wohle der Arbeitnehmer, und Lob dafür aussprechen, dass sich eine Million an den Streiks beteiligt hat – ich weiß nicht, ob diese Zahl stimmt –, frage ich Sie: Haben Sie auch daran gedacht, was jene Bevölke­rungsgruppen, die Sie immer vorgeben zu vertreten, gestern gemacht haben, was etwa eine allein er­ziehende Mutter, die ihren Lebensunterhalt verdienen muss, gestern mit


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ihren Kindern gemacht hat, weil auch in den Kindergärten gestreikt wurde? Haben Sie auch daran ge­dacht, was die 200 000 „kleinen“ Pendler gestern für Probleme hatten, um an ihren Arbeitsplatz nach Wien zu kommen?

Haben Sie auch daran gedacht, was mit den Schülern ist, die bestreikt worden sind? Da kritisiert man die Kürzung von Schulstunden, und dann werden viele, Zehntausende Schulstunden durch diese Streiks vergeudet! (Abg. Reheis: Sie fahren über die Leute drüber!) Haben Sie an diese Leute gedacht, die herhalten müssen, welche die Zeche dafür zahlen müssen, dass Sie diese politischen Streiks gegen die Bundesregierung und gegen diese sinnvolle Reform angezettelt haben? – Das sollten Sie sich auch ein­mal überlegen, wenn es um die Ehrlichkeit, um das Vertrauen in die Politik geht. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vertrauen in die Politik ist wichtig, meine Damen und Herren! Man sieht an dieser De­batte, man sieht an den Streiks, man sieht am gesamten Verlauf der Pensionsreform, man kann in diese Regierung, man kann in die Regierungsparteien Vertrauen haben, weil wir bereit sind, das Notwendige zu tun, und den Populismus nicht voranstellen, sondern das Wohl der Bevölkerung der Republik Österreich. (Beifall bei den Freiheitli­chen und der ÖVP.)

11.46

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster gelangt Herr Vizekanzler Mag. Haupt zu Wort. Redezeit: ebenfalls 15 Minuten. – Bitte, Herr Vizekanzler.

 


11.46

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Vizekanzler Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die heutige Debatte über die Pensionsreform sollte auch der österreichischen Öffentlichkeit mehr an Klarheit bringen. Rechenmodelle von allen Sei­ten mit unkorrekten Darstellungen haben die Menschen verunsichert und manche da­mit zu Recht auf die Straße gebracht.

Die Aufgabe der Bundesregierung wird sein, den Menschen das zu sagen, was in den Gesetzen steht, und nicht das vorzurechnen, um sie zu Demonstrationen zu ermutigen.

Wir leben in einer Zeit, in der wir es uns leider nicht mehr leisten können, exorbitante Verbesserungen des Sozialsystems vorzunehmen, aber wir sind daran interessiert, das gute österreichische Sozialversicherungssystem und das Pensionsversicherungs­system abzusichern – abzusichern nicht nur für das Heute, sondern auch für das Mor­gen und das Übermorgen.

Wir haben immer gesagt, dass uns die Menschen mit unteren Einkommen, die lange und fleißig gearbeitet haben, ein besonderes Anliegen sind. Was haben wir für diese Menschen getan? – Die Experten in den Pensionskommissionen waren sich einig: So­zialleistungen und Sozialtransfers sind von jenen, die es sich leisten können, vom Steuerzahler hauptsächlich, abzudecken und nicht innerhalb der Krankenversicherung, der Pensionsversicherung und der Unfallversicherung abzudecken. Wir haben daher konsequenterweise die Einkommensteuerbefreiung zunächst für Einkommen bis 10 500 S und in Zukunft bis 14 000 S eingeführt. Mit 1. Jänner 2004 wird man steuer­frei 14 000 S anstatt 10 500 S beziehen können. Das kommt ausschließlich den unters­ten Einkommensbeziehern zugute, so, wie wir es uns vorgestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben im Steuerpaket 2001/2002 die Abschrei­bungsmodalitäten für die hohen Pensionen drastisch verändert. In der Terminologie der Pensionistenvertreter der Sozialdemokratie heißt das „Pensionsraub“. Tatsächlich


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war es das Streichen von 1,8 Prozent Vorteil für Pensionisten mit 300 000 S Jah­resein­kommen und darüber.

Ich bin sehr erfreut, Herr Kollege Gusenbauer, dass Sie sich heute einen Solidaritäts­beitrag von 10 Prozent vorstellen können, denn vor zwei Jahren waren für Sie noch 1,8 Prozent Solidaritätsbeitrag auf der Steuerseite Pensionsraub. So ändern sich – Gott sei Dank! – die Zeiten in der Betrachtung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wer bezieht denn jene Pensionen, die über dem ASVG-Bereich liegen? Beamte, auch der Herr Vizekanzler, der alte gleich wie der neue, wenn er in Pension geht, Politiker insgesamt, die hier im Parlament sitzen (Abg. Mandak: Nicht alle! Wir nicht!), die in den Landesregierungen sitzen, die in der Regie­rung sitzen, gleichermaßen aber auch jene, die in den Sozialversicherungen beschäf­tigt sind und eine Pension der Dienstordnungspensionsklasse G und F beziehen. Aber auch Bezieher hoher Einkommen bei den Beamten in der Post liegen über dem ASVG-Bereich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für diese Gruppe haben wir die Pensionssiche­rungsbeiträge von 2,4 Prozent um 1 Prozent auf 3,4 Prozent erhöht, und wir werden das gleiche Opfer auch von jenen in den Sozialversicherungen verlangen.

Sie können das heute in dem dem Parlament gestern Abend übermittelten schriftlichen Zwischenbe­richt des Herrn Bundeskanzlers und von mir an den Petitionsausschuss nachlesen. (Abg. Öllinger: Da steht nichts drinnen! – Abg. Mag. Wurm: Heute? Das ist erst gestern angekommen!) Es ist nicht so, dass manche Dinge nicht nachlesbar sind, wie Herr Professor Van der Bel­len festgestellt hat, aber ich gebe schon zu, dass bei einer derartigen Papierflut auch nicht alles nachlesbar ist, was gestern pünktlich um 16 Uhr zur Verteilung im Parlament eingetroffen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf nun auch auf das Papier des Kollegen Gu­senbauer eingehen.

Herr Kollege Gusenbauer, in Ihrem Papier ist ein für die Beamten bemerkenswerter Satz enthalten: Die Ungerechtigkeiten in der Lebenseinkommenskurve von Beamten werden berücksichtigt.

Wer sind denn heute jene, von denen Sie 10 Prozent Solidaritätsbeitrag über der Höchstbemessungsgrundlage der Pensionen verlangen? – Das sind jene Beamten, die vor 1975, vor der Reform des Besoldungsrechtes der Beamten, in der Dienstklasse I – und nicht, wie die Akademiker, in der Dienstklasse V oder die Nichtakademiker in der Dienstklasse III – begonnen haben. Das sind jene, denen damals ein Viertel ihrer Leis­tungen honoriert worden ist gegenüber vergleichbaren Tätigkeiten in der Privatwirt­schaft; denen wurde damals der Ausgleich dieser Ungerechtigkeiten in der Lebensein­kommenskur­ve für die Pension versprochen. Im Papier der Sozialdemokraten zur Pen­sionsreform versprechen Sie, dass Sie das berücksichtigen werden – heute im Parla­ment verlangen Sie von diesen Beamten eine Nichtberücksichtigung ihrer Nachteile in der Vergangenheit, in der Zeit, als Sie in der Regierung waren, heute verlangen Sie einen zusätzlichen Solidaritätsbeitrag!

Wir werden in diese Pensionen der Aufbaugeneration nach dem Zweiten Weltkrieg nicht eingreifen, wir halten Wort! Die Aufbaugeneration nach dem Zweiten Weltkrieg wird ihre Pensionen erhalten, so, wie sie es sich verdient hat, auch unter Berücksichti­gung der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Einkommensverläufe.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zu den 1 000 €, die in den letzten Tagen auch von meiner Staatssekretärin in der Öffentlichkeit ventiliert worden sind: Wir werden den Familienausgleichszulagenrichtsatz auf 1 000 € erhöhen. Damit werden jene, die ge-


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meinsam geringere Pensionen haben, bis 1 000 € nichts verlieren, weil sie das, was sie unter Umständen in der Pension verlieren, durch den Ausgleichszulagenrichtsatz ersetzt bekommen.

Wir werden darüber hinaus in meinem Ministerium einen Fonds einrichten, zumindest mit 10 Millionen € dotiert, aus dem wir jenen, die fleißig gearbeitet haben – und mit „fleißig gearbeitet“ meine ich 35 Beitragsjahre und 40 und mehr Versicherungsjahre –, ihre Verluste durch Steigerungsbeträge und sonstige Details der Pensionsreform aus­gleichen, damit sie nicht schlechter fahren als jene, die heute in der „Hackler-Rege­lung“ drinnen sind. Auch mir ist es nämlich ein Anliegen, dass endlich die Bauar­beiter, von denen bis dato kein Einziger in der „Hackler-Regelung“ enthalten ist, in Zu­kunft besser abschneiden, als das unter der sozialistisch geführten Regierung mit ih­rem entsprechenden Pensionsmodell der Fall war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Und was haben wir für die Kleinen noch getan, sehr geehrte Damen und Herren? – Für jene, die keinen Berufsschutz haben, haben wir in der vergangenen Legislaturperiode die Angleichung der Invaliditätspension hin zum Berufsschutz erweitert. Man sieht es in der Statistik: Beim Zugang zur Invaliditätspension haben jene ohne Berufsschutz die deutlich besseren Chancen, zu Recht eine Invaliditätspension zu bekommen, als sie sie in der von der Sozialistischen Partei geführten Regierung jemals hatten. – Plus 38 Prozent in dieser Kategorie, obwohl die Zahl der Arbeitsunfälle erstmals unter 100 000 liegt!

Das ist die Arbeit für die Kleinen, für jene, die invalid sind, die Arbeit, die wir in dieser Bundesregierung geleistet haben! Und dafür, Herr Kollege Nürnberger, brauche ich mich als Sozialminister sicherlich nicht zu genieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir uns das sozialistische Modell einer Pensi­onsreform ansehen und wenn wir uns dann den Antrag ansehen, den wir zur Harmo­nisierung der Pensionssysteme ausgearbeitet haben, stellen wir fest, dass die Eck­punkte die gleichen sind: 45 Beitragsjahre, Pensionsantrittsalter 65, 80 Prozent des Lebensein­kommens. (Abg. Mag. Prammer: Versicherungsjahre! Das ist ein kleiner Unter­schied!)

Die Valorisierungen haben wir von Regierungsseite den Sozialpartnern in unseren Verhandlungen ab 2004 beginnend entweder mit der Lohnsumme, mit dem Medianein­kommen oder mit der Lohnerhöhung vorgeschlagen. Wir warten auf die Äußerungen der Sozialpartner zu diesem Punkt. Es ist aber unrichtig, dass wir keine bessere Valo­risierung für die Zukunft in diesem Bereich vorgesehen hätten.

Diese Bundesregierung hat erstmalig auch an die Schwerarbeiter gedacht, die in der derzeitigen „Hackler-Regelung“ und in der derzeitigen Regelung für Schwer-, Nacht- und Schichtarbeiter nicht berücksichtigt sind. Ich sage es auch hier wieder, so, wie ich es den Sozialpartnern gesagt habe und wie ich es ihnen auch geschrieben habe: Ich ersuche Sie, mit Ihren Experten an der Ausarbeitung dieses Modells der Frühpensio­nen für Schwerarbeiter mitzuarbeiten. Die Bundesregierung und ich sind entschlossen, das nicht erst mit 1. Jänner 2007, sondern so bald wie möglich umzusetzen, sodass die Schwerarbeiter endlich auch auf Grund ihrer Belastungen in der Arbeitswelt früher in Pension gehen und gleich lange die Pension genießen können wie alle ande­ren Be­völkerungsschichten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Gusenbauer, Sie schreiben hier in Ihrem Pensionsmodell auch – ich lese Ihnen das vor –:

Es werden am Leistungskonto die Pensionsleistungen, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Wehrdienst, Zivildienst gutgeschrieben. Einzahlungen auf das Pensionskonto erfolgen


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nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Sie kommen aus den für Arbeitslosig­keit, Krankheit, Wehr- und Zivildienst vorgesehenen Töpfen. – Zitatende.

Ich sage dazu: Auch die Familienleistungen kommen aus den für die Familienleistun­gen „vorgesehenen Töpfen“, und der Topf ist in diesem Fall der Familienlastenaus­gleichsfonds. – Sie wissen alle, wie der Familienlastenausgleichsfonds und seine Fi­nanzierung heute, morgen und in den nächsten Jahren aussieht, weil ich Ihnen die entsprechenden Zahlen zur Verfügung gestellt habe.

Der Herr Finanzminister hat sich in den Verhandlungen bereit erklärt, den Familienlas­tenausgleichsfond aus Steuergeldern mit mehr als 90 Millionen € zusätzlich zu dotie­ren. (Abg. Silhavy: ... Defizite! Ihre Politik!)

Mit dieser Grenze der nachhaltigen Sicherung der Pensionen ist es uns leider nicht möglich, den Frauen eine höhere Valorisierung, als sie im Gesetz vorgesehen ist, zu bieten, aber wir sind selbstverständlich bereit, die Valorisierung für die Frauen so, wie aus den entsprechenden Töpfen eine nachhaltige Finanzierung der Pensionen möglich ist, zu ermöglichen.

Aber eines sage ich Ihnen auch: Wir können nicht für die ersten drei Lebensjahre der Kinder die gesamten Familienleistungen verbrauchen. Wir sind auch daran interessiert, dass die Familienleistungen vom dritten bis zum 27. Lebensjahr, sofern jemand stu­diert, auch Jahr für Jahr valorisiert werden, denn es wäre ungerecht, alle Leistungen in die ersten drei oder sieben Lebensjahre hinein zu packen und ab dem siebten Lebens­jahr in den Familientöpfen kein Geld mehr zu haben. Fordern ist schön, aber es sollte die Forderung auch so realistisch bleiben, dass sie aus den entsprechenden Töpfen auch tatsächlich finanziert werden kann.

Sehr geehrter Herr Kollege Gusenbauer, Sie schreiben in Ihrem Pensionsmodell wei­ters, dass Sie auch eine Entlastung der älteren Arbeitnehmer vorsehen. – Ich bin ge­spannt darauf, ob Sie auch das Paket, das ich mit Kollegem Bartenstein gemeinsam geschnürt habe, dass nämlich ältere Arbeitnehmer im Modell 55, 60, 65 sind, das auch von Ihnen mitgetragen wird, weil die Entlastung der Lohnnebenkosten in diesem Mo­dell nicht nur für die Betriebe, sondern anteilsmäßig auch für den einzelnen Arbeitneh­mer erfolgt, hier mittragen werden. Wir machen in diesen Bereichen das, was Sie auch in Ihrem Modell vorschlagen, aber trotzdem behaupten Sie hier für das Fernsehen, dass alles, was wir für die Österreicherinnen und Österreicher machen, mit einem har­moni­sierten System der Zukunft nichts zu tun hat.

Tatsache ist, Herr Kollege Gusenbauer, jeder einzelne Schritt zielt auf ein harmonisier­tes System ab, und Sie sind eingeladen, genauso wie die Sozialpartner, mitzuarbeiten, dass mit 1. Jänner 2004 – und dazu hat sich die Regierung verpflichtet – für die unter 35-Jährigen in Österreich ein einheitliches Sozialversicherungs- und Pensions­system steht, in dem ein leistungs- und beitragsorientiertes Individualkonto existiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Gusenbauer, Sie haben es auch in der Vergangenheit bei der Diskussion um die Pensionen zugegeben: Ihr Experte im Ausschuss des Nationalrates hat noch gemeint, dass eine 15-prozentige Generaldeckelung für die Verluste durchaus gut wä­re – und heute sind 10 Prozent nicht gut!?

Ich bin sicher: Für die betroffenen Österreicherinnen und Österreicher sind 10 Prozent Deckelung allemal sozialer als 15 Prozent, und dabei wird es auch bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich ersuche Sie zum wiederholten Male, auch jene Berechnungen, die Sie immer für die verzögerte Valorisierung für neu in Pension Ein­tretende anstellen, den Gegebenheiten anzupassen.


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Sie können sich so wie ich die Zahlen hinsichtlich der Valorisierungen vom Jahre 1995 bis zum Jahr 2003 ansehen. Die höchste Valorisierung war damals 2,6 Prozent, die geringste betrug im Jahre 1996 null. Beide Valorisierungen hat die damalige sozialde­mokratische Regierung zu verantworten.

Der Durchschnitt der Valorisierungen von 1995 bis heute liegt bei knapp über 1,1 Pro­zent. Ich bitte Sie, den Menschen nicht 2 Prozent anzurechnen, sondern das anzurech­nen, was auch Tatsache ist.

Ich darf es nachvollziehbar machen: 1996 2,3, 1997 0,0, 1998 1,3, 1999 1,5, 2000 2,0, 2001 0,8, 2002 1,1, 2003 0,5, das macht in Summe 9,5 Prozent, dividiert durch 8 ent­spricht dies 1,19 Prozent durchschnittliche Anpassung.

Wenn ich also auf 1,2 Prozent aufgerundet habe, dann bin ich Ihnen und Ihren Be­rechnungen noch entgegengekommen. Aber machen Sie nicht permanent einen 40-prozentigen Rechenfehler, um die Menschen zu verunsichern. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni.) Sagen Sie den Menschen die Wahrheit, dann werden wir uns in der Dis­kussion besser verstehen, sehr geehrte Damen und Herren!

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit beachten, Herr Vizekanzler!

 


Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Vizekanzler Mag. Herbert Haupt (fortsetzend): Sagen Sie nie mehr wieder, dass Ihre Modelle von uns nicht entkräftet wurden. (Lang anhaltender Beifall bei den Freiheitli­chen und der ÖVP.)

12.02

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler! Sie haben sich letztes Mal beim Haus dafür entschuldigt, dass Sie die Redezeit überschritten haben. Das muss für alle gel­ten.

Der nächste Redner ist Herr Kollege Verzetnitsch. Ab jetzt sind die Redezeiten einheit­lich 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter Verzetnitsch, 8 Minuten.

 


12.03

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Vizekanz­ler, lassen Sie mich einleitend feststellen: Wenn Sie die Behauptung aufstellen, dass Ihr Brief hier im Haus gestern um 16 Uhr eingelangt ist, dann ist das die Unwahrheit, denn der Präsident dieses Hauses hat heute den Abgeordneten mitgeteilt, dass ges­tern um 19 Uhr beim Portier ein Schriftstück abgegeben worden ist, das der Kanzlei nicht übermittelt werden konnte und in Wirklichkeit somit erst heute Vormittag vorgele­gen ist. (Abg. Parnigoni: So nehmen Sie es mit der Wahrheit!)

Sie werden den Präsidenten doch nicht der Unwahrheit bezichtigen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Zweiten, Herr Vizekanzler: Es wäre schön, könnten wir wie bei vielen anderen Dingen die Debatte heute anhand von schriftlichen Vorlagen führen, die auch exakt in der Bewertung sind.

Wenn Sie ankündigen, dass Sie in der Frage der Sozialversicherungsträger Verände­rungen vornehmen, dann zitiere ich aus Ihrem gerade erwähnten Schreiben: Die Erhö­hung des Sicherungsbeitrages ist angedacht. – Was, wie, wo fehlt. Das ist in Wirklich­keit die Problematik, wenn wir uns heute hier über Ihre Regierungsvorschläge unterhal­ten sollen.

Basis unserer Diskussion ist die Regierungsvorlage, die im Budgetunterausschuss liegt. Keine anderen Dinge liegen schriftlich vor. Wir erwarten irgendwelche Abände-


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rungsanträge. Daher können wir im Rahmen dieser Debatte nur das beurteilen, was Sie heute hier mündlich vorgetragen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Klubobmann der ÖVP hat gemeint, dass man den Verhandlungstisch nicht verlas­sen sollte. – Herr Klubobmann! Ich bin überzeugt davon, dass Sie nicht anders handeln werden. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie bei Verhandlungen im Kreis geschickt werden, dann werden jene am Verhandlungstisch sitzen bleiben, die Sie im Kreis schi­cken wollen, aber nicht diejenigen, die an einer Lösung interessiert sind, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn Sie so eine umfassende Debatte wollen, warum bringen Sie denn heute einen Fristsetzungsantrag über etwas ein, was wir überhaupt noch nicht kennen, was wir nicht bewerten können? Sie wissen ganz genau, dass man bei den Vorschlägen der Bundesregierung sehr genau auf das Kleingedruckte achten muss.

Wenn zum Beispiel von Ihrer Seite durchaus in einem richtigen Ansatz vermittelt wird, dass die Kinderbetreuungszeiten von 18 auf 24 Monate erhöht werden, dann sagen Sie aber klar und deutlich dazu, dass das nur für Geburten ab dem Jahr 2002 gilt. Denn auch da vermitteln Sie in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass das für alle gilt. Ich glaube, dass auch da mehr Ehrlichkeit notwendig wäre, meine sehr geehrten Da­men und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat heute zu Beginn eine Reihe von Persönlichkeiten zitiert. Ich könnte das auch. Ich könnte die derzeitige Familien- und Frauenministerin zitieren, die hier zum Beispiel auch im Oktober des vergangenen Jahres gesagt hat, es denke überhaupt niemand an die Abschaffung der Frühpensionen.

Ich könnte den Bundeskanzler zitieren, der am 31. Oktober wörtlich in der APA zitiert wird: Er denkt daran, ein Anreizsystem in der Pension zu schaffen. – Wo sich dieses Anreizsystem wiederfindet, das werden Sie uns erst zu beweisen haben. Faktum ist, es liegt nicht vor.

Sie zitieren immer den Beirat 91/92. Ich zitiere diesen Beiratsbeschluss auch sehr ger­ne, wenn nämlich in diesem Zusammenhang erwähnt wird: Wer glaubt, dass die künf­tige Pensionssicherung ohne erhöhte Bundesbeiträge auskommt, der irrt. Was Sie machen, ist eine Einschränkung der Bundesbeiträge und nicht eine Erhöhung der Bun­desbeiträge, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie weisen immer wieder auf den Druck der Straße hin. Es ist schon seltsam, dass Sie in Tirol und in Oberösterreich wie viele andere auch jetzt auf die Straße gehen und wahlkämpfen. Und wenn diese Straße zu­rückspricht, dann heißt es auf einmal: Wir beugen uns nicht dem Druck der Straße. Gehen Sie nicht werben, wenn Sie dann den Druck der Straße nicht aushalten, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Abg. Steibl: Wahlkampf! – Abg. Mag. Molterer: Ist ein Streik Wahlkampf?)

Die Debatten über die Pensionsreformen – das ist richtigerweise erwähnt worden – finden in Europa nicht nur deswegen statt, weil wir es mit einer älter werdenden Ge­sellschaft zu tun haben, sondern – und das weiß der hinter mir sitzende Finanzminister auf Grund der Diskussionen, die es in diesem Bereich gibt, sehr genau – vor allem auch deswegen, weil es vielen darum geht, einen Rückzug des Staates bei den Soli­darleistungen im Auge zu haben. – So nachzulesen in einer Äußerung der Weltbank im Mai dieses Jahres, 21., 22. Mai in Washington. „Wir wollen, dass Europa nicht den glei­chen Fehler begeht wie bisher, sondern wir wollen in Zukunft den Weg in die kapital­gedeckte und vor allem auch private Vorsorge beschreiten.“ – Das sollte man bei der Dis­kussion nicht vergessen!


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Wenn Sie uns vorwerfen, wir haben keine Vorschläge gemacht, dann nehme ich durch­aus die Wirtschaftskammer mit in meine Ausführungen. Wer hat denn verlangt, dass sich alle Parteien dieses Hauses gemeinsam mit den Sozialpartnern an einen Tisch setzen, um Lösungen zu erarbeiten?

Wir waren am 24. April beim Bundeskanzler und Vizekanzler und haben ein Angebot gemacht, das lautet: die mittel- und langfristige Pensionssicherung als Ziel in einem harmonisierten System mit Perspektiven, insbesondere auch für die jüngere Genera­tion. Und ich könnte das weiter zitieren. Ist dieses Angebot angenommen worden? – Nein, man hat uns gesagt, jetzt kommt diese Pensionsreform, und dann können wir im Herbst über Harmonisierung reden. So geht es nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Bei der Harmonisierung am 23./24. April bin ich persönlich dem Bundeskanzler und Vizekanzler gegenüber gesessen, nicht Sie! (Abg. Mag. Molterer – ein Papier vorwei­send –: Erster Punkt Ihres Angebots: Harmonisierung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zeit reicht nicht. Sie als Abgeordnete werden in wenigen Wochen, wenn es hier im Haus zu einem Beschluss kommt, jenen Menschen, die irgendwie als nicht vorhanden gezeichnet werden, Antworten geben müssen.

Die durchschnittliche Bruttopension beträgt 1 180 € im Jahr 2001, die durchschnittliche Nettopension insgesamt 985 €. Das werden Sie den Menschen erklären, dass da 10 Prozent kein Problem sind! (Abg. Scheibner: Ihr Experte hat gesagt: 15 Prozent!)

Wenn Sie sagen, der Deckel. Warum brauchen Sie denn den Deckel? – Weil Ihre Bei­spiele zu großen Verlusten führen, und zwar nicht nur bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Eine Trafikantin, die 1948 geboren ist, hätte auf Grund geltenden Rechtes eine Pensi­on von 900 €, auf Grund Ihrer Vorschläge hat diese Trafikantin eine von 810 €. Die ist genauso betroffen. Daher gibt es hier eine gemeinsame Vorgangsweise. (Abg. Murauer: Maximum Abzug, nicht Minimum!) Schauen Sie sich die Statistischen Hefte an, das ist keine Gewerkschaftspublikation!

Wenn wir von Reform reden, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann geht es uns um Zukunftssicherung, dann geht es uns um Zielsetzungen für die junge Generati­on, dann geht es uns um eigenständige Frauenpensionen, und dann geht es um eine Berücksichtigung des Arbeitsmarktes. Das muss das Ziel sein, wenn wir eine Reform haben wollen, die machbar ist, wenn wir uns alle gemeinsam zusammensetzen.

Das, was Sie machen, ist eine Geldbeschaffungsaktion für eine Steuerreform. Sie he­ben das Alter ohne Rücksicht auf den Arbeitsmarkt an, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

12.10

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Tanc­sits. Gleiche Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


12.11

Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Angesichts der auf den Kopf gestellten Bevölkerungspyramide, angesichts einer über 30 Jahre halbierten Geburtenrate, angesichts der halben Anzahl von nachwachsenden Beitragszahlern nicht zu reagieren, wäre verantwortungslos. (Abg. Dr. Glawischnig: Das kennen wir schon!) Angesichts dieser Tatsachen wäre es nicht nur verantwortungslos, sondern


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auch zutiefst unsozial, die notwendigen Maßnahmen immer weiter hinauszuschieben. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Angebot dieser Bundesregierung, das wir in den nächsten Tagen in den Aus­schüssen diskutieren und zu einem Endschliff bringen werden, ist verantwortungsvoll und sozial. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Wir werden es so zu Ende bringen, dass wir es nicht nur gegenüber den jetzigen Generationen, sondern auch gegenüber jenen, die in Arbeit stehen und nachwachsen, verantworten können.

Mir ist dabei besonders wichtig, dass notwendige Kürzungen der Neuzugänge nicht nur an sich gedeckelt sind – 10 Prozent sind ein Maximumbetrag, der Durchschnitt beträgt 7 Prozent –, sondern dass wir auch zu einem gerechteren Berechnungssystem kom­men. Es sollen nicht mehr spekulativ einige gut verdienende Jahre wenigen gut verdie­nenden gegenübergestellt werden und dann eine Höchstpension bezogen werden, die deutlich mehr ausmacht als die Pension von jemandem, der sein ganzes Le­ben, also etwa 40 oder 45 Jahre, mit einem jeweiligen Durchschnittseinkommen durchgearbeitet hat. Das ist Beitragsorientierung und ein wesentlicher Punkt für das neue Pensionskon­tensystem.

Der zweite wesentliche Punkt ist die Leistung aller innerhalb der Solidargemeinschaft. Ich möchte hier zwei Beispiele herausstreichen, die auch bereits in diesem Angebot verwirklicht sind. Leistungspaket, Leistungsangebot für Familien, Frauen und Kinder: Hinsichtlich der Kindererziehungszeiten werden erstmals 24 Monate pensions­begrün­dend und bis zu 48 Ersatzmonate gewertet. Es werden drei Jahre pro Kind, um keinen Irrtum aufkommen zu lassen, in Abzug gebracht. Ich höre heute mit Staunen, dass all das zu wenig wäre. Ich höre das von einer Seite dieses Hauses, obwohl sie uns noch für das Kindergeld vor zwei Jahren eine Art Mutterkreuzideologie umgehängt haben und bis 1995 gebraucht haben, um im Pensionssystem überhaupt Erziehungs­zeiten anzuerkennen. Früher wurde immer, wenn es um das Einsparen ging, die Mehr­kinder­staffel zur Debatte ge­stellt.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich freue mich, wenn Sie da umdenken. Ich begrüße Sie bei denjenigen, die die Probleme erkennen. Aber ich denke, angesichts einer in 30 Jahren sozialdemokratischer Führung halbierten Geburtenrate in die­sem Land sollten Sie ein bisschen leiser treten. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt dieses Leistungspakets: Wir haben schon im Jahr 2000 das erste Mal die Anerkennung von zwölf Monaten Präsenzdienstzeit sichergestellt. (Unruhe im Saal.) Wir erweitern sie jetzt auf 30 Monate, um auch jene Zeitsoldaten – das sind jene Menschen, die ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Aufregung über die Geburtenrate haben wir be­endet.

Am Wort ist Herr Abgeordneter Tancsits. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (fortsetzend): Das sind jene Menschen, die Sie während der sozial-liberalen Koalition in prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt ha­ben und die bis heute für ihre beitragsgedeckten Jahre entweder beim Bundesheer oder in der Privatwirtschaft keine entsprechende Pensionsdeckung gefunden haben. Wir ha­ben diesen Fehler mit dieser Vorlage korrigiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Es freut mich ganz besonders, dass man einer Gruppe, die nicht zu den lautesten Schreiern gehört und die nie auf die Idee gekommen ist, ihnen Schutzbefohlene zu bestreiken, soziale Gerechtigkeit widerfahren lässt.


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Zweitens: Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters, länger arbeiten. Bis zum Jahr 2014 beziehungsweise 2017 soll das Pensionsantrittsalter 60 beziehungsweise 65 Jahre betragen. Es wird vielen in der Debatte nicht aufgefallen sein, dass nach un­seren Prognosen diese Erhöhung nicht schneller erfolgt als die Erhöhung der durch­schnittlichen Lebenserwartung. Das ist also ein mathematisch nachvollziehbarer, sinn­voller und verantwortungsvoller Schritt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dabei ist mir wichtig, dass jene, die besonders lang gearbeitet haben, also bisher schon 45 und 40 Jahre, dabei keinen Nachteil erleiden. (Abg. Hagenhofer: Das wäre ja noch schöner!) Sie werden daher laut unserem Vorschlag für jeden Tag, den sie länger als 45 oder 40 Jahre arbeiten, einen entsprechenden Bonus bekommen. Das ist verantwortungsvoll, und das ist sozial gerechte Politik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich zum Abschluss einer wochenlangen Diskussion, bei der wir immer gute Ratschläge, die durchaus erwünscht waren, von den Sozialpartnern bekommen haben, einen Wunsch als Sozialpolitiker an die Sozialpartner richten: Setzen Sie sich bitte zusammen und machen Sie jenen Pakt für die älteren Arbeitnehmer, mit dem wir in Zukunft verhindern, dass, egal, ob auf Kollektivvertragsebene oder im Betrieb zwi­schen Unternehmer und Betriebsrat, so genannte Sozialpläne verhandelt werden, mit denen ältere Menschen, die noch arbeiten können und noch arbeiten wollen, in den so genannten Ruhestand gedrängt werden. Dazu können und sollen Sie Ihren Beitrag leisten, damit diese Pensionssicherungsreform tatsächlich Zukunft für die Arbeitnehmer und für die künftigen Generationen bietet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.18

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordne­ter Öllinger. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte.

 


12.18

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Klubobmann Scheibner, ge­statten Sie mir eine Vorbemerkung zu dem, was Sie gesagt haben. Sie haben der Op­po­sition empfohlen, die Anträge, die jetzt dann hoffentlich doch kommen, auch durch­zu­lesen (Abg. Scheibner: Die Gesamtreform!), um sie alsbald, nämlich morgen bezie­hungsweise übermorgen, beschließen zu können, weil Sie eine Frist bis über­morgen gesetzt haben.

Ich bedanke mich ganz artig für dieses Ihr Angebot, dass wir das lesen dürfen. Wir nehmen das auch in der Regel wahr, und das macht den Unterschied zu Ihnen aus, Herr Kollege Scheibner! (Abg. Scheibner: Ich habe gar nichts empfohlen! Ich habe gesagt, Sie sollen am Entschließungsantrag mitarbeiten!) Sie handeln etwas aus, un­terschreiben Anträge, aber lesen sie nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Ihnen empfehle ich gar nichts!)

Herr Bundeskanzler! Ich möchte mich in meiner Rede eigentlich schon mit Ihren Aus­führungen, mit Ihrer Erklärung auseinander setzen. Sie haben in Ihrer Erklärung durch­aus eindrucksvoll damit begonnen, dass Sie Respekt für die Sorgen der Menschen, die gestern demonstriert haben, haben. Ja, das habe ich auf mich wirken lassen und habe es auch sehr anständig gefunden. Ich war allerdings etwas irritiert, denn noch ges­tern haben Sie anders gesprochen, haben Sie von den „Rückwärtsgerannten“ gespro­chen, und noch vor wenigen Wochen haben Sie von unbedachten politischen Streiks gespro­chen. Das ist eine andere Sprache.


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Ich habe es ernst genommen, als Sie heute gesagt ha­ben, Respekt für die Sorgen und Ängste der Bevölkerung. Aber, bitte, Herr Bundes­kanzler, das hätten wir uns schon in den letzten Wochen und auch für die nächsten Monate und Jahre gewünscht. (Beifall bei den Grünen.)

Ich nehme auch den zweiten Teil Ihres ersten Satzes ernst, in dem Sie darum gebeten haben, die Oppositionsparteien und die Öffentlichkeit mögen auch Ihre Sorgen um die Sicherung des Sozialsystems ernst nehmen. – Ja, Herr Bundeskanzler, aber dann müsste die Sache anders ausschauen und hätte anders angegangen werden müssen.

Wenn eine Reform wie diese – ich glaube, es erinnert sich fast niemand daran – am 31. März mit Erklärungen der zuständigen Bundesminister begonnen wurde, um sie dann in einem Affentempo in den Ausschüssen abzuhandeln, und zwar in einem Aus­schuss, der nicht dafür zuständig ist, und in einem Ausschuss, der auch nicht erfährt – bis heute nicht –, was eigentlich der Text ist und was beschlossen werden soll, wenn eine Reform wie diese, die über die Zukunft der Menschen und über einen gut Teil ihres Lebens mit entscheidet, so durchgedrückt werden soll – auch mit der Frist für die Beratungen, die Sie ja heute noch setzen werden, nämlich übermorgen ist Schluss mit den Beratungen –, dann tut es mir Leid.

Das ist nicht das, was sich die österreichischen Bürger und Bürgerinnen im Ernstneh­men ihrer Sorgen beziehungsweise Sie, Herr Bundeskanzler (Abg. Ellmauer: Seit 13. Mai verhandeln wir im Budgetausschuss!), in Ihrem berechtigten Anliegen, auch Ihre Position gegenüber den Österreicherinnen und Österreichern ausdrücken zu wol­len, verdient haben. So geht es nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben noch Anfang April – und da hat die Reform noch ganz anders, nämlich viel brutaler ausgesehen – davon gesprochen, das sei eine Reform mit Augenmaß. Sie haben Ende April – da waren schon einige Verbesserungen auf dem Tisch – von einer gerechten und sozial ausgewogenen Reform gesprochen. Sie haben immer und überall das, was gerade Stand der Dinge war und was Ihre Partei und Sie vorgeschlagen haben, zunächst einmal gerechtfertigt. Sie haben nie gesagt: Ja, da müssen wir ernsthaft nachverhandeln, das können wir den Menschen in diesem Land nicht zumuten.

Diese Worte sind leider nicht über Ihre Lippen gekommen. Das war schon das Ergeb­nis von Anstrengungen der Oppositionsparteien, auch von VertreterInnen der Regie­rungsparteien und der Gewerkschaft für eine über die Gewerkschaft hinaus beunruhig­te Zivilgesellschaft, die sich fragen musste und natürlich auch gefragt hat: Was ist los in diesem Land? Warum kommt diese Regierung mit einem Überfall auf die Pensions­frage daher? (Abg. Scheibner: Seit zwei Jahren haben wir diskutiert! Ein halbes Jahr ...! Das ist nicht überfallsartig! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Seit 25 Jahren ist das ein Thema!)

Ich erinnere Sie, Herr Abgeordneter Scheibner, wir waren ... Nein, nein, kommen Sie mir nicht damit! Da würde ich auch etwas mehr Augenmaß von den Regierungspartei­en einfordern. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die Grünen schon vor den Wahlen gesagt haben: Es braucht in diesem Land eine Harmonisierung der Pensions­systeme. – Da haben Sie alle schön brav den Mund gehalten und ganz anders gere­det. Auch Sie, Herr Bundeskanzler, haben nicht davon gesprochen, dass eine große Pensionsreform notwendig ist. Wir haben davon gesprochen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Seit 25 Jahren weiß jeder, dass es notwendig ist, die Pensionen zu sanieren!)

Wir haben aber auch gesagt: Nehmen wir uns Zeit dafür! Ja, wir brauchen eine Har­monisierung der Pensionssysteme. Ja, setzen wir uns zusammen – alle Parteien plus die Sozialpartner, auch alle anderen, die das interessiert. Diskutieren wir das so, wie es die skandinavischen Länder getan haben! Diese werden ja immer wieder angeführt.


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Diskutieren wir das wie in Skandinavien ein bis zwei Jahre lang so, dass ein jeder, eine jede, auch in den Parteien, mitdiskutieren kann, das verstehen, das nachvollziehen und sich dann entscheiden kann. (Zwischenruf des Abg. Zweytick.) Sich-entscheiden-Können gehört doch dazu! Das, was Sie dem Parlament zumuten, ist nicht Sich-entscheiden-Können, sondern wir werden mit Ihrer Fristsetzung überfahren. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gestatten Sie mir, Folgendes zu sagen: Wir Grüne haben darauf hingewiesen – auch während der Regierungsverhandlungen –, dass es die Verteilungsgerechtigkeit auch bei der Neugestaltung des Pensionssystems zu beachten gilt. Da hätte ich schon ger­ne gewusst, warum jetzt von den Forderungen, die von allen, von der Opposition, aber auch von den Regierungsparteien, in Bezug auf die Mindestpensionen erhoben wur­den, nichts übrig geblieben ist. Die Mindestpensionen liegen nämlich unter 1 000 €.

Die Frauenministerin geht gegen die Frauen, sozusagen gegen ihre eigene Klientel vor und sagt: Das kommt nicht in Frage, wir brauchen das Geld für die Steuerreform. (Bundesministerin Rauch-Kallat: Das stimmt nicht!) Unter 1 000 €, hat Frau Rauch-Kallat gesagt, geht nichts, das kostet uns zuviel. – Das war doch die Realität des gest­rigen Tages.

Wir Grüne bringen deshalb folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Sicherstellung, dass Pensionen unter € 1 000,– brutto monatlich von den aktuellen Kürzungsplänen der Regierung nicht betroffen werden

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Zug der Veränderung des Pensionsrechts sicherzustellen, dass zukünftige Einkommen aus Pensionen, die unter € 1 000,– brutto monatlich liegen, nach den Veränderungen des Pensionsrechts im Vergleich zur ge­genwärtig geltenden Rechtslage keine Reduktion erfahren.

*****

Es wäre ein Fortschritt, wenn Sie noch die Zeit und die Geduld aufbrächten, im Rah­men einer völlig verpfuschten Debatte über die Neuordnung des Pensionssystems auf die Menschen Rücksicht zu nehmen. Es wäre ein Fortschritt, wenn Sie sich die Zeit nehmen würden und auch das Interesse und die Bereitschaft hätten, auf die Lebenssi­tuation von Menschen einzugehen, die unter diesem Betrag von 1 000 € liegen.

Eines ist nämlich richtig gesagt worden. Wir tun uns leicht mit Zahlen, aber dahinter stehen Menschen, konkrete Schicksale, konkrete Sorgen. Nehmen Sie diese bitte ernst! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.26

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der vorgelesene Entschließungsantrag betreffend die Sicherstellung, dass Pensionen unter 1 000 € von den aktuellen Kürzungen nicht be­troffen werden, ist ordnungsgemäß eingebracht, steht mit in Verhandlung und zur Abstimmung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Redezeit 8 Minuten. – Bitte.

 


12.27

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Kollege Öllinger! Auch Sie wissen genauso gut wie ich, dass der


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Vizekanzler, als er mit diesem Entwurf in die Begutachtung gegangen ist, von vornher­ein gesagt hat, er gehe mit diesem Entwurf in die Begutachtung, um Verhand­lungen zu führen und Verbesserungen zu erzielen (Rufe bei den Grünen: Nein!), damit alle – auch Sie – die Möglichkeit haben, während der Begutachtungsfrist ihre Vorschläge ein­zubringen. Das hat er gesagt, ich war dabei, und so ist es! (Beifall bei den Freiheitli­chen sowie des Abg. Dr. Stummvoll.)

Nehmen Sie auch Folgendes zur Kenntnis: Uns Freiheitlichen sind die unteren Ein­kommensbezieher, die eben unter 1 000 € beziehen, ein besonderes Anliegen; diese sind uns besonders wichtig. Deshalb ist es uns auch gelungen, für Familien in Pensio­nistenhaushalten mit einem Einkommen unter 1 000 € den Ausgleichszulagenrichtsatz auf 1 000 € zu erhöhen. (Abg. Dr. Glawischnig: Um wie viel wird das erhöht? Das sind genau 40 Euro mehr als jetzt! Das ist eine „großartige“ Verbesserung! Die Leute wer­den sich bedanken!) Das haben wir auch in den Verhandlungen erreicht. Man muss sich den Verhandlungen eben stellen, dann gibt es Möglichkeiten, hier etwas zu errei­chen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Puswald: Außer Peanuts nichts er­reicht!)

Außer Peanuts nichts erreicht, sagen Sie, Kollege Puswald. – Dann frage ich Sie: Was haben Sie jahrzehntelang erreicht? Sie haben all diese Ungerechtigkeiten erreicht, von denen Sie heute selber sprechen! Ungerechtigkeiten im Pensionssystem müssen ver­bessert und verändert werden. Das sind die Ungerechtigkeiten, die Sie unter sozialisti­scher Regierung geschaffen haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das müssen wir jetzt beheben und verbessern! Genau um diese Peanuts geht es, die nämlich Sie verteilt haben, die Sie gemacht haben (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), jene Unge­rechtigkeiten, die Sie geschaffen haben. Genau darum geht es jetzt!

Deshalb, lieber Kollege Verzetnitsch, auch die Deckelung, die Sie jetzt quasi als nichts bewerten, wobei Ihr eigener Experte im Ausschuss gesagt hat, 15 Prozent wären auch schon ausreichend, also diese Deckelung haben wir jetzt mit 10 Prozent festgelegt. Verluste über 10 Prozent wird es nicht geben. Das auch deshalb, damit wir der Gräuel­propa­ganda, die Sie hier an den Tag gelegt haben, wirklich den Wind aus den Segeln neh­men. (Abg. Reheis: Im Liegen umfallen!)

Man muss bei dieser gesamten Diskussi­on auch dazu sagen: 10 Prozent an Verlusten wird es nur für einige wenige geben. Durchschnittlich werden die Verluste nur 3 bis 4 Prozent betragen. Das, was Sie ma­chen, ist Verunsicherung und Sand in die Augen streuen. (Abg. Dr. Glawischnig: Das glauben Sie wohl selbst nicht!) – Das glaube ich sehr wohl, wir werden es Ihnen be­weisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Verzetnitsch! Sie hätten die Möglichkeit gehabt – und Sie haben diese histori­sche Chance vertan (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) –, hier so mitzuwirken und mit­zugestalten, wie es eigentlich unter den Sozialpartnern sein sollte. (Abg. Verzetnitsch: Wir sind keine Jasager!)

Sie sollen nicht Jasager werden, das soll hier niemand (Abg. Dr. Glawischnig: Wie die FPÖ ja sagt!), aber Sie sollen die Möglichkeiten, die Sie haben, auch nutzen! Ich würde den Verhandlungstisch nicht verlassen, wenn ich die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, nicht durchbringen kann. Sie hätten sehr wohl, auch wenn Sie im Kreis geschickt worden sind, sitzen bleiben und sagen können: Aber wir verhandeln weiter – im Sinne unserer Arbeitnehmer, im Sinne derer, die wir vertreten! Aber Sie haben mutwillig den Verhandlungstisch verlassen, weil es Ihnen nicht so wichtig ist, denn Ihr Motto heißt: Demonstrieren statt reformieren! Das ist Ihr Motto! (Abg. Reheis: Ihr Motto ist: Umfal­len!)

Ihr Motto ist genauso Verunsicherung, statt den sozialen Frieden in Österreich auf­rechtzuerhalten. Sie wollen gar nicht, dass es in einzelnen Pensionsbereichen zu Ver-


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besserungen kommt, sondern Sie wollen, wie es Ihr Kollege Nürnberger gesagt hat, gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen!

Das ist das, was Sie wollen: gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen gegen die Regie­rung!

Da kann ich nur Ihren Expräsidenten Olah zitieren. Mit Streiks, sagt er, könne man keine Pensionen erhöhen, auf der Straße würden die Probleme nicht gelöst. – Das sage nicht ich, sondern Ihr Expräsident Olah.

Letztes interessantes Zitat von Franz Olah: Was den ÖGB zusammenhält, ist die Geg­nerschaft zur Regierung!

Die Gegnerschaft zur Regierung hält den ÖGB zusammen, Kollege Verzetnitsch. Das ist es, was Sie zusammenhält, denn es passt Ihnen nicht, dass jetzt Freiheitliche auf der Regierungsbank sitzen. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) Das passt Ihnen nicht! Sie wollen Ihre eigenen Kollegen da oben haben, damit Sie sich Ihre Pfründe wieder einrich­ten können, damit Sie sich alles richten können, so wie Sie es früher ge­macht haben. Das ist das, was Sie wollen: die Regierung sprengen!

Lesen Sie doch einmal selber nach, was im Internet bei Teilen derer, die Sie vertreten, steht! So steht zum Beispiel beim Diskussionsforum der ÖBB Folgendes: „Leider sind jene, die am Dienstag Dienst haben, dem Unmut und Zorn, den Aggressionen der Kunden berechtigt ausgesetzt.“ – Das steht im Internet von Arbeitnehmern, von einem Herrn Ludwig K. Ich werde den Nachnamen nicht sagen, denn dann hat er mit Proble­men zu rechnen. (Abg. Dr. Glawischnig: Haben Sie auch ein inhaltliches Argument? – Abg. Pfeffer: Haben Sie das geschrieben?) – Das Zitat weiter: „Die Damen und Her­ren, die das zu ver­antworten haben, sitzen im warmen Büro bei Kaffee und Kuchen“, sagt er zum Beispiel. (Abg. Parnigoni: Was bezahlen Sie dem Schreiber dafür?)

Ich fahre fort: Es gibt einen anderen, der sagt: Ich bin gegen Streik, schon allein des­wegen, da Streiks nichts ändern werden! – Das sagt einer von Ihrer Klientel. (Abg. Parnigoni: Wer sind das, die „Ihre Klientel“?)

Weiter im Zitat: „Interessant war jedoch der Umstand, dass in Listen festgehalten wur­de, wer streikt. Ein anderer hielt in Listen fest, wer nicht streikt.“ – So viel zum Thema Streikfreiheit. Das ist das, womit nämlich Ihre Klientel zu rechnen hat. All das können Sie im Internet auf der ÖBB-Homepage nachlesen.

So gehen Sie mit Ihren Leuten um! Das ist meiner Meinung nach sehr bedenklich! Wenn wir hier schon von Streikfreiheit reden, dann muss es für diejenigen, die nicht hingehen wollen, auch die Freiheit geben, nicht hinzugehen. Das sollen Sie Ihren Leu­ten auch zugestehen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Sie kön­nen zur Pensionsreform noch nichts sagen, weil Sie die Abänderungsanträge noch nicht kennen!)

Jetzt zum Thema „Solidarbeitrag“. Das ist auch ein wichtiger Punkt, der von den Kolle­gen der Sozialdemokratie immer eingefordert wird. – Den Solidarbeitrag wird es geben, nämlich von denjenigen, die es jahrelang verabsäumt haben, Maßnahmen zu treffen. Und das sind Ihre Kollegen, die jetzt schon in Pension sind, und auch Sie, wenn Sie dann in der Pension sein werden.

Ich meine den Solidarbeitrag von Blechas, die auch streiken, weil sie eben diesen Soli­darbeitrag nicht zahlen wollen, den Solidarbeitrag auch von Löschnaks, die Politpensi­onen beziehen. Diese Personen werden 15 Prozent Solidarbeitrag zahlen, und das ist ge­rechtfertigt und das ist auch gut so. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir wer­den dann sehen, ob Sie dem zustimmen werden, denn Sie sind auch einer von


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denen. (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) Ja, auch Götz muss es zahlen. Richtig und gut so! Doch auch Sie werden es zahlen müssen.

Haben Sie, Abgeordneter Verzetnitsch, schon einmal Ihren Arbeitnehmern, die Sie angeblich vertreten, gesagt, dass Sie einer von denjenigen sind, die eine Gewerk­schaftspension bekommen und auch eine Politikerpension beziehen werden? Das ist das System, das Sie geschaffen haben, als Sie noch an der Regierung waren, dem wir Freiheitliche nicht zugestimmt haben. Haben Sie einmal all den Arbeitnehmern gesagt, dass Sie einer der Privilegier­ten sind, die eine Gewerkschaftspension und auch eine Politikerpension beziehen werden? Haben Sie das als Vertreter der Arbeitnehmer Ihren Leuten schon einmal gesagt?

Ich erwarte mir von Ihnen, dass Sie hier dem Antrag, dass es 15 Prozent Solidarbeitrag auch von Ihnen geben wird für das, was Sie zu tun verabsäumt haben, auch zustim­men. Ich bin sehr gespannt auf Ihr Abstimmungsverhalten! (Beifall bei den Freiheitli­chen.)

Wir Freiheitliche haben gearbeitet, wir haben die Verantwortung wahrgenommen, wir haben mit den Sozialpartnern und mit dem Koalitionspartner verhandelt, um hier Ver­besserungen herbeizuführen, und zwar auch auf Grund der Rückmeldungen, die wir erhalten haben.

Aber was haben Sie gemacht?– Anstatt zu verhandeln, haben Sie gestreikt, haben da­mit auch dem Wirtschaftsstandort Österreich einen großen Schaden zugefügt.

 


Präsident Dr. Heinz Fischer (das Glockenzeichen gebend): Bitte die Redezeit zu be­achten!

 


Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (fortsetzend): Wir Freiheitlichen neh­men die Verantwortung wahr – im Gegensatz zu dem, was Sie tun, nämlich nicht die Ver­antwortung zu übernehmen! Wir garantieren eine sozial gerechte Pensionsreform. Da­für werden wir Freiheitliche einstehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

12.35

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Wir haben vereinbart, dass wir die nächsten 25 Minuten gerecht aufteilen. Wenn ich das durch vier dividiere, blei­ben für die nächsten vier Redner je 6 Minuten. Ich bitte, das genau einzuhal­ten, damit Fairness garantiert ist.

Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Abgeordneter Dr. Cap. Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


12.35

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Schauen Sie, wenn Sie unserer Kritik nicht glauben wollen, weil Sie uns unterstellen, dass dahinter ein parteiischer Gedanke stünde, dann muss man die Kritik aus Ihren eigenen Reihen auf den Tisch legen. Ich habe vergeblich den Abgeordneten Neugebauer gesucht, auch jetzt sehe ich ihn nicht, und auf der Rednerliste scheint sein Name auch nicht auf.

Heute richtet er via „Kronen Zeitung“ Bundeskanzler Schüssel Folgendes aus: „Die Regierung hat die Pensionsreform völlig vergurkt.“ – Abgesehen davon, dass ich ein­mal wissen möchte, was „vergurken“ ist – aber es muss in der Diktion des Abgeordne­ten Neugebauer etwas ganz Schlimmes sein –, ist es jedenfalls eine sehr deutliche Kritik. Abgeordneter Neugebauer soll herauskommen und soll diese „Vergur­kungen“ hier einmal im Detail darlegen, denn offensichtlich sind er als Chef der GÖD und ein Expertenstab zu diesem Schluss gekommen sind.

Im Übrigen sind wir auch der Meinung, dass diese Pensionsreform „vergurkt“ ist.


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Aber eine noch härtere Kritik kommt vom Vizepräsidenten der Arbeiterkammer Dirn­berger, ÖAAB, der ja sogar eine Aussendung diesbezüglich gemacht hat, in der er sagt:

„Das Gesetz zur Pensionsverschlechterung ist auch nach der Einigung zwischen ÖVP und FPÖ – Haider hat sich als zahnloser Papiertiger erwiesen, der auch nur mehr die Faust im Hosensack ballen kann – im Nationalrat abzulehnen.“

Sehr geehrte Abgeordneten vom ÖAAB! Folgen Sie dem Herrn Dirnberger: Lehnen Sie hier diese Pensionsreform ab! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Lopatka: Das haben Sie diktiert!)

Herr Lopatka! Sie wollen die Pensionsreform nur wegen der Geldbeschaffung für das Budget. Sie waren wirklich ehrlich. Danke für diesen Redebeitrag von damals! (Neuer­licher Beifall bei der SPÖ.) Das ist der Grund, warum Pensionisten gequält werden.

Aber der Vizepräsident der Arbeiterkammer, der ÖAABler Dirnberger, zählt das auch auf, indem er sagt:

„Es wird 12 Prozent Kürzungen bei den Pensionen geben – das sind eineinhalb Mo­natsbezüge. Das ist Faktum.“ – Das sagt Ihr Vizepräsident und ÖAABler Dirnberger.

Und weiters: „Es wird wieder einmal bei den ASVG-Versicherten abgecasht. Das ist Faktum.“ – Herr Tancsits, für das nächste Präsidium mitschreiben!

Ich zitiere weiter: „Es gibt keine Harmonisierung der Pensionssysteme, sondern nur eine müde Absichtserklärung.“ – Das sagt Ihr ÖAABler Dirnberger.

Ich zitiere weiter: „Beim Übertritt vom bisherigen Pensionssystem zum künftigen Pen­sionskonto sind die Kürzungen nicht auf 12 Prozent gedeckelt. Das ist ein Faktum.“ – Das sagt Ihr ÖAABler Dirnberger, Vizepräsident der Arbeiterkammer. (Abg. Dr. Lopat­ka: Er sagt es nicht! Das haben Sie diktiert!)

Ich zitiere weiter: „Führende Regierungsmitglieder haben der Bevölkerung vor der Wahl die Unwahrheit gesagt.“ – Das sagt Dirnberger, Ihr ÖAABler, Vizepräsi­dent der Arbeiterkammer.

Zum Schluss sagt er dann – und das ist der beste Teil der Aussendung –:

„Wir werden jedenfalls jeden Abgeordneten, der dieser Pensionsverschlechterung zu­stimmt, in seinem Wahlkreis sein Fehlverhalten gegenüber den ASVG-Vesicherten öffentlich machen. Einmal sich nicht auf den örtlichen Kirchtagen feiern lassen, son­dern geradestehen für das Abstimmungsverhalten im Parlament ...“

Ein anständigen Ansinnen. Das kann man nur unterstützen! Nicht auf Kirchtagen he­rumkriechen, sondern endlich einmal Manns oder Frau genug sein hier herinnen! (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Übrigen: Bitte bleiben Sie bei der Wahrheit! Hören Sie auf, uns dauernd zu un­terstellen, wir hätten bis zu 15 Prozent Verluste zugestanden! Das kann nur aus der Sudelküche von irgendwelchen Propagandaabteilungen von Ihrer Seite kommen. Das ist falsch, einfach falsch!

Was Sie vorhaben, ist schon eindeutig: Sie wollen das umlagenfinanzierte Pensions­system einfach schwächen. Das ist Ihr Ziel! Weniger Geld für das sicherste Pensions­system! Weniger Geld dafür!

Sie wollen in Wirklichkeit nicht einmal die zweite und dritte Säule stärken. Auch das wollen Sie in Wirklichkeit nicht! Ein Beispiel dafür ist ja, dass Sie die Verzinsungsga­rantie für die Pensionskassen reduzieren wollen.


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Was wollen Sie eigentlich? All Ihre Vorhaben, die Sie heute und in den nächsten Ta­gen präsentieren werden, ergeben massive Pensionskürzungen. Besonders wird es die unter 35-Jährigen, die ASVGler und die Frauen treffen. – Das wollen Sie! Sie soll­ten sich aber auch hier herstellen und das eingestehen. Wir werden dagegen ankämp­fen, denn wir finden, dass das ein Fehler ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben eigentlich während der Scheinverhandlungen am Runden Tisch und wo auch immer Sie Ihre Scheinverhandlungen geführt haben, in Wirklichkeit immer nur die Verpackung geändert. Ich glaube, Ihr Pensionsexperte war Christo, der Ver­packungs­künstler. (Abg. Dr. Lopatka: Nicht polemisch sein!) Sie haben immer nur neue Verpa­ckungen gemacht, der Inhalt, der unsoziale, ungerechte Inhalt ist im Prinzip immer der gleiche geblieben. Sie können Käse noch so sehr umpackeln, in eine ande­re Verpa­ckung stecken – Käse bleibt Käse und stinken tut er trotzdem! Das sollte Ih­nen endlich einmal ins Stammbuch geschrieben werden. Am nächsten Wahltag wer­den Sie den Käse auch noch aufessen müssen – darauf freue ich mich besonders. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber der Gipfel ist Ihr Fristsetzungsantrag. Sie sagen: Hier sind die Abänderungsan­träge, aber ihr dürft nur zwei Tage darüber diskutieren und damit arbeiten. (Abg. Dr. Brinek: Wir diskutieren doch schon lange!) Das muss man den Fernsehzuschau­ern sagen. (Abg. Dr. Trinkl: Jahrelang!) Wir dürfen nur zwei Tage lang hundert Seiten durcharbeiten und dann ab die Post! Schmeck’s, Parlament! Das war es dann im Par­lament, weg damit, und schaut es euch bitte nicht genau an, denn wir wollen noch ein paar Sachen reinschwindeln. (Abg. Dr. Trinkl: Das ist eine reine Unterstellung! – Abg. Neudeck: Wie der Schelm denkt, so ist er!) Der österreichische Pensionsbezieher wird nur so schauen über die Pensionen, die hier so konzipieren.

Sie wollen in Wirklichkeit auch keine Volksabstimmung. Das ist ungeheuerlich. (Präsi­dent Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Und die Streiks diffamieren Sie als poli­tisch, weil Sie Angst vor den Wählerinnen und Wählern haben. Das ist überhaupt der Leitgedanke Ihres Verhaltens hier herinnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scheibner: Halten Sie sich einmal an irgendetwas! Das ist unfair!)

12.42

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Ab­geordneter Dr. Mitterlehner. Gleiche Redezeit von 6 Minuten. – Bitte.

 


12.43

Abgeordneter Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das letzte Mal hat Kollege Cap noch aus dem „Narrenschiff“ zitiert, jetzt muss er sich schon an die Ergüsse des Herrn Dirnberger halten. – Aber bitte. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Übrigen, Herr Kollege Cap: Das nächste Mal sollten Sie aus dem „Faust“ zitieren: „Ich bin der Geist, der stets verneint ...“, denn etwas anderes ist Ihnen eigentlich noch nie eingefallen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir haben heute schon einiges über die Notwendigkeit der Pensionsreform gehört. Wegen der Verschiebung der Altersstrukturen ist sie eigentlich unbestritten. Es gibt aber noch einen zweiten Grund, und der ist uns, würde ich sagen, passiert. Wir haben nämlich schon vor Jahren damit begonnen, verschiedene struktu­relle Probleme, die der Arbeitsmarkt gehabt hat, die auch die Wirtschaft gehabt hat, vor allem die Großindustrie, auf das Pensionssystem abzuschieben. Ich erinnere nur an das Sonderunterstützungsgesetz, „Aktion 57“, Krisenregionen-Verordnung und derglei­chen mehr.


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Es hat sich bei uns eine Kultur eingestellt so nach dem Motto: Schauen wir doch, dass wir die Probleme ins Pensionssystem verlagern. Das Ergebnis war, dass uns die EU nach den Barcelona-Zielsetzungen gesagt hat, es kann doch nicht richtig sein, dass in anderen Ländern in der Gruppe der 55- bis 65-Jährigen 50 Prozent arbeiten und bei uns nur rund 28 Prozent. (Abg. Dr. Brinek: Das weiß der Cap nicht!) Wir sollen bis 2010 das Ziel erreichen, dass auch bei uns in diesem Altersbereich 50 Prozent in Be­schäftigung sind.

Meine Damen und Herren! Wenn wir nicht heute, nicht jetzt anfangen, wann wollen Sie dann dieses Ziel erreichen? Daher war es richtig, dass die Regierung entsprechende Vorgaben getroffen hat. Wir haben, was den Inhalt anlangt, heute durchaus unter­schiedliche Auffassungen dazu gehört und auch gehabt. Sie sind in der Begutachtung auch entsprechend zum Ausdruck gekommen.

Aus Sicht der Sozialpartner, würde ich sagen, gab es vier Gründe zu berücksichtigen. Erstens: der Arbeitsmarkt und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, zweitens: die Einkommensverluste sollten nicht so drastisch sein, drittens: der Vertrauensschutz und viertens der Versuch, überhaupt eine Gesamtregelung zu schaffen, eine Harmonisie­rung der Systeme.

Herr Präsident Verzetnitsch! Ich war bei dem Gespräch beim Herrn Bundeskanzler nicht dabei, aber es ist nicht richtig, dass dort keine Gesprächsbereitschaft vorhanden war. Ganz im Gegenteil! Es hat zumindest nachher intensive mehrtägige oder eigent­lich nächtliche Verhandlungen gegeben, und im Endeffekt hat es Verbesserungen ge­geben, was den Arbeitsmarkt anlangt, längere Fristen, insbesondere was die Abschaf­fung der Frühpensionen anlangt, auch andere Quartalsentscheidungen, was die Früh­pensionen anlangt. Es hat die Deckelung gegeben und verschiedene andere Maß­nahmen.

Daher würde ich schon sagen, Herr Präsident, eigentlich ist es doch ein Verdienst die­ser Verhandlungen, ein positives Ergebnis dieser Verhandlungen, dass die Regierung jetzt all das aufgenommen hat. Ich habe großen Respekt, dass die Regierung das An­gebot aufrechterhalten hat, ich kann aber nicht verstehen, dass Sie das jetzt nicht ak­zeptieren und relativ undifferenziert den eingeschlagenen Weg fortsetzen.

Wenn jetzt auch gesagt wird, es habe Streiks mit Augenmaß gegeben und so weiter – in Ordnung! Aber, Herr Präsident, die entscheidende Frage ist nicht, wie groß, wie stark das Ausmaß der Streiks war, sondern entscheidend ist die prinzipielle Frage, ob die Maßnahmen, die Sie auf der politischen Ebene erreichen sollten, auf Betriebsebe­ne getroffen werden sollen. Ich meine, es war der falsche Weg, die Betriebe in die Pflicht zu nehmen, sondern der richtige Weg ist jener der Verhandlungen und der poli­tischen Auseinandersetzung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Wirtschaftskammer hat eben deshalb, weil sich gewalti­ge, weil sich entsprechende Verbesserungen ergeben haben, weil es Erleichterungen, weil es Abrundungen gibt, das Angebot angenommen. Herr Präsident! Im Endeffekt ist doch die entscheidende Frage die, ob die Phase eins, sprich das, was Sie immer mit der Phase zwei erreichen wollen, mit der Harmonisierung kompatibel ist. Wir denken ja, die Harmonisierung ist mit den anderen Maßnahmen durchaus kompatibel.

Wenn Sie jetzt so sehr darauf bestehen, dass das gesamte Paket entsprechend umge­setzt wird, dann kommen Sie mir vor wie ein Stemmer, der dem anderen zuschaut, der in der ersten Runde das Erstgewicht hochheben will. Sie sagen, nein, Sie wollen sich gar nicht um dieses Gewicht bemühen, Sie lassen sich gleich das Rekordgewicht auf­legen. Und das Rekordgewicht heißt Harmonisierung der Systeme, eine schwierige Aufgabe, und Sie schmeißen alles in die Höhe.


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Damit, Herr Präsident, gibt es schon zwei Fragen, die Sie sich stellen lassen müssen: Schaffen Sie wirklich die Harmonisierung mit uns, mit den anderen? Und bleiben Sie damit auch glaubwürdig bei der Bevölkerung? Ich denke, das, was hier vorgelegt wird, ist sicher nicht so, dass nicht der eine oder andere Härtefall auftreten wird. Das lässt sich bei entsprechenden Systemumstellungen nie verhindern. Aber die entscheidende Frage ist – und damit bin ich schon am Schluss meiner Ausführungen –: Ist es nicht so, wie einmal Professor Rothschild in Linz gesagt hat: Es ist besser, eine Frage ungefähr richtig zu beantworten als präzise falsch!? – Sie haben gar keine Antwort, daher kann das sicher nicht der richtige Weg sein! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

12.48

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sburny. 6 Minu­ten. – Bitte.

 


12.48

Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich hab’s! Triumph, Triumph! Ich habe die Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz gerade eben bekommen. (De­monstrativer Beifall bei der ÖVP.) Vielen Dank, dass wir sie schon bekommen ha­ben. So sind Sie: Mitten in der Diskussion bekommen wir die Vorlage. Wir könnten dann vielleicht auch in die Debatte einsteigen, denn bis morgen 10 Uhr werden sie alle gele­sen haben.

Was ich heute noch einmal in die Diskussion bringen möchte, weil ich finde, dass das noch immer ein bisschen zu kurz kommt: Die Regierung hat vor zwei Monaten eine Vorlage gebracht – eine andere als jene, die wir heute bekommen haben –, mit der sie in einem Mix von Maßnahmen erreicht hätte, dass es Pensionskürzungen zwischen 10 und 40 und in einzelnen Fällen sogar mehr Prozent gegeben hätte. Sie haben auf Grund der Proteste und der KritikerInnen diese Regierungsvorlage vorerst zurückge­zogen und jetzt eine andere vorgelegt. Es hat sich nur leider an diesem Mix von Maß­nahmen überhaupt nichts geändert.

Es ist ein großer Erfolg der KritikerInnen – und das ist der einzige Erfolg, muss man leider sagen –, dass es eine zeitliche Veränderung gibt. Es wird nicht auf diese Art, wie Sie es geplant haben, drastisch, schnell, überfallsartig kommen, sondern es wird ein bisschen mehr Zeit geben, sich darauf einzustellen. Nur kann das nicht über die Tatsa­che hinwegtäuschen, dass letztendlich spätestens 2028, wenn nämlich sämtliche De­ckelungsfristen gefallen sind, ganz genau das in Kraft tritt, was Sie schon vor zwei Mo­naten geplant haben, mit sämtlichen Durchrechnungszeiten, mit Steigerungsbeträgen, mit Abschlägen. Alles, was Sie damals geplant haben, ist auch nach wie vor geplant, nur mit einer zeitlichen Verzögerung. (Abg. Dr. Brinek: Wenn nichts passiert, ist alles viel schlimmer!)

Das Interessante ist jetzt, man darf sich fragen: Was ist das Ziel Ihrer Pensionsreform? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist heute schon das Wort gefallen, dass es das ge­meinsame Ziel dieser Pensionsreform sein müsste – irgendwie ist es so hingestellt worden, als ob das selbstverständlich wäre –, dass es eine gerechte Pension gibt, die gesichert wird und die den Lebensstandard aufrechterhält. Faktum ist, dass Sie ganz andere Ziele haben; Sie sprechen nur nicht darüber. Sie haben genau zwei Ziele ge­habt, eines davon ist Ihnen vereitelt worden. Das erste Ziel war eine kurzfristige Geld­beschaffungsaktion für das Budget. (Abg. Dr. Brinek: Das ist eine Unterstellung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist Ihnen durch die KritikerInnen und Skepti­kerInnen vereitelt worden, zu dieser ganz kurzfristigen Geldbeschaffungsaktion werden Sie nicht kommen. (Beifall bei den Grünen.)


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Das zweite Ziel, das Sie haben und das Sie unverändert und unvermindert durchzuset­zen versuchen, ist der gesamte Umbau des Pensionssystems, und zwar nicht in der von Ihnen behaupteten nachhaltigen Art und Weise, sondern in einer Art und Weise, dass Sie die so genannte erste Säule drastisch zurückstutzen. Sie behaupten, dass das gerecht und nachhaltig wäre.

Faktum ist, dass für jeden und jede die Kosten für das Pensionssystem nicht geringer werden. Das heißt, für das, was man haben will, muss man einzahlen, und zwar egal, ob ins staatliche oder ins private System. Der einzige Unterschied – und das ist es, was Sie bezwecken – ist die Art der Verteilung.

Das bisherige System hat gewährleistet, dass es innerhalb des Systems eine gewisse Umverteilung gegeben hat. Man konnte sich zumindest in einem gewissen Bereich darauf verlassen, dass gesellschaftliche Risken wie Arbeitslosigkeit, Armut oder etwa in der finanziellen Auswirkung davon, Kinder zu bekommen – was auch ein gesell­schaftliches Risiko ist –, gesellschaftlich abgefangen wurden. Das wird mit Ihrer Art, mit Ihrer so genannten Pensionsreform geändert, und zwar nicht nur dort, sondern auch in anderen Bereichen wie im Gesundheitsbereich. Sie lagern diese Risken auf die einzel­nen Leute aus, und es gibt kein Solidarsystem mehr, das diese Umverteilung wahr­nehmen wird. (Beifall bei den Grünen.)

Ich finde, dass diese Diskussion endlich einmal geführt gehört. Sie können ja auf den Tisch legen, was Ihr Ziel ist. Ich denke, das ist auch zu diskutieren: Was ist Aufgabe der öffentlichen Hand? – Das ist es ja, was dahinter steht: Sie wollen bis 2010 die Steuer- und Abgabenquote von 44,6 auf 40 Prozent senken. Natürlich können Sie zu­erst sagen: Jetzt haben wir weniger Geld!, und nachher jammern Sie darüber, dass wir keines mehr haben. Das passt ja alles zusammen.

Das heißt, es ist die Frage: Wofür wollen wir gemeinsam, wofür will der Staat Steuer­mittel ausgeben? Wofür wollen wir sie einheben, wofür wollen wir sie ausgeben? – Diese Diskussion muss einmal geführt werden. Sie können nicht Steuern reduzieren und sagen: das ist jetzt das hehre Lissabon-Ziel – warum, weiß eigentlich niemand genau –, und auf der anderen Seite behaupten, wir haben zu wenig Geld, um Solidar­leistungen für alle anzubieten. Das ist die Diskussion, die wir führen sollten. Da sollten Sie Ihre Ziele bei der Art von Umverteilung, die Sie betreiben – nämlich nicht solida­risch, sondern von unten nach oben –, einmal offen auf den Tisch legen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.54

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Walch. Frei­willige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


12.54

Abgeordneter Maximilian Walch (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dr. Gusenbauer und Universitätsprofessor Abgeord­neter Dr. Van der Bellen kritisieren hier, dass die Zeit zu kurz ist für die Pensionsreform beziehungsweise für die Begutachtung.

Drei Jahre lang hat eine Pensionsreformkommission getagt. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) In den Sondierungsgesprächen habt ihr alles vorbesprochen. In den Aus­schüssen hättet ihr genug Möglichkeiten gehabt, noch Vorschläge oder ein Modell und vieles mehr einzubringen. Ich sage euch ganz ehrlich: Ihr wollt ja gar nicht! Ihr wollt nicht, weil es nicht eure Idee ist. Diese Pensionssicherungsreform kann noch so gut sein, ihr stimmt sowieso nicht zu! (Abg. Dr. Glawischnig: Sie ist nur leider nicht gut! Sie ist sehr schlecht!) Daher ist es auch sinnlos, hier eine gemeinsame Linie zu su­chen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Aber jetzt habe ich ein Papier bekommen, das ich heute Vormittag leider nicht mehr habe vorlesen können. Es ist ein vertrauliches Geheimpapier: Protokoll vom 27.10.2002, Eckpunkte des Koalitionsübereinkommens zwischen Sozialdemokrati­scher Partei Österreichs und den Grünen. (Abg. Dr. Glawischnig: Sie wissen, dass das eine Fälschung ist!) Das ist sehr interessant. Ich hoffe, dass dieses Papier nicht stimmt; ich habe es von jemandem zugesandt bekommen. (Abg. Dr. Glawischnig: Von der ÖVP! Das ist eine Fälschung, und Sie wissen es!)

Da steht drin: Wirtschaftspolitik – Wirtschaftsimpulse durch die Verlegung folgender religiöser Feiertage auf Sonntag: 6. Jänner, 15. August, 8. Dezember; Halbierung der Wohnbauförderung; Streichung der Witwenpension ab 2006. (Abg. Dr. Van der Bel­len: Kollege Walch! Das ist eine Fälschung, Sie wissen es!) Verwaltungsreform: Akti­onsplan, 25 Prozent Einsparungspotenzial bei Beamten mit 500 Millionen €. Positions­papier Gusenbauer, und vieles mehr. Das ist die Wahrheit darüber, was dahinter steckt! (Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich sage Ihnen über dieses Pensionssicherungs-Reformpapier, wie es jetzt mit Beteiligung der Freiheitlichen, mit unserem Vizekanzler Herbert Haupt vorgelegt wird: 10 Prozent Abschläge (Abg. Dr. Brinek: Höchstens!), aber nicht, wie von der SPÖ vorgeschlagen, die sogar mit 15 Prozent einverstanden gewesen wäre. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Das wäre eventuell ein „Pensions­raub“, wie manche Oppositionspolitiker behauptet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Schließung der Lücken bei den Frauen, welche Kinder groß gezogen haben; Erhöhung der pensionsbegründenden Zeiten von 18 auf 24 Monate bei den Kindererziehungszei­ten, Reduktion des Durchrechnungszeitraums pro Kind drei Jahre – das ist Familienpo­litik! (Abg. Mag. Wurm: Ab wann?) Invaliditätspension: Wenn einer einen Arbeitsunfall hat und 30 Jahre alt ist, wird das jetzt so angerechnet: Nicht der Durchschnitt bis zum 56. Lebensjahr wird für die Höhe der Pension berechnet, sondern bis zum 60. Lebens­jahr. Anrechnung der Ersatzzeiten von Zeitsoldaten, die für uns Leben und Gesundheit einsetzen: bis zu 30 Monate. Nachkauf von Studienzeiten – was die vor­hergehenden Regierungen gemacht haben, war nur eine finanzielle Anrechnung, aber es war kein Nachkauf möglich. Sozial gerechte Pensionserhöhungen bei kleinen Pen­sionen, dem­entsprechend Einführung des Solidarbeitrages bei Sozialversicherungen.

Der größte Punkt – es ist klar, dass das der Opposition nicht passt – ist bei den Politi­kerpensionen zu finden. Ihr habt geglaubt, wir machen nur 10 Prozent – 15 Prozent werden sie alle hergeben müssen, 15 Prozent! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Keine Doppelpensionen mehr! Anhebung des Pensionsantrittsalters. Ihr habt gesagt: Macht etwas, aber hoffentlich passiert es nicht, weil es uns dann am meisten erwischt! Beschränkung der Bezugsfortzahlung: Wer waren denn dazumal diejenigen, die das beschlossen haben? Wer war das? Ich habe es mir von meinen Kolleginnen und Kol­legen sagen lassen. Die Grünen haben auch mitgestimmt. (Abg. Öllinger: Na, da musst dich informieren!) Vielleicht würden es die Neuen hier eh nicht mehr machen, sie sind vielleicht schon ein bisschen anders.

Bitte, ich würde ersuchen: Lesen, denken, rechnen und dann sprechen! Dann werden wir eine gute Reform haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.59

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Zeitraum, auf den sich unsere Vereinbarung in Be­zug auf tatsächliche Berichtigungen bezogen hat, ist jetzt abgelaufen. Daher bin ich verpflichtet, Herrn Abgeordneten Van der Bellen das Wort zu einer tatsächlichen Be­richtigung zu erteilen.


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18. Sitzung / Seite 80

Frau Abgeordnete Prammer bitte ich, noch einige Sekunden zu warten. – Bitte, Herr Abgeordneter Van der Bellen.

 


12.59

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Lieber Kollege Walch! – Herr Kollege Walch, darf ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten. (Abg. Walch: Ja!) Sie ha­ben hier den Inhalt eines Papiers vorgetragen, das diese Aufmerksamkeit nicht ver­dient. Ich muss Ihnen leider sagen, dass das eine freie Erfindung von irgendjemandem aus dem Wahl­kampf gewesen ist. Das ist mit Sicherheit kein Übereinkommen zwi­schen SPÖ und Grünen oder sonst irgendetwas! (Abg. Dr. Brinek: Vielleicht ist das an Ihnen vorbeige­schwindelt worden!)

Es war entweder ein begabter Kabarettist, dem im Nachhinein eine gewisse Anerken­nung gebührt. Unsere Hypothese war, dass das von der ÖVP kommt beziehungswei­se von der Jungen ÖVP im Wahlkampf. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.00

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


13.00

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bun­desregierung. Eines mache ich jetzt sicher nicht: auf die Wortmeldung des Kollegen Walch eingehen, denn das wäre wohl müßig, meine Damen und Herren! (Abg. Öllin­ger: Ja, ist besser! – Ruf bei der ÖVP: Arrogant ist das!) Ich möchte viel lieber noch einmal auf die Chronologie Ihrer so genannten Pensionssicherungsreform eingehen. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich erinnere an die Wahlversprechen, die Sie vergangenes Jahr getätigt haben – das ist heute schon mehrfach erwähnt worden –, und ich erinnere an den Begutachtungs­entwurf. Wir sind ja heute klüger geworden, denn der Herr Vizekanzler hat uns infor­miert, weswegen ein solcher Begutachtungsentwurf vorgelegt werden muss, nämlich damit dann andere kommen und sagen können: Das ist schlecht, das muss verändert werden. Mit einem solchen Selbstverständnis in die Regierung einzutreten und Regie-rungspolitik zu machen, das ist ja wohl wirklich sehr verwunderlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Nächster Punkt: Es kam der Ministerratsentwurf – und das ist heute auch schon mehr­fach gesagt worden –: Hier sind die Freiheitlichen eindeutig zum ersten Mal im Liegen umgefallen. Ich zitiere Ihr einfaches Parteimitglied, das noch am 12. Mai die Bei-behaltung der Steigerungsrate von 2 Prozent gefordert hat. – Ich weiß nicht, Herr Vize­kanzler, wo sich das wieder findet. – Von einem gerechten Aufwertungsfaktor für län­gere Durchrechnungszeiten hat er gesprochen und von anderem mehr.

Die Freiheitliche Partei spielt ein Spiel mit, das wir bereits kennen. Das Spiel ist auch in der letzten Regierungsperiode immer wieder vonstatten gegangen: Zunächst einmal lässt man Experten alle Grauslichkeiten der Welt schildern, als Nächstes bringt man genau diese Grauslichkeiten als Ministerratsvorschläge ins Parlament, und dann kommt die Bundesregierung und behauptet in unglaublich widersprüchlichen Aus­sagen, dass alles ganz anders, viel milder kommen wird. Glauben Sie allen Ernstes, dass die Bevölkerung sich niederkniet und sagt: Danke, liebe Bundesregierung, ihr seid eh nicht ganz so grauslich!? – Nein, meine Damen und Herren der Bundes­regierung, das wird es nicht spielen! Sie glauben tatsächlich, dass Sie die Menschen für dumm verkaufen können, aber die Menschen lassen sich nicht für dumm verkaufen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Und die neuen Vorschläge? – Da bleibt einem ja der Atem weg! Jetzt kommt ein Härte­fonds. Ich war immer der Meinung, dass wir eigentlich die Zeit der Almosenempfänge­rinnen und Almosenempfänger überwunden hätten. (Beifall bei der SPÖ.) Ich war eigentlich der Meinung, dass Pensionen mit Rechtsansprüchen ausgestattet sind. Ab jetzt ist es aber für einzelne Personen notwendig darzulegen, wie unterstüt­zungswürdig sie sind. Sie müssen einen Antrag stellen, und dann haben sie vielleicht Glück oder vielleicht auch kein Glück und können aus einem Härtefonds Ausgleichs­zahlungen empfangen. Das ist nicht eine Politik, die ins 3. Jahrtausend passt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Das einzig wirklich Kluge, das ich heute von der Regierungsbank aus gehört habe, war, was der Herr Vizekanzler aus unserem Modell zitiert hat. Hätte sich die Bundes­regie­rung nur irgendwann die Mühe gemacht, sich zum Beispiel mit der SPÖ und ihrem Mo­dell auseinander zu setzen, dann könnte man heute vielleicht davon ausgehen, eine Riesenchance wahrzunehmen, um zu einem wirklich modernen, einheitlichen Pensi­onsrecht zu kommen. Das ist aber nicht Ihr Interesse, und auch das ist hier schon mehrfach gesagt worden. Es geht Ihnen darum, das staatliche Pensionssystem, das solidarische Umlagesystem wenn schon nicht zu zerschlagen so doch jedenfalls mas­sivst zu verkleinern, um Spielräume für die zweite und die so genannte dritte Säule zu erhalten. Was das für die Menschen bedeutet, brauche ich nicht zu wiederholen, denn auch das ist schon mehrfach gesagt worden. Das lehnen wir kategorisch ab! (Beifall bei der SPÖ.)

Alle Grausamkeiten dieser Welt bescheren Sie vor allem auch den Frauen. Gerade bei den Frauen treiben Sie es eigentlich am buntesten, denn den Frauen, die es am nötigs­ten hätten, Ausgleichszahlungen zu erhalten, wird gesagt: Ihr müsst mit gewis­sen Ausnahmen das Auslangen finden, und die Ausnahmen sollten ausreichen, damit ihr nicht allzu sehr unter die Räder kommt. Diese Ausnahme – drei Jahre bei der Durch­rechnung – ist ein Hohn. Die Aufwertung der Kindererziehungszeiten ist ein Hohn! 25 Jahre, um um 50 Prozent aufzuwerten, das ist unglaublich, das ist wirklich ein Affront gegen die Frauen.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer, Verzetnitsch, Csörgits, Mag. Prammer, Silhavy, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pensionen, die fair, sicher und gerecht sind.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

die Regierungsvorlage zur so genannten „Pensionssicherungsreform“ zurückzuzie­hen,

den Sozialpartnern die Gelegenheit zu geben, bis zum 30. September 2003 einen eigenen Vorschlag gemeinsam zu erarbeiten,

das Gesprächsangebot der SPÖ anzunehmen und im Herbst auf Grundlage der Vor­schläge der Sozialpartner, der Oppositionsparteien und aller anderen ernsthaften Vor­schläge eine sozial gerechte Pensionsreform zu beschließen,

ein gemeinsames Pensionssystem für alle ÖsterreicherInnen, in das schrittweise alle hineinwachsen, sodass in 30 Jahren alle Österreicher und Österreicherinnen nach dem


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gleichen Recht in Pension gehen und niemand mehr in der Pensionshöhe bevorzugt wird,

ein Pensionssystem, das dauerhaft garantiert, dass am Ende der Reform nach 45 Jah­ren Arbeit und einem Pensionsalter von 65 Jahren 80 Prozent netto als Pension zu­steht und so der Lebensstandard gesichert wird und es bei Durchschnittspensionen nicht zu Kürzungen bis zu eineinhalb Monatsbezügen kommt, sowie

für Politiker die gleichen Veränderungen vorzusehen wie für alle anderen.

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Abgeordnete! Der Antrag, den Sie schriftlich ein­gebracht haben, unterscheidet sich in einem wichtigen Wort von dem, was Sie ver­lesen haben. Sie haben nämlich schriftlich eingebracht: „Die Regierungsvorlage zur Pensionssicherungsreform zurückzustellen ...“, und Sie haben verlesen: „zurückzuzie­hen“. Was gilt? (Abg. Mag. Prammer: „Zurückzustellen“ wie in der schriftlichen Fas­sung!) – Zurückzustellen. – Danke.

Der von Frau Abgeordneten Mag. Prammer eingebrachte Entschließungsantrag der Abgeordneten Gusenbauer, Verzetnitsch, Csörgits, Prammer, Silhavy ist hinreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Karl Donabauer, der wunschgemäß 7 Minuten zu uns sprechen wird. – Bitte.

 


13.08

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesre­gierung, besonders Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Aus aktuellem Anlass: Frau Kollegin Prammer hat hier vorgetragen beziehungsweise in ihrer Rede ausgeführt, dass sie eigentlich meint, dass man auf alle Sozialleistungen einen Rechtsanspruch hätte. Dem ist aber nicht so, auch nicht nach 30-jähriger sozial­demokratischer Regierung! Sie kennen die Leistung der Sozialhilfe: Darauf gibt es kei­nen Rechtsanspruch! (Abg. Mag. Prammer: Ja, ja, aber auf Pension gibt es sehr wohl einen Rechtsanspruch!) Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr oft diskutiert, um gerade auch dieses Problem zu lösen. Das ist bis heute nicht erledigt worden; es wird aber in der nächsten Zeit sicherlich weiter darüber verhandelt werden.

Das politische Europa formiert sich neu mit zwei Grundausrichtungen, nämlich Frie­denssicherung und Beschäftigungspolitik zu aktivieren. Das ist einmal die eine Seite. Die andere Seite ist: Die Bürger Europas werden älter. Hier ist Handlungsbedarf gege­ben, da kann man einfach nicht zuschauen. Deshalb gibt es gegenwärtig in fast allen europäischen Ländern die Diskussion um das Pensions- beziehungsweise Pensionssi­cherungssystem.

Zum Ersten geht es um eine Neuausrichtung auf dem Arbeitsmarkt. Hiebei ist wichtig, dass Kostenentlastung betrieben wird. Zum Zweiten ist eine Verbesserung der Aus- und Weiterbildung wichtig, denn nur gut ausgebildete Arbeitnehmer sind am Arbeits­markt aktiv einzubringen. Nur wer Arbeit schafft, sichert die Sozialleistungen in der Zukunft. Alles andere ist mehr oder weniger gute Rhetorik, aber nicht die Realität, und das muss man einmal ganz klar sagen! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Walch.)

Ich persönlich meine, dass gerade in diesem Bereich ein großer Handlungsbedarf für den ÖGB besteht und dass er sich hier auch einbringen soll und muss. Ich erwarte mir auch bald neue Vorschläge dazu.


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Zum Zweiten: Es geht einfach darum, die Sozialsysteme zu reformieren. Es sind einige neue Phänomene da, auf die wir reagieren müssen, und das haben wir getan. Regie­ren heißt eben, gerade darauf Bezug zu nehmen.

In den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es sehr viele Anläufe, aber nicht die not­wendigen Erfolge.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe mir die Mühe gemacht, einige Aus­drucke von Aussagen namhafter Persönlichkeiten aus dem Bereich der Sozialpolitik, die überwiegend der Sozialdemokratie zuzuordnen sind, herauszusuchen: von dem heute schon erwähnten Generaldirektor Dragaschnig, von den Ministern Dal­linger, He­soun und Hostasch. Sie alle reden davon, dass es höchst notwendig ist, die bestehen­den Systeme dahin gehend zu ändern, dass die Durchrechnung erweitert wird, dass der Früheintritt in die Pension endlich verändert werden muss, damit das alles finan­zierbar bleibt.

Gerade das tun wir! Weil eben bis zum Jahr 2000 all die diesbezüglichen Ansagen nicht gegriffen haben – das hat Ihnen auch Rürup bei der letzten Diskussion gesagt –, mussten wir im Jahr 2000 eine wirklich gründliche Reform durchführen und müssen wir heute dieses Pensionssicherungsgesetz vorlegen, damit wir die Sozialleis­tungen nachhaltig absichern. Frühpensionen sind zwar etwas sehr Schickes, wenn man sie den Menschen anbietet, sie sind aber letztlich die Voraussetzung für die nächste Fi­nanzkrise. Das kann es einfach nicht sein, und deshalb glaube ich, dass wir mit unse­rem Konzept einen klaren und richtigen Weg gehen, so wie ihn nicht nur der Herr Vize­kanzler, sondern der Herr Bundeskanzler mit dem Herrn Vizekanzler und mit den ande­ren Mitgliedern der Bundesregierung erarbeitet und heute hier vorgestellt hat.

Das ist die Qualität dieser Bundesregierung! Deshalb, so glaube ich, wird dieses Pen­sionssicherungsgesetz größtenteils oder vielleicht sogar von allen, Annahme und Un­terstützung finden, denn alle, die sich realistisch und ehrlich mit dieser Frage be­schäftigen, müssen doch eingestehen, dass höchster Handlungsbedarf besteht und dass an diesen Maßnahmen kein Weg vorbeiführt.

Dieses Pensionssicherungsmodell, wie es uns heute vorliegt, hat auch soziale Qualität: Es sind neue Elemente darin enthalten, wie das Altersübergangsgeld, und wir führen die Altersteilzeitregelung fort. Ich denke, dass das etwas ganz, ganz Wichtiges ist, auf das wir hinweisen müssen, weil das gerade all jenen Menschen hilft, die eben am Ar­beits­platz ein Problem oder ein Vakuum haben.

In weiterer Folge erscheint es mir sehr wichtig, dass wir bei dieser Pensionssicherung gerade auch andere Leistungen in einer neuen Qualität mit einrechnen und mit berück­sichtigen, nämlich die Familienleistungen.

Meine Damen und Herren! Sie können Pensionssysteme in ganz Europa studieren: Sie werden kein Land finden, in dem die Familienleistung in solcher Qualität und so umfas­send Berücksichtigung findet wie bei uns. Gerade die neuen Elemente, die wir hier vorgese­hen haben, tragen dieser Entwicklung vermehrt Rechnung. Darum glaube ich, dass die soziale Gerechtigkeit genauso gegeben ist wie die Notwendigkeit des Han­delns. Durch die Deckelung der Abschläge, durch die Berücksichtigung der niedrigen Pensionen dadurch, dass wir den Mut haben, die Höchstbeitragsgrundlage etwas an­zuheben, damit wir im unteren Pensionsbereich helfen können, bringen wir eine mutige Reform zustande, die wir, so denke ich, herzeigen und auch den Bürgern vorstellen können.

Meine Damen und Herren! Wer Gutes bewahren will – und unser Sozialsystem ist ein gutes –, der muss vieles verändern, damit es auch nachhaltig finanzierbar bleibt. Und wir tun dies! Wir haben den Mut, die Kraft und die Entschlossenheit dazu! Wir machen


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es für dieses Land und seine Bürger, wir machen es für die Zukunft unseres Landes Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

13.14

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Man­dak. Die Redezeit beträgt wunschgemäß 6 Minuten. – Bitte.

 


13.14

Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Mit höchster Verwunderung habe ich heute festgestellt, dass es einerseits in diesem Parlament nicht möglich ist, den Begriff „Mogelpackung“ zu verwenden, ohne dass ein Ordnungsruf erteilt beziehungsweise zumindest in den Raum gestellt wird, dass auf der anderen Seite aber der Bundeskanzler hier in diesem Hohen Haus den Vorwurf der „Gräuelpropaganda“ gemacht hat, ohne dafür einen Ordnungsruf zu erhal­ten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Brinek: Das ist sie auch gewesen, eine Gräuelpropaganda! – Ruf bei der SPÖ: Genauso, wie das eine Mogel­packung ist!)

Ich habe auch Herrn Vizekanzler Haupt sehr aufmerksam zugehört und frage mich, wie ernst denn dieser Vizekanzler – der ja maßgeblich an der Pensionsreform beteiligt ist – zu nehmen ist. Er hat nämlich die „nächste exorbitante Erhöhung des Ausgleichszula­genrichtsatzes“ für Paare gepriesen. – „Die nächste exorbitante Erhöhung“! – Jetzt können Sie raten, wie hoch diese Erhöhung ist: Geht es da um 200 € oder um 100 €? – Nein: Es sind 40 € – bei einer Erhöhung von 960 € auf 1 000 € –, um die die Paare jetzt mehr bekommen. Dass er in diesem Zusammenhang von einer „exorbitanten Er­höhung“ spricht, zeigt die Weltfremdheit des Vizekanzlers! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es stimmt: Dieser Ausgleichszulagenrichtsatz wurde erst um 7 Prozent erhöht – das ist schon ein bisschen besser –, aber, und das muss man auch dazusagen, deswegen, weil sich gezeigt hat, dass die Betroffenen in Österreich unter der Armutsgrenze gelebt haben. Sich dann zu rühmen und in die Brust zu werfen und zu sagen, wie toll man ist – da haben wir eine andere Auffassung! Ich meine, der Vizekanzler sollte das ganz still und leise machen, ohne sich dafür zu brüsten.

Der zweite Punkt, den er angepriesen hat, war, wie gut er zu Menschen mit Behinde­rung ist und wie sehr er für sie sorgt. Er hat gesagt: Menschen mit Behinderung wer­den das Geld bekommen, das ihnen „die Bundesregierung zugemittelt hat“. – Herr Vi­zekanzler! Die Menschen mit Behinderung haben seit sieben Jahren keine Erhöhung des Pflegegeldes mehr bekommen! So sieht es in Wirklichkeit aus! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenden Sie sich doch an die SPÖ!) Sie, Herr Vizekanz­ler, haben diese Erhö­hung des Pflegegeldes zugesichert, und Sie haben es dann nicht gemacht! Was Sie jetzt tun, ist, den Angehörigen eine Unterstützung zukommen zu lassen – das ist schön und gut –, aber das Pflegegeld der Menschen mit Behinderung selbst wird nicht erhöht. Dazu sollten Sie auch stehen, anstatt den Menschen irgend­etwas vorzumachen! (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was heute grundsätzlich hier geschieht, ist eigentlich eine Wiederholung der Ereignis­se vom 29. April. Auch damals war es so, dass ganz kurz vor der Plenarsitzung der angebliche Gesetzesvorschlag in einer Ministerratssitzung verabschiedet wurde. Ich habe mir angesehen, was damals der Bundeskanzler dazu gesagt hat. Er hat gesagt – ich zitiere –:

„In puncto Kinder- und Familienfreundlichkeit, in puncto Behutsamkeit hinsichtlich der Interessen und Rechte der Frauen kann uns niemand in diesem Hohen Hause übertreffen.“


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Herr Bundeskanzler! Wenn Sie sich diese Worte heute anhören, werden Sie wohl eher unter den Tisch kriechen als sonst wo hin, weil das beschämend ist! Es ist nur der Druck der Menschen gewesen, der dazu geführt hat, dass hier endlich wenigstens an­satzweise Verbesserungen im Raum stehen – Verbesserungen, die wir noch immer nicht vorliegen haben; ich zumindest habe sie noch nicht vorliegen. Aber mit dem, was Sie hier behauptet haben, dass damals schon alles das Vortrefflichste gewesen wäre, strafen Sie sich heute selbst Lügen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Genauso, wie das, was Sie damals gesagt haben, falsch war und nicht der Wahrheit entsprochen hat, genauso entspricht auch das, was Sie heute in genau der gleichen Art und Weise – in einem Schnellschuss, ganz schnell und sehr unpräzise – von sich gegeben haben, wieder nicht der Wahrheit. Auch da kann keine Rede sein von einer sozial gerechten Pensionsreform. Eine solche sind Sie uns nach wie vor schuldig.

Das, was mich an dieser Rede am meisten „gewurmt“ hat, ist, dass ich selbst schon so weit gekommen bin, Ihnen fast Anerkennung dafür auszusprechen, dass Sie gesagt haben, Sie akzeptieren, dass die Streikenden diese Maßnahmen ergriffen haben, oder Sie zeigen ihnen gegenüber sogar eine Art Wertschätzung dafür. Da habe ich mir ge­dacht: So weit ist es in diesem Haus, wo das Streik- und Demonstrationsrecht immer wieder von Ihnen in Frage gestellt worden ist, schon gekommen, dass man schon an­erkennend zur Kenntnis nehmen muss, wenn der Bundeskanzler Grundrechte der Be­völkerung, die sie Gott sei Dank noch hat, endlich einmal anerkennt! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.19

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Do­linschek. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


13.20

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Dass Pensionen langfristig und für alle Generationen gesichert werden müssen, das wissen wir alle, und das ist auch von allen Rednern gesagt worden. Besser wäre es gewesen, wenn bereits Mitte der neunziger Jahre eine Reform durchgeführt worden wäre, aber die Regierungen vergangener Jahre hat in den damaligen Ansätzen wohl der Mut verlassen. Zu mehr als der Versendung von „Pensionisten-Briefen“ ist es damals nicht gekommen. An die Durchführung einer grundlegenden Pensionsreform hat man sich nicht herangewagt.

Die Lebenserwartung ist allerdings – Gott sei Dank! – wesentlich höher geworden. Wenn man sich das anschaut, so sieht man, dass man im Jahr 1970 in Österreich durchschnittlich noch 18,5 Jahre in Ausbildung war, 42,5 Jahre in der Erwerbstätigkeit und 8,5 Jahre in der Pension. 2001, Frau Kolle­gin Trunk, Sie kennen die Zahlen ... (Abg. Mag. Trunk: Das hat der Kollege von der ÖVP auch schon gesagt!) Ah so, ja? (Abg. Mag. Trunk: Aber das macht nichts!) Macht nichts. Es ist nicht von jedem gesagt worden, aber es ist ein ganz wichtiger Aspekt, warum diese Pensionsreform überhaupt notwendig ist. 2001 ist der durchschnittliche Österreicher 21 Jahre in Ausbildung, 37 Jahre in Erwerbstätigkeit und 20,5 Jahre in der Pension. Deswegen muss hier ge­handelt werden!

Die Geburtenrate ist ebenfalls rückläufig. Wenn wir das so weiterlaufen lassen wie bis­her, dann würden wir im Jahr 2030 ein Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Nicht-Erwerbstätigen von 1 : 1 haben. Und das wäre der zukünftigen Generation nicht zu­mutbar.


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Eine Harmonisierung der Pensionssysteme ist meiner Meinung nach einer der wich­tigsten Punkte überhaupt, damit wir die unterschiedlichen Beitragsleistungen, das un­terschiedliche Zugangsalter in den verschiedenen Pensionssystemen in Österreich und die unterschiedlichen Pensionshöhen auf gleich bringen. Genau das wird mit dieser Pensionsreform im heurigen Jahr auch geschehen. Sie fußt nämlich auf dem Bericht der Pensionsreformkommission, die drei Jahre lang gearbeitet hat und in die Senioren­vertreter genauso wie die Sozialpartner mit einbezogen waren. Sie hat im Prinzip drei Punkte ausgearbeitet, nämlich eine Angleichung des faktischen an das Regelpensi­onsalter, eine längere Durchrechnung sowie eine Harmonisierung der Pensionssyste­me. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und genau das passiert jetzt. Die Anhebung erfolgt in Teilschritten von vier Monaten pro Jahr. Ich glaube, dass das wichtig ist, dass man schön langsam einschleift. Das Auslaufen der Frühpension wird mit dem Jahr 2017 erfolgen, die Absenkung des Stei­gerungsbetrages von 2 auf 1,78 Prozent wurde entschärft, erfolgt parallel innerhalb von fünf Jahren.

Geschätzte Damen und Herren! Die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes auf 40 Jahre wird hier oft kritisiert, erfolgt aber ohnehin in einem Zeitraum bis zum Jahr 2028 und wird in Zukunft auf Basis der Lohnsumme und nicht mit den schlechten Aufwertungsfaktoren wie bisher gerechnet. Letzteres würde nämlich – wie heute von Rednern der Opposition schon oft gesagt worden ist – bedeuten, dass bei einer länge­ren Durchrechnung höhere Verluste anstehen. (Abg. Verzetnitsch: Warum ...?) Dem wird gegengesteuert, Herr Präsident Verzetnitsch, indem ab 1. Jänner 2004 die zurück­liegenden Zeiten auf Basis der Lohnsumme berechnet werden. (Abg. Verzetnitsch: Warum heißt es dann „die Regierungsvorlage“? Die sieht das nämlich nicht vor! Das ist die Täuschung!) – Herr Präsident Verzetnitsch! Du wirst den letzten Stand der Dinge wahrscheinlich noch nicht haben (Abg. Verzetnitsch: Oja!), aber wir haben ja morgen Gelegenheit, ... (Ruf: Hat er schon!) – Hat er schon? Das wird hier sicher vorkommen, denn das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die längere Durchrechnung überhaupt kommt und sozial abgefedert wird! (Abg. Verzet­nitsch: ... Da steht wieder: „die Regierungsvorlage“!) Das wird jetzt passieren, Herr Präsident Verzetnitsch, und es wird nicht so sein wie in der Vergangenheit, dass länger zurückliegende Jahre eben schlecht bewertet werden.

Das ist angesichts der längeren Durchrechnung auch wichtig. (Abg. Verzetnitsch: Das ist ja unser Verlangen! Aber dann dürfte hier nicht „die Regierungsvorlage“ stehen!) Die Verluste werden mit 10 Prozent gedeckelt. Im Durchschnitt wird es zu einem Verlust von 3 Prozent bis 7 Prozent kommen, entgegen dem Vorschlag der SPÖ, der Verluste bis zu 15 Prozent vorgesehen hätte sowie eine Erhöhung des Beitrages für die Pensi­onsversicherung um 0,5 Prozent. Das wäre eine wesentliche Verschlechte­rung gegen­über dem jetzigen Vorschlag der Koalitionsparteien.

Herr Präsident! Ich lade dich ein, hier mitzuarbeiten, damit der Österreichische Ge­werkschaftsbund mit seinem höchsten Repräsentanten nicht daneben steht, sondern die Reform auch mitträgt. Wir haben in den nächsten Tagen Gelegenheit dazu und sollten das in den nächsten zwei, drei Wochen auch finalisieren. (Beifall bei den Frei­heitlichen. – Abg. Verzetnitsch: Geht ja nicht! ... Wir können nichts finalisieren!)

13.26

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Herr Abge­ordneter, ich erteile Ihnen das Wort.

 



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18. Sitzung / Seite 87

13.26

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Wer ist auf der Re­gierungsbank noch anwesend? – Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Da­men und Herren! Hohes Haus! Kollege Dolinschek hat mir jetzt ein bisschen klarge­macht, wie die FPÖ in wenigen Sekunden umfallen konnte. Eines ist, glaube ich, klar geworden: Sie verstehen offenbar nicht ganz, was abläuft.

Punkt 1, Herr Kollege Dolinschek – er ist jetzt leider nicht mehr da –: Die Aufwertungs­faktoren der Vergangenheit werden nicht ausgebessert, sondern es handelt sich um eine Pro-futuro-Maßnahme.

Punkt 2: Wenn Sie geglaubt haben, es gebe ein SPÖ-Modell mit Kürzungen von 15 Prozent und einem gleichzeitigen Solidarbeitrag von 0,5 Prozent, haben Sie wie­derum nichts begriffen. Beides ist falsch, beides ist unrichtig!

Kommen wir zu den Punkten, von denen wir wirklich sprechen. (Abg. Dr. Lopatka: Fragen Sie den Gusenbauer!) Ich verwende ... (Abg. Dr. Lopatka: Gusenbauer redet auch von 10 bis 15 Prozent ...!) – Nein, das ist falsch, es wird auch durch Wiederholen nicht richtiger! Was richtig ist, ist das, was Kollege Lopatka gesagt hat, nämlich dass Ihr Vorhaben eine Geldbeschaffungsaktion ist.

Und damit sind wir schon bei der wahren Grundlage (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe): Dies ist Seite 355 der Regierungsvorlage. Jeder kann das nachlesen in 59 der Beilagen. Dort sieht man, dass es einfach nicht stimmt, dass es im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung in den nächsten vier Jahren einen Anstieg des Bun­desbeitrages in Prozent des BIP gibt. (Abg. Dipl.-Ing. Missethon: ...dann?) Der ent­sprechende Wert fällt sogar ab, und zwar von 3,1 Prozent auf 2,8 Prozent.

Ich gehe gern auf den Zwischenruf mit dem „dann“ ein. Genau dieses „dann“ haben wir nämlich Herrn Kollegen Bartenstein gefragt: Wie lautet denn Ihre Berechnung für die Zeit nach den Jahren 2006 und 2007? Die Antwort möchten Sie hören, Herr Kollege? – Er hat gesagt: Das haben wir nicht berechnet, das wissen wir nicht! Das war die Ant­wort im Budgetausschuss! Das zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der diese Regierung arbei­tet. Es ist eine Kürzungsaktion, nichts anderes, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Aber reden wir doch über jene Dinge, die jetzt täglich kommen: Wir werden immer äl­ter, daher müssen wir jetzt, heute, ab 2004 „ins Fleisch hineinschneiden“ – ins Fleisch deswegen, weil wir es bei Durchschnittspensionen von um die 1 000 € den Pensionis­ten schwer machen, überhaupt Fleisch einzukaufen.

Es ist eine Schande – eine Schande für alle, die hier ein Mandat haben –, wenn man darüber nachdenkt, wie Verluste in diesem Bereich gedeckelt werden können. Sie soll­ten darüber nachdenken, wie Sie die Lebensumstände der Pensionisten verbessern können, nicht darüber, diese zu verschlechtern. Das ist aber genau das, was Sie tun! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Lopatka.)

Ich möchte nun den sozusagen intelligenteren Teil der Diskussion um die Pensionsre­form einleiten. Es gibt nämlich auch schlaue christlich-soziale Politiker, leider nicht in der ÖVP, sondern in der CDU. Der ehemalige Arbeitsminister der CDU, Norbert Blüm, im­merhin jahrzehntelang Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit, hat zu dieser Dis­kus­sion rund um die Kopfzahltheorie, also der Frage, ob es bei der Pensionsreform not­wendig ist, nur nach der Kopfzahl der Personen im aktiven Stande und jener in Pensi­on zu schielen, einen guten Verweis auf die Vergangenheit gebracht: Er hat auf die Diskussion über den Rückgang des Bauernstandes an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert verwiesen und jene zitiert, die damals gesagt haben: Wir werden alle


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verhungern; heute ernährt ein Bauer schon drei Konsumenten! Norbert Blüm hat ge­sagt: Wir wären schon längst verhungert; heute kommen 80 Verbraucher auf nur einen Bauern! Wir hungern nicht, auch ich nicht, aber es zeigt, dass diese dümmliche Dis­kussion nur mit Kopfzahlen genau die falsche ist. Was wir brauchen, sind intelligente Lösungen! Und eine davon ist unser Pensionsmodell! (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Was ist die intelligente Lösung dabei? – Ich habe ein Grundproblem, und zwar das Problem: Wann habe ich Nicht-Arbeitszeiten? Wir haben zwei Möglichkeiten: Wir kön­nen zum Beispiel die Arbeitszeit der 20- bis 60-Jährigen verkürzen, oder wir können sagen: Wir haben den Bedarf, dass die Leute bis 65 oder bis 70 arbeiten. Darüber können wir diskutieren. Wir können auch darüber diskutieren, dass die Wirtschaft ein intensiveres Arbeiten von Jüngeren verlangt, dann werden wir nicht darum herum­kommen, Lösungen für jene Menschen zu finden, die keine Arbeit mehr finden. Aber mit Direktiven vorzugehen und zu sagen: Ich verbiete dir das längere Arbeiten, indem ich dir die Frühpension wegnehme!, das ist eine Form Metternich’scher Politik, die nicht akzeptabel ist. Sie wollen mehr Freiheit – das ist das Gegenteil davon! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch gleich erläutern, was man in diesem Bereich tun könnte. Die Antwort ist relativ einfach: Die Demographie erlaubt uns, dass wir ohne Zwangsmaßnahmen ab dem Jahr 2010 bis 2015 länger arbeiten können, da der Bedarf da ist. Nützen wir das? – Sie haben einen kleinen Schritt in diese Richtung gemacht, machen Sie einen größeren!

Letzter Punkt: Ist es eine Geldbeschaffungsaktion? – Der Bundeskanzler sagt, 600 Mil­lionen € werden eingespart, 2006; in der Regierungsvorlage waren es übrigens nur 507 Millionen. Er meinte das Jahr 2007 – das steht da gar nicht mehr drauf –, denn dann kürzt es sich durch diese großartige Sache, die die FPÖ durchgesetzt hat, von 800 Millionen auf 600 Millionen. Der wesentliche Teil der Giftzähne, meine Damen und Herren, ist weiter drinnen. Das ist die Wahrheit, und ich glaube, Sie sollten sich überle­gen, ob Sie dem zustimmen sollen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.32

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler. Redezeit wunschgemäß 7 Minuten. – Bitte.

 


13.32

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen! Zu den Ausführungen meines Vorredners Kollegen Matznetter möchte ich nur sagen: Eine Kampfrhetorik dieser Art bringt uns nicht wirklich weiter. Sehr wohl hat uns aber der Diskussionsprozess im Rahmen dieses Begutachtungsverfahrens weiterge­bracht. Und es wundert mich schon, dass Kollegin Prammer den Bundeskanzler an­greift und meint, es wäre nicht nachvollziehbar, wieso es jetzt zu Modifizierungen des ursprünglichen Vorschlages kommt. – Das ist für mich nicht Demokratie, wie wir sie uns wünschen und vorstellen. Ganz im Gegenteil. Ich denke, wir sollten hier konstruktiv zusammenarbei­ten.

Auch Kollege Cap hat gemeint, es wären nur Scheinverhandlungen gewesen, da wür­de gemogelt werden. Ich weise das wirklich ganz entschieden zurück! In dieser Regie­rung gibt es weder Scheinverhandlungen, noch wird gemogelt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die heute präsentierte Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers zur Pensionssicherung mit allen Modifizierungen und mit allen sozia-


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18. Sitzung / Seite 89

len Abfederungen, über die ich mich vor allem im Interesse der Frauen sehr freue, ist eine, die wirklich gerade für die österreichische Frauenpolitik sehr wichtige Aspekte bringt. Ich würde sogar sagen, es ist das ein Meilenstein in der Frauenpolitik. Sie wol­len das ganz einfach nicht wahrhaben! Ich sage das vor allem an die Adresse der Kol­legInnen der Oppositionsparteien: Sie wollen das nicht wahrhaben, Sie versuchen wie immer, alles nur negativ darzustellen, Sie machen ganz einfach alles schlecht, ohne bessere Vorschläge zu machen, Sie streiken, Sie schalten unwahre Inserate (Abg. Schasching: Die Regierung schaltet Inserate!), in denen Sie Politikerinnen und Politi­ker unserer Fraktion diffamieren. Sie machen den Menschen damit aber vor allem Angst und sorgen nicht für Sicherheit! (Beifall bei der ÖVP.)

Pensionssicherung, meine Damen und Herren, bedeutet Sicherheit für die Menschen. Politik bedeutet das Nehmen von Angst und nicht das Erzeugen von Angst. Sie erzeu­gen Angst – völlig ungerechtfertigt! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Tatsache ist – da können Sie herumreden, soviel Sie wol­len, da können Sie Inserate schalten, da können Sie Kampfrhetorik anwenden und Streiks –, dass diese Regierung mehr für Kinder, mehr für Frauen, mehr für Familien erreicht hat als je eine Regierung zuvor. Das ist die Tatsache! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Weinzinger.)

Frau Kollegin Weinzinger, ich verstehe leider Ihre Zwischenrufe nicht, aber Sie haben sich vorhin in Ihren Ausführungen darüber beschwert, dass Frauen in diesen Diskussi­onsprozess zu wenig eingeschaltet waren. Ich weiß es nicht, vielleicht war es in Ihrer Fraktion so, vielleicht war es in der SPÖ-Fraktion so (Abg. Mag. Weinzinger: Runder Tisch!), bei uns in der ÖVP-Fraktion sind Frauen sehr wohl eingeschalten, und wir ha­ben an der Spitze unsere Frauenministerin. Wir haben uns sehr engagiert eingebracht. Das gilt auch für Frau Staatssekretärin Haubner. Wir haben uns sehr laut zu Wort ge­meldet, und ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist, gerade für die Frauen hier ganz, ganz entscheidende Verbesserungen zu erreichen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Sehen Sie das einmal positiv! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie versuchen alles schlecht zu machen, das Kinderbetreuungsgeld, alles ist in Ihren Augen nur negativ. Sie sagen heute, wer weiß, ob es das Kinderbetreuungsgeld in einigen Monaten oder einem Jahr noch geben wird. Ich weise das ganz entschieden zurück! Vielleicht denken Sie darüber nach, das Kinderbetreuungsgeld abzuschaffen – wir nicht!

Das Kinderbetreuungsgeld bedeutet für uns mehr Zeit für die Kinder – wir stehen dazu, Frau Kollegin Weinzinger! Wir wollen die Frauen nicht, wie Sie es immer versuchen darzustellen, zurück an den Herd drängen, ganz im Gegenteil. (Abg. Eder: Da sind sie ja schon lange! Das habt ihr gar nicht mitbekommen!) Die Frauenbeschäftigungsquote in Österreich spricht für sich; sie liegt 10 Prozent höher als im EU-Durchschnitt. Neh­men Sie das bitte zur Kenntnis! Und wir werden die Frauenbeschäftigungsrate von 60 auf 70 Prozent erhöhen. Wir brauchen dazu die Wirtschaft als wichtigen Partner, wir brauchen die Frauen in der Wirtschaft. Das ist für uns unabdingbar. Versuchen Sie, das nicht immer nur negativ zu diskutieren!

Wir wollen aber auch – vor allem deswegen, weil sich junge Frauen nicht für Familie oder Arbeit entscheiden wollen; junge Frauen wollen beides – entsprechende Rah­menbedingungen für beide Bereiche schaffen. Dazu gehört eben auch die Möglichkeit der Teilzeitarbeit in jener Zeit, in der sich Frauen speziell und schwerpunktmäßig der Kinderbetreuung widmen wollen oder in der sie andere Pflege- oder Familienleistungen übernehmen, die Pflege alter Menschen, kranker Menschen. Für mich ist das kein Wi­derspruch, beides muss möglich sein.


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18. Sitzung / Seite 90

Gerade mit dieser Pensionssicherungsreform sorgen wir dafür, dass es zu Maßnah­men kommt, wodurch Frauen eine entsprechende Bewertung in Bezug auf die Pension erhalten. Ich sage es noch einmal: die Anhebung der pensionsbegründenden Kinder­erziehungszeiten auf zwei Jahre. Warum haben Sie von der SPÖ das alles nicht vorher umgesetzt? Das hätten SPÖ-Frauenministerinnen längst machen können. (Ruf bei den Grünen: Fragen Sie die ÖVP!)

Drei Jahre Durchrechnungsrabatt, nicht überlappend, das bedeutet drei Jahre für jedes Kind. Vier Jahre Ersatzzeiten, und so weiter – all das ist ja heute schon mehrmals er­wähnt worden. Und Frau Kollegin Prammer spricht da von einem Hohn in der Frauen­politik. Ich kann mich nur wundern.

Frau Kollegin Glawischnig, die ich immer für eine sehr konstruktive Politikerin gehalten habe, meint, sie sehe keine Verbesserungen. – Meine Damen und Herren! Das sind Meilensteine in der Frauenpolitik, gerade in Bezug auf die Pensionssicherung. (Beifall bei der ÖVP.)

Wieso diskutieren wir nicht darüber, dass es sehr wichtig ist – da brauchen wir
die Kräfte aller, da sollten wir konstruktiv zusammenarbeiten, über Parteigrenzen hin­weg –, auch im Sinne der Pensionssicherung, die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern zu verringern. Das wäre eine konstruktive Diskussion, in die müssen wir ein­treten. Meine Damen und Herren! Dazu brauchen wir aber auch die Sozialpartner im positiven Sinn, die Wirtschaft, und zwar eine florierende Wirtschaft. Mit Streiks, die der Wirtschaft schaden, werden wir in diesem Bereich sicher nichts erreichen – das sage ich auch in aller Deutlichkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden uns jedenfalls – dafür stehen wir als ÖVP-Faktion – auch in Zukunft positiv einbringen. Ich würde mir wünschen, dass es gerade im Bereich der Frauenpolitik mehr Miteinander gibt, auch über die Parteigrenzen hinweg. Das sind keine Floskeln, sondern das meine ich ernst. Sie wollen ganz einfach nichts ernst nehmen, Sie versu­chen, mit Kampfrhetorik alles schlecht zu machen.

Kehren Sie zurück an den Verhandlungstisch! Auf der Straße sind all diese Probleme im Interesse der Frauen, aber auch im Interesse der Pensionssicherung sicher nicht zu lösen. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, im Interesse der Menschen, im Interesse der Frauen konstruktiv und sachlich zusammenzuarbeiten, konstruktiv und sachlich ehrliche Verbesserungen zu erreichen – das ist unser Stil und das ist auch unser Weg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.39

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Weinzinger. Redezeit: 6 Minuten. – Bitte.

 


13.39

Abgeordnete Mag. Brigid Weinzinger (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Frau Abgeordnete Scheucher-Pichler! Nachdem wir jetzt gerade Ihren Aus­füh­rungen entnommen haben, dass offensichtlich der gestrige Streiktag schuld an der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen ist, bin ich einigermaßen erhellt – um es einmal so zu formulieren. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Ich darf einige Dinge zurechtrücken: Das, was Sie als „Meilenstein“ bezeichnen, kann ich bestenfalls als Mühlstein um den Hals der Frauen bezeichnen. (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.)

Wenn Sie mir allen Ernstes hier erklären wollen, die Verlängerung der Durchrechnung von den 15 besten Jahren auf 40 Jahre ist ein großer Schritt, ist eine große Errungen­schaft zur Verbesserung der Lage der Frauen, müssen Sie mir das auch noch logisch begründen, außer es ist Propaganda.


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18. Sitzung / Seite 91

Wenn Sie mir erklären wollen, dass das Recht auf Teilzeit, das gerade die ÖVP immer verhindert hat, jetzt im Zusammenhang mit der Pensionsreform so eine tolle Errungen­schaft sein soll, dann muss ich Ihnen sagen, dass sogar Ihre Ministerin Rauch-Kallat sagt: Die Frauen werden sich halt klar darüber werden müssen, dass Teilzeitarbeit eine Konsequenz für die Pension hat, nämlich weniger Pension bringt. Und Sie stellen sich dann her und sagen, das ist eine tolle Errungenschaft für die Frauen, das ist ganz toll, was man hier herausverhandelt hat!? (Abg. Kopf: Was jetzt: Ja oder ja? – Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.)

Haben Sie überhaupt zugehört, worum es bei der Pensionsreform geht? Ich sage, dass die 40 Jahre Durchrechnung, Herr Abgeordneter, die Sie mit der Pensionsreform den Frauen umhängen, die Teilzeitarbeit und Familienarbeit bestraft, die Familienarbeit, die Sie sich immer groß auf Ihre Fahnen heften. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abge­ordneten der SPÖ. – Abg. Kopf: Was heißt „bestraft“?)

Vermutlich ist dann genau der Ratschlag wieder aktuell, den ausgerechnet Ihre Minis­terin Rauch-Kallat, die übrigens als Familienministerin dazumal in der Regierung das alles nicht durchgesetzt hat, was Sie nun als Sünden der Vergangenheit ankreiden, gegeben hat: Wenn eine Frau Teilzeit arbeitet, kann sie sich ja sozusagen freiwillig die vollen Pensionsanrechnungszeiten zukaufen oder eine private Pensionsvorsorge ab­schließen. Das geht allerdings tatsächlich nur, wenn man einen reichen Mann heiratet; das Rezept hat sie ja auch abgegeben. Denn wie das eine Frau machen soll, die Teil­zeit arbeitet, die typische Billa-Kassierin, Bipa-Kassierin, welche immer, die nicht ein­mal, umgerechnet auf Vollzeit, 1 000 € verdient, 150 bis 200 € als Pensionsvorsorge aufzubringen, und zwar ohne den reichen Mann, das müssen Sie mir einmal vorturnen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sich hierherzustellen und zu sagen, wir haben so viel erreicht für die Familien und die Frauen, und wenn das dann darin mündet, dass die Frauen wieder darauf zurückge­führt werden, auf die Unterhaltspflicht des Mannes und dessen Potenz in der Unter­haltspflicht zu achten, ist mir ein bisschen zu wenig.

Zur Beschäftigungsquote. Ich habe eine nicht uninteressante Diskussion gehabt, in der mir Ihre Ministerin Rauch-Kallat erklärt hat, was die Maßnahmen dieser Regierung sein werden, um die Beschäftigungsquote von Frauen zu heben und um die Einkommens­unterschiede zwischen Männern und Frauen zu verringern. Wissen Sie, was diese Maßnahme ist? Ein Informationsbon im Mutter-Kind-Pass. Das sind Ihre Maßnahmen zur Hebung der Erwerbsquote von Frauen? Na herzlichen Dank! Dazu brauchen wir keine Regierung, da reicht eine PR-Agentur. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Ich habe den Verdacht, dass ich jetzt die Äußerungen der Vorrednerin schon weit über die politische Relevanz der Frauenpolitik der ÖVP hinaus gewürdigt habe, und möchte daher noch auf ein, zwei allgemeine Aspekte eingehen.

Etwas, was in der Diskussion tunlichst ausgeblendet wurde, aber gerade Frauen be­sonders betrifft, ist, dass wir auch die Absicht der Regierung kennen, die Notstandshil­fe als solche abzuschaffen. Das heißt, alle jene, die auf Grund der Politik, die hier be­trieben wird, in ein Dilemma geraten, die bislang das Recht auf Notstandshilfe hatten, werden in Zukunft zu BittstellerInnen gemacht und müssen sich vermutlich, wenn es nach dieser Regierung geht, bei Gemeinden und Ländern um Sozialhilfe, die wesent­lich ge­ringer pro Monat sein wird, anstellen, die im Übrigen damit auch schön zur Kas­se ge­beten werden.

Eine letzte Zahl noch, damit ein bisschen die Relationen zurechtgerückt werden. Wenn der Solidarbeitrag der Politiker in Pension aus dem alten System hier angesprochen wird, der mit 15 Prozent eine Größenordnung von 1 000 bis 1 500 € ausmachen wird,


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dann ist das der Betrag, den Männer durchschnittlich als ASVG-Pension haben. Frau­en haben noch nicht einmal die Hälfte davon. Unterschied: Den Politikern bleiben die restlichen 85 Prozent aber erhalten. Und diese Politiker, gerade auch Ihrer Parteien, von ÖVP und FPÖ, gehen daran, Frauenpensionen, die jetzt schon nur 650 € im Monat ausmachen, zu kürzen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.44

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch. Wunschgemäß ist die Uhr auf 6 Minuten eingestellt. – Herr Abge­ordneter, Sie haben das Wort.

 


13.45

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Es ist eigentlich schade, man sollte vielleicht in Zukunft vorschla­gen, dass der ORF den ganzen Tag überträgt, dann hätten wir auch hier herinnen vol­lere Reihen. (Beifall des Abg. Auer. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) – Nein, das sage ich für alle Parteien, das gilt auch für meine eigene Fraktion. Es würde uns allen gut tun, bei einer Debatte über eine so wichtige Frage auch wirklich anwe­send zu sein. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Mandak: Wir sind ja da! – Zwischenruf bei der SPÖ.) Der Herr Gusenbauer ist auch nicht da, es nützt halt nichts.

Geschätzte Damen und Herren der SPÖ! Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie sagen, der erste Entwurf dieser Pensionsreform, wie wir ihn alle bekommen haben, war ein sehr schlechter. Ich gebe Ihnen auch darin Recht, dass viele Dinge drinnen standen, die ungerecht waren, dass viele Dinge drinnen waren, die für die Bevölkerung schwer zu verstehen waren. (Abg. Mag. Prammer: Wer hat denn diesen Entwurf eingebracht?) – Frau Kollegin Prammer, zu dem komme ich noch später. – Ich gebe aber auch jenen Recht, die sagen, dass Sie gefordert waren zu verhandeln. Ich gebe Ihnen aber nicht Recht, wenn Sie behaupten, dass Sie irgendetwas in dieser Richtung getan hätten. Vielmehr waren es freiheitliche Abgeordnete, freiheitliche Landesgruppen (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen) und auch ein freiheitlicher Landeshauptmann, der es schlussendlich erreicht hat, dass sehr viel passiert ist, der mit Ideen, der mit Vorschlä­gen und mit Initiativen in die Diskussion eingetreten ist. (Abg. Eder: Alle umgefallen!) Und es war der freiheitliche Vizekanzler Herbert Haupt, der sehr viel erreicht hat, sehr viel umgesetzt hat.

Am Ende des Tages werden Sie sich schämen müssen, geschätzte Damen und Her­ren! Sie werden sich schämen müssen dafür, dieser Reform nicht zuzustimmen. (Bei­fall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Sie haben gesagt, Sie stimmen nicht zu!) Es freut mich, dass Sie meinen Wortspenden so gutes Gehör schenken, das ist in Ord­nung.

Es gibt aber neben diesen ganzen Dingen in der Pensionsreform zwei weitere Punkte, die für mich sehr wichtig sind, nämlich die Harmonisierung und die Abschaffung von Politikerprivilegien. Gerade hier waren es wieder einmal die Freiheitlichen in dieser Regierung, die als kleiner Partner in der Regierung bewiesen haben, dass sie mit all ihrer Kraft dafür kämpfen, dass es zu Veränderungen kommt, und die mit aller Kraft dafür kämpfen, dass hier Bewegung in die Sache kommt.

15 Prozent Solidaritätsbeitrag von Beziehern großer Politikerpensionen! Die SPÖ hat das nie umgesetzt. Künftig keine Doppelbezüge von Aktiv- und Passivbezügen bei Mandataren! Die SPÖ – ich kann es nur wiederholen – hat in jahrzehntelanger Ver­antwortung nichts Besseres zu tun gewusst, als ihre eigenen Mandatare, die in einer Vielzahl hier herinnen sitzen und in geschützten Bereichen tätig sind, zu schützen, zu schützen und noch einmal zu schützen! (Abg. Eder: Meinen Sie den Harald Ofner?)


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Die Angleichung des Pensionsantrittsalters zwischen ASVG-Versicherten und Politi­kern – eine Forderung, die wir umsetzen werden. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, meine geschätzten Damen und Herren, Ihre jahrzehntelange Lethargie in diesem Bereich ist nicht nur für mich – ich bin ein junger Abgeordneter, ich kann damit leben – beschä­mend. Es ist beschämend, wenn jemand in diesem Hohen Haus sitzt und nicht bereit und nicht in der Lage ist, auch in dieser Angelegenheit Veränderungen vorzunehmen. Es ist beschämend, dass man anscheinend nur darauf bedacht ist, seine eigenen Pfründe abzusichern. (Abg. Mag. Prammer: Sie tun sich schon schwer mit Ihrer Rede, ich verstehe das gut!)

Abschließend möchte ich noch ganz kurz Stellung nehmen zu einigen interessanten Positionen, die heute hier geäußert wurden.

Zu den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen kann ich leider nicht viel Stellung nehmen, denn diese haben sich in der Debatte um die Pensionsreform so ruhig verhal­ten, sie sind hier wirklich dem Grundsatz: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, verfal­len. Das kann nur zwei Gründe haben: Entweder wollten sie sich nicht damit beschäfti­gen, oder sie hoffen immer noch, bei einem fliegenden Koalitionswechsel an die Macht zu kommen.

Zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ: Da sind mir heute zwei interessante Dinge aufgefallen. Frau Kollegin Bures ist hier heraußen gestanden und hat uns vorge­rechnet, dass der Herr Vizekanzler im Jahr 2034 90 Jahre alt ist. Der Herr Vizekanzler ist im Jahr 2034 87 Jahre alt und nicht 90! Das erklärt auch, warum Sie anscheinend beim Nachrechnen der Pensionsreform solche Schwierigkeiten haben. (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Zweite: Herr Kollege Nürnberger – leider jetzt auch nicht hier – ist hier heraußen gestanden und hat die Hunderttausenden, Millionen Fernsehzuschauer begrüßt. Da fällt mir auch nur eines ein: Entweder hat er Probleme mit großen Zahlen – das kann ja sein, würde auch wieder sehr viel erklären (Abg. Dr. Partik-Pablé: Mit Zahlen über­haupt!) –, oder er hat wirklich gedacht, er befindet sich in einer Eurovisions-Übertra­gung. – Danke schön. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.50

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte, Frau Abge­ordnete. (Abg. Mag. Kuntzl begibt sich mit einem mit einer roten Schleife einge­bunde­nen Paket zum Rednerpult. – Ruf bei den Freiheitlichen: Ist das eine Torte?)

 


13.50

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Es ist keine Torte, aber es ist ein Prä­sent – aber das eigentlich auch nicht so ganz. – Sehr verehrte Damen und Herren! Nur kurz zu den Ausführungen meines Vorredners. Es ist eine besondere Ironie der Ge­schichte dieser Pensionsreform, dass die Freiheitliche Partei gegen einen Entwurf an­läuft, der vom eigenen Parteiobmann stammt, und dann kleine Abänderungen dieses Entwurfs, den der eigene Parteiobmann auf den Tisch gelegt hat, als großen Erfolg feiert. Aber das ist eine Sache, die Sie sich miteinander ausmachen müssen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Danke schön!)

Sie ahnen es: Das Paket hier ist ein Präsent für den Herrn Bundeskanzler, der jetzt wieder auf der Regierungsbank sitzt. Ich würde Sie bitten, jetzt hier auch kurz zu blei­ben, denn es ist kein Präsent von mir. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie hätten lieber nicht kommen sollen, Herr Bundeskanzler, denn was Gutes ist da sicher nicht drinnen!)

Ob es etwas Gutes oder nicht, ist eine Entscheidung, die wir den Frauen überlassen, die diese Briefe geschrieben haben. Es sind viele Briefe, persönliche Briefe von Frau-


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en. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die Serienbriefe haben wir auch gekriegt, die Sie diktiert haben wahrscheinlich! – Abg. Dr. Brinek: Die stammen alle aus einer Werkstatt!) Es sind keine Serienbriefe. Es sind Briefe von Frauen, die ihre Briefe an die Redaktion von „WOMAN“ und an die Wiener SPÖ-Frauen geschickt haben, und der Herr Bundes­kanzler wird sich nachher davon überzeugen können: Es sind keine Serienbriefe. Sie alle werden sich davon überzeugen können.

Die Frauen schildern ihre individuellen Lebensläufe und wie sich die Pensionsreform auf ihre Pension auswirken wird. Ich möchte Ihnen einen dieser Briefe zu Gehör brin­gen – oder vielleicht auch mehr, wenn es sich ausgeht. Der Herr Bundeskanzler kann dann vielleicht ... (Abg. Rossmann: Sagen Sie auch die obszönen Absender dazu!) Bitte? Obszöne ...? (Abg. Rossmann: Obszöne Absender!) Es sind keine obszönen Absender, es sind wirklich seriöse Briefe, Herr Bundeskanzler.

Ich zitiere also aus einem dieser Briefe:

Herr Kanzler! Ich bin 30 Jahre alt. Ich habe zwei Kinder und bin arbeitslos. Leider bin ich nicht mit einem reichen Mann verheiratet. – Meine Anmerkung dazu: Die Bemer­kung der zuständigen Frauenministerin ist bei den Frauen wirklich verheerend ange­kommen.

Weiters heißt es in diesem Brief: Ich kann mir nicht leisten, eine Privatpension zu be­zahlen. Ebenso kann ich es mir nicht leisten, meine Kinder in Privatunterricht zu geben. Wissen Sie, mit wie viel Geld ein „normaler“ Mensch leben muss? Ich glaube, Sie ha­ben von Österreich keine Ahnung. Für mich gibt es keine Arbeit, wie soll ich dann län­ger arbeiten? Reden Sie mit Menschen! Wir brauchen keine Abfangjäger, wir brauchen Arbeit, Bildung und Pension. Zerstören Sie nicht den sozialen Frieden, denn sich die Menschen erarbeitet haben. Ich möchte wissen, was Sie Christ sind. Sie können die Menschen nicht aushungern. Wir werden uns wehren – mit Sicherheit. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Da ist die Lösung, von der die Pensionsreform ...! Die Pensionsreform wird Arbeit schaffen! – Abg. Dr. Brinek: Schwache Analyse und keine Lösung!)

Nächster Brief: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin seit meinem 14. Lebensjahr beschäftigt. Ich habe zwei Kinder, bin seit 1966 als Hauswartin tätig, um mein Kind selbst zu erziehen. – Übrigens: Diese Möglichkeit für Alleinerzieherinnen, als Hauswar­tin einen Job zu finden, haben Sie ja auch abgeschafft.

Weiters heißt es in diesem Brief: Ich musste im Winter um vier Uhr früh aufstehen und 1 000 m2 Schnee schaufeln. Es sind vier Wohnhäuser mit je sechs bis sieben Stock­werken. Ich habe mit 900 S vor 37 Jahren begonnen, heute habe ich zirka 11 000 S. Wenn ich mit 60 Jahren 2004 in Pension gehe, nach 46 Jahren Arbeit, bekomme ich minus 15 Prozent. Da frage ich mich ... (Abg. Dr. Brinek: Dann klären Sie sie auf!) Sagen Sie minus 10 oder 12 und sagen Sie, für wie lange das gilt, und rechnen Sie sich aus, wie viel hier überbleibt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Da hat die Arbeiterkammer falsch gerechnet!)

Für diese herzlose Politik findet sie ein Wort, das ich nicht zitieren will, um keinen Ord­nungsruf zu bekommen. – Und weiter heißt es: Ein drittes und zweites Standbein zu schaffen kann ich in einem Jahr nicht mehr. Mein Sohn hat studiert, meine Tochter einen Beruf erlernt. Ich leben heute alleine und möchte nicht von der Fürsorge abhän­gig sein. Ich denke, dass ich darauf nach 46 Jahren Arbeit ein Recht habe: auf eine kleine Pension, aber nicht auf minus 15 Prozent und die Sozialfürsorge. (Abg. Dr. Par­tik-Pablé: Kriegt sie ja nicht, minus 15 Prozent!)

Herr Bundeskanzler! Ich möchte Ihnen nicht mehr vorlesen. Ich möchte Sie aber bitten, sich einzelne dieser Briefe auszugsweise zu Gemüte zu führen. Ich denke nämlich oft, wenn ich Sie reden höre, mit Überzeugung reden höre, dass Sie tatsächlich nicht Be-


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scheid wissen über die Lebensrealität vieler Frauen in unserem Land. Halten Sie sich bitte vor Augen: 70 Prozent der Pensionistinnen bekommen weniger als 1 000 € – heu­te schon. Mehr als die Hälfte der österreichischen Pensionistinnen ist knapp über der Armutsgrenze – heute schon. Wie wird das nach Ihrer Pensionskürzungsreform aus­sehen?

Herr Bundeskanzler, bitte lesen Sie diese Briefe! Bitte, denken Sie noch einmal nach! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.55

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


13.56

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Kuntzl hat bei ihrer Aufzählung der Briefe nur eines vergessen: Sie hat uns nicht gesagt, dass man im Internet auf ÖGB-Seiten selbstverständlich eine genaue Anleitung findet, um solche Briefe zu verfassen. Das möchte ich hier doch einmal deutlich sagen. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Haidlmayr: Ist das was Schlechtes?)

Meine Damen und Herren! Das ist genau das Schema, das Sie auch im Wahlkampf gehabt haben, als SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer vor jeder Fernsehdebatte genau auf die Einzelschicksale gekommen ist, die Stanley Greenberg in den USA vorher schon entdeckt hatte. Das ist es! (Abg. Eder: Die Replik ist schwach!)

Meine Damen und Herren! Für mich ist das, was die SPÖ hier in diesem Zusammen­hang macht, eine Tragikomödie. Ich werde Ihnen sagen, warum. (Abg. Mag. Posch: Das waren Serienbriefe?) Nein, die Bausteine dafür. Ich zeige Ihnen auf ÖGB-Seiten die Bausteine dafür, wie man solche Briefe verfasst.

Meine Damen und Herren! Tragisch ist für mich in diesem Zusammenhang, dass eine einst staatstragende Partei wie die SPÖ nicht zur Kenntnis nehmen will, dass die Situa­tion im Jahr 2003 eine andere ist als in den siebziger Jahren. Meine Damen und Her­ren! Nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch finanzierbar. Das ist schlicht und ein­fach das, was Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Das ist aber eine unbestreitbare Tatsache, und diese Tatsache wollen Sie nicht wahrhaben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Das ist eine Verdre­hung!) Das ist keine Verdrehung!

Das Komische für mich dabei ist – und ich werde es Ihnen auch noch anhand von Bei­spielen sehr deutlich zeigen –, welche Bocksprünge Sie in diesem Zusammenhang machen. Das mag zwar sportlich gesehen eine Leistung sein, wenn man so eine Sprungkraft hat, politisch ist es aber kein Beitrag zur Lösung der Probleme. Denn noch im Jänner dieses Jahres, zu einem Zeitpunkt, als die SPÖ mit uns noch in Koali­tionsverhandlungen war, hat das alles völlig anders ausgesehen. SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer hat in mehreren Interviews gesagt, dass außer Streit gestellt ist, dass 1 Milliarde € an steigendem Pensionsaufwand in diesem Zusammenhang eingespart werden soll. Jetzt, bei rund 600 Millionen – Matznetter hat es vorhin zitiert –, gibt es einen Aufschrei der SPÖ! Um 400 Millionen weniger als das, was im Jänner dieses Jahres für Gusenbauer außer Streit gestellt war!

Im März dann – die Koalitionsverhandlungen waren abgeschlossen, die SPÖ war Rich­tung Opposition unterwegs – hat Gusenbauer bei einem Landesparteitag der SPÖ ge­sagt: Wir haben kein Pensionsfinanzierungsproblem. Erst 2015 bis 2020 sei es so weit.

Man höre und staune: innerhalb weniger Wochen eine völlig andere Sicht der Dinge!


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Als dann die SPÖ gefragt worden ist, wo das Pensionskonzept der SPÖ ist – drei Wo­chen später! –, hat Gusenbauer gesagt: Wir legen kein Modell vor – wortwörtliches Zitat, „Mittagsjournal“ vom 10. April –, denn wir wollen die Bevölkerung nicht weiter ver­wirren mit neuen Details und neuen Modellen.

Als man dann dem Druck nicht standhalten konnte – wieder zehn Tage später –, legt Gusenbauer am 28. April sein Fairness-Modell vor. Ein Modell, das eines von vielen ist, wie der hier sitzende Abgeordnete und ÖGB-Präsident Verzetnitsch dieses Modell bewertet hat. Eines von vielen. OTS, „sozialistische korrespondenz“: Was be­wirkt die­ses Modell? – Pensionen, die um 10 bis 15 Prozent absinken. Auf die Frage eines Journalisten, was der SPÖ-Vorsitzende dazu sagt, seine Antwort: Es handelt sich um einen Betrag, mit dem man leben kann. – Das genaue Gegenteil von dem, was Sie jetzt gerade vorher gesagt haben! Das genaue Gegenteil! (Ruf bei der ÖVP: Das hat er wirklich gesagt?) Das hat er wirklich gesagt – oder die „sozialistische kor­respondenz“ hat falsch berichtet. Das müsste man klären.

Ich glaube, Kollegin Kuntzl, Sie waren damals nicht mehr in Ihrer Funktion. Dann hat es Kollegin Bures zu ver­antworten, nehme ich an, oder schon Darabos, was hier die „sozialistische korrespondenz“ am 28. April verbreitet hat.

Aber es kam noch besser! Dann gab nämlich Cap die Parole aus: Wir werden der Re­gierung die Hölle heiß machen! – Das war Cap! Ein Aufruf zur Obstruktion und zur Demonstration. Da hat man sich eine Doppelstrategie zurechtgelegt: einerseits der Druck von der Straße und andererseits ein gewisses Spargelessen. (Abg. Dr. Brinek: Ja, ja! Solospargel oder grüner Spargel?)

Gusenbauer hat bei einem Spargelessen geglaubt – da hat er aber den Landeshaupt­mann von Kärnten sehr unterschätzt –, er kann der Sprengmeister dieser Koalition werden. Er hat sich hier schon sehr weit gesehen. Dann ist sofort Assistent Broukal gekommen und hat Anleihen in der Theologie genommen, um Dr. Haider aus dem Fe­gefeuer zu holen. (Abg. Broukal: Versuchen Sie, höflich zu bleiben! Wir sind nicht in Graz!) Josef Broukal hat ihm persönlich die Absolution erteilt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Broukal.)

Ich sage Ihnen: Das ist sehr, sehr positiv, weil damit diese Heuchelei endlich einmal ein Ende hat, denn die Donnerstagsdemonstranten sind massiv unterstützt worden Dr. Jörg Haider war für Sie so etwas wie der Gottseibeiuns! – Furchtbar! (Abg. Kopf: Aber da war der Broukal nicht dabei!) – Doch, damals war Broukal dabei, am Parkban­kerl und überall. Haider war bei Broukal immer und überall, aber jetzt ist die Phase der Absolution gekommen, Haider war aus dem Fegefeuer zu holen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Man wird ja gescheiter werden dürfen! Er ist gescheiter geworden! Was inte­ressiert mich der Blödsinn, den ich gestern gesagt habe!)

Die Läuterung war abgeschlossen, denn der vermeintliche Sprengmeister Gusenbauer war am Werk. Ich sage Ihnen ganz offen: Das ist ja das Positive daran, weil nun die FPÖ in diesem Bereich wenigstens als normale Partei betrachtet und Dr. Jörg Haider als jemand angesehen wird, der bei solch wichtigen Fragen selbstverständlich auch am Tisch sitzen soll. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir waren aber keine „normale“ Partei!)

Das Problem für uns ist aber, dass wir Ihren Bocksprüngen nur sehr schwer folgen können. – Ich habe es Ihnen gezeigt.

Ich bin ja gespannt, was jetzt bei der Harmonisierungsdebatte passieren wird (Rufe bei der SPÖ: Wir auch!), was Sie da machen werden. Da gab es nämlich schon innerhalb weniger Stunden einen Bocksprung (Abg. Dr. Partik-Pablé: Einen Eiertanz!):

Am Freitag sagt der SPÖ-Vorsitzende noch, die SPÖ werde sich im Herbst überlegen, ob sie für die notwendige Zweidrittelmehrheit sorgen wird, damit es zur Pensionshar-


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monisierung kommt. Stunden später folgt die Aussendung von SPÖ-Bundesgeschäfts­führer Darabos, der sagt, die Harmonisierung muss sobald wie mög­lich kommen, noch vor dem Sommer. – Ja, was gilt hier? Einmal zwei Schritte nach vorne, dann wieder zwei Schritte zurück. (Abg. Mag. Posch: Menschenverachtend!) Diese Bocksprünge sind für mich wirklich nicht mehr nachzuvollziehen! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Doppel­bock!)

Mein letzter Satz: Ich hoffe, es geht Ihnen von der SPÖ nicht so wie dem Präsidenten des ÖGB. Der hat sich nämlich auf ein Auslaufmodell gesetzt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er ist bereits eines!) Und für Sie besteht die Gefahr, dass Sie selbst mit Ihrer Bewe­gung zu einem Auslaufmodell werden, wenn Sie nur eines im Kopf haben, nämlich zu bremsen und zu verzögern, und völlig die Sicht auf die Zukunft verlieren.

Passen Sie also auf, wohin Sie unterwegs sind! Gestern waren Sie mit den Streiks in einer Sackgasse unterwegs. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Marizzi.)

14.03

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Broukal zu Wort gemeldet.

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, mit dem zu berichtigenden Sachverhalt zu beginnen und diesem den richtigen Sachverhalt gegenüberzustellen. Politische Wertungen und Reden entsprechen nicht der Geschäftsordnung. – Bitte. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt sind wir neugierig! Jetzt sagt er, er war es nicht im Fernsehen, das war sein Doppel­gänger!)

 


14.03

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Für diese Aufklärung danke ich Ihnen sehr, Herr Präsident.

Herr Abgeordneter Dr. Lopatka hat behauptet, ich sei bei den Donnerstagsdemonstra­tionen und überhaupt immer dabei gewesen. – Das ist unrichtig!

Ich war bei keiner einzigen Donnerstagsdemonstration dabei, was man vermutlich in Graz auch gar nicht so genau wissen konnte. – Danke. (Buh-Rufe bei den Freiheitli­chen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wird Ihnen wieder schaden! – Abg. Broukal das Rednerpult verlassend –: ... Ihnen hoffentlich nicht!)

14.04

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Brosz. Die Redezeit beträgt wunschgemäß 6 Minuten. – Bitte.

 


14.04

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Herr Kollege Lopatka, ich halte es angesichts Ihres Hintergrundes schon für eine mutige Sache, dass Sie da über politisches Campaigning des ÖGB zu diskutieren be­ginnen. – Für die ZuhörerInnen auf der Galerie: Herr Kollege Lopatka ist ja zu einem großen Teil dafür verantwortlich, was die ÖVP im Wahlkampf für Geschichten erzählt hat. (Abg. Großruck: Ein Superwahlkampf war das! Die Leute haben uns geglaubt und glauben uns noch immer!) Ein paar Stichworte, die Ihnen wahrscheinlich bekannt vor­kommen werden: Hasch-Trafik, Zwangsvegetarisierung aller ÖsterreicherInnen. Dann haben Sie noch gesagt, die Witwenpensionen werden abgeschafft – das finde ich inte­ressant, denn das, was Sie jetzt machen, heißt ja, dass die Witwen offenbar viel weni­ger Pension bekommen – und die Benzinpreise werden erhöht werden. (Abg. Dr. Lopatka: Das glauben Sie ja selbst nicht!)


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Also, Sie haben ja ein paar Dinge, die Sie uns zugeschrieben haben, offenbar schon selbst im Wahlkampfkonzept gehabt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Lopatka: Das stand aber in Ihrem Koalitionspapier! – Abg. Wittauer: Denen ist alles zuzutrauen!)

Aus Ihrem Mund Kritik am ÖGB und am politischen Campaigning zu hören, ist ja nicht schlecht. Es ist Ihnen aber vielleicht aufgefallen, Herr Kollege Lopatka, dass der Brief, den Frau Kollegin Kuntzl vorgelesen hat, handschriftlich verfasst war. Das war wahr­scheinlich eine ganz raffinierte Frau! Sie hat zuerst die ÖGB-Homepage besucht, hat sich die Handlungsanleitung angeschaut, aber dann kein E-Mail geschickt, sondern sie hat handschriftlich einen Brief verfasst, damit niemand herausfindet, was von der ÖGB-Homepage ist. – Eine ganz raffinierte Vorgangsweise! (Abg. Dr. Brinek: Das ist alles möglich! Es gibt noch Leute, die können schreiben!) Es gibt wahrscheinlich wirklich Frauen in Österreich, vor allem auch ältere Frauen, die das sehr betrifft. Vielleicht nehmen Sie auch das einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den Grünen.)

Kollege Scheuch ist ja nicht mehr im Saal, auch Kollege Walch nicht. Da schon wieder mehrmals auf die Politikerpensionen und auf das Bezügegesetz 1997 Bezug genom­men wurde, sage ich noch einmal zur Aufklärung: Die Grünen haben damals einer Re­gelung zugestimmt, die bedeutet hat, dass die alte Regelung für Politiker abgeschafft wird und dass dadurch dafür gesorgt wird, dass Politiker, die ab dem Jahr 1997 ins Parlament gekommen sind, keine Politikerpensionen mehr beziehen, sondern schon jetzt unter das ASVG fallen.

Es gab dazu Abänderungsanträge. Und wir haben in dritter Lesung zugestimmt. – Das ist richtig! Würde es allerdings die alte Regelung nach wie vor geben, dann hieße das, dass es nach wie vor auch Politikerpensionen für die neuen Abgeordneten gäbe. – Das wollte wohl niemand. Aber man sollte vielleicht mehr an den Taten messen.

Es sind gerade nicht viele freiheitliche Abgeordnete im Saal, doch die Frage lautet, wie viele der FPÖ-Abgeordneten, die damals optieren konnten, für das alte System, näm­lich für das der Politikerpensionen optiert haben. Es waren acht, einige Namen davon sind ja bekannt. – Von den Grünen war es niemand. Vielleicht könnte man also auch an den Taten messen, wer den Abbau von Politikerprivilegien ernst nimmt.

Frau Staatssekretärin Haubner! – Sie ist leider auch nicht mehr da. – Unter 1 000 € Mindestpension sollte nicht gekürzt werden! Es hat mich schon fasziniert, wie man aus einer Regelung, die den Ausgleichszulagenrichtsatz für Paare auf 1 000 € erhöht, ab­leiten kann, dass man das Versprechen eingehalten hat, Pensionen unter 1 000 € nicht zu kürzen. – Diese Argumentation dreht sich so im Kreis! (Abg. Wittauer: Es geht ja nur um das, was übrig bleibt!) Das werden Ihnen nicht einmal mehr Ihre Wähler abkau­fen, Herr Kollege Wittauer! Das ist unmöglich! (Beifall bei den Grünen.)

Aber eigentlich wollte ich noch einmal auf eine Situation Bezug nehmen, die immer wieder vorgebracht wird, nämlich jene der Jungen. – Zu denen zähle ich mich ja ir­gendwie auch noch (Abg. Dr. Glawischnig: Ein Jahr fehlt dir!), obwohl es, wenn es so ist, wie Sie angekündigt haben, eine neue Regelung geben wird, nämlich dass die De­ckelung bis Ende des Jahres 2033 gelten wird. Da ich Ende des Jahre 1968 geboren bin, bin ich knapp vor Ende des Jahres 2033 65, also ich persönlich würde noch unter die Deckelung fallen.

Kollegin Glawischnig ist drei Monate jünger, die hat Pech gehabt! Sie ist nämlich 1969 geboren und fällt unter überhaupt keine Deckelung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber Sie wird schon vorsorgen!) Unter dem Aspekt der Gerechtigkeit möchte ich Sie schon fra­gen, was daran fair sein soll, dass jemand, der drei Monate später geboren ist, mit 30 Prozent Abschlägen rechnen muss, während vorher mit 10 Prozent gedeckelt ist. (Abg. Wittauer: ... keine arme Frau! Wer redet denn von Privilegierten?) Also von Ge­rechtigkeit kann man da wohl nicht sprechen! (Beifall bei den Grünen.)


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Dann behaupten Sie immer, man könne sich das ja so lange einteilen. Ja, dann rech­nen Sie doch einmal für die Leute, die 1969 und später geboren sind und die jetzt schon studiert haben, nach! Die können das nicht mehr richten – Menschen, die jetzt 45 Jahre brauchen, um überhaupt auf die 80 Prozent Pension zu kommen. Das heißt, man muss mit 20 begonnen haben, einzuzahlen. Jene, die ihr Studium schon abge­schlossen haben, können die letzten 15 Jahre nicht mehr nachzahlen. Die haben keine Chance mehr, auf diese Pension zu kommen, oder aber – das ist der zweite Punkt –, wenn sie während des Studiums gearbeitet haben, haben sie einfach viele Jahre mit geringen Beiträgen angesammelt, die auch nicht mehr wegzubringen sind und sich genauso pensionskürzend auswirken werden. Wo da das Fairnessargument greifen und warum das den Jungen helfen soll, dass muss mir einmal jemand „vorhupfen“.

Ein weiterer Punkt: Nicht nur finde ich es so drastisch, dass Sie immer von Eigenvor­sorge sprechen und davon, dass man sich das leisten können soll. – Man weiß ja ge­nau, ab welchem Alter man einzahlen muss, damit sich das zumindest von den Be­rechnungen her noch irgendwie ausgeht, und wie schwierig das ist. Es gibt da noch ein anderes Problem: Diese Pensionskassensysteme haben ja viel mehr mit Glücksspiel als mit Absicherung zu tun.

Man braucht sich nur die Situation in den letzten drei Jahren seit 1999 und die Entwick­lung der Börsenkurse und damit auch der Fonds anzuschauen. Im Vergleich zu jeman­dem, der zufällig 1999 in Pension gegangen ist, würde das für jemanden, der jetzt 2003 in Pension geht, einen Unterschied von 40 Prozent machen, hätten beide nach dem Modell, das Sie propagieren, die letzten 30 bis 35 Jahre eingezahlt. Dieser Ab­schlag entsteht daraus, dass man zufälligerweise gerade dann in Pension geht, wenn es der Börse schlecht geht. Und dann sagen Sie, das sei eine Absicherungsmaßnah­me!

Also ich kann Ihnen nur sagen: Für die Jungen ist diese Pensionsreform mit Sicherheit alles andere als ein Gewinn, die zahlen dafür. Ich finde, man hätte durchaus darüber diskutieren können – was Sie aber nach wie vor ablehnen –, warum man nicht in Be­reichen, die über der ASVG-Höchstpension liegen, über einen Solidaritätsbeitrag redet, warum man nicht auch bei denen, die jetzt in Pension gehen werden und solch hohe Pensionen haben, mehr macht.

Mich würde interessieren, warum die FPÖ bei so einer Forderung nicht dabei ist. Ich habe eine Vermutung: Die ÖVP wird massiv geblockt haben, dass ja nichts passiert, und Sie von der FPÖ werden sich wieder einmal nicht durchgesetzt haben.

Aber das hätte mit Verteilungsgerechtigkeit viel mehr zu tun gehabt als das, was Sie machen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.11

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Wittauer zu Wort. Wunschgemäß spricht er 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.11

Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Kanzler! Herr Staatssekretär! Es wundert mich schon, wenn sich gerade die Frauen hier am Redner­pult darüber beklagen, dass die Frauen nicht berücksichtigt worden sind. Gerade Ursula Haubner und Ministerin Rauch-Kallat waren und sind die Vertreterinnen dieser Frau­en. Ich wäre froh, wenn wir Männer so eine Vertretung hätten, denn ich fühle mich bei dieser Reform fast schon benachteiligt. Die Frauen sind ausreichend berücksichtigt.

Es ist so, dass jeder Abgeordnete Ihnen dieses Konzept und die Pensionsreform vor­predigen muss, aber trotzdem wollen Sie es nicht begreifen und nicht annehmen.


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Ich lese es Ihnen vor: Lücken für Frauen, welche Kinder großgezogen haben, werden geschlossen. Erhöhung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate, und zwar rückwirkend ab Einführung des Kinderbetreuungsgeldes mit 1. Jänner 2002; Reduktion des Durchrechnungszeitraumes pro Kind um drei Jahre; zusätzliche jährliche Aufwertung von Kindererziehungszeiten – 2028 werden sie dop­pelt so viel wert sein wie heute. – Soweit also zur Wahrheit!

Ich glaube, damit ist alles gesagt gegenüber den Frauen. Wir haben viele Dinge mit hineinreklamiert. Die Frauen können, wie ich meine, stolz darauf sein, dass sie diese Vertretung haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In unserer Gesellschaft gibt es einen breiten Konsens dar­über, dass diese Pensionsreform notwendig ist, um den Generationenvertrag aufrecht­zuerhalten und auch zu sichern. Trotz dieses breiten Konsenses ist es für uns Freiheit­liche nicht nachvollziehbar, dass sich die Gewerkschaft verweigert, die Opposition ver­weigert und mit diesen Dingen auf die Straße geht. Denn: Was war der eigentliche Grund dieser Streiks? – Harmonisierung. Wir haben aber gerade in den letzten Tagen in wirklich ausgewogenen Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner auch dieses Problem gelöst. Die Harmonisierung findet also statt! – Ich bin neugierig, ob Sie dem dann zustimmen oder sich verweigern werden.

Für Sie war die Harmonisierung ein wesentlicher Punkt. Ich lese es Ihnen vor:

Harmonisierung: Einheitliches Pensionsrecht ab 2004 für alle Erwerbstätigen unter 35 Jahren und Berufsanfänger auf Basis des ASVG; Schaffung eines beitragsorientier­ten persönlichen Pensionskontos mit einer leistungsorientierten Komponente, die unter anderem besonders Kindererziehungszeiten, Mutterschutz, Familienhospizkarenz, Prä­senz- und Zivildienstzeiten entsprechend berücksichtigt; Harmonisierung der Bei­trags­sätze und Beitragsgrundlagen bei gleichzeitiger Vereinheitlichung der Leistungen; Ver­besserte Aufwertung von Beitragszeiten ab 2004 unter Berücksichtigung der Lohn­ent­wicklung; Schaffung einer Mindestpension für Bedürftige – die Forderung nach 1 000 €, also das, was wir im Wahlkampf schon versprochen haben, wird damit umge­setzt.

Und da sagt man dann vielleicht, 45 € Ausgleichszulage sind nichts wert? – Für diese Menschen sind 45 € sehr viel wert, denn sie müssen davon leben, und sie leben von wenig. Ich wäre froh, wenn ich ihnen 2 000 € geben könnte, aber es ist leider Gottes nicht möglich, weil die Sozialdemokraten in guten Zeiten das gute Geld verwirtschaftet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Gleichzeitig ist die Harmonisierung des Pensionsrechtes der Landes- und Gemeinde­bediensteten nach den für die Bundesbediensteten geltenden Grundsätzen durchzu­führen. – Das ist meiner Meinung nach auch wichtig.

Das, was mir persönlich ganz gut gefällt und was man gut vertreten kann, das sind die Privilegien der Sozialversicherungsträger sowie anderer Körperschaften und staatsna­her Betriebe, wo die Grundsätze dieses Pensionsrechtes auch umgesetzt werden. Gleiches Recht für alle! Ich glaube, das haben sich die Menschen verdient.

Im Zuge der Harmonisierung sind die Pensionsversicherungsträger zusammenzufüh­ren. – Also wenn man dagegen ist, dann muss mir einer meiner Nachredner begrün­den, wie man hier gegen eine Harmonisierung sein kann, obwohl man einen Tag davor dafür auf die Straße gegangen ist.

Wir Freiheitlichen, unter Federführung von Vizekanzler Herbert Haupt, konnten in der Vergangenheit tagtäglich Erfolge verbuchen, die in tagelangen Verhandlungen der ÖVP – das muss ich zugeben – abgerungen wurden. Gesamtdeckelung aller künftigen Pensionen, Hacklerregelung, Schwerarbeiterregelung, Altersübergangsgeld, Abschaf-


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fung von Politikerprivilegien und Pensionsrechten. – Im Namen der arbeitenden Bevöl­kerung gebühren Herbert Haupt dafür unser Dank und unsere Hochachtung.

Es gibt natürlich Punkte, die vielleicht nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Ich, der ich gegen den ersten Entwurf der Pensionsreform war und das auch ganz klar zusammen mit anderen Abgeordneten artikuliert habe, kann heute mit Stolz sagen, mit diesem Ergebnis bin ich zufrieden und diesem Ergebnis werde ich auch zustimmen.

Der Privilegiendschungel, der unter den Sozialdemokraten bei scheinheiligen Pensi­onsreförmchen in der Vergangenheit immer verteidigt wurde, muss ein Ende haben. Mit dem 18. wird das auch ein Ende haben, das garantieren wir Freiheitlichen.

Wir Freiheitlichen fühlen uns zu Gerechtigkeit und sozialer Verantwortung gegenüber unseren Mitbürgern verpflichtet. Wir werden aus diesem Grund bis zum letzten Tage schauen, wo wir vielleicht noch weitere Verbesserungen erzielen können, und weiter darüber verhandeln.

Die Sicherung der Pensionen und die Grenze von 1 000 € – das habe ich vorher schon erwähnt – sind für mich ein maßgeblicher Grund dafür, dass ich heute dieser Pensions­reform zustimmen kann. Ich fordere auf alle Fälle die Gewerkschaften und auch die Opposition auf, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren und ihre Abände­rungsanträge einmal zu präsentieren, denn das, was ich heute gehört habe, war gar nichts. Nur kritisieren ist zu wenig. Wenn positive Dinge kritisiert werden, wird das von der Bevölkerung im Nachhinein, wie ich meine, nicht positiv bewertet werden.

Machen Sie nicht weiter so wie in der Vergangenheit – das ist gerade an die Sozialde­mokraten gerichtet –, sondern arbeiten Sie mit uns an der Zukunft! Wir Freiheitlichen werden unseren Grundsätzen treu bleiben und die Familie und den arbeitenden Men­schen in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Wir sind Garanten für Gerechtigkeit, für soziale Verantwortung und für den Abbau von Privilegien. Dafür werden wir in dieser Regierung auch sorgen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.18

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Herr Abgeordneter Broukal zu Wort. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Broukal begibt sich – von Zwischenrufen beglei­tet – mit einem Laptop zum Rednerpult.)

 


14.18

Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Ja, wo ist der Beamer?! – Na, ich wollte den Herrn Finanzminister nicht blamieren. Er will immer PowerPoint verwenden, während unsereiner natürlich den Macromedia Director zum Einsatz bringen würde, und das wollte ich ihm ersparen. Aber wenn die Beamer-Zeit kommt, sind wir auch dabei.

Herr Lopatka, weil es die tatsächliche Berichtigung nicht erlaubt: Sie dürften noch wis­sen, ich hatte früher einen Beruf, der um 21 Uhr am Abend geendet hat, und Sie wer­den zugeben, dann ist es Zeit heimzugehen und nicht zu demonstrieren. Jetzt habe ich manchmal Tagesfreizeit, und Sie werden mich vielleicht bei zukünftigen Demonstratio­nen entdecken, wenn Sie mich hinter dem Schaum dann auch noch erblicken können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sehe, dass es nicht nur in unserer Fraktion manches Mal an Sprachregelungen hapert, es ist auch bei euch so. Der Herr Bundeskanzler hat euch doch heute klar vor­gegeben: Die Streiks erfolgten aus berechtigter Sorge, und er akzeptiert sie. Ihr erzählt uns jetzt wieder, es war furchtbar zu streiken. Könnt ihr nicht das sagen, was er sagt? Er hat nämlich Recht, diese Streiks waren berechtigt, erfolgten aus berechtigter Sorge. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich denke mir, ob das Fernsehen hier ist oder nicht, man sollte immer das Gleiche re­den, oder? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sagen Sie das noch einmal, was Sie zur FPÖ ge­sagt haben!) Sie erzählen uns jetzt binnen zwei Monaten zwei Mal etwas zum selben Thema, aber es ist nicht immer das Gleiche, was Sie uns erzählen. Auch das, was Sie heute vorlegen, wird in ein paar Jahren Makulatur sein, oder? Giftzahn bleibt Giftzahn, auch wenn man im Augenblick homöopathische Dosen Morphium gibt, Public-Relations-Morphium – und nicht gerade das beste.

Wenn ich mir zum Beispiel die heutigen Farbinserate der Bundesregierung zum Thema Pensionen anschaue (der Redner verweist auf einen Zeitungsausschnitt) – also eine Agentur, die am Tag nach dem Ende eines Streiks einen Aufruf, nicht zum Streik zu gehen, publiziert, würde ich kündigen, fristlos kündigen. (Abg. Dr. Brinek: Es sind ja neue Streiks angekündigt!) Eine Agentur, die mir zwei ältere Menschen zeigt, wo sie ihm lieb an das Kinn greift und sagt: Wir haben weniger Kinder und leben länger, daher keine Streiks!, also eine Agentur, die mir solche Texte gibt, würde ich ebenfalls kündi­gen, ich sage es Ihnen ganz ehrlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass Sie das alles noch mit Steuergeldern finanzieren, gefällt mir überhaupt sehr gut. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Aber die beiden denken ja an morgen. Ich denke aber auch ein bisschen an die jünge­re Vergangenheit und an die Wahlversprechen Ihrer Partei und führender Mitglieder Ihrer Partei. Ich beginne mit dem Herrn Bundeskanzler.

Herr Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sagte vor sieben Monaten – ich darf wörtlich zitieren –:

„Wir wollen erstmals eine Gesamtstrategie entwickeln, ...“ Und vorher: „Das soll von Sozialpartnern – man braucht wirklich ein Rednerpult zum Anhalten, wenn man das vorliest – und Seniorenverbänden so auf den Tisch gelegt werden, dass es die Men­schen verstehen und mittragen können.“ – Zitatende.

Was war nach der Wahl? – Der Herr Bundespräsident hat den Herrn Bundeskanzler an den Runden Tisch zwingen müssen, die Sozialpartner wurden nämlich links liegen ge­lassen (Abg. Wittauer: Das stimmt doch gar nicht! Die Verweigerung ist von der Sozi­aldemokratie und von den Gewerkschaften ausgegangen!), und dann wurde ihnen das verweigert, was ihnen Ihr Obmann Schüssel vor der Wahl versprochen hat, nämlich dass sie eingebunden werden sollen und diese Reformen federführend mit erarbeiten können.

Weiter heißt es in dieser Aussendung 24 Tage vor der letzten Nationalratswahl: Die Gesamtstrategie laute, „dass man das tatsächliche an das gesetzliche Pensionsan­trittsalter durch Anreize heranführt ...“

Wenn das, was Sie jetzt beschlossen haben, „Anreize“ sind, dann fürchte ich mich da­vor, Ihre Strafen kennen zu lernen, das muss ich Ihnen schon sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Ihr habt die Chance nicht wahrgenommen, am Runden Tisch tatsächlich zu verhandeln! Das ist der Unterschied!)

Aber der nächste „Anreiz“ liegt schon in der Schublade, und den werden Sie ebenso wortreich wegargumentieren. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Das ist der Anreiz, nicht zum Arzt zu gehen, weil es dann 5 € Selbstbehalt kosten wird. (Abg. Wittauer: Ihnen muss man es vorlesen! Die Eckpunkte sind schon da! Geben Sie das endlich zu!)

Aber es gibt viele Versprechen des Herrn Bundeskanzlers, die eine durchaus über­schaubare Halbwertszeit haben. Da gibt es zum Beispiel das Versprechen, einer un­abhängigen Wirtschaftsplattform den Kauf der Eurofighter anzuvertrauen, was dann


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merkwürdigerweise dazu führen soll, dass der Ankauf das Budget fast nichts kostet. (Abg. Wittauer: Jetzt sind wir wieder bei den Abfangjägern! Ich habe geglaubt, wir sprechen über die Pensionsreform, Herr Abgeordneter!)

Nach der Wahl hörte man kein Wort davon. Der Herr Bundeskanzler sagt in der ORF-„Pressestunde“: Er habe das damals nur gesagt, um die emotionale Situation zu beru­higen.

Die Frau Gesundheitsministerin hat uns namens der ÖVP im Wahlkampf ohne jedes Wenn und Aber versprochen (Abg. Großruck: Der ORF wird froh sein, dass Sie jetzt im Parlament sitzen!), die Volkspartei plane für die kommende Legislaturperiode keine weitere gesetzliche Anhebung des Frühpensionsalters. – Das ist etwas, was ich mir einmeißeln und an die Wand hängen lasse, das sage ich Ihnen.

Dermaßen blank gebrochene Wahlversprechen hat auch dieses Hohe Haus und diese Republik Österreich noch selten gesehen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Es hat noch nie eine Regierung gegeben, die so viele Versprechen eingelöst hat wie diese Regierung!)

Wenn Sie immer mit dem Vranitzky-Brief kommen, dann gilt für Sie ein Bibelzitat: „Wa­rum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht!(Abg. Großruck: Sehr schwach!)

Meine Schlussfolgerungen für heute sind jedenfalls: Wer auf Jörg Haider gehofft hat, hat vergeblich gehofft. (Abg. Großruck: Herr Broukal, das ist schwach, was Sie da bringen! Noch dazu, EDV-unterstützt!) Wer auf Sie, die Arbeitnehmervertreter von ÖVP und FPÖ, gehofft hat, hat vergeblich gehofft. Wer auf die Wahlversprechen der ÖVP gehofft hat, hat vergeblich gehofft.

Aber mit dem heutigen Tag, so finde ich, ist auch die Ära des Tricksens, die Ära der gebrochenen Versprechen und der Scheinaufgeregtheiten im Bärental vorbei. (Abg. Großruck: EDV-unterstützt und trotzdem schwach!)

Wer auf ein gerechtes, ein menschenwürdiges Pensionssystem hofft, muss bei der nächsten Wahl jene Partei wählen, die als einzige ein ausgearbeitetes (Abg. Groß­ruck: EDV-unterstützt müssten Sie besser argumentieren!), gerechtes und sicheres Pensionssystem anbieten kann. Ich habe im Gegensatz zu Ihnen den Vorzug, dieser Partei anzugehören. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Das war schwach!)

14.23

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Hakl. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Wittauer – in Rich­tung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Hakl –: Karin, antworte einmal richtig!)

 


14.24

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die ganze Aufgeregtheit und Schreierei, die wir heute insbesondere von den Oppositionsparteien zu hören bekommen, bedauere ich sehr. (Abg. Eder: Die sind aufgeregt!) Ebenso bedauere ich das, was in den letzten sechs bis acht Wochen in Österreich vor sich gegangen ist.

Wir haben folgende Situation – wir alle wissen das, und vorgeblich hat das auch in die­sem Hohen Haus jeder verstanden –: Die Leute sind länger in Ausbildung, arbeiten kürzer, gehen wesentlich früher in Pension, werden viel älter, bekommen die Pensio­nen von der jeweils nächsten Generation bezahlt, wobei die Anzahl der Menschen der nächsten Generation schrumpft.


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Wir brauchen also eine Reform, die bewirkt, dass das eingezahlte Geld von wenigen auf mehrere und auf eine längere Dauer aufgeteilt wird. Das bedeutet automatisch: entweder bekommt der Einzelne von den vielen ein bisschen weniger, oder in 20 Jah­ren zahlt jeder Einzelne nicht die 10 Prozent, die man jetzt verlieren könnte, sondern das Sechs-, Sieben- oder Achtfache für die Pensionen der Älteren. (Abg. Eder: Wer sagt denn das?) Wir Jungen können das nicht leisten!

Frau Glawischnig, ich muss zugeben, von der Grünen Partei kamen heute sehr viele, auch sehr kluge Argumente, aber erschrocken bin ich bei Ihrer Rede, als Sie gesagt haben: 10 Prozent! – Stellen Sie sich vor, wir nehmen maximal ein Monatsgehalt weg! (Abg. Dr. Glawischnig: Das ist ein Unsinn, was Sie da sagen! – Ruf bei der SPÖ: Für jemand, der 600 € im Monat hat, ist das ziemlich viel, glauben Sie nicht?)

Ich muss dazu sagen, dass wir, ohne etwas zu verändern, schlicht keine Reform ma­chen können. Wenn wir diese Fakten haben, dann würde ich mir wünschen, dass sich in diesem Hohen Haus auch alle zum einzigen Ausweg bekennen, nämlich jetzt bei den Auszahlungen gelinde zu sparen, um für die nächste Generation in den Töpfen noch Geld übrig zu haben. Ich bin sehr dankbar, dass das jetzt möglich wurde und jetzt kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es war für die Koalitionsentscheidung dieser Regierung von ganz grundlegender Be­deutung, einen Partner zu haben, der diese nicht immer ganz angenehmen Maßnah­men mitträgt und ausarbeitet. Ich möchte mich bei meiner Fraktion, bei unserem Bun­deskanzler, bei Bundesminister Bartenstein, aber auch ganz ausdrücklich beim Koaliti­onspartner FPÖ dafür bedanken, dass diese schwierige Reform für uns Jüngere mit Ihnen gemeinsam und auch mit Sozialminister Haupt möglich war. Herzlichen Dank für die geleistete Arbeit allen Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen! Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Danke, danke!)

Diese gesamten Argumentationen von „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ ha­ben dazu geführt, dass keine Vorschläge mehr gemacht wurden – weder von den Grü­nen noch von der SPÖ –, die zu einem für die Menschen besseren Ergebnis geführt hätten, und zwar weder für die Alten noch für die aktiv Erwerbstätigen oder für jene, die jetzt noch in der Schule und in den Universitäten sind, oder auch für jene, die eine Leh­re machen und arbeiten, und auch ein Recht und einen Anspruch darauf haben, einmal eine Pension zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Stattdessen ist etwas passiert, wofür sich meiner Meinung nach Politiker eigentlich genieren müssten. Durch die gewerkschaftlichen Aktionen und insbesondere durch deren Maßnahmen, die von den Grünen gutgeheißen wurden und von der SPÖ massiv aktiv unterstützt wurden, sind für einen, wenngleich kurzen Zeitraum in der Bevölke­rung zwei Gefühle aufgekommen:

Zum einen entstand das völlig falsche Gefühl: Na ja, wenn die meinen, dann brauchen wir das vielleicht wirklich nicht! – Diesbezüglich ist es heute, so glaube ich, gelungen, wieder den allgemeinen Konsens herzustellen, den wir bereits vorher hatten. Es war eine mühevolle Arbeit unserer Fraktionen, auch zur Wahrheit zu stehen!

Das Zweite, was passiert ist, ist, dass sich die Jungen jetzt noch weniger engagieren, weil auch der breite Konsens darüber, wie wichtig diese Reform für insbesondere die jüngeren Generationen ist, von SPÖ, den Grünen und den Gewerkschaften über weite Strecken so weit verlassen wurde, dass ich hoffe, dass sich der eine oder andere, ins­besondere in der SPÖ, wenn er diesen Plenarsaal verlässt (Abg. Wittauer: In sich geht!), am Abend zu Hause denkt: Wir haben vielleicht doch über das Ziel geschos­sen!, und sich ein wenig dafür geniert. Genauso fassungslos saß ich nämlich jeden Tag vor dem Fernsehapparat und habe mir gedacht (Zwischenruf des Abg. Gaál), das darf doch nicht wahr sein, ihr müsst endlich damit aufhören, den Menschen in Öster-


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reich in diesem unglaublichen Ausmaß Dinge zu erzählen, die jeder Grundlage, jeder realistischen Grundlage entbehren! (Zwischenruf des Abg. Gaál.)

Haltung in der Politik zu haben und zu bewahren, bedeutet, zu den Überzeugungen, zu denen man gelangt ist, besonders auch dann, wenn es nicht leicht ist, besonders auch dann, wenn es nicht angenehm ist, zum Wohle aller zu stehen! – Ich bin froh, dass wir das geschafft haben. Ich danke herzlich und hoffe auf ein Einsehen der Opposition bis zum Beschluss dieser Reform. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.30

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Haidlmayr. Wunschgemäß ist die Uhr auf 6 Minuten eingestellt. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 


14.30

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Wer­te Herren auf der Regierungsbank! Frau Staatssekretärin Haubner ist auch da! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich das Revue passieren lasse, was heute gelaufen ist, frage ich mich wirklich, wo wir sind. Teilweise ist das so etwas von jen­seits, dass man niemandem, der heute vor dem Fernseher zugeschaut hat oder auf der Galerie sitzt, erklären kann, was hier heute abgeht. (Abg. Mag. Mainoni: Wir disku­tieren die Pensionsreform!)

Dazu muss man wirklich Phantasie haben, die fast schon wieder zum Anzweifeln ist. Aber diese Phantasie hat diese Bundesregierung, das zeigt sich ganz deutlich. Herr Bundeskanzler! Sie sind derjenige, der gesagt hat, er stehe – in dem Fall sitzen Sie jetzt (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ) – für Gerechtigkeit, für Verantwortung und für Vertrauen. Wenn das Gerechtigkeit, Verantwortung und Vertrauen ist, was Sie uns mit dieser Pensionsreform vorlegen, dann haben Sie diese Begriffe aber ordentlich missbraucht. Das sage ich Ihnen jetzt ganz ehrlich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn Sie immer noch meinen, dass Gerechtigkeit bei Ihnen dann beginnt, wenn Sie das meiste und die anderen nichts haben, dann ist das Ihre Gerechtigkeit, aber nicht die Gerechtigkeit, die wir meinen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Witt­auer: 50 Prozent Solidaritätsbeitrag ...!)

Herr Bundeskanzler! Sie lässt es offenbar kalt und Sie zwinkern nicht einmal mehr mit den Augen angesichts des Umstandes, dass Frauen in ihrer Pension mit 600 € im Mo­nat auskommen müssen (Ruf bei der ÖVP: Reden Sie eh über Österreich?) bezie­hungsweise in den nächsten Jahren nur 600 € bekommen werden. Für Sie ist es ein Leichtes und erzeugt ein Schmunzeln, wenn Sie diesen Frauen auch noch 10 Prozent ihrer Pension wegnehmen. Herr Bundeskanzler! Diese Auffassung von Verantwortung möchte ich nicht haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie rühmen sich jetzt und sagen, bei den Politikerpensionen werden Sie 15 Prozent herunterstreichen. Glauben Sie, dass das einen Herrn Stummvoll bewegt? Das ist ihm doch völlig Wurscht (Abg. Mag. Posch: Vier-Säulen-Modell!), weil diese 15 Prozent, die Sie ihm wegnehmen, sind das, was er an einem Wochenende, wenn er halbwegs normal lebt, sowieso verbraucht. Aber andere leben mit diesem Betrag in der Pension drei Monate lang und länger! 15 Prozent klingt gut, aber es ist ein Unterschied, von welcher Einkommenshöhe man ausgeht.

Wenn Sie diese Absicht jetzt mehr oder weniger als Fortschritt verkaufen wollen, Herr Bundeskanzler, dann muss ich mich schon fragen, ob Sie noch beide Füße am Boden haben, ob Sie wirklich noch wissen, wie es Leuten geht, für die der Tag auch nur 24 Stunden hat wie für Sie, die auch den ganzen Tag arbeiten, die am Abend auch


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müde sind so wie Sie. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt hören Sie aber auf! Das ist wirklich un­glaublich!) Erklären Sie denen, warum die einen ganz viel, die anderen ganz wenig und viele gar nichts mehr bekommen!

Herr Bundeskanzler! Das ist nicht Verantwortung, wie Sie gesagt haben, dass Sie sie übernehmen, sondern das ist ein Spiel mit Verantwortung. Das dürfen wir uns in die­sem Land nicht leisten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Murauer.)

Sie gehen jetzt damit hausieren und sagen, es gebe praktisch keine Abschläge für Pensionen bis 1 000 €. Dabei haben Sie aber einen wichtigen Punkt zu erwähnen ver­gessen: Das gilt nämlich für 1 000 € Familieneinkommen und nicht für die Einzelpen­sionen. Schauen Sie sich doch eine durchschnittliche Familie an: Da hat der Mann vielleicht 700 €, der Sohn verdient 500 oder 600 € (Abg. Wittauer: Sie können ja 50 Prozent freiwillig hergeben! Da würden Sie einer Familie helfen!), weil er eben schon berufstätig ist, und die Frau bekommt in dem Fall nichts! Sie bekommt ihre Pension mit der Abschlagszahlung. Sie hat von diesen 1 000 € gar nichts! Das heißt, sie ist wieder diejenige, die auf der Strecke bleibt. Aber das ist Ihnen anscheinend alles recht, das passt für Sie. Für uns Grüne, Herr Bundeskanzler, passt das absolut nicht! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich möchte jetzt beweisen, wie jenseits Ihre Diskussion heute teilweise läuft. (Abg. Großruck: Das tun Sie eh gerade!) Ich habe hier die Petition der freiheitlichen Abge­ordneten. Diese Petition kennen Sie gut, Herr Scheuch, nicht wahr? Darin steht näm­lich: die Gleichbehandlung von ASVG-Versicherten, Beamte, Eisenbahner, Gewerbe­treibende und unter anderem auch der politischen Funktionäre und Mandatare.

Wenn Sie glauben, dass 15 Prozent Abschlag eine Gleichbehandlung ist, dann frage ich Sie, was Sie unter Gleichbehandlung verstehen. (Abg. Wittauer: Bestehende Pen­sionen und zukünftige ist ein Unterschied!) Gleichbehandlung heißt Anpassung an das ASVG und sonst gar nichts, sonst absolut nichts. Dass Sie jetzt einen Umfaller ma­chen, Herr Scheuch, wundert mich gar nicht, weil Sie gehören auch zu denen, die im­mer eine große Lippe riskieren, aber wenn es darauf ankommt, dann sind Sie der Ers­te, der sofort schaut, dass er verschwindet. Hauptsache, Sie hatten zwei oder drei Fo­tos in den Zeitungen. (Abg. Wittauer: Hätten Sie mitgearbeitet ...!) Das genügt Ihnen, auch wenn Sie dann ganz anders handeln, als Sie es vorher gesagt haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das ist ein so klarer Beweis dafür, nämlich schwarz auf weiß für Schwarz-Blau, dass das, was Sie sagen, und das, was Sie tun, so weit von­einander entfernt ist wie Tag und Nacht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dass Sie mit Moral nicht recht viel am Hut haben, wissen wir ohnehin alle, da brauchen wir eigentlich gar nicht recht viel darüber zu reden. (Abg. Steibl: Hauptsache, die Grü­nen ...!) Meine Damen und Herren gerade von den Freiheitlichen! Wenn es Ihnen kom­plett Wurscht ist, dass Sie Ihr Auto während der Sitzung auf dem Behindertenparkplatz abstellen, dann (Abg. Murauer: Dann noch eine Pension kriegen, nicht?!) behaupten, zehn Stunden lang vergessen zu haben, das Auto vom Behindertenparkplatz wegzu­stellen und dann nicht einmal bereit sind, das Strafmandat zu zahlen, so frage ich Sie (Abg. Wittauer: Keine Ahnung!), wo Ihr Sinn für Gleichstellung ist, wo Ihr Sinn für Gleichberechtigung ist.

Das, was Sie sagen, und das, was Sie tun, sind zwei Paar Schuhe. (Abg. Wittauer: Das ist ein Irrtum!) Richten Sie das Herrn Hofmann aus. Der Behindertenparkplatz ge-


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hört ihm so lange nicht, solange er nicht amtlich als behindert anerkannt ist. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé gemeldet. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.37

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Eigentlich wollte ich mich heute hauptsächlich mit der Sozialdemokratie beschäfti­gen, aber Frau Abgeordnete Haidlmayr hat mich herausgefordert.

Frau Abgeordnete! Sie haben gesagt, das, was sich heute abgespielt hat, ist derart von jenseits – oder so ähnlich. Ich muss Ihnen schon zurückgeben – bei aller Sympathie, die ich für Sie habe, wenn es um gemeinsame Behindertenanliegen geht –: Das, was Sie heute hier gesagt und an Vorwürfen erhoben haben, ist auch jenseits von allem, was man sich überhaupt nur vorstellen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben nämlich nicht nur große Unkenntnis bewiesen, sondern auch Kraut und Rü­ben durcheinander gebracht. Frau Abgeordnete! Da Sie so unsachlich bei Ihrer Rede waren, möchte ich Ihnen auch gleich unsachlich Folgendes zurückgeben: Vorgestern im Bundesbehindertenbeirat haben Sie ebenfalls Vorwürfe an die anwesende Werbe­agentur losgelassen, die diese empört zurückgewiesen hat, weil sie überhaupt nicht bewiesen sind. Und genau solche Vorwürfe haben Sie auch heute vorgebracht.

Sie verwechseln pausenlos eine zehnprozentige Deckelung zur Verhinderung sozialer Härten mit einer zehnprozentigen Kürzung. (Abg. Wittauer: Das ist ein Unterschied: Deckelung und Kürzung!) Sie sagen, jeder hat eine zehnprozentige Kürzung. Tatsäch­lich ist es so, dass jeder eine zehnprozentige Deckelung hat.

Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es eine Kürzung der Politikerpensionen gegeben hat und dass vieles von dem, was Sie vorgebracht haben, ganz einfach nicht richtig ist. Nehmen Sie das zur Kenntnis!

Ich komme schon zu Ihnen, Frau Abgeordnete Silhavy. Sie haben mir heute auch schon sozusagen eine Munition gegeben oder ein Hölzl geworfen. (Abg. Dr. Jarolim: Sie hätten sagen sollen: Aus der Seele gesprochen!) – Aus der Seele gesprochen. – Ich wundere mich ja wirklich über die Debatte, und zwar insoferne, als offensichtlich die Sozialdemokratie nicht zur Kenntnis nehmen möchte, dass es dringenden Handlungs­bedarf gibt, dass es eine staatspolitische beziehungsweise eine soziale Notwendigkeit ist, eine Pensionsreform durchzuführen, um die Pensionsleistungen in Zukunft zu si­chern.

Die Experten sagen heute, wenn 1990 eine Reform durchgeführt worden wäre, dann würde es nicht solch einschneidender Maßnahmen wie jetzt bedürfen.

Doch was machen Sie? – Herr Verzetnitsch kritisiert: Wenn wir – und damit meint er den ÖGB – von Reformen reden, dann geht es uns um das und um das und um das – und dann kommt eine Reihe von pauschalen Forderungen. Aber wenn es am Runden Tisch dann darum geht, konkrete Forderungen zu artikulieren, dann hört man nichts! Ich habe von den Leuten, die beim Runden Tisch dabei waren, auf die Frage: Ja was will eigentlich die SPÖ, was will Herr Verzetnitsch? zur Antwort bekommen: Er sagt nichts, außer: Zieht das alles zurück, und verhandeln wir irgendwann weiter!

In die gleiche Richtung geht auch der Entschließungsantrag der Frau Abgeordneten Prammer, den sie heute eingebracht hat. Was sagt sie? – Sie erhebt die Forderung:


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Ziehen Sie die Regierungsvorlage betreffend die Pensionsreform zurück! – Das ist of­fensichtlich ihre einzige konstruktive Forderung!

Wir wissen, dass die Zeit irrsinnig drängt und dass wir es uns nicht mehr leisten kön­nen, noch Monate lang nichts zu tun, so wie es in der Vergangenheit die Sozialdemo­kraten gemacht haben, die jahrzehntelang nichts getan haben. Wir wissen, dass jetzt einmal gehandelt werden muss.

Frau Abgeordnete Silhavy – jeder, der bei der Aktuellen Stunde hier im Saal war, wird sich daran erinnern können – hat gesagt: Diese Grausamkeiten können nur konserva­tiven Köpfen entspringen!

Ich möchte Sie, Frau Abgeordnete Silhavy, und alle anderen Abgeordneten von der Sozialdemokratie, erinnern: Auch Sie waren einmal in der Regierung! Viel Gutes haben Sie uns nicht hinterlassen: einen Berg von Schulden, an dem noch die künftigen Gene­rationen zu zahlen haben werden. Aber was Ihren Köpfen – egal, ob konservativ oder nicht konservativ – entsprungen ist, ist Folgendes: Karenzgeld gekürzt – in Dauer und Höhe –, Pflegegeld gekürzt, Bausparprämie gekürzt, allgemeiner Absetzbetrag ge­kürzt, Steuerfreiheit von Überstunden gekürzt, Lohn- und Einkommensteuer und Kapi­talertragsteuer erhöht, Rezeptgebühr erhöht. Ich könnte diese Aufzählung noch fortset­zen, würde nicht das Lämpchen schon blinken.

Nur: Was wirklich die ärgste Grauslichkeit Ihrer vier Belastungspakete von damals war – und das bestätigt auch Ihre kurzsichtige Politik –, ist der Umstand, dass Sie da­mit nur Budgetlöcher gestopft haben und nichts getan haben, um das Budget für die Zukunft zu sanieren und damit auch etwas zur Sicherung der Pensionen beizutragen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Das waren Ihre Grauslichkei­ten, an denen wir heute alle leiden müssen und für die wir die Last zu tragen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Regierung hat diese Praxis der Kurzsichtigkeit gestoppt, diese Regierung trägt jetzt die Verantwortung und sichert auch die sozialen Leistungen für die Zukunft. Neh­men Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitli­chen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nun kommt Herr Abgeordneter Dobnigg zu Wort. Rede­zeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.43

Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es ist schade, dass Herr Abgeordneter Stummvoll dieser Debatte heute nicht beiwohnt, denn es wäre sehr interessant, von ihm zu erfahren, wie das Vier-Säulen-Modell ausschaut. Wir diskutieren jetzt das Drei-Säulen-Modell, doch er besitzt derzeit schon das Vier-Säulen-Modell. (Abg. Großruck: Der Blecha und der Vranitzky sagen es Ihnen!)

Kolleginnen und Kollegen! Politik muss, so meine ich jedenfalls, auch etwas mit Ver­trauen und Verlässlichkeit zu tun haben. Doch Sie, Herr Bundeskanzler, haben die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher in den letzten Wochen und Monaten sehr enttäuscht: Sie haben dieses Vertrauen verspielt – mit der Art Ihres Drü­berfahrens, durch Gesprächsverweigerung, aber auch durch Ihre Präpotenz, verbun­den mit ...

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! „Präpotenz“ ist kein Wort, das wir verwenden!

 



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Abgeordneter Karl Dobnigg (fortsetzend): Gut, ich nehme es zurück. – Aber am glei­chen Tag die Pensionsreform und den Abfangjägerkauf zu beschließen, ist Zynismus, der nicht mehr zu überbieten ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie verweigerten, Herr Bundeskanzler, das Gesprächsangebot der Sozialpartner und kehrten erst wieder zurück, als Sie von unserem Herrn Bundespräsidenten an den Runden Tisch gebeten wurden. Auch da zeigte sich, dass Sie nicht bereit sind, von den vielen unsozialen Härten und Belastungen abzugehen. (Abg. Wittauer: Welche?) Sie wollen diese Pensionskürzungsreform in den nächsten 14 Tagen einfach durch das Parlament peitschen. Durchpeitschen wollen Sie diese Pensionskürzungen – mit ihren unsozialen, ungerechten Belastungen für jene Menschen, die ein Leben lang hart und schwer gearbeitet haben. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Im Gegensatz zu euch haben wir gearbeitet! Ihr seid auf der Straße gewe­sen und habt gestreikt!)

Oder glauben Sie, Herr Bundeskanzler, und Sie, meine Abgeordneten von ÖVP und FPÖ und die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertreter unter Ihnen, dass ein Hochofenarbeiter, ein Stahlwerkarbeiter, ein Zimmerer, ein Maurer, ein Dachdecker bis zu ihrem 65. Lebensjahr noch arbeiten können, Menschen, die zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr gesundheitlich schon sehr angeschlagen sind? Oder: Glauben Sie, dass es Firmen gibt, die diese Menschen so lange beschäftigen? – Bitte, bleiben Sie bei der Realität! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Es gibt eine Schwerarbeiterre­gelung!)

Schon die letzte überfallsartige Anhebung des Pensionsantrittsalters (Abg. Wittauer: Setzen Sie sich mit den Inhalten auseinander! Da sieht man, dass etwas Positives dar­an ist!) – da waren Sie, Herr Abgeordneter, noch nicht im Parlament – hat eine ver­stärkte Erhöhung der Arbeitslosigkeit gebracht. Wenn Sie die neuesten Arbeitsmarkt­zahlen zur Hand nehmen – und die sind vom Mai dieses Jahres –, dann werden Sie feststellen können, dass es leider gegenüber dem Vorjahr um 40 000 Arbeitslose mehr in Österreich gibt, und zwar ältere Arbeitslose. Die Arbeitslosigkeit ist also in Ihrer Re­gierungszeit enorm gestiegen. In den letzten drei Jahren ist die Jugendarbeitslosig­keit – hier gibt es sehr viele Jugendliche auf der Galerie – um 44 Prozent gestiegen. Da sind Sie gefordert zu reagieren und zu agieren! (Beifall bei der SPÖ.)

In wenigen Tagen wird es wieder sehr viele Schulabgänger geben, die einen Lehr- beziehungsweise Arbeitsplatz suchen werden. Wir haben vom Vorjahr noch 7 000 Schulabgänger, die auf einen Lehrplatz warten. (Abg. Wittauer: Wie bei der Pensionsreform kennen Sie sich auch da nicht aus!) Da, Kollege Wittauer, heißt es zu reagieren und zu agieren!

Weil Sie heute die Harmonisierung angesprochen haben: Wir stehen zur Harmonisie­rung! Nur: Ein Kollege von Ihnen hat mir noch vor wenigen Tagen erklärt, bei den Selb­ständigen soll es einen Durchrechnungszeitraum von 35 Jahren geben, aber bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern will man 40 Jahre. Die sollen wieder drauf­zahlen. Das ist Ihre Politik, werte Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Wir leben nicht in einer Traumwelt!)

Nur hierher zu gehen und zu sagen: Ich bin Arbeitnehmervertreter!, so leicht geht es nicht! Sie müssen jetzt die Maske fallen lassen, und wir werden darauf schauen, wie Sie in den nächsten 14 Tagen abstimmen werden, wie Sie zu den Kolleginnen und Kollegen stehen werden, damit diese in Zukunft eine faire, eine soziale und gerechte Pension erhalten. (Abg. Wittauer: Uns Landwirte trifft die Harmonisierung am meis­ten!) Dafür werden wir aber auch kämpfen! – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

 


14.48


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18. Sitzung / Seite 110

Präsident Dr. Andreas Khol: Nun gelangt Herr Abgeordneter Kopf zu Wort. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


14.48

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Dis­kussion hat wenigstens in einem Punkt weitgehende Einigkeit gezeigt, nämlich dahin gehend, dass es auch außerhalb der Reihen der Regierungsparteien Abgeordnete gibt, die zumindest die Grundlage, nämlich die Notwendigkeit dieser Pensionsreform anerkennen, dass nämlich die demographische Entwicklung, die wir erleben, und zwar mehr Pensionisten mit längerer Verweildauer in der Pension, nicht zulässt, die Augen zu verschließen und nichts zu tun. Es gibt aber offenbar auch solche, die glauben, man könne nichts tun. Sie tun aber damit Folgendes: Sie nehmen eine ständig steigende Belastung der Aktiven für die Pensionisten in Kauf.

Nur eines ist schon verblüffend: Ich war selbst bei einigen der Sondierungsgespräche dabei, vor allem bei jenen, die wir mit den sozialdemokratischen Kollegen führten, und ich stellte schon einen erstaunlichen Wandel in der Wahrnehmung fest. Damals hat es, was die wesentlichen drei Säulen dieser Pensionsreform betrifft, noch eine recht hohe Akzeptanz der Notwendigkeit gegeben, das Antrittsalter schrittweise auf 65 anzuhe­ben, den Durchrechnungszeitraum schrittweise auf 40 Jahre auszuweiten und – inte­ressanterweise auch dies – den Steigerungsbetrag auf 1,78 abzusenken. Die Formel von Herrn Gusenbauer „65/45/80“ heißt doch nichts anderes, als dass, wenn ich 80 durch 45 dividiere, eben 1,78 herauskommt. Das heißt: Interessanterweise ist auch das, was jetzt kritisiert wird, bei den Sondierungsgesprächen sehr wohl indirekt akzep­tiert worden.

Und jetzt? Was passiert jetzt? – Die Sozialdemokraten und mit ihnen der ÖGB als Sprachrohr bekennen sich weiterhin zu den 65 Jahren, aber: Bitte erst später!

Wir haben jetzt das Heranführen an diese 65 Jahre bis zum Jahr 2017 gestreckt. Sol­len wir es noch später machen? Wir haben die Anhebung des Durchrechnungszeit­raumes von 15 auf 40 Jahre bis zum Jahr 2028 gestreckt. Sollen wir es noch weiter hinausschieben? Und: Wir haben den Steigerungsbetrag, den Herr Gusenbauer uns vorgerechnet hat, mit 1,78 Prozent festgesetzt. Jetzt ist das auch wieder nicht mehr recht – mir kommt vor, nur deshalb, weil es von der schwarz-blauen Koalition kommt.

Meine Damen und Herren! Wozu würde eine noch weitere Verschiebung denn führen? Anstatt jetzt recht rasch die Ansprüche zugegeben aller künftigen Pensionisten etwas einzuschränken – das haben wir mit diesem Deckel mit 10 Prozent und mit weiteren Begleitmaßnahmen wirklich für alle verträglich und erträglich gemacht –, was wäre die Alternative? Die Ansprüche der heute unter 40-Jährigen wären, wenn wir jetzt nichts tun, drastisch einzuschränken. Das heißt, SPÖ und ÖGB wollen, dass wir jetzt noch länger nichts tun und dafür die Jungen später viel mehr zahlen und viel weniger be­kommen.

Noch kurz zu Herrn Broukal, der gerade vorhin die Agenturen angesprochen hat. Ich weiß nicht, ob wir beide dazu berufen sind, Agenturleistungen zu kommentieren, aber etwas muss man schon tun: Wenn man die Kommunikationsleistung bewertet, muss man die Leistung des ÖGB in der Kommunikation tatsächlich honorieren, aber: Wie sieht das Resultat aus?! – Gelungen ist es dem ÖGB nämlich, den Menschen Angst zu machen (Abg. Silhavy: Nein!), die Menschen auf die Straße zu locken, mit falschen Beispielen und falschen Argumenten auf die Straße zu locken.

Und dazu kommt noch, und das ist wirklich verblüffend: Es ist dem ÖGB gelungen, den Jungen, für die vor allem wir diese Reform machen, einzureden, sie seien die Drauf­zahler. Wenn man es mir nicht glaubt, dann soll man es bitte Herrn Professor Marin


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glauben, der dezidiert gesagt hat: Die Profiteure dieser Reform sind die Jungen. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich bin felsenfest davon überzeugt: Wenn der Nebel dieser Nebelbomben, die Sie mit dieser Kommunikation geworfen haben, einmal verraucht sein wird und die Argumente und Informationen jene erreichen, die von dieser Reform dann profitieren werden, dann werden sie draufkommen, dass SPÖ und ÖGB – und zwar mit der Absicht, nichts zu tun – nichts anderes tun, als die Jungen zu den Drauf­zahlern zu machen. Sie hätten nämlich in ihrer aktiven Zeit mehr zu bezahlen und wür­den dann in ihrer Pensionszeit viel weniger bekommen. – Nicht mit uns, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Kogler. 6 Mi­nuten. – Herr Abgeordneter, das wird sich genau ausgehen bis zur Unterbrechung für die Behandlung der Dringlichen der Grünen um 15 Uhr. Sie sind am Wort, Herr Kol­lege.

 


14.54

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundeskanzler! Es fügt sich, dass diese 6 Minuten genau jene vor der Behand­lung der Dringlichen Anfrage betreffend die, wie ich befürchte, immer noch nicht in Ab­schaffung begriffenen Politiker-Privilegien bei den Pensionen sind.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und manche Ansätze, die jetzt auch mein Vorred­ner Kopf angeführt hat, ein paar Dinge, die der Herr Bundeskanzler angesprochen hat, gemeinsam zu betrachten.

Ja! In ganz Europa wird diskutiert, in ganz Europa wird zu Recht nachgedacht und dis­kutiert. Das ist völlig klar und richtig. Die Frage ist nur, ob in jenen Ländern, auf die jetzt ein bisschen negativ mit dem Finger gezeigt wurde, sei es Frankreich, sei es am­bivalent Deutschland, die – sagen wir es einmal so: – so viel schlechtere Diskussions­kultur vorherrscht.

Es wurde auch Skandinavien als Beispiel zitiert. Orientieren wir uns an den Vorgangs­weisen in diesen Ländern. Es ist dort genau darum gegangen, möglichst viele Diskus­sionspartner zu finden, und nach österreichischer Tradition sind das nun einmal noch immer die Sozialpartner, Herr Kollege Kopf und Herr Kollege Mitterlehner. Sie werden sich doch jetzt nicht vorzeitig verabschieden wollen – aber das müssen Sie unterein­ander ausmachen, mit dem Kollegen Leitl –, denn noch ist es nicht gelungen, diese Sozialpartnerschaft durch die blau-schwarze Wende endgültig zu entsorgen.

Es macht Sinn, wenn sich mehrere Gruppen gleichzeitig den Kopf über eine ähnliche oder die gleiche Sache zerbrechen, und dann die Dinge zueinander bringen oder zu­nächst übereinander legen. Ich füge hinzu, ich halte überhaupt nichts davon, so zu tun, als ob dauernd alle einer Meinung sein müssten. Mir war bis heute, bis zum Schluss auch nicht ganz begreiflich – ich muss das wirklich sagen –, was dabei hätte heraus­kommen sollen, wenn sonst keine Klarstellungen erfolgt wären.

Natürlich ist es so, dass wir bei steigender Lebenserwartung und bei womöglich immer noch sinkender Erwerbszeit pro Erwerbstätigen einen Gap zustande bringen, der je­denfalls mit herkömmlichen Methoden einmal nicht mehr finanzierbar sein wird. Es ist schon klar, dass wenig Verständnis dafür aufgebracht wird, dass man einfach so tut, als ob ohnehin alles unter einen Hut gehen würde, und man die unterschiedlichen Po­sitionen und Analysen wegwischt. Aber trotzdem ist es so, dass wesentlich mehr An­sätze auf dem Tisch gelegen wären, die man hätte miteinander in Abgleich bringen


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können. Aber machen Sie sich das mit Ihrem Kollegen Leitl aus! (Zwischenruf des Abg. Kopf.) – Dazu kommen wir noch; so viel Zeit wird auch noch sein.

Der Punkt ist schlicht der: Das Ganze ist dann tragfähig und das Ganze hätte dann keine Streiks provoziert, wenn diese Vorgangsweise gewählt worden wäre, inklusive der sehr wohl sehr inhaltlichen Zugangsweise und Forderung, dass die Harmonisie­rung nicht völlig abgekoppelt betrachtet werden kann von dem, was hier jetzt beschlos­sen wird. – Ich verstehe schon. Mag sein: dass dahinter steckt, zuerst in den ASVG-Bereich, dort wo in Wahrheit am wenigsten Bedarf ist, hineinzuschneiden, damit man dann nach unten harmonisieren kann. Dazu sage ich: Toi, toi, toi, angesichts Ihrer Klientelen, die Sie hier zu vertreten haben!

Das mag ja alles noch irgendwie politisch schlau sein. Aber was politisch fair ist und was politisch noch irgendwie akzeptabel wäre – dagegen wird hier von Seiten der ÖVP ständig verstoßen, und zwar auch gegen die eigenen Ansprüche. Ich muss wirklich darauf zu sprechen kommen, Kollege Molterer, wenn Sie bedauern, dass in Ihrem Bundesland die SPÖ jetzt irgendwelche Kampagnen veranstaltet hätte, die – wahl­kampfähnlich – Übles sind. Ich meine, bei der ÖVP ist wirklich noch beredtes Schwei­gen für mehrere Jahre angebracht, wenn ich an den letzten Wahlkampf denke.

Was hat denn die ÖVP im Wahlkampf zur Pensionsreform gesagt? Was ist denn ge­sagt worden? Jetzt Vranitzky und seine Pensionistenbriefe zu kritisieren ist relativ leicht – ich will mich dazu qualitativ nicht äußern –, aber das, was Sie im Wahlkampf gesagt haben, war so gut wie gar nichts oder eher noch das Gegenteil von dem, was jetzt gemacht wird. Das mag zwar noch unter Schlauheit firmieren – bei mir nicht mehr! –, jedenfalls hat man den Anspruch verwirkt, auf diese Art und Weise mit dem Finger auf andere zu zeigen. Das scheint mir jedenfalls evident.

Ich sage das auch deshalb, weil in Bezug auf ganz andere Fragen ganz andere An­kündigungen gemacht wurden. Es wird immer so getan, als ob die Dinge miteinander nichts zu tun hätten. Sie stellen sich hin und sagen: Sicherungsreform für die Pensio­nen und Sicherheit im militärischen Bereich. Alles hat nebeneinander wunderbar Platz. – Es ist schon legitim, bei diesem Beschaffungsvolumen darauf hinzuweisen, dass die Dinge etwas miteinander zu tun haben. (Ruf bei der ÖVP: Eine Alternative!) Wenn Sie den Bundesbeitrag aus dem Budget in einem Ausmaß herunterfahren wol­len, wie Sie das vorhaben, dann müssen Sie sich das vorrechnen lassen.

Es ist ein bisschen unseriös, wenn Sie im Wahlkampf nichts zu den Pensionen sagen, die anderen aber im Nachhinein dafür prügeln wollen, wenn sie Sie darauf hinweisen, gleichzeitig aber das, was Sie gesagt haben, nämlich zur Finanzierung der Abfangjä­ger, jetzt überhaupt nicht eintritt.

Es tritt von dem, was Sie gesagt haben, das Gegenteil ein, und zu dem, wozu Sie nichts gesagt haben, sollten Sie auch weiterhin schweigen – das wäre klüger. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den Punkt 1 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen An­frage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanz­ler betreffend gebrochene Versprechen und fehlende Harmonisierung bei den PolitikerInnenpensionen (473/J)

 



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Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schrift­lichen Anfrage 473/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Harmonisierung der Pensionssysteme ha­ben Mitglieder der Bundesregierung sowie führende Funktionäre der Regierungspar­teien immer wieder davon gesprochen, dass die im Bereich der Sozialversicherungs­pensionen geplanten Harmonisierungsschritte auch bei den Politikerpensionen, also den Ruhe- und Versorgungsbezügen nach dem Bezügegesetz, umgesetzt würden.

Gebrochene Versprechen

So haben Sie, Herr Bundeskanzler, am 8. April 2003 erklärt, dass „die Politiker bei den Pensionen genau die gleichen Reformen zu tragen haben, die wir für eine umfassende Pensionssicherung beschließen werden“ (APA 0181).

Am 8. Mai 2003 erklärten Sie gemeinsam mit dem Vizekanzler: „Auch bei den Politi­kerpensionen werden dieselben Maßnahmen gesetzt wie bei allen anderen“ (APA 0162).

Am 15. Mai 2003 erklärten Sie in Ihrer Rede zur Lage der Nation, dass es „keinerlei Ausnahmen bei Politikerpensionen“ geben werde (OTS 0242):

Und auch gestern, am 3. Juni 2003, erklärten Sie noch: „Wir machen eins zu eins die Harmonisierung bei den Politikerpensionen und zusätzlich noch ein spürbares Solidar­opfer“ (ZIB 2).

Auch die MinisterInnen Bartenstein, Rauch-Kallat und Grasser „sprachen sich für eine Angleichung der Politikerpensionen an die ASVG-Bestimmungen aus“ (APA 0189, 8. April 2003).

ÖVP-Generalsekretär Lopatka erklärte noch am 10. Mai 2003, dass „der Abbau von Politikerprivilegien im Pensionssystem bereits auf parlamentarischer wie auch auf Re­gierungsebene festgelegt worden sei und damit außer Streit stehe (...) Alle derzeitigen Schritte im ASVG-Bereich sind selbstverständlich auch für die Versicherten in anderen Systemen deckungsgleich vorgesehen“ (OTS 031).

Diese Erklärung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem der als „Trägerrakete“ bekannt gewordene Initiativantrag Molterer/Scheibner bereits im Parlament eingebracht worden war.

Der Initiativantrag der Regierungsparteien enthielt allerdings nicht die „deckungsglei­che“ Umsetzung der strukturellen Maßnahmen aus den Sozialversicherungspensionen (Abschaffung der Frühpension, Senkung des Steigerungsbetrags, Erweiterung des Durch­rechnungszeitraums usw.), sondern im Gegenteil die Einführung einer Frühpen­sion für PolitikerInnen und die Beibehaltung des Pensionsantrittsalters 56,5 Jahre für Regierungsmitglieder!

Obwohl mittlerweile die „Trägerrakete“ die Frühpensionsstufe abgeworfen hat und seit der gestrigen Einigung zwischen den Regierungsparteien eine Erhöhung des besonde­ren Pensionssicherungsbeitrages vereinbart scheint, fehlen noch immer die strukturel­len Maßnahmen zur Harmonisierung, die von Ihnen und anderen Regierungsmitglie­dern beziehungsweise führenden VertreterInnen der Koalitionsparteien versprochen wurden.


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Fehlende Harmonisierung

Während im ASVG 15 Beitragsjahre Voraussetzung für einen Pensionsanspruch sind, reichen im Bezügegesetz schon 4 Jahre als Regierungsmitglied, um einen üppigen Anspruch auf Politikerpension (50 Prozent des Bezugs) zu begründen.

Während im ASVG nach den Vorstellungen der Bundesregierung in Zukunft mit 45 Beitragsjahren bei einem Steigerungsbetrag von 1,78 Prozent die maximale Pensi­on von 80 Prozent der Bemessungsgrundlage erreicht würde, gibt es im Bezügegesetz für Abgeordnete nach 20 Jahren die maximale Pension von 80 Prozent der Bemes­sungsgrundlage und für Regierungsmitglieder sogar schon nach 9 Jahren die maxima­le Pension in der Höhe von 80 Prozent des Bezugs.

Während im ASVG (GSVG / BSVG) mehr als 200 000 Personen nur eine Ausgleichs­zulage in der Höhe von knapp € 650,– erhalten und mehr als 50 Prozent der Pensionis­tInnen nur eine Pension unter brutto € 1000,– monatlich, gibt es im Bezügegesetz eine üppige Mindestpension in der Höhe von 48 Prozent des Bezugs für Abgeordnete be­ziehungsweise 50 Prozent des Bezugs für Regierungsmitglieder.

Während im ASVG zukünftig 40 Jahre Durchrechnungszeitraum die Bemessungs­grundlage bilden sollen, gibt es im Bezügegesetz weder für Abgeordnete noch für Re­gierungsmitglieder einen Durchrechnungszeitraum.

Während im ASVG die Höchstpension rund brutto € 2 300,– erreichen kann, sind die Höchstpensionen aus dem Bezügegesetz derzeit mit rund € 12 800,– limitiert.

Während für die meisten im ASVG (GSVG / BSVG) Versicherten ihre Sozialversiche­rungspension die einzige Altersversorgung darstellt, ist für faktisch alle Personen, die einen Anspruch auf Politikerpension erworben haben, diese Pension eine Zusatzpen­sion.

Während die im ASVG Versicherten schon jahrelang einen Beitrag von 22,8 Prozent des Bruttobezugs leisten, betrug der Pensionsbeitrag für Abgeordnete bis 1996 13 Pro­zent und für Regierungsmitglieder 16 Prozent (jetzt 22,79 Prozent bezie­hungsweise 25,79 Prozent).

Während im ASVG die Versicherten rund 80 Prozent ihrer Pensionen über Beiträge finanzieren, verhält es bei den Politikerpensionen nach dem Bezügegesetz genau um­gekehrt. Abgeordnete, die 20 Jahre Beiträge bezahlt haben (und dadurch die Höchst­pension erreichen), erhalten ein Vielfaches ihrer Beitragsleistungen als Pension: bei einem Pensionsbeitrag von 20 Prozent (tatsächlich war er bis vor kurzem weit niedri­ger) wurden in 20 Jahren rund 5 Millionen ATS (€ 363 000,–) einbezahlt. Bei 20 ange­nommenen Pensionsjahren steht demgegenüber eine Gesamtpensionssumme von rund 18 Millionen ATS (€ 1,3 Millionen). Diese Gesamtpensionssumme kann noch er­heblich größer werden, wenn in den 20 Jahren Beitragsleistung auch Jahre als Regie­rungsmitglied enthalten sind. Dann entsteht daraus ein Doppelpensionsanspruch, der nur durch die Deckelungsgrenze des Bezügebegrenzungsgesetzes limitiert ist.

Nach den Vorstellungen der Bundesregierung beziehungsweise Regierungsparteien sollen offensichtlich auch in zukünftigen Jahren noch Personen, die unter die Stich­tagsregelung des Bezügegesetzes fallen, mit Ruhebezügen, ja sogar Doppelpensionen aus ein und derselben Beitragsleistung und zusätzlichen einmaligen Entschädigungen (Politikerabfertigungen) in Pension gehen können. Obwohl das Bezügegesetz von 1972 im Jahr 1997 durch das transparente Bundesbezügegesetz in den meisten Be­stimmungen ersetzt wurde, wurde es durch die Übergangsbestimmungen von 1997 und später 2000 im Bereich der Pensions- und Abfertigungsregelungen künstlich am Leben gehalten und soll nunmehr durch weitere Übergangsbestimmungen neuerlich so angepasst werden, dass auch die letzten (jüngsten) Abgeordneten beziehungsweise


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Regierungsmitglieder, denen 1997 durch eine bemerkenswerte Stichtagsregelung ein Anspruch auf Politikerpension zugeteilt wurde, in zukünftigen Jahrzehnten noch ihre Ruhegenüsse nach dem Bezügegesetz konsumieren können.

Dies steht in bemerkenswertem Widerspruch zu Ihren Versprechen beziehungsweise denen anderer Regierungsmitglieder.

Darüber hinaus gibt es offensichtlich keine Anstrengungen, die Harmonisierung auch auf die Bezügeregelungen der Länder auszuweiten.

Auch Personen, die schon vor dem Inkrafttreten des Bezügebegrenzungsgeset­zes 1997 Ruhegenüsse beziehungsweise andere öffentliche Pensionsleistungen bean­sprucht haben, die weit über der Deckelungsgrenze liegen, sollen offensichtlich weiter­hin geschont werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler folgende

Dringliche Anfrage:

1. Wie viele Personen beziehen derzeit Ruhebezüge/Versorgungsbezüge nach dem Bezügegesetz des Bundes?

2. Wie viele Personen beziehen derzeit Ruhebezüge/Versorgungsbezüge nach den (alten) Bezügegesetzen der Länder?

3. Wie viele Personen fallen auf grund der Stichtagsregelung (§ 49e BezG) des Bezü­gegesetzes in das alte System der „Politikerpensionen“ und können daraus noch einen Anspruch erwerben?

4. In der parlamentarischen Debatte über die Neugestaltung der Politikerbezüge 1997 wurde der Aufwand für Politikerpensionen und bezüge relativ oberflächlich mit 1,2 Mil­liarden Schilling beziffert.

a) Wie hoch war der Aufwand für Ruhebezüge/Versorgungsbezüge nach dem Bezüge­gesetz des Bundes in den Jahren 1997 – 2002?

b) Wie hoch ist er voraussichtlich 2003?

c) Wie hoch war der Aufwand für Ruhebezüge /Versorgungsbezüge nach den bezüge­rechtlichen Regelungen der Länder 1997 – 2002 beziehungsweise wie hoch ist er vor­aussichtlich 2003?

5. Wie hoch waren die Einnahmen aus den Pensionsbeiträgen (§ 12 BezG) in den Jah­ren 1997 – 2002 beziehungsweise wie hoch sind sie veranschlagt für 2003?

6. Wie hoch waren die Einnahmen aus dem besonderen Pensionssicherungsbeitrag (§ 44n BezG) in den Jahren 1997 – 2002 beziehungsweise wie hoch sind sie veran­schlagt für 2003?

7. Verschiedene Mitglieder der Bundesregierung, zuvorderst Sie, haben in der laufen­den Debatte über die Reform der Pensionssysteme davon gesprochen, dass die Maß­nahmen, die im ASVG ergriffen werden, auch bei den Politikerpensionen beziehungs­weise im Bezügegesetz „deckungsgleich“ umgesetzt würden. BM Bartenstein hat in einem Interview als strukturelle Reformmaßnahmen bezeichnet:

die Abschaffung der Frühpensionen

die Absenkung der Steigerungsbeträge auf 1,78 Prozent und damit

eine Ersatzrate von 80 Prozent für die Pensionen nach 45 Jahren

die Anhebung der Durchrechnungszeiträume auf 40 Jahre.


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Welche dieser Maßnahmen werden bei der geplanten Novellierung des Bezügegeset­zes umgesetzt?

8. Das Bezügegesetz enthält auch Bestimmungen über die Mindestpension (bei Abge­ordneten 48 Prozent des Bezugs, bei Ministern 50 Prozent des Bezugs). Das ASVG beziehungsweise die anderen Sozialversicherungspensionsgesetze enthalten keine Bestimmungen über eine Mindestpension.

Plant die Bundesregierung daher die Abschaffung der Mindestpension nach dem Be­zügegesetz?

9. Das Bezügegesetz enthält für Abgeordnete Bestimmungen, wonach nach 10 Jahren Tätigkeit ein Anspruch auf Ruhebezug in der Höhe von 60 Prozent der Bemessungs­grundlage erworben wird. Das bedeutet einen Steigerungsbetrag von jeweils 6 Prozent für die ersten 10 Jahre.

Plant die Bundesregierung, diesen Steigerungsbetrag durchgängig auf 1,78 Prozent abzusenken?

10. Das Bezügegesetz enthält Bestimmungen, wonach Minister nach 4 Jahren Tätig­keit einen Anspruch auf Ruhebezug in der Höhe von 50 Prozent des Aktivbezugs er­werben. Das bedeutet einen impliziten Steigerungsbetrag von 12,5 Prozent pro Jahr.

Plant die Bundesregierung, auch diesen Steigerungsbetrag auf 1,78 Prozent abzusen­ken?

11. Das Bezügegesetz des Bundes enthält auch Bestimmungen, wonach die Zeiten als Abgeordnete/r im Verhältnis 1 : 3 den Zeiten als Regierungsmitglied bei der Bemes­sung des Ruhebezugs als Regierungsmitglied zugerechnet werden, ohne dass da­durch der Anspruch auf den Ruhebezug als Abgeordnete/r eingeschränkt würde. Es ist also im Bezügegesetz möglich, aus ein- und demselben Pensionsbeitrag zwei Pensio­nen zu beanspruchen.

a) Wie viele Personen haben seit 1990 von dieser Möglichkeit auf Doppelpension nach den Bestimmungen des Bezügegesetzes Gebrauch gemacht (bitte nach einzelnen Jahren aufschlüsseln)?

b) Planen Bundesregierung und Koalitionsparteien, diesen Anspruch auf Doppelpensi­onen abzuschaffen?

12. Nach den Bestimmungen des Bezügebegrenzungsgesetzes 1997 (§ 11) konnten bis zum Inkrafttreten des Gesetzes Ruhebezüge ohne die Deckelung und Einschrän­kung des Gesetzes beansprucht werden.

a) Wie viele Personen erhielten 2002 Ruhe- beziehungsweise Versorgungsbezüge von Rechtsträgern, die zwar der Kontrolle des Rechnungshofes, deren Ruhe- und Versor­gungsbezüge aber nicht der Deckelung beziehungsweise Einschränkung der Bezüge nach dem Bezügebegrenzungsgesetz unterliegen?

b) Gab es im Jahr 2002 Ruhe- und Versorgungsbezüge für öffentliche Funktionäre, die über dem Betrag der Deckelungsgrenze von rund € 12 800,– brutto monatlich liegen. Wenn ja, wie viele Personen erhielten derartig hohe Ruhe- beziehungsweise Versor­gungsbezüge?

13. Gibt es Personen, die auf Ruhe- beziehungsweise Versorgungsbezüge nach dem Bezügegesetz in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für ihre Altersversorgung angewiesen sind? Wenn ja, wie viele?


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14. BM Grasser hat Anfang Mai gegenüber der Zeitschrift „Format“ gemeint:

„Aus heutiger Sicht hätten wir die neuen Regeln für die Politikerpensionen mehr in die Auslage stellen sollen“ (zit. nach APA 205/8. 5. 03).

Welche neuen Regeln für Politikerpensionen hat die Bundesregierung erarbeitet bezie­hungsweise beschlossen, die sie nicht in die Auslage gestellt hat?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG dring­lich zu behandeln.

*****

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Karl Öllinger als ers­tem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


15.00

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, inzwischen ist die Änderung des Bezügegesetzes tatsächlich eingetroffen. (Abg. Dr. Trinkl: Ja, bravo!) Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, was Sie uns versprochen haben, über Wochen und Monate hinweg und schon von Beginn der Pensionsdebatte an, nämlich eine Harmonisierung mit dem ASVG, ist das sicherlich nicht!

Herr Bundeskanzler, ich erinnere Sie daran, dass Sie – und ich bin eigentlich über­rascht, wie oft Sie sich zum Thema Politikerpensionen geäußert haben –, über den Zeitraum dieser zweieinhalb Monate verteilt, mehrfach gesagt haben: Was kommen wird, ist die Eins-zu-eins-Umsetzung, die Harmonisierung von ASVG und Politikerpen­sionen. Ihr Generalsekretär, Herr Lopatka, hat gesagt: Das wird deckungsgleich erfol­gen; das, was wir im ASVG machen, wird auch bei den Politikerpensionen deckungs­gleich gemacht werden. Ihr Wirtschaftsminister, Herr Bartenstein, hat gesagt: Es wird die Eins-zu-eins-Umsetzung jener Maßnahmen, die im ASVG erfolgen, auf das Politi­ker-Pensionssystem erfolgen. Frau Ministerin Rauch-Kallat: detto, die gleiche Aussage. Herr Vizekanzler Haupt – in diesem Fall von der FPÖ –, gleiche Aussage: Es ist inner­halb kurzer Zeit, innerhalb weniger Monate Schluss mit dem Politikersystem, hat er uns angekündigt.

Aber was haben jetzt? – Eine Reform des Bezügegesetzes, die vorsieht, dass ab dem Jahr 2017 diejenigen, die dann noch in Pension gehen können, unter den alten Bedin­gungen des Bezügegesetzes in Pension gehen können. (Abg. Scheibner: Parallel zum ASVG!) Herr Abgeordneter Scheibner, das ist genau das Gegenteil von dem, was auch Sie am Beginn der Bezügedebatte gesagt haben! (Abg. Scheibner: Parallel zum ASVG!) Die Freiheitlichen sind wieder einmal umgefallen in der Frage einer Komplett­reform des Politikerbezügegesetzes! (Beifall bei den Grünen.)

Komplett umgefallen sind Sie, Herr Abgeordneter Scheibner. (Abg. Scheibner: Wir haben uns durchgesetzt!) Komplett – es bleibt nichts übrig! Was Sie uns vorlegen, das ist interessant. Wenn man Ihr Bild von der Trägerrakete strapa­ziert – und Sie haben ja behauptet, eine Trägerrakete ist mit diesem berühmten Antrag, den Sie nicht gekannt haben, gestartet worden –, kann man nur sagen: Die Träger­rakete hat vielleicht etwas Ballast abgeworfen, ja, Ballast in der Form, dass die unmög­lichsten Bestimmungen, die damals noch enthalten waren, nämlich ein gut ausgestatte­tes Frühpensionsinstitut für Altpolitiker, nicht mehr enthalten ist. Das ist das einzig Gravierende, das weggefallen ist. Die Möglichkeit für Minister, mit 56,5 Jahren in Pension zu gehen, die im Erstent-


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wurf noch enthalten war – den Sie ja unterschrieben, aber nicht gelesen haben –, ist nicht mehr enthalten. (Abg. Scheibner: Haben wir schon gelesen!) Jetzt wird bis zum Jahr 2017 angepasst an ein Pensionsal­ter von 65 Jahren. (Abg. Scheibner: Wie im ASVG! Mit denselben Abschlägen!)

Aber, Herr Abgeordneter Scheibner, Sie und ich, viele herinnen und auch viele drau­ßen wissen, dass das Pensionsalter, das jetzt bis zum Jahr 2014 auf 65 Jahre ange­passt wird, den Herrn Bundeskanzler Schüssel in dieser Form nicht tangieren wird. Er kann, wenn er seine Minister-, seine Bundeskanzler-Tätigkeit beendet und sie sozusa­gen einigermaßen zu den Fristen beendet, aus seiner aktiven Tätigkeit in die Pension gehen. (Abg. Scheibner: Aber nur mit Abschlägen! Mit den Abschlägen und zu dem Pensionsalter!) Auch viele der anderen davon angesprochenen Personen können dann selbstverständlich in eine nach wie vor extrem gut ausgestattete Politikerpension ge­hen. (Abg. Scheibner: Aber die können Sie ja nicht abschaffen! Das wissen Sie! Das kann man nicht einmal mehr mit einer Verfassungsbestimmung abschaffen!)

Herr Abgeordneter Scheibner, da sage ich Ihnen etwas: Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass vor drei oder vier Wochen ein Alt-Abgeordneter – er war auch Minister – in einer Diskussionsreihe im Fernsehen, angesprochen von meiner Kollegin Eva Gla­wischnig mit der Frage „Na, wie viele Pensionen oder Ruhebezüge haben Sie denn?“, einen Zettel herzeigte und dazusagte: Ich behalte als Minister 1 700 €, so schlecht geht es mir! (Abg. Scheibner: Ja, das ist ein Blödsinn!)

Sie wissen, Herr Abgeordneter Scheibner, genauso gut wie viele andere auch, dass der gute Mann den größten Teil der Wahrheit und seines tatsächlichen Ruhebezugs – und das sind drei Ruhebezüge! – verschwiegen hat. (Abg. Scheibner: Aber das ist leider nicht mehr lösbar!) Jeder in Österreich wird sich fragen: Wie kommt jemand eigentlich dazu, uns zu erzählen, er erhält als Politiker einen Ruhebezug von 1 700 € für eine verantwortungsvolle Tätigkeit, auf die er in der Debatte noch extra hingewiesen hat? (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Man kann es ruhig sagen: Es hat nicht der Wahrheit entsprochen. (Abg. Scheibner: Ja!) Der gute Mann – und Pensionist – erhält einen Ruhebezug als Beamter; er war, glaube ich, Hofrat, es wird also nicht der kleinste Ruhebezug sein, mit dem er in Pensi­on gegangen ist. Er erhält eine Pension als Präsident des Nationalrates; da gibt es eine schöne Nationalratspräsidentenzulage, die die normale Nationalratspension er­höht. Das heißt, er kommt mit der Nationalratspräsidentenpension in Höhen von Ruhe­bezügen, von denen ein ASVG-Versicherter oder eine ASVG-Versicherte nur träumen kann: 10 000, 11 000 €!

Aber für welche Zeit? – Nicht für 45 Jahre Arbeit als Nationalratspräsident oder Abge­ordneter, sondern insgesamt für eine politisch aktive Zeit von 20 bis 25 Jahren. (Abg. Dr. Trinkl: 45 Jahre? Wie schauen Sie da aus? Haben Sie schon einmal nach 45 Jahren als Politiker ...!) Das macht aber nicht das einzige Ruhebezugseinkommen dieser Person aus, sondern ist nur eines von drei. Das zweite ist dann die Ministerpen­sion, die gedeckelt ist nach einer speziellen Vorschrift des alten Bezügegesetzes, und das dritte, vom Bezügebegrenzungsgesetz nicht erfasste Pensionseinkommen ist die Beamtenpension.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde Sie bitten: Schauen Sie sich an, was der Herr im Fernsehen gesagt hat! Er hat gesagt: Diese Pension als Beamter, die steht mir auch zu, weil ich mein Leben lang dafür gearbeitet habe. – Nur wird dabei allzu leicht vergessen – und das hängt mit den Spezifika des alten Systems zusam­men –, dass diese Person über Jahre, man könnte sogar sagen, Jahrzehnte ihrer poli­tischen Tätigkeit zwar ein Beamtengehalt erhalten und auch den Pensionsversiche­rungsbeitrag bezahlt hat, aber nicht als Beamter gearbeitet hat, weil sie politisch aktiv


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war und weil die Möglichkeit, dass man neben der politischen Tätigkeit auch ein ar­beitsloses Einkommen als Beamter erhalten kann, ja erst 1996 gestrichen wurde.

Das heißt, es sagt jemand öffentlich: Ich habe mein Leben lang als Beamter gearbei­tet, da steht mir die Pension zu; ich war auch Minister, da steht mir auch eine Pension zu; ich war auch Nationalratspräsident, da steht mir auch eine Pension zu – insgesamt macht das dann lichte Pensionshöhen von zirka 20 000 € aus –, und: Das steht mir alles zu! Aber niemand in der ganzen politischen Klasse und in der ganzen politischen De­batte kann auch nur darauf hinweisen, dass, weil diese Bestimmungen kaum be­kannt sind, die Jahrzehnte als Beamter, in denen er zwar ein Einkommen kassiert hat, aber gleichzeitig Politiker war und auch als Politiker ein Einkommen kassiert hat, dazu ge­führt haben, dass sich derjenige dann hinstellen und sagen kann: Ich habe dafür gearbeitet!

Arbeiten kann man in der Regel nur einmal. Es gibt Spezialisten – es sitzen ja noch einige im Parlament –, die schaffen es, hier als Pensionisten zu sitzen und gleichzeitig als Politiker einen Aktivbezug zu kassieren. Sie sitzen hier als pensionierte Politiker und auch als aktive Politiker. Das ist eine Spezialität auch dieses Bezügegesetzes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man eine Reform macht, wie Sie das jetzt tun, wenn man mit dem Anspruch an diese Reform herangeht, wir harmoni­sieren in allen Bereichen, es gibt keinen Bereich, der davon ausgenommen werden darf – und das haben Sie erklärt, Herr Bundeskanzler –, wir machen eins zu eins die Harmonisie­rung bei den Politikerpensionen – erst gestern wieder –, und wenn dann diese Eins-zu-eins-Harmonisierung in der Weise erfolgt, dass nur ganz wenige Schritte überhaupt erfolgen, nämlich die Abschaffung von Doppelpensionen aus einem Beitrag, die es nirgendwo sonst auf der Welt und in keinem anderen Pensionssystem gibt, dann ist das zu wenig. (Abg. Scheibner: Die Politiker sind schon harmonisiert!)

Es war bis jetzt so, dass jemand für eine Zeit, in der er als Abgeordneter plus als Minis­ter sagen wir innerhalb von 20 Jahren tätig war, also für 20 Jahre Politikertätigkeit – sagen wir 16 Jahre davon als Abgeordneter und vier Jahre als Minister – eine Minister­pension erhält, die nicht die vier Jahre umfasst, sondern die vier Jahre plus die 16 Ab­geordnetenjahre im Verhältnis eins zu drei. Das würde eigentlich für rund acht bis neun Jahre eine Ministerpension ergeben. Trotzdem konnte man – und das war bis jetzt Realität – für die 16 Abgeordnetenjahre auch noch eine Pension kassieren, ob­wohl man nur einen Beitrag bezahlt hat, nämlich für 20 Jahre. (Abg. Scheibner: Wird abge­schafft!)

Diese eine Maßnahme schaffen Sie ab. Das ist aber auch eine Ungeheuerlichkeit des bisherigen Bezügesystems gewesen. Eine Ungeheuerlichkeit! Und dass Sie sie ab­schaffen, Herr Abgeordneter Scheibner, das tut ja nicht wirklich weh – und das wissen Sie auch –, weil die meisten der jetzt noch davon betroffenen Personen, etwa der Herr Bun­deskanzler, seine tatsächlich etlichen Abgeordnetenjahre gar nicht mehr braucht, um die Höchstpension nach dem Bezügebegrenzungsgesetz zu erhalten, die in der Höhe von 12 800 € liegt. (Abg. Scheibner: Sollen wir es lassen? – Abg. Dr. Trinkl: Sollen wir es lassen?) Das braucht er nicht mehr!

Der Punkt ist aber der: Sie haben uns etwas versprochen. Sie haben uns versprochen, es gibt eine Eins-zu-eins-Harmonisierung des Bezügegesetzes mit dem ASVG. Sie wissen, Herr Bundeskanzler, im ASVG gibt es einen Steigerungsbetrag von 1,78 Pro­zent pro Jahr, und damit man eine Höchstpension in der Höhe von 80 Prozent erhält, muss man 45 Jahre lang arbeiten. Gemäß Bezügegesetz muss man neun Jahre als Minister arbeiten, um 80 Prozent nicht der Bemessungsgrundlage wie im ASVG, son­dern 80 Prozent des Bezugs zu erhalten: neun Jahre gegen 45 Jahre! (Abg. Scheib­ner: Das System gibt es nicht mehr, nicht für neue Politiker!) Die Differenz liegt ja auch


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im Einkommen, das erzielt werden kann. Für neun Jahre erhalte ich ein Ein­kommen aus politischer Tätigkeit in Höhe von 10 000 oder 12 000 € – in der Regel die Decke­lungsgrenze, 12 800 € –, wenn ich 45 Jahre als Arbeiter, Angestellter oder klei­ner Gewerbetreibender gearbeitet habe, dann erhalte ich maximal 2 300 €. 45 Jahre Arbeit mit 1,78 Prozent versus neun Jahre mit 12 800 €: Das ist Ihre Harmonisierung! (Abg. Scheibner: Das gibt es alles nicht mehr!) Das ist ja lächerlich, Herr Abgeordne­ter Scheibner! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Seit 1997 gibt es das nicht mehr!)

Im ASVG gibt es einen Durchrechnungszeitraum, der jetzt von den besten 15 Jahren auf 40 Jahre ausgeweitet wird. Laut Bezügegesetz gilt: Es gibt keinen Durchrech­nungszeitraum, sondern der Letztbezug, auch noch bemessen nach den alten Be­stimmungen des Bezügegesetzes, bestimmt die Pension. Und der Letztbezug ist etwas anderes als 15 beste Jahre oder gar 40 Jahre Durchrechnung. Auch das wissen Sie, Herr Abgeordneter Scheibner. (Abg. Scheibner: Sie reden da von der Vergangenheit!)

Wir reden nicht von der Vergangenheit, sondern von Ihrem Versprechen und vom Ver­sprechen des Herrn Bundeskanzlers, dieses Politikerbezügesystem zu harmonisie­ren – zumindest mit dem ASVG. Sie sind sogar darüber hinausgegangen. Sie haben gesagt: Ende, abschaffen, so wie wir das auch gefordert haben. Und wo sind Sie geblieben? (Abg. Scheibner: Solche Ansprüche können nicht mehr erworben werden!) Sie sind stecken geblieben; Sie sind umgefallen, Herr Abgeordneter Scheibner, und die ganze freiheitliche Fraktion, die sich über Jahre und Jahrzehnte immer wieder aufge­regt hat über das Bezügegesetz, das alte Bezügegesetz, ist umgefallen. (Abg. Scheib­ner: Wir haben es auch abgelehnt im Gegensatz zu Ihnen!) Und jetzt wirken Sie daran mit, dass dieses System auf 20, 30, 40 Jahre – bis der letzte Pensionist nach dem Bezügegesetz seine Pensionen konsumiert hat – fortwirkt. Das ist es! (Abg. Dr. Trinkl: Das glauben Sie wohl selber nicht! – Abg. Scheibner: Das wären dann ja 100-jährige Politiker, die wären 40 Jahre lang Abgeordnete!) Sie samt Ihrer ganzen freiheitlichen Fraktion nehmen die Rolle ein, das Bezügegesetz und die Politikerpensi­onen nach dem alten System auf Jahrzehnte fortzuschreiben. Sie schaffen sie nicht ab!

Daher erinnere ich Sie, Herr Abgeordneter Scheibner, schon auch daran, dass Sie 1997 – damals noch mit Ihrem Parteiobmann und Klubobmann Haider – gegen das Bezügegesetz gewettert und auch gegen die Neuordnung des Bezüge­systems, die ja ein wesentlich besseres und transparenteres System, Bundesbezüge­gesetz und Be­zügebegrenzung, beinhaltet, Stellung genommen haben – und auch dagegen gestimmt haben. Damit haben Sie aber eigentlich für das alte System votiert. (Abg. Scheibner: Das ist nicht wahr!) Es wurden ja auch im Nachhinein etliche freiheitliche Abgeordnete dabei erwischt, dass sie entweder für das alte System optiert oder ganz schöne An­sprüche aus dem alten System für sich geltend gemacht haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie können natürlich sagen – auch Sie, Herr Bundeskanzler –: Was regen wir uns darüber auf, das betrifft doch nur 100, 200, 300 oder wie viele Personen auch immer, die in Zukunft noch in Pension gehen. (Ruf bei den Grünen: Zu viel!) Das ist richtig: Es sind nicht viele, die noch in den Genuss des alten Bezügegesetzes kommen. Insofern könnte man sagen, schwei­gen wir nobel und betreiben wir das weiter, was in den letzten Jahrzehnten üblich war: Man hat ein Ge­setz, das Bezügegesetz, das nicht lesbar ist, das fast niemand versteht, weil es darin von Ausnahmebestimmungen, Übergangsbestimmungen, Querverweisen nur so wim­melt, weil niemand etwas damit anfangen kann und weil vor allem niemand in der Öf­fentlichkeit verstehen würde, dass tatsächlich noch Bezügeregelungen existieren, die wenigen Personen für 20 oder 25 Jahre Tätigkeit Luxuspensionen garantieren, wäh­rend dieselben Personen, die diese Luxuspensionen kassieren dürfen, sich dann hier an dieses Rednerpult stellen und sagen: Den Luxus, den es im ASVG gibt, im GSVG,


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im BSVG oder in anderen Pensionssystemen, den können wir uns nicht mehr leisten. Und das ist die Verantwortung des Abgeordneten Fasslabend und des Abgeordneten Stummvoll! (Beifall bei den Grünen.)

Sie, meine sehr geehrten Herren Fasslabend und Stummvoll, Sie waren in den ver­gangenen Jahren auch diejenigen, die ganz bewusst die angeblichen Privilegien im ASVG, bei den Eisenbahnern oder bei sonstigen Pensionssystemen zum Gegenstand Ihrer politischen Debatte gemacht haben, dabei aber immer darauf vergessen haben, dass Sie selbst im Rahmen eines Bezügegesetzes zu Bezügen kommen, die Ihnen einen wesentlich größeren Luxus und ein wesentlich größeres Privileg, was die Alters­versorgung betrifft, garantieren.

Der springende Punkt beim ganzen Bezügegesetz ist ja auch der: Niemand von denen, die noch eine Pension nach diesen alten Regelungen konsumieren können – jetzt schon als Ruhebezügler oder in Zukunft als Ruhebezügler –, ist ausschließlich auf die Pension nach dem Bezügegesetz angewiesen. Selbstverständlich hat jede dieser Per­sonen auch noch entweder eine Beamten-, eine ASVG- oder eine sonstige Pension. Für die 2 Millionen Menschen, denen Sie eine Pensionsreform zumuten, bildet aber die ASVG-Pension, die Beamtenpension, die Eisenbahnerpension die einzige Pension, und sie haben nicht die Möglichkeit, nebenbei noch eine Luxus­pension nach dem Be­zügegesetz zu erhalten. Sie haben auch nicht die Möglichkeit – und sie würden sie, hätten sie diese, wahr­scheinlich auch nicht beanspruchen –, sich hier herzustellen und zu sagen: Mit diesen Luxuspensionen im ASVG, bei den Eisenbahnern und bei den Beamten muss Schluss gemacht werden!

Das nenne ich die Chuzpe in dieser Situation: dass wir hier über etwas diskutieren müssen, was eigentlich selbstverständlich ist, wenn man eine derartige Reform macht; dass man sich, wenn man schon sagt, wir schaffen ein einheitliches Pensionssys­tem, wenn man schon sagt, wir werden die Harmonisierung zwischen den Politi­kerpen­sionen und den ASVG-Pensionen eins zu eins umsetzen, dann herstellt und im letzten Moment – und es war der letzte Moment, Herr Abgeordneter Scheibner – einen Entwurf präsentiert, der in keiner Weise eine Eins-zu-eins-Umsetzung der ASVG-Bestimmungen enthält, sondern nur einige harmlose Punkte, die fast niemandem weh­tun (Abg. Scheibner: Das glauben Sie selbst nicht!), mit Ausnahme einer geringfügi­gen Erhöhung der Pensionsabschläge. Das ist das Einzige!

Ich sage Ihnen eines: Wenn jemand 20 000 € oder 30 000 € Pension erhält – und die­se Pensionen nach dem Bezügegesetz gibt es noch! –, dann ist es unverantwortlich, wenn er nur 15 Prozent Abschlag zahlt! Da würde ich mir wünschen, dass Sie auch in dieser Frage etwas konsequenter gewesen wären (Ruf bei der ÖVP: Blödsinn! – Abg. Ellmauer: Bleiben Sie bei der Wahrheit!) und hier entweder die Harmonisierung kom­plett umgesetzt hätten oder das Bezügegesetz, so wie wir es gefordert haben, ein für alle Mal durch den Ausstieg und die Überführung in das ASVG beendet hätten. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Krainer. – Abg. Scheibner: Das geht halt nicht!)

15.21

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage darf ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteilen. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


15.22

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Herr Abgeordneter Öllin­ger! Nichts ist älter als eine Dringliche Anfrage, die offensichtlich durch die Entwicklung völlig überholt ist – das haben Sie ja selbst zugegeben.


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Wir haben die Anträge als Initiativanträge – nicht als Regierungsvorlage – vorbereitet und den vier Parlamentsparteien vorgelegt. Daher erübrigen sich auch einige Ihrer An­fragen, denn nicht die Bundesregierung schlägt in dieser Frage etwas vor, sondern – so wie es auch bisher guter Brauch gewesen ist – die Parlamentarier regeln selbst ihre Bezüge und treffen die Pensionsregelungen. Und sie haben dies in einer Art und Wei­se zu tun, die der Sensibilität dieses Themas absolut entspricht.

Daher: Vergessen Sie gleich einmal die Überschrift dieser Dringlichen Anfrage! Von gebrochenen Versprechen kann überhaupt nicht die Rede sein. Wir haben als Politiker versprochen, wir werden das Pensionsantrittsalter genauso erhöhen wie bei allen an­deren Systemen. – Was tun wir? – Wir machen sogar mehr! Für diejenigen, die in der alten Reform mit 56,5 Jahren in Pension gehen konnten, werden 8,5 Jahre zugelegt; für die anderen, die sich in der Zwischenstufe befinden, wird um 3,5 Jahre erhöht. Und für die, die 1997 erst eingetreten sind, gibt es – das müssten Sie eigentlich wissen – überhaupt keine Politikerpension mehr.

Übrigens glaube ich, Herr Abgeordneter, dass es ganz gut gewesen wäre – da ja auch auf der Galerie einige Zuhörer anwesend sind, die sich vielleicht nicht so sehr im Detail auskennen –, wenn Sie hinzugefügt hätten, dass Sie all dem, was Sie hier mit wortrei­chem Pathos kritisieren, selbst zugestimmt haben! Im Jahr 1997 sind genau diese Din­ge, die Sie jetzt als Skandal und als ungeheuerlich bezeichnet haben, mit Ihrer Zu­stimmung (Abg. Scheibner: He? So was! Da muss man wirklich aufpassen!) – natür­lich mit Ihrer Zustimmung in dritter Lesung – beschlossen worden. (Abg. Dr. Trinkl: Verfassungsrechtlich abgesichert! – Abg. Scheibner: Die dritte Lesung gilt!)

Mit Ausnahme der Freiheitlichen Partei haben damals alle zugestimmt: Es haben die Sozialdemokraten zugestimmt, die Volkspartei hat zugestimmt, die damals noch im Parlament befindlichen Liberalen haben zugestimmt, und die Grünen – ich glaube, da­mals noch unter der Führung der Frau Klubobmann Madeleine Petrovic – haben dieser gemeinsamen Neuregelung zugestimmt. (Abg. Öllinger: Neuregelung! – Weitere Zwi­schenrufe bei den Grünen.)

Daher glaube ich, man sollte schon auch den Mut haben, zu den Beschlüssen, die man im Jahr 1997 gemeinsam getroffen hat, zu stehen. Was wir hier machen beziehungs­weise was die Parlamentsfraktionen von ÖVP und FPÖ heute vorgelegt haben, ist ein sehr vernünftiger, notwendiger Schritt in die gleiche Richtung wie bei allen anderen Systemen, nämlich: Anheben des Pensionsalters auf 65 Jahre; die gleichen Abschläge von 4,2 Prozent, wenn dieses gesetzliche Pensionsantrittsalter noch nicht erreicht ist; jene Situation, die auch Sie gefordert haben, nämlich dass es keine Doppelberechnun­gen geben kann – was diesen Skandal betrifft, da hat es nicht Ihres Weckrufes bedurft, sondern das ist von Herbert Scheibner und Willi Molterer bereits geklärt worden –; kei­ne Doppelanrechnung für Abgeordneten- und Ministerjahre. Es wurde ein spürbares Solidaropfer von uns angekündigt, und wir haben uns nach längeren Gesprächen auf 8 Prozent unterhalb der ASVG-Höchstgrenze und 15 Prozent kumuliert darüber geei­nigt.

Ich bin persönlich der Meinung, dass man mit dieser Lösung sehr gut auch vor der kri­tischen Öffentlichkeit in Österreich bestehen kann. Wir haben nicht unser Wort gebro­chen, im Gegenteil: Alle Versprechen wurden eins zu eins eingehalten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zur Beantwortung der konkreten Fragen:

Frage 1 beantworte ich mit: 94. – Allerdings sage ich dazu, dass ich nur über jene Per­sönlichkeiten Auskunft geben kann, für die der Vollzug beim Bundeskanzler liegt. Das gilt auch für die Beantwortung aller übrigen Fragen. Ich habe keinen Überblick darüber, was etwa die Abgeordneten betrifft. Diese werden bekanntlich vom Nationalrat selbst


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bewertet und selbst verwaltet. Diesbezüglich müssten Sie Ihre Anfrage an die zustän­digen Stellen des Hohen Hauses richten.

Frage 2 fällt nicht in meine Zuständigkeit. Ich kann hier nur für den Bund sprechen.

Zur Frage 3: zirka 20.

Zur Frage 4a: 1997: 7,4 Millionen €, 1998: 7,7 Millionen €, 1999: 8,2 Millionen €, 2000: 8,8 Millionen €, 2001: 9,2 Millionen €, 2002: 9,2 Millionen €.

Zur Frage 4b: Für 2003 sind 9,5 Millionen € veranschlagt.

Zur Frage 4c: Diese Frage fällt – weil sie den Zuständigkeitsbereich der Länder be­trifft – nicht in meinen Ressortbereich.

Zur Frage 5: Im Jahr 1997 waren es 750 000 €, 1998: 450 000 €, 1999: 305 000 €, 2000: 137 000 €, 2001: 175 000 €, 2002: 180 000 €. – Man muss allerdings dazusa­gen, dass es eine schrumpfende Zahl, eine wesentlich zurückgehende Zahl von Per­sönlichkeiten ist, die in diesem System drinnen sind.

Für 2003 sind rund 220 000 € veranschlagt.

Insgesamt weiß ich – das kann ich mir aus dem Bundesgesetzblatt selbst ausrech­nen –, dass allein die Mitglieder dieses Hohen Hauses, 183 Abgeordnete, in etwa 1,1 Millionen € pro Jahr selbst einzahlen.

Zur Frage 6: 1997: 303 000 €, 1998: 126 000 €, 1999: 118 000 €, 2000: 178 000 €, 2001: 705 000 €, 2002: 702 000 €. Für 2003 sind 756 000 € veranschlagt.

Zu den Fragen 7 bis 11 habe ich Stellung genommen, weil ab 1997 überhaupt keine neu eintretenden Politiker mehr Politikerpensionsansprüche erwerben können.

Über die anderen Fragen habe ich zusammenfassend heute schon im Laufe meiner Erstpräsentation am Vormittag und jetzt bei der Begründung Stellung genommen. (Abg. Öllinger: Das geht nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Zu den Fragen 12a und 12b: Diese Personenkreise sind identisch. Es sind acht Per­sonen.

Frage 13 beantworte ich mit Nein.

Frage 14 ist in der Beantwortung der Fragen 7 bis 11 inkludiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.28

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. In dieser De­batte hat jede Fraktion die gleiche Redezeit. Die Einzelredezeit eines Abgeordneten darf 10 Minuten nicht überschreiten.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Die Uhr ist auf 10 Minuten eingestellt. – Bitte. (Abg. Ellmauer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Pilz –: Na, das kann was werden! ... im alten System! Nutznießer!)

 


15.29

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt im Nationalrat etwas erlebt, was man laut Bundeskanzler als Erstprä­sentation bezeichnen sollte.

Was heißt „Erstpräsentation“ à la Schüssel? – Präzise Fragen gestellt zu bekommen (Rufe bei der ÖVP: Präzise Antworten!), einen ganzen Tag Zeit zu haben, sich auf die­se Fragen vorzubereiten (Abg. Freund: Präzise Antworten!), und dann hier zu erklä­ren: Ich hatte ohnedies schon andernorts eine Erstpräsentation!


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Herr Bundeskanzler! Normalerweise beantwortet man die Fragen dieses Hauses! (Zwischenrufe der Abgeordneten Ellmauer und Großruck.) Normalerweise beantwor­tet man jede einzelne Frage nach bestem Wissen und Gewissen, und normalerweise ist es für ein Regierungsmitglied – und dies gilt erst recht für einen Bundeskanzler – nicht zulässig, zu sagen: Ich habe das ohnehin schon irgendwo gesagt. (Abg. Lentsch: Wer sagt das? – Abg. Ellmauer: Herr Pilz, in welchem System sind Sie?)

Herr Bundeskanzler! Uns als Abgeordnete dieses Hauses interessiert nicht, ob Sie irgendwas schon irgendwo gesagt haben, uns interessiert nur, ob Sie hier und jetzt in der Lage sind, unsere Fragen im Rahmen der Beantwortung der Dringlichen Anfrage zu beantworten – und das haben Sie nicht getan! (Beifall bei den Grünen und bei Ab­ge­ordneten der SPÖ. – Abg. Ellmauer: Herr Pilz, in welchem System sind Sie?)

Zum Zweiten: Es gibt zwei Techniken, mit unangenehmen Dringlichen Anfragen umzu­gehen. Die eine ist, alles zu zerreden und ewig zu reden, und die andere ist, durchzu­huschen, sich schnell niederzusetzen und zu hoffen, dass es damit sein Bewenden hat.

Herr Bundeskanzler! Deswegen werden wir jetzt einige Punkte noch einmal miteinan­der durchgehen. (Ruf bei der ÖVP: Oberlehrer!) Und wir beginnen, wie es sich bei die­ser Bundesregierung gehört, beim Versprechen. Wie hat das Versprechen gelautet? (Abg. Murauer: ... Oberstudienrat!) – Sehr geehrte Österreicherinnen und Österrei­cher! Weil wir euch tief in die Tasche greifen (Abg. Großruck: Wer sagt das?), ver­sprechen wir euch eines: Wir werden erstens uns Politikern zumindest genauso tief in die Tasche greifen und zweitens dafür sorgen, dass es kein System Österreicherinnen und Österreicher auf der einen Seite und Politikerinnen und Politiker auf der anderen Seite weiterhin gibt. (Abg. Großruck: Fragen Sie Herrn Van der Bellen, was ein Uni­versitätsprofessor für eine Pension kriegt! 100 Prozent des Letztbezuges!)

Das Versprechen hat gelautet: Ein System für alle! Und: Vergleichbare Opfer! Eine faire Verteilung der Opfer für alle. – An diesen Versprechen müssen wir Sie jetzt mes­sen, weil selbstverständlich gilt: Auch Sie, Herr Bundeskanzler, haben nicht das Recht, Menschen in dieser Republik, die darauf vertraut haben, nach einem langen Arbeitsle­ben die versprochene Pension zu bekommen, in die Tasche zu greifen, die eigenen Taschen aber zuzunähen und zu sagen: Ja leider, da komme ich nicht rein; die ande­ren Taschen sind offen, unsere, nämlich die Minister-Taschen, die Kanzler-Taschen, die Abgeordneten-Taschen sind leider so fest zugenäht, dass der Griff in diese Ta­schen nicht gelingt! (Abg. Großruck: In welches System haben Sie optiert? – Abg. Dr. Van der Bellen – in Richtung des Abg. Großruck –: Er hat gar nicht optieren kön­nen!)

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie gemeinsam mit dem im Taschenauftrennen offensicht­lich ähnlich hilflosen Kärntner Landeshauptmann und seinem Stellvertreter in der Bun­desregierung an Ihren eigenen Taschen gescheitert sind, dann lassen Sie uns trotz­dem wiederholen: Sie stehen zu einem System, in dem nicht 40 Jahre durchgerechnet werden, in dem nicht 30, nicht 20, nicht einmal 10 Jahre durchgerechnet werden, son­dern in dessen Rahmen, wie Sie meinen, neun Jahre für Ihresgleichen reicht. Nach neun Jahren bekommt man die volle Pension. (Zwischenruf des Abg. Ellmauer.)

Herr Bundeskanzler! Sie sind nach wie vor der Meinung, dass andere an die Armuts­grenze heruntergekürzt werden können, während Sie nur dazu bereit sind, ein Soli­daropfer in einer geringfügigen Höhe zu bringen, von dem wir nur eines wissen, näm­lich dass das niemandem von Ihnen wehtun wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ell­mauer: In welchem System sind Sie, Herr Pilz?)

Herr Bundeskanzler! Sie haben der Öffentlichkeit versprochen, in einem großen politi­schen Selbstbedienungsladen endlich aufzuräumen. Jetzt kommen Sie gemeinsam mit


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Jörg Haider und Herbert Haupt ganz stolz aus diesem Selbstbedienungsladen und präsentieren einer erstaunten Öffentlichkeit, dass Sie in der Lage waren, ein Regalbrett zu entfernen. Der Selbstbedienungsladen ist derselbe geblieben. Jetzt gibt es zwar ein Regalbrett weniger, aber es geht weiter.

Sie verweisen darauf, dass spätere Politiker- und Politikerinnen-Generationen bereits gemäß ASVG behandelt werden. Genau das war der Grund dafür, dass die grüne Fraktion seinerzeit diesem Teil der Bestimmungen zugestimmt hat. (Abg. Scheibner: Das gesamte habt ihr auch ...!) Natürlich waren wir auch damals der Meinung – und daran hat sich nicht geändert –, dass zukünftige Politikerinnen und Politiker nach dem ASVG behandelt werden sollen. Daran hat sich nichts geändert! Das halten wir nach wie vor für gut. Aber in der heutigen Situation, da Sie sagen: Wir brechen den Vertrau­ensgrundsatz gegenüber Generationen, die diesem System und den Politikerinnen und Politikern, die es repräsentieren, vertraut haben!, wäre es nur angemessen gewesen zu sagen: Ja, auch diejenigen, die das heute bestimmen, sollen sich dieser Harmoni­sierung unterwerfen!

Herr Bundeskanzler! Auch diejenigen, die wie Sie glauben, dass man Frauen nach 40 Arbeitsjahren an die Armutsgrenze herunterkürzen kann, auch Politiker wie Sie sol­len zeigen, dass sie sich zumindest den Regeln nach demselben Pensionssystem un­terwerfen.

Das ist das, was die Menschen nicht verstehen, nämlich dass Sie nach wie vor sagen: Für einen Großteil der Menschen in dieser Republik haben andere Regeln zu gelten als für mich als Bundeskanzler und für meine Abgeordneten wie Fasslabend, Stumm­voll, Molterer oder Scheibner. – Das ist der Punkt, warum das niemand versteht!

Wenn Sie heute auf die Straße gehen und mit den Menschen reden, werden Sie fast niemanden finden, der sagt, nein, es darf keine Pensionsreform geben. Sie werden niemanden finden! Alle, auch Menschen mit geringem Einkommen, werden Ihnen sa­gen: Ja, wir wissen, wir werden auch Opfer bringen müssen! – Und ich erlebe es jeden Tag auf den Straßen und Plätzen von Wien, dass mich Leute ansprechen (Abg. Groß­ruck: Wahrscheinlich ist es jeden Tag derselbe!) und sagen: Ich verstehe das! Ich ver­diene nicht übermäßig viel, aber wahrscheinlich werde ich, auch wenn ich in Pension gehe, weniger bekommen; ich bin aber bereit, mich damit abzufinden, wenn das dazu beiträgt, das System für weitere Generationen sicherer zu gestalten.

Aber diese Leute sagen auch immer wieder dazu: Wir glauben erst dann, dass das wirklich so gewollt ist, wenn eine Bevölkerungsgruppe mit gutem Beispiel vorangeht, nämlich jene Politikerinnen und Politiker, die darüber beschließen. – Genau das pas­siert hier und heute nicht! Und genau diese Hoffnung der Menschen in dieser Republik haben Sie enttäuscht! Genau diese Chance haben Sie verpasst! Genau mit diesem Abänderungsantrag, in dem nicht steht, dass Sie auf Ihre Privilegien verzichten, genau mit diesem Abänderungsantrag haben Sie gezeigt, dass Sie nicht bereit sind, auf das zu verzichten, was Sie anderen, die viel, viel weniger haben, bereit sind wegzuneh­men.

Herr Bundeskanzler! Ich erspare mir jetzt die Erörterung Ihrer „titanischen“ Leistung, dass es Ihnen gelungen ist, das Problem Stummvoll und das Problem Fasslabend nach vielen, vielen Jahren zu lösen. Herzlichste Gratulation! Sie haben die Auseinan­dersetzung mit Günter Stummvoll und Werner Fasslabend nach langer Zeit zum Teil gewonnen. Fasslabend und Stummvoll werden in Zukunft als Pensionisten in diesem Haus sitzen und kein Aktivgehalt mehr bekommen. (Abg. Dr. Stummvoll: Sagen Sie: Bauer und Schieder!) Das ist ein leuchtendes Vorbild für die Pensionsreform: So viel an Pensionen zahlen, dass alle, die weiterhin einen Beruf ausüben, sagen: Um Gottes


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Willen, ich wäre ja verrückt, wenn ich das Aktivgehalt nähme, da mir diese Bundesre­gierung ohnehin so eine wunderbare Pension sichert. (Abg. Parnigoni: Vier Säulen!)

Das ist eine neue Ära des Polit-Pensionistentums (Abg. Dr. Stummvoll: Habt ihr be­schlossen, Kollege Pilz!): Zwei rüstige Pensionisten, die noch viel vorhaben, werden auf den kleineren Aktivbezug verzichten und der Aufforderung des Bundeskanzler nachkommen, um zu zeigen, wozu Polit-Pensionisten der Österreichischen Volkspartei noch in der Lage sind. Aber es ist meine große Befürchtung, dass sich rüstige Pensio­nisten wie Stummvoll und Fasslabend ab Herbst über das Gesundheitssystem herma­chen!

Herr Bundeskanzler! Auch das wäre ein Grund dafür, möglichst schnell das ASVG ein­zuführen, und zwar möglichst rückwirkend, und zu schauen, dass die Pensionen von Fasslabend und Stummvoll wirklich so in Anspruch genommen werden wie es sich gehört, nämlich weit weg vom Parlament ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!

 


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): ... verdienten Ruhestand.

Meine Damen und Herren! Das war es! Haupt/Haider sind synchron umgefallen. Die Bundesregierung unter Schüssel hat sich durchgesetzt. Die Politikerprivilegien werden im Großen und Ganzen gewahrt bleiben, und Fasslabend ...

15.39

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Das war es, Kollege Pilz!

(Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ für den das Rednerpult ver­lassenden Abg. Dr. Pilz.)

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. Die Uhr ist auf 10 Minuten gestellt, das ist die Obergrenze. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.40

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Bundeskanzler! Werte Herren Bun­desminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kolle­ge Pilz und Herr Kollege Öllinger, die Aufregung ist völlig überflüssig: Ihre Anfrage ist nicht dringlich: Sie haben vor zirka vier Stunden einen Abänderungsantrag bekom­men (Abg. Öllinger: Aber wirklich nicht!), und Sie wissen, dass die Regierung und die Re­gierungsfraktionen ihren Auftrag erfüllt haben. (Abg. Öllinger: Nein, nicht einmal im Ansatz!) Sie können also guten Glaubens sein: Die Umsetzung ist bereits 1 : 1 erfolgt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Nur: Wer zu spät kommt, den straft die Geschichte, hat schon jemand gesagt – und Sie werden das wieder zur Kenntnis nehmen müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Ich darf Ihnen Folgendes ins Stammbuch schreiben: Sie kritisieren heute hier Bestim­mungen, die Sie selbst mitgetragen haben (Abg. Öllinger: Aber wirklich nicht! Verhan­delt!), Sie kritisieren Bestimmungen, die Sie selbst mitverhandelt haben. Die damaligen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP sind weitgehend auf die Wünsche der Grünen und der Liberalen Fraktion eingegangen, damit ein Vier-Parteien-Antrag möglich war.

Und der Fairness halber muss ich hier sagen: Die FPÖ ist damals nicht mitgegangen (demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen), aber die anderen vier Fraktionen haben diese Regelung beschlossen.

Und seither gibt es die Eins-zu-eins-Umsetzung, Herr Kollege Öllinger, seither be­kommt ein Abgeordneter dieses Hauses keine Politikerpension mehr. Dies gilt für alle neu eintre­tenden Abgeordneten. Man kann es nicht oft genug sagen – ich danke dem


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Herrn Bundeskanzler, er hat es auch ganz deutlich gesagt –: Seit 1997 gibt es in Ös­terreich keine Politikerpensionen mehr! (Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Tun Sie da­her nicht so, als wüssten Sie das nicht, tun Sie nicht so, als müssten Sie den Aufgereg­ten spie­len, denn Sie haben überhaupt keinen Grund dazu, meine sehr geehrten Da­men und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Regelung ist umgesetzt, und zwar auf Bundesebene, auf Landesebene und auf Gemeindeebene. Es war nicht einfach – das gebe ich zu –, den vielen Menschen, die sich für die Republik, für die Mitmenschen einsetzen, zu sagen: Nein, es gibt dafür kei­ne Pension mehr!, aber es ist umgesetzt, es ist durchgetragen.

Worüber wir heute reden, sind Übergangsbestimmungen – meine sehr geehrten Da­men und Herren von der Opposition, auch das wissen Sie – für Politiker, die bei In-Kraft-Treten des neuen Bezügegesetzes am 1. August 1997 bereits bestehende An­sprüche hatten, also diese Ansprüche vor diesem Zeitpunkt erworben hatten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in den letzten Tagen, Wochen und Monaten immer wieder über das Pensionssicherungsgesetz verhandelt. Wir haben sehr viele Diskussionen geführt, und bei diesen Diskussionen haben Schlag­worte wie Vertrauensgrundsatz und Lebensplanung eine zentrale Bedeutung gehabt. Wir haben die Bedenken ernst genommen – der Herr Bundeskanzler hat es heute in der Früh hier im Hohen Haus ausgeführt – und konnten ein Paket auf den Tisch legen, das diesen Ansprüchen, Vertrauensschutz und Lebensplanung, auch gerecht werden kann. Nur: Dieser Vertrauensgrundsatz – und das sage ich als einer, der keinen An­spruch auf Politikerpension hat – muss für alle gelten, er muss auch für Politiker gelten, sehr ge­ehrter Herr Kollege Öllinger. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitli­chen.)

Dieser Vertrauensgrundsatz muss gelten, ob man im Verhandlungsteam ist oder nicht, ob man der Opposition oder einer Regierungspartei angehört. Vertrauensschutz muss für alle in diesem Lande gelten, sehr geehrter Herr Kollege Öllinger, sehr geehrter Herr Kollege Pilz.

Ich bitte Sie um Folgendes: Hüten wir uns davor, uns aus populistischen Gründen über gesetzliche Bestimmungen hinwegzusetzen, denn sonst hört sich der Rechtsstaat auf, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Gradwohl: Wir werden Sie im Rahmen der weiteren Verhandlungen daran erinnern!)

Noch etwas darf ich Ihnen sagen: Hüten wir uns davor, Herr Kollege Gradwohl, das politische Amt madig zu machen, denn es sollte auch in Zukunft attraktiv sein, sich mit seinen Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten für dieses Land und für die Men­schen dieses Landes einzubringen – egal, ob auf der Oppositionsbank oder als Mit­glied einer Regierungspartei. Das ist die Botschaft, die ich Ihnen heute gerne mitgeben möchte. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Opposition betont, sie möchte die Diskussion ehrlich und aufrichtig führen – wir möchten das auch tun –, aber, Herr Kollege Pilz, Sie selbst sind, soweit ich informiert bin, im alten System, und Sie hätten damals die Möglichkeit gehabt, diesem Antrag nicht die Zustimmung zu geben. (Rufe bei den Grünen: Nein!) Warum hat Herr Kollege Pilz damals, im Jahr 1997, nicht dagegen gestimmt (Abg. Mag. Wurm: Er war nicht im Nationalrat!), wenn es ihm solch ein Anliegen war, wie es ihm heute ist, wo er auf der Oppositionsbank sitzt? (Abg. Dr. Glawischnig: Er war im Wiener Rathaus zu der Zeit!) – Okay, er hat sich also für das Vaterland geopfert; noch schöner, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Dr. Gusenbauer: Was ist das für ein Unsinn?! Das ist kein Argument!)


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Herr Kollege Gusenbauer! Herr Professor Van der Bellen hat hier an dieser Stelle wort­reich argumentiert, warum er so stolz ist, kein Nutznießer des alten Systems zu sein. Ihm als Wirtschaftsprofessor muss ich sagen, das wäre auch gar nicht klug ge­wesen, denn § 10 des Pensionsgesetzes regelt nämlich, dass ein Universitätsprofessor dieser Republik je nach Alter mit 90 oder 100 Prozent des Letztbezuges in Pension geht, und daher wäre es nach den Deckelungsregelungen gar nicht so klug gewesen.

Das Neue Testament nennt den Pharisäer einen Schriftgelehr­ten, der zwar die Geset­ze interpretiert und verkündet, sie aber auf sich selbst nicht anwendet. – Ich bin der Letzte, Herr Professor Van der Bellen, der Sie einen Pharisäer nennen möchte, aber ein Schriftgelehrter sind Sie allemal. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Ich darf die Grünen daran erinnern, dass diese Bestimmungen des Bezügegesetzes verfassungsgesetzlich abgesichert sind. Und trotzdem haben die Regierungsfraktionen die Diskussionen in der Öffentlichkeit und auch hier im Hohen Haus ernst genommen. Wir sind daran gegangen, eine Novelle des Bezügegesetzes zu diskutieren. Herr Klub­obmann Molterer und Herr Klubobmann Scheibner haben wiederholte Male versucht, gemeinsam einen Antrag zu formulieren, nur es ist bisher – ich betone: bisher! – nicht gelungen. Wir haben jetzt einen Abänderungsantrag vorgelegt, der einfachgesetzlich möglich ist. Das, was einfachgesetzlich möglich ist, um die Bestimmungen für Politiker an jene aller anderen österreichischen Staatsbürger anzugleichen, liegt heute hier vor.

Der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen: Sie verlangen beispielsweise, Herr Kollege Öllinger, eine Durchrechnung über 40 Jahre. – Ich hoffe, dass es nicht Ihr Ernst ist, dass irgendein Politiker hier 40 Jahre tätig sein soll. (Abg. Brosz: Aber die Pension soll angepasst werden!) Stellen Sie sich vor, wie Sie oder ich in 40 Jahren aussehen werden. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Ich glaube nicht, dass sich die Bevölkerung darüber freuen würde und dass es für die Republik gut wäre. Wir wären sicher kein besonders positiver Beitrag mehr hier.

Sie haben den Abänderungsantrag bekommen. Er enthält sechs Punkte mit wesentli­chen Einschnitten für Politiker, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich möchte sie hier nicht vorlesen und nicht vortragen, Sie kennen sie, sondern nur auf einen hin­weisen: 15 Prozent Abzug für Politikerpensionen, auch 15 Prozent Abzug für Alt-Pensionisten, das ist ein wesentlicher Einschnitt. Wir haben uns aber mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, Einschnitte in bestehende Pensionen in anderen Bereichen vorzunehmen.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundeskanzler dafür, dass er hier Sicherheit gibt – es war nicht so selbstverständlich. Wir wissen, dass sehr viele Argumente draußen an­ders gelaufen sind, alten Leuten Angst gemacht wurde – wir haben das nicht gemacht. Der Herr Bundeskanzler hat von Anfang an festgestellt: In bestehende Pensionen wird nicht eingegriffen – Ausnahme: Politiker minus 15 Prozent.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Herr Klubobmann Cap! Herr Klubobmann Van der Bellen! Wir bitten Sie, diese Gespräche bis zur zweiten Le­sung fortzuführen, wir laden Sie ein, eine gemeinsame Lösung zu finden. Der Vor­schlag der Regierung liegt auf dem Tisch, Sie können ihn mittragen, Sie können ihn verbessern. Wir bitten Sie, diesen Auftrag und diese Einladung wirklich ernst zu neh­men. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.49

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Ab­geordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Bitte zuerst den zu berichtigenden und dann den tatsächlichen Sachverhalt vorzutragen.

 



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15.49

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Trinkl hat in seinen Ausführungen leider zwei unrichtige Behauptungen aufgestellt. Die eine war, Herr Abgeordneter Pilz hätte die Möglichkeit gehabt, 1997 gegen das Bezügebegren­zungsgesetz beziehungsweise das neue Bundesbezügegesetz beziehungsweise ge­gen die Übergangsbestimmungen des alten Bezügegesetzes zu stimmen. – Das ist unrichtig!

Herr Abgeordneter Pilz war 1997 Abgeordneter des Wiener Landtages und hätte daher nur unter grob geschäftsordnungswidrigen Umständen, die Präsident Fischer, der da­mals Präsident war, sicher nicht zugelassen hätte, an der Abstimmung teilnehmen können. (Abg. Dr. Trinkl: Aber Sie hätten ihn schützen können!)

Zweiter Punkt: Sie haben behauptet, Herr Abgeordneter Trinkl, wir haben das Bezüge­gesetz mitverhandelt. Das ist auch unrichtig! Das alte Bezügegesetz wurde 1972 mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ beschlossen. 1997 wurden das neue Bundes­bezügegesetz und das Bezügebegrenzungsgesetz mit unserer Zustimmung beschlos­sen und auch vorher mitverhandelt.

Wir Grüne haben zu dem Teil, den Übergangsbestimmungen des Bezügegesetzes, in zweiter Lesung einen klar konträren Antrag eingebracht, der nicht die Zustimmung der Freiheitlichen und auch der anderen Fraktionen gefunden hat.

Das war unsere ganz klare Haltung. Wir haben aus Interesse an einem neuen Gesetz diesem neuen Gesetz daher auch in dritter Lesung zustimmen wollen und müssen, sonst hätten wir alle schlechten Bestimmungen, von denen der Abgeordnete Scheib­ner ...

15.50

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte keine erläuternden Bemerkungen zum Abstim­mungsverhalten. – Danke, Herr Abgeordneter. (Beifall bei den Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Öllinger.)

Es geht immer um die Gegenüberstellung von Sachverhalten. Das ist erfolgt.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Redezeit: 10 Minuten. – Ent­schuldigen Sie, ich habe einen Fehler gemacht! Herr Dr. Cap ist nach der Reihenfolge der Fraktionen der Nächste. Bitte um Entschuldigung!

 


15.52

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Kein Problem, Herr Präsident. Ich hätte der Kol­legin gerne den Vortritt gelassen.

Ich möchte meinen Beitrag in zwei Teile teilen. Das eine ist die konkrete Vorlage, die es zu diskutieren gilt, und auch die Dringliche Anfrage, das andere der allgemeine Teil, weil ich mittlerweile schon zum 12., 13. oder 15. Mal diese Diskussion hier miterlebe, immer wieder von unterschiedlichen Aspekten gekennzeichnet, aber letztlich trotzdem immer mit der gleichen Problematik versehen.

Vorausschicken möchte ich schon, Herr Bundeskanzler, auch für künftige Dringliche Anfragen, auch wenn das nicht unsere Dringliche Anfrage heute war, dass ich Sie bit­ten würde, alle Fragen zu beantworten und nicht gleich ein ganzes Bündel an Fragen auszulassen, damit man diese Dringliche Anfrage und Ihre Antworten hier ernsthaft und seriös diskutieren kann.

Wir, Sozialdemokraten, ÖVP, Grüne, Liberale, haben 1997 hier eine Regelung be­schlossen, in dritter Lesung eben diese vier Parteien, und man sollte schon hinzu­fügen, dass es damals erstmals gelungen ist, auch unter Einbeziehung des Rech­nungshofpräsidenten, nach genauer und ausgiebiger Verhandlung hier eine Bezügepy-


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ramide einzuführen. Und wir wissen aus unzähligen Diskussionen und Wahlveranstal­tungen, wie wichtig diese Pyramide ist, damit es für die Bürgerinnen und Bürger nach­vollziehbar ist, wer auf welcher Ebene welches Einkommen bekommt. Das ist jetzt einmal klar und transparent. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist damals auch eingeführt worden, dass das Einkommen beim Rechnungshof zu deklarieren ist, weil es darum gegangen ist, dass in diesem Bereich mehr Klarheit herrscht und dass hier nichts im Verborgenen blüht. Letztlich hat sich aber herausge­stellt, auch auf Grund der Entwicklungen der letzten Monate, dass es hier Korrekturen anzubringen gilt, und diese Korrekturen haben wir von unserer Seite immer in die Dis­kussion eingebracht, auch bei den Runden der Klubvorsitzenden.

Das eine ist die Frage der Entgeltfortzahlung für scheidende Minis­ter, für scheidende Abgeordnete. Das hat eine öffentliche Relevierung erfahren, wurde öffentlich diskutiert, und ich glaube, dass es ganz klug ist, das noch einmal zu ü­berdenken, weil viele in der Bevölkerung den Eindruck hatten, da geht es um ein ar­beitsloses Einkommen, das ein Jahr lang fortgezahlt wird, und derjenige oder diejenige bemüht sich das eine Jahr gar nicht, etwas zu finden, sondern schaut, dass er es „hin­unterbiegt“ und nachher den neuen Job bekommt. So ungefähr war die Kommunikati­on, und daher, glaube ich, ist es richtig, wenn man diese Frage jetzt angeht und ver­sucht, das in den Griff zu be­kommen.

Der zweite Punkt ist, dass das natürlich – weil wir jetzt alle gemeinsam der Auffassung sind, man soll sich dem Pensionsantrittsalter 65 annähern – auch die Politiker betreffen soll. Daher folgerichtig auch hier Überlegungen, um diesen Prozess in diesem Bereich in Gang zu setzen. Das war unser zweiter Punkt, den wir in diesen Gesprächen und auch in der öffentlichen Debatte eingebracht haben.

Der dritte Punkt: ein Solidarbeitrag. Unser Parteivorsitzender Dr. Gusenbauer hat die­sen Solidarbeitrag für alle vorgeschlagen, die eine Pension über 2 300 € beziehen, also für die Höchstpensionsbezieher. Sie sollen einen Beitrag leisten, vor allem um die Umstellung der Systeme bis hin zur Harmonisierung auch wirklich finanzieren können.

Ich glaube, dass das richtig ist, dass das gerecht ist, dass dieser Solidarbeitrag ein guter Vorschlag ist. Die Höhe von 15 Prozent ist selbstverständlich ein guter Vor­schlag. Man muss sich das noch genau­er ansehen, aber ich glaube, dass das ein Vor­schlag ist, der wirklich sehr positiv zu bewerten ist und der auch signalisieren soll, dass es ernst gemeint ist, dass die Politik einen entsprechenden Beitrag zu leisten hat.

Der vierte Punkt dreht sich um die Frage: Man hat einen Antrag auf eine Politikerpen­sion gestellt, bezieht diese Pension und hat nebenbei noch einen Aktivbezug als Politi­ker – bis zur berühmten Deckelung. Und da, muss ich sagen, bin ich mit dem Antrag der beiden Regierungsparteien nicht einverstanden, denn wir lesen nach wie vor her­aus, dass das auch künftig möglich sein wird, dass es einen Aktivbezug und eine Poli­tikerpension nebenbei gibt. Das ist nicht unsere Auffassung, dass das so sein soll. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)

Wir haben uns das vorher genau angesehen, und wir sind zu dieser Interpretation ge­kommen. Sagen Sie uns, wie Ihre Interpretation ausschaut! Wir ha­ben uns das ange­sehen und sind zu diesem Schluss gekommen.

Auch was die gegen­seitige Anrechnung von Jahren als Abgeordneter und Jahren als Minister, diese so genannte doppelte Anrechnung betrifft, ist von uns Kritik anzubrin­gen. Das einmal zu diesem Bereich.

Jetzt hoffe ich, dass es weitere Gespräche geben wird und dass man vielleicht noch zu einer vernünftigen Lösung kommt. Unsere Punkte liegen auf dem Tisch. Wir sind der Meinung, es kann hier keine Extrawürste geben. Es muss, wenn man glaubwürdig ge-


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genüber der Bevölkerung für Reformen im Pensionsbereich eintreten will, natürlich auch Veränderungen im Politikbereich geben. Wenn man glaubwürdig für mehr Ge­rechtigkeit innerhalb der Bevölkerung eintritt, dann muss auch Gerechtigkeit in Bezug auf die Politikereinkommen hergestellt werden, wie es meiner Auffassung nach mit dem Beschluss der Bezügepyramide schon geschehen ist. Aber es lohnt sich immer wieder, darüber nachzudenken und zu diskutieren.

Nun möchte ich etwas Grundsätzliches sagen. Es schwingt immer ein bisschen mit: Was sind die eigentlich wert, die hier herinnen sitzen? Dazu gibt es die unterschied­lichsten Meinungen. Ich war vor drei Tagen in einem Lokal, durfte ein Gespräch an einem Nebentisch mithören, und da hat jemand, durchaus der städtischen Mittelschicht zugehörig, gesagt: Die Politiker sind die einzige Berufsgruppe, die keine Ausbildung, keine Qualifikation braucht. – Also quasi: Die sind eh nichts wert, und die Tätigkeit, die sie ausüben, könnte eigentlich jeder machen.

So mancher Quereinsteiger aus anderen Branchen kommt auch mit dieser Überheb­lichkeit in die Politik und sagt: Leute, ich zeige euch jetzt, wie es geht! (Abg. Mag. Mol­terer: Erfahrung damit?) Solonar war so einer, ein ehemaliger Ge­neralsekretär der ÖVP, an den kann ich mich noch gut erinnern. Aber ich kenne auch andere. (Abg. Mag. Mainoni: Broukal!)

Jetzt ist die Grundsatzfrage die: Wollen wir eine professionelle politische Funktions­ausübung oder wollen wir eine solche nicht? (Abg. Mag. Mainoni: ... Broukal!) Auch das war eine politische Tätigkeit, und ich kann Ihnen auch andere aufzählen. Jemand, der mit Politik zu tun hat, ist politisch tätig. Hier geht es um eine politische Tätigkeit als Politiker. Das muss nicht unbedingt getrennt sein, es kann sich sehr gut zusammenfü­gen. Er ist nicht der erste Journalist, der in der Politik tätig ist. Helmut Zilk war so ein Paradebeispiel, ein sehr erfolgreicher Bürger­meister. Also halten Sie mir jetzt keine Vorträge über erfolgreiche Quereinsteiger! Da sind wir immer gut bestückt gewesen: Franz Vranitzky, auch ein erfolgreicher Querein­steiger. Also bitte keine Vorträge! Ich kenne auch andere Beispiele. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Unterbrechen Sie mich nicht! Ich bin gerade bei einem Thema, das Sie eigentlich inte­ressieren sollte: Was sind Sie eigentlich wert? Das sollte man auch einmal hier disku­tieren, weil man sich um diese Frage immer herumgeschwindelt hat. Es hat Phasen in der Entwicklung der Bezahlung der Politiker gegeben, in denen man sich nicht hinge­stellt und ehrlich gesagt hat: Das sind wir wert!, sondern da hat es einen Zweitbezug, einen Drittbezug, dort eine Pension und da eine Pension gegeben, still und heimlich. Das wurde grosso modo 1997 endgültig beseitigt.

Nun hat sich aber meiner Auffassung nach hier im Parlament einiges geändert. Das Parlament – und ich gehöre diesem schon länger an – ist immer mehr zu einem Ar­beitsparlament geworden.

Das Parlament hat mit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union immer mehr zu­sätzliche Tätigkeiten bekommen. Gerade die Abgeordneten aus den ländlichen Wahl­kreisen müssen doch hier zugeben, dass das eine „Mörder-Hack’n“ ist, einen großen ländlichen Wahlkreis – auch beim städtischen Wahlkreis ist es ähnlich, aber beim länd­lichen kommen noch die Entfernungen dazu – zu betreuen.

Jetzt frage ich Sie, jetzt drehe ich einmal den Spieß um: Wenn man nicht das Glück hat, Klubobmann zu sein oder sonst eine Funktion zu haben, kommt die Infrastruktur, der parlamentarische Mitarbeiter, kommen die Möglichkeiten, Gutachten und Experti­sen aufzugeben und so weiter, hinzu. Es ist auch unsere Schuld, wenn viele außerhalb dieses Hauses der Meinung sind: Na ja, was machen die da eigentlich, und mit welcher Qualität arbeiten die?


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Wir sollten auch einmal darüber nachdenken, was unsere Arbeitsbedingungen betrifft, bis hin zum berühmten Verfassungsdienst hier im Haus und nicht nur im Bundeskanz­leramt. (Allgemeiner Beifall.) Ich finde, dass hier doch eine Nachdenkarbeit notwendig ist, damit der Bürger und die Bürgerin den Eindruck haben, dass sie professionell ver­treten werden, dass hier hoch qualifizierte Abgeordnete am Werk sind.

Vielleicht sollte man manchmal auch über das Wahlsystem ein wenig nachdenken, damit der Bürger, die Bürgerin noch direkter Einfluss hat auf die Auswahl derer, die hier herinnen sitzen.

All das sollte man überlegen und nicht nur immer über diesen engen Bereich der Be­züge, der Pensionen – so berechtigt das ist, gerade in Zeiten wie diesen – nachden­ken, sondern eben auch darüber, wie wir unsere Arbeit weiterhin professionalisieren können.

Einen letzten Punkt, und dann bin ich schon fertig: Wir sollten vorsichtig sein – trifft auch wieder alle! –, was die Aufkaufpolitik von Frank Stronach angeht. Dort geben sich die Politiker nur so die Klinke in die Hand. Ich sehe diese Entwicklung mit einer gewis­sen Sorge. Ich kann es niemandem vorschreiben; wer hingeht, geht hin, wer nicht hin­geht, geht nicht hin. Aber natürlich möchte ich nicht haben, dass es in diesem Haus hier einmal so ist (das rote Lämpchen auf dem Rednerpult blinkt – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) – und ich schließe damit –, dass sich jemand schon während der Tätigkeit hier Gedanken darüber macht, auf welche payroll er kommt, damit er, wenn er dieses Hohe Haus verlässt, die Sicherung hat, die wir gerade abschaffen. Ich sage das nur, und auch das sollte nachdenklich stimmen, was das und was unsere Arbeitsbedingungen betrifft. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.02

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.02

Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Hohes Haus! Es wäre ja auch schön gewesen, wenn die SPÖ nachgedacht hätte, wie die Dinge in diesem Bereich, die doch von allen gewollt sind, gemeinsam auch durchgeführt werden könnten, damit man vielleicht beim einen oder anderen Punkt die Zweidrittelmehrheit gehabt hätte, sodass man gemeinsam wirkliche Verände­rungen hätte durchführen können. Das war ja leider nicht möglich, weil die SPÖ nicht bereit war, die gemeinsamen Punkte mit einer Zweidrittelmehrheit zu ändern, wo man in der Frage dann vielleicht wirklich etwas weitergebracht hätte. Ich würde bitten, auch hier noch ein bisschen nachzudenken. – Das zum einen.

Zum anderen möchte ich auch in diesem Zusammenhang auf etwas hinweisen, was in den letzten Tagen in der EU passiert ist, als es um die Diskussion des Abgeordneten-Statuts gegangen ist. Ich weiß nicht, wer das sonst noch mitverfolgt hat, aber dort ist es auch um eine Pensionsdiskussion gegangen, und dort ist es auch darum gegangen, dass sich die Abgeordneten selber ein Statut geben, mit welchem Pensionsalter sie dann auch eine Politikerpension in der EU bekommen können. Dort hat man sich – man höre und staune! – auf ein Pensionsalter von 60 Jahren geeinigt, und das ist et­was, angesichts dessen ich mich wirklich frage: Was passiert da eigentlich in der EU, im EU-Parlament, wenn dort, während wir in allen EU-Ländern die Diskussion haben, das Pensionsantrittsalter anheben zu müssen, wir uns alle einig darüber sind, dass das zu geschehen hat, eine Abstimmung stattfindet, bei der man sich für das Ab­geordneten-Statut ausgesprochen hat und das Pensionsalter mit 60 Jahren festgelegt wird?! (Abg. Scheibner: Unglaublich!)


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Ich kann hier nicht die Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ auslassen, es tut mir Leid, denn – und ich weiß nicht, ob das Kanzler Schüssel entgangen ist – es muss hier schon mit gleichem Maß gemessen werden. Wenn wir im nationalen Parlament das Pensionsantrittsalter auf 65 Jahre anheben, dann muss das, bitte, auch für die EU-Parlamentarier gelten! Wo kommen wir denn da hin, sehr geehrte Damen und Herren?! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gilt halt einfach, ein bisschen aufzupassen, dass das eine oder andere nicht pas­siert. Dort ist etwas passiert, und – ich weiß nicht, wie sich der grüne Kollege verhalten hat – ÖVP- und SPÖ-Abgeordnete haben sich dort dafür ausgesprochen, ohne eine Wortmeldung!

Es ist im Zusammenhang mit der gesamten Diskussion wirklich sehr, sehr bedenklich, dass man hier mit zweierlei Maß misst. Ich weiß nicht, ob es dem Herrn Bundeskanzler entgangen ist oder nicht, dass seine Abgeordneten sich dort so verhalten haben. (Ruf bei der SPÖ: Fragen Sie ihn!) – Er ist nicht hier.

Wenn die Grünen dermaßen argumentiert haben, würde ich schon sehr bitten, dass Sie hier nicht alles miteinander vermischen, denn Sie wissen selber, dass die Harmo­nisierung stattgefunden hat und dass es keine neuen Politiker mehr geben wird, die Politikerpensionen erhalten. Ich glaube, Sie wissen selber, dass das abgeschafft wor­den ist.

Der zweite Punkt ist – das wissen Sie auch, und das darf man halt in der Diskussion auch nicht vermischen –, dass es immer noch alte Ansprüche gibt, die halt leider nicht beseitigt werden konnten, weil eben keine Zweidrittelmehrheit dafür vorhanden ist. Ich gebe Ihnen völlig Recht, das ist ein Witz, dass es diese Dinge gibt, wie Sie es auch gesagt haben, aber Sie wissen selber, es braucht eine Zweidrittelmehrheit, wenn über­haupt, um das abzuschaffen. Aber SPÖ und Grüne waren nicht bereit, zu einem ge­meinsamen Vier-Parteien-Antrag zu kommen. Vielleicht wäre es in entsprechenden Verhandlungen möglich gewesen, noch mehr von den Politikerbezügen herunterzurei­ßen.

Wir haben mit dem Solidarbeitrag das Machbare durchgesetzt, dem Solidarbeitrag, der ja schon die Grenze des Möglichen ist, wie der Verfassungsgerichtshof sagt. Das ist die Grenze des Möglichen mit 15 Prozent, die man hier reduzieren kann.

Sie wissen auch, es gibt leider nun einmal Ansprüche, die erworben worden sind, die aus dem überalteten System sind, das wir auch nicht goutieren und das es zum Glück heute nicht mehr gibt, aber es gibt nun einmal auch – und das müssen wir als Demo­kraten akzeptieren – den Rechtsstaat für Politiker, und diese Ansprüche, die erworben worden sind, können eben nicht einfach rückgängig gemacht werden.

Wir Freiheitliche – um es noch einmal klarzustellen – haben weder der Uraltrege­lung, von der ja heute noch einige profitieren, zugestimmt noch im Jahre 1997 – wir haben damals einen eigenen Antrag eingebracht –, und wir haben heute das Mögliche getan, um Verbesserungen durchzuführen, um dieses System, das Sie eingeführt ha­ben, zu verbessern und anders zu gestalten, damit Politiker so behandelt werden wie alle ASVGler auch.

Wir haben immer gesagt: Es kann keine Reform bei den Pensionen geben, wenn nicht auch die Politiker das gleiche Pensionsantrittsalter haben und so behandelt werden wie die ASVGler auch. Wir haben es durchgesetzt: Politiker haben jetzt ein Pensionsan­trittsalter von 65 Jahren und werden in diesem Bereich so behandelt wie die ASVGler auch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als zweiten Punkt haben wir immer gesagt: Es muss zur Abschaffung der Doppelbezü­ge kommen, sonst kann es diese Reform im Pensionsbereich nicht geben! Auch da


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haben wir uns durchgesetzt, denn es wird keine Doppelbezüge mehr geben. Man kann nicht mehr verdienen, wenn man hier aktiv im Nationalrat sitzt, als man als Abgeordne­ter zum Nationalrat verdient. Unter Umständen wird eine Pension vielleicht dazuge­rechnet, aber es wird nie höher als das Nationalratsgehalt sein. Auch das müssen Sie zur Kenntnis nehmen!

Wir Freiheitliche haben auch durchgesetzt, dass es nicht mehr möglich sein wird, dass ein SPÖ-Landtagsabgeordneter einerseits Pensionist ist, weil er sich zum Beispiel von den ÖBB hat pensionieren lassen, aber andererseits als Politiker im Landtag sitzt, denn da fragt man sich schon, ob er dafür nicht krank genug ist. Das wird es in Zukunft auch nicht mehr geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Es freuen sich anscheinend nur wenige darüber, dass es das nicht mehr gibt. Da freuen sich nur die Freiheitlichen!

Den Solidarbeitrag haben wir auch durchgesetzt, auch wenn es Ihnen vielleicht nicht genug ist; es kann ja nie genug sein, aber auch da gibt es einfach verfassungsrechtli­che Grenzen. Es gibt jetzt ein Minus von 15 Prozent auf alle Pensionen, es gibt einen Eingriff in bestehende Pensionen von Politikern – und das haben wir Freiheitlichen durchgesetzt. Ich weiß, das gefällt dem einen oder anderen nicht, aber wir haben es durchgesetzt.

Bei den Entgeltfortzahlungen – nächster Punkt – haben wir eine wirkliche Reduzierung und eine Verkürzung erreicht. Das freut wieder die Grünen nicht sehr. Sie hätten in den Verhandlungen zwischen den Klubobmännern verlangt, dass diese Entgeltfortzahlung so ist und so bleibt, wie sie ist. Das war die Forderung Ihres Klubobmannes. Vielleicht hat er das nicht mit Ihnen abgesprochen, denn da ist nämlich Ihre Klientel, da sind Sie nämlich betroffen. (Abg. Dr. Glawischnig: „Klientel“?) Das wollten Sie nicht! Sie selber sind davon betroffen. (Zwischenrufe des Abg. Öllinger.) Ich rede nicht von der Pensi­on, ich rede von der Entgeltfortzahlung! Sie hätten sich gewünscht, dass die Entgelt­fortzahlung so weiter besteht wie bisher. Das war die Forderung Ihres Klubobmannes bei den Klubobmänner-Gesprächen. Ich kann nichts dafür, dass er das gesagt hat. Sie brauchen sich nicht aufzuregen! Er hat das gefordert.

Das ist einer der Gründe, warum es hier nicht zu einer Vier-Parteien-Einigung gekom­men ist: weil Sie eben diese Entgeltfortzahlung so bestehen lassen wollen! Die Freiheitlichen haben keine Entgeltfortzahlungen in Anspruch genommen. (Zwischenru­fe bei den Grünen.) – Auf Ministerebene nicht, und darum geht es ja wohl. Genau dort geht es ja um wirklich viel. Es wird da um ein halbes Jahr reduziert, und die Ansprüche werden von 100 Prozent auf 75 Prozent gesenkt.

Ich denke, da ist uns wirklich sehr viel gelungen, und es wird eben so etwas nicht mehr geben wie die Möglichkeit, dass, wie zum Beispiel von Exkanzler Klima oder von Ex­landeshauptmann-Stellvertreter Prock, ein Jahr lang Entgeltfortzahlungen bezogen werden. – Ich weiß, es leuchtet die Lampe, Sie hätten gerne, dass ich aufhö­re. (Empö­rung und Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Aber Klima hat sie bezogen, und Prock hat sie auch bezogen. Ich werde Ihnen das immer wieder sagen, auch wenn es Ihnen nicht gefällt, dass Ihre Leute, wenn sie die Möglichkeit haben, diese Privilegien in Anspruch zu nehmen, sie in Anspruch nehmen. (Abg. Dr. Glawischnig: Kehren Sie vor Ihrer eigenen Türe!) Freiheitliche Exminister haben sie nicht in Anspruch genommen. – So schaut es aus! (Beifall bei den Freiheitli­chen.)

16.11

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich bin verpflichtet, einzu­läuten, damit über einen Antrag abgestimmt wird. Ich habe aber noch keinen Antrag, höre jedoch, dass noch einer kommen soll. Ich läute also sozusagen auf Verdacht ein.


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Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


16.12

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Minister! Meine Damen und Herren! Dies­mal hat uns ja der Herr Bundeskanzler wieder eine seiner besten Eigenschaften prä­sentiert: Er hat geschwiegen, und zwar zu zahlreichen Fragen, die wir gestellt haben. Dieses Schweigen war wieder mehr als bezeichnend.

Herr Bundeskanzler! Sie schwiegen zu sehr heiklen Bereichen. Wir wollen Ihnen mit unserem Entschließungsantrag, den ich jetzt formell einbringe, behilflich sein, damit Sie in Zukunft gerade Daten, die für uns wesentlich sind, um das Gleichgewicht im Be­reich der politischen Pensionszahlungen oder im Bereich der ASVG herzustellen, über­haupt würdigen können. – Das haben Sie ja nach dem Motto „1 : 1“ heute angekün­digt.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Abschaffung von Politikerprivilegien im Pensionsrecht

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, eine laufende Statistik über alle erworbenen Anwartschaften und Ansprüche sowie über Auszahlungen nach dem Bezügegesetz zu führen und dem Nationalrat darüber jährlich Bericht zu erstatten.“

*****

Herr Bundeskanzler! Das brauchen Sie, damit Sie Rede und Antwort stehen können und nicht mehr in Schweigen verfallen müssen. (Beifall bei den Grünen.) Herr Bundes­kanzler, ich glaube, Sie brauchen noch mehr: Sie brauchen vor allem Mut, um endlich jene Dinge zurechtzurücken, die Sie von den einfachen Menschen verlangen. Sie brauchen endlich Mut und Durchgriffsfähigkeit, um in Ihren eigenen Reihen für Gerech­tigkeit gegenüber den Menschen zu sorgen, die heute von Ihnen bereits in Hinblick auf zukünftige Pensionszahlungen – praktisch im Vorfeld – zur Kassa gebeten werden.

Sie haben uns heute bei Ihrer Darstellung eingangs zum letzten Punkt die Politikerpen­sionen präsentiert. Ich habe die betreffenden 15 Zeilen aus dem Protokoll noch einmal ausgedruckt, und ich gebe sie sinngemäß wieder:

Erster Punkt: Pensionsantrittsalter 65: Eins zu eins. Das stimmt für die zukünftigen Pensionen. Für die vergangenen gilt es nicht.

Zweiter Punkt: Doppelanrechnungen wird es nicht mehr geben. – Wir haben es gehört: Stummvoll, Fasslabend werden nur noch einen Bezug erhalten. Es ist wahrscheinlich der höhere. – Sehr gerecht, sage ich da.

Dritter Punkt, den Sie heute Vormittag vorgeschlagen haben: Abschläge für Politiker­pensionen, genauso für ASVG-Pensionen. Herr Bundeskanzler! Ja, Sie haben gesagt, es gibt einen Solidarbeitrag und Abschläge. – Nur: Es ist ein großer Unterschied, ob Sie 15 Prozent von einem siebengängigen Menü wegschneiden oder ob Sie 15 Prozent von einer Wurstsemmel reduzieren. – Darauf möchten wir Sie schon sehr deutlich hin­weisen! (Beifall bei den Grünen.)

Ihr Modell ist kein Eins-zu-eins-Modell, sondern auf der einen Seite ein starkes Abbau- und Kürzungsmodell für die ASVG-PensionistInnen und auf der anderen Seite ein mo­derates, weniger steigendes Politikerpensionssystem für die zukünftigen Politikerpen-


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sionen. Die dritte Seite dieses Modells besteht darin, dass Sie die alten Politikerprivile­gien sozusagen unter dem Titel des Vertrauensgrundsatzes weiter aufrechterhalten. Das ist kein Eins-zu-eins-Modell! Das ist unseres Erachtens nach wieder eine Blama­ge, die wir uns eigentlich auf Grund der Situation nicht leisten sollten.

Konkret noch zu meinen Kollegen: Ich habe schon den Vertrauensgrundsatz erwähnt. Herr Kollege Trinkl, Sie haben argumentiert, es dürfte nicht in erworbene Rechte ein­gegriffen werden, und zwar auf Grund des Vertrauensgrundsatzes. Ja, gut! Nur, dann machen Sie es bei allen so! Aber Sie greifen ja ein. Sie kürzen ja den so genannten Steigerungsbetrag von 2 Prozent auf 1,7 Prozent. Da verletzten Sie den Vertrauens­grundsatz! Aber wo es um die Politikerpensionsprivilegien ehemaliger Politiker geht, die jetzt in Pension gehen, da greifen Sie nicht ein, da gibt es den Solidarbeitrag. Das ist sozusagen ein bisschen etwas für die Almosenkassa. Wenn Sie Vertrauensgrund­sätze einhalten wollen, dann überall, aber nicht nur dort, wo es Ihnen passt. – Das ist das eine.

Das Zweite, Herr Kollege Trinkl: Ich glaube, wenn jemand das Wort „Pharisäer“ nicht in den Mund nehmen darf, dann sind Sie es. Meines Erachtens waren Ihre Vorwürfe im Zusammenhang mit Universitätsprofessorenpensionen et cetera der Debatte höchst abträglich. Das hat überhaupt nichts mit Politikerpensionen zu tun.

Drittens zu meiner Kollegin Bleckmann: Sie haben sich auf die EU-Diskussionsebene hinweggeschwindelt, um dem eigentlichen Problemhorizont, nämlich in den eigenen Reihen für Ordnung zu sorgen, auszuweichen. Erinnern Sie sich doch an Ihren Kolle­gen Ofner. Sie waren damals in der Steiermark, aber wahrscheinlich kennen Sie ihn sehr wohl persönlich. Er hat Jahre hindurch doppelt kassiert: die Ministerpension und das Gehalt als Abgeordneter, durch Jahre hindurch, frisch fröhlich, tagein tagaus.

Lesen Sie das heute in der „Ganzen Woche“ nach! Er hat nicht einmal ein schlechtes Gewissen! Er sagt, meine Güte, er habe ohnehin so viel in die FPÖ-Parteikassa einge­zahlt, er habe – ich glaube – mindestens 2 bis 3 Millionen im Laufe dieser Jahre an die FPÖ-Kassa abgeliefert. – Das möchte ich mir wirklich gerne ansehen!

Zum Abschluss noch zum Grundsätzlichen: Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Sie sagen immer wieder, die demographischen Faktoren seien ausschlaggebend für die „Pensionssicherungsreform.“ – Ich zitiere Sie.

Das ist die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist meines Erachtens nach, dass es immer eine Frage der Verteilung des gesamten Volkseinkommens ist. Es geht darum, in welche Richtung ich die Verteilung vornehme. Ich kann natürlich auf Grund der de­mographischen Situation eine Verteilungsveränderung vornehmen, aber Ihre Varian­te davon ist sowohl bei der ASVG-Pension als auch wahrscheinlich bei den zukünftigen Harmonisierungsverhandlungen eine Verteilung, die bei den Schwächeren massiv deutlicher, tiefer und kräftiger einschneidet.

Abschließend meine ich daher, dass deshalb gerade angesichts Ihrer falschen Vertei­lungspolitik das Aufrechterhalten der alten Politikerpensionsprivilegien nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen ist – der MindestlohnbezieherInnen, der Jugendli­chen, also allgemein derer, die in den unteren Einkommensgruppen und in prekären Beschäftigungsverhältnissen angesiedelt sind –, sondern auch etwas, das Ihre eigene Glaubwürdigkeit nicht nur täglich ankratzt, sondern auch in Zukunft noch massiv be­lasten wird.

Ich schließe noch mit einem Zitat von Ihnen, Herr Bundeskanzler. Sie haben ja so eine Art Sonntagspredigt im Stephansdom gehalten, und da wiesen Sie darauf hin – das war immerhin eine Sonntagsrede, im Parlament sprechen Sie anders –, dass die Infra­ge­stellung des Besitzes um die Bereiche Privilegien und Verteilung zwischen den Ge-


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ne­rationen erweitert werden müsse. – Bitte machen Sie das doch ordentlich und ma­chen Sie das doch im eigenen Haus! Kehren Sie vor Ihrer eigenen Türe und machen Sie das vor allem bei den Politikerpensionen! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.19

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Frau Abgeordnete Dr. Moser vorgetragen hat, ist ordnungsgemäß eingebracht und wird abgestimmt wer­den.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Scheuch. Freiwillige Redezeitbe­schränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Diskussion über die Privilegien der Politiker ist speziell natürlich für junge Mandatare, wie ich einer bin und auch wie viele andere, die hier herinnen sitzen, eine zum Teil unverständliche, weil wir ja in einem System arbeiten, tätig sind, das diese Privilegien überhaupt nicht vorsieht. Umso mehr möchte ich aber schon einmal betonen und hier erwähnen, dass diese Privile­giendiskussion eine sehr alte ist. Sie ist nämlich genauso alt und wird schon genauso lange in diesem Hohen Haus geführt, wie die Freiheitlichen eine entsprechend starke Kraft hier sind und sich mit diesem Thema beschäftigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine geschätzten Damen und Herren von den Grünen! Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen, Sie sind heute außerhalb meines Schussfeldes. Es ist ganz klar, dass sich zwei starke Altparteien diese Privilegien natürlich sehr lange gerichtet haben und dass es die Diskussion gebraucht hat, um Entwicklung hineinzubringen. Es waren die Frei­heitlichen, die das gemacht haben!

Der Rückblick in das Jahr 1996, der heute schon des Öfteren erfolgt ist, ist ein richti­ger. Es gab einen Vier-Parteien-Antrag, wobei es fünf Parteien im Parlament gab. Wir Freiheitlichen – und darauf bin ich stolz! – waren damals die Einzigen, die nicht zuge­stimmt haben. Wir haben einen Alternativvorschlag eingebracht. Wir haben gesagt: Das, was wir vorher gearbeitet haben, lassen wir weiterlaufen! Das ist genau das, was die Grünen fordern. Wären Sie damals mitgegangen, so wären Sie heute glaubwürdig. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Mai­noni: So ist es!) – Danke! Frau Glawischnig klatscht mir wenigstens einmal zu, das ist auch etwas wert!

Herr Kollege Öllinger! Ihre Ausführungen haben mich ein wenig nachdenklich ge­stimmt. Sie sagten hier heraußen, eigentlich hätte die Regierung versprochen, in be­stehende Rechte nicht einzugreifen – ich gebe zu: Das ist wichtig! –, aber man sollte das dann machen unter dem Motto: Wenn wir ein bisschen eingreifen, dann sollten wir gleich ganz abräumen! – Das ist scheinheilig: Sie predigen Wasser und trinken Wein! Ihre Haltung erinnert mich ein wenig an jene eines Autofahrers, der sagt, normal darf man im Ortsgebiet 50 fahren, aber wenn ich schon ein wenig schneller fahre, dann fahre ich gleich mit 180 durch. Das ist nicht gerechtfertigt, und das werden Sie den Leuten auch nicht glaubhaft machen können. (Abg. Dr. Glawischnig: Das habe ich jetzt nicht verstanden! Noch einmal, Herr Kollege!)

Da die Ränge Gott sei Dank etwas gefüllt sind, darf ich einmal etwas klären, was heute auch schon gesagt wurde. In dieser ominösen alten Regelung, von der immer gespro­chen wird, befinden sich hier in diesem Haus noch sage und schreibe 21 Mandatare, sofern meine Aufstellung richtig ist: ein Grüner, eine Freiheitliche, sieben Mandatare von der ÖVP und zwölf Mandatare von der SPÖ. (Abg. Dr. Rasinger: Furchtbar!) Wenn man das so hört, dann versteht man auch, warum Herr Kollege Cap so strei-


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chelweich war, dass ich mich überhaupt nicht mehr ausgekannt habe. Als er von die­sem ominösen Mittagessen gesprochen hat, das er vor ein paar Tagen gehabt hat, war ich schon fast der Meinung, er sei beim Spargel-Essen dabei gewesen, so sehr hat er auf einmal ein Plädoyer dafür gehalten, was man in Zukunft alles verändern sollte.

Nur, Herr Kollege Cap, gegen Ende Ihrer Rede hatte ich fast den Eindruck, dass Sie zum Schluss noch sagen werden: Wir sind alle so fleißig und so unterbezahlt!, und dass Sie womöglich noch eine Lohnerhöhung für uns Parlamentarier fordern werden. Zumindest hatte ich beinahe diesen Eindruck. (Abg. Dr. Cap: Arbeitsbedingungen!) Es hat wirklich fast so geklungen, als wollten Sie eine diesbezügliche Erhöhung.

Deshalb, meine geschätzten Damen und Herren von der Opposition, muss ich Sie ganz ehrlich fragen: Können Sie mit ruhigem Gewissen hier herinnen sitzen und sagen, dass Sie gegen einen 15-prozentigen Solidarbeitrag sind? Können Sie mit ganz ruhi­gem Gewissen sagen, dass Sie gegen die Abschaffung der Doppelbezüge sind? Kön­nen Sie mit ruhigem Gewissen sagen, dass Sie gegen eine Anpassung des ASVG-Pensionsantrittsalters und des Pensionsantrittsalters von Politikern sind? Können Sie das wirklich draußen vertreten? – Ich glaube und bin davon überzeugt, dass man das nicht vertreten kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist – das möchte ich wirklich sagen – ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Ich bin bei Ihrer Kritik und sage: Es ist vielleicht nicht das Ende des Weges, und wir wer­den sicher auch weiter darüber diskutieren müssen, wo wir noch nachbessern können. Nur: Man muss einmal einen Schritt setzen, um etwas in Bewegung zu bringen. – Dan­ke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


16.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich als Nächster Herr Abge­ordneter Mag. Kogler. Die Uhr ist wunschgemäß auf 6 Minuten gestellt. Redezeit der Grünen: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.25

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschichte mag eine unend­liche sein, was die Politikerprivilegien betrifft, sie ist aber leider noch immer eine. (Abg. Großruck: Wo gibt es Politikerprivilegien?) – Bei diesen Pensionen, von denen wir hier reden, und zwar einerseits bei den Pensionen für Altpolitiker, die schon in Pension sind, und bei jenen, die zum Teil noch hier sitzen, aber eine Pension nach altem Sys­tem bekommen. Das haben wir ja zuvor auseinander geklaubt.

Wissen Sie, Herr Kollege Großruck, warum es so unverständlich ist, dass Sie sich da so aufregen? – Weil Sie hier einen Kollegen gehabt haben, der hier den Vertrauens­schutz noch einmal gepredigt hat. (Abg. Großruck: Ich habe keine Pension!) – Hören Sie einmal zu! Hier wird der Vertrauensschutz in ein System von Privilegien gepredigt, das nach wie vor einzigartig auf der Welt ist. (Abg. Großruck: „Einzigartig auf der Welt“! Schauen wir doch nach Deutschland!) Sie predigen den Vertrauensschutz in den übelsten Privilegienstadel, den es in diesem einen Bereich noch gibt. Sie sind nicht bereit, ihn abzuschaffen. Das ist hier klar herausgekommen!

Nach der „Trägerrakete Scheibner-Molterer“ stellt sich jetzt heraus, dass sie sich nicht irgendwo aufgelöst oder verirrt hat, sondern dass sie immer noch trifft. Es hat nur ein paar Behübschungen gegeben, aber die „Trägerrakete“ irrt herum und hat so viel Ver­wirrung gestiftet, dass der Bundeskanzler nicht einmal in der Lage ist oder auch nicht willens ist, eine gescheite Auskunft darüber zu geben, wie es mit diesem Privilegien­stadel endlich einmal zu Ende gehen soll. Sie von der ÖVP sind offensichtlich nicht dazu bereit, das zu beenden. (Beifall bei den Grünen.)


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Es wird nicht daran gerüttelt, dass wir hier Pensionsanspruchsberechtigte mit vier Jah­ren Arbeitszeit haben, Herr Kollege, und zwar bereits in der Höhe von 50 Prozent. (Abg. Scheibner: Das gibt es in Zukunft nicht mehr! Die, die es betrifft, haben es ja schon! Da können Sie nicht eingreifen! Da hilft Ihnen nicht einmal eine Verfassungsbe­stimmung! Das wissen Sie ja!) Ja, Sie sagen, dass es das in Zukunft nicht mehr gibt, aber es rennen noch einige herum, die das lukrieren, die dann nämlich noch vom Leis­tungsträgersystem sprechen, Kollege Scheibner. Vom Leistungsträger wird hier ge­sprochen. Das ist völlig unglaubwürdig!

Es geht hier nicht um die paar Millionen, die wir uns da ersparen, ich gebe das schon zu, aber der Gewinn bei dieser Sache wäre doch ein viel größerer. Der Gewinn wäre, dass hier ein Anspruch erwirkt wird, dass hier an diesem Pult von Leuten darüber ge­sprochen wird, denen man auch wieder etwas glauben darf. Ihnen ist in diesem Punkt die Glaubwürdigkeit, und zwar, wie ich meine, zu Recht, schon längst abhanden ge­kommen. Sie verlieren heute wahrscheinlich die letzte Chance, hier noch irgendetwas zu reparieren, Sie eben auch von den „F“. Aber darauf werde ich noch zu sprechen kommen.

Sie verwirken jeden Anspruch. Dann sich noch hier herzustellen und auf die Streikbe­wegung zu schimpfen, das ist die Unglaubwürdigkeit, die Sie hier auszubaden haben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da wir gerade bei der FPÖ sind: Das Problem ist ja nicht, dass irgendwo von den Grü­nen zugestimmt worden wäre oder nicht, wenn wir das jetzt reparieren könnten. Es ist doch völlig klar, dass einem Gesetz zugestimmt worden ist, das wesentliche Verbesse­rungen gebracht hat, weil mit diesen Dingen endlich Schluss gemacht wurde, und zwar unter Verhandlungsführung durch Präsidenten Fiedler und unter grüner Beteiligung. (Abg. Scheibner: Da müsstet ihr da zustimmen!) Der Punkt ist doch der, dass Sie nicht bereit waren, bei den entsprechenden Abänderungen für das alte System mitzustim­men, jedenfalls die Mandatare von der ÖVP, nicht einmal jene von der FPÖ. Wenn Sie in Ihrer Oppositionszeit grundsätzlich überall dagegen gestimmt haben, dann haben Sie jetzt hier – entschuldigen Sie den Ausdruck, Herr Präsident – mit der vollen Hose leicht stinken. Glaubwürdig ist das überhaupt nicht!

Wenn das so wäre, dann würden Sie nämlich heute hier hergehen und diesem Ansin­nen näher treten – das tun Sie aber in den Vier-Parteien-Verhandlungen nicht, wir wis­sen das –, dass alle Ansprüche aus diesen alten Systemen herausgenommen werden sollen. Es soll niemandem etwas weggenommen werden in dem Sinn, dass Einzah­lungsbeiträge bleiben müssen. (Abg. Scheibner: Woher wissen Sie das? Genau das haben wir vertreten!) – Natürlich, ich habe mich ja informiert. Diese Beiträge sollen herausgenommen werden und dann in ein ASVG-adäquates System oder überhaupt gleich ins ASVG-System übergeführt werden. Das wäre ein glaubwürdiger Beitrag.

Sie reden sich aus auf die Verfassungsgesetze, möglicherweise darauf, dass auch die SPÖ nicht mittun will, aber glaubwürdig sind Sie in diesem Punkt nicht.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, von der FPÖ, Sie haben auch in diesem Bereich versagt. Vom Vertreten des „kleinen Mannes“ kann keine Rede mehr sein, aber es wundert mich auch nicht. Es hat doch eine lange Tradition von Götz bis Gaugg. Ich habe als Politiker im Grazer Gemeinderat angefangen und kann sagen: Den allergröß­ten Privilegiendschungel, der mir untergekommen ist, hat es dort unter blauer Führung gegeben. Das hat sich durchgezogen bis zum Kollegen Gaugg hier am Schluss.

Jetzt hat sich einmal mehr erwiesen, dass Sie als Vertreter des „kleinen Mannes“ und als Antiprivilegienpartei längst abgedankt haben.


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Deshalb haben Sie nun die letzte Chance auf Glaubwürdigkeit: Verschmeißen Sie Ihre „Trägerrakete“, machen Sie einen gescheiten Antrag, der endgültig mit diesen Privile­gien aufräumt – und sonst hüllen Sie sich in Schweigen! (Beifall bei den Grünen.)

16.30

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


16.31

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Abgeordneter Kogler, da Sie mich oder meine Fraktion zum Schweigen auffordern, fühle ich mich gefordert, hier noch an das Rednerpult zu treten und auf das einzugehen, was Sie hier vorgebracht haben.

Zum Ersten haben Sie gesagt, Sie würden es aus den Verhandlungen wissen, dass wir uns nicht für die Möglichkeit eines Optionsrechtes ausgesprochen haben, das heißt, dass all jene, die noch im alten System sind, diese Ansprüche in das ASVG-System mitnehmen und zusätzlich eine Pensionskassa eingerichtet wird. – Das ist falsch. Ich weiß nicht, wer Sie informiert hat; sicher nicht der von Ihnen entsandte Verhandlungs­führer Professor Van der Bellen, denn er ist, wie ich glaube, ein redlicher Politiker. Er wird Sie nicht falsch informiert haben.

Das Gegenteil ist der Fall: Es war von Beginn dieser Verhandlungen an auch meine Forderung, dass man auch in diesem System, in diesem Gesamtpaket die Regelung schafft, die für viele von uns – auch für mich – seit 1997 gegolten hat, nämlich ein Wahlrecht für jene zu machen, die schon Anwartschaften erworben, aber noch keinen Anspruch auf eine Politikerpension gehabt haben, um in das neue System wechseln zu können. Das war leider nicht verhandelbar, das sage ich hier ganz klar und deutlich. Trotzdem bin ich sehr froh, dass wir diesen Antrag jetzt präsentieren und darüber dis­kutieren können. Ich bin auch sehr froh – ich muss das wirklich anerkennen – über die Ausführungen des Abgeordneten Cap, verstehe aber nicht ganz die völlige Ablehnung der Grünen in diesem Bereich. Das heißt, ich verstehe sie dann nicht, wenn man wirk­lich versucht, einen sachlichen Konsens zu erreichen, und das haben wir in den Vier-Parteien-Gesprächen versucht. Aber die Grünen haben sich ausgeklinkt, weil sie ge­sehen haben – politisch durchaus verständlich –, dass sie in dieser Privilegienfrage entsprechend agitieren und politisches Kleingeld herausholen können. Ich sage: poli­tisch verständlich, weil auch die Freiheitlichen dieses Prinzip des Antiprivilegienkamp­fes immer hochgehalten haben.

Sie haben aber jetzt hier vollmundig begründet, warum Sie damals der jetzt geltenden Regelung im Jahr 1997 in dritter Lesung, also dem Gesamtpaket, zugestimmt haben: weil Sie damit einige negative Aspekte abschaffen wollten. Aber damit haben Sie auch für die Beibehaltung des alten Privilegiensystems gestimmt, und das müssen Sie auch dazusagen. Das, was Sie jetzt kritisieren, dass wir das nicht abgeschafft haben, haben Sie damals durch Ihre Zustimmung in der dritten Lesung einzementiert. Wenn man das so argumentiert, dann verstehe ich nicht, warum man jetzt unserem Antrag die Zu­stimmung verweigert, obwohl wir für die Altpolitiker eine weitgehende Anpassung an das ASVG-System machen, und zwar dort, wo das eben möglich ist, nämlich beim Pensionsantrittsalter mit 65 Jahren, mit den entsprechenden Abschlägen in der Über­gangszeit, mit dem Entfall von Doppelpensionen oder Aktivbezug und Pension und mit der Einführung eines Solidaritätsbeitrags in der Höhe von 15 Prozent.

Warum sind es 15 Prozent? – Es sind 15 Prozent, weil das der Verfassungsgerichtshof als gerade noch zulässigen Eingriff in bestehende Pensionen erachtet hat. Und darum geht es, Herr Abgeordneter Kogler und meine Damen und Herren von den Grünen! Sie wissen es, dass es nicht möglich ist, in bereits erworbene Ansprüche einzugreifen,


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schon gar nicht ohne Verfassungsbestimmung. Und diese Verfassungsmehrheit gibt es in diesem Hause nicht, aber wahrscheinlich geht es auch nicht mit einer Verfassungs­bestimmung, Herr Kollege Öllinger!

Ich bedauere das, denn ich bin meilenweit davon entfernt, all diese Pensionshöhen und all die „Nebengeräusche“ für die jetzt im Ruhestand befindlichen Altpolitiker zu verteidigen und für gut zu befinden. Aber der Rechtsstaat, meine Damen und Herren, gilt in Österreich für alle. Das kann man jetzt bedauern oder nicht, aber es ist so, er gilt auch für Politiker in diesem Land. Deshalb können wir das bedauern und kritisieren, aber wir haben keine Möglichkeit, in diese erworbenen Pensionen einzugreifen.

Die Harmonisierung des Pensionssystems für die Politiker, meine Damen und Herren, die Sie verlangt haben, ist bereits gegeben. Wir brauchen es nicht abzuschaffen, Herr Kollege Öllinger, dass in Zukunft ein Minister nicht mehr nach vier Jahren einen Pensi­onsanspruch erwirbt, weil er ihn in Zukunft nicht erwerben kann. All jene, die ihn ha­ben, haben ihn schon erworben, und es wäre wieder mit verfassungsrechtlichen Prob­lemen verbunden, wenn wir in diesen Bereich eingreifen würden. (Beifall bei den Frei­heitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich finde das schade und bedauerlich, aber das ist der Rechtsstaat, der auch in diesem Fall Gültigkeit hat. Deshalb, meine Damen und Herren, glaube ich, dass unser Antrag ein tauglicher Kompromiss ist.

Ich sage auch, bezüglich der Entgeltfortzahlung wäre ich persönlich und auch viele meiner Fraktion radikaler gewesen, als wir es in diesem Antrag formuliert haben. Ich weiß aber, dass Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, da Ihre Interessen haben, die nicht den Grundsätzen entsprechen, alle Sonderregelungen für Politiker abzuschaffen. Sie sind durchaus der Meinung, dass diese Fortzahlungen, die aber auch nicht mit dem ASVG vergleichbar sind, sachlich gerechtfertigt sind. Wahrschein­lich haben Sie auch deshalb in der Debatte über die Entgeltfortzahlungsregelungen nichts gesagt.

Ich glaube, es ist unfair, dass man dort, wo man selbst nicht betroffen ist, weil die Al­tersstruktur der Abgeordneten anders ist, hineinfährt und parteitaktisch agiert, und dort, wo man selbst Interesse daran hat, diese Sonderregelungen in Anspruch zu nehmen, still ist, weil man froh ist, dass sie erhalten bleiben.

Ich sage Ihnen, ich wäre durchaus für die Abschaffung der Fortzahlung. Es gab den Kompromiss, diese um mehr als die Hälfte, um fast zwei Drittel, zu reduzieren.

Ich glaube, dieser Antrag kann sich sehen lassen! Ich hoffe, dass Sie bis zur zweiten Lesung noch Einsicht haben und nicht Ihre unterschiedliche Argumentation wie im Jahr 1997 verwenden, als Sie gesagt haben, es gab einige Punkte, die gut waren, dass sie abgeschafft worden sind, deshalb haben wir zugestimmt. Jetzt sind alle Punkte gut, die wir abschaffen und in diesem Antrag regeln. Weitergehendes wäre auch gut gewe­sen, ist aber entweder verfassungsrechtlich oder von den Verhandlungen her nicht möglich gewesen. Aber ich bin froh, dass diese Reform, so wie wir sie ausgearbeitet haben, jetzt auf dem Tisch liegt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.37

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

16.37

 


Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Mi­nister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich setze voraus, ich hätte jede Reform und jedes Ergebnis, das hier erzielt wurde oder wird, akzeptiert.


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Ich möchte auch gleich zu Beginn meiner Rede bekannt geben und ein Geständnis ablegen, dass ich zu jenen gehöre, die sich offensichtlich noch im alten, vermeintlich privilegierten System befinden, weil ich, so wie einige andere auch – egal, ob hier oder da oder woanders, fraktionell gemeint –, seit 1983 im Parlament bin.

Meine Damen und Herren! Ich habe mich daher erkundigt, wie hoch denn diese „sa­genhaft privilegierte“ Pension eines Parlamentariers ist. Ich habe mir den Original-Auszahlungszettel eines Kollegen besorgt, der 16 Jahre hier im Parlament saß und voriges Jahr anlässlich der Neuwahlen in Pension ging. Er erhält als Parlamentarier netto 1 215,10 € Pension. (Zwischenruf des Abg. Brosz.) Natürlich bekommt er auch – das sei hinzugefügt – eine Pension aus seinem Privatberuf.

Meine Damen und Herren! Ich habe mich bei einem zweiten Kollegen erkundigt, der bereits länger in Pension ist. Er erhält als Abgeordneter ganz genau 1 344 € Pension. Und er bekommt aus seiner Privatpension nicht ganz 1 000 €.

Meine Damen und Herren! Dann habe ich nachgeschaut, wie viel ich als Jakob Auer, der seit 20 Jahren hier im Parlament ist, so wie einige andere auch, pro Monat für einen Pensionsbeitrag leiste: Es sind genau 1 496,07 €. Jetzt gibt es im neuen System die Möglichkeit, dass man sich nicht einer Pensionskasse bedient, dass man nichts einzahlt, weil man selbst gestalten kann und will oder soll – wie immer jemand seine Pension oder Zukunftsvorsorge gestaltet.

Meine Damen und Herren! Wenn ich, so wie viele andere auch, keinen Abzug in der Höhe von 1 497 € habe, dann erspare ich, wenn ich 20 Jahre lang einbezahlt habe und eine durchschnittliche Lebenserwartung in der Pension von 20 Jahren habe, immerhin mehr, als ich dann in der Pension ausbezahlt bekommen würde. Das sei einmal dazu­gesagt.

Meine Damen und Herren! Daher wurmt es mich ein wenig, wenn hier ständig von privilegierten Politikern gesprochen wird. Jeder soll selber wählen, jeder kann selber gestalten.

Wenn ich diese 20 Jahre noch verzinse und das Glück habe, weiter gewählt zu wer­den – wenn ich 60 bin, dann werde ich 26 Jahre hier im Parlament sein –, dann werde ich so lange einbezahlt haben – mehr, als ich je als Pension bekommen würde.

Es wird oft der Vorwurf erhoben, die Minister hätten so hohe Pensionen und es gebe darunter Privilegierte. Ich nehme einmal an – egal, ob Minister, ob Klubobmann, ob Präsident eines Parlaments –, dass eine solche Person unbestritten zu den Führungs­kräften Österreichs gehört. Ich glaube nämlich nicht, dass ein Klub – ob von den Re­gierungs- oder den Oppositionsparteien – jenen Mandatar, der gerade neu ins Parla­ment gekommen ist, zum Klubobmann oder zum Nationalratspräsidenten wählt oder ihn vielleicht in ein Ministeramt schickt. Das nehme ich nicht an, sondern jede Fraktion wird bemüht sein, ihre besten Leute zu nominieren; und ich spreche keiner dieser ge­nannten Persönlichkeiten – gleich von welcher Fraktion – irgendeine Fähigkeit ab.

Meine Damen und Herren! Was aber die Bezahlung dieser Führungskräfte und auch die Pensionsregelung derartiger Führungskräfte betrifft, so genügt es ohne weiteres, wenn man sich einmal den Rechnungshofbericht über halbstaatliche oder verstaatlich­te Betriebe in Österreich ansieht, und man wird feststellen können: Über Bezüge, wie sie Politiker bekommen, können solche Manager nur lächeln! Das sei auch einmal klar gesagt.

Es ist ja besonders bemerkenswert, wenn Generaldirektoren in Medien verkünden: Eigentlich sind Minister schlecht bezahlt, aber die Pensionsvorsorge ist zu hoch. – Wenn ein österreichischer Minister eine Jahresgage zwischen 700 000, 800 000 oder


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900 000 € erhielte, kann er auch bei weitem auf seine Pensionsregelung verzichten. Und ich kenne mich da ein wenig aus – das können Sie mir glauben.

Meine Damen und Herren! Wenn ein Politiker mehrere Funktionen bekleidet – da braucht er nicht einmal einen großen Wahlkreis zu haben –, so ist er ein „Ämterkumu­lierer“, ein „Mehrfachbezieher“, ein „Privilegienritter“ und so weiter. – Wenn ein Mana­ger in seinem Betrieb erfolgreich verschiedenste Funktionen bekleidet, so verneigt man sich hochachtungsvoll in Ehrfurcht davor, was dieser Manager alles leistet, wie großar­tig er den Betrieb führt.

Meine Damen und Herren! Wenn eine Führungskraft in der Wirtschaft dies macht, ist diese eine interessante und leistungsbereite Führungskraft, vor der man Respekt hat. Diese Führungskraft muss man entsprechend bezahlen. Nur in der Politik sagt man: Pfui! – Alle bemühen sich, das Image selbst zu beschädigen – ganz gleich von welcher Fraktion, auch von der eigenen. Und dafür schäme ich mich manches Mal. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

Wenn ein TV-Journalist ungleich mehr verdient als ein österreichischer Minister, dann ist das entweder ein „Fernsehliebling“, ein „perfekter Fernsehsprecher“ oder sonst ein erfolgreicher Mann, eine erfolgreiche Frau. Respekt wird ihm/ihr entgegengebracht. Wenn ein Privater – ganz gleich ob als Arbeitnehmer, als Gewerbetreibender, als Bauer oder was auch immer – nur annähernd eine solche Stundenzahl aufzubringen hat wie jeder hier im Parlament, dann verneigt man sich in dessen Wohnort ehrfurchts­voll vor ihm und sagt: Das ist ein leistungsfähiger, fleißiger Mensch, hervorragend, vor dem haben wir Respekt! – Nur bei einem Politiker heißt es wiederum: furchtbar, ent­setzlich, katastrophal!

Meine Damen und Herren! Man kann es sich aussuchen, ob in Zukunft in diesem Haus nur mehr Beamte – ohne dass ich auch nur irgendetwas Negatives gegen Beamte sa­ge – oder Lehrer sitzen – und auch da hüte ich mich, über diese etwas Negatives zu sagen; wir sollten wissen, dass Pädagogen nicht immer ein leichtes Leben haben. Ich will es so formulieren: Ich will nicht haben, dass nur noch jene hier vertreten sind, de­ren Rück­kehrrecht – ganz gleich, wo – gesichert ist. Ich möchte auch nicht haben, dass nur noch Großgrundbesitzer oder Großindustrielle hier im Parlament sind, sondern ein Querschnitt aus allen Berufen. Und wenn ich das haben will, dann werde ich mich auch in Zukunft dazu bekennen müssen, dass die politischen Vertreter adäquat bezahlt wer­den und entsprechende Vergütungen erhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

Niemandem würde es einfallen, dass ein VOEST-Generaldirektor, ein OMV-General­direktor oder ein Inhaber eines privaten Betriebes die gleiche Entschädigung, sprich dieselbe ASVG-Pension erhält wie der zuletzt eingetretene Arbeiter oder die zuletzt eingetretene Arbeiterin in seinem Betrieb. (Abg. Scheibner: Das zahlt aber nicht der Staat!)

Meine Damen und Herren! Ich sage ausdrücklich dazu: Gerade dieser Antrag nimmt Politikern – jetzt kann man sagen: zu Recht – dementsprechend etwas weg. Es werden viele Unebenheiten beseitigt, die vielleicht zu beseitigen sind. Ich sage auch ausdrück­lich: Respekt vor dem, was Herr Klubobmann Cap in Bezug auf die Arbeitsbedingun­gen des österreichischen Parlaments gesagt hat!

Ich habe mich erkundigt, wie es in Deutschland, von Rot-Grün geführt, aussieht. Dort be­kommt ein Abgeordneter eine Pension, wenn er 18 Jahre Bundestagszugehörigkeit hat, ab 55. Jedes Jahr weniger an Bundestagszugehörigkeit: ein Jahr später in Pensi­on. Die Bezugsfortzahlung läuft 18 Monate – nicht so, wie es in Österreich in Hinkunft sein wird, mit sechs und drei Monaten –, sofern der Abgeordnete 18 Jahre lang im


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Bundes­tag vertreten war. Bei jedem Jahr weniger erhält er auch einen Monat weniger Bezugs­fortzahlung.

Meine Damen und Herren! Ein deutscher Bundestagsabgeordneter erhält 4 000 € zu­sätzlich steuerfrei als Amtspauschale monatlich zu dem, was ein österreichischer Par­lamentarier erhält. Ein deutscher Bundestagsabgeordneter hat zusätzlich pro Monat 8 979 € zur Wahlkreisbetreuung für Mitarbeiterfinanzierung, zusätzlich noch den Ar­beitgeberbeitrag, das Weihnachtsgeld und andere Dinge. Ein deutscher Bundestags­abgeordneter kann seine Wahlkreisarbeit anders gestalten als ein österreichischer Na­tionalratsabgeordneter. Darüber werden wir auch einmal zu reden haben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Restli­che Redezeit der grünen Fraktion: 3 Minuten. – Bitte.

 


16.47

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Kollege Auer, ich möchte Sie direkt an­sprechen: Ja, vieles von dem, was Sie über Aktiveinkommen beziehungsweise Ar­beitsbedingungen von Politikern gesagt haben, würde ich unterstreichen. Wir sollten uns nicht – das ist auch meine Erfahrung – für die Gehälter, die wir bekommen, genie­ren. Aber wir haben nicht ausführlich – ich würde gerne darüber diskutieren – über die Arbeitsbedingungen von Politikern, auch über die Arbeitsbedingungen von Abgeordne­ten diskutiert. Das ist jedoch nicht der Punkt.

Ich bin es leid – so wie viele andere, die nichts mit dem alten System zu tun haben, die auch nicht optieren konnten, so wie Sie –, mich für ein System genieren zu müssen, in dem es reicht, wenn man drei Jahre lang Minister und zehn Jahre lang Abgeordneter war, dass man zwei Pensionen bis zum Maximum erhält, nämlich nicht nur für drei Jah­re als Minister eine Pension, sondern zusätzlich für zehn Jahre als Abgeordneter eine zweite Abgeordnetenpension. Ich bin es leid, dass ich mich dafür rechtfertigen soll, dass ich das legitimieren soll. (Abg. Scheibner: Das wird abgeschafft durch den An­trag!)

Ich erwarte von Mitgliedern einer Bundesregierung, die sich für die Harmonisierung der Pensionssysteme ausgesprochen haben, die in Kirchen, so wie der Herr Bundeskanz­ler, über den Verteilungskampf zwischen Jung und Alt sprechen – und das hat er ge­macht –, etwas anderes. Sie sagen, die alten Menschen sitzen auf den Privilegien und wollen nichts hergeben. Aber wenn es um Politikerpensionen geht, schaut es plötzlich anders aus. Dann sagen Sie: Nein, das können wir nicht machen. Wir können das nicht ändern.

Ich bin es leid, darüber diskutieren zu müssen. Ich will nicht über Kollegen Auer, der gar nichts dafür kann, dass er bei den Pensionsansprüchen im alten System ist, disku­tieren, sondern über jene KollegInnen – ich habe das auch schon öfters deutlich ge­macht –, die sich herstellen und sagen: Es muss Schluss sein mit den Privilegien im ASVG-Bereich, bei den Eisenbahnern, bei den Bauern, bei den Beamten. Die erhalten zu viel. – Aber dann, wenn es darum geht, in ihrem eigenen Pensionssystem zu redu­zieren, sagen diese KollegInnen: Das geht leider nicht, da gibt es verfassungsrechtli­che Probleme.

Niemand hindert Sie daran, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, im System des Bezügegesetzes bei den wenigen Altpolitikern Steigerungsbeträge von 1,78 pro Jahr – das wäre die Analogie zum ASVG – vorzusehen. Darauf haben Sie vergessen! Auf diese Idee kommen Sie gar nicht!


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Niemand hindert Sie daran, jene unselige Bestimmung, die im Bezügegesetz 48 Pro­zent des Bezugs als Mindestpension garantiert, zu streichen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nein, das haben Sie nicht gestrichen! Aber wir müssen dann darüber disku­tieren, dass möglicherweise 630 € oder 1 000 € im ASVG-Bereich beziehungsweise auch bei den Bauern schon das Maximum ist, was wir in Zukunft bei der Ausgleichszu­lage haben werden.

Das sind die Relationen (Abg. Scheibner: Das sind aber lange drei Minuten Rede­zeit!), und um diese Relationen geht es!

Ich würde mir eine saubere Debatte über Politikereinkommen wünschen (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), aber nicht eine Debatte, bei der man den Ein­druck haben muss, dass wir darauf angewiesen sind, dass man sozusagen mit dem Klingelbeutel herumgeht, weil in einem das Gefühl erzeugt wird, es ginge uns furchtbar schlecht. So ist es nicht! Ich wünsche mir eine saubere und faire Diskussion und durchaus auch (Präsident Dr. Fischer gibt neuerlich das Glockenzeichen) faire Bedin­gungen für aktive Parlamentarier – aber nicht für Politpensionisten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.51

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor, daher schließe ich die Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Abschaffung von Poliltikerprivilegien im Pensionsrecht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abge­lehnt.

Damit haben wir die Verhandlungen über den Gegenstand „Dringliche Anfrage“ abge­schlossen.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zur Durchführung der beantragten Kurzde­batte.

Die Kurzdebatte betrifft den Antrag der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner, Kolle­ginnen und Kollegen, zur Berichterstattung über das Budgetbegleitgesetz 2003 eine Frist bis zum 6. Juni 2003 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird über den Antrag abgestimmt werden.

Wie das bei den Kurzdebatten der Fall ist, beträgt die Redezeit zur Begründung 10 Mi­nuten.

Es hat sich Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll zur Begründung dieses Antrags zu Wort gemeldet. Er hat daher eine Redezeit von 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.53

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute seit 9 Uhr früh hier im Plenum – also schon acht Stunden – über die Causa pri­ma, nämlich über jenes Thema, das innenpolitisch in den letzten Tagen und Wochen mit Abstand das wichtigste war. Das ist verständlich, weil soziale Sicherheit im Alter ein


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fundamentales Anliegen letztlich der gesamten Bevölkerung ist, egal, ob man Arbeit­nehmer, Landwirt oder Gewerbetreibender ist.

Es ist diese heutige Diskussion an sich eine Fortsetzung der sehr intensiven Beratun­gen und Verhandlungen der letzten Tage und Wochen. Wir haben allein im Budget­ausschuss über 90 Stunden lang diskutiert, und zwar sehr intensiv, zum Teil in der Nacht, zum Teil bis in die frühen Morgenstunden. Parallel dazu hat der Herr Bundes­kanzler die Sozialpartner zu einem Runden Tisch eingeladen, wo einmal sogar, soviel ich weiß, von 18 Uhr am Abend an bis 10.30 Uhr am Vormittag beraten und verhandelt wurde.

Es wurde von den beiden Regierungsfraktionen und vom Bundeskanzler wirklich mit ernstem Willen und mit Fairness und Ehrlichkeit versucht, dieses Thema, das wir nun schon seit 18 Jahren auf der Tagesordnung haben – wir haben heute in der Debatte schon gehört: 1986 Dallinger, 1986 Wille, Sozialpartnergutachten 1991, drei Jahre Pensionsreform; das ist also ein Thema, das uns eigentlich seit zwei Jahrzehnten be­schäftigt und das die gesamte Bevölkerung berührt –, endlich in der Form in Angriff zu nehmen, dass nicht nur geredet wird, sondern dass auch konkrete Taten gesetzt wer­den.

Ich rechne das dieser Regierung hoch an, und zwar als einer, der ebenfalls vor 20 Jahren in Reden und in Artikeln immer wieder darauf hingewiesen und gesagt hat: Wir müssen in diesem Bereich handeln! Ich habe vor 20 Jahren eine Diskussion mit Sepp Wille geführt, und wir waren völlig der gleichen Meinung, dass im Pensionsbe­reich dringender Handlungsbedarf besteht.

Wir wissen, was in den letzten zwei Jahrzehnten geschah: Die damaligen Bundeskanz­ler und die früheren Regierungen haben dieses Thema immer zur Seite geschoben. Es war nicht opportun, darüber zu reden. Man war nicht ehrlich genug und hatte nicht den Mut, den Leuten die Wahrheit zu sagen (Abg. Mag. Trunk: Wer war in der Regie­rung?), obwohl die Fakten völlig klar waren. Ich möchte die Formel „3/6/12“ nicht wie­derholen: Drei Jahre später zu arbeiten anfangen, sechs Jahre kürzer zu arbeiten, die Pension zwölf Jahre länger zu beziehen.

Meine Damen und Herren! Dagegen kann man nicht Klavier spielen (Abg. Dr. Pus­wald: Wo war die ÖVP?), und dagegen kann man auch nicht streiken, lieber Herr Kollege! Sie können gegen die Demographie nicht streiken! Der Streik löst – das haben wir heute gehört; Zitat Franz Olah – keine Probleme in diesem Bereich. Der Streik ist kein geeignetes Mittel zur Pensionssicherung. Aber okay, die Gewerkschaften haben diesen Weg gewählt.

Ich möchte als einer, der selbst jahrelang – damals als Generalsekretär der Wirt­schaftskammer – in der Sozialpartnerschaft tätig war, bezugnehmend auch auf das Beiratsgutachten 1991 Folgendes sagen: Ich weiß aus eigener Erfahrung, weil ich selbst oft mitformuliert habe, dass es einfacher ist, in barocken Formulierungen gewis­se konfliktträchtige Punkte zu umschiffen, als ganz konkrete Gesetzentwürfe zu ma­chen. Ich habe selbst solche Formulierungen viele Jahre lang geübt. Glauben Sie mir, ich traue mir jederzeit zu, so zu formulieren, dass ich alle heiklen Punkte umschiffen kann. Aber wenn es darauf ankommt, Nägel mit Köpfen zu machen, wenn es darauf ankommt, zu sagen: Das setzen wir jetzt um, wir wollen nicht nur reden, sondern wir wollen den Menschen auch Sicherheit geben!, dann wird es schwierig.

Meine Damen und Herren! Warum wir heute diesen Fristsetzungsantrag durch unsere beiden Klubobmänner eingebracht haben, das hat einen ganz einfachen Grund: weil in diesen letzten Wochen von der Regierung und im Parlament so viele inhaltliche Zuge­ständnisse gemacht wurden, dass es heute schon Experten gibt, die sagen: Ihr seid


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eigentlich schon zu weit gegangen! – Ich nenne nur die Namen Rürup, Tomandl und Mazal.

Es ist richtig: Experten haben es ein bisschen leichter als Politiker, die eine politische Verantwortung tragen. Dennoch glaube ich, meine Damen und Herren, dass das, was hier an inhaltlichen Zugeständnissen gemacht wurde, nämlich die zum Teil langen Übergangsfristen – bis zu 25 Jahre –, die Deckelung, um die ganze Angstpropaganda wegzubekommen, die Deckelung mit maximal, also im schlimmsten Fall, 10 Prozent, die Zusatzpakete, Maßnahmen für ältere Arbeitskräfte, familienpolitische Maßnahmen, ein Paket ergibt, bei dem wir guten Gewissens sagen können: Wir stimmen dem zu, und wir wollen hier eine Verabschiedung dieses Paketes haben!

Wir wollen morgen im Ausschuss ab 10 Uhr weiterdiskutieren, aber irgendwann muss die Diskussion auch zu Ende sein, denn es kommen ja keine neuen Vorschläge mehr.

Ich gehe nicht so weit, das zu sagen, was heute die größte Tageszeitung des Landes geschrieben hat. Der angesehene Wirtschaftspublizist Georg Wailand hat heute in der „Kronen Zeitung“ geschrieben: Das Pensionskonzept des ÖGB lautet: „Keine Pensi­onsreform, die aber“ ein Jahr „später!“ (Abg. Verzetnitsch: Herr Stummvoll! Das stimmt nicht!)

Das können Sie in der heutigen Ausgabe der „Kronen Zeitung“ nachlesen; das stammt aus der Feder von Georg Wailand. So weit gehe ich nicht. Ich gehe nicht so weit, Herr Präsident Verzetnitsch, aber ich muss auch feststellen: Es kommen von Ihnen keine inhaltlichen Vorschläge. (Abg. Verzetnitsch: Wer sagt denn das?) Nur zu sagen: drei Monate spä­ter!, das allein ist halt zu wenig! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Verzetnitsch.)

Herr Präsident Verzetnitsch, Sie hätten so viel Zeit gehabt, und ich weiß, was die Sozi­alpartnerschaft leisten kann oder leisten könnte. Sie haben jahrelang Zeit gehabt, in diesem Bereich ein gemeinsames Konzept zu erarbeiten. Ich kenne kein Thema, bei welchem die Standpunkte der Gewerkschaften und der Wirtschaftskammer inhaltlich eigentlich so weit auseinander liegen wie gerade in diesen Fragen. (Abg. Verzet­nitsch: Wo denn?) Das ist kein Zufall.

Noch einmal, Herr Präsident Verzetnitsch: Glauben Sie mir – und Sie wissen es ja ge­nauso gut wie ich –, es ist viel leichter, Sozialpartnergutachten zu formulieren, als kon­krete Gesetze in der Verantwortung für die Zukunft zu gestalten und auch zu beschlie­ßen.

Diese Regierung – und da bedanke ich mich auch beim Koalitionspartner – ist ganz offensichtlich die einzige politische Konstellation, die in der Lage ist, solche Reformen in Verantwortung für die Zukunft auch tatsächlich umzusetzen und zu beschließen. (Abg. Verzetnitsch: Wenn Sie sagen „solche Reformen“, dann gebe ich Ihnen Recht!) Das ist Verantwortung für die Zukunft, Herr Kollege! (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

Es ist keine Verantwortung für die Zukunft, alle Probleme in die Zukunft zu schieben. Das ist ein Missverständnis, Herr Präsident Verzetnitsch! Sie missverstehen das. Das ist nicht poli­tische Verantwortung für die Zukunft! Sie schieben alle Probleme in die Zukunft. Wir hingegen versuchen, die Probleme der Zukunft zu lösen. Wir verstehen Politik als Zu­kunftsgestaltung. Für uns besteht Politik darin, den Menschen die Wahr­heit zu sagen, und nicht zu sagen: Es ist alles ohnehin nicht so arg, seid beruhigt!

Glauben Sie mir, Herr Präsident, es wäre für jeden auf der Regierungsbank und für jeden Abgeordneten viel angenehmer, viel lustiger, wenn er den Menschen sagen wür­de: Es passiert eh nichts, wir administrieren weiter!, um die nächsten Wahlen zu ge­winnen. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)


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Wissen Sie, was mein Argument in vielen Diskussionsrunden ist? – Ich sage es be­wusst in der Tonart, in der ich am Wirtshaustisch auch diskutiere: Glaubt ihr wirklich, dass wir so blöd sind und euch bewusst etwas wegnehmen wollen? Glaubt ihr wirklich, dass wir bewusst die nächsten Wahlen verlieren wollen? Wir hätten ein viel schöneres Leben, wenn wir das alles nicht täten. Herr Präsident! Wir tun es aus Verantwortung für die Zukunft, wir tun es nach bestem Wissen und Gewissen, wir tun es aus Verantwor­tung für dieses Land! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Herr Kollege Verzetnitsch! Zwischenrufe und Populismus sind das eine, Verantwortung für das Land ist das andere. – Wir bekennen uns zu dieser Verantwortung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.01

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. Redezeit: 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


17.01

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt 10 Minuten lang die Ausführungen des Kollegen Stummvoll gehört, aber leider keine Begründung für den Fristsetzungsantrag erfahren. Die Wahrheit ist doch eine andere: Warum die plötzliche Eile von Seiten der ÖVP?

Wir hatten eine Diskussion um einen Begutachtungsentwurf, der in Wirklichkeit die erhoffte 1 Milliarde € an Einsparungen bringen sollte. Das einzige Zugeständnis, das wir jetzt haben, ist eine Regierungsvorlage, bei der das ein Jahr später erfolgt, und jetzt gibt es eine weitere Verzögerung des Inkraftsetzens der Kürzung um ein weiteres Jahr. Das alles schafft auch heute keine Notwendigkeit, die Diskussion innerhalb von zwei Tagen abzuschließen. Jener Teil der Pensionsreform in Höhe von 68 Millionen €, der die gesetzliche Pensionsversicherung betrifft, wirkt im Jahr 2004 – der dicke Hund kommt später.

Ein weiteres wichtiges Gesetz in diesem Budgetbegleitgesetz – und das hat überhaupt nichts mit diesem Budget zu tun – ist die Anschaffung der Abfangjäger. Es erzählen uns alle aus den Regierungsfraktionen, in dieser Legislaturperiode wird sich dafür kein einziger Euro für den Steuerzahler zu Buche schlagen. Ja, aber Sie wollen die Schul­den dafür eingehen! Sie wollen jetzt bestellen, weil es offensichtlich einen uns uner­klärbaren Druck gibt, das innerhalb weniger Tage über die Bühne zu bringen. (Abg. Neudeck: Seit einem Jahr reden wir schon!)

Es ist schon sonderbar: Alle Dinge, die nichts mit diesem Budget zu tun haben, sind in dieses Gesetz gepackt, so als gäbe es nach dessen Beschlussfassung keinen Natio­nalrat mehr. Das ist in Wirklichkeit nichts anderes als der Versuch, solange man die Damen und Herren von der FPÖ – ich weiß nicht wie – noch dazu bekommt aufzuste­hen, alles hineinzupacken, um die Beschlussfassungen für die nächsten 18 Monate noch durchzubringen.

Wir haben zwei Budgets, Sie können die Abfangjäger bestellen, Sie haben den Leuten gerade im ASVG-Bereich das Weiße aus den Augen geholt, und man braucht zu kei­nem Punkt mehr die Zustimmung der FPÖ. – Und Sie stimmen hier noch mit? Sie soll­ten gerade zu dieser Fristsetzung nein sagen. Diskutieren Sie doch wirklich einmal den Vorschlag der Frau Staatssekretärin Haubner! Diskutieren wir einmal wirklich, wie wir verhindern können, dass der Hauptteil der Gelder aus dem Bereich des ASVG geholt wird!

Der Bundesbeitrag sinkt von 2 Prozent des BIP auf 1,8 Prozent, und mit dieser Reform von 2 Prozent auf 1,6 Prozent innerhalb von vier Jahren. Vier Generationen ... (Zwi-


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schenruf des Abg. Neudeck.) – Nein, das ändert sich nicht. Dieser Teil bleibt trotz De­ckelung gleich, Herr Kollege Neudeck! (Abg. Neudeck: Es ist Zeit genug, zu reden!) Diese Zeit ist nicht gegeben. Was Sie von der ÖVP hier machen, ist letztlich nichts anderes, als in der Angst, dass die FPÖ-Fraktion wieder umfällt, auf den letzten Drü­cker alles beschließen zu wollen, was es gibt.

Jetzt kommen wir zu den anderen Gesetzen, die überhaupt nicht verhandelt worden sind. Wir diskutieren im Budgetausschuss – ich habe die Nächte schon nicht mehr ge­zählt – über Unterlagen und Grundlagen, die nicht existent sind, über Anträge, zu de­nen er (in Richtung des Abg. Scheibner) sagt, er wollte sie nur paraphieren, aber er wollte gar nicht, dass es Anträge werden. (Abg. Scheibner: Wer ist „er“?)

Bitte, Herr Klubobmann Scheibner, Sie haben uns via Medien mitgeteilt, dass Sie den Antrag nicht gelesen, sondern nur paraphiert haben, und dass nicht daran gedacht war, den Antrag 132/A einzubringen. Dieser Antrag aber mit den neu beabsichtigten Frühpensionen für Politiker trägt Ihre Unterschrift, dieser Fristsetzungsantrag, über den wir hier reden, bezieht sich auf Ihren Antrag auf Einführung neuer Privilegien. – Nur so viel zur Wahrheit! Es gibt eine besondere Dringlichkeit Ihrerseits auf Erledigung des Antrages 132/A im Ausschuss.

Wir haben heute ein neues Vorlagenpaket bekommen – wir haben ja schon gehört, was darin enthalten ist –, das in vielen Dingen Neues bringt. Die Diskussion darüber geht einfach unter, denn nach Abfangjägern, nach Pensionsreform allgemein verbleibt für den Rest der Gesetze keine Zeit. Und das ist genau die Absicht, die Sie verfolgen. Sie wollen weder über die Steuerreform noch über die anderen Gesetze ordentlich diskutieren, sondern Sie wollen nur rasch einen Blankoscheck für den Kanzler, damit die FPÖ dann nicht mehr gebraucht wird, wenn Knittelfeld wieder, oder wie immer es diesmal heißen mag, kommt. Schade, dass Sie sich dafür hergeben, schade für die Leute, meine Damen und Herren! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Scheibner. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


17.06

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Kollege Matznetter! „Er“ – das bin ich – wird Ihnen jetzt noch einmal erklären, wie das bei den Politikerpensionen ist, damit Sie nicht wieder etwas Falsches sagen. Es gibt keine Einführung von einer Früh­pension für Politiker, sondern – lesen Sie bitte den Antrag! – es gibt analog zum ASVG die schrittweise Anhebung des Pensionsantrittsalters für Politiker auf 65. Innerhalb dieser Zeit, in dieser schrittweisen Anhebung des Pensionsantrittsalters für Politiker, gibt es, von 65 herabgerechnet (Zwischenruf des Abg. Mag. Posch) – ja, aber Kollege Matznetter nicht, Herr Kollege, Sie haben ihm ja zugehört –, dieselben Abschläge wie im ASVG, nämlich 4,2 Prozent, Herr Kollege Matznetter.

Es steht auch im Antrag, dass mit dem Jahr 2017, genau wie im ASVG, kein Politiker nach dem alten System vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Pension gehen kann. – Das sei Ihnen noch ins Stammbuch geschrieben! Sie kennen sich eben leider nicht aus. Lesen Sie den Antrag! (Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

Herr Kollege Matznetter, ich weiß, Sie sind noch nicht lange im Hohen Haus, deshalb müssen Sie auch aus der vorletzten Reihe hier herunterrufen. Sie können sich aber weiter vorsetzen – nicht unbedingt auf den Klubobmann-Sitz, wie Sie es schon einmal gemacht haben –, dann versteht man auch Ihre Zwischenrufe besser.

Aber weil Sie noch nicht so lange hier im Hohen Haus sind, können Sie auch nicht be­urteilen, dass die Behandlung dieses Budgetbegleitgesetzes – ich habe es heute auch


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schon erwähnt – von einer ganz anderen Qualität ist als zu jener Zeit, als Ihre Fraktion noch in Regierungsverantwortung war. Damals hat man sich überhaupt nicht um die Rechte der Opposition gekümmert. Damals hat man überhaupt nicht darüber nachge­dacht, ob die Opposition Anträge, vor allem Abänderungsanträge, so rechtzeitig be­kommt, dass sie diese überhaupt lesen kann, geschweige denn selbst Änderungen, Verbesserungsvorschläge einbringen kann.

Herr Kollege Matznetter, über das Budgetbegleitgesetz wird jetzt schon seit Wochen diskutiert, auch im zuständigen Ausschuss. Es geht jetzt nicht darum, neue Vorlagen zu diskutieren, sondern die Vorlagen sind seit Wochen im Ausschuss. Wir haben auch hier im Nationalrat in Debatten über Dringliche Anfragen, über Erklärungen immer wie­der über diese Fragen diskutiert. Ihnen war das Thema Pensionen nicht ganz so wich­tig, sonst hätten Sie eine Sondersitzung betreffend Pensionen und nicht betreffend Abfangjäger beantragt.

Jetzt ist es Usus – anders als in jener Zeit, in der Sie noch in der Regierung waren –, seit der freiheitlich/ÖVP-geführten Regierung, Abänderungsanträge 24 Stunden vor den Ausschussberatungen zur Verfügung zu stellen. Zwei Tage werden Zeit sein, um diese Abänderungsanträge im Ausschuss zu diskutieren, und nächste Woche werden wir mit großer Wahrscheinlichkeit diese Fragen auch im Plenum erörtern. Das bedeu­tet, noch eine Woche Zeit bis zur Debatte in zweiter Lesung im Plenum.

Es wäre jetzt auch einmal an der Zeit, darüber nachzudenken, was Sie an Abände­rungsvorschlägen und Abänderungsanträgen in die Debatte einzubringen haben. Sie haben immer danach gefragt, wo die Abänderungsanträge der Regierungsfraktionen sind. Nun, diese sind jetzt da! Unsere Abgeordneten haben diese Abänderungsvor­schläge erarbeitet und verhandelt. Jetzt stellt sich die Frage: Wo sind die Abände­rungsanträge der Opposition?, denn es ist ja einer Oppositionspartei nicht verboten, im Parlament, im Ausschuss Abänderungsanträge einzubringen. Vielleicht haben Sie sie ja irgendwo in der Schublade, denn bis wir Ihre Vorschläge zu einer Pensionsreform bekommen haben, haben wir auch sehr lange warten müssen.

Es gibt Rechte in der Geschäftsordnung auf Redezeiten, beschränkt oder nicht be­schränkt. Es gibt die Möglichkeit zu Fristsetzungen, um eine entsprechende Behand­lung und Beschlussfassung im Nationalrat zu ermöglichen. So, wie Sie von Ihren Rech­ten selbstverständlich Gebrauch machen, machen auch wir von unseren Rechten Gebrauch, ganz normal im Sinne der Geschäftsordnung und, so glaube ich, auch im Sinne der parlamentarischen Behandlung. Es war ausreichend Zeit – viele, viele Stun­den im Ausschuss und auch hier im Plenum – für die Diskussion dieser Budgetbegleit­gesetze, und es wird noch viele Stunden lang Zeit sein, um die Abänderungsanträge zu beschließen. Deshalb: ein ganz positives, normales, geschäftsordnungsgemäßes Vorgehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.10

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


17.10

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Danke, Herr Präsident. – Herr Kollege Scheibner, Sie müssen ja ein sehr schlechtes Gewissen haben, wenn Sie so in der Gegend herumrudern und derart am Thema vorbeireden, wie Ihnen das eben gelungen ist.

Faktum ist doch, dass hier das eigentliche Gesetzeswerk ein einziger Abänderungsan­trag ist. Der Punkt ist doch, dass das, worüber wochenlang im Ausschuss hätte bera­ten werden können, jetzt gar nicht mehr auf der Agenda steht! Es steht das auf der


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Agenda, was Sie heute übermittelt haben, und genau gleichzeitig, ja sogar vorab wird darüber eine Fristsetzung beschlossen. Das ist doch der Tiefpunkt des Parlamentaris­mus! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es wird niemand bestreiten, dass der Ausschuss lange getagt hat, und auch der Un­terausschuss, in dem dann eigentlich die Budgetkapitel besprochen wurden. Aber der Punkt ist doch, dass dort immer noch ein Budgetbegleitgesetz vorliegt, das in wesentli­chen Punkten und in den meisten Seiten gar nicht gegolten hat. Ab heute gilt etwas anderes, und damit wollen Sie jetzt punkten, indem Sie sagen: wochenlang ... (Abg. Dr. Fekter: Lesen Sie es! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie alle haben es gerade notwendig, sich aufzuregen! Wir haben im Ausschuss mehr­mals festgestellt, dass nicht einmal Sie selbst wissen, was in den Anträgen der Ministe­rien steht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Hätten Sie es lieber in zweiter Lesung gehabt?) Regelmäßig sind Sie dabei ertappt worden, dass Sie nicht wissen, was dort steht, und jetzt sind Sie froh in guter österreichischer – und vor allem schwarz-blauer: offensichtlich noch einmal „neu Regieren“ – Tradition, dass die Regie­rung hier irgendetwas vorlegt. (Abg. Mag. Mainoni: Schwarz-Grün wäre euch lieber gewesen!) Sie sind froh, dass es eine Fristsetzung darüber gibt, obwohl Sie noch nicht einmal wissen können, was drinsteht, und jubeln diesem Vorgang zu. (Neuerlicher Zwi­schenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Wissen Sie was: Man sollte sich als Parlamentarier für so ein Verhalten genieren! Ver­treten Sie das in Ihren Wahlkreisen – hier haben Sie die Bevölkerung zu vertreten, aber nicht irgendwelche Drüberfahrer-Aktionen der Bundesregierung! Das ist hier das Parlament, und das verwechseln Sie schon die längste Zeit. Sie kennen nur den direk­ten Draht in die Parteizentralen und geben Ihre Verantwortung an der Garderobe ab. (Abg. Dr. Fekter: Nein, nein! Im Parlament haben wir es verbessert!) Das erleben wir im Budgetausschuss ständig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Kollege Stummvoll! Sie selbst haben gesagt, es sei „Geschmackssache“, was der Budgetausschuss verabschiedet oder nicht. „Geschmackssache“ – so weit haben wir es gebracht! Dann ist es offensichtlich auch schon „Geschmackssache“, ob überhaupt noch ein Abänderungsantrag kommt oder nicht. Wir hätten uns auch die Fristsetzung ersparen können, es wird im Ausschuss irgendetwas beschlossen und vielleicht ein paar Stunden vorher auch noch im Plenum eingebracht. Ja, es ist noch steigerungsfä­hig, ich gebe es zu! Sie sind auf dem besten Weg dazu. Das ist ja das Problem, dass wir dort dauernd etwas diskutieren, was nicht vorliegt; hingegen wurde das, was vor­liegt, nicht diskutiert. Diese Verdrehung haben Sie das erste Mal zu verantworten, Kol­lege Scheibner; das ist sogar ein Unterschied zu früher, und das ist inakzeptabel! (Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.)

Andere Themenbereiche, die dort aufgeworfen werden, haben an sich im Budgetbe­gleitgesetz nichts verloren, weil sie erst ab 2005 und in den folgenden Jahre wirksam werden. Trotzdem haben wir es diskutiert und sind eben nicht ausgezogen. Wissen Sie, was der Erfolg war, Kollege Scheibner? – Ihr Herr Nachfolger, der jetzige Minister im Verteidigungsministerium, ist nicht einmal in der Lage, diese Fragen zu beantworten und verschanzt sich hinter irgendwelchen Rechtsgutachten, die er nicht veröffentlichen will. Der Herr Finanzminister beantwortet nicht die Fragen danach, wie diese ominösen Zahlen zur Abfangjägerbeschaffung zustande kommen. Kein Wort zum Finanzierungs­verfahren: warum neun Jahre?, die Frage ist noch immer offen. Wir sind gespannt, ob er morgen erscheinen wird. (Abg. Mag. Ikrath: Er war drei Mal da im Ausschuss!) – Ja, er war schon drei Mal da und hat es noch nie beantwortet, und Sie werden es jetzt auch nicht sagen können. Er hat noch nie gesagt, warum die neunjährige Finanzie­rungsvariante kommt.


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Aber ich sage es Ihnen: Weil das das Einzige war, warum Eurofighter überhaupt in die Ziehung kam. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist in der Sache, aber wir wollen jetzt über die Fristsetzung diskutieren. Ich sage Ihnen ja nur, wir werden das im Untersu­chungsausschuss diskutieren.

Aber: Im Budgetausschuss wird auf die Fragen keine Antwort gegeben, und zwar zu Bereichen, die eigentlich gar nichts drinnen verloren hätten – ich gebe das zu, aber das rechtfertigt Ihr Verhalten nicht. Warum nicht die Pensionen im Sozialausschuss? Wa­rum nicht die Selbstbehalte woanders, nämlich dort, wo sie hingehören? Und warum nicht die Abfangjäger im Verteidigungsausschuss? Das ist doch eine Vorgangsweise, die jedem Parlamentarismus spottet! Es ist unglaublich, wie Sie das hier angehen!

Jetzt wollen Sie mit einem Fristsetzungsantrag das Ganze noch einzementieren und drüberfahren, und nachher verkünden, dass es Runde Tische gegeben hat – sei’s drum, dass es jedenfalls viel Beratungszeit gegeben hat. Das war, sozusagen in Schriftstück, Makulatur. Sie haben die Abgeordneten zurückgedrängt, hier noch dabei sein zu dürfen, damit Sie das im Nachhinein behaupten können.

Das Schäbigste an der Vorgangsweise ist – Ordnungsruf hin oder her – (Zwischenrufe bei der ÖVP), das Schäbigste ist, dass dieser Termin von hier und heute nicht ein­gehalten wurde. Diesen haben Sie dauernd verkündet. Uns halten Sie einen Fristset­zungsantrag vor die Nase, und das, was das Parlament beschäftigt, ist ein Fernsehauf­tritt des Bundeskanzlers. So weit haben Sie es gebracht: Der Plenarsaal ist zum Fern­sehstudio des Bundeskanzlers geworden – das ist doch das Problem –, und zwar über Nacht! Vielleicht gibt es in Zukunft auch dazu noch eine Fristsetzung. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Danke, Herr Präsident! – Das ist der Tiefpunkt! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.15

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzte Wortmeldung dazu: Herr Abgeordneter Dr. Spin­delegger. Er spricht 5 Minuten. – Bitte.

 


17.16

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Die Aufregung des Kolle­gen Kogler ist aus meiner Sicht in mehrerlei Hinsicht völlig unverständlich. (Abg. Öllin­ger: Das glaube ich!)

Zum Ersten sagen Sie: Es war nicht ausreichend Zeit, über die Pensionsreform zu dis­kutieren. – Meine Damen und Herren, da frage ich mich, wo Sie leben. Seit den Regie­rungsverhandlungen wird darüber intensiv diskutiert, zuerst in politischen Kreisen mit allen Fraktionen. Da sind uns auch viele Äußerungen gerade von den Oppositionspar­teien in Erinnerung, die damals noch in die Richtung gingen: Man muss natürlich eine Pensionsreform angehen! (Abg. Öllinger: Waren Sie schon einmal im Ausschuss?) Aber ich gehe noch weiter. Schauen Sie in die Öffentlichkeit: Seit wann wird in der brei­testen Öffentlichkeit über die Pensionsreform diskutiert? Jeder Mandatar hört das tag­täglich in seinem Wahlkreis auf der Straße. Die Zeitungen sind voll davon – Schlagzei­len, eine nach der anderen, zum Thema Pensionsreform! Und da wollen Sie uns erklä­ren, es war dazu nicht ausreichend Zeit?! (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns den heutigen Tag an. Der heutige Tag im Plenum sollte eigentlich dazu dienen, dass wir nach einer Debatte über das Budgetbe­gleitgesetz eine Abstimmung durchführen. (Abg. Gradwohl: Es ist noch nicht einmal der Antrag eingebracht!) Wir haben das verschoben, und ich glaube, auch zu Recht, weil an den Runden Tischen versucht wurde, gemeinsam mit den Sozialpartnern zu einer Lösung zu kommen. Das war leider nicht möglich. Aber vom Inhalt her war seit


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dem 23. Mai klar, wie das Angebot der Bundesregierung lautet. Ihnen allen ist es be­kannt, es liegt im Prosatext vor, auch darüber wurde weitgehend diskutiert. Jetzt liegt es in einem Gesetzesantrag vor.

Herr Kollege Kogler, wenn Sie mir erzählen wollen, dass Sie nicht in der Lage wären, innerhalb von 24 Stunden diese Abänderungsanträge darauf hin zu überprüfen, ob dieses Angebot der Bundesregierung in gesetzestechnischen Formulierungen umge­setzt ist, glaube ich Ihnen das nicht. Da kenne ich Sie zu gut, als dass ich nicht wüsste, dass Sie sehr wohl in der Lage sind, das zu überprüfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Ich glaube daher, es ist mehr eine künstliche Aufre­gung als ein berechtigtes Argument.

Geschätzte Damen und Herren! Gerade hat eine Präsidiale stattgefunden, in der man den weiteren Fahrplan festgelegt und gesagt hat: In der nächsten Woche werden am Dienstag und Mittwoch die Budgetbegleitgesetze auf der Tagesordnung des National­rates stehen und am Mittwoch beschlossen werden. Da waren auch Ihre Fraktionen mit dabei, und das wurde, soweit ich gehört habe, einvernehmlich so festgelegt.

Jede Diskussion – und das ist meine Conclusio – hat irgendwann einmal einen Punkt erreicht, an dem alle Argumente ausgetauscht sind. Aus meiner Sicht ist dieser Punkt längst erreicht, es gibt keine Argumente mehr, die man noch austauschen könnte. Es gibt eben unterschiedliche Standpunkte, das muss man so festhalten, und das ist eben in einer Demokratie so. (Abg. Dr. Lichtenberger: Bei einer Diktatur braucht man über­haupt nicht mehr zu reden! Das ist wohl das Ziel!) Aber wenn es unterschiedliche Standpunkte gibt, muss letztlich eine Entscheidung getroffen werden. Diese Entschei­dung ist jetzt reif, und sie muss getroffen werden, zunächst im Ausschuss und dann im Plenum des Nationalrates. Wir werden noch zwei Tage im Plenum Zeit haben, inhalt­lich darüber zu diskutieren.

Geschätzte Damen und Herren! Wer glaubt, über die Pensionsreform sei nicht ausrei­chend diskutiert worden, der wird einfach zur Kenntnis nehmen müssen, dass auch viele Österreicher genug darüber diskutiert haben und jetzt wissen wollen, was es für sie persönlich bedeutet und wie nach einer Pensionsreform ihre eigene Situation sein wird. Sie haben auch ein Recht darauf. Darum finde ich es richtig, dass wir jetzt eine Frist für den Ausschuss setzen und dass wir nächste Woche im Plenum, nach einer weiteren langen Diskussion, eine Entscheidung treffen werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.20

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Budgetausschuss zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 59 der Beilagen betreffend Budgetbe­gleitgesetz 2003 eine Frist bis 6. Juni 2003 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Fortsetzung der Tagesordnung

 

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Ich nehme die Verhandlungen über den 1. Punkt der Tagesordnung wieder auf.

 


Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Csörgits. Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort.


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17.21

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die­se Beschlussfassung hat gezeigt, dass Ihnen an den Schicksalen der Menschen in Österreich tatsächlich nichts liegt. Sie peitschen das durch, mit aller Gewalt, auf Teufel komm raus, und Sie sind nicht einmal dazu bereit, sich im zuständigen Ausschuss noch einmal die Bedenken vieler Menschen anzuhören. Das ist wirklich eine sehr trau­rige Tatsache, aber die Leute auf der Straße werden es Ihnen – weil Sie immer sagen, dem Druck der Straße wollen Sie nicht weichen – dann schon zeigen: Wahltag ist Zahl­tag! (Abg. Lentsch: Das haben Sie schon einmal gesagt!) Die Menschen werden nicht vergessen, was das bedeutet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch ein bisschen auf die vorangegangene Diskussion eingehen. Es war schon sehr eigenartig, dass Frau Bleckmann Herrn Vizekanzler Haupt als großen Sie­ger dargestellt hat. Es sei ihm gelungen, den Vorschlag, der aus seinem eigenen Ministerium gekommen ist, noch einmal zu verbessern, obwohl Herr Scheuch, der ebenfalls von der FPÖ ist, gemeint hat, er sei schlecht gewesen und müsse korrigiert werden. Lassen Sie doch die Kirche im Dorf! Allein diese beiden Bemerkungen sind wirklich sehr eigenartig und sind eigentlich eines Hohen Hauses nicht würdig. (Beifall bei der SPÖ.)

Vizekanzler Haupt hat auch stolz behauptet, dass er einen Härtefonds einrichten wird. Meine Damen und Herren! Ich frage Sie wirklich: Ist bei einer Pensionsreform, so wie Sie sie als sozial darstellen, ein Härtefonds überhaupt notwendig? Ich möchte nicht, dass die Versicherten in diesem Land zu Bittstellern werden und bitten gehen müssen, damit sie die Versicherungsleistungen, für die sie im Rahmen der Sozialversicherung einbezahlt haben, dann irgendwann einmal bekommen oder vielleicht auch nicht. Das ist keine soziale Pensionsreform! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch dem Kollegen Mitterlehner in Erinnerung rufen ... (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Darf ich die Herren (in Richtung einiger Abgeordneter der ÖVP, die dem Rednerpult den Rücken kehren) bitten, der Rednerin nicht so kumu­lativ den Rücken zuzuwenden.

 


Abgeordnete Renate Csörgits (fortsetzend): Es gibt Schlimmeres! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Ich muss Ihnen, Herr Präsident, auch den Rücken zuwenden; das ist so!

Ich möchte Kollegem Mitterlehner in Erinnerung rufen, dass er vor gar nicht allzu lan­ger Zeit, nämlich anlässlich einer APA-Aussendung am 10. April 2003 festgestellt hat, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum wir kurzfristig derart dramatische Maßnah­men bräuchten, denn schließlich würde der Staat unter den derzeit gültigen Vorausset­zungen gemessen am Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2007 weniger Mittel für die Pensi­onen aufwenden müssen, als das derzeit der Fall ist. Auch hier stellt sich also die Fra­ge: Warum jetzt so übereilt und hastig?

Da in der Diskussion auch immer wieder so besonders schön formuliert worden ist, dass diese Bundesregierung sehr viel für die Frauen getan hätte und auch jetzt noch einiges tue, möchte ich hier schon auch einige Richtigstellungen vornehmen.

Erstens darf ich Ihnen sagen, dass die Durchschnittspension von Frauen unter 700 € beträgt. Auch wenn Sie jetzt sagen, dass es einen Deckel von 10 Prozent gibt, muss ich Ihnen sagen, dass dieser Deckel nur bis zum Jahr 2009 für Frauen zum Tragen kommen wird. Danach kommt wieder das volle Ausmaß der Abschläge, und zwar so,


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wie wir von der SPÖ das am ursprünglichen Programm auch immer wieder kritisiert haben.

Und wenn die Tatsache, dass die pensionsbegründende Anrechenbarkeit der Kinder­betreuungszeiten von 18 auf 24 Monate erhöht worden ist, als so besonders toll darge­stellt wird, so muss man der Fairness halber dazusagen, dass das nur für einen ganz kleinen Prozentsatz der Frauen gilt. Für die ist das schön, keine Frage, aber man muss gleichzeitig auch sagen, dass das erst für Geburten ab dem Jahr 2002 zum Tragen kommt, und das bedeutet also erst irgendwann in 30 Jahren. Und was in 30 Jahren dann ist oder nicht ist, das wissen wir alle nicht. Es ist also nur Schönfärberei und bringt den Frauen absolut nichts! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Höherbewertung der Kindererziehungszeiten ist etwas, wo ein bisschen Ma­kulatur produziert worden ist. Tatsache ist aber auch, dass nach dem Wirksamwerden dieser Makulatur, die ein Vierteljahrhundert auf sich warten lassen wird, die Präsenz­dienstzeiten noch immer besser bewertet sein werden als die Zeiten der Kinderbetreu­ung.

Das zur so „familienfreundlichen und frauenfreundlichen“ Politik von ÖVP/FPÖ. – Na, herzlichen Dank! Die Frauen werden sich sehr dafür bedanken! (Beifall bei der SPÖ.)

17.26

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner, die 5 Minuten zu uns sprechen wird. – Bitte.

 


17.27

Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Verantwortung zu tragen und insbesondere Verantwortung für nachhaltige Reformen zu übernehmen, die mehrere Generationen berücksichtigen, bedeutet Mut. Mut bedeutet auch, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Und Mut ist auch, Reformen unter den jetzt gegebe­nen finanziellen Bedingungen sozial gerecht und nicht auf dem Rücken der Schwä­cheren auszutragen. Mut, der Sie, sehr geehrte Damen von der SPÖ und den Grünen, vollkommen verlassen hat und den Sie auch nie hatten. Die Grünen haben vorgezo­gen, in Opposition zu gehen, damit sie keine Verantwortung übernehmen müssen, und auch die SPÖ hat es jahrelang versäumt und war zu träge, um wirklich nachhaltige Reformen zu Stande zu bringen.

Auch jetzt wieder: Anstatt konstruktive, realistische Alternativvorschläge zu bringen, die zur Sicherung der Pensionen der jüngeren Menschen in Österreich beitragen, spielen Sie insbesondere durch Panikmache, Horrormeldungen und Verunsicherungen mit der Sorge der Österreicher. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Während SPÖ und Grüne gemeinsam mit dem ÖGB nichts anderes im Sinn haben, als die Bevölkerung gegen die Regierung aufzuhetzen, die Arbeitnehmer zu instrumentali­sieren und, was mich besonders nachdenklich macht, Druck auf Arbeitnehmer auszu­üben, um ihre eigene Macht zu demonstrieren, ist unser Ziel ein anderes. (Abg. Grad­wohl: Noch ein paar so Horrorgeschichten, Frau Kollegin! Dass sie ein anderes Ziel haben, das glaube ich Ihnen!)

Unser Ziel ist eine gerechte Pensionsreform, die eine soziale Sicherheit für alle Gene­rationen wirklich nachhaltig sichert. Ein besonderes Anliegen ist uns dabei natürlich, dass die Betreuungsleistungen und auch die Lücken im Erwerbsleben von Frauen ganz besonders berücksichtigt werden. Ohne eine Besserstellung für Frauen in der Pensionsreform hätten wir Freiheitliche ihr nie zugestimmt und sie wäre auch für uns undenkbar gewesen, denn es sind natürlich die Frauen, die für den Generationenver­trag große Leistungen bringen.


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Allen Unkenrufen zum Trotz, die wir heute in der gesamten Debatte speziell von SPÖ und Grünen gehört haben, werde ich nicht müde, noch einmal die Verbesserungen zu wiederholen, die in dieser neuen Pensionsreform auch wirklich zum Tragen kommen sollen. Die pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten werden auf zwei Jahre er­höht, das heißt, dass für Frauen nicht erst 15 Erwerbsjahre, sondern bereits 13 Er­werbsjahre genügen, um eine Pension beantragen zu können. Und das gilt rück­wir­kend ab Beginn der Auszahlung des Kindererziehungsgeldes.

Auch die Verlängerung der Durchrechnungszeit wurde ausgeglichen, indem pro Kind drei Jahre berücksichtigt werden. Das heißt, wenn zwei Kinder da sind, werden sechs Jahre angerechnet. Als Beispiel: Wenn im Jahre 2010 der Durchrechnungszeitraum 21 Jahre beträgt, dann sind es bei einer Frau mit zwei Kindern 15 Jahre, die als Durch­rechnungszeit verwendet werden.

Auch die Bemessungsgrundlage der Kindererziehungszeiten wurde für die Pensionen erhöht, sodass im Jahr 2028 die Kindererziehungszeiten doppelt so viel wert sind wie jetzt. Auch bei der Rahmenzeit für die Altersteilzeit haben wir für Frauen Verbesserun­gen gewährleistet. Durch die Senkung der Lohnnebenkosten und den Entfall des Ar­beitslosenversicherungsbeitrages gibt es auch für ältere Arbeitnehmerinnen in Zukunft bessere Chancen am Arbeitsmarkt.

Durch diese Maßnahmen steigen die Frauen zum Teil sogar besser aus als im bisheri­gen System. Das, meine Damen und Herren, ist freiheitliche Sozialpolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ und den Grünen, können nicht alles miesreden, vor allem nicht dann, wenn Sie nie selbst zu Verbesserungen beigetragen haben. Nehmen Sie doch endlich zur Kenntnis, dass sich der Sozialstaat nicht selbst zahlt und dass wir es sind, die für die Zukunft Österreichs die Verantwortung über­nommen haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

17.31

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Posch. Rede­zeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.32

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Hohes Haus! Eines der vielen Totschlagar­gumente in dieser Debatte hat der Herr Bundeskanzler am 29. April bemüht, indem er damals gesagt hat: 

„Als das ASVG im Jahre 1956 geschaffen wurde, lag der Pensionsantritt im Durch­schnitt bei 63 Jahren – jetzt erfolgt er um fünf Jahre früher. Damals lag die durch­schnittliche Lebenszeit eines Pensionisten bei vielleicht acht oder neun Jahren, heute kann ein Mann mit 21 Jahren und eine Frau mit 25 oder 26 Jahren durchschnittlicher Lebenserwartung nach der Pensionierung rechnen.“

Das ist die so genannte Demographiegeschichte. Was lernt der Bundeskanzler daraus oder was kann man überhaupt daraus lernen? (Abg. Dr. Fekter: Sind Sie auch lernfä­hig, Herr Kollege Posch?) – Kollege Matznetter hat dieses Argument heute schon ein­mal bemüht: Nach dem Zweiten Weltkrieg waren 30 bis 40 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt, heute sind es vielleicht 5 Prozent. Ist deshalb die Be­völkerung verhungert? (Abg. Dr. Brinek: Das ist ein falscher Vergleich! – Abg. Dr. Trinkl: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!) Waren deshalb die Pensionen in den letzten 20, 30 Jahren nicht gesichert? Der Produktivitätsfortschritt spielt keine Rol­le? Und vor allem: Wie kann man überhaupt mit einem umlagefinanzierten System längerfristig Pensionen sichern?


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Natürlich weiß der Kanzler, dass es nicht um Pensionssicherung geht. Worum es hier geht, ist keine ökonomische Frage, sondern eine politische Frage. Das Wirtschaftsfor­schungsinstitut betont: Es trifft einfach nicht zu, dass das System in den nächsten Jah­ren zu teuer ist! Weder die demographische Entwicklung noch der Finanzierungsbedarf verlangen Sofortmaßnahmen im Pensionsrecht. Ganz im Gegenteil: Der Bundeszu­schuss zu den Pensionen der Arbeiter und Angestellten, Gewerbetreibenden und Bau­ern wird prozentuell sinken. Und auch die Pensionsreformkommission hat einen gerin­gen Anstieg des Finanzierungsbedarfs für die Pensionen auf dem heutigen Niveau bei positiver Entwicklung der Erwerbsquote prognostiziert, nämlich um ein Prozent in den nächsten zwei, drei Dekaden. Das sei hier einmal gesagt! Es hängt also überhaupt nicht damit zusammen!

Der Preis für die Pensionsreform lässt sich am besten aus den finanziellen Erläuterun­gen ablesen: Die Ersparnis aus dieser so genannten Pensionsreform beträgt laut Erst­entwurf der Regierung im Jahr 2004 110 Millionen €, 2005 372 Millionen €, 2006 665 Millionen €, also innerhalb dieser drei Jahre knapp über eine Milliarde €. Es wird aber nicht so viel werden, es werden zirka 700 Millionen € an Einsparung sein. 700 Mil­lionen € Einsparung für diese Pensionsreform versus 2 Milliarden € für Abfang­jäger – das muss man einmal wissen!

Selbst wenn man gebrauchte Abfangjäger genommen hätte, hätte man mit einem ein­zigen Budgetposten sämtliche Maßnahmen aus dieser Pensionsreform irrelevant ge­macht! Das sei Ihnen einmal gesagt! Dafür müssen die Pensionisten in diesem Land büßen: Pensionsraub für Abfangjäger! Das ist die ganze Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ.)

In der gleichen Rede im April 2003 hat der Herr Bundeskanzler gesagt:

„Ich glaube, es ist sinnvoll, dass wir heute, an dem Tag, an dem der Ministerrat die Budgetbegleitgesetze, die die Voraussetzung dafür sind, dass nächste Woche ein Doppelbudget für die Jahre 2003 und 2004 vorgelegt werden kann, beschlossen hat, eine grundsätzliche Erklärung vor allem über das Thema Pensionssicherungsreform abgeben, das ein zentrales Arbeitsvorhaben im Regierungsprogramm und ein Vorha­ben ist, das die Lebensplanung, das Vertrauen, die Einrichtungen der sozialen Sicher­heit in Österreich und Millionen Menschen direkt betrifft.“

Aber wie kann man einem solchen Kanzler vertrauen, der auch Folgendes gesagt hat – ich zitiere Schüssel, ORF-„Pressestunde“ vom 9. November 1997 –:

Es wird eine solche Pensionsreform mit Durchrechnungszeitraum bis zum Jahre 2020 nicht mehr geben. Das sage ich Ihnen jetzt schon. – Ende des Zitats.

Oder: Schüssel im „Kurier“ vom 10. November 1997 – ich zitiere –: „Im Prinzip haben wir die Weichen so gestellt, dass das Pensionssystem gesichert ist.“ – Zitatende.

Wie kann man einem solchen Kanzler vertrauen? Man muss die Äußerungen von Kles­til nicht auf die Goldwaage legen, aber ein bisschen kann man, auch wenn das atmo­sphärisch manchmal hoch angetragen ist, die Sorge, die der Bundespräsident deswe­gen hat, schon verstehen.

Was auffällt: Immer, wenn es eng wird, geht der Bundeskanzler nach Mariazell wallfah­ren oder in den Stephansdom predigen. (Abg. Gahr: Das täte Ihnen auch nicht scha­den!) Er spricht dann laut „Standard“ über das Christsein oder über das Christsein in der Politik.

Derselbe Herr Bundeskanzler hat in seiner Rede vom 29. April 2003 aber gesagt – ich zitiere –: „Überlegen Sie einmal, was es bedeuten würde, dieses Humankapital“ – näm-


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lich die Menschen über 55 bis 65 – „für Österreichs Wirtschaft und seine Ressourcen nutzbar zu machen!“

Ich behaupte: So spricht kein Christenmensch über Menschen! Er nennt Menschen „Humankapital“! Das sei hier einmal gesagt. (Abg. Dr. Brinek: „Humankapital“ ist ein Terminus technicus, oder?)

Da halte ich es schon lieber mit dem Kollegen Neugebauer, der sich dort hinten ein wenig hinter seiner Zeitung versteckt. Kollege Neugebauer weiß, wo es langgeht, und man wird ihn an seinem Abstimmungsverhalten ganz genau messen können. Er sagt nämlich in einer Aussendung der GÖD:

45 Versicherungsjahre sind genug; wenn ein Pensionssystem nach 45 Versicherungs­jahren keinen abschlagsfreien Pensionsantritt ermöglicht, ist es men­schenverachtend und muss geändert werden.

Meine Damen und Herren, so ist es! (Beifall bei der SPÖ.)

17.37

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Marek. Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


17.37

Abgeordnete Christine Marek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir alle hatten in den letzten Tagen immer wieder die Gelegenheit, in den Tageszeitungen so genannte typische Fallbeispiele nachzulesen, die dort per Inserat vorgestellt wurden und in denen darzulegen versucht wurde, welch dramatische Einbußen durch diese Pensionsreform für die Menschen zu verzeichnen wären.

In der Ausgabe des „Kurier“ vom vergangenen Sonntag findet sich unter anderem fol­gendes Beispiel: 28-jährige Frau; nach geltendem Recht: Pensionsantritt mit 65 Jah­ren, Bruttopension: 1 330 €. Die Regierung plant: Bruttopension: 1 197 €, weite­rer Ver­lust von 24 € durch Wegfall einer Pensionsanpassung, Gesamtverlust: 157 € monatlich oder 12 Prozent.

Bitte nicht böse sein, aber dieses Beispiel hat schon richtiggehend hellseherische As­pekte! Wer heute sagen kann – Renate Csörgits hat das übrigens vorhin fast wörtlich gesagt –, wie sich der Karriereverlauf dieser 28-jährigen Frau bis zum Pensionsantritt im Jahre 2040 entwickeln wird, wie unsere Arbeitswelt dann aussehen wird und vor allem, wie sich das Einkommen dieser jungen Frau entwickeln wird, kann viel Geld mit Wahrsagen verdienen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und Beifall des Abg. Dipl.-Ing. Hofmann.)

Kollege Gusenbauer ist jetzt leider nicht im Saal. Das schaue ich mir an, wie er die Grundlagen für dieses Beispiel nachweisen und belegen kann – was er heute ja be­hauptet hat!

Sicher ist jedoch: Es ist ein unseriöses Beispiel, das kaum einen Beitrag leistet – außer zur Verunsicherung. Das war aber wahrscheinlich auch die Absicht, die damit verbun­den war – und nicht die einer sachlichen politischen Diskussion. (Beifall bei der ÖVP.)

All diese langfristigen Szenarien, die im Zuge der Pensionsdebatte in den letzten Wo­chen vorgerechnet wurden, lassen einfach jede Seriosität vermissen. Es wird und wur­de immer von der heutigen Arbeitswelt, den heutigen Rahmenbedingungen und dem aktuellen Verhalten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf die nächsten Jahr­zehnte geschlossen. Ich kann jedenfalls für mich nicht sagen, wie meine berufliche Laufbahn bis zu meinem voraussichtlichen Pensionsantritt im Jahre 2033 verlaufen


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und aussehen wird – und ich denke, die jungen Kolleginnen hier im Haus genauso we­nig!

Angesichts der rasanten Veränderungen unserer Zeit können wir aber absolut davon ausgehen, dass wir in 20, 30 oder 40 Jahren völlig andere Bedingungen im Berufsle­ben vorfinden und somit auch unsere Karriere- und Einkommensverläufe anders aus­sehen werden. Und gerade für Frauen wird sich hier sicherlich einiges, ja vieles zum Positiven verändern, auch wenn die Einkommensschere zwischen Männern und Frau­en nach wie vor sehr hoch ist, auch wenn Frauen am Arbeitsmarkt gegenüber Männern nach wie vor beteiligt sind (Ruf: Nach! Benachteiligt!) – und das nicht zuletzt wegen der Berufsunterbrechungen auf Grund von Kindererziehung, und zwar trotz und wäh­rend 30 Jahren sozialdemokratischer Frauen- und SozialministerInnen. (Beifall bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Aus diesem Grund finden sich nun in der Pensionsreform wesentliche Maßnahmen, die genau diese frauenspezifischen Aspekte berücksichtigen. Die Punkte sind bekannt, trotzdem noch einmal zur Erinnerung: Drei Jahre Reduktion der Durchrechnungszeit pro Kind ohne Überlappung – also drei Jahre pro Kind –, Pensionsbegründung von 24 Monaten pro Kind, Anhebung der Bemessungsgrundlage der Kindererziehungszei­ten auf faktisch das Doppelte und auch weiterhin die Anrechnung von vier Jahren Er­satzzeiten pro Kind. Außerdem – und das halte ich für sehr wesentlich – ist auch die Zuverdienstmöglichkeit beim Kinderbetreuungsgeld nicht zu vergessen. Aber auch diesbezüglich werden wir an laufenden Verbesserungen arbeiten, denn alle zusätzli­chen Beiträge wirken selbstverständlich pensionserhöhend.

Die Anerkennung der familienpolitischen Leistungen von Frauen in der Pension sucht man allerdings in den von sozialdemokratischen Regierungen verabschiedeten Pensi­onsreformen vergebens – und wieder zur Erinnerung: trotz sozialistischer Frauenminis­terinnen, Frau Kollegin Prammer!

Um aber noch einmal auf die jetzt jungen beziehungsweise jüngeren Frauen zurückzu­kommen: Im Gegensatz zu unserer Müttergeneration sind die Frauen meiner Generati­on Gott sei Dank immer besser ausgebildet, zunehmend berufstätig und fordern von ihren Männern aktive Unterstützung ein, die von der Männerseite übrigens auch mehr und mehr selbstverständlich ist. (Abg. Hagenhofer: Das ist aber eine gewagte Aussa­ge!) Wir müssen daher weiterhin massiv an der laufenden Verbesserung der Rahmen­bedingungen arbeiten, wir brauchen Initiativen und Bewusstseinsbildung in den Betrie­ben, wie dies positive Projekte wie etwa die ÖVP-Initiativen „Audit Familie und Beruf“ und „Taten statt Worte“ seit Jahren schon tun.

Außerdem müssen und werden wir am permanenten Ausbau von Kinderbetreuungs­einrichtungen arbeiten, und zwar den unterschiedlichsten, und dabei auch die Arbeit­geberseite nicht aus der Pflicht entlassen. Ganz im Gegenteil: Wir müssen Anreize für Unternehmen schaffen, selbst aktiv zu werden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Betreuungspflichten zu unterstützen.

Ich möchte zum Schluss kommen. Solche Initiativen, wie die hier genannten, von der ÖVP eingebrachten, helfen zusammen mit sinnvollen gesetzlichen Regelungen mit, die Einkommensschere sukzessive zu schließen. Frauen werden sich dann ihre Pension durch eigene Beiträge in vernünftiger Höhe selbst schaffen – und genau das muss un­ser Ziel sein! (Beifall bei der ÖVP.)

17.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Hagenhofer. Freiwil­lige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 



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17.43

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesre­gierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Marek, ich frage Sie: Was kann eine Frau von einem Mann bei einem Einkommen von 854 € an Unterstüt­zung fordern, um sich vernünftige Beiträge leisten zu können? – So viel nur einmal zur Realität und wie es mir täglich unterkommt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Marek: Famili­enpflichten!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute schon sehr viel Grundsätzliches zum Streik gesagt worden, und zwar in der Art, dass Streik kein geeignetes Mittel sei. Mir ist bei der ganzen Debatte die Frage abgegangen, warum überhaupt gestreikt wird. Das ist von niemandem angesprochen worden. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass, ich glaube im Jahre 1996, die Bauern um ihre Existenz gebangt und mit ihren Traktoren den Ballhausplatz zugemacht haben. Ich habe vollstes Verständnis dafür, ich habe sie seinerzeit unterstützt und bin auch dort hingegangen, nur dort ist es ... (Abg. Neudeck: Mit dem Traktor?) – Ja genau! Mit den Traktoren waren sie in der Stadt, in Wien. (Abg. Neudeck: Nein! Ich möchte wissen, ob Sie mit dem Traktor dort waren?) – Nein, ich war ohne Traktor dort. Ich bin keine Bäuerin, leider, ich wollte immer gerne eine werden, es ist mir jedoch nicht gelungen. (Abg. Neudeck: So viele Bauern suchen eine Frau ...!)

Aber so ist es eben (Abg. Neudeck: Die Bauern sagen immer, sie finden keine Frau­en!): Wenn die eine Gruppe demonstriert, ist es okay, wenn aber die andere Gruppe, in diesem Fall die Arbeitnehmer, demonstrieren, und zwar weil es um die Erhaltung ihrer sozialen Rechte geht und auch darum, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, wie künftig Konflikte um Wirtschafts- und Sozialpolitik im Hause Österreich ausgetragen werden, ist es nicht legitim.

Ich erinnere auch daran, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass eine Politik der Ausgrenzung der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen Österreich bereits einmal in die Katastrophe geführt hat, und dass alle Beteiligten die Lehre aus diesen Erfahrun­gen gezogen und dadurch die Grundlagen für das erfolgreiche Modell der Sozialpart­nerschaft geschaffen haben. Das sollten Sie, das sollten wir alle nicht vergessen!

In Anbetracht dessen, dass der Wunsch der Sozialpartner eine gemeinsam erarbeitete Pensionsreform im September war, frage ich mich, was ist der Grund dafür, dass zwei Monate vorher, jetzt im Juni, mittels Fristsetzungsantrag genau dieser traditionelle, gute, friedliche, für den Standort Österreich so wichtige, wertvolle Weg nicht mehr ge­gangen werden soll. (Abg. Wittauer: Weil wir arbeiten, und nicht streiken!)

Es wurde heute auch gesagt, die Pensionsreform müsse gemacht werden, damit die Solidarität zwischen den Berufsgruppen halte. – So weit, so gut! Die Realität ist – und das ist im aktuellen „NEWS“ nachzulesen –, dass etwa Professor Tomandl, der Exper­te, offensichtlich, wenn man „NEWS“ Glauben schenken darf, Pensionsansprüche in der Höhe von 100 Prozent des Letztbezuges hat.

Und nun erzähle ich Ihnen von einem Beispiel, wie es sich gestern bei mir zugetragen hat: Es ist ein Mann zu mir gekommen, fix und fertig, mit Tränen in den Augen, 1948 geboren – also 55 Jahre alt –, gelernter Tischler. Er hat 40 Beitragsjahre, war 20 Jahre bei einer Firma, die jetzt in Konkurs gegangen ist, seit Februar 2003 ist er arbeitslos. Er hat seither 20 Bewerbungen an Betriebe geschickt, von diesen ist 12 Mal die Antwort gekommen, er passe vom Alter her nicht in das Team. Ich frage Sie: Wie weit ist dieser Mensch von einer Welt entfernt, die den Menschen Chancen bieten soll, wie der Herr Bundeskanzler heute gemeint hat?

Dieser Mann war gestern bei mir und hat mich gefragt: Frau Hagenhofer, wie soll es mit mir weitergehen? Meine Frau ist bei der Post teilzeitbeschäftigt, jeden Tag warten


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wir darauf, dass sie den Arbeitsplatz verliert. Wie soll es mit mir weitergehen, und wa­rum schickt ihr 55-jährige Beamte in Pension? – So viel zur Solidarität zwischen den Berufsgruppen!

Ich möchte noch ein zweites Beispiel bringen: Eine Frau, geboren 1946, geschieden, einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses auf Wunsch eines kleinen Gold­schmiedes mit dem Ziel, ein Jahr Arbeitslosengeld zu beziehen und dann nächstes Jahr im Juli wegen Arbeitslosigkeit und langer Versicherungsdauer in Pension zu ge­hen. – Weg ist diese Möglichkeit! Die Dame kriegt jetzt 20 Prozent zum Arbeitslosen­geld dazu, und diese 20 Prozent machen dann 684 € im Monat aus.

Ich frage Sie, was das mit Reform und mit Chancen zu tun hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.49

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Neudeck. Redezeit: ebenfalls 5 Minuten. – Bitte.

 


17.49

Abgeordneter Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Was ist der Grund für diese vorliegen­de Reform? Was ist der Grund, warum die Leute zu Ihnen kommen? Warum läuft die Wirtschaft heute schlecht? Es sind nicht drei Jahre schwarz-blauer Regierung (Abg. Mag. Mainoni: Sicher nicht! – Abg. Hagenhofer: Das habe ich auch nicht gesagt!), sondern die verfehlte Wirtschaftspolitik und die verfehlte Standortpolitik der sozialde­mokratisch geführten Regierungen der letzten 30 Jahre. (Beifall bei den Freiheitli­chen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich verstehe Ihr fehlendes Selbstbewusstsein nicht. Es kommt zu einer Regierungsvorlage, die sich mit den Pensionen beschäftigt und durch­aus Sachen enthalten hat, die auch wir nicht mittragen wollten. Dann kommt sie ins Parlament und wird diskutiert, und ausgerechnet Präsident Fischer sagt, dass jeder Abgeordnete nur 90 Sekunden dazu reden kann. Ich war im Unterausschuss: Kollege Öllinger hat sieben Stunden gesprochen. (Abg. Silhavy: Das war kein Unteraus­schuss!) – Im Ausschuss. Wir haben ihm interessiert zugehört, es war durchaus inte­ressant. Es war auch vor zwei, drei Jahren interessant, als die Grünen lange geredet haben, denn sie haben durchaus Sachen gesagt, die auch für uns interessant waren. Wir hören uns das gerne an, nur, bitte, was soll man machen, wenn jemand nicht zum Thema reden will oder sich nicht mit dem Thema befassen will oder kann?

Sie von der SPÖ haben jetzt eine Oppositions-Vorfeldorganisation: den ÖGB, und den schicken Sie auf die Straße, weil Ihnen die Argumente fehlen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich habe heute zugehört: Es kommen die Leute zu Ihnen, die Ihnen etwas vorrech­nen – aber wie Sie es lösen würden, das habe ich von Ihnen bisher nicht gehört.

Kollege Matznetter, der jetzt nicht im Saal ist, hat heute wieder die „Trägerrakete“ von Scheibner/Molterer angesprochen. Bitte, was passiert, wenn mit einer Trägerrakete ein Impuls gesetzt wird, dort aber noch nicht alles so geschliffen drinnen ist, wie man es verabschieden will? – Dann reden wir doch darüber!

Es hat auch Kollege Gusenbauer schon einmal einen Antrag eingebracht, in dem er eine Lohnsteuererhöhung, glaube ich, gefordert hat (Abg. Dr. Kräuter: Das glauben Sie nur!), weil er das Wort „nicht“ vergessen hat. Entschuldigung, das kann doch ein­mal passieren, dann reden wir im Nationalrat darüber – dazu sind wir ja da –, und dann werden wir dem die so genannten Giftzähne ziehen.


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Dazu, wie doppelbödig die SPÖ agiert, Folgendes: Ich habe von Kollegin Raschhofer einen Brief bekommen, in dem sie mir sagt, dass im EU-Parlament gestern, glaube ich, mit den Stimmen der SPÖ – daran sieht man, wie wichtig die FPÖ in der Regierung ist, denn die ÖVP hat dort auch mitgestimmt – das Antrittsalter für die Pension der Parla­mentarier mit 60 Jahren beschlossen wurde. Und hier: große Tränen! Das hat die SPÖ, in diesem Fall gemeinsam mit der ÖVP, beschlossen. Hier aber sind große Diskussio­nen, wenn man das Pensionsantrittsalter für Politiker dem ASVG anpassen möchte, die gleichen Schritte macht wie im ASVG. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Diese Doppelbödigkeit erklären Sie den Leuten einmal, und zwar genau dann, wenn diese auf der Straße sind, da die SPÖ hier im Hause zu einer Oppositionspolitik nicht wirklich fähig ist und daher ihre Vorfeldorganisation, die Gewerkschaft, auf die Straße schickt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)

Die Performance, die Sie jetzt im Zusammenhang mit der Pensionsreform gehabt ha­ben, erinnert mich ein bisschen an die Fortsetzung der „unendlichen Geschichte“. „Die unendliche Geschichte“, ein Kinderbuch, ein Buch aus dem Phantasiebereich, gleicht Ihren Interpretationen und Aussagen zur Pensionsreform. Der große Unterschied zu diesem Roman ist: Dieser ist literarisch wertvoll, Ihre Redebeiträge jedoch sind weder politisch noch literarisch noch inhaltlich wertvoll.

Aber die Phantasie hat es Ihnen angetan – Phantasie und ein Blick in die rote Kristall­kugel, anders kann ich mir Ihr Verhalten nicht erklären, denn während die einzelnen Punkte der Pensionsreform noch diskutiert wurden, haben Sie schon genau gewusst, welche negativen Auswirkungen es für wen geben wird.

Dieser Bundesregierung ist mit Hilfe der Parlamentarier und der Gespräche hier im Haus eine Pensionsreform gelungen, die Gerechtigkeit und Zukunftssicherung für die Menschen in Österreich bringt. Und wenn Sie sich diesem Gesetzentwurf entziehen, dann werden Sie die Verantwortung für die Zukunft tragen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Riepl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


17.54

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Eine Bemerkung zu den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Abgeordneten Neudeck. Er hat dar­auf hingewiesen oder behauptet, dass die Sozialdemokratische Partei den ÖGB als Vorfeldorganisation vorgeschickt hat. (Abg. Wittauer: Ist ja so! Ist ja eine Tatsache! Jetzt wollen Sie das vielleicht auch noch verleugnen?!)

Ich darf darauf hinweisen: Eigentlich entspricht diese Bemerkung nicht dem Niveau Ihrer Intelligenz, Herr Abgeordneter Neudeck! Denn Sie wissen ganz genau, dass alle Beschlüsse im ÖGB mit Ihrem Vertreter, dem Vertreter der freiheitlichen Arbeitnehmer, gefasst wurden. Sie wissen ganz genau, dass alle Beschlüsse im ÖGB mit den Vertre­tern der ÖVP-Gewerkschafter gefasst wurden. (Abg. Neudeck: Und die SPÖ war da­gegen?) Sie wissen ganz genau, dass der ÖGB eine überparteiliche Organisation ist. Also was soll solch eine Bemerkung?! Was soll das wirklich? – Das, was Sie hier ge­sagt haben, entspricht nicht Ihrer Intelligenz. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neudeck: War die SPÖ dagegen oder nicht?)

Sehr verehrte Damen und Herren! Gestern hat das Volk einmal mehr Widerstand ge­leistet. (Abg. Neudeck: Sehr schwach!) Gestern sind viele Menschen, Hunderttausen­de, knapp eine Million Menschen, die arbeiten, auf die Straße gegangen oder haben in


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Betrieben gestreikt, um gegen die Politik des Bundeskanzlers der Volkspartei, gegen die Politik dieser Regierung aufzutreten.

Ich kann das auch in einem Satz zusammenfassen: Ein Teil des österreichischen Vol­kes protestierte gestern auch gegen die Österreichische Volkspartei. Und das ist ein Novum, das ich erwähnen möchte.

Der Auftritt und die Aussagen des Herrn Bundeskanzlers heute in der Früh hier im Na­tionalrat werfen für mich eine zusätzliche Frage auf, nämlich: Was ist in der letzten Nacht mit dem Herrn Bundeskanzler passiert? – Gestern, als die Streikaktionen aller Gewerkschaften organisiert durchgeführt wurden, ordentlich und friedlich durchgeführt wurden, konnte man beispielsweise eine Aussage des Bundeskanzlers lesen, in der er die Streikmaßnahmen sehr stark kritisiert hat, dem ÖGB mangelnde Verantwortung vorgeworfen hat.

Wörtlich heißt es: „Schüssel kritisierte in diesem Zusammenhang scharf die Funktionä­re des ÖGB, die durch die heutigen Kampfmaßnahmen mangelnde Verantwortung ... gezeigt hätten.“ – Soweit die Aussage von gestern. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Heute hören wir hier als ersten Satz des Herrn Bundeskanzlers: „Gestern haben viele Menschen, Hunderttausende Menschen, wie ich glaube, aus berechtigter Sorge ihre Aktionen gesetzt, und ich respektiere das.“

Ich frage mich: Was ist von gestern auf heute mit dem Herrn Bundeskanzler gesche­hen? Gestern: Verantwortungslosigkeit der Gewerkschaften, heute Respekt für jene, die gestreikt haben. Was führte zu diesem Meinungswechsel? Vielleicht die große An­zahl jener, die sich an diesen Aktionen beteiligt haben? – Ich weiß es nicht.

Ich weiß aber Folgendes: Sehr verehrte Damen und Herren! Wenn eine Million Men­schen für eine Sache eintritt, dann bin ich persönlich froh darüber, von Anfang an an deren Seite gestanden zu haben – und mit mir auch die sozialdemokratischen Abge­ordneten dieses Hauses. Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Auch wir wollen eine Reform, das wurde oftmals bekundet, dokumentiert, in Beschlüssen festgeschrieben. Die Reformziele, die wir for­muliert haben und die in den Diskussionsbeiträgen immer wieder gekommen sind und deutlich gemacht wurden, sind: langfristige Finanzierung unseres Alterssicherungssys­tems, eine Lebensstandardsicherung im Alter und natürlich die Harmonisierung der Systeme unter dem Aspekt der Gerechtigkeit, und der ist mir besonders viel wert.

Ich möchte zu einigen Fakten Stellung beziehen. Erstens: die Entwicklung des Bun­desbeitrages. – Bei den Unselbständigen beträgt der Bundesbeitrag rund 15 Prozent des Pensionsaufwandes – das ist heute schon gesagt worden –, und im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt sinkt dieser Bundesbeitrag. Daher stellt sich die Frage – und die wurde noch nicht beantwortet, vielleicht kann das einer der Nachredner von der Regie­rung oder den Regierungsparteien noch sagen –: Wohin will die Regierung, wohin will diese Koalition zwischen ÖVP und Freiheitlichen mit dem Bundesbeitrag im ASVG-System? Soll er gleich bleiben, soll er sinken? – Die Antwort ist völlig offen.

Ich vermute, Ihr politisches Ziel ist es, den ASVG-Bundesbeitrag auf Null zu senken. Aber es wäre gut, wenn wir auf diese Frage eine Antwort bekämen; vielleicht kann der Herr Wirtschaftsminister dazu Stellung nehmen.

Der Herr Bundeskanzler fordert einen sachlichen Dialog. Im Rahmen dieses sachlichen Dialogs müssen wir aber auch daran denken, dass immer mehr Menschen nicht direkt von der Arbeit in die Pension eintreten, sondern eine Wartezeit in der Arbeitslosigkeit erdulden müssen.


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Gerade in einer Zeit, in der die Arbeitslosenzahlen steigen, in der immer mehr Jugend­liche, junge Menschen keinen Arbeitsplatz, keinen Ausbildungsplatz finden, ist es wich­tig, auch die Ursachen und die Zusammenhänge mit dieser Pensionsreform zu sehen.

Das Rezept, das uns hier heute neuerlich zu diesem Thema vorgestellt wurde, ist eine Senkung der Lohnnebenkosten. Ich bezweifle, dass damit das Problem gelöst werden kann. Es ist schon einmal gescheitert. Auch bei den Lehrlingen, Herr Abgeordneter Stummvoll, war immer die Devise: Senken wir die Lohnnebenkosten für die Lehrbetrie­be, dann wird es mehr Lehrstellen geben! – Wir haben die Lohnnebenkosten gesenkt, und das Ergebnis war: Die Sozialversicherungen haben weniger Einnahmen zu ver­zeichnen gehabt, und mehr Lehrplätze hat es nicht gegeben.

Also dieses Konzept, auf den Markt zu setzen, geht nicht auf. Der Markt regelt diese Sache nicht. Der Markt ist einfach nicht sozial – ich habe das schon einmal gesagt –, und jeder Betrieb agiert betriebswirtschaftlich und nicht volkswirtschaftlich oder gesell­schaftspolitisch. Das ist klar.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ein letzter Punkt: Gerechtigkeit spielt im Zusam­menhang mit der Frage der Pensionen eine entscheidende Rolle. Ein einfaches Bei­spiel: Ich verstehe unter Gerechtigkeit, dass jene, die mehr haben, mehr zu einem neuen System beitragen, und jene, die wenig haben, wenig oder nichts dazu beitragen. Das finde ich gerecht. Ein neuer Pensionist mit beispielsweise 1 100 € wird jetzt durch die Deckelung im Ausmaß von 10 Prozent weniger bekommen; zudem bekommt er einmal keine Pensionserhöhung, was weitere 2 Prozent minus ausmacht. Das ergibt ein lebenslanges Minus von 110 € im Monat.

Ein „alter“ Pensionist, der in einem anderen System ist, etwa im Bereich des öffentli­chen Dienstes, mit beispielsweise 3 300 €, hat null Abzüge und damit auch keine wei­teren Abzüge, weder in Prozenten noch in Euro. Der kann eigentlich gut leben, weil Sie ja in bestehende Pensionen nicht eingreifen. Ich denke, das sollte noch einmal über­dacht werden. Das ist nicht die Gerechtigkeit, von der wir ausgehen, sehr verehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

18.02

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Mag. Dr. Trinkl. 5 Minuten. – Bitte.

 


18.03

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierung unter Wolfgang Schüssel II ist angetreten unter dem Motto „Zukunft braucht Verantwortung.“ Diese Regierung hat tatsächlich eine Reihe von Reformen bereits umzusetzen begonnen, dies gilt insbe­sondere auch für die Sicherung des Pensionssystems.

Die demographischen Grundlagen sind ausreichend erörtert, und auch der Vergleich mit dem benachbarten Ausland ist immer wieder gezogen worden. Die Notwendigkeit einer Reform steht also außer Streit.

Wo liegt das Problem? – Ich glaube, niemand hat das deutlicher gezeigt als der „Ku­rier“ von heute: „ÖGB streikt, Koalition handelt“ – eine schönere Headline hätten wir uns nicht wünschen können. (Der Redner hält die entsprechende Seite des „Kurier“ in die Höhe. – Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) „Einigung bei der Pensionsreform“, Herr Präsident. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nach dem Scheitern der Sozialpartnergespräche hat die Regierung mit den Verant­wortlichen bis zur letzten Minute darum gerungen, eine Einigung herbeizuführen, und es ist gelungen, eine faire, gerechte, nachhaltige Pensionssicherungsreform auszu­handeln. Es wurden dabei – und das gebe ich gerne zu – viele Anregungen aus der


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Bevölkerung, viele Anregungen von den Sozialpartnern, viele Anregungen auch aus der Partei aufgenommen und in den Abänderungsantrag eingearbeitet.

Leider haben die Sozialpartner die Gesprächsebene verlassen, weil, wie wir mittlerwei­le vermuten müssen, der Streik bereits beschlossene Sache war. Sie wissen, Herr Präsident Verzetnitsch, dass diese Streiks durchaus auch als ungerecht betrachtet werden können, dass diese Streiks durchaus als rein politische Streiks eingestuft wer­den können, weil sie sich gegen die Falschen richten, weil sie sich gegen die Betriebe richten, weil sie die eigenen Arbeitsplätze infrage stellen. Gott sei Dank, Herr Präsident Verzetnitsch, sind die Mitarbeiter in den Betrieben oft vernünftiger als die Gewerk­schaftsführung. Das zeigt der Verlauf des gestrigen Tages. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie wissen, in welchen Betrieben gestreikt wurde. Ich könnte Ihnen entsprechende Bilder zeigen und so weiter. Sie wissen genau, dass nur in jenen Bereichen gestreikt wurde, die in einem relativ sicheren Umfeld agieren können. Aber, bitte, soll sein. Es waren viele Menschen auf der Straße, und man soll die Argumente ernst nehmen – und wir haben sie ernst genommen. Das ist nämlich der „Witz“ an der Sache: Wir ha­ben diese Argumente ernst genommen, und sie sind im Abänderungsantrag enthalten.

Die Einigung war möglich, das wissen Sie, aber viele, die an den Runden Tischen be­teiligt waren, hatten das Gefühl, Sie wollten nicht, weil Sie nicht durften. Das ist scha­de. Das ist das Problem, denn der Inhalt allein kann es nicht sein. Der Inhalt wird näm­lich von den Menschen mitgetragen. Es gibt eine Gallup-Umfrage von vor wenigen Tagen: 84 Prozent sind für eine nachhaltige Pensionssicherung. 81 Prozent sind für die Begrenzung der Verluste. Wir haben uns daran gehalten. Und 58 Prozent sind gegen Streiks unter diesen Umständen.

Auch Politiker der SPÖ geben, wenn man unter vier Augen mit ihnen spricht, zu, dass diese Reformen notwendig sind und dass die vorliegenden Vorschläge auch vernünftig sind. In der Öffentlichkeit spricht man natürlich eine andere Sprache, in der Öffentlich­keit ist man anderer Meinung.

Ich meine, wer keine Verantwortung tragen will, handelt verantwortungslos. In diesem Fall würde sich sogar ein Blick nach Deutschland als durchaus nützlich erweisen. Kanzler Schröder hat am letzten Wochenende massive Eingriffe in das Sozialsystem Deutschlands vorgeschlagen. Mit 90 Prozent sind diese Eingriffe auch zur Kenntnis genommen und unterstützt worden. Und was tut die Opposition in Deutschland? Frau Kollegin Merkel von der CDU, eine großartige Frau, sagt: Jawohl, in Verantwortung für das Land tragen wir dort, wo es möglich und notwendig ist, diese Reformen mit!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sollten sich dieses Verhalten zum Vorbild nehmen und wirklich hin und wieder nach Deutschland schauen, aber nicht nur dann, wenn es darum geht, rot-grüne Phantasien zu verfolgen, sondern wenn es darum geht, Verantwortung für das Land zu übernehmen. Merkel zeigt Ihnen, wie es geht.

Herr Präsident, warum sind Sie nicht bereit – wie das in Einzelgesprächen in Aussicht gestellt wird –, Verantwortung mitzutragen? (Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.) Wa­rum laufen Sie dann vom Verhandlungstisch weg, wenn es in Richtung Einigung geht? Diese Frage müssen Sie beantworten, denn Zukunft braucht Verantwortung, Herr Prä­sident, und die müssen Sie mittragen helfen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitli­chen.)

18.08

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr zum Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hei­nisch-Hosek. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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18.08

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Über eine Million Menschen in 18 000 Betrieben haben gestern gestreikt, weil die Regierung ungerecht handelt. Das war gestern so und ist heute nach diesen Abänderungsanträgen sicherlich auch nicht viel anders. Ich weiß nicht, ob Herr Kollege Trinkl schon den ganzen Abänderungsantrag gelesen hat. Wenn er ihn gelesen hätte, dann hätten Sie feststellen müssen, Herr Kollege, dass sich nichts Wesentliches geän­dert hat, das nichts hinzugekommen ist, was zur Gerechtigkeit des Pensionssystems beiträgt. Das wissen Sie genau. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Trinkl: Aber Ihre Gräuelmärchen haben sich auch nicht ...!)

Wenn man sich die Chronologie dieser Berg- und Talfahrt bezüglich der Pensionsre­form anschaut, muss man sagen, das ist wirklich atemberaubend und für die Österrei­cherinnen und Österreicher nur mehr sehr schwer nachvollziehbar. Wenn Sie das ab­sichtlich so gemacht haben, dann ist das wirklich ein grober Vertrauensbruch der öster­reichischen Bevölkerung gegenüber. Ich glaube, Sie haben es absichtlich gemacht, denn der morgige „Kurier“ zum Beispiel titelt: „Koalition zieht diese Reform beinhart durch“. – Das ist nicht so freundlich, und ich glaube, dass die Österreicherinnen und Österreicher das wissen.

Wir haben als einzige Partei – und seit Jänner waren wir die einzige Partei, die wirklich ein schlüssiges Konzept auf den Tisch gelegt hat – immer wieder die Eckpunkte formu­liert, Eckpunkte, die verständlich sind, die sozial gerecht sind. (Rufe bei der ÖVP: Wo? Wo? – Abg. Dr. Trinkl: Sie haben bis heute noch nichts vorgelegt!) – Das ist heute da schon gelegen! Ich gebe es Ihnen dann, damit Sie es sich durchlesen können. (Abg. Dr. Trinkl: Das bestgehütete Geheimnis der Republik ist Ihr Modell!) Und das ist das System der Pensionsreform der Sozialdemokratie, das wirklich gerecht ist.

Wir haben uns nie in dieses Ringelspiel der Verwirrung hineingesetzt wie Sie, meine Damen und Herren, wo im Endeffekt nach etlichen Korrekturen, samt dem heutigen Abänderungsantrag, nur ein Gefühl des Schwindels übrig geblieben ist, denn dass die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ heute ganz blass dasitzen, das kommt vom ständi­gen Drehen in diesem Karussell. (Beifall bei der SPÖ.)

Mich wundert es nicht, dass Sie von der FPÖ wie ein Kreisel, wenn er stehen bleibt, umgefallen sind. Das ist gestern am Abend so passiert. Sie haben gestern „harmoni­siert“, jawohl, aber nur Ihre Positionen zu den Kürzungen im Pensionssystem, meine Damen und Herren! Wenn wir in den Ausschüssen, aber auch heute den ganzen Tag über Fragen zu den notwendigen Harmonisierungen gestellt haben, gab es lediglich lauwarme und diffuse Ankündigungen – und sonst nichts!

Für uns von der SPÖ heißt harmonisieren: sichern. Das ist sozial gerecht, und das ist ein sozialdemokratischer Ansatz. – Sie von den Koalitionsparteien hingegen harmoni­sieren nicht, sondern kürzen! Das ist ungerecht, das ist neoliberal! Anders gesagt: Sie bereiten den Abschied aus der ersten Säule unseres Umlageverfahrens vor.

Der Herr Bundeskanzler hat selbst gesagt, dass Sie die zweite und dritte Säule stärken wollen, das heißt, Sie verabschieden sich vom Umlagesystem. (Abg. Mag. Molterer: Nein!) Sie sichern damit nicht die späteren Pensionen der jungen Menschen, Herr Klubobmann Molterer! Ganz im Gegenteil: Genau die unter 40-Jährigen werden massiv verunsichert, und denen wird nicht die Wahrheit gesagt, denn das sind in Wirklichkeit die großen VerliererInnen Ihrer so genannten Pensionssicherungsreform.

Den Sie beratenden Herrn Professor Mazal zitieren Sie ja nie, auch wenn Sie sonst alle möglichen Pensionsexpertinnen und Pensionsexperten zitieren, denn Professor Mazal hat den Medien gegenüber mehrfach bekräftigt, dass die Verliererinnen und


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Verlierer Ihrer „Reform“ die unter 40-Jährigen sein werden. – Zitieren Sie das also bitte auch, damit das vollständig ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Für ziemlich abenteuerlich, meine Damen und Herren, halte ich die Aussage von Frau Kollegin Fuhrmann – sie ist jetzt leider nicht im Saal –, der Jugendsprecherin der ÖVP. Sie sollte eigentlich die Interessen der jungen Menschen vertreten. (Abg. Mag. Mol­terer: Tut sie auch!) Kollegin Fuhrmann meinte, durch die Bemühungen der Bundes­regierung gingen nicht 40 Prozent verloren, sondern würden 60 Prozent ge­wonnen. – Dazu kann ich nur sagen: Sind wir in einem Lotteriespiel um die zukünftigen Pensionen der jungen Menschen?! Sollen die vielleicht auch noch froh sein, wenn sie nur 60 Pro­zent bekommen, obwohl sie Monat für Monat ihre Beiträge einzahlen?! Aber vielleicht spielt in Ihren Kreisen Geld keine Rolle. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich rede sehr oft mit jungen Leuten, mit Leuten, bei denen Geld sehr wohl eine Rolle spielt, mit Leuten, die jeden Euro umdrehen müssen, bevor sie vielleicht in eine dritte Säule einzahlen. – In eine solche können sie aber nicht einzahlen! Immer öfter wen­den sich arbeitlose junge Menschen an mich. Wie sollen sich Menschen, die nicht ein­mal Arbeit haben, eine dritte Säule leisten können?!

Arbeitsmarktpolitisch gesehen ist es längst fünf nach zwölf – und nicht fünf vor zwölf, meine Damen und Herren! Dänemark zum Beispiel gibt 4,6 Prozent des Budgets für Arbeitsmarktpolitik aus; bei uns hingegen sind es magere 1,6 Prozent! Was Ihnen von der Bundesregierung jedoch wichtig ist, ist die eigene PR. 4 Millionen € haben Sie ausgegeben für Ihre Kampagne „Österreich neu regieren – Zukunft ohne Schulden“. – Hätten Sie dieses Geld in Arbeitsplätze investiert, hätten ein paar junge Leute zumin­dest Zukunftsperspektiven! (Beifall bei der SPÖ.)

Kein Euro, den wir durch die Pensionsreform einsparen – das hat Herr Bundeskanzler Schüssel am 28. April der „Presse“ gegenüber gesagt –, wird ins Budget fließen. – Wohin wird das Geld dann fließen? Wird uns der Herr Bundeskanzler vielleicht auch einen „Pensionssicherungsfonds“ präsentieren?

Das ist auch unser Ansatz, dass wir sagen: Wir brauchen einen Solidarbeitrag, damit wir 2020 und später unsere Pensionen wirklich sichern können. – Wohin wird das Geld fließen, wenn es nicht ins Budget fließt? Das wäre noch meine Frage an den Herrn Bundeskanzler; vielleicht können wir darauf eine Antwort erhalten.

Abschließend: Wir wollen eine Pensionsreform, wir Sozialdemokratinnen und Sozial­demokraten wollen harmonisieren. Wir sagen: Harmonisieren heißt sichern, aber bitte: fair, sozial, gerecht und zukunftssichernd, und zwar genauso für Junge wie für Ältere, für Männer und für Frauen. Wir von der SPÖ denken nach! Tun Sie von ÖVP und FPÖ das endlich auch! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

18.13

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lichtenegger. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


18.14

Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Hohes Haus! Zu dieser hier angesprochenen Verunsicherung hat sicherlich nicht die Bundesregierung beigetragen, sondern zu einem Großteil haben die Streiks dazu beigetragen. Vorhin hat ja eine Kollegin gesagt, dass sich niemand von uns zu den Streiks geäußert hätte; ich kann das ja nun ein wenig tun.

Ich würde gerne ein paar Pressestimmen hiezu bringen. Im „Kurier“ von heute heißt es: Der Streik ist vorbei, und nichts hat er gebracht. Bekanntlich hat der ÖGB die Ge­spräche abgebrochen und gemeint, streiken sei sinnvoller als verhandeln.“


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Die „Presse“ schreibt: Der ÖGB wollte es wissen. Jetzt weiß er es. Die Österreicher sind nicht in eine Radikalisierung hineintreibbar. Damit ist auch das Gewicht des ÖGB zum Segen des Landes reduziert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In den „Oberösterreichische Nachrichten“ heißt es: Hätten nicht Fernsehen und Zeitungen so ausführlich berichtet, wäre der gestrige Streik an der Mehrheit der nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesenen Bürger beinahe spurlos vorüber gegan­gen.

Die „Kronen Zeitung“ – das muss man sich vorstellen! – schreibt: Der Streik hat be­gonnen bei den ÖBB. Das ist jenes Unternehmen, wo die überwiegend pragmatisierten Mitarbeiter mit 52,6 Jahren in Pension gehen und wo bei bei den über 50-Jährigen im Schnitt 100 Krankenstandstage pro Jahr anfallen. Völlig klar, dass man dort gegen diesen Pensionsreformantrag zu Felde ziehen muss.

Der „Standard“ schreibt: Eine Nichtreform des Pensionssystems wäre eine Ungerech­tigkeit gegenüber den Jungen.

Als Sportler weiß ich um meine Stellung in der Öffentlichkeit, und ich weiß auch, dass ich eine gewisse Vorbildwirkung habe. Ich glaube, als Erwachsene haben wir über­haupt großen Einfluss auf die jungen Leute, und wir haben auch verantwortliche Auf­gaben. Einige haben wir auch hier in diesem Haus zu übernehmen – und eine davon ist, dafür zu sorgen, dass unsere Nachkommen ein aussichtsreiches Leben, auch ein gerechtes und soziales Pensionssystem zu erwarten haben, und dass wir für die jun­gen Menschen zumindest jene Rahmenbedingungen schaffen, von denen wir selbst uns vorstellen können, dass sie gut für unser eigenes Leben sind.

Selbstverständlich sollten wir auch Vorbildwirkung für junge Menschen haben; Jugend­liche sind ja immer irgendwie darauf bedacht, uns Erwachsene ein bisschen nachzu­ahmen. Ich glaube aber nicht, dass es im Sinne einer Vorbildwirkung ist, ihnen einzu­reden zu versuchen, dass Streiks konstruktiv seien, sondern wir sollten den jungen Menschen mitgeben, dass es sinnvoll ist, Probleme im Dialog zu lösen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Apropos Dialog: Da möchte ich ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Broukal eingehen und skizzieren, wie dieser Dialog von Seiten der SPÖ hier betrieben wird. Und da gebe ich auch meiner Nachrednerin Melitta Trunk gleich ein bisschen Ge­sprächsstoff. In der „Kärntner Woche“ gibt es eine Anzeige der SPÖ, in der es heißt – ich zitiere –:

„Nationalrat Lichtenegger ist dafür verantwortlich, dass wir 40 Prozent weniger Pensio­nen bekommen.“

Also eine bezahlte Lüge mit Steuergeldern! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das ist nicht die Art von Dialog, die wir uns wünschen! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, den Vorwurf der „Lüge“ bitte ich Sie zurückzuziehen, sonst muss ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen. (Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung des Abg. Lichtenegger –: Sag: „die Unwahrheit“!)

 


Abgeordneter Elmar Lichtenegger (fortsetzend): Ich nehme den Vorwurf der Lüge zurück. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen für den das Red­nerpult verlassenden Abg. Lichtenegger.)

18.17

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Trunk. – Bitte. (Ruf: Lügnerin ...!)

 



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18. Sitzung / Seite 169

18.17

Abgeordnete Mag. Melitta Trunk (SPÖ): Punkt 1: Sie nehmen den Zuruf „Lügnerin“ sofort zurück! – Ich denke, der Herr Präsident wird das regeln.

Punkt 2, zum Kollegen Lichtenegger und dessen Behauptung, Inserate der SPÖ wür­den mit Steuermitteln finanziert: Im Gegensatz zur FPÖ bezahlt die SPÖ ihre Inserate aus Mitteln der Sozialdemokratischen Partei – und nicht aus anderen Quellen! Das werden Sie auch zurücknehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zu Ihrem Optimismus und Ihrem Ja-Sagen zu dieser Pensionsreform nur einen Satz: Kollege Lichtenegger, du bist noch jung genug, um die „Früchte“ dieser Pensionskür­zung und den Verlust der Chancengerechtigkeit für die Jungen am eigenen Leib zu erleiden! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich hoffe nicht, dass du einst an deine Worte zurückdenken wirst, und zwar mit Bitternis. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dolinschek.) – Herr Kollege Dolinschek, lassen wir das!

In Kärnten haben wir zur Resolution des ÖGB gesagt: Streiten wir nicht, machen wir einen Konsens zumindest für Kärnten! – Kollege Dolinschek hat vor versammelter Mannschaft beziehungsweise Frauschaft dort gesagt, er könne die ÖGB-Resolution nicht unterfertigen, sie sei ihm zu wenig weitreichend. (Rufe bei der SPÖ: Hört, hört!) – Mehr sage ich dazu nicht, Herr Kollege Dolinschek!

Was uns Ihre Kollegen und die zuständigen Minister und Ministerinnen auf der Regie­rungsbank heute und in den letzten Tagen und Wochen rund um das, was Sie „Pensi­onsreform“ nennen, liefern, ist ein Sittenbild ... Nein, Entschuldigung: Das ist kein Sit­tenbild, sondern ein Unsittenbild, das erstens nur so strotzt vor Dilettantismus, Punkt zwei vor Arroganz, Punkt drei vor Feigheit – und ich füge auch noch hinzu: einem mangelnden Demokratieverständnis, wenn ich diese Reflexe gegen Demonstrationen, gegen Demokratie und mutige österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen auch noch berücksichtige. (Beifall bei der SPÖ.)

Dilettantismus, weil Sie ja in Wirklichkeit bis zum heutigen Tage noch nicht einmal in der Lage waren – vielleicht haben Sie es in den letzten Stunden doch noch geschafft –, Vorlagen oder Abänderungsanträge entsprechend rechtzeitig einzubringen. Ich erwäh­ne in diesem Zusammenhang die viel zitierte Trägerrakete und die Ausführungen dazu nicht. – Dass etwas unterschrieben wird, wofür man nicht haftet, ist ja nicht zum ersten Mal eine Causa der FPÖ, obwohl vielleicht einmalig bei der ÖVP. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.)

Punkt zwei: Ihr Sitten- und Unsittenbild strotzt vor Arroganz. Davon zeugt ein Bundes­kanzler, der ununterbrochen verbal die eine Hand entgegenstreckt und mit der anderen Hand die Türen für jene zusperrt, die an den Verhandlungen teilnehmen wollen.

Punkt drei: Dieses Unsittenbild strotzt auch vor Feigheit, insbesondere vor Feigheit eines noch amtierenden Bundeskanzlers, der zu wenig Mut hat, sich mit den Vertretern der Oppositionspartei an einen Tisch zu setzen und ernsthaft zu verhandeln. (Abg. Freund: Sie wissen genau, dass das nicht stimmt!) Er ist deshalb zu feig, weil er ganz genau weiß – er hat heute nicht zum ersten Mal die SPÖ-Vorschläge gelesen –, dass die Sozialdemokratie über ein wirklich soziales, gerechtes und zukunftsicherndes Mo­dell verfügt – daher diese Mutlosigkeit und Feigheit. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischen­ruf des Abg. Wittauer.)

Die SPÖ, vertreten durch unseren Parteivorsitzenden Gusenbauer, hat den Mut und hat Hürden überwunden. (Rufe bei den Freiheitlichen: Wo ist er denn? – Abg. Hornek: Er fürchtet sich!) Er war so offen, sogar mit eurem Haider zu verhandeln, denn ihm und der Sozialdemokratie war jede Stimme recht, diese Unreform zu verhindern.


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Gusenbauer hatte die Offenheit und die Freiheit. Was ist passiert? – Er hat sich mit Haider zusammengesetzt, aber der Mut hat Haider vor Ende der Spargelzeit bereits verlassen. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Ein Haider, der gestern Vormit­tag aus Kärnten noch mitteilen ließ, dass er die Regierung sprengen wolle, um am Nachmittag umzufallen. Warum ist das passiert? Warum ist Haider kleinlaut geworden? Und warum verkündet er selbst heute noch immer die gleiche Meinung, das sei ein gutes Modell? – Weil es in Wirklichkeit ein Kitt ist, der Sie alle zusammenhält: Der Kitt, das sind die dubiosen Vorgänge rund um die Anschaffung des Kriegsgeräts. Das ist der Kitt, der selbst Jörg Haider zum Schweigen bringt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Hahnebüchen ist das!)

Dass es nur Kitt ist, das zeigte die blanke Verzweiflung des sonst immer murmelnden Sozialministers und Vizekanzlers Haupt. Heute hat er die Brülldroge geschluckt. (Abg. Murauer: Können Sie das genauer definieren, damit wir uns auskennen?) Haupt hat in seiner blanken Verzweiflung und in ein wenig politischer Verwirrtheit heute statt von geringen Pensionen und Benachteiligung von Frauen von – ich zitiere – „privilegierten Frauen“ in Österreich gesprochen, und Dolinschek sprach von den „humanen Verlus­ten“, von Verlusten, denen er aber letztlich zustimmen wird.

Geschätzte Kollegen der ÖVP und der FPÖ! – Das rote Licht leuchtet, ich kürze ab. (Heiterkeit. – Abg. Mag. Mainoni: Das ist nichts für Ihre Nerven!) Ich habe Ihnen vor einigen Monaten gesagt, erst wenn die letzte Steuer erhöht sein wird, erst wenn die letzte Pension gekürzt sein wird, werden Sie erkennen, dass man Abfangjäger nicht essen kann! – Sie haben es erkannt und handeln daher vorsätzlich fahrlässig. Auch wenn in vier Tagen Pfingsten kommt und dieser Herr Präsident unseren Herrgott vom Himmel in die Verfassung holen will – ich meine, wir lassen ihn dort, wo er ist –, habe ich nicht einen Funken Hoffnung, dass diese Bundesregierung und Sie die Erleuchtung trifft. (Beifall bei der SPÖ.)

18.24

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Frau Kollegin Trunk, der Geist weht, wo er will. (Heiter­keit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Wöginger. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

 


18.24

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme aus Oberösterreich, aus dem Innviertel, und da ist es noch gute Tradition, dass man die Dinge beim Namen nennt und auch das sagt, was man sich denkt. Auf Grund der heutigen Debatte und auch auf Grund dessen, was meine Vorrednerin gesagt hat, werde ich von dieser Mentalität kurz abweichen, weil ich bei meiner ersten Rede einen guten Eindruck hinterlassen möchte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als einem der jüngsten Abgeordneten dieses Hohen Hauses ist es mir ein besonderes Anliegen, zur Pensionssicherungsreform das Wort zu ergreifen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Besonders für die nachkommenden Generati­onen und für die heutige Jugend ist es wichtig, dass jetzt die Pensionen gesichert wer­den und nicht irgendwann. Warum muss jetzt etwas geschehen?

Erstens: Die Geburtenzahlen sind stark zurückgegangen, im Vergleich von 2001 zu 1970 sind wir österreichweit im Durchschnitt drei Jahre länger in Ausbildung bezie­hungsweise sechs Jahre weniger im Erwerbsleben tätig. Unsere Pensionisten kön­nen – Gott sei Dank! – zwölf Jahre länger im wohlverdienten Ruhestand verbringen.


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Zweitens: Die Beschäftigungsquote von 55- bis 64-Jährigen liegt in Schweden bei 67 Prozent, in Österreich bei 28 Prozent und im EU-Durchschnitt bei 38 Prozent. Wir sind keine Insel der Seligen, und auf Dauer werden wir uns das nicht leisten können.

Drittens: Der Bundeszuschuss für die Pensionen würde von 2002 bis 2006 um insge­samt 3,2 Milliarden € ansteigen, wenn keine Reform käme.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! Wer soll das bezahlen? Woher nehmen Sie die zusätzlichen finanziellen Mittel für die Pensionen, wenn Sie die Reform nicht machen wollen? Erklären Sie das bitte der Bevölkerung und betreiben Sie nicht nur Panikmache und Verunsicherung, wie in Ihren Aussendungen, zum Bei­spiel der von der SPÖ Oberösterreich in Linz, in der nur polemisiert und verunsichert wird. (Der Redner hält eine Broschüre der SPÖ-Oberösterreich in die Höhe.)

Ich würde wirklich darum bitten, dass Sie auch Ihre konkreten Vorschläge auf den Tisch legen und Alternativen aufzeigen, die zur langfristigen Sicherung der Pensionen dienen. Ich kann diese in Ihren Broschüren leider nicht finden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir von den Regierungsfraktionen haben unsere Ideen und Vorstellungen in die Dis­kussion um die Reform eingebracht. Das, was Kanzler Schüssel und Vizekanzler Haupt heute präsentiert haben, ist ein faires und sozial verträgliches Angebot, welches zukunftsorientiert ist und vor allem die nachkommenden Generationen berücksichtigt. Ob es die zehnprozentige Verlustdeckelung, die Verbesserung bei der so genannten „Hackler-Regelung“, die vorgesehene Schwerarbeiterregelung, die 30 Ersatzmonate für Zeitsoldaten oder – ganz wichtig – die Schaffung eines beitragsorientierten, persön­lichen Pensionskontos ist, es sind Maßnahmen, die in ihrer Gesamtheit notwendig und wichtig sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gerade die Einführung des Pensionskontos, welches vom ÖAAB Oberösterreich ent­wickelt wurde, ist ein ganz wesentlicher Punkt in diesem Paket und schafft Gerechtig­keit zwischen den verschiedenen Systemen. Kurz erklärt: Die Beiträge, die man ein­zahlt, bekommt man am Ende wieder heraus, inklusive Aufwertung und Verzinsung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist meiner Meinung nach sozial, gerecht und fair und zugleich langfristig eine gute Absicherung der ersten Säule.

An dieser Stelle möchte ich noch kurz die zweite und dritte Säule erwähnen, die zur gesamten Absicherung der Pensionen notwendig sind und auch noch weiter ausgebaut werden müssen. – Meine Damen und Herren von der Opposition! Reden Sie bitte die­ses Drei-Säulen-Modell nicht immer schlecht. Mit der „Abfertigung neu“ wurde ein Mei­lenstein in der Sozialpolitik erreicht, und die private Pensionsvorsorge wird viel besser angenommen, als Sie es immer darstellen.

Sie können sich gerne bei der österreichischen Raiffeisenbank über den großen Zulauf zur privaten Vorsorge informieren. (Rufe bei der SPÖ: Raiffeisenbank!) – Bis dato konnten innerhalb weniger Monate bereits über 40 000 Verträge abgeschlossen wer­den, nicht nur von der Raiffeisenbank, sondern insgesamt.

Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Die jungen Menschen in diesem Land sowie über 80 Prozent der Bevölkerung stehen zu einer Pensionssicherungsreform. Meine Damen und Herren von der Opposition! Es wäre schön, wenn alle in diesem Haus die­se Einsicht hätten und diese wirklich notwendige Reform auch mittragen würden. – Ich danke sehr. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.29

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck. Er wünscht, 6 Minuten zu sprechen. – Bitte.

 



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18.29

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn ich mir Ihre Politik anschaue, dann sehe ich, dass Sie überhaupt nicht wissen, was es bedeutet und wie hart es ist, im Schicht­turnus und Wechseldienst zu arbeiten.

Das tun in Österreich aber über 580 000 Menschen, und auf diese Menschen nehmen Sie überhaupt keine Rücksicht bei Ihrem Pensionskürzungsmodell! Für diese Men­schen, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten, brauchen wir jedoch unbedingt Erleichterungen beim vorzeitigen Pensionsantritt, denn es ist entweder unmenschlich brutal oder absolut weltfremd und total abgehoben von der wirklichen Arbeitswelt, wenn Sie diese Menschen zwingen wollen, ausnahmslos bis zum 65. Lebensjahr arbei­ten zu müssen, sofern diese Menschen überhaupt noch eine Arbeit haben bezie­hungsweise eine Arbeit finden.

Meine Damen und Herren! Werfen Sie Ihren Blick nicht immer nach Deutschland, son­dern werfen Sie Ihren Blick auf diese Menschen und tragen Sie Verantwortung für die­se Menschen! (Beifall bei der SPÖ.)

Nach neuesten Daten erleben 20 Prozent der ASVG-Versicherten in Oberösterreich das 65. Lebensjahr nicht, und Schichtarbeiter haben eine durchschnittliche Lebenser­wartung von erschreckend niedrigen 63 Jahren. Diese Regierung will nichts anderes, als diese Menschen, die ihr Leben lang härtest und unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet haben, bis in den Tod hinein schuften zu lassen, denn diese Menschen wer­den das Pensionsantrittsalter von 65 Jahren in der Regel gar nicht erleben.

Meine Damen und Herren! Wenn ein Schichtarbeiter jahrzehntelang in die Pensions­versicherung einzahlt und dann durch das brutale Hinaufsetzen des Pensionsantrittsal­ters auf 65 Jahre die Pension gar nicht mehr genießen kann, dann ist das glatter Pen­sionsraub! Anders kann man es nicht bezeichnen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ist Ihnen klar, dass Sie damit dabei sind, den Lebensabend für diese Menschen abzuschaffen? (Abg. Mag. Mainoni: Geh!) Viele dieser Menschen werden es nämlich rein körperlich nicht schaffen, die Ar­beitsbelastung bis ins hohe Alter durchzuhalten. Sie werden vor dem Erreichen des Pensionsalters krank werden oder sterben, oder sie werden vor dem 65. Lebensjahr arbeitslos werden und werden keinen Arbeitsplatz mehr finden, weil sie kein Unter­nehmen mehr nimmt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.) Über vier Jahrzehnte langes hartes Arbeiten, drohende Arbeitslosigkeit im Alter und zusätzliche Pensions­kürzungen, wie sie jetzt immer noch von der Regierung beabsichtigt sind, bedeuten eine unzumutbare und skandalöse Benachteiligung für diese Menschen!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie das nicht einsehen, dann ist Ihnen entweder intellektuell ohnehin nicht mehr zu helfen, oder Sie werden von unlauteren, zynischen Motiven und Verachtung diesen Menschen gegenüber getrieben! Und all das nur, um kurzfristig Geld fürs Budget und die Abfangjäger zusammenzukratzen! Sie begehen im wahrsten Sinne des Wortes Pensionsraub an diesen Menschen, die am härtesten ar­beiten, ohnehin geringe Pensionen bekommen und noch dazu die geringste Lebens­erwartung haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! In den Verhandlungen mit den Sozialpartnern ist Bundes­kanzler Schüssel in den entscheidenden Fragen stur geblieben. Ein Kernpunkt für das Scheitern der Gespräche war zum Beispiel die von der Regierung behauptete Begren­zung der Pensionsverluste mit 10 Prozent. Diese Deckelung soll jedoch nur wenige Jahre gelten, bis das beitragsorientierte Pensionskonto eingeführt wird. (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) Für dann sind die ursprünglich radikalen Pensionskürzungen von


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bis zu über 40 Prozent für heute junge Menschen wieder geplant und werden voll durchschlagen. Doch auch dieser 10-Prozent-Deckel ist für die Bezieher kleiner Ein­kommen unakzeptabel, denn bei einer ASVG-Durchschnittspension von 900 € monat­lich bedeuten 10 Prozent Kürzung monatlich 90 € und jährlich einschließlich Sonder­zahlungen zirka 1 250 €. Das heißt nichts anderes, als dass fast eineinhalb Monats­pensionen einfach weg sind!

Auch die immer wieder versprochene Harmonisierung der verschiedenen Pensionssys­teme soll frühestens in 30 Jahren kommen. Bis dahin werden weiterhin nur die ASVG-ler zur Kassa gebeten.

Spitzenbeamtenpensionen soll es weiterhin geben. Wirtschaftsminister Bartenstein verweist immer wieder auf angebliche Schwierigkeiten, die nicht so schnell zu lösen seien. Der ÖVP-Bauernbund, meine Damen und Herren, wurde da schon deutlicher: Landwirtschaftskammerpräsident Schwarzböck freute sich gleich am Tag nach dem Scheitern des Runden Tisches im Namen der Bauern, dass die Harmonisierung nun doch nicht kommt.

Dass bei diesem Spiel die ÖVP federführend ist, kann mich wirklich nicht überraschen (Abg. Wittauer: Das ist kein Spiel!), doch dass die Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, die immer mit dem Anspruch auftreten, die kleinen Arbeiter zu vertreten, dabei mitspielen, ist erschreckend für mich! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Wittauer.)

Meine Damen und Herren! Ich bin wirklich gespannt, wie Sie und auch Kollege Walch – der jetzt leider nicht hier ist – diese Politik, die dazu angetan ist, den Lebensabend die­ser schwerst arbeitenden Menschen abzuschaffen, den betroffenen Menschen erklären wollen! Ich weiß, dass meine Kollegen und ich – und ich habe auch jahrelang Schicht­arbeit betrieben – unseren Lebensabend nicht erleben werden, denn wir werden auf Grund Ihres Pensionsreformmodells direkt vom Arbeitsplatz zu Grabe getragen wer­den!

Das ist Ihr Pensionsreformmodell, und das lehnen wir ab! (Beifall bei der SPÖ. –Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.35

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann, der 5 Minuten zu uns sprechen möchte. – Bitte.

 


18.35

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Wort zu den Ausführungen meines Vorredners: Es wird Ihnen sehr wohl bekannt sein, dass der Experte im Hearing 15 Prozent Deckelung für vertretbar bezeichnet hat. (Zwischenruf der Abg. Hagenhofer.) Sie aber, geschätzter Kollege, bezeichnen nun die 10 Prozent als unzumutbar und sprechen davon, dass diese Deckelung der Abzüge nur für eine kurze Zeit wirksam sein würde. – Dann haben Sie aber offenbar irgendetwas nicht ge­lesen: Es geht nämlich immerhin bis 2028! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Ich darf, nachdem es der Tenor der Ausführungen zumindest der Oppositionsparteien war, dass eine Verschiebung dieser notwendigen Reform herbeigeführt werden soll, kurz auch das aufgreifen, was Frau Kollegin Silhavy gefordert hat: Sie hat gefragt, wa­rum wir uns nicht Zeit bis zum Herbst oder noch länger nehmen. – Gestatten Sie mir dazu eine Frage, Frau Kollegin: Wie lange brauchen Sie denn noch? Ich halte nichts von Wiederholungen! Es sind hier heute, wenn auch zugegebenermaßen sehr einsei­tig, Fakten ausgetauscht worden. Dieser Austausch war deswegen einseitig, weil die


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Regierungsparteien die Eckdaten und Fakten dieser Pensionssicherungsreform mehr­fach explizit dargestellt haben. Die Oppositionsparteien halten es hingegen seit Wo­chen für richtig und angebracht, hier mit Stehsätzen zu argumentieren, die inhaltslos und leer sind.

Bis jetzt – und das sind immerhin, wenn man nur diesen Tagesordnungspunkt rechnet, rund sechs Debattenstunden – ist kein einziger konstruktiver Vorschlag seitens der Oppositionsparteien hier vom Rednerpult aus gekommen. (Abg. Murauer: Traurig, aber wahr!) Du sagst es: Das ist traurig, aber wahr!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wissen, dass es einen großen Konsens hinsicht­lich des Erfordernisses einer Pensionssicherungsreform in der Gesellschaft gibt. Das hat Minister Dallinger bereits 1986 erkannt, als er von einer notwendigen Hinaufset­zung des Pensionsantrittsalters gesprochen hat, und auch der damalige Klubobmann der SPÖ Sepp Wille, Metallergewerkschafter, hat eine Harmonisierung der Pensions­systeme gefordert. Was aber haben Sie in der Zwischenzeit gemacht? Was haben die Gewerkschaften gemacht? Welchen Beitrag beziehungsweise welche Modelle haben Sie entwickelt?

Sie verlegen sich darauf, vom Pensionsklau zu sprechen, plakatieren dies und verbrei­ten dies in den Medien. – Wenn jetzt von Pensionsklau die Rede ist, dann können Sie wohl nur die Pensionserhöhung während Ihrer Zeit als verantwortliche Regierungspar­tei im Jahre 1996 und 1997 meinen, als es eine Gehalts- beziehungsweise Pensions­erhöhung von null Prozent gegeben hat. Ihr Zeichen beziehungsweise Ihr Signal ist der Abbruch des Dialoges, der stattfinden sollte. An Stelle des Dialoges fordern Sie zum Streik auf, und zwar – wie ich meine – aus parteipolitisch motivierten Gründen. Sie demonstrieren, statt zu reformieren, und zwar nicht mit dem Ziel, eine Verbesserung dieser Pensionssicherungsreform zu erreichen, sondern mit dem Ziel, diese Regierung zu sprengen. Ich sage Ihnen aber, dass Ihnen das mit Sicherheit nicht gelingen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wissen, dass eine Erhöhung des faktischen Pen­sionsantrittsalters vonnöten ist. War jemand Anfang der siebziger Jahre rund sieben Jahre in Pension, so sind es heute über 20 beziehungsweise fast 21 Jahre.

Sie nehmen darauf keinen Bezug, nein, Sie brechen einen Streit vom Zaun. Sie fordern zum Streik auf. Sie gefährden den Wirtschaftsstandort Österreich, Sie gefährden Ar­beitsplätze, was für mich unverständlich ist. Da dies Streikmaßnahmen sind, die sich auf Betriebsebene abspielen, weiß ich nicht, in welcher Form Sie sich tatsächlich ein­bringen. Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Kosten haben die Betriebe zu tragen.

Wenn hier ein Vergleich mit den Bauern angestellt wurde, die einmal mit ihren Trakto­ren nach Wien gefahren sind und demonstriert haben, so darf ich darauf hinweisen, dass es einen Unterschied macht. Die Bauern sind auf ihre eigenen Kosten mit ihren Traktoren nach Wien gefahren und haben demonstriert. (Zwischenruf des Abg. Öllin­ger.) Ein Streik, sehr geehrte Damen und Herren, ist mit Sicherheit etwas anderes. Ich wiederhole es: Herr Kollege Öllinger, das spielt sich auf der betrieblichen Ebene ab, und die Betriebe haben, weil parteipolitisch motiviert, die Kosten hiefür zu tragen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bei Ihnen habe ich den Eindruck, Sie gehen nach dem Motto vor – denn es geht Ihnen nur um das Verschieben der Zeit –: Es ist viel zu tun, warten wir es ab. (Abg. Öllinger: Sie haben es eilig!) Es hat die Regierungsvorla­ge gegeben, die in Begutachtung gegangen ist. Es hat Stellungnahmen dazu gegeben, die Berücksichtigung gefunden haben. Es hat – ich gebe es zu – harte Verhandlungen auch zwischen den Koalitionsparteien gegeben, die gut, sinnvoll und richtig waren. Und Sie hätten Gelegenheit gehabt, sich ebenfalls in entsprechendem Maße einzubringen. Die Verhandlungen, die die Koalitionsparteien miteinander geführt haben, sind für


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mich, sehr geehrte Damen und Herren, Parlamentarismus. Es hat dort eine Adaptie­rung stattgefunden, wo es sinnvoll und nötig war. Es ist ein Gesetzeswerk entstanden, das zukunftsorientiert ist, das zukunftssichernd ist, das sozial und gerecht ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für gewisse Dinge braucht man Mut, Mut zur Ge­rechtigkeit und auch Mut zur Verantwortung, den Sie offensichtlich nicht hatten. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.43

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Frau Abgeordnete Mag. Lapp. 5 Minuten. – Bitte.

 


18.43

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staats­sekretärin! Herr Staatssekretär! Mein Vorredner hat sich ziemlich abgequält bei seiner Rede. Ich kann das verstehen. Die FPÖ hat sicherlich eine lange Nacht der Verhand­lungen hinter sich. Wie man an der Diskussion zur Pensionsreform merkt, ist die Re­gierung nach wie vor auf ihrem Schlitterkurs unterwegs. Die Österreicherinnen und Österreicher kommen mit Ihnen auf die politische Hochschaubahn. (Zwischenruf des Abg. Wattaul.)

Sie reden schon seit in der Früh immer drein, und es ist nicht immer witzig, muss ich Ihnen sagen, Herr Kollege Wattaul. Ich möchte mich jetzt gerne mit dem Thema der Pensionsreform beschäftigen. Aber im Gegensatz zu Ihnen, der Sie ja nur billige Ben­zinpreise im Kopf haben, sind mir die Anliegen der Österreicherinnen und Österreicher wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Schlitterkurs der Bundesregierung bringt die Österreicherinnen und Österreicher auf eine politische Hochschaubahn. Diese Hochschaubahn hat allerdings einen Nach­teil: Es geht immer nur abwärts anstatt hinauf.

Die Vorlage zur Pensionsreform wurde vom Herrn FPÖ-Sozialminister eingebracht. Diese Vorlage war ein Gruselvorschlag, wie wir ja schon anhand sehr vieler Diskussio­nen, Bemerkungen und Stellungnahmen demonstriert haben.

Es wurde von Seiten der Regierung auch immer wieder darauf hingewiesen, dass das eine Geldbeschaffungsaktion ist, weil nämlich die Steuerreform finanziert werden muss. Und immer wieder kam der Hinweis auf die Steuerreform. Nie kam allerdings das Kleingedruckte im Beipacktext bei Ihren Maßnahmen, dass nämlich lange Verluste durch diese Pensionsreform durch eine Steuerreform nicht ausgeglichen werden kön­nen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Auch keine mitreißende Rede!)

Viele parlamentarische Maßnahmen, Maßnahmen der Zivilgesellschaft und Maßnah­men der Interessenvertreter, der Gewerkschaften waren notwendig, um die Regierung von ihrem Gruselkurs abzubringen. Doch dieses Abbringen hat nur eine weitere Kurve hervorgebracht. Es gab auch zahlreiche Debatten im Ausschuss. Da war das Bemühen der FPÖ-Abgeordneten am Anfang irgendwie schon sehr verständlich, aber sie haben sich letztlich im Würgegriff der ÖVP-Regierungspartner befunden, denn sie haben im­mer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig eine Harmonisierung und Privilegienbesei­tigung ist, und dass für jene Menschen, die sehr schwer arbeiten müssen, auch Maß­nahmen gesetzt werden müssen. – Mein Kollege Keck hat ja vorher schon ausgeführt, dass auch in dem, was jetzt vorliegt, keinerlei Maßnahmen für jene Menschen enthal­ten sind.

Bürgerinnen und Bürger haben Mails geschrieben, haben Briefe geschrieben, haben demonstriert und gestreikt. Und ich denke mir, all diesen Bürgerinnen und Bürgern muss man für ihre Unterstützung auch danke sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen.) Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Menschen in unserem


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Land politisch mündig sind und sich von Gruselschlitterkursen einer Regierung nicht abbringen lassen, sondern gezielt für ihre Interessen eintreten und für das, was ihnen zusteht. Dafür ein sehr großes Lob!

Es wurden von Seiten der Regierung immer wieder Änderungen angekündigt, aber nie vorgelegt. So diskutierten wir auch immer wieder im politischen Nebel, und zwar nicht nur bei der Pensionsreform.

Ein Beispiel für diesen Gruselkurs war auch das Pflegegeld. Zum Pflegegeld gab es immer wieder die Feststellung seitens des Herrn FPÖ-Sozialministers Haupt, dass es valorisiert werden soll. Er ist dann umgefallen, da ihm der Herr Finanzminister die Valo­risierung „abgedreht“ hat. Dann sollte dann eine Einmalzahlung für die pflegebedürfti­gen Menschen in den Pflegegeldstufen 4 bis 7 geben; die Zahl dieser Menschen be­trägt ungefähr ein Viertel. Aber diese Einmalzahlung ist dann auch nicht gekommen.

Herr Minister Haupt ist dann wieder umgefallen. Er hat gemeint, es gibt einen Unter­stützungsfonds, wo nahe Angehörige eine Unterstützung bekommen. Das heißt, pfle­gebedürftige Menschen, Pflegegeldbezieherinnen und Pflegegeldbezieher schauen in unserem Land durch die Finger, denn sie bekommen keine Valorisierung und keine Einmalzahlung. Der Unterstützungsfonds kann nur von nahen Angehörigen in An­spruch genommen werden. Es ist wirklich eine politische Kunst, im Liegen noch drei­mal umzufallen!

Auch bei der Pensionsreform ist dies dem Herrn Sozialminister gelungen. Er hat näm­lich gemeint, es werde ein Härtefonds gegründet, und dieser Härtefonds sei mit 10 Millionen € dotiert. Da, meine sehr geehrten Damen und Herren, beschleicht mich etwas die Angst, ob es sich bei diesem Unterstützungsfonds für das Pflegegeld, der ebenfalls mit 10 Millionen € dotiert wurde, nicht um die gleichen 10 Millionen € handelt wie bei jenem Fonds, der erst gegründet wird und ebenfalls mit 10 Millionen € dotiert wird, also um jene 10 Millionen €, die auf der einen Seite für die Pflegegeldbezieherin­nen und -bezieher eingesetzt werden sollen, die nichts bekommen, für die nahen An­gehörigen, und andererseits für jene, die um ihre Pensionen umfallen oder bei den Pensionen sehr starke Einbußen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem von Ihnen von der FPÖ würde mich interessieren, ob Sie nach wie vor zu Ihrer Forderung nach einer Volksabstim­mung stehen, denn Sie haben ja immer wieder gesagt, dass das ein wesentlicher Bei­trag ist, dass man dann, wenn eine Pensionsreform auf dem Tisch liegt, das Volk dazu befragen wird. Nach den Beispielen, die ich aufgezählt habe, meine ich, dass diese Zusage von Ihrer Seite nach wie vor ein weiteres Märchen aus der Grottenbahn ist. (Beifall bei der SPÖ.)

18.49

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr spricht Herr Abgeordneter Sieber 5 Minuten zu uns. – Bitte.

 


18.49

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es ist dies ein freudiger Tag für Österreich, da wir heute das Thema Pensionssicherung wie­der einen Schritt näher an eine gute Lösung heranbringen. Es ist ein freudiger Tag für Österreich, da diese Regierung unter Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzler Haupt sich dieses sicher nicht leichten, aber für die Zukunft unseres Landes und seiner Men­schen so wichtigen Themas verantwortungs- und zukunftsorientiert annehmen und es einer Lösung zuführen.


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Wenn ich jetzt noch sagen würde, es ist ein freudiger Tag für Österreich, weil ich meine erste Rede zu diesem wichtigen Thema halte, wäre das eine maßlose Selbstüber­schätzung, aber ein freudiger Tag für mich ist es allemal. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Viele Menschen sind in den vergangenen Wochen mit der Bitte an mich als jungen Abgeordneten und Familienvater herangetreten, mich besonders für die Jüngeren in unserer Gesellschaft einzusetzen, denn Tatsache ist, je länger wir untätig bleiben, des­to schmerzhafter werden die Einschnitte im Pensionssystem sein, und das würde vor allem die Jungen treffen. Deshalb glaube ich, dass diese Reform besonders wichtig ist, um den jungen Menschen wieder mehr Vertrauen in die Pensionsvorsorge zu geben.

Tun wir nichts, so wie es offensichtlich die Opposition möchte, bedeutet das um 53 Prozent höhere Beiträge oder um 45 Prozent niedrigere Pensionen oder elf Jahre länger zu arbeiten. Keine diese Varianten ist den Menschen zuzumuten, weil sie un­sinnig und unsozial sind.

Das jetzt vorliegende sozial ausgewogene Pensionsmodell sieht vor, dass im Einzelfall höchstens ein Gesamtverlust von 10 Prozent entstehen kann. Viele Experten meinen, dass dieser Deckel die Wirksamkeit der Reform zu sehr einschränkt, doch ich glaube, dass sich die junge Generation ihrer Verantwortung für unsere Eltern und Großeltern bewusst ist, und sage deswegen Ja zu dieser Deckelung. Damit sind sämtliche Hor­rormeldungen von Seiten der Gewerkschaft vom Tisch, und niemand braucht Angst vor dieser Reform zu haben.

Wir von der Österreichischen Volkspartei sind uns unserer Verantwortung für die Ge­nerationen bewusst, und deshalb wurden auch für die Familien wichtige Maßnahmen gesetzt. Der pensionsbegründende Anteil der Kindererziehungszeiten – übrigens auch eine Errungenschaft dieser Regierung, die von der Opposition heftigst bekämpft wur­de – wird von derzeit 18 auf 24 Monate erhöht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Freiheitlichen.)

Pro Kind wird der Durchrechnungszeitraum um drei Jahre verkürzt. Außerdem wird die Bemessungsgrundlage für pensionserhöhende Kindererziehungszeiten in Schritten auf 150 Prozent erhöht. Somit tragen all diese Maßnahmen dazu bei, Familien zu unter­stützen, Kindererziehungszeiten zu honorieren, um das Ja zum Kind, das Ja zu unse­rer Zukunft zu sichern. (Beifall bei der ÖVP.)

Aus etlichen Gesprächen mit jungen Menschen kann ich Ihnen auch berichten, dass man sich der Verantwortung für die älteren Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen be­wusst ist, und deshalb begrüße ich die Maßnahmen für all jene, die in absehbarer Zeit in Pension gehen können.

Die Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ab 56 bezie­hungsweise 58 Jahre werden in einem Ausmaß von 140 Millionen gesenkt. Für arbeits­los gewordene Arbeitnehmer über 50 Jahre wird ein Anspruch auf Ausbildungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen durch das AMS geschaffen. Hinsichtlich der Invalidi­tätspension wird das Hinzurechnungsalter von derzeit 56 Jahren angehoben. Für die Jahre 2004 und 2005 wird die Pensionsanpassung mittels eines Fixbetrages, dessen Berechnung sich am Ziel der Wertsicherung anstelle der bisher gültigen Nettoanpas­sung orientiert, erfolgen.

Erinnern möchte ich hier auch an die Steuerfreistellung von Jahreseinkommen unter 14 500 €. Durch diese Maßnahmen werden vor allem kleinere Einkommen und Pensi­onen stark begünstigt. Der 80-prozentige Deckel entfällt, und damit wird erreicht, dass die über 45 Versicherungsjahre hinausgehenden Zeiten zu höheren Pensionen führen.


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Abschließend möchte ich eines festhalten: Während Sie, meine Damen und Herren von der Gewerkschaft, mit Unterstützung von SPÖ und Grünen aus rein parteipoliti­schen Gründen die Menschen verunsichern und weg von ihren Arbeitsplätzen auf die Straße treiben, nehmen wir von den Regierungsparteien unsere Verantwortung für dieses Land und seine Menschen wahr und haben ein soziales, gerechtes und vor al­lem zukunftsorientiertes Pensionsmodell ausgearbeitet.

Es wäre wirklich ein schöner Tag für Österreich, wenn dieses Konzept von ÖVP und FPÖ auch mit der Unterstützung von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposi­tion, beschlossen werden könnte. Ich lade Sie dazu recht herzlich ein. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Posch: Morak ist völlig begeistert von Ihrer Rede!)

18.54

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Schopf. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Ein getragener Vortrag war das!)

 


18.54

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren der Regierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich habe heute die Ausführungen unseres Bundeskanzlers sehr genau und im Detail ver­folgt, in denen sehr interessante Highlights enthalten waren, insbesondere ein Zitat über einen Eckpunkt dieser zukünftigen Reform: Wer länger arbeitet, hat keinen Ver­lust. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man laut erster Vorlage, laut erstem Ent­wurf, einen Verlust gehabt hätte, hätte man länger gearbeitet.

Warum ich das erwähne, das haben wir an dieser Stelle bereits gesagt, weil es von den Regierungsparteien nicht richtig dargelegt wurde.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, dass wir als Abgeordnete nicht nur die Aufgabe haben, Politik für heute oder für morgen zu machen, sondern wir soll­ten gerade im Bereich der Pensionen Überlegungen für die nächsten Jahre, für die nächsten Jahrzehnte anstellen.

Mir ist wichtig, dass es in einigen Punkten Einsicht gegeben hat. Die Einsicht war si­cher vorhanden, weil in den letzten Tagen, in den letzten Wochen der Druck von vielen betroffenen Menschen in diesem Lande entsprechend stark geworden ist. Ich denke da an die vielen Maßnahmen vom 6. Mai, aber auch an jene Maßnahme vom 13. Mai, als in Wien die große, sehr verantwortungsvolle Demonstration organisiert worden ist, aber ich denke auch an die gestrigen Maßnahmen.

Wenn hier manche Abgeordnete meinen, es sei leicht, in einem geschützten Bereich, in der Großindustrie gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen zu setzen, dann meine ich, dass man sich die Dinge – und ich kenne diese Dinge von Oberösterreich sehr ge­nau – genauer ansehen sollte. Es ging nicht nur darum, in Großbetrieben, wie bei den Bundesbahnen oder wo immer, Maßnahmen zu setzen. Ich habe mir die oberösterrei­chischen Betriebe herausgesucht, die gestern in gewerkschaftlicher Aktion gestanden sind. Es sind Betriebe – ich könnte auch die Adresse und den Namen nennen – mit 12 Beschäftigten, mit 37 Beschäftigten, mit 15 Kollegen, mit 32, 40, 18, 20 oder sieben Kollegen. Neun Kolleginnen und Kollegen haben zum Beispiel in einem Betrieb gestern für acht Stunden die Arbeit niedergelegt.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nehmt bitte zur Kenntnis, dass am gestrigen Tag über eine Million Kolleginnen und Kollegen erklärt haben (Zwischenruf des Abg. Groß­ruck), dass sie bereit sind, Maßnahmen zu setzen (Zwischenruf des Abg. Mag. Mai­noni), um dem Unmut über diese Regierung und vor allem über die Plä­ne dieser Regierung im Bereich der Pensionen Ausdruck zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es waren dies nicht nur Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Ich habe auch viele Briefe mit, in denen in den letzten Tagen, in den letzten Wochen Vorstände, Vor­stands­vorsitzende von großen Privatkonzernen in Oberösterreich den Herrn Bundes­kanzler schriftlich ersucht haben: Lieber Herr Bundeskanzler! Führen Sie den Dialog mit den Gewerkschaften. (Abg. Großruck: Wo sind die Briefe?) Versuchen Sie, soziale Lösun­gen mit den Arbeitnehmern anzupeilen. (Abg. Großruck: Zeigen Sie uns die Briefe!) Sie haben in diesem Regierungsentwurf Maßnahmen, die unsozial sind. Wir werden nämlich, das sagen manche Vorstandsvorsitzende, auf Grund der schwierigen Bedin­gungen in den Betrieben ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht be­schäfti­gen können.

Wir wissen heute schon von der großen Stahlindustrie, aber auch von der Textilindust­rie, dass dem so ist. Ich frage bei vielen Versammlungen und Betriebsbesuchen, wo die Kollegen und Kolleginnen mit 59, mit 60 oder 61 Jahren sind. Sie sind nicht mehr im Betrieb. Es wird alles darangesetzt, dass diese Kolleginnen und Kollegen in die ver­schiedenen Formen von Arbeitslosigkeit geschickt werden oder andere Möglichkeiten angeboten bekommen, weil sie nicht mehr beschäftigt werden können, weil die Ar­beitsbedingungen letztendlich schwierig sind. (Abg. Rossmann: Warum?)

Ich möchte die Ausführungen meines Vorredners, des Abgeordneten Dietmar Keck, unterstreichen, der gemeint hat: Leider – bitte nehmen Sie das zur Kenntnis – wird ein Fünftel der Arbeitnehmer nicht älter als 65 Jahre. – Sie arbeiten daher in Zukunft bis zu ihrem Tode.

Ich möchte auch den Herrn Bundeskanzler fragen, welche Zahl richtig ist. Es wurde gesagt, ab dem Jahr 2017 arbeiten alle bis zum 65. Lebensjahr. Im heutigen Entwurf, den wir erhalten haben, ist nicht das Jahr 2017, sondern das Jahr 2014 enthalten. Auf Grund dieser Unsicherheit habe ich die offizielle Regierungshotline angerufen, Tele­fonnummer 0800-222-666, und dort nachgefragt. Die Dame, die am Apparat war, habe ich mit folgender Frage konfrontiert: Ab welchem Zeitpunkt muss man in Österreich bis 65 Jahre arbeiten?

Darauf hat sie geantwortet: Das ist eine gute Frage. Ich habe gesagt: Vor wenigen Mi­nuten hat der Herr Bundeskanzler gemeint, 2017. Sie hat erwidert: In den Unterlagen, die ich bekommen habe, steht 2014.

Also konkret: Kommt diese Regelung ab 2014 oder 2017? – Das wäre vor allem für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine sehr wichtige und interessante Frage. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.00

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nunmehr gelangt Frau Abgeordnete Franz zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.00

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglieder! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Gestern war ein denkwürdiger Tag: Einerseits wurde gestreikt, andererseits wurde im Hohen Haus gearbeitet und die Regierungsparteien verhandelten hier schlussendlich ein Übereinkommen: die Pensi­onssicherungsreform. Es hat wochenlange und nächtelange Verhandlungen über diese notwendige Reform gegeben. Ich bin sehr froh darüber, dass es nun gelungen ist, zu einem Ergebnis zu kommen, bei welchem soziale Härten vermieden wurden.

Ich danke den Verantwortlichen und insbesondere den Regierungsparteien, Herrn Bun­deskanzler Schüssel, aber auch Herrn Vizekanzler Haupt für die Bereitschaft, auf Kritikpunkte zur Pensionsreform einzugehen und diese Reform sozialverträglich zu gestalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich bin Bürgermeisterin einer Gemeinde in Vorarlberg und halte hier mit Freude meine erste Rede. Als Bürgermeisterin kenne ich die Sorgen aller Bevölkerungsgruppen, ich bin Ansprechpartnerin für alle und jedes Thema. Ich weiß, wo der Schuh drückt. So hatte ich in der letzten Zeit Gelegenheit, viele Gespräche zum Thema Pensionsreform zu führen, und konnte dabei Folgendes feststellen:

Die Menschen sehen ein, dass die künftigen Pensionen gesichert werden müssen. Die Menschen wissen auch, dass die demographische Situation gegen die Beibehaltung der derzeitigen Pensionsregelung spricht. Die Menschen erkennen, dass etwas ge­schehen muss. Sie wissen aber auch, dass Reformen, die greifen sollen, mitunter weh­tun. Die Menschen wissen auch, dass es, wenn der Suppentopf leer ist, keine Suppe mehr zu schöpfen gibt.

Vor uns liegt nun eine Pensionssicherungsreform, die die Pensionen für die Zukunft sichert. So werden Menschen mit langen Beitragszeiten nicht benachteiligt. Die Bezie­her von kleinen Pensionen werden ebenfalls berücksichtigt. Die Verlustobergrenze beträgt maximal 10 Prozent. Von den Politikern wird ein Solidarbeitrag verlangt. Frauen und Familien werden besonders berücksichtigt.

Als Frau ist es mir ein Anliegen, auf diesen letzten Punkt besonders einzugehen. Ich freue mich über die Erhöhung von pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten und natürlich auch über die Familienhospizkarenzzeiten. Diese Regelung gilt natürlich auch für diese. Ich freue mich darüber, dass für die Vergangenheit und Zukunft drei Jahre pro Kind für die Kindererziehung aus der Durchrechnungszeit herausgenommen wer­den – unabhängig vom Abstand zwischen den Geburten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich darüber, dass die Ausgleichszulage für Familien auf 1 000 € angehoben wurde. Ich freue mich auch darüber, dass es für ältere Arbeitnehmer statt einer vorzei­tigen Alterspension ein Altersübergangsgeld geben wird, dass auch diesbezüglich wie­derum die Frauen profitieren werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Da ich selbst Mutter von drei Kindern und dreizehn Jahre lang für meine Familie zu Hause geblieben bin, kann ich als Betroffene sagen, dass die ÖVP immer zu Recht als familienfreundlichste Partei gegolten hat und noch immer gilt. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schluss möchte ich ein Sprichwort wiedergeben, das lautet: Aus Steinen, die in den Weg gelegt werden, lassen sich die schönsten Häuser bauen. – Auf diesem Weg zur Pensionssicherungsreform gab es viele Steine, und es gibt nun ein prächtiges Haus. Es ist sozial, es ist gerecht, es ist familien- und frauenfreundlich und es ist auch nachhaltig. Das heißt, dass die nächste Generation nicht im Regen stehen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.05

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stadlbauer. Sie will 5 Minuten zu uns sprechen. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Wittauer: Erzählen wir wieder ein paar Märchen?)

 


19.06

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staats­sekretärin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Frau Bürgermeisterin, nachdem Sie Ihre Ovationen empfangen haben, wollte ich Sie nur darauf hinweisen, dass beim heute stattfindenden Städte- und Gemeindetag – dieses Gremium tagt in Linz – eine ein­stimmige Protestnote verabschiedet wurde, in der sich die Städte und Gemeinden ge­gen diese Reform ausgesprochen haben (Abg. Großruck: Das ist eine rote Partie im Städtetag!), weil sie den Gemeinden und Städten zu teuer kommt. Möglicherweise war­tet also unerfreuliche Post auf Sie zu Hause, wenn Sie wieder in Ihr Bürgermeisterin­nenamt zurückkehren. (Beifall bei der SPÖ.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Neudeck: Wissen Sie auch, warum das zu teuer kommt?) Lieber Herr Neudeck, die Änderungen, die uns heute präsentiert wor­den sind (Abg. Neudeck: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?), die gestern noch mit ziemlich viel Trara und so weiter angekündigt worden sind, waren doch ziemlich ent­täuschend, würde ich sagen. Von dem, was gestern noch angekündigt worden ist (Abg. Neudeck: Worum ist es beim Städtetag gegangen?), wofür sich die FPÖ überall ein­gesetzt, was die FPÖ alles umgesetzt und wo sich die FPÖ überall durchgesetzt hätte, ist heute meiner Meinung nach nicht wirklich viel übrig geblieben.

Was liegt vor? Was haben wir heute von Bundeskanzler Schüssel gehört? (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Was haben auch Sie von Bundeskanzler Schüs­sel gehört, falls Sie nicht immer dazwischen gerufen haben? – Es war ein weiterer Vor­schlag, es war ein dritter Versuch einer Pensionsreform, und auch dieser dritte Ver­such ist fehlgeschlagen. Auch dieser dritte Vorschlag ist ungerecht, auch dieser dritte Vorschlag ist frauenfeindlich, und auch bei diesem dritten Vorschlag sind die Jungen die großen Verlierer und Verliererinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum ist das so? – Ganz einfach: Diese Reform trägt erstens ÖVP-Handschrift, und die ÖVP agiert und reagiert alles andere als sozial gerecht. Sie bedient nur die eigene Klientel. Vor allem Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinneninteressen sind der ÖVP voll­kommen egal.

Der zweite Punkt ist – auch das ist heute immer wieder hervorgekommen –: Frauen sind Ihnen anscheinend einfach nicht so viel wert. Frauenleben werden negiert, die Realitäten des Lebens von Frauen werden negiert. (Abg. Wittauer: Sie haben nicht zugehört, dass die Frauen ... ! Ursula Haubner ... !)

Da Sie nicht müde werden, immer wieder bekannt zu geben, was denn diese scheinba­ren Verbesserungen für die Frauen sind, werde ich Ihnen noch einmal erklären, warum das keine Verbesserungen sind.

Zum Ersten: die scheinbare Anrechnung bei den pensionsbegründenden Zeiten, also die Anhebung von 18 Monaten auf 24 Monate. Wissen Sie, welche Frauen das in An­spruch nehmen können? – Jene Frauen, die erst seit 2002 das Kindergeld beziehen. Das heißt, diese Frauen werden frühestens in 25 bis 30 Jahren davon profitieren; und vor allem nur dann, wenn diese Frauen nicht mehr als 15 Jahre Erwerbstätigkeit oder nicht mehr als 25 Jahre Ersatzzeiten aufweisen. Das wird nur eine Hand voll Frauen sein, die in den Genuss dieser Maßnahmen kommen werden, weil Sie (Zwischenruf der Abg. Marek) – wie schon einige Vorrednerinnen, unter anderem aber auch Sie – gesagt haben, dass Frauen in Zukunft ohnehin genügend Erwerbsjahre haben werden. Frauen werden zunehmend berufstätigsein – das waren Ihre Worte.

Für diese Frauen wirkt sich diese Maßnahme allerdings verschlechternd aus, weil sie pensionssenkend wirkt, weil die Bewertung einfach zu gering ist. Diese wird zwar an­gehoben, aber dann werden diese Zeiten nach wie vor geringer bewertet als zum Bei­spiel der Präsenzdienst. Da lässt man sich Zeit, da hat die Regierung alle Zeit der Welt, um diesbezüglich lange Übergangsfristen zu machen. Daran sieht man wieder, wo diese Regierung ihre Prioritäten setzt.

Diese Reform ist auch schlecht für die Jungen, denn sobald das neue Pensionssystem da ist, sobald dieses viel zitierte harmonisierte System da ist, das Pensionskonto, wird es erst recht diese Verschlechterung um 30 bis 40 Prozent geben.

Das heißt also: Es geht Ihnen nicht um die Absicherung von jungen Menschen, son­dern es geht Ihnen um die Absicherung von Unternehmen, die Privatvorsorge anbie­ten. Das hat ja auch der Kollege Wöginger sehr schön in seiner ersten Rede verkün­det.


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Es geht Ihnen nicht um die Absicherung der Menschen, die wenig Einkommen haben, die werden auf die nächste Steuerreform vertröstet, und das ist schlicht und einfach zynisch von Ihnen.

Mein Vorwurf an Sie lautet: Sie regieren über die Köpfe der Menschen hinweg! Sie regieren gegen die Menschen! Gestern haben über 1 Million Menschen ihren Unmut gezeigt, und zwar freiwillig, Kollegin Achleitner. Ich sehe Sie zwar jetzt nicht, aber ich darf Ihnen sagen: Das war freiwillig!

Unter Druck sind andere gesetzt worden – zum Beispiel die Beamten im Finanzminis­terium. Die sind verunsichert worden, die sind eingeschüchtert worden, aber nicht die Menschen, die gestern ihren Unmut gezeigt haben.

Ich hatte ja den Eindruck, dass eine Zeit lang eine Allianz der Vernunft eingekehrt ist und dass diese Pensionsreform möglicherweise zum Kippen gelangen könnte (Abg. Kopf: Was hat das mit Vernunft zu tun?), allerdings sind heute die Stimmen der Ver­nunft ziemlich stumm. Wenn ich genau überlege, so muss ich sagen: Die Herren Neu­gebauer, Spindelegger oder Fasslabend, die sich mehr oder weniger kritisch geäußert haben, sind heute stumm, oder sie haben schon einen Maulkorb umgehängt bekom­men. Ich weiß nicht, was los ist.

Abschließend halte ich fest:

Erstens: Die Menschen in Österreich sind Ihnen egal.

Zweitens: Ihnen geht es nicht um eine Pensionsreform, sondern um eine Geldbeschaf­fung für das Budget.

Drittens: Es ist wieder keine langfristige Sicherung der Pensionen, es ist wieder keine Sicherung des Lebensstandards, und es ist wieder kein gerechtes System. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.12

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Nun kommt Herr Abgeordneter Steindl zu Wort. Rede­zeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


19.12

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staatssek­retär! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Als Unternehmer bin ich es gewohnt, pragma­tisch zu arbeiten, und daher werde ich mich auf die wesentlichen Punkte der Pensions­reform beschränken.

Seit 1990 beschäftigen sich Reformkommissionen und Fachexperten mit der Absiche­rung der Pensionen. Wir alle wissen, dass die demographische Zeitbombe uns zum sofortigen Handeln zwingt. Ich danke daher dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler für Ihren Mut zu der Verantwortung, die Pensionssicherungsreform durchzuführen – einen Mut, den leider die sozialistischen Regierungschefs nicht hatten. Es werden die­ser Bundesregierung die nachfolgenden Generationen für die Sicherung ihrer Pensio­nen dankbar sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist unverständlich, dass von den Verantwortlichen der Arbeiterkammer und der Ge­werkschaften das positive Verhandlungsergebnis des Runden Tisches für eine ge­meinsame Sozialpartnerlösung nicht genutzt wurde. Trotz der guten Ansätze und Vor­sätze konnte auf Grund der Trägheit und Ignoranz der Gewerkschaften keine Einigung erzielt werden. Statt dessen kam leider der Aufruf zum Klassenkampf auf der Straße.

Genau an dieser Stelle möchte ich, meine Damen und Herren, kurz aus dem Kommen­tar von Josef Urschitz  aus der Tageszeitung „Die Presse“ zitieren.


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Zitat: „In diesen gesellschaftlichen Umbruch mit ‚Abwehrstreiks‘ gegen eine zukunftssi­chernde Maßnahme (über deren Details man ja durchaus reden kann) hineinzufahren, ist reichlich absurd. Wenn die Gewerkschaft weiter versucht, Probleme des 21. Jahr­hunderts mit Methoden des 19. Jahrhunderts zu lösen, dann wird sie zu den ganz großen Verlierern dieses neuen Klassenkampfes gehören.“

Die Gewerkschaft hat es vorgezogen, Mitarbeiter auf die Straße zu hetzen – nicht we­gen der Pensionsreform, sondern aus reinem politischen Kalkül. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Verzetnitsch.)

Als Unternehmer, der ich auch sehr von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig bin, bedauere ich es sehr, dass die gerade aufkeimende Konjunktur durch diesen mir nicht nachvollziehbaren Streik wieder schwer beeinträchtigt wurde. Auch richten sich diese Streiks gegen den Standort Österreich und gegen die Arbeitsplatzsicherheit der Mitar­beiter in den Betrieben.

Nicht verstehen kann ich, dass die positive Auswirkung der Steuerreform mit 1. Jänner 2004 von den Oppositionsparteien völlig negiert wird. Das mit 1. Jänner 2004 festge­setzte steuerfreie Einkommen von 14 500 € bringt den Arbeitnehmern bis zu 1 500 mehr Nettoeinkommen pro Jahr. Wenn die heute 30-Jährigen nur die Hälfte die­ses Betrages für private Pensionssicherungssysteme verwenden, dann ergibt das nach 30 Jahren eine Zusatzpension von zirka 800 € monatlich.

Darüber hinaus gibt es auch noch die Möglichkeit, steuerfrei eine monatliche Pension aus der Abfertigungskasse in ähnlicher Höhe zu konsumieren. Es ist also in Zukunft eine dreifache Absicherung der Pensionen möglich. – Ich danke für die Aufmerksam­keit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.16

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Spindelberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


19.16

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Für mich ist ein Sozialstaat nicht etwas Selbstverständliches. Ich bin froh und stolz, dass ich in Österreich in relativem Wohlstand aufgewachsen bin, und ich bin weiters froh und stolz, dass es uns zumin­dest in der Vergangenheit gelungen ist, diesen Wohlstand, von dem alle Österreiche­rinnen und Österreicher profitieren, gemeinsam auf sozialpartnerschaftlicher Ebene nicht nur zu sichern, sondern auch auszubauen.

Aber ich bin nicht mehr froh und nicht stolz, dass eine Regierungsmannschaft wie jene, die jetzt am Ruder der Republik sitzt, versucht, aus parteiideologischen Gründen das ganze Aufgebaute zu zerstören, und die in Wahrheit die Hauptverantwortung für die Kampfmaßnahmen des ÖGB, die ich voll unterstütze, trägt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich wirklich: Ist das aus Eitelkeit passiert, aus Sturheit oder, was noch schlechter wäre, vielleicht sogar aus Berechnung?, denn es kann kein Wille von ver­antwortungsbewußten Politikern sein, von heute auf morgen unsere Sozialsysteme auszuhöhlen und so nebenbei Tausende Menschen an die Armutsgrenze zu bringen. (Abg. Großruck: Wo denn?)

Ihre Vorstellungen sind chaotisch, wie sie eh und je waren, und konzeptlos zugleich! (Beifall bei der SPÖ.)

Geben Sie meine Botschaft dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Vizekanzler weiter. Man sieht ja, wie wichtig dieses Thema dieses beiden Herren ist, wenn sie durch Abwesenheit glänzen. Sie sollen nicht nur im Wahlkampf vor laufenden Kameras


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mit Generaldirektoren in Betrieben diskutieren, sondern sie sollen einmal in einem Stahlwerk eine Woche lang wirklich hackeln, um zu sehen, unter welch schweren Be­dingungen die Leute dort arbeiten müssen. Es finde es angesichts dessen zynisch, zu sagen: Geht einfach dreieinhalb Jahre länger arbeiten! Ich sage: 45 Jahre lang zu ar­beiten, das ist genug! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn ich mir den heutigen Abänderungsantrag anschaue, dann gelange ich zu der Erkenntnis, dass es sehr viele realitätsfremde Menschen auf dieser Seite herüben (der Redner zeigt in Richtung ÖVP) gibt, denn es gibt kaum mehr Betriebe, die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, die über 55 oder über 60 Jahre alt sind, überhaupt noch beschäftigen. Im Gegenteil: Diejenigen, die dazu beigetragen haben, die Unternehmen aufzubauen, die sich abgerackert haben, bekommen einen Fußtritt versetzt, weil sie die Leistungen, die an sie gestellt werden, gar nicht mehr erbringen können. So reali­tätsfremd, wie Sie agieren, das ist ein Wahnsinn, wenn Sie sich dann hinstellen und sagen: Als Dankeschön dafür bekommt Ihr 12 Prozent Pension weniger! (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Oder hat es sich auch bis zu Ihnen noch nicht durchgesprochen, dass bereits 50 Pro­zent der über 60-Jährigen aus der Arbeitslosigkeit in Pension gehen und dass die Arbeitslosenrate durch die verfehlte Politik der letzten drei Jahre bei den über 60-Jähri­gen um 204 Prozent gestiegen ist und dass die Jugendarbeitslosigkeit um 44 Prozent gestiegen ist. Das ist Ihnen anscheinend egal.

Anstatt wirklich gute arbeitsmarktpolitische Konzepte auf den Tisch zu legen, senken Sie die Steigerungsbeträge auf 1,78 Prozent, und die Leute dürfen dafür noch in insge­samt drei Jahren um fünf Jahre länger arbeiten. Sie erdreisten sich, sich vor laufenden Kameras hinzustellen und zu sagen: dafür 10 Prozent weniger! – Danke, außerdem sind es in Wirklichkeit 12 Prozent weniger.

Ich glaube, dass Sie den Überblick über die ganze Materie verloren haben. Schauen Sie einmal in das Handbuch der Sozialversicherungsträger – die durchschnittliche Pension beträgt 914 €! Sie sagen: 10 Prozent davon nehmen wir weg, das ist ohnehin nicht so viel! Das sind durchschnittlich 1,7 Pensionen. Doch das alles nur, um es bud­getmäßig insgesamt kaschieren zu können.

Sagen Sie der Bevölkerung, was es heißt, ein beitragsorientiertes Konto einzuführen! Sagen Sie, dass das heißt, dass die heute 30-Jährigen nach wie vor 40 Prozent Kür­zung ihrer Pensionen zu erwarten haben. Sagen Sie auch weiter, dass die Arbeiter und Angestellten nach Ihrem Modell künftig keine Abfertigung mehr bekommen und zusätz­lich noch eine Privatvorsorge treffen sollen. Erklären Sie das einer Handelsangestell­ten, die Teilzeit beschäftigt ist. Ich sage Ihnen: Solch eine Politik haben sich die Men­schen in Österreich sicherlich nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ.)

Gehen Sie ein auf das, was die Sozialpartner und auch die Oppositionsparteien gesagt haben: ein harmonisiertes Pensionssystem für alle! Ich glaube, Sie wissen selbst nicht, was diesbezüglich jetzt vorliegt, denn für die Beamten gelten nach dem Entwurf, der jetzt vorliegt, sehr wohl 2 Prozent Steigerungsbetrag bis Ende dieses Jahres, und die Arbeiter und Angestellten sind Ihnen in Wirklichkeit Wurscht.

Starten Sie den Versuch, gemeinsam mit uns ein Konzept zu erarbeiten, denn sonst komme ich in die Versuchung, zu sagen: Solch eine Regierung haben sich die Öster­reicherinnen und Österreicher nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ.)

19.22

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rädler. – Bitte.

 



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18. Sitzung / Seite 185

19.22

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Spindelberger, wenn Sie meinen, die ÖVP-Abgeordneten seien realitätsfremd und hätten noch nie ein Stahlwerk von innen gesehen, dann darf ich Ihnen Folgendes sagen: Ich bin Abgeordneter und auch Arbeitnehmervertreter aus der Region Wiener Neustadt/Neunkirchen, einer ehemaligen Industrieregion, wo man unter Kreisky versucht hat, den realen Sozialismus umzusetzen, in die verstaatlichten Betriebe hineinzutragen – mit dem Ergebnis, dass die Arbeitsplätze verloren gegangen sind und Milliarden Schilling an Investitionen in den Sand gesetzt wurden. Die Lang­zeitwirkung auf diese Region spüren wir heute noch: Zwischen Wiener Neustadt und Neunkirchen besteht zuungunsten von Neunkirchen ein Einkommensunterschied von minus 15 Prozent.

Dazu sage ich: Das ist das, woran ich mich bei dieser Debatte am heutigen Tag in die­sem Hohen Haus nicht orientieren will, nämlich am Festhalten an Bestehendem, am Reformunwillen der SPÖ, an der Nichtbereitschaft, am Nichtvorhandensein einer Be­reitschaft, neue Wege zu gehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dass wir neue Wege gehen müssen und dass sich die Gewerkschaft gegen solche neuen Wege auch bei der Mitarbeitervorsorgekasse ausgesprochen hat, wissen wir als Arbeitnehmervertreter aus dem ÖAAB. Wo bleiben die Antworten, wie sie die ÖVP mit dem Kindergeld gegeben hat, wie sie die ÖVP mit der „Abfertigung neu“ gegeben hat, auf die Veränderungen, die in der Gesellschaft stattfinden, auf die Veränderungen, die in der Arbeitswelt stattfinden, auf die flexiblen Anforderungen, die auf die jungen Men­schen zukommen?

80 Prozent aller jungen Menschen, die einen Beruf erlernen, wissen nicht, ob sie die­sen auch bis zum Ende ihrer Arbeitstätigkeit ausüben können. Sie müssen in ein neues Berufsfeld einsteigen. Die Veränderung ist da, wir nehmen Sie an – und darauf brau­chen wir Antworten. Die „Abfertigung neu“ war eine Antwort. Auch heute haben – und das hat mich sehr gefreut – einige Abgeordnete von der SPÖ für die Harmonisierung der Pensionssysteme gesprochen. Aber ich warte bis zum Herbst, ob dann, wenn die Harmonisierung hier zur Debatte steht, nicht wieder die Fragen kommen, ob hier nicht das Kapital verschoben wird, ob hier nicht die Unsicherheit für junge Menschen be­steht, ob wir den 35-Jährigen und den unter 35-Jährigen mit der Gründung eines eige­nen Pensionskontos nicht vielleicht die Möglichkeit nehmen, ihre Lebensgestaltung selbst in die Hand zu nehmen.

Neben dem Generationenvertrag und neben dem, was diese Bundesregierung im Re­gierungsübereinkommen festgeschrieben hat, wo deutlich und klar drinsteht, dass wir das Umlageverfahren nicht in Frage stellen, brauchen wir aber auch eine Sicherheit für die jungen Menschen; und das ist mir in den letzten Tagen, als die Menschen auf der Straße waren, abgegangen.

Ich bin Bürgermeister einer ehemals roten Gemeinde. Meine Mitarbeiter sind Mitglieder der FSG, aber sie haben heuer erstmals nicht am Mai-Aufmarsch teil­genommen; Haupt­redner war Kollege Cap. Ich habe ge­meint, sie werden doch wenigstens am Streik teilnehmen, und das haben sie dann auch getan. Sie waren anwesend, sie ha­ben ihre Pflicht erfüllt, sie haben sich aber auch Antworten erwartet. Sie haben mich gefragt, worum es eigentlich geht, wer unsere Pensionen sichert, denn von der Ge­werkschaft haben wir darauf bis jetzt noch keine Antwort gehört. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Diese Bundesregierung hat ein klares Konzept. Ich stehe auch dazu, dass ich mit der Regierungs­vorlage nicht einver­standen war. Ich war auch einer jener ÖAAB-Abge­ordneten, die gesagt haben: Ich bin nicht damit einverstanden, dass Menschen, die


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18. Sitzung / Seite 186

45 Jahre lang hart arbeiten, bei der Pension Abzüge bis zu 17 Prozent in Kauf nehmen müssen. Ich stehe aber dazu, dass Menschen nach 45 Jahren harter Arbeit in Pension gehen können und dass die Deckelung mit 10 Prozent festgeschrieben ist. Ich denke, das ist eine Zukunftslösung zur Sicherung der Pensionen für die nachkommenden Ge­nerationen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich habe heute kritische Stimmen über die Kolle­gin Fuhrmann gehört. – Ich meine, dass die Junge ÖVP sehr wohl Zeichen gesetzt hat, und dass diese Ziele der Jungen ÖVP auch in diesen Ab­änderungsantrag eingeflossen sind, denn der Nachkauf der Studienzeiten und der Nachkauf der ersten drei Gründerjahre für Erwerbstätige sind Zeichen der politischen Jugend innerhalb unserer Bewegung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Manche Politiker setzen die falschen Zeichen. Wenn Stürme kommen, dann bauen Sie Mauern. Wir wollen Zeichen für die Zukunft setzen. Setzen wir gemeinsam Segeln für die Zukunft unserer jungen Menschen – mit einer Pensionsreform der Österreichischen Volkspartei und der Freiheitlichen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.28

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fleckl. – Bitte.

 


19.28

Abgeordnete Anita Fleckl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde heute über eine gewisse Pensionsreform von den Regierungsparteien gesagt. Ich sage: Es ist keine Reform, es kann nur ein Irrtum sein! Dass sich die Bevölkerung mittels eines Streiks gegen diesen Irrtum wehrt und ein demokratisches Instrument in Anspruch nimmt, ist nur natürlich.

Es wurde heute auch über Dialog gesprochen. Ich habe einmal gehört, dass zu einem Dialog immer zwei gehören, sonst wäre es ein Monolog – der hier letztendlich auch geführt wurde. Ich sage, Demokratie ist die Notwendigkeit, sich gelegentlich die An­sichten anderer Menschen anzuhören und diese auch anzunehmen, in diesem Fall jene der Sozialpartner, der Oppositionsparteien, aber auch der Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Haben Sie den Mut, Fehler einzugestehen und zuzugeben, dass dieses Konzept ein Irrtum ist! Genau diesen Mut vermisse ich seit dem Vorliegen dieser Pensionsreform samt der Vielzahl an kurzfristigen Änderungen und Scheinverhandlungen durch den Herrn Bundeskanzler. Gestern haben zum dritten Mal zirka 1 Million Menschen gegen diese Pensionskürzungen gestreikt und ihren Unmut kundgetan. Unzählige Resolutio­nen und Briefe von besorgten Bürgerinnen und Bürgern werden, wie Sie wissen, an die Abgeordneten gesendet. Mich würde interessieren, wie Sie, geschätzte Damen und Herren von den Regierungsparteien, auf diese besorgten Mails antworten und was Sie diesen Bürgerinnen und Bürgern zu sagen haben. (Abg. Mag. Gaßner: Gar nichts!)

Ich frage Sie: Haben denn all diese Menschen Ihrer Meinung nach Unrecht? – Diese Menschen sind es, die Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Regierung, „die Straße“ nennen. Ich nenne sie mündige Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, die keine andere Möglichkeit sehen, ihre Stimme zu erheben (Abg. Lentsch: Wenn man sie nicht aufhetzt ...!), um gegen diese Eingriffe in ihre Lebensplanung, in ihre Alterssiche­rung aufzutreten.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es würde mich interes­sieren, was Sie diesen Menschen antworten, wenn Sie auf der Straße gefragt werden. (Abg. Großruck: Das Richtige!) Was sagen Sie der Bevölkerung in Ihrem Wahlkreis?


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Was erzählen Sie einer Frau, die 650 € an Durchschnittspension bezieht, wenn man ihr diesen Betrag um 10 Prozent kürzt. (Abg. Rossmann: Ganz einfach! – Zwischenruf des Abg. Großruck.) Vielleicht findet diese Frau Hilfe bei unserer Bundesministerin für Frauen, die im Originalton sagt – ich zitiere –:

Für Frauen, die einen gut verdienenden Mann haben, ist das eine Möglichkeit, dass sie trotz Teilzeit Pensionsbeiträge für Vollzeit einzahlen. – Zitatende.

Wenn das der Weisheit letzter Schluss ist, wie die Österreicherinnen in Zukunft zu ihrer Pension kommen, dann weist die Bundesministerin da ein großes Defizit auf. (Beifall bei der SPÖ.)

Haben Sie ganz den Kontakt zu jenen Menschen verloren, die von diesen Pensions­kürzungen stark getroffen werden? – Sie sollten sich weniger in jenen Kreisen aufhal­ten, die über der ASVG-Bemessungsgrundlage verdienen, sondern vielmehr in Pflege­heime gehen oder sich beim Arbeitsmarktservice umsehen, denn dort finden Sie näm­lich jene Menschen, über die hier hart debattiert wird – Menschen, keine Statistiken oder Zahlen! Herr Nationalrat Missethon, Sie wären auch gut beraten, einmal in den Bezirk Liezen zu kommen und wirklich die Fragen der Bürgerinnen und Bürger in unse­rem Bezirk zu beantworten. Verstecken Sie sich nicht vor den Menschen in meinem Bezirk! (Beifall bei der SPÖ.)

Jene Menschen – 215 000 Arbeitslose in Österreich –, die Existenzängste haben und ins soziale Abseits gedrängt werden: Kümmern Sie sich doch einmal um diese Men­schen, damit sie wieder Beschäftigung finden, wenn Sie schon zu deren Lasten die Frühpension oder die Notstandshilfe sukzessive abschaffen wollen! Sagen Sie den Österreicherinnen und Österreichern doch endlich, was wirklich auf sie zukommen wird! Sagen Sie den jungen Menschen, von denen Sie immer sprechen, endlich einmal die ganze Wahrheit: dass eine Deckelung von 10 Prozent niemals für sie zutreffen wird, sondern um einiges mehr! Sie nehmen diesen Menschen jegliche Alterssicherung und spielen Generationen gegeneinander aus.

Schönreden macht dieses Konzept nicht besser für die Bevölkerung! Schönreden macht dieses Konzept nicht erträglicher für die Menschen! Aber für Schönreden wird sich die Bevölkerung nicht die Butter aufs Brot verdienen können, und schon gar nicht, wenn sie Selbstbehalte, Kohleabgabe, Mineralölsteuer oder gar eine dritte Säule zu finanzieren hat.

Ich kann an Sie nur appellieren: Steigen Sie herab von dem hohen Ross, auf dem Sie sitzen! Nehmen sie wieder den Kontakt zu den Betroffenen in der Bevölkerung auf, den Sie offensichtlich schon längst verloren haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald.)

19.34

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Die Uhr ist auf eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten gestellt. – Bitte.

 


19.34

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß schon, Jung­fernreden verlangen Großzügigkeit und Nachsicht, aber in Bezug auf Ihre Behauptung, dass es sich hier um einen Irrtum handle, kann ich es der Frau Kollegin nicht ersparen, sie aufzuklären.

Wie heißt ein Sprichwort so schön: Die Rache der Journalisten an den Politikern ist das Archiv! Ich sage dazu: Das Archiv ist auch die Rache der Politiker. Es ist zum Beispiel das Archiv die Rache an Dallinger, an Wille, an Hostasch, in Ansätzen an Vranitzky? (Abg. Brosz: An Schüssel!) Das kann doch nicht alles ein Irrtum gewesen sein, liebe


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Frau Kollegin und geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! (Abg. Öllinger: Schüssel ’97!)

Ist das Archiv eine Rache an Rürup? – Ich glaube nicht! Dazu Rürup: Von 100 Prozent Reformvorschlag sind 12 Prozent umgesetzt worden – bedauerlich! Ist das Archiv eine Rache an Marin, dem Sozialforscher? An Tomandl? An Guger?  – Ich kann Ihnen die­se Erinnerung nicht ersparen. (Abg. Silhavy: Tomandl ist ein gutes Schlagwort!) Ich kann Ihnen diese Erinnerung nicht ersparen und kann Ihnen auch nicht ersparen, was Tomandl gesagt hat: Die Gewinner sind die Jungen, und alle anderen Behauptungen sind – wie hat die Kollegin eben gesagt? – ein Irrtum!

Dialog bedeutet miteinander reden und Argumente austauschen. Das ist richtig! Mitt­lerweile sind die Sozialpartner nicht mehr dialogbereit, das heißt, es sind eigentlich nur noch zwei von vier, die sich dem Dialog verpflichtet fühlen. (Abg. Silhavy – eine Aus­gabe der Zeitschrift „NEWS“ in die Höhe haltend –: Tomandl ist ein gutes Schlagwort, Frau Kollegin!) Schade, dass dieser Dialog aufgehört hat! (Beifall bei der ÖVP.) Ich bedauere das wirklich sehr. Ich bin auch zu einer Zeit in dieses Parlament gekommen, als man gesagt hat: Solange im Parlament diskutiert wird, wird nicht gestreikt! Die gu­ten politischen Sitten haben sich offenbar aufgehört, was ich sehr, sehr schade finde. (Beifall bei der ÖVP.) Das sind gute Usancen gewesen, denen ich ein wenig nachwei­ne.

Was geschieht, wenn nichts geschieht? – Ich habe manchmal den Eindruck, manche in der SPÖ meinen, es müsse nichts geschehen. 2020 wird der Pensionsbezug 30 Jahre dauern, und wer soll, wenn wir nichts verändern, das finanzieren? Der Berufseintritt wird mit etwa 24 Jahren erfolgen, und die Erwerbsjahre werden – darauf kommt man, wenn man die Entwicklung der Bevölkerungsgesundheit weiterdenkt – insgesamt auf 34 Jahre zurückgehen. Die Arbeiterkammer Vorarlberg hat die Antwort gegeben, ich kann dazu einige Kollegen zitieren. (Abg. Öllinger: Aber nein, das waren uralte Daten!) Was sagen Sie denn der 28-jährigen Frau, für die der ÖGB inseriert hat und schon jetzt zu wissen meint, was für sie an Pension herausschaut? 53 Prozent Beitragserhöhung!, das müssen Sie ihr sagen. Was ist das für ein Verlust?! Oder: Die Pensionen um 45 Prozent kürzen! Das ist Ihr Angebot, wenn nichts geschieht!

Es ist mir auch ganz wichtig, darauf hinzuweisen, welches Frauenbild nun die SPÖ und die hier vertretenen Repräsentantinnen verfolgen. Ich zitiere wieder Marin: Was muss geschehen, damit mehr Gerechtigkeit einkehrt? – Nicht bezahlte Versorgungsarbeit muss berücksichtigt werden; das tun wir hier mit dieser Reform. Der Einbau von min­destsichernden Elementen auf der Leistungsseite und auf der Beitragsseite muss ge­währleistet sein, ebenso wollen wir: die 10-Prozent-Deckelung, die Sicherung der Pen­sionserhöhung durch Anerkennung von Kindererziehungszeiten und ein langsames Ansteigen der Durchrechnung.

Was sagen Sie übrigens, Kolleginnen von der SPÖ, jener Frau, die jetzt schon aus ökonomischen und sonstigen Gründen 40 Jahre arbeiten musste, um ihr Auslangen zu finden, und im Gegensatz zu der eine andere Frau optimieren und die besten 15 Jahre herausrechnen konnte? Was sagen Sie, wenn jetzt die Bundesregierung und das Par­lament das Recht auf Teilzeit einführen wollen? Nehmen Sie jetzt auf einmal die Män­ner nicht in die Pflicht? – Hier sind also die Dinge beim Namen zu nennen.

Das ÖVP-Frauenbild ist klar – und jetzt wird sichtbar, dass die ÖVP immer die Wahl­freiheit ernst genommen hat –: ein modernes, plurales, solidarisches Frauenbild, das an den Wünschen der Frauen selbst orientiert ist, in einem Rahmen, der Mindeststan­dards sichert.

Meine Damen und Herren! Es ist schon viel gesagt worden. Ich möchte noch für die Geschichte und für das Protokoll festhalten, dass den Irrtum diejenigen auf ihrer Seite


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zu evaluieren haben, die ihn hier feststellen wollen, das heißt, bei sich selbst suchen müssten.

Auch Gerechtigkeit ist immer wieder zitiert worden. Was ist Gerechtigkeit? – Der ÖGB inseriert: Der höchste Grad von Ungerechtigkeit ist die geheuchelte Gerechtigkeit. – Dem stimme ich schon zu; da haben Sie bei Platon nachgelesen. Was aber die größte Ungerechtigkeit und die größte Heuchelei ist: wenn man Verantwortung übernimmt, das heißt, sie vom Wähler übertragen bekommen hat, und diese Verantwortung nicht ernst nimmt!

Die österreichische Bundesregierung, die ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten nehmen diese Verantwortung ernst. Politik ist Gestalten, ist Antworten geben, aber nicht, in Unsicher­heit und Angstmache zu versetzen oder sich versetzen zu lassen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.39

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


19.40

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin Haubner! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es ist dies meine erste Rede hier im Parlament, und ich nehme die Gelegenheit wahr, mich kurz vorzustellen: Ich komme aus dem Hausruckviertel in Oberösterreich, und ich bin Bür­germeisterin der Marktgemeinde Ampflwang im Hausruckwald, dem Dorf der 607 Pfer­de. (Beifall bei der SPÖ, der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich war Betriebsratsvorsitzende im Braunkohlebergbau der WTK bis zur Schließung der Gruben. Ich weiß daher aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, wenn Menschen unverschuldet arbeitslos werden, und ich kenne die Auswirkungen der hohen Politik auf die Menschen in den ländlichen Gemeinden bestens.

Bevor ich mit meinem Redebeitrag beginne, gestatten Sie mir, dass ich Ihnen allen eine Frage stelle, auch meiner eigenen Fraktion. Warum herrscht hier in diesem Hohen Haus so eine entsetzliche Diskussions- und Gesprächskultur? (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei den Freiheitlichen.)

Warum können wir uns nicht gegenseitig achten und unsere Themen und Vorstellun­gen sachlich und mit Respekt diskutieren? Ich würde mir dies wünschen. Die Men­schen, die unsere Debatten im Fernsehen verfolgen, erwarten das von uns. Ich bin bereit, meinen Beitrag für eine bessere Gesprächskultur zu leisten.

Mit Bedauern muss ich feststellen, dass es das Vorgehen der Bundesregierung ist, das eine inhaltlich fundierte Auseinandersetzung unmöglich macht. Es wird eine Fülle von Budgetbegleitgesetzen vorgelegt, es werden Ausschusstermine derartig gedrängt an­gesetzt, dass die Zeit gar nicht reichen kann, um sich mit so komplexen Materien wie einer Pensionsreform gebührend auseinander setzen zu können. Dann schießt die Regierung noch eine Fülle von Abänderungsanträgen nach, die zu überblicken und analysieren bis zum Beschlusstermin fast unmöglich ist. Heute diskutieren wir teilweise über Änderungen, die wir das erste Mal zu Beginn des heutigen Tages vernommen haben. Wenn es nicht einmal im Parlament möglich ist, detailliert und rechtzeitig über die Pläne der Regierung informiert zu werden, wie sollen dann erst die Bürgerinnen und Bürger wissen, was mit dieser so genannten Pensionssicherungsreform auf sie zukommt. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die Menschen sind – und das weiß ich aus vielen persönlichen Gesprächen – zutiefst verunsichert. Ich meine, sie haben ein Recht darauf, zu wissen, in welchem Alter und


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mit welchem Pensionsanspruch die Regierung sie in den Ruhestand treten lassen will. Zurzeit ist das nicht der Fall, so viel ist klar!

Die Pensionspläne der Regierung enthalten eine Reihe von Ungerechtigkeiten. Auch Beispiele von Frauen, die auf Grund von Kinderbetreuungszeiten oder Arbeitslosigkeit besonders hart von ihren Plänen getroffen werden würden, haben wir heute schon ge­hört. Mehr als zynisch ist es, dass, wie ich in einer aktuellen Pressemeldung lesen konnte, der Leiter der Pensionsreformkommission, Tomandl, der so heftig für weit rei­chende Kürzungen plädiert, als Professor für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien 100 Prozent seines Letztbezugs als Pension bekommen soll. Das sind in seinem Fall derzeit rund 6000 € pro Monat.

Die Pensionsreform ist im höchsten Maße unsachlich, in vielen Punkten wahrscheinlich verfassungswidrig und eine sozialpolitische Bankrotterklärung. Es handelt sich um eine „kalte Enteignung“; so das Originalzitat von Bernd Marin.

Wir von der SPÖ haben ein Alternativkonzept zur langfristigen Absicherung der Alters­vorsorge im Interesse aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowohl der heutigen Jugend als auch jener, die kurz vor der Pension stehen, entwickelt. Noch ist Zeit für eine Umkehr zur Vernunft. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Namen vieler Menschen, die zutiefst verunsichert sind, fordern wir Sie auf, Ihre Pensionsreform zurückzuziehen und mit Sozialpartnern und Opposition ein soziales und durchdachtes Konzept zu erarbeiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Öllinger.)

19.45

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte.

 


19.46

Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretär! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Frau Bürgermeister, unsere Kollegin Schönpass, hat es uns heute als Neueinsteigerin im Hohen Haus eigentlich mit ihren Worten ganz klar verdeutlicht: Was herrscht hier für eine Gesprächskultur? Ich kann das nur unterstreichen, und ich gehe darüber sogar einen Schritt hinaus und sage (Abg. Mag. Gaßner: Halten Sie sich daran!): Sie, die Opposition, und allen voran die Gewerkschaften sollten sich eigentlich schämen! Sie sollten sich schämen vor allem für die letzten drei bis vier Wochen und vor allem für die Aktionen der letzten Tage! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Buh-Rufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben mit zirka 1 Million Streikenden, mehreren tausend Briefen, die wir alle be­kommen haben, teilweise gestützt durch Ihr EDV-System, mit vielen Betriebsbesuchen, auch des Herrn Gewerkschaftsvorsitzenden Verzetnitsch – ich habe das gestern zu später Stunde mitverfolgen können; Sie waren beim letzten Betriebsbesuch wirklich schon erschöpft, das hat man Ihnen angemerkt –, gegen die Pensionsreform Stim­mung gemacht. Sie sollten sich dafür schämen! Ich sage Ihnen auch, warum Sie sich schämen sollten: Sie haben die österreichische Bevölkerung, Millionen von Menschen, gezielt und auch persönlich falsch informiert, mit falschen Tatsachen getäuscht und absichtlich hinters Licht geführt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Sie haben in sämtlichen Streikreden ausschließlich Angstmache betrieben. Ich sage Ihnen eines: Wir waren lange in Opposition, aber uns wäre nie im Geringsten auch nur einmal eingefallen, eine derartige Angstmaschinerie und Angstmache loszulassen, wie sie das in den letzten Wochen aufgeführt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Wi­derspruch bei der SPÖ.)


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Ich werde Ihnen das auch gleich beweisen. Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens der morgigen Ausgabe der „Kronen Zeitung“, vielleicht ist die für Sie glaubwürdiger. Es wird in der morgigen Ausgabe der „Kronen Zeitung“ eine ganz einfache Frage gestellt, nachvollziehbar für 2 Millionen Leser: Wird in die beste­henden Pensionen eingegriffen? – Nein. Die Regierung bleibt dabei, Pensionisten nichts wegzunehmen. Was aber haben Sie dazu gesagt? – Selbstverständlich wird in bestehende Pensionen eingegriffen.

Welche Regeln gelten für die Frühpension? Die Übergangsfrist für die Abschaffung der Frühpension läuft bis 2017. Bis dahin wird das Pensionsantrittsalter beginnend mit 2004 vier Monate pro Jahr angehoben. – Ich meine, das entspricht auch Ihren Vorstel­lungen.

Ich gehe aber noch einen Schritt weiter: Sie haben überall – und das war auch in der Masse der Briefe der Fall – von exorbitanten Abschlägen gesprochen. Das beste Bei­spiel lieferte Kollege Kaske, den ich an und für sich sehr schätze und mit dem ich sehr gut zusammengearbeitet habe. Er selbst sagte zur geplanten Pensionsreform: Jung­koch verliert 35 Prozent. – Das ist ihre Angstmaschinerie!

Wir haben eine Deckelung von 10 Prozent eingeführt. Was sagt der ÖGB in einem teuren Inserat? – Er spricht von 12 Prozent. Wieder eine Falschinformation, wieder eine auf falschen Informationen beruhende Angstmache. Das zieht sich wie ein roter Faden durch alle Argumente durch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Welche Hilfe gibt es für Kleinstpensionisten? – Selbstverständlich hat unsere Staats­sekretärin Uschi Haub­ner diese Forderung erhoben, und wir haben es durchgesetzt! Ich sage Ihnen auch: Dieser Härtefonds ist mit 10 Millionen € eingerichtet. Wenn Sie es nicht glauben, dann lesen Sie es in der morgigen Ausgabe der „Kronen Zeitung“ – vielleicht glauben Sie es dann! Ich kann es nur noch einmal unterstreichen: Dieser Härtefonds bietet endlich die Möglichkeit dafür, dass die Kleinstpensionisten und auch all jene, die durch tragische Schicksalsschläge an die Untergrenze ihres Einkommens gelangt sind und bei denen der Ausgleichszulagenrichtsatz auch nicht mehr ausreicht, endlich in den Genuss eines Ausgleichs kommen!

Ich bedanke mich bei dir, liebe Frau Staatssekretärin, dafür, dass dir das gelungen ist! Ich weiß, es waren beinharte Verhandlungen, aber das ist freiheitliche Handschrift – und das wollen Sie von den Oppositionsparteien nicht verstehen.

Ich sage Ihnen abschließend auch noch, dass es wirklich erforderlich ist, und zwar auch im Hinblick auf die Wortspende der neuen Abgeordneten, der Frau Bürgermeis­ter, dass Sie sich ent­schuldigen. Entschuldigen Sie sich bei der Bevölkerung! Ent­schul­digen Sie sich bei Ihren Mitgliedern! Es ist an der Zeit, dass Sie sich für die ab­sichtliche Falschinformation und Desinformation entschuldigen. Sie haben noch Zeit dazu, und Sie haben noch Zeit, bei der Harmonisierung mit uns mitzuarbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Was machen Sie da überhaupt, bei einer Harmo­nisierung? Erklären Sie das einmal! – Abg. Mag. Gaßner: Haben Sie schon Vorschlä­ge, Über­legungen?)

Vielleicht ist bis dorthin Ihr Stolz, oder wie man da sagt, etwas in den Hintergrund ge­rückt – man entschuldigt sich ja nicht gern, das ist mir klar –, aber man kann auch Größe zeigen, wenn man sich entschuldigt; das sage ich Ihnen auch. Sie sind jetzt an der Reihe, sich bei der österreichischen Bevölkerung für diese Falschinformation zu entschuldigen – sonst werden wir es in Ihrem Sinne tun! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.51

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 



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19.51

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sol­che Bemerkungen wie die der Abgeordneten Rossmann, die kann man nicht einfach so im Raum stehen lassen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie die „Kronen Zeitung“ von morgen gelesen?) Ich denke, ihre Vorrednerin hat in einer sehr klaren Rede auch ihren Standpunkt einbringen wollen. Ihr jetzt sozusagen mit der Entschuldigung zu drohen – wenn sie sich nicht entschuldigt, dann werden Sie das in ihrem Sinn machen –, das weist schon wieder auf das hin, was in diesem Budgetbegleitgesetz enthalten ist.

Darin gibt es nämlich tatsächlich eine Bestimmung, die die Regierung ermächtigt (Abg. Mag. Mainoni: Entschuldigungsermächtigung!), über den Hauptverband die Informati­on zu betreiben, die sie in Zukunft dann nicht nur mehr aus Regierungsgeldern, son­dern auch aus Geldern der Versicherten bezahlen will. – Das ist der eine Punkt. So weit habe ich sehr genau zugehört.

Das Zweite war der Vorwurf der Kollegin Rossmann, es seien falsche Zahlen verbreitet worden. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Lesen Sie die „Kronen Zeitung“ von morgen, dann werden Sie es gleich sehen!) – Frau Kollegin Rossmann, ich will mich jetzt nicht auf die Ebene von Entschuldigung und Nichtentschuldigung oder Schämen und Nichtschämen einlassen, aber halten wir doch einmal Folgendes fest: Wenn es falsche Zahlen und falsche Behauptungen gegeben hat, dann waren es jene wie die in diesem kleinen Regierungsprospekt, wo drinnen gestanden ist, dass eine Person, die 43 Jahre lang gearbeitet hat und vorher ein Studium gemacht hat, nur einen Verlust von in etwa drei Prozent hat.

Wir haben Ihnen vorgerechnet: Das gibt es nicht, denn das muss ein Wunderkind sein. Wunderkinder gibt es zwar manchmal, aber nicht sehr häufig an österreichischen Uni­versitäten. Die Informationen, die die Arbeiterkammer gebracht hat – ich war selbst erstaunt, wir haben es auch nachgerechnet, Frau Kollegin Rossmann –, haben ge­stimmt! Es war der Regierung nicht möglich, diese Informationen zu widerlegen, im Gegenteil: Ihr einfaches Parteimitglied aus Kärnten hat sich sehr wohl in seiner ganzen Argumentation auch auf die Berechnungen der Arbeiterkammern gestützt. Sie haben profitiert davon, dass es Zahlen gegeben hat und dass etwas völlig richtig vorgerechnet wurde, jenseits jeglicher Polemik, und dass Fakten, Beispiele von Personen, individuel­le Situationen geschildert wurden, so dass die Leute sich in ihnen wiedererkennen konnten.

Das, was jetzt Stand der Pensionsreform ist, die 10 Prozent plus – bitte nicht zu ver­gessen! – und die zwei Prozent, die aus der Aufschiebung der Valorisierung entstehen und die nicht unter die Deckelung fallen – dann sind es nämlich zwölf Prozent, Frau Kollegin Rossmann –, das ist noch immer für viele zu viel, und das ist der Punkt.

Das wurde auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der FPÖ, mehrmals betont oder zu betonen versucht. Sie wollten bis zuletzt, bis gestern – genauso wie wir – Per­sonen mit einer Pension von 1 000 € oder von unter 1 000 € nicht dieser Deckelung anheim fallen lassen. Sie wollten sie von dieser Deckelung befreien. – Jetzt haben Sie die Chance – ohne Entschuldigung und ohne Schämen, Frau Kollegin Rossmann! Es gibt jetzt einen Antrag, und Sie können diesem zustimmen.

Sie werden es, so vermute ich, nicht tun, weil Ihnen irgendjemand von der ÖVP – ich nehme an: sehr klar die Parteispitze – die Rute ins Fenster gestellt und gesagt hat: Ihr könnt noch so viel einfordern, liebe Freundinnen und Freunde von der FPÖ, aber ir­gendwann hört sich der Spaß auf! – Und da – egal wer es ist, ob die Frau Staats­sekretärin oder der Kollege Dolinschek oder die Frau Kollegin Rossmann – sind Sie umgefallen! (Abg. Dolinschek: Hör auf, du!)


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Hören wir doch auf, uns das gegenseitig vorzurechnen! Faktum ist: Sie haben das, was Sie bei dieser Pensionsreform im Falle der Personen mit tatsächlich niedrigen Pensio­nen – „kleiner Mann“, aber vor allem „kleine Frau“ – durchzusetzen vorgehabt haben, nicht erreicht. Jetzt haben Sie eine Chance, über die Unterstützung dieses Entschlie­ßungsantrages, Frau Kollegin Rossmann, das zu korrigieren. Dann bräuchten Sie sich wirklich nicht zu schämen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Lesen Sie die „Kronen Zeitung“ ...!)

19.56

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit schließe ich diese Debatte.

Wir gelangen zu den beiden Abstimmungen über Entschließungsanträge.

Wir stimmen zunächst ab über den Entschließungsantrag des Kollegen Öllinger und Fraktion betreffend die Sicherstellung, dass Pensionen unter 1 000 € monatlich von den aktuellen Kürzungsplänen der Bundesregierung nicht betroffen sein sollen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. (Oh-Rufe bei den Grünen und der SPÖ in Richtung der nicht für den Entschließungsantrag stimmenden Freiheitlichen. – Abg. Nürnberger – in Richtung des Abg. Walch –: Was ist, Maxl?) – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Als Zwei­tes ge­langen wir zum Ent­schließungs­antrag der Ab­geord­neten Dr. Gusen­bauer und Fraktion be­treffend Pen­sionen, die fair, sicher und gerecht sind.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag Dr. Gusenbauer zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abge­lehnt.

Damit haben wir den ersten Punkt der Tagesordnung der heutigen Sitzung erledigt.

2. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Höhe des existenzsichernden Mindest­lohns (Mindestlohngesetz) (85/A)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 2. Punkt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller für 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter Öllinger.

 


19.58

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fürchte fast, dass die Aufmerksamkeit nach dieser doch einigermaßen erschöpfenden, teilweise auch leidvollen Debatte etwas leidet, obwohl das Thema sie verdienen würde: Wir haben ja jetzt über niedrige Pensionen diskutiert, und niedrige Pensionen haben sehr oft ihre Ursache – und fast ausschließlich für Frauen – in niedrigen Einkommen.

Das, was wir fordern, nämlich einen gesetzlichen Mindestlohn in der Höhe von 1 100 €, betrifft eigentlich in erster Linie, aber nicht nur, die Frauen. Und das ist der springende Punkt: Man kann sich – egal, in welchem gesetzlichen Bereich – umsehen, die The­men ansehen und man wird entdecken: Jedes Mal dann, wenn die Männer ihre Inte­ressen einbringen und vertreten, tun sie es in der Regel mit viel Umsicht und auch mit dem nötigen Nachdruck. Aber dann, wenn es darum geht – und wir sind ja überwie­gend ein von Männern besetztes Parlament, und auch die Bundesregierung weist eine


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ähnliche Zusammensetzung auf –, dass auch Fraueninteressen wahrgenommen und umgesetzt werden sollen, tun sich die Gremien – vielleicht nicht nur wegen der Zu­sammensetzung, sondern manchmal auch wegen des Inhalts – schon wesentlich schwerer. Aber egal, ob es um Teilzeitarbeit und um den Schutz bei Teilzeitarbeit und um die sozialrechtliche Absicherung von Teilzeitarbeit oder um ein Thema wie den Mindestlohn in der Höhe von 1 100 €, wie wir ihn vorschlagen, geht: Da lahmt das Inte­resse sehr schnell – zumindest nach den Wahlen. Vor den Wahlen – das gebe ich zu – haben sich die verschiedenen Parteien um die Urheberschaft des Mindestlohns gestrit­ten.

Die FPÖ hat gesagt: Wir waren die Ersten, wir haben eigentlich den Mindestlohn ent­deckt. Dann hat die ÖVP-Steiermark aufgezeigt, Abgeordneter Schützenhöfer hat ge­sagt, er habe schon seit den achtziger Jahren einen Mindestlohn von damals 7 000 S, dann 10 000 S gefordert. Und Kollege Dolinschek wird sicher auch etwas gefordert haben.

Ich habe diese Debatte über einen Mindestlohn schon einige Zeit lang mitverfolgt und bemerke, dass man immer dann, wenn es darum geht, es umzusetzen, das Thema Mindestlohn, ein Frauenthema, gern weiterreicht. So nun auch die Koalitionsparteien, die sagen: Uns ist dieses Thema sehr viel wert, aber wir geben es an die Sozialpartner ab; die sollen das regeln!

Kollege Dolinschek, der du so schön nickst und zufrieden bist mit dieser Regierungser­klärung, ich sage dir: Da spießt es sich! Wir haben nämlich mittlerweile nicht mehr die Situation, dass ein Arbeitgebervertreter – von der Wirtschaftskammer – und ein Ar­beitnehmervertreter als kollektivvertragsfähige Körperschaft – von der Gewerkschaft – über einen derartigen Generalkollektivvertrag verhandeln könnten, sondern es gibt auf Arbeitgeberseite außerhalb der Wirtschaftskammer sehr viele andere kollektivvertrags­fähige Körperschaften. Und wenn sich diese zum Thema Generalkollektivvertrag für einen Mindestlohn von 1 100 € oder meinetwegen 1 000 € zusammenfinden müssten, dann bräuchten sie schon einen Raum von der Größe dieses Saales, um sich über­haupt treffen zu können.

Nur: Ich vermute – und genau das ist der Grund, warum ich nicht an die Durchsetzung eines Generalkollektivvertrags zum Thema Mindestlohn glaube –, dass es etliche Ar­beitgebervertretungen gibt, die überhaupt kein Interesse daran haben, einen Kollektiv­vertrag von 1 100 € durchzusetzen.

Deshalb – und unabhängig davon, ob und wie man das Interesse der Kollektivver­tragspartner inklusive Bundeswirtschaftskammer, dieses Thema voranzutreiben, beur­teilt – glaube ich, dass es höchst an der Zeit wäre, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich vor allem zum Schutz und im Interesse jener Arbeitnehmer und Arbeitnehme­rinnen, aber auch im Interesse einer Koalitionsfreiheit und Kollektivvertragsfreiheit zwi­schen den Vertragspartnern, jene Gruppen schützt, die nicht von sich aus und auch nicht durch den Schutz ihrer kollektivvertragsfähigen Körperschaften dazu gebracht werden können, diesen Mindestlohn zu erreichen. Das ist der springende Punkt.

Großbritannien, ein Land, in dem sozialpartnerschaftliche und kollektivvertragliche Tra­dition sicherlich kein großes Thema ist, hat bei einem wesentlich schlechteren Niveau der Löhne letztendlich einen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt, umgesetzt und ein Niveau im gesetzlichen Mindestlohn erreicht, das über dem liegt, was wir heute hier als Forderung einbringen. So schaut es inzwischen aus! Es ist Realität, Lohnrealität in Österreich, dass es Personengruppen, vor allem Frauen, gibt, die schlechtere Bedin­gungen und Löhne haben als britische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Das sollte Sie vielleicht doch veranlassen, nicht nur in erster Lesung wohlmeinend dar­über zu debattieren, sondern auch einen Schritt weiterzugehen und im Ausschuss tat-


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sächlich zu einem gemeinsam ausverhandelten Antrag in Bezug auf einen Mindestlohn zu kommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.04

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hütl. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Günther Hütl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung vertritt, wie auch dem Regierungs­übereinkommen zu entnehmen ist, die Auffassung, dass jeder Arbeitnehmerin und je­dem Arbeitnehmer für Vollzeitarbeit ein Mindestlohn von 1 000 € zustehen soll. Ich denke aber, es ist nicht Aufgabe der Regierung, dieses Anliegen im Parlament als Ge­setz zu beschließen, sondern es ist, wie Herr Öllinger schon vermutet hat, Aufgabe der Sozialpartner, der Kammern, der Interessenvertreter und so weiter, dies im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen einzubringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Deshalb fordern wir die Sozialpartner und andere Interessenvertretungen als Kollektiv­vertragsparteien auf, entsprechende Bestimmungen in den Kollektivverträgen zu ver­ankern. Dabei soll sichergestellt werden – und das ist enorm wichtig! –, dass insbe­sondere in sensiblen Branchen die Arbeitsplätze gesichert werden und bleiben. Eine Reglementierung würde auch einen Eingriff in betriebliche Prozesse darstellen und möglicherweise auch Arbeitsplätze gefährden, besonders in Betrieben, die an der Grenze der Rentabilität arbeiten oder sich mit dem Gedanken einer Abwanderung tra­gen.

Diesbezüglich bleibt die Vollbeschäftigung weiterhin unser wichtigstes Ziel, gerade auch bei uns in den ländlichen Regionen, wo es sprichwörtlich auf jeden einzelnen Arbeitsplatz ankommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Apropos ländlicher Raum: Ich komme aus dem westlichen Niederösterreich, aus dem Bezirk Scheibbs, aus dem Ötscherland, aus der Stadt Wieselburg, die sich einige Attri­bute zunutze gemacht hat. Einige Beifügungen sind bekannt, Sie kennen sie sicherlich: Wieselburg gilt einerseits als Braustadt, zweitens als Schulstadt – wir haben zwei hö­here Schulen und eine Fachhochschule – und zum Dritten als Messestandort, als einer der größten Messestandorte des Bundeslandes Niederösterreich. (Abg. Dr. Gusen­bauer: Und es hat einen guten Bürgermeister!) – Okay, ich werde es ihm ausrichten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich komme aber wieder zum eigentlichen Thema zurück. Die Bundesregierung bewegt sich in der Sache Mindestlohn in der Tradition der österreichischen Lohnverhandlun­gen. Lohnabschlüsse fallen nun einmal in die Autonomie kollektivvertraglicher Partner, und das ist eine gute sozialpolitische Tradition! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Gesetzliche Eingriffe in diese Sozialautonomie sind deshalb entbehrlich. Aus diesem Grund werden wir dem Antrag der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde, die per Gesetz einen Mindestlohn von 1 100 € fordern, nicht zustimmen. Wie in die­sem Antrag unter anderem erwähnt wird – Kollege Öllinger hat es vorhin ebenfalls ge­sagt –, haben die steirische ÖVP und unsere Kollegin im Nationalrat Ridi Steibl schon vor einigen Jahren einen Mindestlohn von 1 000 € gefordert. Aber auch damals war nicht von einem Gesetz die Rede, sondern von kollektivvertraglichen Maßnahmen.

Es wurden und es werden außerdem zusätzliche Maßnahmen für Mindesteinkommen gesetzt. Denken Sie daran, dass eine Entlastung kleinerer Einkommen im Rahmen der mit 1. Jänner 2000 in Kraft getretenen Steuerreform realisiert wurde. Denken Sie auch


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an die Vorlage im derzeitigen Budgetbegleitgesetz, in dem Bruttojahreseinkommen unter 14 500 € vollständig steuerfrei gestellt werden. (Beifall der Abg. Dr. Fekter.)

Wir werden aus den vorhin genannten Gründen, unter anderem die Erreichung dieses Mindestlohns durch Kollektivvertragsverhandlungen, diesem Antrag auf Reglementie­rung nicht zustimmen. Die Bundesregierung wird aber gleichzeitig alles unternehmen, damit in allen Branchen, in denen die Einkommen noch unter dieser Mindestgrenze liegen, der angestrebte Mindestlohn von 1 000 € erreicht werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.09

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Csörgits. – Bitte.

 


20.09

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich bin bei dir, Kollege Öllinger, wenn du meinst, dass man alles tun muss, um die Einkommenssituation der Frauen zu verbessern. Ich weiß auch, dass dir das ein Anliegen ist, um daran zu zweifeln, dazu kenne ich dich viel zu lang und viel zu gut. Ich glaube nur, dass dein Weg ein verkehrter ist.

Ich bin nicht der Auffassung, dass ein gesetzlicher Mindestlohn der richtige Weg dort­hin ist, auch deshalb nicht, weil man sich damit sehr stark in die Abhängigkeit und in das Tätigwerden des Gesetzgebers begibt und daher von Mehrheiten abhängig ist. Es gibt auch in vielen Ländern Beispiele dafür, dass die Anhebung, die Anpassung eines gesetzlichen Mindestlohns dann jeweils erst in großen zeitlichen Abständen erfolgt, und zweifellos auch nicht im erwünschten Ausmaß.

Ich bin daher dafür, dass man alles gemeinsam unternimmt. Da hat ja die Gewerk­schaftsbewegung in der letzten Zeit, insbesondere beim Anheben der unteren Ein­kommensbereiche im Hotel- und Gastgewerbe, aber auch zum Beispiel bei den Zeitar­beiterInnen gute Fortschritte gezeigt und auch Erfolge aufweisen können.

Ich darf noch ein zweites Beispiel nennen: Die Gewerkschaft Metall-Textil hat jetzt be­gonnen, ihre Kollektivverträge nach dem Gesichtspunkt des Gender Main-streaming zu durchleuchten. Wir werden daher die nächste Kollektivvertragsrunde dazu nützen, un­sere Forderungen den Arbeitgebern auf den Tisch zu legen.

Ich möchte alle herzlichst dazu einladen – auch bei Kollektivvertragsverhandlungen bedarf es Zweier – und würde insbesondere die ÖVP bitten, sich entsprechend stark zu machen, damit es auch bei der Wirtschaft klappt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.11

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 


20.11

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Öllinger, 1 000 € oder 1 100 € Mindestlohn, da haben wir uns schon gefunden. Ich meine, es wäre wichtig, dass in Österreich der Mindestlohn angehoben wird, denn das würde die Kaufkraft in Österreich stärken und der Wirtschaft helfen. Immerhin haben heute 314 000 unselbständig Erwerbstätige – das sind immerhin 10 Prozent aller unselbständig Erwerbstätigen – unter 1 000 € Mo­natslohn, und zwar 17 Prozent aller erwerbstätigen Frauen und immerhin noch 5 Pro­zent aller erwerbstätigen Männer.


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Ich bin da ganz deiner Meinung, Kollege Öllinger, dass in diesem Bereich etwas ge­macht werden muss. Das entspricht auch unseren Forderungen, nur: Hinsichtlich der Form gehen wir wohl getrennte Wege.

Zwar ist in Großbritannien und in Frankreich vor einiger Zeit auf gesetzlicher Ebene ein Mindestlohn eingeführt worden, aber ich glaube doch, dass es in Österreich sinnvoll wäre, das in Form eines Generalkollektivvertrages zu machen. Und wenn du, Kollege Öllinger, sagst, das sei nicht mehr so leicht möglich, weil es zu viele Zersplitterungen gibt, muss ich sagen: Ein Generalkollektivvertrag ist selbstverständlich möglich! Und wenn es die Gewerkschaft nicht macht, dann kann es zumindest die Arbeiterkammer machen, denn sie ist die gesetzliche Vertretung der Arbeitnehmer. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die beiden gemeinsam könnten das locker „drüberbringen“.

Wenn wir auch das, was die Löhne betrifft, hier gesetzlich regeln, dann brauchen wir die Sozialpartnerschaft nicht mehr, dann brauchen wir überhaupt nichts mehr. (Abg. Öllinger: Die Abfertigung habt ihr ja auch gesetzlich geregelt!)

Ich wünsche mir nicht, dass Löhne hier im Parlament entschieden werden, aber schon überhaupt nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das sollen die Sozial­partner aushandeln, die Gewerkschaften. Wissen Sie, wozu sie da sind? – Sie sind notwendig – ich wünsche mir, dass die Lohnverhandlungen im Herbst in diese Rich­tung gehen –, damit die Arbeitnehmer mehr im Lohnsackerl haben und die Kaufkraft in Österreich gestärkt wird. Das soll auch so sein, denn heute ist es noch immer so, dass es zahlreiche Branchen gibt – das wird auch in einem Antrag hier angeführt, und zwar sämtliche Branchen –, die unter 1 000 € Mindestlohn haben. Das sind zum Besipiel die Mitarbeiter in Bäckereien, in Fleischereien, Angestellte in Land- und Forstbetrieben, Verkäuferinnen, Angestellte, die in Mühlen oder im Güterbeförderungsgewerbe und so weiter arbeiten. Sie alle liegen unter 1 000 €.

Ich wünsche mir, dass die Interessenvertretung der Arbeitnehmer die Löhne für diese Leute so aushandelt, dass sie über 1 000 € bekommen, meinetwegen auch über 1 200 €. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich habe nichts dagegen, das sozusagen hi­naufzulizitieren, aber es muss alles in einem gewissen Rahmen sein. Ich hoffe jeden­falls, dass die Gewerkschaft so stark ist und das für die österreichischen Arbeitnehmer durchsetzen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.14

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.

 


20.14

Abgeordneter Christoph Kainz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich freue mich, dass ich als regionaler Abgeordneter der Bezirke Baden und Bruck an der Leitha die Interessen der Bürgerinnen und Bürger hier im Hohen Haus vertreten darf.

Die Bezirke Baden und Bruck an der Leitha in Niederösterreich mit zirka 155 000 Ein­wohnern sind eine prosperierende Region südlich und östlich von Wien. Hohe Wohn­qualität, engagierte Menschen, eine gesunde Umwelt und eine hervorra­gende Be­triebsansiedelungslage zeichnen diese beiden Bezirke aus.

Wir stehen vor allem durch die bevorstehende EU-Erweiterung vor enormen Chancen, aber auch vor noch zu lösenden Aufgaben. Daher ist ein direkter Vertreter dieser Regi­on wichtiger denn je (Beifall bei der ÖVP), ein Vertreter hier im Hohen Haus, der durch viele Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort deren Wünsche und Prob­leme kennt und der versucht, diese – gemeinsam mit anderen – zum Wohle der Bürge­rinnen und Bürger zu lösen. Das erwarten sich die Menschen in unseren Gemeinden. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)


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Durch meine Funktion als Bürgermeister der Weinbaugemeinde Pfaffstätten an der Südbahn weiß ich, dass der direkte Kontakt mit den Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine wesentliche Stärke dieses Amtes ist und dass sich die Bürger dies auch von der Politik und von den Politikern erwarten. Vor allem aber erwarten sich die Menschen eine konstruktive und sachliche Art des politischen Handelns, bei der nicht Populismus im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung steht, sondern Sachpolitik zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger praktiziert wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Freiheitlichen.)

Ich für meine Person möchte diese Art der Sachpolitik – so, wie ich sie aus der Ge­meindearbeit seit über einem Jahrzehnt kenne – gerne hier im Hohen Haus einbringen, um sie zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Natürlich gibt es unterschiedliche Zugänge zu diversen Sachthemen. Das macht ja auch die Demokratie so interessant und den Parlamentarismus lebendig. Ich meine jedoch, jeder sollte versuchen, sich in die Überlegungen des anderen hineinzudenken und dem anderen nicht von Haus aus Unsachlichkeit und Populismus vorzuwerfen, wie das ja auch schon von einer Vorrednerin aus einer anderen Fraktion hier dargelegt wurde.

In der grundsätzlichen Frage, dass jeder Arbeitnehmerin/jedem Arbeitnehmer eine ver­nünftige Entlohnung ihrer/seiner Arbeit zusteht, sind wir wahrscheinlich nicht unter­schiedlicher Auffassung hier im Hohen Haus. Jede Arbeit sollte also gerecht entlohnt werden. Die Frage ist nur: Wie?

Die Regierung Schüssel II hat sich in ihrem Regierungsprogramm das Ziel gesetzt, 1 000 € Mindestlohn durchzusetzen. Ich meine, die Aufgabe der Politik ist es, die not­wendigen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und für die Politik zum Wohle der Menschen unseres Landes zu schaffen.

Wir von der Österreichischen Volkspartei sind der Auffassung, dass die Politik für die Menschen unseres Landes so ausschauen soll, dass nicht hier in diesem Hause Ge­haltsverhandlungen durchgeführt werden, sondern dass eben die Sozialpartner diese Aufgabe auch weiterhin übernehmen, denn diese waren ja auch in der Vergangenheit sehr erfolgreich zum Wohle der Menschen Österreichs tätig. (Beifall bei der ÖVP.)

In Österreich hat sich der Weg der Kollektivvertragsverhandlungen bewährt. Und die­ser Weg ist auch im Regierungsprogramm vorskizziert; das Ziel dieser Bundesregie­rung ist dort auch deklariert.

Die Sozialpartner haben bei den Kollektivvertragsverhandlungen in kollegialer Atmo­sphäre immer jene Lösung zustande gebracht, die vom Arbeitsmarkt zu verkraften und für die Arbeitnehmer vernünftig war. – Dieser vernünftige Weg zum Wohle der Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer sollte nicht verlassen werden.

Ich hoffe und freue mich auf eine erfolgreiche und konstruktive Zusammenarbeit mit allen Parteien hier im Hohen Hause: zum Wohle unserer Mitbürgerinnen und Mitbür­ger. (Bravorufe und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.19

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte zu dieser ersten Lesung und weise den Antrag 85/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.


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3. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Opferfürsorgegesetz, BGBl. 183/1947, geändert wird (86/A)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Der Antragsteller hat das Privileg der Begründung. – Bitte, Herr Abgeordneter Öllinger.

 


20.20

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein Thema, zu dem ich schon mehrmals gesprochen habe (Zwi­schenruf der Abg. Steibl.) – Frau Kollegin Steibl, Sie sollten vielleicht bei diesem The­ma etwas vorsichtiger sein –, und bei dem ich im Ausschuss, aber auch in Plenarde­batten sehr unterschiedliche Debattenbeiträge erlebt habe.

Ich kann mich auch an Debattenbeiträge in der letzten Sitzung des Sozialausschusses erinnern, die durchaus von einer hohen Intensität und Bereitschaft – was nicht immer der Fall war – aller DebattenteilnehmerInnen, sich auf das Thema einzulassen, getra­gen waren.

Es ist ganz eigenartig, dass das ein Thema ist, das uns, obwohl es so viele Jahre zu­rückliegt, noch immer auf so merkwürdige Art und Weise berührt, dass es zu durchaus großen Aggressionen kommen kann und auch gekommen ist.

Im Wesentlichen betrifft es einen Bereich, von dem man glauben möchte, es sollte eigentlich schon alles geregelt sein, weil die Republik in bestimmten anderen Teilberei­chen, wo es um die Anerkennung von NS-Opfern geht, zumindest mittlerweile – und ich lasse jetzt die Vergangenheit beiseite – aus den Erfahrungen gelernt hat und etwas getan hat. Und dann gibt es jene Bereiche, über die wir heute in erster Lesung spre­chen: Zwangssterilisierte, homosexuelle Opfer des Nationalsozialismus und die so ge­nannten Asozialen. Das sind beispielsweise die Kinder vom Spiegelgrund, die dort in den Anstalten traktiert wurden, auch zu Tode gebracht wurden, wo noch immer etwas ganz Merkwürdiges in der Luft liegt: Ja dürfen wir jetzt denen zu ihrem Recht verhel­fen? Hat das nicht Auswirkungen auf die Republik?

Alle diese Fragen haben den Ausschuss, beispielsweise in der letzten Debatte, be­schäftigt. Ich erspare es mir jetzt, Ihnen die Details dieser vielen Debatten, die wir schon hatten – und davon war die letzte Debatte im Ausschuss bis zum Ende eine der spannendsten –, wiederzugeben, weil ich mir einfach nur wünsche, dass wir bei der nächsten Debatte im Ausschuss uns nicht nur bis zum Schluss, sondern bis zu einer positiven Beschlussfassung die Kraft nehmen und endlich über die Hürde drüberhup­fen und dass wir diesen nicht anerkannten Opfern des Nationalsozialismus, und zwar nur im Opferfürsorgegesetz, jetzt doch endgültig, nachdem diese Angelegenheit über 50 Jahre zurückliegt, zu ihrem Recht verhelfen.

Ich kann Ihnen nur ein Beispiel sagen, und das betrifft die Zwangssterilisierten. Um die hat sich in der Zweiten Republik nie irgendwer gekümmert. Alle diese zwangssterilisier­ten Opfer, und das sind Frauen gewesen, leben wahrscheinlich nicht mehr. Es geht also gar nicht mehr darum, dass man über diese Anerkennung als Opfer noch irgend­jemandem eine materielle Wiedergutmachung geben müsste, und trotzdem gibt es im Kreis der Familienangehörigen genügend Menschen, die sich genau das von der Re­publik erwarten: eine symbolische Geste. In dem einen oder anderen Bereich, ob das jetzt bei den Zwangssterilisierten sein mag, bei den homosexuellen Opfern des Natio­nalsozialismus, jedenfalls aber auch bei den so genannten Asozialen, gibt es Perso­nen, die noch leben und die sich zumindest das erwarten.


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Daher ersuche ich Sie, jenseits der Debatte heute im Rahmen der ersten Lesung, dass wir dieses Thema im Ausschuss möglichst aus dem Parteienstreit heraushalten und hier zu einem positiven Ergebnis im Sinne einer Anerkennung dieser Opfergruppen im Opferfürsorgegesetz kommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.24

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Winkler. Er hat das Wort.

 


20.24

Abgeordneter Ing. Josef Winkler (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Über dieses Thema zu sprechen ist ja nicht immer sehr einfach, zumal es ja sehr emotional besetzt ist, und das auch mit Recht. Das möchte ich schon sagen. Daher freut es mich auch, dass ich hier feststellen darf, dass die Republik Österreich seit dem Jahre 1945 alles getan hat, um den Opfern des Nati­onalsozialismus bestmöglich zu helfen.

Wir haben diese rasche Hilfe mit dem Opferfürsorgegesetz, dem Allgemeinen Sozial­versicherungsgesetz, dem Nationalfondsgesetz und vor zwei Jahren mit dem Entschä­digungsfondsgesetz ermöglicht.

Österreich war Gott sei Dank immer in der Lage, den Opfern des Dritten Reiches zu helfen, und hat ihnen auch immer geholfen. (Abg. Öllinger: Nein, das stimmt leider nicht!) Ich bin dahin gehend informiert worden, und ich kann nur das feststellen, was geschrieben steht.

Zu dem in erster Lesung zur Debatte stehenden Antrag des Abgeordneten Öllinger möchte ich sagen, dass das Opferfürsorgegesetz klar festlegt, dass Personen, die zwi­schen 1933 und 1945 politisch verfolgt wurden, einen Rechtsanspruch auf Entschädi­gung haben. Zu diesen politisch Verfolgten gehören auch Personen, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung oder weil sie als so genannte Asoziale verfolgt wurden, zu Schaden kamen.

Wichtig für die Entschädigung war und ist, dass diese Personen verfolgt wurden, ganz gleich, ob sie aus Gründen der Nationalität, der Herkunft oder auf Grund der politi­schen Einstellung verfolgt wurden. Es wurde in den verschiedenen Diskussionen zu dieser Materie immer wieder eindeutig festgestellt, dass das Opferfürsorgegesetz nicht einzelne politisch Verfolgte mit einem Rechtsanspruch ausstattet, sondern alle Verfolg­ten. Daran bestand nie ein Zweifel!

Es ist auch charakteristisch für das Opferfürsorgegesetz, dass keine Personengruppe ausdrücklich genannt wird. Auch von Seiten der SPÖ wurde dies klargestellt. Als am 1. Juni 1995 das Opferfürsorgegesetz novelliert wurde, gemeinsam mit der Beschluss­fassung des Nationalfondsgesetzes, sagte der damalige sozialdemokratische Sozial­minister Franz Hums, dass jene Gruppen, die im Gesetz nicht besonders angeführt sind – damals hat es nämlich nur eine beispielhafte Anführung der betroffenen Perso­nenkreise gegeben –, natürlich genauso anerkannt werden.

Wörtlich führte Bundesminister Hums aus – ich darf ihn zitieren –: Jenen Gruppen, die nicht ausdrücklich im Gesetzestext erwähnt sind, werde ich mit der Möglichkeit der Bestimmung des Opferfürsorgegesetzes im Härteausgleich dieselben Leistungen zuer­kennen, die ihnen auch zustehen und die in diesem Gesetz vorgesehen sind. – Zitat­ende.

Geschätzte Damen und Herren! Alle Personen, die politisch verfolgt wurden, bekamen von der Republik Österreich Entschädigung, wie ich schon eingangs erwähnt habe,


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auch dann, wenn sie wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden, und auch gerade deshalb.

Der von den Grünen zum wiederholten Male vorliegende Antrag – es gibt diesbezüg­lich schon mehrere Anträge aus den vergangenen Jahren – ist heute insofern ohne Bedeutung, als alle Fälle wegen sexueller Orientierung nach dem Opferfürsorgegesetz bereits erledigt sind. (Abg. Öllinger: Woher wissen Sie das?) Es wurden bereits seit Jahren diesbezüglich keine Anträge mehr gestellt. Die letzten Fälle wurden Mitte der neunziger Jahre mit der Möglichkeit des Härteausgleiches im Opferfürsorgegesetz ent­schädigt.

Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Würden wir daher diesem Antrag zu­stimmen, so würde dies bedeuten, dass wir totes Recht schaffen. (Abg. Mag. Lunacek: Es geht um die Anerkennung! Haben Sie das nicht verstanden?) Wir würden mit dieser Gesetzesänderung niemandem helfen, und es kann nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, totes Recht zu schaffen. (Abg. Öllinger: Wo Sie sonst überall totes Recht schaf­fen!) Wir wollen ja auch eine Eindämmung der Gesetzesflut. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für die ÖVP ist das Opferfürsorgegesetz ein Gesetz, das alle Verfolgten des National­sozialismus einschließt, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Aus die­sem Grunde, aber nicht allein aus diesem Grunde, ist Ihr Antrag daher abzulehnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.29

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


20.29

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Meine Da­men und Herren des Hohen Hauses! Ich habe leider nur mehr eine Minute Redezeit zur Verfügung. Meine Fraktion, die SPÖ, steht auf dem Standpunkt: Wer wegen seiner sexuellen Orientierung in den Konzentrationslagern gelitten und die Folterungen der Gestapo-Schergen ertragen hat, soll als Verfolgter des Nazi-Regimes anerkannt wer­den.

Es ist ein bedauerlicher Rückschritt, wenn ÖVP-Kollege Winkler nach bereits signali­sierter Gesprächsbereitschaft der ÖVP wieder beinharte Ablehnung signalisiert. Ich bitte alle Fraktionen in diesem Sinne um Offenheit im Ausschuss. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.30

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. – Bitte.

 


20.30

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser vorliegende Antrag bedarf sicherlich einer seriösen Behandlung. Das Opferfürsorgegesetz soll nämlich wirklich alle Betrof­fenen entschädigen – und deshalb nehmen wir Freiheitlichen diese Sache auch sehr ernst und werden uns sehr eingehend mit diesem Thema befassen.

Herr Kollege Öllinger, ich habe nur ein großes Problem mit den Quellen, die in diesem Antrag angeführt werden. Die Recherchen des  Dokumentationsarchives des österrei­chischen Widerstandes kenne ich von anderer Seite her, und daher: Gerade diese In­stitution erscheint mir äußerst unseriös, äußerst einseitig und äußerst tendenziös. (Wi­derspruch bei der SPÖ und den Grünen.)


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In diesem Zusammenhang möchte ich schon auch darauf hinweisen, dass die Art, wie gerade wir Freiheitlichen, aber auch der Koalitionspartner ÖVP zu diesem Thema von der  „HOSI Wien“, von der „Homosexuellen Initiative“ behandelt werden, im Grunde genommen unglaublich ist. Ich zitiere jetzt zum Beispiel aus einer Aussendung der „HOSI“, wo eine gewisse Frau Pankratz schreibt: „ÖVP und FPÖ vertreten NS-Gedankengut.“

Und weiters: „Mit ihrer Haltung sorgen ÖVP und FPÖ nicht nur für Kontinuität der NS-Verfolgung bis heute“, ergänzt „HOSI Wien“-Obmann Christian Högl, „sondern damit bagatellisieren sie auch die NS-Verbrechen insgesamt.“ – Zitatende. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wer sagt so etwas?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Solche Äußerungen einer Initiative tun dieser Ange­legenheit insgesamt, wie eben dem Anliegen der Homosexuellen, wirklich nichts Gu­tes! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Öllinger: Wir reden aber jetzt ...!)

Zurück zum Antrag selbst. Wir werden dieses Thema – das kann ich Ihnen verspre­chen – eingehend beraten. In den Ausschüssen wird sicherlich noch genügend Gele­genheit sein, darüber zu sprechen. Ich darf Ihnen versichern: Uns liegt daran, dass wirklich alle Betroffenen entschädigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.32

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächste Rednerin Frau Abgeordne­te Mag. Lunacek. – Bitte.

 


20.32

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Ich war schon etwas erstaunt über die Ausführungen des Herrn Kollegen Winkler. Zum einen sagte er, es ist ihm vorgelegt worden, was er vortragen soll – und zum an­deren hat er sich dann auf den Härtefonds bezogen und gesagt, es seien ohnehin alle Opfer anerkannt; die Republik habe allen rasch geholfen. Und es sei, so Kollege Wink­ler, überhaupt keine Frage mehr, dass es da für irgendeine Personengruppe noch ir­gendwelche Probleme gäbe, und er meinte weiters, wenn man diesem Antrag jetzt zustimmen würde, dann wäre das „totes Recht“.

Dazu kann ich nur bemerken: Sie haben nicht verstanden, worum es geht, meine Da­men und Herren von der ÖVP! Sie haben das einfach nicht verstanden! – Herrn Mai­noni halte ich immerhin zu Gute, dass er sagt, die Freiheitlichen wollen sich das ernst­haft ansehen. Aber wenn er jene Quellen, die wir hier zitieren, als einseitig und unseri­ös bezeichnet, kann ich ihm nur raten: Lesen Sie den Bericht der Historikerkommissi­on, der im März herausgekommen ist! Auch in diesem wird aufgezeigt, dass die homo­sexuellen und asozialen Opfer des Nationalsozialismus tatsächlich noch keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung haben.

Vor allem geht es aber auch noch um etwas anderes als um die Entschädigung: Es geht um die Anerkennung, dass auch diese Menschen Opfer des Nationalsozialismus waren. – Das hat die ÖVP offensichtlich überhaupt nicht verstanden!

Vor weniger als einem Monat waren ich und einige von Ihnen bei der Feier anläßlich des 58. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass dort zum Beispiel der jetzige Nationalratsprä­sident Andreas Khol bei der Eröffnung des Besucherzentrums gesagt hat, wie wichtig es ist, dass dieses Besucherzentrum eröffnet wird, im Geiste des „Niemals wieder!“ die Zukunft zu gestalten, gegen die „Normalität“ des Schreckens anzukämpfen, und so weiter.


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Auch Minister Strasser hat Ähnliches gesagt: wie notwendig eine Schärfung des Be­wusstseins in der Gegenwart ist, und wie wichtig es ist, dass die Lebenserinnerungen der Überlebenden bewahrt werden. Sowohl Khol als auch Strasser, beides Mitglieder einer ÖVP – daran erinnere ich Sie –, für die in den Verhandlungen, die die ÖVP mit den Grünen geführt hat, das einer der wenigen Punkte war, wo Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, bereit waren, im Lesben-Schwulen-Bereich diesem Antrag zuzu­stimmen und die homosexuellen und asozialen Opfer des Nationalsozialismus endlich anzuerkennen. – Und wo sind Sie von der ÖVP heute? Wo stehen Sie denn da heu­te? – Wieder einen Schritt zurück, nämlich den, den Sie in den letzten 50 Jahren nie weitergekommen sind? Sind Sie wieder dort, wo Sie sich offensichtlich weiterhin auf­halten wollen?!

Ich finde das beschämend, meine Damen und Herren von der ÖVP – und kann nur hoffen, dass Sie im Zuge der Diskussionen im Ausschuss (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter) dann doch noch einen anderen Einstieg und eine andere Position hier ver­treten werden! (Beifall bei den Grünen.)

Es stimmt schon, es haben das schon einige beantragen können, auch wenn sie nicht dezidiert genannt sind. Aber: Worum geht es denn auch bei der Aufarbeitung des Nati­onalsozialismus? – Da geht es darum, dass Menschen, die den Schergen des NS-Regimes zum Opfer gefallen sind, als Opfer anerkannt werden, dass die Welt wahr­nimmt, dass es sie gegeben hat und dass sie darunter gelitten haben! Hunderte, wenn nicht Tausende von Ihnen wurden wurden verfolgt, gefangen gehalten und ermordet! Um die Anerkennung geht es – ebenso für jene, die zwangssterilisiert wurden.

Zu Ihrer Information: Bei jener Feier in Mauthausen stand ich kurz neben einem Bot­schafter eines österreichischen Nachbarlandes, der mich gefragt hat, warum ich beim Einzug sozusagen nicht ganz vorne mitgehe, mit den Prominenten, sondern weiter hinten. – Ich habe geantwortet: Ich gehe bei den Homosexuellen-Initiativen mit. – Da schaut mich dieser Botschafter ganz groß an und fragt: Na warum denn? – Darauf ich: Wissen Sie, in Österreich sind die homosexuellen und auch die asozialen Opfer des NS-Regimes noch nicht vollständig anerkannt! – Daraufhin schaut er mich wieder groß an und sagt: Das gibt’s doch nicht! – Ich musste ihm leider sagen: Das gibt es in die­sem Österreich.

Meine Damen und Herren! Es wäre ein Hohn gegenüber diesen Menschen, von denen nur mehr einige wenige leben, wenn Sie jetzt noch immer nicht bereit wären, sie als Opfer anzuerkennen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich fordere Sie auf, das im Sinne auch des Berichtes der Historikerkommission, die das festhält, endlich zu tun! Wie schon einige meiner Vorredner gesagt haben: Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir diesen Antrag stellen. In der vergangenen Legislaturperi­ode wurde er immer wieder vertagt und blieb dann sozusagen in den Schubladen des Ausschusses liegen.

Einige „Argumente“ waren immer die, dass gesagt wurde: Vor dem Nationalsozialis­mus und nach dem Nationalsozialismus wurden Homosexuelle auch verfolgt, also war das sozusagen Rechtskontinuität – und deswegen sei diese Verfolgung sozusagen nichts Besonderes gewesen.

Ich glaube, dass da verkannt wird, was dieses nationalsozialistische Regime bedeutet hat: Das hat nämlich genau diese Dinge verschärft! Und auch das können Sie im Be­richt der Historikerkommission nachlesen, die eben genau sagt, dass im NS-Staat die Verfolgung der Homosexuellen verschärft wurde, dass dann schon in Deutschland, also noch bevor Österreich den „Anschluß“ durchgemacht hat, im Jahre 1937 etwa, politisch motivierte Prozesse gefolgt sind, in denen Homosexualität als praktischer Ver­folgungsgrund vorgeschoben wurde. In Österreich selbst gab es dann auch, und zwar


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ab dem Jahre 1943, zahlreiche Verurteilungen: in Wien fast 700; von Gerichten öster­reichweit waren über 3 000 Personen davon betroffen.

Meine Damen und Herren! Diese Menschen wollen endlich als Opfer anerkannt wer­den. Viele von ihnen leben ja nicht mehr – aber es ist eine Pflicht unserer Republik, auch diesen Menschen die Anerkennung nicht mehr zu verweigern; ebensowenig wie –mein Kollege Öllinger hat es schon erwähnt – den Opfern der Zwangssterilisation.

Herr Winkler hat gesagt: Diese Menschen haben sich ja schon melden können; sie haben ja schon Entschädigungen bekommen! – Um das noch einmal klar zu machen: Die materielle Entschädigung, wenn so etwas überhaupt möglich ist, eine symbolische Wiedergutmachung, haben einige beantragen können, aber: Es geht auch um eine Art ideeller Wiedergutmachung, um die Anerkennung, dass diese Menschen Opfer wa­ren! Und das schuldet die Republik diesen Tausenden Opfern des Nationalsozialismus immer noch!

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Ich hoffe, dass Sie in den Beratungen des Ausschusses Ihre Haltung doch noch ändern – das ist vor allem an die FPÖ ge­richtet – und bereit sein werden, diesen Opfern Ihre Anerkennung auszusprechen.

Ich erinnere an die Worte des früheren Klubobmanns und jetzigen Nationalratspräsi­denten Khol und des Innenministers Strasser: Deren Haltung zu Mauthausen, dem Ort, wo auch homosexuelle und asoziale Opfer, unter denen auch lesbische Frauen waren, gefoltert, gefangen gehalten und umgebracht wurden, bleibt meiner Meinung nach zu einem Teil unglaubwürdig, solange Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, nicht auch diese Opfer anerkennen.

In diesem Sinne hoffe ich sehr wohl, dass Sie im Ausschuss nicht wieder vorhaben, diesen Antrag entweder zu vertagen und in der Schublade verschwinden zu lassen oder ihn sogar abzulehnen und damit diesen Opfern wieder einmal – fast 60 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus – die Anerkennung zu versagen. – Das wäre schändlich für diese österreichische Republik! (Beifall bei den Grünen.)

20.41

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Damit schließe ich die Debatte und weise diesen Antrag 86/A ebenfalls dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

4. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz geändert wird (92/A)

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Zur Begründung gelangt Herr Abgeordneter Dr. Matznetter zu Wort. Die Redezeit be­trägt 5 Minuten. – Bitte.

20.42

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Ich fasse mich ganz kurz: Der Ver­waltungsgerichtshof hat uns durch eine Interpretation des § 4 Abs. 5 neue Bürokratie beschert. Das hat dazu geführt, dass die Unternehmer, seit das Erkenntnis im März bekannt wurde, im Unterschied zu allen anderen, die Reisekosten geltend machen, gezwungen sind, Belege zu sammeln. Das heißt, wenn sie in ein Restaurant essen gehen und das absetzen wollen, sie den Beleg zum Geltendmachen debbicg sammeln müssen.


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An sich ist das, glaube ich, eine Behebung im Sinne aller Fraktionen, die dringend an­steht. Leider findet die erste Lesung, auch wenn der Antrag von mir bereits am 26. März eingebracht wurde, relativ spät statt. Ich habe daher die Hoffnung, dass wir in Zukunft solche Ungereimtheiten sehr rasch beheben können und auch im Ablauf schneller werden, wo es notwendig wäre, und nicht nur bei den Dingen, die durchge­drückt werden müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

20.42

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Felzmann. – Bitte.

 


20.43

Abgeordnete Carina Felzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als relativ junge Abgeordnete und relativ alte Unternehmerin ist es mir ein Anliegen und freut es mich sehr, zu dieser Thematik heute kurz Stellung zu nehmen.

Kollege Matznetter hat den Inhalt des Antrages im Wesentlichen bereits ausgeführt. Es geht letztendlich um eine Minimierung der Administration für Unternehmer. Mich per­sönlich hat es gefreut, dass dieser Antrag gerade von Seiten der SPÖ eingebracht wurde, insofern, als auch Sie darüber nachdenken, was die Unternehmerinnen und Unternehmer betrifft, und bereit sind, Gespräche zu führen und Türen aufzumachen.

Es ist für uns selbstverständlich, dass wir die Unternehmerinnen und Unternehmer in allen möglichen Belangen unterstützen. Faktum ist – ich weiß nicht, ob das wirklich allen bekannt ist –, dass in Österreich die Unternehmensquote derzeit zirka 8 Prozent beträgt. Unser Ziel ist es, diese Unternehmensquote anzuheben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sind nicht so schlecht unterwegs! Wir konnten im letzten Jahr bereits 28 000 Jung­unternehmer verzeichnen. Jetzt gilt es, noch mehr Leute für diesen Weg zu interessie­ren und diese Alternative, was die Berufswahl betrifft, als interessant darzustellen. Da­zu brauchen wir natürlich ein System, das möglichst wenig Hürden in der Administrati­on enthält.

Deshalb ist es für uns auch so wichtig, wenn gerade von Ihrer Seite solche Wege be­schritten werden. Ich freue mich, dass wir heute einen Punkt gefunden haben, in dem wir einer Meinung sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit will ich die werten Kolleginnen und Kollegen nicht überstrapazieren. Ich rege einfach die Opposition dazu an, dem Budgetbegleitge­setz zuzustimmen, in das diese Thematik bereits eingeflossen ist. Unsere Türen sind offen, und damit können wir gemeinsam einen Beitrag dazu leisten, dass diese Hürde in der Administration abgebaut wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.45

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


20.46

Abgeordneter Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorredner haben zu diesem Tagesordnungspunkt schon alles gesagt. Ich freue mich über den konstruktiven Beitrag des Kollegen Matz­netter, der im Ausschuss schon Konstruktivität gezeigt hat. Das war für mich einiger­maßen überraschend, wenngleich ich natürlich schon anmerken möchte, dass es doch sonderbar ist, dass ein Antrag nur dann zustande kommt, wenn es ein entsprechendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gibt.


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Meine Vorrednerin hat schon angemerkt, dass dieser Punkt, den Sie heute angeregt haben, im Budgetbegleitgesetz berücksichtigt und geregelt ist, und zwar in allen Ein­zelheiten, die der Verwaltungsgerichtshof festgestellt hat. Ich hoffe, dass es künftig nicht Erkenntnisse des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes braucht, damit wir von Ihnen einen Antrag erhalten.

Ich hoffe also, dass diese Konstruktivität anhält und vielleicht auch Ihre Kreativität, die Sie in den Ausschüssen durchaus gezeigt haben. Herr Kollege Matznetter! Vielleicht können Sie sie in die Pensionssicherungsreform einfließen lassen, die wir heute aus­giebigst diskutiert haben. (Abg. Broukal: Wir machen ... Vorschläge!)

Wir haben Ihren Antrag in das Budgetbegleitgesetz eingearbeitet, und er ist somit voll­inhaltlich angenommen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.47

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Die Restredezeit der grünen Fraktion beträgt 14 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Fekter: Alle waren bisher dafür! Kogler, sind Sie dagegen?)

 


20.48

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Eine spürbare Drohung: ein Raunen geht durch die Menge! Es wäre alles schon so harmonisch gewesen, wenn mich der Vorredner nicht fast noch einmal verwirrt hätte. Soll man das jetzt dem Kollegen Matz­netter vorwerfen, dass er auf Grund einer Sache aktiv wird, die es dann zumindest auch notwendig gemacht hat, dass etwas passiert? – Das Ministerium konnte offen­sichtlich mit diesem Umstand ganz gut leben. Da wurde herumgedoktert, und witziger­weise war da nichts von „speed kills“ zu sehen. – Das würde mir dazu noch einfallen, die Sache ist ja ansonsten völlig erklärt und klar.

Selbstverständlich sollte man das durchaus auch im Sinne der kleineren Unterneh­mungen und der Jungunternehmen und wohl überhaupt im Sinne der Gleichstellung hier so handhaben. Auffällig ist nur – ich habe mir das jetzt noch einmal angeschaut –, dass möglicherweise das ganze Schlamassel ursprünglich durch einen Redaktions­fehler ausgelöst wurde. Umso eigenartiger ist es daher, dass dann tatsächlich so lan­ge gewartet werden musste, bis etwas geschieht.

Das können Sie aber meines Erachtens nicht dem Kollegen Matznetter vorwerfen. Wenn jetzt alles auch in den Budgetbegleitgesetzen geregelt ist – ich muss Ihnen ehr­lich sagen, ich habe es noch nicht überprüft –, dann soll es natürlich allen recht sein. Dann bleibt nur der Nachgeschmack, dass eigentlich ein Redaktionsfehler dazu ver­wendet wurde, diese Sache hier so auszureizen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Sie stimmen zu? Der Kogler stimmt dem Budgetbegleitgesetz zu!)

20.49

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Der Antrag 92/A des Kollegen Matznetter wird dem Finanzausschuss zugewiesen.

Damit ist auch diese erste Lesung abgeschlossen.

Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zur Verhandlung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Cap, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersu­chungsausschusses betreffend den Ankauf von Kampfflugzeugen sowie


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des Antrages der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu dem im Wesentlichen gleichlautenden Thema.

Es wurde ohne Präjudiz Übereinstimmung darüber erzielt, dass die beiden Debatten unter einem durchgeführt werden.

Ich werde so vorgehen.

Der Antrag des Abgeordneten Dr. Cap enthält jene Untersuchungsgegenstände, die Sie dem schriftlich vorliegenden Antrag entnehmen können.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Kräuter, Gaál, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 GOG betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsauschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis V: 5, S: 4, F: 1 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung der Vorwürfe möglicher Geldflüsse, „nützlicher Aufwendungen“ und Mani­pulationen des Vergabeverfahrens im Zuge der Beschaffung von Kampfflugzeugen für das österreichische Bundesheer seit April 2001;

Aufklärung von Einflussnahmen auf Entscheidungsträger und Spitzenrepräsentanten der Regierungsparteien in der XXI. und XXII. Gesetzgebungsperiode im gegenständli­chen Vergabeverfahren;

Aufklärung des Vorwurfs der Verfolgung von „wirtschaftlichen (Eigen-) interessen“ von politischen Parteien und persönlichen Interessen von Regierungsmitgliedern im Zuge der gegenständlichen Vergabe;

Aufklärung darüber, ob es im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt – bedingt durch die Verfolgung „wirtschaftlicher (Eigen-)interessen“ oder Manipulationen durch Ent­scheidungsträger im Vergabeverfahren – zu Nachteilen für die österreichischen Steu­erzahlerInnen gekommen ist;

Aufklärung über die tatsächlich durch die betroffenen Minister abgeschlossenen Ver­träge bzw. Vorverträge sowie Rücktrittsmöglichkeiten und Schadenersatzfolgen aus diesen Vereinbarungen;

Aufklärung über die Vorgänge rund um die Ministerratsentscheidung am 2. Juli 2002 hinsichtlich der Meinungsbildung von Bundesminister Grasser, Bundesminister Scheib­ner und Bundeskanzler Schüssel;

Aufklärung der Rechtsfrage, ob durch den Abschluss von Gegengeschäften im Zuge des Ankaufs von Kriegsgerät gegen das Diskriminierungsverbot und das Prinzip der Warenverkehrsfreiheit des europäischen Rechts verstoßen wird;

Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit den genannten Sachverhalten.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bun­deskanzleramtes, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeriums für


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Landesverteidigung, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und anderer Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten überprüfen.

Begründung:

Die jüngsten Erkenntnisse über die Vorgänge im Ministerrat am 2. Juli 2002 und den bezughabenden Vorbesprechungen sowie europarechtliche Gutachten und die Erklä­rungen von Verteidigungsminister Platter im Zuge parlamentarischer Debatten unter­mauern – neben den massiven Vorwürfen durch Dr. Haider – den Verdacht von Unre­gelmäßigkeiten und Manipulationen im Rahmen der kostenintensivsten Vergabeent­scheidung der 2. Republik:

Der Rechnungshof kritisierte die äußerst hohe Vorbelastung im Landesverteidigungs­budget. Die Vorgangsweise der Bundesregierung, die eine Beschaffung mit extremen Kosten vornimmt, ohne einen plausiblen Finanzierungsplan zu erarbeiten, ist verant­wortungslos. Es gibt diesbezüglich keine Beschlüsse des Nationalrates, die eine solche budgetäre Belastung genehmigen. Allein der Ankauf des Kriegsgerätes wird 2 Milliar­den Euro an Kosten verursachen, weiters ist völlig unklar, mit welchen Folge­kosten für Wartung, Instandhaltung und Betrieb zu rechnen ist.

Mit 27. Juni 2002 wurde durch die SPÖ-Fraktion ein Verlangen eingebracht, den Stän­digen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses mit der Prüfung der Gebarung des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeri­ums für Landesverteidigung sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit hinsichtlich des Vorganges: Beschaffung von Abfangjägern (Vergabeentscheidung, Finanzierung, Vertragsgestaltung und Bewertung der Kompensationsgeschäfte) zu befassen. Bedingt durch die Untätigkeit der Regierungsparteien und letztlich dem Scheitern der schwarz-blauen Regierung wurden durch diesen Ausschuss keine inhalt­lichen Problemstellungen kontrolliert. Ein Antrag der SPÖ-Fraktion auf Permanenter­klärung dieses Ausschusses wurde am 20. September 2002 von den Regierungspar­teien abgelehnt.

Noch am 24. April 2002 stellte der Beschaffungsexperte im Verteidigungsministerium, Herbert Wagner, fest, dass „das europäische Eurofighter-Konsortium mangels einer Zwischenlösung im ersten Angebot eigentlich aus dem Wettbewerb ausgeschieden werden müsste“.

Grundsätzlich wurde durch das BMLV ein Vergabeverfahren gewählt (freihändige Ver­gabe im Wettbewerb), wonach zuerst aufgrund von Wettbewerbsqualifikationen (fest­gestellt durch eine Bewertungskommission) ein Bestbieter ermittelt wurde und in einer zweiten Phase ausschließlich mit diesem Bestbieter über die Beschaffungskosten ver­handelt wurde. Es ist festzuhalten, dass dieses Verfahren für eine Preisreduktion als absolut untauglich erscheint.

Ebenso unverständlich ist der Umstand, dass durch Bundesminister Platter im Zuge der Sitzung des Rechnungshofausschusses am 23. Mai 2003 festgestellt wurde, dass durch die Bewertungskommission in der ersten Phase des Vergabeverfahrens in keiner Weise die Höhe der entstehenden Betriebskosten geprüft wurde.

Nunmehr liegen drei Rechtsgutachten über die Zulässigkeit des Vergabeverfahrens vor, wobei das Rechtsgutachten von Prof. Aicher davon ausgeht, dass eine Ungleich­behandlung der Mitbieter dann nicht ausgeschlossen werden kann, wenn EADS bei geringerer Bestellmenge den Einzelstückpreis in einem Ausmaß erhöht, das zu einer Umkehr der Bieterreihung führen würde.


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Eine Einsichtsbemerkung des Leiters der Gruppe Feldzeug-/Luftzeugwesen im BMLV vom 25. Juni 2002 lautete wie folgt: „Zufolge der festgestellten annähernden Gleich­wertigkeit der Angebote und der gegebenen Erfüllung der Anforderungen für die Luft­raumüberwachung in Österreich wird vorgeschlagen, dem Produkt mit den geringeren Anschaffungs- und Betriebskosten, also dem GRIPEN von SAAB/Bae, den Vorzug zu geben“. Dieser Einsichtsbemerkung schlossen sich der Leiter der Beschaffungsabtei­lung und der Generaltruppeninspektor in vollem Umfange an.

Finanzminister Karl-Heinz Grasser lehnte noch am 25.6.2002 den Ankauf von (wört­lich) Kriegsgerät ab, beugte sich aber den Spitzen der Regierung und der Parlaments­klubs mit den Worten „ich versuche daher, die beste einer nicht so guten Lösung mit auszuarbeiten“. Die „beste einer nicht so guten Lösung“ bestand in der Entscheidung für den Abfangjäger „Eurofighter“, das teuerste und bisher nur als Prototyp in Verwen­dung stehende Kriegsgerät.

„Der Preisunterschied zwischen Gripen- und Eurofighter macht nur 3 Prozent oder 75 Millionen Euro aus“, verteidigte Grasser diese Entscheidung („Neue Kronen-Zei­tung“ vom 4.7.2002).

Laut Verteidigungsminister Scheibner sollte die Lücke zwischen dem Auslauftermin der Draken, spätestens 2005, und dem Liefertermin der Eurofighter, ab 2007, durch die Anmietung deutscher Eurofighter geschlossen werden. Eine entsprechende Ersatzlö­sung sei auch im EADS-Angebot vorgesehen.

Minister Herbert Scheibner beabsichtigte noch in den Vorbesprechungen des Minister­rates den Abfangjäger Gripen zu favorisieren. Aus einem Vorentwurf (Punkt 5) ergibt sich nachfolgender Inhalt: „Nachdem mir am 25. Juni 2002 die Unterlagen über die militärische Bewertung vorgelegt wurden, beabsichtige ich, die Typenentscheidung nach Kenntnisnahme durch die Bundesregierung zugunsten der von der Firma SAAB BAE Systems angebotenen Jas-39 Gripen zu treffen“.

Am 2. Juli 2002 beschließt der Ministerrat den Eurofighter-Ankauf und Minister Scheib­ner ändert seinen Vortrag in wenigen Sätzen ab und beabsichtigt nunmehr, „nach Empfehlung durch die Bewertungskommission, die Typenentscheidung ... zugunsten der von EADS angebotenen Eurofighter Typhoon zu treffen.“

Der PR-Auftrag in Höhe von kolportierten 850.000 Euro des EADS-Konsortiums wurde großteils vom Werbeunternehmen des Ex-FPÖ-Geschäftsführer Gernot Rumpold und dessen Frau durchgeführt. Dieser stellte gegenüber der Öffentlichkeit klar, dass „wenn man in Österreich nicht mit einem Geldkoffer auftauche, gar nichts klappe“, und ver­glich die österreichischen Strukturen mit jenen von Uganda.

Bundesminister Platter bestätigte im Zuge der Budgetberatungen, dass auch durch das BMLV PR-Aktivitäten zur Bewerbung der Abfangjäger in Höhe von 500.000 Euro ge­setzt wurden.

Begründet wurde die Entscheidung für den Eurofighter Typhoon mit dem vom EADS-Konsortium angebotenen Gegengeschäften, wobei diesbezüglich festgehalten werden muss, dass ein mit 20. Jänner 2003 datierter Zwischenbericht des Wirtschaftsministeri­ums dokumentiert, dass bisher kein einziges Gegengeschäft konkret vereinbart wurde. Um überhaupt nennenswerte Aufträge vorweisen zu können, versucht das EADS-Konsortium, Vertragsabschlüsse ab 31. Oktober 2001 als Gegengeschäfte zu deklarie­ren, sodass die Fertigung des Jeep-Grand-Cherokee-Nachfolgers zu den Kompensati­onen zählen soll.

Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der zwischen der Bundesregierung und EADS mögli­cherweise abgeschlossenen Gegengeschäften liegt ein Gutachten eines Wiener Rechtsanwaltes, einer Vergaberechtsexpertin und eines Salzburger Europarechtspro-


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fessors vor, wonach Gegengeschäfte aus dem Eurofighter-Deal gegen geltendes EU-Recht verstoßen könnten und die Republik auf Schadenersatz geklagt werden könnte.

Das durch möglicherweise entstehende Gegengeschäfte meistbegünstigte Unterneh­men, der MAGNA-Konzern, war der frühere Arbeitgeber von Finanzminister Karl-Heinz Grasser, diesem ist auch ein Rückkehrrecht zu seinem früheren Arbeitgeber einge­räumt. Auch wurde bekannt, dass der Ehegatte von Vizekanzlerin Riess-Passer, Michael Passer, einen Konsulentenvertrag mit dem MAGNA-Konzern abgeschlossen hat.

Auffällig an dem Beschaffungsvorgang ist auch, dass die Typenentscheidung immer wieder aus nicht transparenten Gründen verschoben wurde. Bekannt wurde jedoch, dass es wie bei der Beschaffung von Radargeräten der Firma Thomson zur Interventi­on gekommen ist. Bisher blieb die Tatsache unbestritten, dass sich der CSU-Kanzlerkandidat Stoiber an Bundeskanzler Schüssel gewandt hat, um für das Produkt Eurofighter zu intervenieren. Die Achse bayrische CSU und ÖVP war auch Gegen­stand einiger Untersuchungsausschussanträge betreffend eventueller Zahlungen von „nützlichen Aufwendungen“ im Zusammenhang mit der Beschaffung von militärischem Gerät, die jedoch bisher von der FPÖ/ÖVP-Mehrheit abgelehnt wurden.

Mit 17.2.2003 verlangt plötzlich der 3. Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn eine Neuausschreibung zur Beschaffung von Abfangjägern, da nach seinen Aussagen ein neues Anbot des Bieters SAAB vorliege, wonach eine Ersparnis von 700 Millionen Euro gegenüber dem EADS-Gerät erzielt werden könne. Prinzhorn dazu wörtlich: „Wenn es trotz des neuen Angebots von SAAB beim Eurofighter bleibt, dann muss es Neu­wahlen geben“.

Vollkommen unklar ist bis heute die Rechtsfrage, inwieweit sich die Republik Öster­reich, vertreten durch die betroffenen Ressortminister, bereits gegenüber dem EADS-Konsortium zum Kauf von Abfangjägern verpflichtet hat. Ebenso blieben Fragen hin­sichtlich bestehender Rücktrittsmöglichkeiten bzw. Schadenersatzfolgen eines Rücktrit­tes vom abgeschlossen (Vor)vertrag vollkommen unbeantwortet.

Die von Bundeskanzler Schüssel vorgeschlagene Wirtschaftsplattform, die eine Finan­zierung durch ein privates Konsortium vorbereiten soll, hat bisher überhaupt keine Ak­tivitäten gesetzt bzw. ist deren Existenz unklar. Zum momentanen Zeitpunkt ist die ge­samte Finanzierung der Eurofighter-Beschaffung und die einer möglichen Zwischenlö­sung nicht geregelt. Bundesminister Platter verweist auf ein noch zu beschließendes Ankaufsgesetz. Auch existieren keine Vorbelastungen ab dem Jahr 2005 für den Ab­fangjägerankauf bzw. eine Zwischenlösung. Laut Bundesminister Platter kann über eine Zwischenlösung erst ab Abschluss des Kaufvertrages über die Abfangjäger ver­handelt werden. Damit bleibt der status quo vom Oktober 2002: Es existiert keine fi­nanzielle Vorsorge für den Ankauf, ebenso finden sich nicht die geringsten Anhalts­punkte für eine Vorfinanzierung der Abfangjäger durch eine Wirtschaftsplattform.

Selbst der Chef der Sparte Militärflugzeuge des Eurofighter-Produzenten EADS, Aloy­sius Rauen, geht öffentlich davon aus, dass „nirgendwo mehr gelogen wird, als bei Ge­gengeschäften und bei Beerdigungsreden“ (Salzburger Nachrichten vom 22.7.2002).

Obwohl laut Rechnungshofpräsidenten Dr. Fiedler der Rechnungshofbericht in ca. ei­nem Monat vorliegen wird, geht Bundesminister Platter davon aus, dass er den Ver­tragsabschluss mit dem EADS-Konsortium ohne den Erkenntnissen des Rechnungs­hofberichtes vornehmen wird, dies obwohl der entsprechende Rechnungshofbericht von seinem Vorgänger, Bundesminister Scheibner, in Auftrag gegeben wurde.

Während stets das Bemühen um die kostengünstigste Lösung ausgedrückt wurde, wurde nun die mit Abstand teuerste Variante gewählt. 24 Eurofighter hätten am 2. Juli


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2002 noch 1,791 Milliarden Euro gekostet, nunmehr kosten 18 Eurofighter 1,969 Mil­liarden Euro – ohne Erhaltungs- und Betriebskosten und ohne Berücksichti­gung der Kosten für die so genannte „Zwischenlösung“ für die Jahre 2005 bis 2007, die bereits als Teil des EADS-Angebotes inkludiert war.

Vor dem Hintergrund der massiven Vorwürfe gegen Bundeskanzler Schüssel im Zuge der „Schreiber-Thomson-Affäre“ sowie den dargestellten Widersprüchen und Sachver­halten, ist die Prüfung des Vergabeverfahrens und der Vergabeentscheidung hinsicht­lich des Ankaufes von Abfangjägern sowie die entsprechenden Vertragsabschlüsse durch die betroffenen Ressortminister durch einen parlamentarischen Untersuchungs­ausschuss unumgänglich.

Durch den Rechnungshof wurde bisher ausschließlich die Ausschreibung des Abfang­jägerankaufes geprüft, eine Prüfung hinsichtlich des Vergabeverfahrens ist anhängig, mögliche Parteienfinanzierungen bzw. Geldflüsse („wirtschaftliche Interessen“) außer­halb des Ausschreibungsprozesses konnten seitens des Rechnungshofes keiner Kon­trolle unterzogen werden.

Aus all den genannten Fakten und Darstellungen ist die sofortige Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und ein sofortiger Stopp der laufenden Abfangjägerbe­schaffung geboten.

Unter einem verlangen die unterzeichneten Abgeordneten gemäss § 33 Abs. 2 GOG die Abhaltung einer kurzen Debatte über diesen Antrag.

*****

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Antrag des Abgeordneten Dr. Pilz enthält als Unter­suchungsgegenstände ebenfalls die Rechtmäßigkeit aller Abläufe und Entscheidungen innerhalb des Beschaffungsvorganges betreffend die Eurofighter, insbesondere die Verantwortung des Bundeskanzlers, Vizekanzlers, Wirtschaftsministers, Verteidi­gungsministers und insbesondere des Finanzministers einschließlich der Frage nach allfälliger Involvierung der politischen Parteien.

Auch dieser Antrag wurde schriftlich verteilt.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Pilz, Kogler, Freundinnen und Freunde auf Einsetzung eines Unter­suchungsausschusses gemäß § 33 GOG zu den Vorgängen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Eurofighter-Kampfjets

Begründung:

Bis zur Entscheidung über die Vergabe ist es zu einer Reihe aufklärungsbedürftiger Vorkommnisse gekommen.

7. Mai 2002: Das F-16-Angebot wird wegen Nichterfüllung zweier Muss-Forderungen ausgeschieden. Trotzdem wird es von Finanzminister Grasser weiter taktisch verwen­det.

Mitte Juni: Ministerialrat Wagner verfasst als Projektleiter der Bewertungskommission Abfangjäger einen Entwurf für den Endbericht. Der Entwurf mit dem Titel „Ergebnisbe­richt“ enthält einige Punkte, die sich im Endbericht nicht mehr finden.


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Kritische Feststellungen zu Eurofighter/Typhoon („keine Truppenreife“, „Kinderkrank­heiten“, „Verfügbarkeitseinbußen“).

Bei der „Gesamtaufwandsbetrachtung“ werden neben den Anschaffungskosten die Kosten für den 30-jährigen Betrieb aufgeführt. Im Endbericht entfällt die Gesamtauf­wandsbetrachtung. Die Betriebskosten werden ausgeklammert. Sie betragen beim Eurofighter mehr als das Doppelte vom Gripen. Damit kann der Eindruck erweckt wer­den, beim Eurofighter handle es sich um ein technisch und wirtschaftlich gleichwertiges Angebot.

24./25. Juni: Die „Bewertungskommission Abfangjäger“ legt ihren Endbericht vor. In einer Abstimmung, die gegen den Willen des Vorsitzenden Brig. Katter um ein Uhr Früh durchgeführt wird, stimmen vier von fünf Mitgliedern für den Eurofighter (Wolf, Kommandant der Luftstreitkräfte, Luttenberger, G3 im Kommando Luftstreitkräfte, Knoll, Abteilungsleiter Materialstab Luftstreitkräfte, Blind, Einkauf dafür. Hofer, Abtei­lungsleiter Luftzeugwesen/Logistik dagegen. Divisionär Spinka, der Leiter der Gruppe Feldzeug-/Luftzeugwesen, spricht sich auf Grund der „geringeren Anschaffungs- und Betriebskosten“ für Gripen aus; mit ihm seine Vorgesetzten General Corrieri und Gene­raltruppeninspektor Pleiner.

Verteidigungsminister Scheibner wollte, dass der Endbericht möglichst knapp vor dem Ministerrat verfasst wird.

25. Juni: Ministerratsvorbesprechung. Scheibner berichtet und will Entscheidung für Gripen treffen. Scheibner legt dazu einen unterschriebenen Antrag vor. 24 Gripen sol­len 1 580 070 000 € kosten. Grasser erhebt Einwände: Es fehlten Zahlen, er brauche noch Informationen betreffs der Finanzierungsvarianten. Die Entscheidung wird um eine Woche vertagt. Grasser bekommt alle Unterlagen. Nach dem Ministerrat erklärt Grasser: „Es wird eine intensive Woche für Herbert Scheibner und mich“.

28. Juni: MR Wagner verfasst einen einseitigen Bericht an Scheibners Kabinettchef Brigadier Kommenda. Darin kritisiert er die „erzwungene Vergabeempfehlung“, be­fürchtet, dass beim Eurofighter die Luftraumüberwachung „in den kommenden 10 Jah­ren .... schwerstens beeinträchtigt“ sei und spricht sich für Gripen aus

1. Juli: Am Abend treffen sich im Büro des Verteidigungsministers Scheibner, Wirt­schaftsminister Bartenstein, Grasser und Mitarbeiter, um eine Lösung zu finden. Scheibner bleibt beim Gripen. Grasser ist dagegen.

2. Juli: In der Vorbesprechung zum Ministerrat spricht sich Grasser für das F-16-Ange­bot aus, obwohl er weiß, dass es bereits vor fast zwei Monaten ausgeschieden wurde. Scheibner plädiert für Gripen. Grasser legt gegen Gripen sein Veto ein. Den Vorschlag, der Ministerrat solle die Gripen in Grassers Abwesenheit beschließen, lehnt Schüssel ab. Der Ministerrat beschließt daraufhin den Kauf von 24 Eurofightern. Die Kosten für 24 Flugzeuge betragen jetzt 1 791 089 000 €. 24 Anfangjäger sind damit binnen einer Woche um 211 Millionen € teurer geworden. In einer eigenen Passage verpflichtet sich der Finanzminister, die Mehrkosten bei den Betriebskosten zu über­nehmen. Grasser hat sich um jeden Preis durchgesetzt.

Ein Jahr taktischer Manöver hat sich gelohnt. Die „Stronach-Fighter“ haben als Teuers­te die Konkurrenz gewonnen – dank eines Finanzministers, der nichts als sparen woll­te. Genau dazu braucht der Nationalrat den Untersuchungsausschuss: Er soll klären, warum Schüssel und Grasser bereit sind, alles zu tun, um die teuersten Kampfflugzeu­ge zu kaufen.

Der Rechnungshof hat in mehreren Berichten regelmäßig schwerwiegende und kost­spielige Mängel bei der Planung und Durchführung von Rüstungsbeschaffungen des Bundesheeres aufgezeigt. Mit der drohenden Beschaffung von 18 Eurofighter-Kampf-


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jets wird eine neue Kostendimension unter vergaberechtlich höchst aufklärungs­bedürf­tigen Umständen bei einem Rüstungsprojekt erreicht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgender Gegenstände wird ein Untersuchungsausschuss einge­setzt:

1. Untersuchung der Rechtsmäßigkeit aller Abläufe und Entscheidungen innerhalb des Beschaffungsvorganges betreffend die Eurofighter-Kampfjets.

2. Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten der ange­führten Bundesministerien, Parteien, Organisationen und Firmen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten überprüfen.

Dabei sind insbesondere folgende VerantwortungsträgerInnen und Institutionen be­sonders in die Überprüfung einzubinden:

Involvierung und Verantwortung von Bundeskanzler Dr. Schüssel, VizekanzlerInnen (Riess-Passer und Haupt), Wirtschaft (Bartenstein) und Landesverteidigung (Scheibner und Plattner), deren Kabinette und der von ihnen geleiteten Ministerien im Zuge des gesamten Beschaffungsvorganges zur Anschaffung der Kampfflugzeuge.

Die Schlüsselrolle von Finanzminister Grasser und seine Verbindung zu involvierten Unternehmen und Vermittlern.

Involvierung der Landeshauptleute im Rahmen des gesamten Beschaffungsvorganges, insbesondere im Zusammenhang mit den so genannten Kompensationsgeschäften.

Involvierung der politischen Parteien in Österreich.

Involvierung von parteinahem Organisationen und Vorfeldorganisationen.

Involvierung von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung.

Involvierung von parteinahen Firmen, insbesondere die von EADS beauftragte PR-Agentur für das Eurofighter-Lobbying „100 Prozent Communications“, und deren Ge­schäftsführung.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis 5 ÖVP, 4 SPÖ, 1 FPÖ, 1 Grüne einzusetzen.

In formeller Hinsicht verlangen die unterfertigten Abgeordneten die Durchführung einer Debatte über diesen Antrag.

*****

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum ersten Antrag erhält Herr Abgeordneter Dr. Kräuter das Wort. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


20.50

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident Khol! Je später der Abend, desto größer das Taferl. (Der Redner hält eine Tafel mit der Abbildung eines Eurofighters und der


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Aufschrift „5 Milliarden Euro“ in die Höhe.) Das ist vielleicht eine gute Gelegenheit, sich das eine oder andere einzuprägen.

Zuerst möchte ich Ihnen einmal die Wirtschaftsplattform des Bundeskanzlers Schüssel vorstellen, im Rahmen welcher er dick aufträgt und sagt, dass die Unternehmen, ver­schiedene Betriebe und Privatpersonen bereit sind, für die österreichische Bevölkerung diese Abfangjäger zu finanzieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie sich diese Tafel nur in aller Ruhe an, meine Damen und Herren! Die Wahrheit schaut nämlich so aus: Es sind insgesamt letztlich 5 Milliarden €, die der Steuerzahler zu berappen hat. (Abg. Neudeck: Halten Sie sich die Tafel vors Gesicht!) Zuerst haben Sie von 1,6 Milliarden und dann von 1,9 Milliarden gesprochen. Insge­samt, meine Damen und Herren, werden es letztendlich aber 5 Milliarden € sein! (Zwi­schenruf des Abg. Neudeck.)

Meine Damen und Herren! Niemand kann Sie zwingen, die Wahrheit zu sagen, aber wir können Sie zwingen, immer offensichtlicher die Unwahrheit zu sagen. Zum Beispiel zieht Minister Platter durch die Lande und sagt: Wir haben zwei Standorte für die Ab­fangjäger, nämlich Graz und Zeltweg. – Das ist völlig unmöglich, denn es gibt nur einen einzigen Reparaturansatz, eine Voraussetzung für einen Standort! Im Übrigen können Sie die ganze Ausschreibung vergessen, Kollege Scheibner!

Oder: Herr Wirtschaftsminister Bartenstein gaukelt der Bevölkerung seit Wochen Milli­arden an Kompensationsgeschäften vor. – Unglaublich! EU-rechtlich ist längst klar, dass diese Sache höchst umstritten ist! So sagt etwa Daimler-Chrysler-Chef Jür­gen Schrempp, dass er sich verbittet, dass man die 400 Millionen aus einem steiri­schen Autogeschäft im Vorjahr den Kompensationsgeschäften zurechnet.

Betreffend „Eurofighter“ ist in den Salzburger Nachrichten am 22. Juli 2002 nachzule­sen: „Nirgends wird so gelogen, wie bei Beerdigungen und bei Kompensationsgeschäf­ten.“ – Salzburger Nachrichten, 22. Juli 2002. (Abg. Dr. Khol: Vor der Wahl und nach der Jagd!)

Apropos „vor der Wahl“: Herr Präsident Khol! Wer hat denn hier offensichtlich noch die Unwahrheit gesagt? – Bundeskanzler Schüssel! Er hat von dieser Plattform gespro­chen, und Rechnungshofpräsident Fiedler sagt: Weit und breit ist auch nicht die Spur einer Plattform erkennbar!

Wer sagt noch offensichtlich die Unwahrheit, meine Damen und Herren? – Etwa Vize­kanzler Haupt, aber das ist bei ihm ja fast Tagesgeschäft, das möchte ich schon dazu sagen. Jedenfalls hat er aber laut „profil“ in aller Klarheit gesagt: „Zuerst wird der Rech­nungshofbericht abgewartet, und dann wird die Entscheidung fallen.“

Oder sagt auch Exminister Scheibner, heute Klubobmann, eventuell die Unwahrheit? Am 25. Juni hat er gemeint: Die Bewertungskommission hat entschieden. Es ist der Gripen. – Am 2. Juli hat er gesagt: Die Bewertungskommission hat entschieden: Es ist der Eurofighter. (Zwischenruf des Abg. Neudeck.)

Meine Damen und Herren! Wer sagt hier noch offensichtlich die Unwahrheit? – Der „Schon-wieder-wieder-da“-FPÖ-Obmann Haider! Er hat bereits zwei Mal die Abfangjä­ger gestoppt: Einmal im Vorjahr per Plakat, und gestern hat er in der Kärntner Landes­regierung eine Resolution gegen die Abfangjäger gestoppt. – Diese Grätsche muss ihm jemand einmal nachmachen! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Gibt es jemanden, der hier auch die Wahrheit zu diesem ganzen Deal sagt? – Vielleicht Bundesrat Gudenus! Der spricht ganz offen von Korrup­tion, und er ist Bundesheeroffizier und Bundesrat! (Zwischenruf des Abg. Neudeck.) Oder etwa der Finanz- und Budgetsprecher der FPÖ, meine Damen und Herren, der


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Dritte Präsident des Nationalrates! Er spricht von „Wählertäuschung“ und sagt, da muss neu ausgeschrieben werden!

Auch gewisse Akteure, die eher das Licht der Öffentlichkeit scheuen, sprechen dar­über, etwa Herr Rumpold: Er spricht von „Ugandastrukturen“ und von „Geldkoffern“.

Meine Damen und Herren! Kollege Scheibner wird das später noch behandeln. Die blau-schwarze Bundesregierung hat den Rechnungshof beauftragt, hier Untersuchun­gen durchzuführen. Was aber macht die schwarz-blaue Bundesregierung, die nun im Amt ist? – Sie vermeidet tunlichst, dass der Rechnungshofbericht zeitgerecht auf den Tisch kommt!

Meine Damen und Herren! Warum wird hier der Rechnungshof ausgetrickst? (Abg. Scheibner: Er wurde überhaupt nicht ausgetrickst!) Herr Kollege Scheibner! Ich bitte Sie, zu dieser Frage heute hier einmal konkret Stellung zu nehmen!

Cui bono?, das ist die ganz große Frage bei diesen Dingen, meine Damen und Herren. Sie haben das angerichtet! (Der Redner verweist auf die Tafel.) Das haben Sie von der FPÖ und von der ÖVP zu verantworten! Wer die Rechnung für diese Anschaffung bezahlt, das ist längst klar, nämlich der Steuerzahler. Und jetzt, Kollege Scheibner, geht es darum, wer hier fürstlich bewirtet wird. Und das werden wir untersuchen! (Bei­fall bei der SPÖ.)

20.56

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz. Die Re­dezeit für die Begründung beträgt maximal 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Rasinger: Pilz ohne Tafel?)

 


20.56

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die derzeit vorliegenden Fakten sind gut bekannt und den hier im Haus Betroffenen – das sind leider gar nicht wenige – sogar bestens bekannt. Ich werde sie daher nur sehr kursorisch wiederholen.

Was wir derzeit wissen, und das ist noch lange nicht genug, ist, dass sich nach einem langen Ausschreibungsvorgang in einer Bewertungskommission des Verteidigungs-ministeriums Beamte im Verhältnis von vier zu eins bei der Abfassung eines Endbe­richtes für den Eurofighter ausgesprochen haben, dass in einer weiteren Bewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses alle Dienstvorgesetzten in den darauf folgenden Stunden am Morgen vor dem Ministerrat am 25. Juni 2002 diese Entscheidung zu Gunsten des schwedischen Produktes korrigiert haben und dass der damalige Vertei­digungsminister Herbert Scheibner, der jetzige Klubobmann der Freiheitlichen Partei, dann mit einem Vortrag und mit einer persönlichen Meinung zu Gunsten des schwedi­schen Produktes in den Ministerrat gegangen ist.

Er ist in die Ministerratsvorbesprechung gegangen – um möglichst korrekt zu sein –, und es hat in der Bundesregierung dann unterschiedliche Meinungen gegeben.

Bis dahin kann man sagen: Es ist noch nichts wirklich Untersuchenswertes, dass sich eher technisch orientierte Militärs an der Basis für ein bestimmtes Produkt ausspre­chen und dass man sich dann weiter oben aus wirtschaftlichen Gründen gerade in Zei­ten eines Sparkurses für das billigere Produkt entscheidet. – Das kann sein, das kann eine Bundesregierung so beschließen, und das kann eine Opposition kritisieren.

Das Erstaunliche und bis heute nicht Geklärte – und das ist nur der derzeit wichtigste Punkt von vielen aufklärungsbedürftigen Punkten und vielen offenen Fragen – ist die Frage: Was hat der Finanzminister dann getan? Warum geht ein Finanzminister her


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und sagt: Nein, das, was die höchsten Militärs der Republik vorschlagen, ist mir nicht gut genug, da muss etwas Besseres her!

Wird der gleiche Finanzminister vielleicht das nächste Mal sagen, nachdem der Ge­sundheitsminister vorgeschlagen hat, die kostengünstigsten Röntgenapparate zu kau­fen: Nein! Da gibt es noch bessere und teurere, ich als Finanzminister sage: Es muss wieder das Teuerste gekauft werden!?

Welches sind die Motive eines Finanzministers, gegen den Vorschlag der höchsten Beamten des Verteidigungsministeriums und auch des Verteidigungsministers selbst, in der Ministerratsvorbesprechung ein anderes, wesentlich teureres Produkt zu forcie­ren?

Dann hat es eine Woche gegeben, zu dieser Woche hätten wir sehr viele Fragen zu stellen, und eine Woche später wurde entschieden: Eurofighter. Seitdem häufen sich die offenen Fragen. Dahinter bleibt immer eine große Frage, und die lautet: Warum hat der Finanzminister auf Biegen und Brechen gekämpft, damit das Produkt kommt, ge­gen das der Finanzminister eigentlich am vehementesten kämpfen hätte müssen, weil es nicht nur militärisch ein wahrscheinlich in jeder Hinsicht oder in fast jeder Hinsicht nicht notwendiges, sondern das mit Abstand teuerste war? Warum hat ein Finanz­minister so gekämpft, um die größte Verschwendung im Rahmen der größten Einzel­investition der Zweiten Republik auf Bundesebene durchzusetzen?

Wir wissen die Antwort nicht. Ich glaube auch nicht, dass wir primär österreichische Strafgerichte bemühen sollen, weil es nicht von vornherein klar ist, dass es sich um ein strafbares Verhalten handelt, sondern das bewegt sich in diesem Bereich, wo wir wis­sen, dass politisch etwas äußerst Fragwürdiges geschehen ist, das nur in einem Gre­mium geklärt werden kann, und das ist ein parlamentarischer Untersuchungsaus­schuss. (Beifall bei den Grünen.)

Es kann sein – und da bin ich durchaus bereit, dann, wenn es sinnvoll erscheint, einige Vorschläge aus den Reihen der Österreichischen Volkspartei aufzugreifen –, dass sich im Rahmen der Arbeit eines Untersuchungsausschusses Hinweise auf strafbare Hand­lungen von wem auch immer ergeben. Ja, bitte, dann muss der Nationalrat das selbst­verständlich an ordentliche Gerichte weitergeben. Aber eines kann niemand im Natio­nalrat heute behaupten: Wenn es derartige Fragen gibt, dann ab an die Gerichte – wir entledigen uns der politischen Kontrolle und sagen, die Justiz soll das für uns erledi­gen! – So geht das mit Sicherheit nicht. Nein, das sind große offene politische Fragen!

Wenn dies nicht reicht, dann kündige ich an, wir werden morgen im Rahmen des Bud­getausschusses neue Akten vorlegen, neue Fragen stellen, neue Fragen insbesondere an den Finanzminister stellen, den ich auch hier schon herzlich einlade, den Termin im Budgetausschuss unbedingt wahrzunehmen, um die Fragen, die er schon einige Male nicht beantwortet hat, endlich beantworten zu können.

Aber – und ich wiederhole – wir brauchen diesen Untersuchungsausschuss, weil wie selten in einer Ausgabe dieser Größenordnung hier so etwas wie der gar nicht mehr Geruch, sondern schon fast die Gewissheit politischer und geschäftlicher Schiebung in der Luft liegt. Wir untersuchen den konkreten Verdacht auf Schiebung, und es ist kein kleiner Vorwurf (Ruf bei der ÖVP: Na eh nicht!), wenn der Finanzminister, mit dem wir täglich und jetzt in den Budgetverhandlungen konfrontiert sind, nicht nur von mir, son­dern zumindest auch von den Kolleginnen und Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion der Schiebung verdächtigt wird.

Wenn Sie wollen, dass wir das aufklären, dann glauben Sie bitte nicht, dass das ir­gendwo anders geht als in einem Untersuchungsausschuss. Und wenn Sie glauben, dass Sie eine Aufklärung verhindern können, dann glauben Sie nicht, dass mit einem


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Mehrheitsbeschluss über das Budgetbegleitgesetz nächsten Dienstag oder Mittwoch die Causa erledigt ist! Sie wird nicht erledigt sein. Sie können auch im Budgetbegleit­gesetz den Kauf der Eurofighter beschließen. Das wird für uns kein Grund sein, mit unserer Arbeit als kontrollierende Opposition aufzuhören. (Abg. Neudeck: Hat auch niemand erwartet!) Ich habe es schon einige Male erlebt, dass Regierungen geglaubt haben, durch Beschlüsse, Beharrungsbeschlüsse und weitere Beschlüsse irgendetwas durchbringen zu können, was nicht nur in den Augen der Öffentlichkeit so nicht mehr zu machen war. Wenn Sie den Schaden auch für sich politisch in Grenzen halten wol­len, dann wird Ihnen über kurz oder lang keine andere Möglichkeit übrig bleiben, als mit uns gemeinsam diesen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzurichten.

Ich sage Ihnen nur eines aus der Erfahrung, die schon lange zurückliegt, denn die Zeit ist schon lange her, dass Mehrheitsfraktionen diesem Haus die Möglichkeit einer or­dentlichen parlamentarischen Untersuchung gewährt haben: Wenn hier parlamenta­risch untersucht worden ist, dann, muss ich sagen, haben sich diese Verfahren be­währt. Die Untersuchungsausschüsse in diesem Haus, die zu großen Teilen mit Stim­men der Österreichischen Volkspartei beschlossen worden sind, waren nicht primär Untersuchungsausschüsse gegen die damals größte Partei, die SPÖ, sondern Unter­suchungsausschüsse, die auch im Sinne des österreichischen Nationalrates zum Teil ganz Erstaunliches geleistet haben. Vieles, was es vorher an Unkultur eher außerhalb dieses Hauses gegeben hat, ist durch die Arbeit von Untersuchungsausschüssen auf­geklärt und zum Teil auch beseitigt worden.

Ich glaube, dass es gerade im Bereich des militärischen Beschaffungswesens höchst an der Zeit ist, mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss einen ähnlichen Prozess gerade im Militärischen zu ermöglichen. Das ist der Grund – jetzt jenseits aller Mehrheits- und Minderheitsverhältnisse –, warum ich dringend an Sie appelliere, die­sem parlamentarischen Untersuchungsausschuss rechtzeitig zuzustimmen, vor etwai­gen Beschlüssen nächste Woche zuzustimmen, um zu verhindern, dass der Schaden in der Öffentlichkeit in dieser Causa zu groß wird. Sie werden uns nicht daran hindern, diesen Fall, so gut es geht, im Rahmen des österreichischen Nationalrates aufzuklä­ren. (Beifall bei den Grünen.)

21.06

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Murauer. Re­dezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


21.06

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In der Filmproduktion würde es heißen: Abfangjäger, die 137. Klappe. Wir erzählen einander wieder all jenes, weil wir, die Regierungsparteien, davon überzeugt sind, dass wir die Abfangjäger brauchen, weil wir wissen, dass alles rechtens gemacht wurde, und weil Sie gegen die Abfangjäger, gegen die Sicherheit sind. So ist es heute, und morgen wird im Ausschuss wieder Ähnliches stattfinden.

Eine Hürde haben wir, glaube ich, genommen, da sind wir uns einig. Die Vorwürfe werden jetzt nicht mehr wegen der Luftraumüberwachung und wegen der Beschaffung von Abfangjägern erhoben, mit dem Hinweis, dass wir auch der Verfassung Rechnung tragen müssen, sondern die Vorwürfe sind jetzt eine oder zwei Stufen tiefer. Man spricht von Schiebung, Korruption, Manipulation, weil das in diesem Zusammenhang natürlich entsprechend negative Stimmung macht. Und wenn Herr Kräutner heraus­kommt (Rufe bei der SPÖ: Kräuter!), wenn Herr Kräutner herauskommt (Heiterkeit), wenn Herr Kräutner mit dem Taferl herauskommt (weitere Rufe: Kräuter!), wenn Herr Kräuter mit dem Taferl herauskommt (Beifall bei der ÖVP), dann mag es noch so groß


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sein, aus der Größe lässt sich die Richtigkeit allerdings nicht ableiten. Das hat Ihr Ta­ferl bewiesen, lieber Herr Kollege.

Vom Kollegen Pilz sind wir gewohnt, dass er sagt: Und morgen gibt es neue Unterla­gen und neue Beweise, und hier habe ich noch einen (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), hier steht es, sehen Sie, einen neuen Beweis, und Sie werden noch se­hen, dass ich diese Unterlagen vorlegen werde, die alle überraschen werden! – Bis jetzt war mit den Zetteln nicht viel, Herr Kollege Pilz, außer dass Sie immer deuten und sagen, es handelt sich um geheime Dinge und Ihnen hat man und so weiter. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun, meine Damen und Herren, das Schlimme an diesem neuerlichen Vorstoß gegen die Beschaffung von Abfangjägern oder Luftraumüberwachungsflugzeugen ist, dass Sie jetzt dazu übergehen, pauschal und nicht konkret zu sagen, wer wann wo was ge­macht hat, sondern Sie sagen, jemand hat gesagt, und wir verdächtigen grundsätzlich pauschal, und zwar jene, die politisch verantwortlich sind. Das ist Minister Scheibner gewesen, der hat schon – Verdacht einmal grundsätzlich, irgendetwas wird schon hän­gen bleiben –, und dann Minister Plattner. Selbstverständlich, Minister Platter hat auch. Und Grasser hat vorher gesagt und nachher das Gegenteil, und Bartenstein mit den Gegengeschäften. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sagen: Da ist überhaupt das Übelste aller Zeiten passiert! Diese Gegengeschäfte können nicht zu Stande kommen, das kann nicht sein. – Wir haben aber in der Ver­gangenheit gesehen, dass das üblich und in Europa durchaus eine gegebene Sache ist, dass es bei solchen Beschaffungen Gegengeschäfte gibt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger.) – Auch wenn Sie es nicht glauben, Frau Kollegin Lichtelberger (Heiterkeit), es ist so (Beifall bei der ÖVP): Gegengeschäfte sind eine übliche Angele­genheit bei der Beschaffung von diesbezüglichen Materialien.

Meine Damen und Herren! In sage Ihnen hier in allem Ernst: Eine 33-köpfige Kommis­sion hat darüber entschieden. Diese Kommission hat darüber befunden, dass sie im Rahmen ihrer Unterkommission eine Bewertung über die Bereiche Operation, Flugbe­trieb, Technik, Logistik und Kommerzielles durchgeführt hat, und die Entscheidung ist klar mit 4 : 1 – ich hoffe, dass dies auch in den Grundrechnungsarten mitzuvollziehen ist – für den Eurofighter ausgefallen.

Die Bundesregierung hat sich nach dem gerichtet, und wir lehnen selbstverständlich den Untersuchungsausschuss ab. Ich darf mich Minister Platter anschließen, der ge­meint hat: Wenn Sie tatsächlich Argumente haben, wenn Sie tatsächlich Beweise auf den Tisch legen können, dann gehen Sie zur Staatsanwaltschaft! Allgemeine Verdäch­tigungen, meine Damen und Herren, gibt es mit uns nicht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.12

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

 


21.12

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Herr Kollege Mürzauer beziehungsweise Murauer! (Allgemeine Heiterkeit.) Wir sind nicht gegen die Sicherheit, das weißt du sehr genau, sondern wir sind gegen den Kauf dieser Kampfflugzeuge, weil das die teuerste Fehlentscheidung einer Bun­desregierung seit Bestehen der Zweiten Republik ist, meine Damen und Herren! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Es ist dies auch eine sehr einsame Entscheidung, meine Damen und Herren! Es ist dies eine Entscheidung gegen die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung, die ganz


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einfach nicht verstehen kann, wie leichtfertig, ja wie fahrlässig Sie mit ihrem schwer verdienten Geld umgehen. Auf der einen Seite erfolgt ein existenzbedrohender Ein­schnitt in das Pensionssystem, und auf der anderen Seite steht der Kauf dieser sünd­teuren, nicht leistbaren Kampfflugzeuge an. Diese Einkaufspolitik, meine Damen und Herren, ist unverantwortlich und wird von uns entschieden abgelehnt! (Beifall bei der SPÖ.)

Die heute schon angesprochenen Gegengeschäfte – Sie haben es der Tafel meines Kollegen Kräuter entnehmen können –, diese 200 Prozent müssen erst einmal reali­siert werden! Es gibt keine Angebotsgarantie. Das zu verlangen, haben Sie verab­säumt, obwohl das an sich international üblich ist. Es gibt Absichtserklärungen, die nichts gelten, es gibt keine Haftungen, keine Verpflichtungen zur Erfüllung dieses schriftlichen Angebotes, meine Damen und Herren! Bei den Kompensationsgeschäften bleibt lediglich der gute Glaube. Das ist ein Wunschdenken, das ist eine vage Utopie. Der Rechnungshof selbst findet auch diese 200 Prozent problematisch, meine Damen und Herren! In der ersten Prüfung der Ausschreibung hat er darauf hingewiesen und hat unsere Kritik vollinhaltlich bestätigt, lieber Herbert Scheibner! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt keine finanziellen Vorsorgen, das weißt du ganz genau, du hast dafür vergeb­lich gekämpft. Es gibt Zusagen des Finanzministers, aber der ist bis dato alle Antwor­ten schuldig geblieben. Das ist der teuerste Umfaller der Nation, meine Damen und Herren! Es gibt kein schlüssiges Finanzierungskonzept. Trotzdem will Bundesminister Platter den Kauf durchziehen und für den Kauf bei EADS unterschreiben, obwohl Vize­kanzler Haupt immer wieder darauf hingewiesen und versprochen hat, erst nach um­fassender Prüfung und Nachvollziehbarkeit der Gegengeschäfte werde der Kaufvertrag unterzeichnet. Aber das gilt plötzlich alles nicht mehr, meine Damen und Herren!

Ausschreibungskriterien, Vergaberichtlinien, Muss-Forderungen wurden nicht erfüllt. Das ist eine schwere Missachtung der Sorgfaltspflicht dieser Bundesregierung! Alles schreit hier nach Aufklärung, meine Damen und Herren, denn das Pflichtenheft wurde geändert. (Abg. Wittauer: Toni, wir verzeihen dir, weil du so unter Druck bist in deiner eigenen Fraktion!) Die verpflichtende Übergangslösung von EADS war unerfüllbar, daher haben Sie zu Gunsten von EADS und zu Lasten der Republik Österreich ent­schieden! All das schreit wirklich nach Aufklärung!

Ich darf Ihnen auch eine parteiübergreifende Forderung in Erinnerung rufen. Nicht nur Präsident Prinzhorn hat eine Neuausschreibung verlangt, sondern auch der Fraktions­chef der FPÖ im Niederösterreichischen Landtag, den ich im Folgenden wörtlich zitie­ren darf. Er meinte: Ihm würden Unterlagen vorliegen, wonach das Angebot von Saab deutlich niedriger gewesen sei und es auch bei den Kompensationsgeschäften und bei den Betriebskosten beträchtliche Unterschiede gegeben habe. Angesichts der Tatsa­che, dass auch die Stückzahl von 24 auf 18 reduziert worden sei und die Lieferung erst zwei Jahre später erfolge, sei eine Neuausschreibung nur gerechtfertigt. – Das sagte der Fraktionschef der FPÖ im Niederösterreichischen Landtag.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung setzt sich hier beinhart über die Aus­schreibungsbedingungen hinweg, doch die Bevölkerung hat ein Recht, endlich die Wahrheit über die tatsächlichen Vorgänge zu erfahren, über die tatsächlichen Vorgän­ge Bescheid zu wissen. Die Wahrheit darüber, warum es zu dieser kostenintensiven, sündteuren Beschaffung gekommen ist und warum Sie nach wie vor daran festhalten, muss ans Tageslicht!

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Wenn Sie nichts zu verber­gen haben – Sie laufen nämlich Gefahr, den letzten Rest an Glaubwürdigkeit zu verlie-


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ren –, dann stimmen Sie unserer Forderung nach Einsetzung eines Untersuchungs­ausschusses zu! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.17

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz ruhig an Folgendes erinnern: Es ist einmal der Name eines Kollegen dieses Hauses zwei oder drei Mal verballhornt worden, und das ist für wichtig genug empfunden worden, es in der Präsidiale zur Sprache zur bringen. Alle vier Klubobmänner haben gemeint, dass das nicht gut sei, und haben es übernommen, in ihren Fraktionen darauf hinzuwirken, dass man das nicht macht. Es kann jedem einmal ein Versprecher passieren, aber was den Einsatz als rhetorische Technik betrifft, so ist von allen vier Klubobmännern klar dazu Position bezogen worden, und ich rufe das nur in Erinnerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


21.18

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme diese Mahnung zur Kenntnis und sage nicht das, was mir einige Abgeordnete geraten haben, hier an weiteren veränderten Namen vorzubringen. Aber, Herr Präsident, ich darf aus meiner Erfahrung als Ausschussvorsitzender des Landes­verteidigungsausschusses und Wehrsprecher und auch als Minister sagen, dass bei den Wehrsprechern und zwischen den Wehrsprechern, auch Friedenssprechern, aller Fraktionen solch ein Verhältnis herrscht, dass man weiß, dass solche Dinge nicht ernst, sondern durchaus freundschaftlich gemeint sind. Das ist vielleicht etwas ganz Spezifisches in der Landesverteidigung.

Herr Abgeordneter Gaál, du hast hier gesagt, wenn wir nichts zu verbergen haben, dann sollen wir doch dem Untersuchungsausschuss zustimmen. Dazu darf ich sagen: Wenn man überall dort, wo man nichts zu verbergen hat und alles korrekt ist, Untersu­chungsausschüsse einsetzen würde, dann würden wir vor lauter Untersuchungsaus­schüssen zu nichts anderem mehr kommen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es muss umgekehrt sein: Dort, wo Fakten auf dem Tisch liegen, die belegen, dass rechtswidrig gehandelt worden ist, ist ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Und weil hier immer wieder irgendwelche Informationen eingemahnt werden, möchte ich Folgendes sagen: Du weißt es, und auch alle anderen, vor allem auch jene, die im Landesverteidigungsausschuss, im Nationalen Sicherheitsrat sitzen, wissen es: Dort, wo man unter Verschwiegenheitsgebot tatsächlich alle Informationen darlegen kann, dort sind diese Informationen umfassend, ehrlich und auch entsprechend offensiv ge­geben worden. Jetzt dauernd Fragen zu stellen, die man längst beantwortet bekom­men hat, ist natürlich politisch zulässig – das ist keine Frage – und bei solch einem Projekt wie dieser Abfangjäger-Entscheidung sicherlich auch reizvoll, vor allem dann, wenn man den Konsens in der Sicherheitspolitik nicht mittragen soll, aber es ist, so sage ich, nicht zulässig, dann so zu tun, als ob diese Informationen nicht gegeben worden wären. Und es ist auch nicht zulässig, dann einzumahnen, dass wir solch einem Untersuchungsausschuss zustimmen sollten. (Beifall bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Der Rechnungshof hat den ersten Akt dieser Entscheidung geprüft, und im Hinblick auf das Ergebnis dieser Prüfung haben auch, vom Herrn Kollegen Kräuter angefangen, die Sprecher des Rechnungshofausschusses gesagt, da werde alles Mögliche an Kritik enthalten sein, betreffend die Gegengeschäfte und dass die Ausschreibung nicht kon­form gewesen sei. – Jeder, der weiß, wie kritisch normalerweise Rechnungshofberichte


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sind, und sich diesen Rechnungshofbericht angesehen hat, kann nur sagen: Da war wirklich alles in Ordnung, diese Entscheidung und diese Ausschreibung sind vorbildhaft vorbereitet worden! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich selbst, damals noch als Minister – nicht die Bundesregierung, Herr Abgeordneter Kräuter –, ich selbst war es, der den Rechnungshofpräsidenten darum ersucht hat, nachvollziehend – der Rechnungshof, Sie wissen es, kann nur nachvollziehend prü­fen – alles von dieser Entscheidung auch im zweiten Akt zu prüfen.

Ich war es damals, der alle internen Kontrollinstanzen dazu aufgefordert und sie einge­setzt hat, begleitend zu prüfen, denn diese dürfen begleitend prüfen. Die Staatsanwalt­schaft war es, die alle – meistens anonymen – Anzeigen in den letzten Wochen und Monaten überprüft hat und auch zur Erkenntnis gekommen ist, dass es keine Ver­dachtsmomente gibt, dass hier irgendetwas falsch gelaufen ist, meine Damen und Her­ren.

Darauf bin ich stolz, das kann ich hier auch sagen. Sie können sicher sein: Diese Ent­scheidung war richtig, diese Entscheidung ist korrekt getroffen worden. Das werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen, meine Damen und Herren von den Oppositionspar­teien. (Zwischenruf des Abg. Dr. Puswald.)

Weil Kollege Pilz hier Abläufe dargestellt hat, kann ich nur noch einmal sagen: Ich per­sönlich hatte nie eine Präferenz für irgendeines der Produkte; ich habe gesagt, ein neues Produkt muss es sein.

Ich habe natürlich die Entscheidungen meines Hauses mitgetragen und in die entspre­chenden Gremien der Bundesregierung gebracht. Es ist richtig – es liegt ja jetzt schon alles auf dem Tisch –, dass die technische Entscheidung auf den Eurofighter gefallen ist. Die Kosten-Nutzen-Entscheidung war sehr knapp, je nach Finanzierungsvariante einmal für den Gripen, einmal auch für den Eurofighter. Weil zu diesem Zeitpunkt nicht klar war, ob die Finanzierungskosten – auch die Betriebskosten – entsprechend dem Verteidigungsbudget zugeschlagen werden, haben die Verantwortlichen im Verteidi­gungsressort gesagt, im Zweifel neues Gerät vom billigeren Anbieter, wobei ich hier sagen kann, dass die Differenz bei den Kosten überraschend gering war. Es bestand im Großen und Ganzen Gleichwertigkeit.

In der Bundesregierung waren dann auch die Kompensationspakete und die technolo­gischen Rahmenbereiche zu entscheiden, und es stellte sich die Frage: Werden diese Zusatzkosten dem Verteidigungsbudget zugeschlagen und ersetzt? – Das war der Fall, das wissen Sie, das steht auch im Regierungsbeschluss. Deshalb gab es keinen Grund – weder für den Verteidigungsminister noch für das Ressort –, dagegen zu sein, dass das technisch beste Gerät für unsere Soldaten für die wichtige Aufgabe der Luft­raumüberwachung beschafft wird. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Die Gegengeschäfte betragen 240 Prozent. Fragen Sie einmal Ihre Leute, wie etwa Herrn Androsch, wie wichtig diese Gegengeschäfte für die österreichische Wirtschaft sind, ...

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (fortsetzend): ... dann würden Sie hier vielleicht anders argumentieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.23

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt als nächster Redner Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Khol – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Kogler –: Geh ein bisschen schneller! – Abg. Dr. Fekter: Der ist jetzt dafür!)

 



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21.24

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Murauer (Rufe: Der war gut!), Sie sollten wirklich die Sprechrolle wech­seln. Sie sollten vom Wehrsprecher – ich betone, dass das eine Verballhornung wäre, aber das heißt bei Ihnen so – zum Sprecher des Villacher Faschings werden (Abg. Dr. Khol: Die Rolle ist schon vergeben!) oder sich vielleicht um das Amt des Untersu­chungsausschussexperten für Bierbrauereien oder Ähnliches bewerben.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Es sieht bei Ihnen argumentativ offensichtlich schon ziemlich dünn aus, wenn Sie mit einer derartigen Performance die Flucht nach vorne versuchen. Amüsant dabei war wirklich allenfalls, dass Sie das besser können als an­dere. Das hat auch mich überrascht, das muss ich zugeben. (Abg. Dr. Stummvoll: Na, na!)

Aber das war immer noch besser als die Fernsehdiskussion in „Offen gesagt“ (Ruf: „ZiB 3“!), wo Sie, Kollege Murauer – da wird es jetzt wieder ernst –, als Wehrsprecher behauptet haben, die Betriebskosten bei dieser ganzen Sache – und diese sind eigent­lich das, was am meisten ausmacht; das ist ja das Tragische – würden in die Kosten-Nutzen-Analyse, von der hier geredet worden ist, einfließen.

Das ist aber nicht so. Ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam: Die Betriebskos­ten sind – und dies, wie ich behaupte, völlig absichtlich – aus dieser Kosten-Nutzen-Rechnung herausgehalten worden. (Abg. Scheibner: Das ist so im Verfahren vorge­sehen!) Nur sind Sie noch nicht so weit, dafür versuchen Sie sich hier mittlerweile als Kabarettist. – Sei’s drum.

Der Ernst der Sache – deshalb möchte ich bei Kollegem Scheibner anknüpfen – ist doch genau folgender: Eine Reihe von verschiedenen und wichtigen Ausschreibungs­kriterien steht zur Bewertung an. Wenn Sie schon den Rechnungshofbericht zitieren, dann sagen Sie im Übrigen dazu, dass der Rechnungshof zwar dort, wo die Aus­schreibung geprüft wurde, so weit keine besonderen Vorkommnisse, wenn Sie so wol­len, festgestellt hat, die Angebotseinholung zu den Gegengeschäften allerdings sehr wohl kritisiert hat, weil er nämlich sinnvollerweise erkannt hat, dass die Art und Weise, wie das Ministerium und diese Bundesregierung ausschreiben, mehr oder weniger zwangsläufig dazu führt, dass der Kaufpreis steigen muss. – Aber das ist ein altes Ar­gument. Ich sage Ihnen bei dieser Gelegenheit nur, dass selbst der Rechnungshof anderes zutage gefördert hat, als Sie es hier dargestellt haben. (Abg. Scheibner: Was denn?)

Aber das Hauptproblem ist ein ganz anderes. Wenn diese Ausschreibung so super war, wie Sie sagen, so sage ich, ich bin bis auf diese eine Ausnahme d’accord (Abg. Scheibner: Na eben!), aber: Warum ist dann Schritt für Schritt und Zug um Zug – und lassen Sie uns das in diesen wenigen Minuten chronologisch durchgehen – jedes wich­tige Kriterium in der Bewertung gebrochen worden? – Das ist doch das Problem! Das Problem besteht ja nicht darin, dass vielleicht die Ausschreibung schlecht wäre, son­dern ich frage umgekehrt: Wieso leistet sich die Republik einen derart teuren – und möglicherweise ja auch bei militärischen Beschaffungen sinnvollen – Vorgang einer Ausschreibung, um sich dann nicht daran zu halten? Das ist ja das Problem! Darauf sollten Sie Antworten geben und nicht hier erklären, dass alles bestens sei.

EADS war nicht in der Lage, die entsprechende Stückzahl an Eurofightern rechtzeitig zu liefern. Deshalb haben Sie – oder wer auch immer in dieser von Ihnen belobigten Kommission – das Muss-Kriterium hinausreklamiert. Das war ein schwerwiegender Vorgang während dieser Vergabeentscheidung. Und das kritisierte der Rechnungshof regelmäßig, wenn Sie sich schon darauf berufen. (Abg. Scheibner: Das stimmt nur nicht!) – Das stimmt sehr wohl! Natürlich war das ein Muss-Kriterium, und EADS war


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nicht in der Lage, die geforderte Stückzahl zu liefern. Sonst würden wir ja nicht bis 2007 auf 18 Flieger warten müssen, wenn diese ursprünglich schon 2005 da sein soll­ten.

Mir ist das an sich ja nicht so wesentlich, wie Sie mir glauben können. Aber ich frage Sie: Wozu leisten wir uns diese Ausschreibung? – Und es geht in dieser Tonart weiter.

Ich will nur noch eines herausgreifen, weil es den Herrn Finanzminister betrifft, der sich ja im Budgetausschuss ständig vor der Beantwortung genau dieser Frage drückt. Der Eurofighter war in jeder Variante das teuerste Gerät. Erst auf Grund dieser ominösen Kosten-Nutzen-Punktebewertung – ominös und sehr knapp im Übrigen, wie Sie selbst gesagt haben – gab es eine einzige Finanzierungsvariante, bei der mit Ach und Krach im minimalen Bereich der Eurofighter besser abgeschnitten hat. Der Herr Bundesminis­ter für Finanzen weigert sich bis heute, darüber Auskunft zu geben, warum ausgerech­net nur jene Finanzierungsvariante gewählt werden konnte, bei der der Eurofighter knapp die Nase vorne hatte.

Ich sage Ihnen noch etwas. Der Eurofighter hatte die Nase nur dort und nur deshalb vorne, weil Zug um Zug Kosten herausreklamiert wurden, die dieses Produkt aber noch aufwerfen wird. Zug um Zug wurden Kosten herausgeworfen! Und das bis zum Schluss dieses ganzen Dramas, das Sie hier mit der Reduktion von 24 auf 18 Stück aufgeführt haben, wobei sich jetzt herausgestellt hat, dass in Wirklichkeit nichts billiger, sondern dass es noch teurer wird.

Sie haben am Schluss auf einen „Billa-Preis“ hinunterverhandelt; deshalb 1 969 Millio­nen €. Und jeden Tag, an dem wir Nachschau halten und die Sache aufklä­ren, wird es um ein paar hundert Millionen € teurer. Sie werden es noch erleben. (Abg. Scheibner: Weil Sie immer wieder etwas behaupten, muss es nicht richtiger werden! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Deshalb: Stellen Sie sich rechtzeitig diesem Untersuchungsausschuss! Es wird von Tag zu Tag nur schlimmer. Wir werden es morgen ja wieder erleben. Stellen Sie sich rechtzeitig dem Untersuchungsausschuss! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

21.29

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor und können auch nicht vorliegen.

Wir kommen daher zu den Abstimmungen.

Als Erstes stimmen wir ab über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Cap und Fraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend den Ankauf von Abfangjägern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag auf Einsetzung eines Unter­suchungsausschusses eintreten, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag hat keine Mehrheit gefunden.

Wir kommen als Zweites zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, wie ein­gangs referiert.

Ich darf auch in diesem Falle bitten, dass jene Damen und Herren, die diesem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen, dies durch Erheben von den Sitzen bekunden. – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

Damit sind diese beiden Punkte abgestimmt.


Nationalrat, XXII.GP
Stenographisches Protokoll
18. Sitzung / Seite 224

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Molterer und Scheibner, dem Budgetausschuss zur Berichterstat­tung über den Antrag 132/A der Abgeordneten Molterer und Scheibner betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz und das Bundesbezügegesetz geändert werden, eine Frist bis zum 6. Juni zu setzen.

Dies ist der Antrag, über den keine Debatte beantragt wurde, daher findet die Abstim­mung jetzt statt.

Ich bitte jene Damen und Herren Mitglieder des Hohen Hauses, die diesem Fristset­zungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Fristsetzungsantrag ist mit Stimmenmehrheit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Anträge 136/A bis 147/A und die Anfragen 473/J bis 498/J eingelangt sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßigen Mitteilungen dient, berufe ich für heute, 21.31 Uhr, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.31 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien