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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

916. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 16. Dezember 2020

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

916. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 16. Dezember 2020: 12.00 – 19.30 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 und das KWK-Gesetz ge­ändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisations­gesetz 2010 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz 2011 (EZG-Novelle 2020) geändert wird

5. Punkt: Änderungen des Protokolls von 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organi­sche Schadstoffe

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996, das Bundeskrimi­nal­amt-Gesetz, das Fluorierte Treibhausgase-Gesetz 2009 und das Biozidproduktegesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Unfallunter­suchungs­gesetz geändert werden

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Seilbahngesetz 2003 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz geändert wird (MinroG-Novelle Konfliktminerale)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehr­perso­nengesetz geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 2

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz, das Passgesetz 1992, das Führerscheingesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, und das Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert werden

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert werden

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausbildungspflichtgesetz geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz und das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert werden

22. Punkt: Siebenter Zusatzvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen vom 23. Juni 1960

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche, das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die alt­katholische Kirche und das Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechts­ver­hältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft geändert werden

24. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen (282/A(E)-BR/2020)

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Generalsekretärs des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch den Bundespräsidenten        ............................................................................................................................... 15

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 Abs. 3 GO-BR ............................................................ 19

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung im Zusammenhang mit einer durch Bundesrat Markus Leinfellner getroffenen Aussage:

Bundesrat Markus Leinfellner .................................................................................. 127

Bundesrat Karl Bader ................................................................................................ 127

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 3

Ordnungsruf .................................................................................................................. 127

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ...........................................  13, 14

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 35

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................... 19

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 10

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (1123/A und 593 d.B. sowie 10508/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 19

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .............................................................. 20

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 und das KWK-Gesetz geändert werden (476 d.B. und 594 d.B. sowie 10509/BR d.B.) ............................................................................................................... 19

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .............................................................. 20

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisations­ge­setz 2010 geändert wird (471 d.B. und 595 d.B. sowie 10462/BR d.B. und 10510/BR d.B.) ................................................................................. 20

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .............................................................. 20

RednerInnen:

Michael Bernard ...................................................................................................... ..... 21

Ing. Isabella Kaltenegger ....................................................................................... ..... 23

Günther Novak .......................................................................................................  24, 33

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ..... 26

Dr. Peter Raggl ............................................................................................................. 29

Christoph Steiner (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 30

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ......................................................... ..... 30

Andreas Arthur Spanring ....................................................................................... ..... 32

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 33

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „automatische Befreiung von Ökostrompauschale und Öko­stromförderbeitrag für den anspruchsberechtigen Personenkreis“ – Ablehnung .................................................  22, 34

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 34

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 4

vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............. 34

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, 1. gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vor­liegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............. 35

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz 2011 (EZG-Novelle 2020) geändert wird (472 d.B. und 505 d.B. sowie 10524/BR d.B.) ............................................................................................................... 35

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..................................................................... 35

RednerInnen:

Michael Bernard ...................................................................................................... ..... 36

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ..... 38

Silvester Gfrerer ...................................................................................................... ..... 40

Mag. Bettina Lancaster .......................................................................................... ..... 41

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ......................................................... ..... 43

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 44

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend Ände­rungen des Protokolls von 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträu­mige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe (406 d.B. und 503 d.B. sowie 10525/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 44

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..................................................................... 45

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996, das Bundeskriminalamt-Gesetz, das Fluorierte Treibhausgase-Gesetz 2009 und das Biozidproduktegesetz geändert werden (467 d.B. und 504d.B. sowie 10526/BR d.B.) ............................................................................................................... 44

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..................................................................... 45

RednerInnen:

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ..... 45

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ..... 46

Silvester Gfrerer ...................................................................................................... ..... 49

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 50

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, 1. gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem vorlie­genden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen und 3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den nichtunionsrechtlichen Teil der Änderung des gegenständlichen Staatsvertrags durch Erlassung von Geset­zen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 52

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 5

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Unfalluntersuchungsgesetz geändert werden (470 d.B. und 547 d.B. sowie 10464/BR d.B. und 10479/BR d.B.) .................................................................................. 52

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 52

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Seilbahngesetz 2003 geändert wird (477 d.B. und 549 d.B. sowie 10481/BR d.B.)                  52

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 53

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 53

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird (473 d.B. und 548 d.B. sowie 10463/BR d.B. und 10482/BR d.B.) ............................................................................................................... 53

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 53

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, geändert wird (464 d.B. und 550 d.B. sowie 10483/BR d.B.) ............................................................................................................... 53

Berichterstatter: Martin Preineder ................................................................................ 53

RednerInnen:

Günter Kovacs .............................................................................................................. 54

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .........................................................................................  56, 63

Markus Leinfellner .................................................................................................. ..... 58

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ..... 61

Karl Bader (tatsächliche Berichtigung) ......................................................................... 62

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... ..... 63

Korinna Schumann ................................................................................................. ..... 65

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. ......................................................... ..... 66

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gelegenheitsverkehr für Schülerinnen und Schüler“ – Ablehnung  60, 67

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geän­dert wird (473 d.B. und 548 d.B. sowie 10463/BR d.B. und 10482/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Annahme  64, 67

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, geändert wird (464 d.B. und 550 d.B. sowie 10483/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Annahme  65, 67


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 6

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz geändert wird (MinroG-Novelle Konfliktminerale) (475 d.B. und 590 d.B. sowie 10511/BR d.B.) ............................................................................................................... 67

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 67

RednerInnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 68

Ing. Isabella Kaltenegger ....................................................................................... ..... 69

Josef Ofner .............................................................................................................. ..... 70

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ..... 71

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ..... 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 74

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehr­personen­gesetz geändert werden (377 d.B. und 545 d.B. sowie 10497/BR d.B.) ............................................................................................................... 74

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger .................................................................. 74

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 75

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird (1102/A und 546 d.B. sowie 10498/BR d.B.) ............. 75

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger .................................................................. 75

RednerInnen:

Thomas Schererbauer ............................................................................................ ..... 75

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 76

Dominik Reisinger .................................................................................................. ..... 78

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 79

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ..... 79

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 80

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (1103/A und 518 d.B. sowie 10492/BR d.B.)                  81

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ........................................................................ 81

RednerInnen:

Horst Schachner ..................................................................................................... ..... 81

Bernhard Hirczy ...................................................................................................... ..... 82

Christoph Steiner .................................................................................................... ..... 83

Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ..... 84

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky ....................................................................... ..... 85

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ..... 86

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (1103/A


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 7

und 518 d.B. sowie 10492/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Annahme .................................................  83, 87

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz, das Passgesetz 1992, das Führerscheingesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (469 d.B. und 495 d.B. sowie 10480/BR d.B.)                    88

Berichterstatter: Otto Auer ............................................................................................ 88

RednerInnen:

Wolfgang Beer ......................................................................................................... ..... 88

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 89

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ............................................................................. ..... 91

Michael Bernard ...................................................................................................... ..... 93

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck .................................................... ..... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 95

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vor­belastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschafts­stand­ort genehmigt wird, und das Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitions­prä­mie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert werden (1126/A und 591 d.B. sowie 10512/BR d.B.) ............................................................................... 95

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................... 96

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltech­niker­gesetz 2019 und das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert werden (1113/A und 592 d.B. sowie 10513/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 96

Berichterstatterin: Ing. Isabella Kaltenegger ............................................................... 96

RednerInnen:

Michael Bernard ...................................................................................................... ..... 96

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 98

Stefan Zaggl ............................................................................................................ ... 100

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 101

Andrea Kahofer (tatsächliche Berichtigung) .............................................................. 103

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ....................................................... 103

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 16, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 105

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 105

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausbildungspflichtgesetz geändert wird (466 d.B. und 524 d.B. sowie 10493/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 105

Berichterstatterin: Mag. Christine Schwarz-Fuchs ................................................... 105

RednerInnen:


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 8

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ....................................................................................... ... 105

Mag. Daniela Gruber-Pruner .................................................................................. ... 106

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ... 108

Andreas Lackner ..................................................................................................... ... 108

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ........................................... ... 109

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 111

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (1104/A und 527 d.B. sowie 10494/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 111

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ............................................................................... 111

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (483 d.B. und 558 d.B. sowie 10514/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 111

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ............................................................................... 111

RednerInnen:

Heike Eder, BSc MBA ............................................................................................. ... 111

Mag. Sandra Gerdenitsch ...................................................................................... ... 112

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ... 115

MMag. Elisabeth Kittl, BA ...................................................................................... ... 116

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ... 116

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ........................................... ... 118

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 120

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 120

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz und das Post-Betriebs­ver­fassungsgesetz geändert werden (378 d.B. und 557 d.B. sowie 10515/BR d.B.) ...................................................................................... 120

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ............................................................................... 120

RednerInnen:

Elisabeth Wolff, BA ................................................................................................. ... 121

Korinna Schumann ................................................................................................. ... 121

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ... 123

MMag. Elisabeth Kittl, BA ...................................................................................... ... 124

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher ........................................... ... 125

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ...................................................................................... 126

Gemeinsame Beratung über

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend Siebenter Zusatzvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 9

zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Rege­lung vermögensrechtlicher Beziehungen vom 23. Juni 1960 (404 d.B. und 507 d.B. sowie 10484/BR d.B.) ............................................................................. 128

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner ............................................................ 128

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche, das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die alt­katholische Kirche und das Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechts­verhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft geändert werden (405 d.B. und 508 d.B. sowie 10485/BR d.B.) .................................................................................................. 128

Berichterstatterin: Dipl.-Ing. Andrea Holzner ............................................................ 128

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 22, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 129

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 23, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 129

24. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung und Adaptierung der abschlags­freien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen (282/A(E)-BR/2020 sowie 10496/BR d.B.) ................................... 129

Berichterstatterin: Marlies Steiner-Wieser ................................................................. 129

RednerInnen:

Heike Eder, BSc MBA ............................................................................................. ... 129

Günter Kovacs ........................................................................................................ ... 131

Andreas Lackner ..................................................................................................... ... 132

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ... 133

Antrag der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen, dem Entschließungsantrag der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“ (282/A(E)-BR/2020 sowie 10496/BR d.B.) gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR die Zustimmung zu erteilen – Ablehnung ......................................................................................  134, 136

Eingebracht wurden

Anfrage der BundesrätInnen

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Sunset-Klausel für Übermittlung sensibler Daten (3817/J-BR/2020)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Journaldiensteinteilung bei herabge­setzter Wochendienstzeit (3523/AB-BR/2020 zu 3804/J-BR/2020)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Straftaten und Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Wohnwagensiedlungen (3524/AB-BR/2020 zu 3802/J-BR/2020)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend lückenlose Aufklärung der vermeintlichen Tier­quälerei in Bad Blumau (3525/AB-BR/2020 zu 3801/J-BR/2020)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gefängnisausbruch in Graz-Karlau (3526/AB-BR/2020 zu 3805/J-BR/2020)


 


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 10

12.00.30Beginn der Sitzung: 12 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann, Vizepräsident Mag. Christian Buchmann.

12.00.31 *****


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 916. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 915. Sitzung des Bundesrates vom 3. Dezember 2020 ist aufgelegen, wurde nicht beanstandet und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind heute die Mitglieder des Bundesrates Thomas Dim und Andrea Schartel.

Ich begrüße sehr, sehr herzlich unseren Herrn Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, der uns bei den kommenden Tagesordnungspunkten für Auskünfte zur Verfügung steht. (All­gemeiner Beifall.)

Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfäl­tigten und verteilten Anfragebeantwortungen,

eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,

eines Schreibens des Generalsekretärs des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 9)

2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mit­glieds­staat der Europäischen Union

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Landesverteidigung, Mag. Klaudia Tanner am 15. und 16. Dezember 2020 in Slowenien (Anlage 2)


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und

Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Landesverteidigung, Mag. Klaudia Tanner am 17. De­zember 2020 in Bosnien und Herzegowina (Anlage 3)

3. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Schreiben des Generalsekretärs betreffend Verhandlungen über ein Abkommen über den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Anlage 4)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

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Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Eingelangt sind und den zuständigen Aus­schüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte zu den vorlie­genden Beschlüssen des Nationalrates Abstand zu nehmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Ab­stand­nahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschuss­be­richte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erfor­derlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

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Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 1 bis 3, 5 und 6, 7 und 8, 9 und 10, 16 und 17, 19 und 20 sowie 22 und 23 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

12.03.551. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (1123/A und 593 d.B. sowie 10508/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 und das KWK-Gesetz geändert werden (476 d.B. und 594 d.B. sowie 10509/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 20

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und ‑organisationsgesetz 2010 geän­dert wird (471 d.B. und 595 d.B. sowie 10462/BR d.B. und 10510/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen zu den Tagesord­nungs­punkten 1 bis 3, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Kittl. – Frau Bundesrätin, ich bitte um die Berichte.


12.04.51

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Alle sagen guten Morgen, aber das stimmt ja gar nicht, es ist ja nicht mehr der Morgen. Guten Mittag, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Staatssekretär und liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, ich bringe den Bericht – ich bin ein bisschen nervös, ich mache das zum ersten Mal – über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird, zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zur Berichterstattung zu Tagesordnungspunkt 2: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 und das KWK-Gesetz geändert werden, zur Kennt­nis.

Der Bericht liegt schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die ver­fassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 3: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitäts­wirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 geändert wird, zur Kenntnis.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. – Vielen Dank.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung, Frau Bundesrätin.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 21

12.07.17

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! In den letzten Stunden, Tagen, Wochen und Monaten beschert uns die türkis-grüne Wach- und Schließ- und Belastungsgesellschaft namens Bundesregierung immer wieder neue Überraschungen. Sie agiert wie der Vignettenman, der täglich im „Ö3-Wecker“ von 5 Uhr bis 9 Uhr, da­mals, 1997, mit Harry und Pepi, auf Ö3 zu hören war. Der Leitspruch war: „ohne furcht und ohne hirn“, „hahaa, schurke!“. Jetzt heißen die handelnden Personen anscheinend Sebastian und Werner. Damals ist es aber nicht um die Grundrechte der österreichi­schen Bevölkerung, um die Sicherung unseres Wirtschaftsstandorts und damit den Erhalt der Arbeitsplätze und vieles mehr gegangen.

Beim Verhalten der schwarz/türkis-grünen Bundesregierung, zum Beispiel bei der Erstellung von Verordnungen oder Gesetzentwürfen und der teilweisen Missachtung der Grundrechte, werden Kindheitserinnerungen wach. Als Kind verbrachte ich viele Som­merurlaube mit meinen Eltern am Plattensee, am sogenannten Balaton. Jedes Jahr trafen wir Familien aus der DDR, die ihren Urlaub auch in den Ferienbungalows ver­brachten. Am Abend am Lagerfeuer teilten die Familien aus der DDR mir und meinen Eltern die Machenschaften der Amtierenden und deren Maßnahmen mit. Zum Beispiel durften sich nie alle Familienmitglieder treffen und auch nicht gemeinsam auf Urlaub fahren, da sonst für die Amtierenden die Gefahr bestanden hätte, dass viele nicht mehr zurückgekehrt wären. Die Menschen hatten Angst vor Polizeieinheiten, die geschickt wurden, auch in den privaten Wohnbereich, wenn man eine andere Meinung zu einem Thema hatte und sich traute, dies zu sagen. Die Bevölkerung wurde durch das Schüren von Angst gezwungen, verschiedenste Handlungen der Amtierenden umzusetzen und vieles mehr.

Ich als Kind habe damals zu meinen Eltern gesagt: Ich bin froh, dass wir in Österreich leben, wo wir frei unsere Meinung sagen können und treffen können, wen wir wollen und wann wir ihn treffen wollen, und ich habe damals, vor mittlerweile über 40 Jahren, für mich beschlossen, alles zu tun, mich dafür einzusetzen, dass das auch immer so bleibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines sei der schwarz/türkis-grünen Wach- und Schließ- und Belastungsgesellschaft namens Bundesregierung und den Bundesräten von den schwarz/türkis-grünen Frak­tionen, die mit ihrem Abstimmungsverhalten Handlanger dieser Regierung und mitver­antwortlich sind, ins Stammbuch geschrieben: Wir Freiheitliche lassen uns durch niemanden beeinflussen und werden uns auch nicht unter dem Titel Corona davon abbringen lassen, die Grundrechte der österreichischen Bevölkerung zu verteidigen und zu wahren. (Beifall bei der FPÖ.)  

Die Bundesregierung sollte sich besser darum kümmern, Gesetze, die für die Zukunft unseres Heimatlandes, die Stärkung unseres Wirtschaftsstandortes, die Sicherung der Arbeitsplätze und damit unseren Sozialstaat wichtig sind, auszuarbeiten. Dies passiert aber leider nur in sehr kleinen Etappen, so zum Beispiel bei den Energiethemen: Ich persönlich hätte mich gefreut, wenn wir heute das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz auf der Tagesordnung gehabt hätten, um es endlich zu beschließen. Das von der türkis-blauen Regierung fast fertig ausgearbeitete Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz wurde von der sogenannten Expertenregierung und der jetzigen Chaosregierung, die in vielen Einzel­gesprächen von der Bevölkerung als die schlechteste und inkompetenteste Regierung, die jemals in Österreich regiert hat, bezeichnet wird, für unwichtig angesehen und wird, entgegen vielfachen Ankündigungen, in diesem Kalenderjahr nicht zum Abschluss ge­bracht.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 22

Es geht bei diesem heute zur Diskussion stehenden Bundesgesetz um kleinere Be­reiche, die aber auch sehr, sehr wichtig sind, insbesondere für die Versorgungs­sicher­heit: Es geht um die sogenannte Netzreserve. Was ist das? – Im Wesentlichen braucht man zur Stabilisierung des Netzes Kraftwerke, die sehr schnell Energie liefern und damit verhindern, dass die Spannung im Netz runtergeht und kollabiert und wir einen Blackout haben. Um diesen Themenbereich, der sehr dringlich ist, geht es.

Ich möchte jetzt gar nicht so sehr über die Inhalte oder die Details reden, nur so viel vorweg: Der vorliegende Gesetzentwurf ist sicher besser als die alte Gesetzeslage, er eröffnet auch kleineren Anbietern die Chance, an diesem System teilzuhaben. Auch die Industrie wird miteingebunden und es gibt kürzere Vertragslaufzeiten. Kritisch sehe ich die Bestimmungen über die Schließung und den Schließungszwang für jene Kraftwerke, die bei der Ausschreibung nicht zum Zug kommen. Sie müssen dann geschlossen halten. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Bestimmungen positive Effekte auf die Versorgungssicherheit haben. Es besteht durchaus das Risiko, dass sich im Rahmen dieser Ausschreibungsverfahren zu wenige melden, wir deshalb viele Kraftwerke schließen müssen und dann Kapazitätsprobleme haben. Das werden wir noch genau beobachten müssen. Typisch für die Chaosregierung ist, dass sie diesen Prozess aus meiner Sicht viel zu spät begonnen hat, so wie auch beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.

Da aufgrund der Coronapandemie zahlreiche Betriebe ihren Geschäftsgang und ihre Produktion eingestellt oder heruntergefahren haben, kommt es bei der Errichtung und Inbetriebnahme von Ökostromanlagen zu Verzögerungen. Aus diesem Grund sollen Inbetriebnahmefristen, die in weniger als einem Jahr enden, verlängert werden.

Die bereits bisher in § 1 Ökostromgesetz 2012 sowie § 1 KWK-Gesetz enthaltenen Kompe­tenzdeckungsklauseln bieten lediglich für die Erlassung, Aufhebung und Vollzie­hung der Bestimmungen des ÖSG 2012 beziehungsweise des KWK-Gesetzes in der jeweiligen Fassung eine ausreichende kompetenzrechtliche Grundlage. Änderungen sind davon nicht gedeckt. Für die Gesetzesänderung ist daher die Schaffung einer geeig­neten kompetenz­rechtlichen Grundlage durch Neuerlassung der Kompetenz­deckungs­klauseln erforderlich, die bewirkt, dass die Novellierung von den Kompetenz­deckungs­klauseln erfasst ist.

Im besonderen Teil der Erläuterungen ist zu Artikel I festgehalten, dass am 3. November 2020, das heißt mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Covid-19-Schutzmaßnahmen­verordnung, laufende Fristen für die Inbetriebnahme von Ökostromanlagen, die mittels Einspeisetarif oder mittels Investitionszuschuss gefördert werden und die in weniger als einem Jahr enden, um zwölf Monate verlängert werden. Darüber hinaus werden Fristen für die Inbetriebnahme von Fotovoltaikanlagen, die nach dem 3. November zu laufen beginnen, um sechs Monate verlängert.

Fristen für die Inbetriebnahme von KWK-Anlagen, die mittels Investitionszuschuss geför­dert werden und die in weniger als einem Jahr enden, werden um sechs Monate ver­längert. Der Beginn des relevanten Zeitfensters – 3. November 2020 – wird mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung festgelegt.

Bei der Änderung des Ökostromgesetzes geht es um wichtige Fristenverlängerungen. Wir Bundesräte der Freiheitlichen Partei, der sozialen Heimatpartei (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), nehmen dies, weil wir das Herz am richtigen Fleck haben, zum Anlass, um einen Antrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „auto­mati­sche Befreiung von Ökostrompauschale und Ökostromförderbeitrag für den anspruchs­berechtigten Personenkreis“


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 23

„Derzeit sind gemäß § 46 Abs. 1 sowie § 49 Abs. 1 Ökostromgesetz Personen, die gemäß § 3 Fernsprechentgeltzuschussgesetz zum anspruchsberechtigten Personen­kreis gehören, jeweils für ihren Hauptwohnsitz, von der Pflicht zur Entrichtung der Öko­strompauschale bzw. des Ökostromförderbeitrags befreit.

Die Praxis zeigt, dass das Stellen eines Antrages auf Befreiung von Ökostrom­för­derkosten bei den Begünstigten oft zu Schwierigkeiten und damit zu vom Gesetzgeber wohl nicht beabsichtigten Hürden führt.

Dies hat dazu geführt, dass von rund 330.000 Anspruchsberechtigten nur in etwa 130.000 von der Entrichtung der Ökostrompauschale sowie des Ökostromförderbeitrags befreit sind.

Durch einen entsprechenden Automatismus bei Vorliegen der notwendigen Voraus­set­zungen für eine Befreiung von der Entrichtung der Ökostrompauschale sowie des Öko­stromförderbeitrages könnte hier Abhilfe geschaffen und so für viele Menschen eine wichtige finanzielle Hilfestellung sichergestellt werden.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Bundesräte nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

,Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der sichergestellt wird, dass Personen, die gemäß § 3 Fernsprechent­gelt­zu­schussgesetz zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören, jeweils für ihren Haupt­wohnsitz, künftig automatisch von der Pflicht zur Entrichtung der Ökostrompauschale sowie des Ökostromförderbeitrags gemäß Ökostromgesetz befreit sind.‘“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

12.16


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „automatische Befreiung von Ökostrompauschale und Ökostromförderbeitrag für den anspruchs­berech­tigten Personenkreis“ ist ordnungsgemäß eingebracht, genügend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


12.17.11

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rin­nen und Zuseher zu Hause! Ich darf mich zu den drei genannten Regierungsvorlagen zu Wort melden und möchte mit der Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes beginnen. Es geht im Wesentlichen darum, dass es aufgrund des Lockdowns zu keiner Lager­knappheit für einzelne Abfallströme kommt.

Im Rahmen der erlassenen Begleitmaßnahmen zu Covid-19 wurde im Abfallwirt­schafts­gesetz eine Erleichterung für die Zwischenlagerung von Abfällen geschaffen. Dies war zeitlich bis 30.9.2020 befristet und soll nun bis 30. April 2021 verlängert werden. Wenn­gleich dies in der Vergangenheit auch nur siebenmal genutzt wurde, soll auch weiterhin


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 24

vermieden werden, dass es aufgrund von Engpässen bei der Abfallbehandlung zu einer Lagerknappheit kommt. Bisher hat das vor allem Elektroaltgeräte und Sperrmüll be­troffen.

Ich komme nun zu den Änderungen im Elektrizitätswirtschaftsgesetz: Auch wenn wir, was die Stromversorgungssicherheit betrifft, gut dastehen, soll die Stromversorgung auch weiterhin gut abgesichert sein. Es soll verhindert werden, dass das Stromnetz überlastet wird, da auch im österreichischen Stromnetz zunehmend Netzengpässe entstehen. Das soll durch ein gutes Engpassmanagement und mit der Schaffung einer ausreichend großen Netzreserve erreicht werden.

Diese Netzreserve soll vor allem erneuerbarer, kostengünstiger und effizienter werden, und der Bieterkreis soll auch auf kleinere Anlagen erweitert werden. Auch ökologische Kriterien werden berücksichtigt. Erzeugeranlagen werden nur dann als für die Netz­reserve geeignet eingestuft, wenn ihre Emissionen nicht mehr als 550 Gramm CO2 je Kilowattstunde betragen und keine radioaktiven Abfälle anfallen. Wichtig war es, diesen Teil aus dem großen EAG herauszulösen, damit die Bestimmungen zur Beschaffung der Netzreserve schon jetzt in Kraft treten können. Jedenfalls wurden mit dieser Novelle alle Vorbehalte der EU-Kommission ausgeräumt. Sie stellt so einen wesentlichen Baustein für die Energieversorgung Österreichs dar.

Als Letztes möchte ich auf Änderungen des Ökostromgesetzes und des KWK-Gesetzes eingehen: Da aufgrund der Coronapandemie viele Betriebe ihre Produktion verringert oder sogar eingestellt haben, kann es bei der Errichtung und der Inbetriebnahme von Ökostromanlagen sowie Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen zu Verzögerungen kommen. Genau deshalb sollen Inbetriebnahmefristen für diese Anlagen verlängert werden. Bei Ökostromanlagen, die mittels Einspeisetarif oder Investitionszuschuss gefördert werden, sollen die entsprechenden Fristen um zwölf Monate verlängert werden, bei KWK-Anlagen, die mittels Investitionszuschuss gefördert werden, sind es sechs Monate.

Es geht bei dieser Novelle eigentlich nur darum, dass keiner unverschuldet um Förder­mittel umfällt. Außerdem wird die Regelung für PV-Anlagen, die 2020 ausläuft, um ein Jahr verlängert.

Ich bitte daher in allen drei Punkten um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

12.20


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


12.21.10

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren zu Hause! Ich glaube, es ist schon viel gesagt worden. Im Abfallwirtschaftsgesetz wird die Frist für eine Covid-19-Begleitmaßnahme verlängert. Das ist sinnvoll, diesem Punkt stimmen wir zu.

Zum Tagesordnungspunkt betreffend das Ökostromgesetz: Ja, da kommen wieder Erin­nerungen hoch. Weil die Regierung sich bislang nicht auf eine gemeinsame Vorlage des EAG, des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes einigen konnte, kommt es nun zu einer neuerlichen Novellierung des Ökostromgesetzes und des KWK-Gesetzes, also des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes. Da soll die Inbetriebnahmefrist, damit die Förderung nicht verfällt, verlängert werden. Auch das ist sinnvoll, wobei ich jetzt schon dazusagen muss – und da kann ich den Gedankengang von Michael Bernard nicht weiter mitver­folgen, wenn er sagt, die bringen nichts weiter –: Mir ist es lieber, wenn wir in das EAG die diesbezüglichen Einsprüche beziehungsweise Stellungnahmen beziehungsweise die Fachgutachten miteinfließen lassen, damit man dann nicht wieder hier steht und


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 25

schlussendlich eine Zweidrittelmaterie ablehnen muss, sondern man dann in weiterer Folge gemeinsam dieses Gesetz beschließen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Worin ich Herrn Bernard zustimme, ist, dass, wenn das Ökostromgesetz schon geändert werden soll, auch die automatische Befreiung von einkommensschwachen Haushalten von der Ökostrompauschale und vom Ökostromförderbeitrag vorgesehen werden sollte. Das ist auch aus Sicht der SPÖ notwendig. Und, meine Damen und Herren, liebe Freunde von der Freiheitlichen Partei, das ist nicht der erste Entschließungsantrag, der dazu eingebracht wird. Ich habe auch schon einen eingebracht. Der Herr Staatssekretär wird das auch wissen, dass das vor einiger Zeit schon passiert ist. Wenn es da um eine Anzahl von 330 000 Personen geht, dann muss man halt wirklich schauen, dass diese einkommensschwachen Haushalte dort miteingebunden werden. Deswegen werden wir diesen Entschließungsantrag auch unterstützen.

Betreffend KWK-Gesetz schlagen wir eine Verlängerung vor. Ich möchte diese Fristen nicht noch einmal genau anführen, das hat Frau Isabella Kaltenegger schon ausführlich gemacht. So gesehen werden wir diesem Punkt auch zustimmen.

Beim dritten Punkt geht es um die Netzreserve. Das ist eigentlich der größte Brocken. Da möchte ich ganz deutlich sagen, die Energiewende wird nur dann gelingen, wenn wir das Ziel gemeinsam verfolgen, und zwar – das habe ich vorhin auch schon gesagt – in einem fairen und auf Augenhöhe geführten Diskurs. Das erste Etappenziel – 100 Pro­zent erneuerbarer Strom – wird auch nur dann zu erreichen sein, wenn wir auf dem Weg dahin erstens die Versorgungssicherheit, zweitens die Leistbarkeit und drittens die Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellen.

Wir brauchen auch in Zeiten wie diesen, wenn wir über das Klima reden, eine ökolo­gische Stromversorgung, auf die man sich verlassen kann, zu Kosten, die man sich auch leisten kann. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Ansatz, und als Sozialdemokratische Partei stehen wir für ein soziales, gerechtes und faires, aber auch – und vor allem – funktionierendes System. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Netzreserve, die Gewährleistung einer ausreichend großen Leistungsreserve im Fall von Engpässen, ist dabei entscheidend für die Netzstabilität, für die Versor­gungs­sicher­heit und den Schutz vor Blackouts. Ich weiß nicht, wer von Ihnen das Buch „Blackout“ eines österreichischen Schriftstellers gelesen hat. Ich möchte nicht in diese Situation, wie sie darin beschrieben worden ist, kommen. Es ist zwar ein Roman, aber da ist schon sehr viel Richtiges mit drinnen hinsichtlich dessen, was uns in weiterer Folge passieren könnte, wenn wir nicht das tun, was notwendig ist. – Das ist also ein wesentlicher Teil des EAG, des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes, das wir – gemeinsam, sage ich noch einmal – erledigen sollen.

Wer A sagt – zu 100-prozentig erneuerbarem Strom –, der muss auch B – zu funktionie­renden Stromnetzen – sagen. Die Opposition gehört bei so wichtigen Projekten vorher – und die Betonung liegt auf vorher – einbezogen, aber ich habe das Gefühl, dass das in die richtige Richtung geht. Sonst beschleicht mich nämlich das Gefühl, dass es ähnlich wäre wie vor einem Jahr, als wir dann in weiterer Folge vor einem halben Jahr wieder hier gestanden sind und darüber diskutiert haben, weil es um eine Zweidrittelmehrheit gegangen ist und man halt mit der Opposition nicht gesprochen hat, woraufhin wir das Gesetz dann sozusagen in die Wüste geschickt haben – was sicher nicht gut war, nicht gut für die Bevölkerung und auch nicht gut für die Betreiber; das muss man ganz klar und deutlich sagen.

Es ist passiert. Es wurde dann in der Folge geändert. Wir sind aber noch nicht an jenem Punkt angelangt, wo wir im Grunde genommen hin wollten. Und ich erinnere mich – das will ich bei dieser Gelegenheit auch sagen –: Nachdem wir gesagt haben, dass dieses Gesetz die Hürde der Zweidrittelmehrheit nicht überwinden wird, haben, einen Tag bevor


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das Gesetz dann in den Bundesrat gekommen ist, Frau Bundesminister Köstinger und der Abgeordnete aus Tirol, der dafür zuständig war – ich weiß nicht mehr, wie er ge­heißen hat – gesagt: Einer der Roten wird wohl nicht da sein oder wird wohl umfallen. – Ich glaube, das sollte wirklich nicht mehr der Fall sein, dass wir einen Tag vorher darüber sprechen, was hier passieren wird und was passieren sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit dem Abänderungsantrag konnten noch einige Klarstellungen gegenüber der Regie­rungsvorlage erzielt werden. Leider müssen wir mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass die maximale Vertragslaufzeit nur zwei Jahre sind. Das ist EU-rechtlich bedingt, das wissen wir auch, das ist aber für die Planungssicherheit der Kraftwerke halt nicht so hilfreich, wie wir uns das vorstellen. Wir werden dem Antrag aber zustimmen – nicht mit überschwänglicher Begeisterung, sondern weil wir die Versorgungssicherheit nicht an die Wand fahren wollen. Ich glaube, das ist die wesentliche Aussage dazu.

Für die Zukunft erwarte ich mir und erwarten wir – unser Team der SPÖ – uns auf jeden Fall mehr Transparenz seitens des Ministeriums, vor allem im Hinblick auf die Vorgaben der EU-Kommission, weil man sonst immer einen unsichtbaren Dritten hat, mit dem man verhandeln muss.

Beim EAG steht uns noch ein weiter Weg bevor. Mir ist es lieber, es dauert einen Monat länger – ich weiß zwar, dass es im Sinne der Klimasituation, über die wir ja heute auch noch in mehreren Punkten zu reden haben, gut wäre, wenn es schneller gehen würde –, denn lieber länger und gescheit als kurz und dann explodiert das Ganze wieder hier im Parlament. Parlamentarische Mehrheiten lassen sich nicht diktieren, sondern erfordern einen Dialog auf Augenhöhe, damit nicht das passiert, was im Bundesrat, so wie ich es schon geschildert habe, passiert ist.

Für gute Lösungen – und das kann ich sicher versprechen, zumindest was den Bun­desrat anbelangt – sind wir jederzeit zu haben, für Druck sind wir nicht zu haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.29


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


12.29.38

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln sehr unterschiedliche Punkte zusammen­ge­fasst im Rahmen einer Debatte. Ich kann es in einigen Teilen ein bisschen kürzer machen, weil einige Inhalte bereits erklärt worden sind. Kurz zum AWG: Die Fristver­län­gerungen sind angesprochen worden.

Wichtig ist mir, dazuzusagen, dass mit der Ausweitung von Lagerkapazitäten eine Anzeigepflicht verbunden ist – man kann das also nicht einfach so machen, sondern muss es bei der Behörde anzeigen – und an den abfalltechnischen Auflagen nichts geändert wird. Es kommt also zu keiner Lockerung im Umgang mit Abfällen. Ich denke, es ist wichtig, das dazuzusagen.

Diese Ausnahmemöglichkeit, die es seit Frühling gibt, ist in diesem Zeitraum übrigens siebenmal in Anspruch genommen worden, und nun wird sie verlängert. Es geht darum, die Abfallbehandlung aufrechtzuerhalten und das Leben der betroffenen Betriebe zu erleichtern. Das soll sein, zumal keinerlei Schaden entsteht, weder für die Umwelt noch für die Mitarbeiter, und diese Ausnahmemöglichkeit mit April ein Ablaufdatum hat.

Beim Ökostromgesetz und beim Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz geht es ebenso um Frist­verlängerungen, sowohl was die Gewährung von Tarifförderungen als auch Inves­titions­förderungen betrifft. Auch das ist grundvernünftig. Es wäre schließlich nicht besonders


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sinnig, dass Ökostromanlagen nicht errichtet werden oder die Betreiber um ihre Unter­stützung umfallen, wenn die Inbetriebnahme durch äußere Umstände, für die die Betreiber ja nichts können, verzögert wird.

Ein wichtiger Punkt, der angeschnitten worden ist, ist die Verlängerung der Möglichkeit, eine Förderung für Fotovoltaikanlagen zu beantragen und gereiht zu werden, in das Jahr 2021 hinein. Auch das ist sehr erfreulich für den Ökostromausbau und natürlich auch für das Vertrauen in die Rahmenbedingungen. So soll es auch sein. Es gibt übrigens in einer Übergangsphase, bis das neue EAG in Kraft treten wird, umfangreiche Mittel für die Förderung von Ökostromanlagen. Es wird also keinen Stillstand geben, ganz im Gegenteil. Ich habe auch viele Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Branche geführt, und für sie ist wichtig, dass sie wissen, dass es diese Mittel gibt und sie auch mit Sicherheit und in einem hinreichenden Ausmaß zur Verfügung stehen. Das wird der Fall sein.

Beim ElWOG handelt es sich tatsächlich um eine größere Novelle. Es gibt eine Reihe von neuen Akzenten, die die Versorgungssicherheit stärken. Die Versorgungssicherheit ist zweifelsfrei eine entscheidende Bedingung für jedwede Energieversorgung: Es ist ja nicht so lustig, wenn der Strom immer wieder einmal ausfällt oder gerade kein Kraftwerk zur Verfügung steht, wenn es eng wird. Das ist bei der Stromversorgung besonders brisant, weil es dabei in jedem Moment, in jeder Sekunde – mit einer engen Toleranz – ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch geben muss. Die Balance muss immer stimmen. Was beim Strom noch dazukommt, ist, dass die Speicherbarkeit elek­trischer Energie ziemlich begrenzt ist. Darum sind letztlich auch ein sehr, sehr hoher Planungsaufwand und ein regulatorischer Aufwand erforderlich, damit das funktioniert. Planerisch geht es bei den Änderungen im ElWOG darum, in einer Vorschau stets genügend Kraftwerkskapazitäten und Kraftwerksreserven zur Verfügung zu haben und den rechtlichen Rahmen dafür zu verändern beziehungsweise zu verbessern.

Die Herausforderungen bei genau dieser Aufgabe steigen, nicht zuletzt deswegen, weil die Nutzung erneuerbarer Energieträger massiv ausgebaut wird, aber erneuerbare Energieträger auch die Eigenschaft haben, dass sie stark fluktuieren. Sie kennen das: Das Winddargebot schwankt sehr stark, auch das Sonnendargebot kann stark schwanken.

Mittlerweile haben wir eine Situation, in der die Menge des aus Sonne, Wind und Wasser erzeugten Ökostroms sogar höher als der Stromverbrauch insgesamt ist. Vielleicht nur zwei Zahlen, um die Dimension zu sehen, die wir mittlerweile in Europa haben – auch wenn noch viel zu tun ist –: Zum Beispiel beim Wind gibt es mittlerweile 192 000 Me­ga­watt, das ist energetisch sozusagen der Gegenwert von 200 Atomkraftwerksblöcken – das ist schon etwas, da hat sich viel getan. Ebenso gibt es in Europa zum Beispiel 150 000 Megawatt aus Fotovoltaik. Um Ihnen einen Vergleich zu geben: Wenn man die Leistung aller Laufkraftwerke in Österreich zusammenzählt, sind es knapp 6 000 Mega­watt. Da ist in den letzten Jahren schon einiges erreicht worden.

Das heißt, es ist eine völlig neue Situation: Es geht nicht mehr nur darum – das regelt jetzt auch das ElWOG –, Reserven zu haben, um vom Kraftwerk mehr Leistung zu bekommen, sondern es geht auch darum, Verbraucher zuschalten zu können, wenn betreffend Ökostrom das Angebot einmal größer als der Verbrauch ist. Diesen Strom, der dann quasi überschüssig ist, könnte man zum Beispiel für Wasserstoffproduk­tions­anlagen verwenden.

Was es übrigens auch braucht, sind sehr gute Prognosemodelle. Damit das möglichst kosteneffizient und zu möglichst geringen Kosten für die KonsumentInnen funktionieren kann, braucht es eine gute Vorhersage, gerade auch was die Erzeugung betrifft, und auch da hat sich sehr viel getan.


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Was auch wichtiger werden wird, ist der überregionale Austausch von Strom – jedenfalls auf europäischer Ebene. Dazu braucht es eine sehr weitreichende Kooperation, um bei Schwankungen zwischen großen Erzeugungsgebieten – beispielsweise Wind in Deutsch­land, Sonne im Süden – ausgleichend wirken zu können. Deswegen setzt die EU zum Beispiel auch einen Rahmen, dass bestimmte Kapazitäten im Austausch über Grenzen hinweg immer freigehalten werden müssen. Das wiederum hat direkten Ein­fluss auf die Bereithaltung von Leistungsreserven.

Die Eckpunkte sind – ich versuche, das verständlich rüberzubringen, und nehme einige heraus –: Der Regelzonenführer muss in Hinkunft jährlich eine umfassende System­analyse mit einer Vorschau über zwei Jahre machen, muss sich auf Basis dessen die Reserveleistung reservieren und Verträge dazu abschließen. Es muss transparent ausgeschrieben werden – das ist völlig neu.

Vielleicht kurz zur Erklärung, was Regelzonenführer sind: Das gesamte europäische Netz ist in sogenannte Regelzonen eingeteilt. In Österreich gibt es mittlerweile nur noch eine Regelzone, früher gab es drei. Die Regelzonen haben die Aufgabe, die Frequenz im Netz konstant zu halten, und die Frequenz hängt von der Belastung des Netzes, von der Leistungsbilanz ab. Genau das ist eben der Job der Regelzonenführer, und genau auf diese zielt das ElWOG sehr stark ab. In Österreich ist das übrigens die APG, die Austrian Power Grid.

Neu ist – und das ist wirklich sehr erfreulich –, dass es jetzt die Möglichkeit gibt, zu poolen. Das heißt, kleine Erzeuger können sich zusammenschließen und gemeinsam ein Angebot machen, Netzreserve bereitzustellen. Das ist, finden wir, ganz, ganz wichtig. Es ist auch eine Demokratisierung der Stromversorgung. Wir merken, dass es ganz, ganz viele Kraftwerksbetreiber mit ganz vielen kleinen Kraftwerken gibt, und die können sich jetzt zusammentun und auch am Markt mitspielen – ein totales Novum und ein großer Schritt. Selbstverständlich – weil es da Bedenken gegeben hat – sind alle Fern­wärmebetreiber, alle Kraft-Wärme-Kopplungen wie beispielsweise in Wien, berechtigt, daran teilzunehmen.

Das klingt alles ein bisschen technisch – das ist es auch. Das Ziel ist ja, dass man davon nichts merkt, dass das ganze System gut funktioniert, dass die Stromversorgung stabil ist und dass wir darauf vertrauen können, dass das Licht nicht ausgeht.

Ich möchte noch ein paar Sätze zur Entwicklung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes sagen, weil es mehrfach angesprochen worden ist: Das EAG ist eines unserer Kern­pro­jekte, das ist ja kein Geheimnis. Es ist wirklich ein großes Paket, es beinhaltet die Novel­lierung mehrerer Gesetze, und ich kann Ihnen versichern, dass es gut werden wird. Es stimmt, dass es sich verzögert hat. Der Plan ist, das wirklich sehr früh im nächsten Jahr in den parlamentarischen Prozess einzubringen. Ich verwehre mich auch ein bisschen gegen die Behauptung, dass man darüber nicht miteinander reden will. Das stimmt definitiv nicht. Es gibt permanent Gespräche mit allen möglichen Stakeholdern. Es gibt Gespräche mit der SPÖ, mit ihren Vertretern im Nationalrat – das wissen Sie –, es gibt Gespräche mit der SPÖ nahestehenden Energieversorgern und so weiter.

Das ist alles nicht ganz trivial, weil die Qualität passen muss – das steht ganz oben. Nebenbei muss auch noch mit der Europäischen Kommission eine Einigung gefunden werden, damit das Ganze selbstverständlich auch EU-rechtskonform ist und man nicht in irgendetwas hineinrennt, was wir nicht wollen.

Damit bin ich am Ende angelangt. Es sind sehr schöne und erfreuliche Verbesserungen, die wir heute beschließen, und auch wir freuen uns auf ein gutes EAG, das wir in Bälde in diesem Raum diskutieren werden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.40



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 29

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


12.40.16

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich jetzt zu den ersten drei Tagesordnungspunkten auch ein bisschen etwas sage, möchte ich doch auf den Exkurs von Kollegen Bernard eingehen.

Ich verstehe es nicht ganz: Corona ist die größte Krise der Nachkriegszeit, die uns alle persönlich beschäftigt. Alle europäischen Länder versuchen, diese Krise so gut es geht zu meistern; das macht auch, glaube ich, unsere Bundesregierung so gut es geht. Es gibt leider keine Checkliste, auf der man nachschauen kann: Was haben wir denn bei der letzten Krise getan?, und so, glaube ich, sind wir trotz aller Widrigkeiten auf einem guten Weg, diese Krise irgendwann zu meistern.

Die Krise besteht, nur kommt es mir manchmal so vor, als ob die FPÖ die Einzige wäre, die diese Krise einfach nicht anerkennt und nicht wahrhaben will. Die FPÖ macht keine Vorschläge, wie man die Krise besser bekämpfen könnte. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Bundesrat Spanring: Genügend Vorschläge! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Genügend!) Die FPÖ weiß im Nachhinein alles besser – sonst fällt mir dazu eigentlich nichts ein. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Ich weiß nicht, wer es gestern beobachtet hat: Für seine Ignoranz und vollkommene Fehl­einschätzung wurde dem bekannten Coronaleugner und Coronaverharmloser Dr. Bhakdi das Goldene Brett vorm Kopf verliehen. Ich weiß nicht genau, wo man das einreichen kann, aber ich wüsste einen Kandidaten, den ich für das Goldene Brett vorm Kopf gerne nominieren würde, nämlich die FPÖ. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Kollege Gross hat gesagt, das sei alles sehr theoretisch. Ich möchte jetzt, weil es so aktuell ist, ein paar wenige praktische Ausführungen zum Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz machen. Für uns alle ist es selbstverständlich, dass das Licht angeht, wenn man am Lichtschalter dreht, dass es warm wird, wenn man die Heizung einschaltet – das alles ist selbstverständlich. Leider hat es in den letzten zehn Tagen große Gebiete im Süden Österreichs, vor allem in Osttirol und Kärnten – ich schaue da zu Elisabeth Mattersberger –, gegeben, wo das nicht mehr selbstverständlich war. Unsere Landsleute wurden aufgrund der starken Schneefälle leider von der Strom­versorgung abgeschnitten, und da geht es ja nicht nur um den Strom – ich habe es schon gesagt –: Da fällt die Heizung aus, da fällt das Mobiltelefon aus, da geht irgendwann das Radio nicht mehr – man ist aufgeschmissen, wenn es keinen Strom gibt. Genau dieses Problem hätten wir auch, nur noch viel großflächiger, wenn es zu einem Blackout kom­men würde.

Dass das alles nicht theoretisch ist, weiß man, denn das hat es in den USA schon gegeben. Was das für Szenarien mit sich bringt – der ganze Verkehr bricht zusammen –, ist unvorstellbar, und es wäre eine weitere Krise, die wir, weil wir sie erfassen und be­schreiben können, rechtzeitig verhindern wollen. Genau das versuchen wir mit dieser Gesetzesänderung. Was kommen wird, ist, dass man eine entsprechende Netzreserve für Österreich vorhält, sodass man, sollte es zu Über- oder Unterspannungen im Netz und damit zu einem Ausfall kommen, rechtzeitig darauf reagieren kann.

Da muss ich schon sagen – Kollege Gross hat es auch gesagt –: Strom ist leider kaum speicherbar. So wünschenswert und begrüßenswert die Stromerzeugung durch Foto­voltaik- und Windkraftanlagen auch ist, diese Form der Stromerzeugung stellt die euro­päischen, aber auch die heimischen Stromnetze vor große Herausforderungen. Prak­tisch gedacht: Strom wird in diesen Anlagen erzeugt, wenn die Sonne scheint oder der


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Wind geht. Wenn kein Wind geht, ist eben kein Strom da, und das ergibt natürlich riesige Unterschiede. Ich kenne auch das Beispiel, dass man sich heute schon sehr vor der nächsten Sonnenfinsternis fürchtet, weil man da vorsorgen muss. Wenn in ganz Europa in der Zeit der Sonnenfinsternis der Strom absolut weg ist und er danach auf einmal wieder kommt, so sind das riesige Herausforderungen. Daher braucht es ein Krisen­mana­gement, und das ist in dieser Gesetzesvorlage beschrieben: wie man sich absichert.

Weil es geheißen hat, Strom sei kaum speicherbar, möchte ich noch eine Lanze für die Stromerzeugung aus Wasserkraft brechen. Ich glaube, die Wasserkraft ist da der zuverlässigste Partner und der größte Schatz, den wir in unserem Land haben, weil die Stromerzeugung durch Wasserkraft genau zu dem Zeitpunkt gestartet werden kann, an dem wir sie brauchen, aber auch jederzeit gestoppt werden kann, wenn zu viel Strom am Markt ist. Diese Tatsache unterstreicht den Stellenwert der Wasserkraft und die Unverzichtbarkeit der Stromerzeugung aus Wasserkraft – aus den bestehenden Anlagen, in der Zukunft aber auch aus neuen Anlagen, die mit der notwendigen Umsicht gebaut werden müssen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.45


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Christoph Steiner zu Wort gemeldet. – Ich verweise auf die Vorschriften, die du ja kennst, Herr Kollege, und bitte um deine Ausführungen.


12.45.49

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Kollege Raggl hat in seiner Rede gerade behauptet, die FPÖ würde keine Vorschläge machen (Bundesrat Raggl: Keine brauchbaren!) und im Nachhinein immer alles besser wissen.

Herr Kollege Raggl, wir haben zig Anträge eingebracht, im Nationalrat und im Bundesrat. Gerade wieder hat ein Redner von der FPÖ, der vor Ihnen dran war, einen Antrag eingebracht. Sie wollen das in Ihrer Ignoranz und in Ihrer Überheblichkeit anscheinend nicht sehen. Ich weiß nicht, wer Ihnen Ihre Reden schreibt, die FPÖ bringt auf jeden Fall genügend Anträge und Vorschläge ein, nur wird das von Ihrer überheblichen Fraktion jedes Mal aufs Neue ignoriert. (Beifall bei der FPÖ.)

12.46


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär, ich erteile Ihnen das Wort.


12.46.44

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Bundesräte! Ich habe jetzt lange überlegt, lieber Michael (in Richtung Bundesrat Bernard), was der Ö3-Schurke und der Vignettenman mit den Fristverlän­gerungen im AWG und ÖSG zu tun haben. Ich habe den Zusammenhang noch nicht ganz verstanden. Über den DDR-Vergleich reden wir nicht, der richtet sich, glaube ich, von selbst. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Inhaltlich ist alles gesagt. Es geht beim Ökostromgesetz und beim Abfallwirt­schafts­gesetz um Fristverlängerungen. Beim AWG geht es um Erleichterungen für die Zwi­schen­lagerung, damit es zu keinen Engpässen kommt. Beim Ökostromgesetz geht es darum, dass Anlagen auch weiterhin gebaut werden können. Die Covid-Krise hat natür­lich zu Verzögerungen geführt.

Erlauben Sie mir einen kleinen Seitenhieb. Lieber Michael, was ich nicht verstehe: Man kann natürlich gegen etwas sein, man kann gegen die Covid-Maßnahmen der Bundesregierung


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 31

sein – okay. Da muss man aber doch nicht auch gleich gegen Erleichterungen für Unternehmen und für die Bürger sein, und das sind Erleichterungen für Unternehmen und Bürger. (Bundesrat Spanring: Das sind nicht ...! – Zwischenruf des Bundesrates Ofner. Das heißt, ihr stimmt bei allem zu, bei allen drei Gesetzentwürfen? – Okay, dieser inhaltliche Zusammenhang ist mir immer noch etwas schleierhaft. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Beim Ökostromgesetz geht es wie gesagt um die Fristverlängerung insbesondere für Fotovoltaikanlagen. Die Verlängerung der Frist für die Inbetriebnahme um zwölf Monate ist, glaube ich, ganz entscheidend, weil es da natürlich zu Verzögerungen aufgrund der Covid-Pandemie gekommen ist.

Vielleicht noch ein paar Sätze zum EAG, weil es ja auch ein paarmal angesprochen worden ist: Über das Biomasseförderung-Grundsatzgesetz, lieber Kollege Novak, disku­tieren wir jetzt auch nicht mehr, denn du hast es vollkommen richtig gesagt – und das hat mich heute überrascht –: Inhaltlich wäre es richtig gewesen und es ist eigentlich zum Schaden der Betreiber passiert, dass ihr dagegengestimmt habt. – Das ist sehr inter­essant, das im Nachhinein, nach so vielen Monaten, von dir zu hören, natürlich ist es aber umso besser, wenn du das so siehst.

Zum EAG insgesamt: Mir ist klar, dass einige heute lieber über den Inhalt des EAG sprechen würden – selbstverständlich, das würde ich auch gerne. Es geht hier aber – auch das wurde angesprochen – sehr stark um die Qualität, auch um die Praxistaug­lichkeit des EAG. Es sind sehr, sehr viele Stellungnahmen inhaltlicher Natur eingegan­gen – sehr vernünftige Stellungnahmen, sehr vernünftige Inhalte und inhaltliche Ver­besse­rungsvorschläge –, und ich glaube, die Qualität, die Praxistauglichkeit und ein gut funktionierendes System sind da schlussendlich wesentlich wichtiger als ein paar Wochen auf oder ab.

Das Zweite ist natürlich, dass wir das Okay aus Brüssel brauchen, es braucht eine Notifizierung. Es gibt noch einige offene Fragen der Kommission, die an uns gestellt worden sind, gerade wenn es um wettbewerbliche Elemente geht – besonders im Wind­bereich –, betreffend Ausschreibungen und so weiter. Da gibt es noch einige Fragen, die wir zu beantworten haben.

Dann kommt natürlich noch die Situation mit der Zweidrittelmehrheit dazu, und da sind wir, und das wurde auch schon angesprochen, selbstverständlich mit den jeweiligen Energiesprechern – mit dem der Sozialdemokraten, aber auch mit dem der Freiheit­lichen – in sehr engem Austausch, und da gibt es eigentlich auch schon sehr kon­struk­tive Vorschläge zur Verbesserung.

Lassen Sie mich kurz auf den Automatismus der GIS-Gebührenbefreiung, auch im Zusammenhang mit der Ökostrompauschale und dem Ökostromförderbeitrag, eingehen: Ja, genau darüber wird diskutiert. Das hat Abgeordneter Schroll von der SPÖ schon entsprechend deponiert und eingebracht. Da werden wir sicher zu einer Lösung kommen.

Kurz noch zur Netzreserve: Lieber Adi, nein, es gibt nicht eine Regelzone, das ist ganz, ganz wichtig für Vorarlberg, sogar entscheidend für Vorarlberg, es gibt weiterhin drei Regelzonen, aber es wird von einer Stelle, von der APG, gemanagt. Das ist ein Riesenunterschied. Bitte, bitte, bitte, das ist verfassungsrechtlich ganz, ganz wichtig für Vorarlberg!

Zum Inhalt: Ein sicherer Betrieb des heimischen Stromnetzes muss gewährleistet sein, auch das ist natürlich bei allen Redebeiträgen bisher herausgekommen, und das setzt auch voraus, dass die Ein- und Ausspeisung von Energie, der Transport von Energie nicht zu einer Überlastung führen. Da geht es eben um die Versorgungssicherheit in


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Österreich, und das funktioniert nur dann verlässlich, wenn man Reserven hat, wenn man ausreichend Reservekapazitäten an gesicherter Leistung hat. Da geht es um das Engpassmanagement in Österreich, und das stellen wir mit dieser Novelle sicher.

Ursprünglich war geplant, dass wir das in das große Energiepaket rund um das Erneu­erbaren-Ausbau-Gesetz mit hineinpacken, aber dadurch, dass wir jetzt eine leichte Verzögerung haben, musste es dringend herausgelöst werden, einfach um auch Rechts­sicherheit und EU-Konformität herzustellen. Die Netzreserve ist unsere Blackoutver­siche­rung, das muss man wissen. Sie ist unsere Blackoutversicherung, damit eben Dinge nicht passieren, wie sie in der Vergangenheit in anderen Ländern – bei uns, Gott sei Dank, etwas weniger – oft passiert sind.

Ich gehe, weil das im Nationalrat einstimmig beschlossen worden ist, davon aus, dass die Freiheitliche Partei beim EIWOG auch jetzt mitgeht, aber bei den anderen beiden, bei ÖSG und AWG, bin ich bezüglich des Abstimmungsverhaltens immer noch gespannt, weil ich nicht ganz herausgefunden habe, ob jetzt dafür- oder dagegengestimmt wird. Ich bin gespannt auf die Abstimmung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.52


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


12.52.34

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Bezüglich der Abstimmung – ursprünglich wollte ich mich zu diesem Tagesordnungspunkt nicht zu Wort melden – ist es so: Es werden drei Tagesordnungspunkte unter einem verhandelt; TOP 2 und 3 werden wir zustimmen und die verfassungsmäßig erforderliche Zustimmung sicherstellen.

Der Grund, warum ich mich zu Wort gemeldet habe, waren die Aussagen des Kollegen Raggl. (Bundesrat Raggl: Ihr habt angefangen!) Ich muss dir, Herr Kollege, wirklich ganz ehrlich sagen, ich schätze dich sehr, aber wenn du so etwas behauptest wie das mit dem Goldenen Brett, dann gebe ich dir mit: Bitte recherchiere vorher und schau dir einmal an, um welche Personen es da geht!

Ich sage dir eines: Das mit Professor Dr. Bhakdi läuft jetzt schon wochenlang, weil er sich traut, Regierungsmaßnahmen zu kritisieren. Es ist so, wie ich es beim letzten Mal gesagt habe: Er war immer der Geachtete, aber jetzt, weil er euch und natürlich auch die deutsche Regierung und die gesetzten Maßnahmen kritisiert, ist er auf einmal der Geächtete. Und warum kriegt er zum Beispiel so einen Preis wie das Goldene Brett? – Weil ihr die Mainstreammedien, die natürlich alles für euch schreiben, die genau das schreiben, was euch etwas bringt, mit Millionen zufüttert. (Beifall bei der FPÖ.)

Und jetzt zu einem eigenen Punkt: Es gab vor Kurzem eine sehr interessante Runde, in der es sogenannte Faktenchecker gab, die dann Herrn Bhakdi bewertet haben. Unter anderen war einer dieser Faktenchecker Frau Kathrin Wesolowski: Drei Monate nach ihrem Journalistikbachelor war sie auf einmal eine Spezialistin, die betreffend Bhakdi einen Faktencheck machen kann. Zweite Faktencheckerin war Kira Urschinger – sie studierte Sprach- und Literaturwissenschaften und Europäische Ethnologie –, eine Radio­moderatorin. Auch sie war als Faktencheckerin die Expertin. Der dritte war Nils Metzger, ein Islamwissenschafter. Die drei stellen sich also hin und trauen sich, als Faktenchecker herzugehen und zu sagen, was Bhakdi als Virologe kann oder nicht kann.

Und jetzt sage ich Ihnen etwas über Professor Dr. Sucharit Bhakdi: Er ist Professor für medizinische Mikrobiologie, für Virologie und Infektionsepidemiologie. Er hat Tau­sende Ärzte ausgebildet, und er hat mehr als 300 auf PubMed gelistete Publikationen.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 33

(Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Er hat den Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz, er hat unter anderem den Preis der Justus-Liebig-Universität Gießen (Bundesrat Steiner: Aber der Raggl ist besser! – Zwischenruf des Bundesrates Seeber), den Konstanzer Medizinischen Förderpreis, den Preis der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, den Dr.-Friedrich-Sasse-Preis, den Ludwig-Schunk-Preis für Humanmedizin, den Gay-Lussac-Humboldt-Preis, den Aronson-Preis für wegweisende Arbeiten auf dem Gebiet des Komplementsystems und bakterieller Toxine und die Rudolf-Schönheimer-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Arterioskleroseforschung erhalten – und da trauen Sie sich, sich hier herzustellen und über diesen Herrn abfällig zu reden, nur weil er gegen Ihre Regierungsmaßnahmen kritisch auftritt? (Bundesrat Seeber: Er hat nicht abfällig gesprochen, das stimmt nicht! Er hat nicht abfällig ge­sprochen!) Schämen Sie sich, meine Damen und Herren! Schämen Sie sich! (Anhal­tender Beifall bei der FPÖ.)

12.56


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Günther Novak zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.56.31

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Staatssekretär Brunner, ich habe mir das jetzt herausgesucht! Ich bin in einer halben Minute wieder weg, aber wir zwei haben da ja gekämpft! Ich habe heute nicht zugegeben und gesagt, dass wir damals falsch gehandelt hätten, wir versuchen nur, das jetzt auf einen besseren Weg zu bringen und zu reden.

Die fünf Punkte, die wir damals eingebracht haben, die fünf Punkte, die ignoriert worden sind, waren: Die Tarife müssen „im Gesetz festgeschrieben“ werden, es soll ein „abge­stuftes Fördermodell nach Effizienz“ geben, damit „Anlagen und KonsumentInnen [...] profitieren“, „Begutachtung ist ein Muss“ – es hat damals keine Begutachtung gegeben –, man soll die Fördernehmer so wie in Deutschland öffentlich machen können, und – jetzt kommt es wieder! –: „Es soll eine automatische Befreiung von der Ökostromabgabe für alle kleinen Einkommen, die auch GIS-befreit sind, geben.“

Das waren die fünf Punkte, die wir damals eingebracht haben, und wenn Frau Bun­desminister Köstinger nur einen einzigen Schritt nach vorne gemacht und nicht erst am letzten Tag mit uns geredet hätte, dann wäre das Gesetz über die Bühne gegangen – nur so viel zur Berichtigung! (Beifall bei der SPÖ.)

12.57


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es liegt eine weitere Wortmeldung vor: Bundesrat Marco Schreuder hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


12.57.55

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur eines hier festhalten – ich finde das wichtig –: Diese Auszeichnung, die sich Herr Dr. Bhakdi redlich verdient hat, nämlich dieses Goldene Brett, wird nicht von der Bundesregierung verliehen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das hat er ja nicht gesagt!), sondern von unab­hängigen Expertinnen und Experten, von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, die genau überprüfen, wo es Verschwörungstheorien gibt, wo falsche Geschichten erzählt werden.

Das ist ja ein Problem unserer Mediengesellschaft – das nennt man das False-balance-Problem (Bundesrat Ofner: Sie verstehen das nicht!) –: Da gibt es dann drei Millionen


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 34

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die einen Konsens haben, und einen, der dagegenspricht. (Bundesrat Ofner: Na!) Der wird dann in den Medien herumgetragen, und dann wird so getan, als ob das eine relevante wissenschaftliche Ansicht wäre (Ruf bei der FPÖ: Die sind ja gleich objektiv, die Medien!), die dann leider auch in der Politik und im Populismus ihren Niederschlag findet. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Juhu!) Dem muss man ganz vehement entgegentreten. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der BundesrätInnen Schumann und Novak.)

12.59

12.59.05


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschafts­ge­setz 2002 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. De­zember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 und das KWK-Gesetz geändert werden.

Dieser Beschluss ist ein Fall des Art. 44 Abs. 2 B-VG und bedarf daher der in Anwesen­heit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsgemäße Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsgemäß erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „automatische Befreiung von Ökostrom­pau­schale und Ökostromförderbeitrag für den anspruchsberechtigten Personenkreis“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 35

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 geändert wird.

Dieser Beschluss ist ebenfalls ein Fall des Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsgemäße Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der gegenständliche Antrag ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsgemäß erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Bevor wir zum 4. Punkt der Tagesordnung gelangen, gebe ich bekannt, dass soeben eine Mitteilung des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramts eingetroffen ist, in der uns mitgeteilt wird, dass Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz ab heute Mittag gemäß Art. 73 Abs. 1 B-VG durch Herrn Vizekanzler Mag. Werner Kogler einvernehmlich vertreten wird.

13.04.10 4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz 2011 (EZG-Novelle 2020) geändert wird (472 d.B. und 505 d.B. sowie 10524/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Nun gelangen wir zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter dazu ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Adi Gross. – Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat.


13.04.34

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz 2011 geändert wird, zur Kenntnis bringen.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 36

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


13.05.27

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundes­rates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich komme nun auf den wesentlichen Inhalt des Bundesgesetzes, mit dem das Emissionszertifikategesetz 2011 durch die Novelle 2020 geändert werden soll, zu sprechen.

Beim Herbstgipfel 2014 der EU-Staats- und Regierungschefs wurden klima- und ener­gie­politische Ziele der EU bis zum Jahr 2030 definiert. Unter anderem war das damals eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990. Das damalige Reduktionsziel wurde auch als Beitrag der EU zur Umsetzung des UN-Übereinkommens von Paris offiziell kommuniziert. Der Europäische Rat hat sich außerdem das Ziel gesetzt, die Treibhausgase im Vergleich zu 2005 in den Sektoren, die dem Emissionshandel unterliegen, um 43 Prozent und in den restlichen Sektoren um 30 Prozent zu reduzieren, und die Europäische Kommission beauftragt, die ent­sprechen­den Rechtsvorschriften dafür vorzulegen.

Mit Oktober 2015 legte die Europäische Kommission einen Legislativvorschlag für die Änderung der Emissionshandelsrichtlinie vor, der vorrangig im Zeichen der methodi­schen Weiterführung des bestehenden Handelssystems bis zum Jahr 2030 stand. Inhaltlich lehnt sich die Revision eng an die beim Herbstgipfel 2014 vereinbarten Rah­menbedingungen an, wie etwa die Ausgestaltung des Reduktionspfades, die Festlegung der Gesamtmenge an Gratiszertifikaten und die Regelung zum Schutz vor Abwan­de­rung.

Die relevanten EU-Rechtsakte sind mittlerweile in Kraft getreten. Für den vorliegenden Gesetzentwurf ist vor allem die Richtlinie (EU) 2018/410 zur Änderung der Emissions­handelsrichtlinie 2003/87 relevant. Diese ist nach den langen Verhandlungen im EU-Rat und im Europäischen Parlament mit 8. April 2018 in Kraft getreten. Die nationale Um­setzung war binnen 18 Monaten, sprich spätestens mit 8. Oktober 2019, vorgesehen. Mit dem nun vorliegenden Entwurf für eine Novelle des EZG 2011 soll für Österreich die rechtliche Umsetzung der Richtlinie erfolgen. Aufgrund der Tatsache, dass die metho­dischen Details auf EU-Ebene festgelegt wurden, liegt der Fokus des Entwurfs der Novelle auf der Schaffung des für die nationale Administration des Emissions­handels­systems ab 2021 nötigen verwaltungstechnischen Rahmens. Darüber hinaus sollen auch Vollzugsprobleme, die in den letzten Jahren aufgetreten sind, bereinigt werden.

Die Eckpfeiler des 2013 unionsweit harmonisierten Emissionshandelssystems sind weit­gehend unverändert geblieben und betreffen vor allem folgende Aspekte: Periodizität: Die Emissionshandelsrichtlinie ist grundsätzlich periodenoffen gestaltet, wobei Zuteilun­gen für jeweils aufeinanderfolgende Fünfjahreszeiträume berechnet werden; den Gel­tungs­bereich: Anhang I der Emissionshandelsrichtlinie – das betrifft Luftverkehrstätig­keiten beziehungsweise Tätigkeiten in Anlagen – ist inhaltlich gleichgeblieben.


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Lineare Reduktion der Gesamtmenge an Zertifikaten: Gemäß Art. 9 und 9a wird ab 2021 die verfügbare Menge an Zertifikaten um 2,2 Prozent pro Jahr reduziert, sodass 2030 die Gesamtmenge 43 Prozent niedriger ist als 2005. – Pro Jahr sind das 48 Millionen Tonnen Einsparung.

Festlegung eines Versteigerungsanteils: Artikel 10 legt fest, dass grundsätzlich 57 Pro­zent – kann aber zur Vermeidung eines Korrekturfaktors um bis zu 3 Prozent gesenkt werden – der Gesamtmenge an Zertifikaten versteigert wird, wobei 90 Prozent der Versteigerungsmengen auf Basis des bestehenden Versteigerungsschlüssels aufgeteilt werden und die restlichen 10 Prozent im Sinne der Solidarität den ärmeren Mitglied­staaten vorbehalten sind.

Energieproduzenten müssen Zertifikate ersteigern. Dies ist noch bis 2023 möglich.

Die Zertifikatspreise pro Tonne CO2 liegen derzeit bei circa 25 Euro pro Tonne, waren aber kurzfristig im Zeitfenster des ersten Lockdowns bei 10 bis 15 Euro pro Tonne, und es wird angenommen, dass der Preis steigt – bis 2030 auf 35 bis 50 Euro pro Tonne. Beim letzten Gipfel am Donnerstag voriger Woche wurde sogar eine Gesamtreduktion um 55 Prozent beschlossen.

Das Ziel der österreichischen Bundesregierung muss es aber sein, auch jene Unter­nehmen zu unterstützen, die besonders emissionsintensiv sind und gleichzeitig in einer Wirtschaftskrise Arbeitsplätze schaffen und halten. Im Ministerratsvortrag wird dies­bezüglich angekündigt, dass auch im ersten Halbjahr 2021 eine rechtliche Grundlage für ein Instrument, mit dem jene Unternehmen, die für den Standort Österreich besonders wichtig sind, bei der Anpassung an die notwendigen Veränderungen unterstützt werden, kommen soll. Dieses Instrument soll ab 2022 wirksam sein und besonders emissions­intensive Unternehmen wettbewerbsfähig und kompatibel mit dem Pariser Klima­abkom­men weiterentwickeln.

Aus unserer Sicht müssen aber Klimaschutzmaßnahmen mit Hausverstand Hand in Hand gehen. Hier hinkt der Hausverstand hinten nach. Man beschließt etwas und will sich erst später überlegen, wie die wirtschaftlichen Folgen abgefedert werden sollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Als freiheitlicher Energiesprecher mit Hausverstand fordere ich: Wir müssen verstärkt auf erneuerbare Energien im eigenen Land setzen und auf Basis eines Energie­masterplans verbindliche Ziele für den Ausbau erneuerbarer Primärenergieträger festlegen, anstatt Hunderte Millionen Euro für einen gescheiterten Emissionszerti­fikat­handel zu verschwenden, der wieder massive Belastungen für die Bevölkerung nach sich zieht.

Apropos Belastung – Frage an die Belastungskaiser der türkis-grünen Fraktionen –: Wie fühlen Sie sich dabei, wenn Sie durch die geplante Erhöhung der NoVA, die jetzt bereits bei einem Familienauto, zum Beispiel bei einem VW Sharan, 3 344 Euro ausmacht, in Zukunft 6 560 Euro einheben? Wie fühlen Sie sich dabei, wenn Sie den nächsten Belastungsanschlag auf die Wirtschaftstreibenden ausführen, indem Sie bei einem Klein-Lkw, einem Transporter, derzeit 0 Euro NoVA, beim selben Kleintransporter 2024 17 630 Euro NoVA einheben? (Beifall bei der FPÖ.)

Was sagt die ehemalige sogenannte Wirtschaftspartei dazu? Ist das alles leistbar? Wer wird denn das bezahlen? Der Endkonsument, der Kunde? (Bundesrat Steiner: „Koste es, was es wolle“!) Ich frage mich schön langsam, was in Ihren Köpfen wirklich vorgeht, wie Sie das den Menschen, den Bürgern und vor allem den Klein- und Kleinst­unter­nehmen erklären und auch verkaufen wollen. Das können Sie nicht, weil Sie am Ende des Tages den Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig schädigen und vernichten. Das


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ist anscheinend Ihr Ziel, und da tun wir nicht mit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hoffe inständig, dass Sie wieder einmal zur Normalität kommen, aber zur normalen Normalität abseits des Coronawahnsinns und Ihrer Wirtschaftsbelastungen und wirt­schafts­feindlichen Maßnahmen, die Sie treffen. Gehen Sie in sich und probieren Sie einmal, Maßnahmen mit den Menschen zu setzen und sie nicht permanent zu belasten und vor den Karren zu spannen!

Zu Kollegen Raggl: Es ist eine Ehre für mich, wenn Sie mich auf die gleiche Ebene wie Herrn Dr. Sucharit Bhakdi stellen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.13


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


13.14.06

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Bevor ich loslege, nur ein Satz zu Herrn Bernard: Wenn ich Ihnen zum Thema Klimaschutz zuhöre, bin ich wirklich froh, dass wir hier Klimaschutz machen und nicht die FPÖ. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Da sind nicht einmal die Eigenen davon überzeugt!)

Zum EZG – ich möchte mit etwas Persönlichem beginnen –: Ich kann mich noch gut an den frühen Abend des 12. Dezember 2015 erinnern – das war praktisch vor genau fünf Jahren –: Stundenlang habe ich in einer Liveübertragung die Endphase der Verhand­lungen und vor allem die Schlusssitzung in Paris verfolgt. Das war schon beeindruckend: die Welt versammelt in einem Saal, ringend um ein so dringend notwendiges Klima­schutz­abkommen, ringend um eine Vereinbarung, die es ermöglichen soll, dass unsere Kinder und Enkel und deren Kinder und Enkel noch einen Planeten vorfinden, auf dem man gut leben kann, auf dem man seine Träume verwirklichen kann.

Dann war es endlich so weit: Kurz vor halb sieben Uhr fällt der Hammer, das Abkommen war da. Alle Leute im Saal klatschten stehend, sichtlich emotional berührt. Mir ist es auch so ergangen. Mit Tränen in den Augen habe ich mich gefreut, dass dieses wichtige Abkommen gelungen war.

Die Kernaussage des Abkommen ist, dass – ich zitiere – die globale Temperatur­erhö­hung „deutlich unter 2 °C“ gehalten wird und weitere „Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C [...] zu begrenzen.“ – Dieses Ziel ist nichts weniger als eine Überlebensbedingung – und es ist ein Meilenstein.

Der Satz ist inzwischen der entscheidende Bezugspunkt jedweder Klimapolitik. Jetzt kann man das Pariser Abkommen ob seiner Schwächen rauf und runter kritisieren – ich habe das persönlich oft genug gemacht –, es ist trotzdem ein Meilenstein. Endlich wurde eine weltumspannende Marke gesetzt. Die USA, deren Austritt übrigens vor einigen Monaten wirksam geworden ist, werden mit Präsident Biden Anfang kommenden Jahres wieder eintreten.

Europa nimmt in der Klimaschutzpolitik insgesamt eine erfreuliche Haltung ein, auch wenn man das leider nicht für alle Mitgliedstaaten sagen kann, vor allem nicht für Polen, Ungarn, Tschechien. Trotzdem: Europa hat ebenfalls vor fast genau einem Jahr – es war am 11. Dezember – in Person der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Europäischen Green Deal aus der Taufe gehoben, eine in ihrer Ambition in der Geschichte der EU definitiv einmalige Sache. Auch daran kann man Kritik üben, aber es ist ein großer Schritt. Im Rahmenbudget der EU zum Beispiel sollen bis 2026 mindestens


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30 Prozent aller Mittel in den Klimaschutz fließen. Das sind, weil das auch für den Recoveryfund gilt, immerhin 500 Milliarden Euro.

Österreich, lange Jahre Nachzügler im Klimaschutz, ist dabei, seine Rolle grundlegend zu verändern. Vor auch bald einem Jahr ist es gelungen, ein umfassendes Klimaschutz­programm im Regierungsübereinkommen zu verankern. Es ist gelungen, das Ziel zu verankern, bis 2040, also in 20 Jahren, klimaneutral zu sein. Ambitionierter kann man ein Ziel jedenfalls nicht mehr setzen, und es sucht weltweit seinesgleichen.

Jetzt laufen mit hoher Intensität die Arbeiten an den dafür notwendigen Rahmen­bedin­gungen – das sind sehr viele. Viele Pakete werden derzeit gleichzeitig entwickelt. Da wird vieles gelingen und es ist schon mehr gelungen, als Österreich auf jeden Fall jemals an Klimaschutz gesehen hat. Auch daran kann man Kritik üben, ja, das gebe ich zu, es stimmt, es reicht trotzdem immer noch nicht für 1,5 Grad. Es reicht aber vor allem des­wegen noch nicht, weil politisch und gesellschaftlich derzeit nicht mehr drinnen ist; das wissen Sie auch, die Sie das im Detail mitverfolgen.

Wir arbeiten sehr daran, dass sich die Intensität der Klimaschutzmaßnahmen deutlich erhöht. Warum? – Weil es eilt. Es ist ja nicht einmal so sehr eine Frage des Ob – die Entwicklungen gehen in die Richtung –, sondern wir haben vor allem ein Zeitproblem, ein Geschwindigkeitsproblem.

Ich möchte das wirklich ganz kurz sehr plastisch am sogenannten CO2-Budget erläutern. Wir kennen die Mechanismen zwischen CO2-Emissionen und Temperaturerhöhung. Das CO2-Budget ist also jene Menge, die wir noch zur Verfügung haben, die noch emittiert werden darf, um das 1,5-Grad-Celsius-Ziel einzuhalten. Das ist das CO2-Budget. Das kann man global berechnen, man kann es aber auch auf Staaten herunterbrechen.

Das ist natürlich gemacht worden, in Österreich unter anderem vom Climate Change Centre Austria, einem Zusammenschluss von österreichischen Klimawissenschaftern aller möglichen Sparten.

Ergebnis ist, dass wir noch rund 700 Millionen Tonnen emittieren dürfen. So, diese Zahl sagt zunächst einmal nichts, aber das hieße, beim gegenwärtigen Emissionsniveau wäre unser Budget in acht Jahren aufgebraucht – in acht Jahren, das ist morgen! Das verlangt eine grundlegende Neuorientierung der Klimaschutzpolitik, eine grundlegende Priorisie­rung von Klimaschutzmaßnahmen und einen grundlegenden Transformationsprozess in allen Bereichen, der dafür notwendig ist.

Daran knüpft der Emissionshandel direkt an. Der Emissionshandel ist eines der wich­tigsten Instrumente, um Klimaziele zu erreichen. Der Emissionshandel zielt auf große Emittenten ab, auf große Energieverbraucher, auf Kraftwerke, beispielsweise, sofern sie fossile Energieträger nutzen, auf große Industriebetriebe und so weiter, und er ist ein Instrument, das marktwirtschaftlich organisiert und europaweit geregelt ist.

Europaweit sind etwa 11 000 Anlagen im Emissionshandel. Diese verursachen zusam­men 40 Prozent der gesamten Emissionen; das ist wirklich sehr viel. Deswegen ist das ein wichtiges, mächtiges Instrument. In Österreich sind es um die 200 Anlagen, die da integriert sind.

Der Emissionshandel funktioniert nach dem Prinzip Cap and Trade. Was heißt das, einfach erklärt? – Es gibt jedes Jahr eine gewisse Menge an Emissionszertifikaten, an Emissionsberechtigungen, die zur Verfügung stehen. Diese werden nach einem gere­gelten System verteilt. Die Idee ist klarerweise, dass sie knapp sind. Es entwickelt sich dadurch einfach auch ein Preis. Die Unternehmen können selber entscheiden, ob sie Zertifikate zukaufen oder selber Maßnahmen setzen. Jahr für Jahr wird dann die Menge reduziert, eben das Cap.


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Zum „Hausverstand“ der FPÖ: Also ich kann das nicht nachvollziehen. Es hat für mich nichts mit Hausverstand zu tun, wenn man emissionsintensive Betriebe einfach irgend­wie mit Geldern unterstützt, damit sie weiter emittieren. So funktioniert das nicht.

Das Gegenteil ist der Fall. Man sieht ganz klar, dass jene Betriebe in Europa im Emis­sionshandel profitieren, die innovativ sind. Das gilt für viele Betriebe in Österreich, für die Voest beispielsweise. Es gibt nämlich umfängliche Gratiszuteilungen, und man bekommt umso mehr Gratiszertifikate, umso innovativer man ist, umso effizienter man ist. Man erspart sich damit eine Menge Geld. Das ist also ein grundrichtiger Mechanis­mus.

Die Novelle selber setzt – das haben wir gehört – ausführlich die europäische Richtlinie um. Da sind die Spielräume gering. Das ist auch gut so, denn die europäische Wirtschaft ist eng miteinander verwoben.

Eine Bemerkung noch zur Arbeitsplatzgefährdung: Emissionshandel – das stimmt; das wissen Sie natürlich – kennt explizit den Begriff des Carbon Leakage. Das heißt, Be­triebe, die abwanderungsgefährdet sind, die global unter besonders starkem Wettbe­werbsdruck stehen, bekommen besonders viele Zertifikate gratis zugeteilt.

Es geht somit in der vorliegenden Novelle um den formalen Rahmen des Emissions­handels, um für die nächste Handelsperiode fit zu sein. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Stimmen Sie mit Hausverstand zu! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.24


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


13.24.19

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Liebe Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär, lieber Magnus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Wenn wir in Österreich gute Klimapolitik für uns und für unsere nächsten Generationen machen wollen – und das tun wir, das macht die Regierung –, dann müssen wir schauen: Wo stehen wir? Wohin wollen wir? Welche Vorgaben gibt es seitens der Europäischen Union? Welche Ziele setzen wir uns selber und wie können wir diese Ziele erreichen?

Die Klimaveränderung darf nicht nur regional gedacht werden. Klimaschutz fordert eigentlich alle Nationen in Verbindung mit den Vorgaben der Europäischen Union – und das sind sehr herausfordernde Ziele – und darüber hinaus natürlich auch die ganze Welt heraus.

Wo stehen wir? Was sind unsere größten Sorgen? – Ohne die Verursacher zu ver­urteilen muss man es doch aufzeigen: Das sind die Emissionen im Verkehrsbereich, die seit 1990 um über 70 Prozent gestiegen sind. Die Bundesregierung und der Nationalrat und der Bundesrat haben noch nie ein solch großes Paket geschnürt, ein Investitions­programm. Es wurde bei der vorletzten Bundesratssitzung fixiert, als ein Investitions­paket für den Ausbau der Schiene beschlossen wurde, mit Anreizen, den Personen- und den Güterverkehr auf die Schiene zu bringen. Dieses Paket, glaube ich, sollte auch helfen, die Klimaziele leichter zu erreichen.

Es dürfen aber nicht jene Menschen zum Handkuss kommen, die nicht die Möglichkeit haben, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Dabei denke ich im Besonderen an die vielen Menschen, die in den ländlichen Regionen leben und arbeiten, an die vielen Pendler, die ohne Auto nicht zur Arbeit oder ohne Auto nicht wieder von der Arbeit nach Hause kämen.


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Geschätzte Damen und Herren! Neben der Mobilität ist auch die produktionsgetriebene Industrie ein wesentlicher Faktor. Die Energie, die man für Wohnen, für die Heizung, für die Wärme, für die tägliche Lebensführung braucht, muss natürlich auch produziert wer­den.

Besonders deutlich sieht man, wie sich Jahre der Hochkonjunktur oder wie sich eben zurzeit ein – hoffentlich bald vorübergehender – Wirtschaftseinbruch auf CO2-Emis­sio­nen auswirkt.

Das heißt: Raus aus den fossilen Energieträgern, hin zu erneuerbaren Energiequellen! Da sind wir dank guter Forschung und neuer Technologien sehr, sehr gut aufgestellt und können Energiequellen wie Wind, Sonne, Wasser und speziell auch Biomasse, die es vor Ort gibt, wesentlich effizienter nutzen.

Noch ein Punkt, der mir sehr wichtig erscheint: Mit dem Beschluss, die thermische Sanierung von Wohnungen und Wohnhäusern finanziell zu unterstützen, aber auch den Ölkesselaustausch voranzutreiben, geben wir den Menschen im privaten Bereich die Möglichkeit, für den Klimaschutz ihren wichtigen Beitrag zu leisten. Dieser Beschluss ist auch nicht erst unlängst gefasst worden. Zudem werden dadurch über 60 000 Arbeits­plätze für die Zukunft abgesichert.

Ein paar Worte zur Landwirtschaft: Auch die Landwirtschaft leistet einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz, und zwar durch nachhaltige Bewirtschaftung. 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe nehmen am Umweltprogramm teil. Klimaexperten bestä­tigen uns, dass Landwirtschaft durch nachhaltige Bewirtschaftung eine positive Klima­bilanz aufweist, wobei Grünland durch artgerechte Nutzung mehr CO2 speichert als zum Beispiel ein ausgewachsener alter Wald. Warum? – Weil durch mehrmähdiges Nutzen der Flächen, ob durch Abweiden oder Mähen, das heißt durch Weide durch Tiere oder durch Mähen, der Boden und die Wurzelmasse nach jeder Nutzung wieder CO2 speichern können. Brachflächen hingegen verbuschen und nicht bewirtschaftete Wiesen oder ein uralter Wald weisen kaum Speicherkapazität auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es lohnt sich auch, die Landwirtschaft, die naturnahe, die nachhaltige Landwirtschaft, weiterhin zu unterstützen, sodass die Betriebe nicht aufgegeben, sondern mit Motivation weiterhin bewirtschaftet werden. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziele zu formulieren, niederzuschreiben, das ist das eine, die Ziele umzusetzen, das ist das andere.

Ich glaube, wir sind in Verbindung mit der Europäischen Kommission, im Speziellen auch mit unserer Bundesregierung, die wirklich große Ziele hat, wir haben gemeinsam große Ziele, auf einem guten Weg, vieles umzusetzen. Das müssen wir gemeinsam schaffen. Diesen Weg müssen wir gemeinsam ausbauen und konsequent gehen. Packen wir es gemeinsam an! Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.30


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Anna Lancaster ans RednerInnenpult bitten. – Bitte.


13.30.30

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Werte Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen via Livestream! Inhaltlich wurde zu dem Thema zum Emissionszertifikategesetz  von den Vorrednern Bernard und Gross schon sehr viel gesagt. Eines ist klar: Aufhalten können wir den Klimawandel nicht mehr, aber mit gemeinsamer Kraftanstrengung können wir die Erhitzung unseres Planeten einbremsen. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 42

Beim Pariser Klimaabkommen vor fünf Jahren hat man sich  wie schon erwähnt  auf eine 40-prozentige Reduktion geeinigt, vorige Woche sah schließlich der Europäische Rat die dringende Notwendigkeit einer 55-prozentigen Reduktion.

Rückblickend muss man sagen, Österreich hat in den vergangenen Jahren seine CO2-Reduktionsziele nicht erreicht, wahrscheinlich haben wir sie auch 2019 nicht erreicht. Im Jahr 2020 könnte das Ziel aufgrund der Gesundheitskrise erreicht werden.

Für 2021 liegen im Dezember 2020 noch keine Reduktionsziele vor, auch nicht nach dem übergeordneten alten 40-Prozent-Ziel. Auf die CO2-Reduktionsziele nach dem 55-Prozent-Ziel werden wir wahrscheinlich warten müssen; hoffentlich geht sich das noch vor dem Jahresende 2021 aus, man weiß ja nicht, was noch alles kommt. Wir behandelten ja auch schon Jahresvorschauen im November des vorausgeschauten Jahres.

So werden wir, die in Österreich lebenden, arbeitenden und wirtschaftenden Menschen unseren Beitrag zur Reduktion der Erderwärmung auf 1,5 Grad nach dem Pariser Ab­kommen nicht schaffen. Rahmenbedingungen müssen vorgegeben werden und Instru­mente geschaffen werden, die einen Übergang zu einer klimafreundlicheren Gesell­schaft gelingen lassen.

Auch die vorliegende Novelle des Emissionszertifikategesetzes ist verspätet, wie könnte es auch anders sein. Der entsprechende EU-Rechtsakt ist, wie wir schon gehört haben, am 8. April 2018 in Kraft getreten, die nationale Umsetzung hätte bis 8. Oktober 2019 erfolgen sollen. Außerdem geht die Novelle inhaltlich nicht über die EU-Vorgaben hinaus. Da stellt sich dann doch die Frage beziehungsweise liegt die Frage nahe: Was ist der Grund der Verzögerung? Wie kann man dies halbwegs sachlich, ohne vorder­gründige Ausreden erklären? Wie wir im Ausschuss gehört haben, lukrieren wir aus dem Zertifikatehandel eine Menge Geld. Die Kosten für die Zertifikate haben wir auch schon gehört, sie liegen gegenwärtig bei 25 Euro pro Tonne CO2, bei einer Verknappung der Zertifikate bis 2030 können sich die Preise jedoch verdoppeln.

Es müssen zügig Anreize gesetzt werden, um die Innovation in Gang zu setzen, damit der CO2-Ausstoß reduziert wird. In der türkis-grünen Regierungserklärung steht: „Prüfung der zweckgebundenen Verwendung der Versteigerungserlöse aus dem Zertifi­katshandel [...] als zusätzliche Mittel für den Klimaschutz und klimagerechte Inno­vation“. – Dazu findet sich in der Novelle nichts. Die Festschreibung der Zweckwidmung von Einnahmen aus dem Zertifikatehandel für klimafreundliche Maßnahmen wurde ausgespart. War etwa der Kommunikationsbedarf in der Regierung höher als erwartet? Die Ausrichtung dieser Zweckwidmung ist wichtig, eine Zweckbindung muss Unter­nehmen und Haushalte gleichermaßen zugutekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist dringend notwendig, da zu einem Ergebnis zu kommen. Umsetzungsreife Projekte liegen bereits in den Schubladen und harren der Dinge. Mobilität ist ein zentrales Thema von privaten Haushalten. Da muss noch viel getan werden, damit öffentliche Verkehrs­mittel immer die erste Wahl bei der Mobilitätsentscheidung werden. Das 1-2-3-Klima­ticket allein reicht nicht, der Ausbau von öffentlichen VKM-Angeboten im ländlichen Raum muss zügig vorangetrieben werden. Es darf nicht sein, dass es im ländlichen Raum keine brauchbaren Alternativen zur klimaschädlichen Mobilität gibt und im Um­kehrschluss klimaschädliches Verhalten zu bezahlen sein wird. Das Leben im ländlichen Raum muss leistbar bleiben, auch für Geringverdiener. Da braucht es noch viel Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Regierung muss weg vom Reden, aber in die Gänge kommen. Der Klimawandel geht unbeirrt von Absichtserklärungen und Pressestatements der Regierung weiter. Es ist keine Zeit für Selbstlob und Schuldverschiebungen zum Beispiel in die Vergangen­heit. Was war noch einmal Ihr Regierungsmotto? – „Das Beste aus beiden Welten“,


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 43

oder? Eine Frage dazu: Kommt die grüne Welt erst dann zum Zug, wenn sie zur türkisen Welt mutiert ist? (Beifall bei der SPÖ.)

Schaut ganz schön schwierig aus für das Beste aus der grünen Welt, oder? In der Außensicht scheint der Durchsetzungskraft der grünen Welt manchmal die Farbe weg­zubleiben. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) Der Klimawandel kennt kein Schwächeln. Im Gegenteil! Jedes Versäumnis beschleunigt ihn.

Wie Julia Herr schon im Nationalrat fordere ich einen Transformationsfonds, um den Übergang zu einer klimafreundlichen Gesellschaft fair und gerecht zu gestalten, die österreichische Industrie zu unterstützen und gut bezahlte Arbeitsplätze zu retten (Beifall bei der SPÖ), und um ganz einfach sicherzustellen, dass wir diesen Übergang ökologisch und sozial gerecht schaffen.

In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.37


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


13.37.52

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Frau Kollegin Lancaster, ich kann Sie be­ruhigen: Zwei Welten bleiben zwei Welten. Es wird weiterhin eine grüne Welt und eine türkise Welt geben. (Bundesrat Schennach: Also eine ist blass geworden! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) Wenn wir das Beste aus diesen beiden Welten heraus­bringen, umso besser. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Diese Novelle, sehr geehrte Damen und Herren, zielt auf eine reine Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben ab, das wurde bereits besprochen, auch einige Rechtsbereinigungen werden durchgeführt, vorgenommen. Ja, Frau Kollegin Lancaster, ich muss noch einmal auf Sie zurückkommen, ja, diese Novelle beinhaltet keine Zweck­bindung, das stimmt. Wenn Sie den Text des Ministerratsvortrags gelesen haben: Demnach sollen für die Dekarbonisierung der Industrie und auch für die einkommens­schwachen Haushalte eigene Finanzierungsvehikel geschaffen werden. Diesbezüglich laufen die Gespräche zwischen Frau Bundesministerin Gewessler und dem Herrn Finanz­minister sehr intensiv, da kann ich Sie auch beruhigen. (Bundesrat Schennach: ... das soll im Gesetz stehen! Was nutzt der Vortrag?)

Vielleicht noch ein paar Sätze zur Klimapolitik insgesamt: Kollege Adi Gross hat Paris angesprochen, ja, auch die letztwöchige Einigung beim Europäischen Rat auf das sehr ambitionierte EU-Klimaziel von 55 Prozent ist ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg in Richtung Klimaneutralität 2050. Österreich ist da etwas weiter und in dem Bereich auch Vorreiter. Wir sind da, glaube ich, mit den Maßnahmen, die im Regierungsprogramm stehen, sehr, sehr gut aufgestellt.

Die Aussage des Kollegen Gfrerer hat mir auch sehr gut gefallen: Ziele hinein­zu­schrei­ben und hinzuschreiben ist das eine, aber herunterzubrechen und dann wirklich mit Maßnahmen umzusetzen, das ist das andere. Das versuchen wir natürlich auch. Es braucht dieses EU-Ziel, wenn man das auf die Mitgliedstaaten runterbricht, und natürlich auch neue Regelungen für den Emissionshandel.

Daher wird dieses Emissionszertifikategesetz natürlich in den nächsten Monaten und in der kommenden Legislaturperiode noch geändert werden müssen, um eben diese Ziele der Europäischen Union entsprechend herunterzubrechen.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 44

Was, glaube ich, ganz wichtig ist: dass die Klimaziele niemals auf Kosten der Wirtschaft und der Industrie erreicht werden sollten. Ich halte auch nichts von Verboten, von Ein­schränkungen, von Belastungen – das wäre der falsche Weg. Stattdessen brauchen wir Anreize, wir brauchen ein Miteinander von Politik, Wirtschaft, aber auch der breiten Bevölkerung, denn nur dann, wenn wir alle, wenn jeder dieser Bereiche einen Beitrag leistet, können wir die Energiewende, auch die Chancen, die sich aus der Energiewende ergeben, entsprechend nützen.

Eine vernünftige Klimapolitik, eine vernünftige Umweltpolitik ist immer eine riesengroße Chance für die Wirtschaft und für den Wirtschaftsstandort, damit auch für die Arbeits­plätze insgesamt. Ich glaube, viele der Unternehmerinnen und Unternehmer in Öster­reich sind schon einen Schritt weiter, haben Konzepte in ihren Schubladen. Wenn ich meine Nachfolgerin hier im Bundesrat Christine Schwarz-Fuchs anschaue, die das in ihrem Unternehmen zum Ziel gemacht hat und diese Klimaneutralität auch sozusagen als Goodie, als USP ihren Kundinnen und Kunden gegenüber vor den Vorhang holt, kann ich sagen, das sind genau die Unternehmen, auf die wir auch stolz sein können.

Es ist auch ganz, ganz wichtig, zu sagen, dass diese Klimaziele, die heute angesprochen worden sind, ambitioniert, ja, für viele vielleicht überambitioniert sind. Wir werden sie mit den derzeitigen technologischen Möglichkeiten auch nicht oder nur schwer erreichen und deswegen müssen wir auf Innovation setzen. Nur mit Innovation werden wir eine Chance haben, diese ambitionierten Ziele, die wir uns in Österreich und als Bundes­regierung gesetzt haben, auch zu erreichen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.42

13.42.00


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.42.345. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend Änderungen des Protokolls von 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenz­überschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schad­stoffe (406 d.B. und 503 d.B. sowie 10525/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996, das Bundeskriminalamt-Gesetz, das Fluorierte Treibhausgase-Gesetz 2009 und das Biozidproduktegesetz geändert werden (467 d.B. und 504 d.B. sowie 10526/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 5 und 6, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Ich bitte um die Berichte, Herr Kollege.


13.43.33


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 45

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend Änderungen des Protokolls von 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schadstoffe zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt wie gewohnt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zur Antrag­stellung, die in diesem Fall ein bisschen komplexer ist.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den nichtunionsrechtlichen Teil der Änderung des gegenständlichen Staatsvertrags durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich erstatte gleich auch Bericht zu Tagesordnungspunkt 6: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996, das Bundeskriminalamt-Gesetz, das Fluorierte Treibhausgase-Gesetz 2009 und das Biozidproduktegesetz geändert werden, zur Kenntnis.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen damit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. – Bitte sehr.


13.45.49

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Seit Beginn der Industrialisierung Mitte des 18. Jahrhunderts hat die Lebensweise des modernen Menschen dazu geführt, dass sich die Konzentration der Treibhausgase – Kohlendioxid, Methan, Lachgas – und der fluorierten Treibhausgase massiv erhöht hat.

Die dadurch zusätzlich ausgelöste Erderwärmung ist der von Menschen gemachte Klimawandel. So hat zum Beispiel die Konzentration von Kohlendioxid um 40 Prozent und die des 28-mal schädlicheren Klimagases Methan um fast 150 Prozent zugenom­men. Heute findet sich 20 Prozent mehr Lachgas in der Erdatmosphäre als noch vor der Industrialisierung. Es ist 265-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid.

Was den CO2-Fußabdruck eines jeden Einzelnen betrifft, wird man feststellen, dass wir auf zu großem Fuß leben. Jeder Österreicher verursacht zurzeit durchschnittlich 12,5 Tonnen Kohlendioxid. Das ist sechsmal mehr, als eigentlich jedem Menschen in der Zukunft zusteht.

Viele Dinge können wir ganz leicht selbst verändern, beim Konsumverhalten angefangen bis zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Wir müssen aufhören, darauf zu warten,


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 46

dass jemand anderer für uns das Problem löst. Letztlich gibt es keine klimafreundlichen Produkte, nur einen klimafreundlichen Lebensstil.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Coronapandemie und damit die größte Gesundheitskrise der Zweiten Republik hat uns leider noch immer voll im Griff. Sie ist das omnipräsente Thema in der Bevölkerung und in den Medien. Verständlicherweise rücken dadurch andere Themen in den Hintergrund. Darum möchte ich einige Dinge wieder in unser Gedächtnis rufen.

Nach wie vor brennt der Amazonasregenwald, die grüne Lunge unserer Erde. Die Plastikinseln im Meer wachsen in derselben Geschwindigkeit, in der der Regenwald schrumpft. Dasselbe Drama spielt sich im Kongo ab: Brandrodungen des Urwalds neh­men kein Ende, Kinder schürfen Kobalt für unsere Elektroautos und haben eine Lebens­erwartung von nicht einmal 30 Jahren. In der Wüste von Südamerika wird durch das Fördern von Lithium ganzen Dörfern das überlebenswichtige Wasser in wahrsten Sinne des Wortes abgegraben.

Im direkten Vergleich zeigt sich, dass Lithium in seiner aktuellen Abbauform in etwa so schädlich ist wie Diesel oder Benzin. Akkus von Elektroautos enthalten je nach Modell zwischen 12 und 19 Kilogramm Lithium. Alte, ausrangierte Autos mit einem CO2-Aus­stoß, der jenseits von Gut und Böse liegt, werden von West- nach Osteuropa transpor­tiert, fahren dort noch einige Jahre und verpesten die Luft.

Deutschland schließt begrüßenswerterweise alle Kohlekraftwerke. In China zum Beispiel sind aktuell noch 1 077 Kohlekraftwerke in Betrieb, in Indien 281, in den USA 236.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, was ich damit sagen möchte: Genauso wie wir die Coronapandemie nur gemeinsam bewältigen können, wird auch die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung nur gemeinsam möglich sein. Ob aber völkerrechtliche Automatismen dafür richtig sind, wage ich zu bezweifeln.

Dem Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz, das Bundeskriminalamt-Gesetz, das Fluorierte Treibhausgase-Gesetz und das Biozidproduktegesetz geändert werden, werden wir gerne zustimmen, da eine bessere Regulierung von Stoffen, die zu Explosionsstoffen verarbeitet werden können, gewährleistet wird.

Raschere Hilfe durch Vergiftungszentralen wird möglich. Durch höhere Informations­pflichten werden krebserregende Chemikalien mittelbar reduziert und der Schutz der Arbeitnehmer vor Chemikalien wird verbessert. Außerdem wird es den Vollzugsbehör­den erleichtert, den illegalen Handel mit fluorierten Treibhausgasen und Geräten, die diese Gase, zum Beispiel Kältemittel, enthalten oder zu ihrem Funktionieren benötigen, wirksam zu unterbinden. Der in der EU festgestellte illegale Handel gefährdet die Klima­ziele in diesem Sektor und schadet den Unternehmen, die auf legale Weise mit fluorier­ten Treibhausgasen handeln und die vorgeschriebenen Quoten einhalten.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

13.50


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte.


13.50.24

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Herr Schererbauer, ich war schon ein bisschen überrascht, das gebe ich zu, als ich Ihnen so zugehört habe. Ich hätte da einen Ratschlag für Sie (Bundesrat Ofner: Na, bitte net!): Reden Sie bitte mit Ihrer Fraktion! Ich stimme Ihrer Einleitung und Ihrer Schlussfolgerung völlig zu, aber offenbar gibt es da


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 47

große Differenzen innerhalb Ihrer eignen Partei. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das stimmt ja gar nicht! – Bundesrat Ofner: Nein!) Reden Sie mit Ihrer Fraktion einmal über die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen, reden Sie mit Ihrer Fraktion einmal über die Notwendigkeit von Transformationen in allen Bereichen! Und reden Sie mit Ihrer Fraktion auch darüber, dass man dann schon verstehen muss, dass man nicht genau in dem Moment damit aufhören kann, wenn es unangenehm wird; auch da muss man dann durch. (Bundesrat Schererbauer: Das war jetzt sehr allgemein!) Ich komme dann noch einmal auf Ihre Ausführungen zu sprechen.

Zunächst einmal zur eigentlichen Sache: Das ist zwar auch ein bisschen eine technische Geschichte, aber schon sehr relevant. Es geht um eine Änderung des sogenannten – ich kürze es ab – POP-Protokolls aus dem Jahre 1998. Das ist ein 22 Jahre altes inter­nationales Protokoll über persistente organische Schadstoffe. Ich komme dann gleich noch einmal dazu. Dieses Protokoll, das macht es jetzt ein bisschen kompliziert, ist selbst wiederum Teil eines sehr großen Übereinkommens aus dem Jahre 1979 über weiträumige, grenzüberschreitende Luftverunreinigungen. Diesem Übereinkommen haben sich neben der EU als Ganzer 50 weitere Staaten angeschlossen, darunter auch sämt­liche EU-Mitgliedstaaten.

Beim Lesen dieses Protokolls in der Vorbereitung habe ich mir gedacht, ich zitiere ein paar Sätze daraus, weil sie sehr schön erhellen, welche Beweggründe hinter diesem Protokoll stecken. Ganz untechnisch: Warum gibt es das Protokoll? – Da steht: „in der Erkenntnis, dass die Emissionen vieler persistenter organischer Schadstoffe über internationale Grenzen befördert werden und sich in Europa, Nordamerika und der Arktis, weit entfernt von ihrem Ursprungsort, ablagern [...];

in dem Bewusstsein, dass persistente organische Schadstoffe unter natürlichen Bedin­gungen biologisch nicht abbaubar sind“ – damit sind sie auch erklärt – „und mit nach­teiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt in Verbindung gebracht werden; [...]

in der Erkenntnis, dass die Ökosysteme und insbesondere die eingeborenen Völker der Arktis, die sich von Fischen und Säugern der Arktis ernähren, auf Grund der Biomagni­fikation“ – das bedeutet Anreicherung von Schadstoffen in Organismen über die Nah­rungskette – „persistenter“ – nicht abbaubarer – „organischer Schadstoffe besonders gefährdet sind“.

Anmerkung dazu: Ich finde, das ist ein sehr schöner Zugang, der ganz klar macht, wie wichtig Solidarität über die Grenzen hinweg ist, um entschlossen Maßnahmen zur Vor­beugung, Verhinderung oder Minimierung der Emissionen persistenter organischer Schadstoffe unter Berücksichtigung des Vorsorgegrundsatzes zu setzen. Das ist Ziel dieses Protokolls.

Herr Schererbauer, ich verstehe nicht, weshalb Ihre Fraktion dem nicht zustimmt. Das ist mir wirklich völlig unverständlich. Sie selber haben vorher Beispiele aus anderen Ländern genannt, und genau darum geht es ja. Sehr viele Umweltprobleme – das gilt auch für den Klimaschutz – kann man nur international lösen, das kann man nur gemein­sam lösen. Wenn bei uns Schadstoffe emittiert werden, tragen wir natürlich Verantwor­tung dafür, dass diese minimiert werden, damit sie nicht woanders zu Schäden führen. Das gilt auch für andere uns gegenüber. Es geht uns etwas an, wenn durch die Schad­stoffe, die wir emittieren, dann irgendwo Kinder – was weiß ich wo, also zum Beispiel in Namibia oder meinetwegen in Grönland – Krebs bekommen, weil ihre Ernährung, weil die Fische mit eben genau diesen Schadstoffen, um die es hier geht und die man vermeiden will, kontaminiert sind. Ich weiß nicht, warum Sie so abstimmen; das können Sie auf jeden Fall jemandem anderen erklären. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 48

Die Änderung des Protokolls dient dazu, die Liste der Schadstoffe zu aktualisieren, Anpas­sungen vorzunehmen und auch Mechanismen vorzusehen, die es künftig erleichtern, das an den bestverfügbaren Stand der Technik anzupassen. Dazu zählen zum Beispiel so wohlklingende Stoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasser­stoffe, Dioxine, Furane, Hexachlorbenzol oder polychlorierte Biphenyle. Das klingt alles so grauslich, wie es ist. Dies alles sind Schadstoffe, die bereits in geringer Konzentration zu Schädigungen des Immunsystems oder des Fortpflanzungssystems führen und Krebs verursachen können. Darum ist das wirklich eine wichtige Sache. Geben Sie sich einmal einen Ruck und stim­men Sie da zu! Das ist mehr als Symbolik, das ist notwendige internationale Solidarität.

Obwohl das Protokoll in Österreich seit 22 Jahren gilt, haben wir, das muss man auch zugeben, noch Probleme mit Schadstoffen auf dieser Liste. Es kommt immer noch zu Überschreitungen von Grenzwerten, vor allem bei polyzyklischen aromatischen Kohlen­wasserstoffen wie Benzol zum Beispiel. Sie entstehen bei der Verbrennung von Benzin, Öl, Gas und Diesel, somit im Verkehr, im Hausbrand und diversen Industrieanlagen. Unser Job besteht also darin, jetzt an den Vermeidungsbemühungen dranzubleiben. Gleichzeitig ist das wieder ein sehr schönes Beispiel dafür, dass sich der Ausbau erneuerbarer Energieträger und damit die Abkehr von Kohlenwasserstoffen positiv auf ganz, ganz viele andere Bereiche auswirkt, zum Beispiel auf die Gesundheit, die gemein­hin als hohes Gut gilt.

Kurz noch zum zweiten Teil, der auch wichtig ist, auch wenn die diversen Geset­zes­änderungen, Chemikaliengesetz und so weiter, sperrig klingen. Es ist eine sehr span­nende Sammelgesetznovelle, die kein internationales Abkommen als Ursache hat. Immerhin ist das eine Anpassung an eine europäische Verordnung, die Verordnung über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe. Das mündet dann in eine Novellierung des Chemikaliengesetzes und des Bundeskriminalamt-Geset­zes; den Zusammenhang kann man irgendwie erahnen. Andere Dinge betreffen die Weitergabe von Daten – ganz wichtig – über Chemikalien von Lieferanten an Abnehmer, mehr Transparenz und Datenlieferung an die European Chemicals Agency, die an Aufklärung und Information über die Gefährlichkeit von Chemikalien arbeitet.

Ich möchte einen Aspekt herausgreifen, der wirklich wichtig ist. Er ist bereits vom Kollegen vor mir erwähnt worden, nämlich die Änderung des Fluorierte Treibhausgase-Gesetzes. Da geht es maßgeblich um HFKWs, um Kältemittel, ganz banale Kältemittel, die wir in Kühlschränken oder in Kühltruhen haben. Diese Kühlmittel sind extreme Klima­gifte und bis zu 4 000 Mal stärker als Kohlendioxid, wie wir gehört haben. Deshalb gibt es auch eine F-Gase-Verordnung der Europäischen Union, die bis 2030 eine Reduktion um 80 Prozent gegenüber 2015 vorsieht.

Eine negative Folge davon ist, dass ein intensiver illegaler Handel mit diesen Chemi­ka­lien eingesetzt hat, die im Grunde billig herzustellen sind. Es gibt Schätzungen, die davon ausgehen, dass bis zu einem Drittel des legalen Marktvolumens unzulässig in Verkehr gebracht wird. Abnehmer finden diese Kriminellen vor allem in Betrieben. Das sind mitunter ganz banale kleine Betriebe, die sich um die Wartung von Klimaanlagen kümmern und in Klimaanlagen von Autos und Gebäuden Kältemittel nachfüllen.

Der Kampf gegen genau diesen illegalen Handel mit diesen extremen Giften wird mit der vorliegenden Novelle unterstützt. Im Wesentlichen soll das durch die Einbindung der Zollbehörden und ein explizites Verbot des Verkaufs passieren, sofern nicht nachge­wiesen werden kann, dass die Menge bereits vor Inkrafttreten des Verbots legal am Markt gewesen ist. Ich bin auch traurig, dass vielen, wie man hieran sieht, leider immer noch jedweder Profit wichtiger als der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist. Darum ist es gut, dass diesen Typen mit dieser Novelle ihr mieses Geschäft hoffentlich etwas erschwert wird. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.59



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 49

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte, Herr Kollege.


14.00.10

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Lieber Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Unter den Tagesordnungspunkten 5 und 6 werden zum einen die grenzüberschreitende Luftverunreinigung und zum anderen das Fluorierte Treibhausgase-Gesetz, das Biozid­produktegesetz, das Bundeskriminalamt-Gesetz und das Chemikaliengesetz aus dem Jahr 1996 behandelt.

Bei meiner Rede lege ich den Schwerpunkt auf das Chemikaliengesetz. Eines haben diese Gesetze gemeinsam: Sie alle haben mit Klimaschutz, aber in diesem Fall vor allem mit der Gesundheit der Menschen in unserem Land und darüber hinaus zu tun, weil es sich in diesem Fall um hochgiftige Luftschadstoffe handelt; diese machen vor keiner Grenze halt.

Was heißt das? – Das heißt nichts anderes, als dass es nicht ausreicht, diese Themen europarechtlich zu regeln. Ja, hier bedarf es weltweiter Kooperationen, und an diesen wird intensiv gearbeitet. Die Grundlage dafür ist die Genfer Konvention aus dem Jahr 1979 mit ihren Folgeprotokollen. In diesem Zusammenhang gibt es noch das Stockholmer Protokoll aus dem Jahr 2001. In diesem Protokoll wurde eine Liste erstellt, die die zwölf wichtigsten, schädlichsten und gefährlichsten Schadstoffe auflistet, die verboten wurden.

Diese Änderungen der vorhin schon erwähnten Gesetze haben auch zum Inhalt, eine Marktüberwachung von gefährlichen Stoffen zu ermöglichen. Das erscheint mir besonders wichtig, da diese vielleicht illegal gehandelt werden oder in den Handel kommen und dadurch auch für Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen gefährlich sein können.

Geschätzte Damen und Herren! Ich habe vorhin von weltweiten Kooperationen ge­sprochen, und ich frage mich auch immer: Was kann Österreich, was können wir selber beitragen? – Wir haben in Österreich die Situation, dass wir in der Forstwirtschaft von 30 Millionen Festmetern Holz, die im Jahr zuwachsen, nur 26 Millionen Festmeter nutzen. Das heißt, in Österreich nimmt die Waldfläche jedes Jahr zu. Der Flächen­verbrauch für die Bebauung, für Straßen, Wohnungen und Betriebsansiedlungen, findet natürlich im Talboden, in den Gunstlagen statt. Dadurch wird die Freifläche eigentlich immer weniger.

Deshalb komme ich immer wieder zum gleichen Schluss: Nützen wir unsere Res­sourcen, die selber nachwachsen, die die Kreislaufwirtschaft fördern und unsere Wirt­schaft stärken! Da haben wir nach wie vor sehr viel Luft nach oben. Neben Windkraft, Fotovoltaik und Wasserkraft darf man nicht auf die Biomasse vergessen. (Bundesrat Schennach: ... ausgeschlossen!) Forschung und Technologie machen es möglich, zum Beispiel aus Reststoffen oder Produkten aus der Abfallwirtschaft, aber eben auch aus Biomasse Energie in Form von Strom, Gas oder Treibstoffen zu produzieren.

Ich bin davon überzeugt, dass wir in diesem Zusammenhang mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das heute schon einige Male erwähnt worden ist, wichtige Schritte setzen können, um in absehbarer Zeit vorwärtszukommen, die Regionalität zu stärken und auch den Ausstoß von giftigen Schadstoffen dadurch stark zu reduzieren und so einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir noch ein paar Gedanken, und zwar auch in Verbindung zu Corona herzustellen! Die Coronapandemie ist eine weltweite


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 50

Krise, von der ich überzeugt bin, dass wir es schaffen werden – wenn auch mit viel Aufwand und mit enormem Einsatz –, sie doch in absehbarer Zeit zu überwinden.

Klimapolitik und Klimaschutz, so denke ich, sind keine Krise, aber es könnte eine Krise werden, wenn wir nicht ordentlich dagegenhalten. Das Thema Klimaschutz wird uns immer wieder beschäftigen und lange beschäftigen, und es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, zum Schutz unserer Heimat, zum Schutz der Gesundheit, für uns und für unsere Nachkommen. Also: Packen wir es gemeinsam an! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

14.05


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Vorerst letzter Redner dieser Debatte ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Bitte sehr.


14.05.39

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vieles wurde schon gesagt, aber nicht alles. Ich spreche natürlich lieber nach Kollegen Gfrerer als nach Dr. Gross, denn bei Dr. Gross sind diese Reden oft so wissenschaftliche Abhandlungen, da tu ich mich ein bisschen schwer (Heiterkeit des Redners sowie bei der ÖVP), aber wie auch immer. (Zwischenruf des Bundesrates Gfrerer.) – Wir Gebirgler, gelt! (Zwischenrufe der BundesrätInnen Bader und Eder-Gitschthaler.)

Um wieder ernst zu werden: Das Thema Luftverunreinigung ist ein absolut prioritäres Thema, keine Frage, und es wird immer wichtiger und erfordert viel Aufmerksamkeit. Die Bekämpfung der weltweiten Luftverunreinigung spiegelt sich ja in diesem sogenannten POP-Protokoll zum Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftver­unreinigung wider.

Ich möchte trotzdem noch einmal, weil es einfach so gut zu diesem Punkt der Tages­ordnung passt, zum Europäischen Rat zurückkommen, der sich letzte Woche das Ziel gesetzt hat, die Reduktion von Treibhausgasemissionen von 40 Prozent auf 55 Prozent zu steigern. Auch wenn wir alle sagen, das werden wir schaffen: Das ist ein sehr hohes Ziel, das man sich da gesetzt hat, vor allem wenn man bedenkt, dass diese bei uns in den letzten 30 Jahren um 24 Prozent gesenkt worden sind und dass zum Beispiel China, so habe ich das im Radio gehört, bei 60 Prozent ansetzt.

Auch wenn Frau Bundeskanzlerin Merkel gesagt hat, es hat sich gelohnt, diese Nacht gemeinsam zu verhandeln, so hat uns das anscheinend sehr, sehr viel Geld gekostet oder wird uns sehr, sehr viel Geld kosten, denn Polen hat sich lange quergelegt und wird sicher Millionen aus diesem Topf herausholen, um sich das alles bezahlen zu lassen, was für die Braunkohlewerke, Steinkohlewerke - - (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Bitte? (Bundesrat Schennach: Ungarn auch!) – Und Ungarn auch dazu! Und dann, wenn man das alles auf 2021 verschoben hat, weil wir ja noch nicht wissen, wie das weitergehen soll, dann wird auch die Diskussion über Gaskraftwerke und Atomkraftwerke und die Frage, ob diese CO2-neutral wären, auftauchen. Also so positiv, wie mein Vorredner Dr. Gross sich hier geoutet hat, wäre ich an dieser Stelle nicht gestimmt.

In diesem POP-Protokoll ist eine ganze Reihe dieser schädlichen Stoffe aufgelistet. Ich glaube, ich brauche sie nicht zu wiederholen, sie sind heute schon genannt worden.

Was mir beim Zusammentragen der Punkte noch aufgefallen ist: Wenn man über grenzüberschreitende Dinge redet, dann sollte man auch über Pestizide reden. Das Thema Glyphosat wird ja wieder bei uns aufschlagen. Sie wissen es selbst, ich bin da ein absoluter Gegner und habe auch Diskussionspartner, die das nicht so sehen. Ich bin


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 51

mir immer noch nicht sicher, warum es trotz mehrfacher Debatten in diesem Haus hier noch immer keine klaren Beschlüsse zum Thema Glyphosat gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie auch immer – ich glaube, Dr. Gross wird mir das bestätigen –, Global 2000 hat öffentlich gemacht, dass sich die Frau Landwirtschaftsministerin in der EU-Kommission nicht dafür ausgesprochen hat, dass Pestizide bis 2030 – das haben wir auch hier schon besprochen – massiv reduziert werden sollen.

„Österreichs Landwirtschaftsministerium legt sich dagegen in Brüssel quer,“ – ich lese das auch vor – „auch wenn eine Verminderung der Pflanzenschutzmittel auch Bienen schützen würde. Das belegen Dokumente aus dem Rat der Landwirtschaftsminister, die Global2000 öffentlich machte. Der Verkauf von Pestiziden hat sich in Österreich in den letzten Jahren verdoppelt.“

Frau Landwirtschaftsministerin, da werden Sie noch irgendetwas tun müssen! (Beifall bei der SPÖ.) Ich weiß nicht, warum ich mit Frau Bundesministerin Köstinger immer ins Gwirks komme, es ist eben so, leider Gottes. Wie auch immer! (Bundesrat Schennach: Entgegen der Mehrheitsbeschlüsse im ...-Ausschuss!) – Okay. Ich weiß nicht, ob das auch hörbar war.

Zum zweiten Verhandlungsgegenstand: Chemikaliengesetz. – Die Regelungen und Anpassungen zu den EU-Bestimmungen als flankierendes Gesetz sind klar, und da werden wir auch mit dabei sein.

Was uns als Sozialdemokratinnen und -demokraten bei diesem Gesetz aber sehr wohl und sehr stark mitbeeinflusst: Der Umgang mit den gefährlichen Stoffen stellt einen wesentlichen Punkt im Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutzbereich dar, und da sollte in Zukunft auf jeden Fall eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Ministerien versucht, gefordert beziehungsweise auch umgesetzt werden.

Die arbeitsplatzrelevanten Grenzwerte für Arbeitsstoffe sowie krebserzeugende und fortpflanzungsgefährdende Arbeitsstoffe sind sehr rasch im Rahmen der Verordnung festzulegen. Ebenso wichtig sind auch die Arbeitsinspektorate, von denen das überprüft wird.

Also: Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen durch dieses Biozidprodukte­ge­setz – wir werden zustimmen, aber auch ein Auge darauf haben, wie diese Menschen in Zukunft behandelt werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Auer.)

14.11

14.11.41


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend Änderungen des Protokolls von 1998 zu dem Überein­kommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betref­fend persistente organische Schadstoffe.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­be­reiches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 52

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenso die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG den nichtunionsrechtlichen Teil der Änderung des gegenständlichen Staatsvertrags durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist jetzt die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

14.14.557. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Unfalluntersuchungsgesetz geändert werden (470 d.B. und 547 d.B. sowie 10464/BR d.B. und 10479/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Seilbahngesetz 2003 geändert wird (477 d.B. und 549 d.B. sowie 10481/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 7 und 8, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu den beiden Punkten ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Ich bitte um die Berichte, Herr Kollege.


14.15.36

Berichterstatter Martin Preineder: Geschätzter Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Unfall­untersuchungsgesetz geändert werden.

Der Beschluss liegt schriftlich vor.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 53

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht zu Tagesordnungspunkt 8 des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Seilbahngesetz 2003 geändert wird.

Der Ausschuss für Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

14.16.42


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke.

Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit gleich zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tages­ordnungspunkte getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. (Bundesrat Steiner will den Saal verlassen.) – Herr Kollege!

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 und das Unfalluntersuchungsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Seilbahngesetz 2003 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.18.099. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird (473 d.B. und 548 d.B. sowie 10463/BR d.B. und 10482/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, geändert wird (464 d.B. und 550 d.B. sowie 10483/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen somit schon zu den Tages­ordnungspunkten 9 und 10, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Bitte um die Berichte, Herr Kollege.


14.18.49

Berichterstatter Martin Preineder: Frau Vorsitzende! Hoher Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr über den Beschluss des Nationalrates vom


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 54

11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird.

Der Bericht liegt schriftlich vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekom­men.

Ich bringe weiters den Bericht zu Tagesordnungspunkt 10 über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt schriftlich vor.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekom­men.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte.


14.20.01

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu diesen zwei Tagesordnungs­punkten komme, möchte ich einem Mann einmal ein Dankeschön sagen, und zwar Herrn Aleksandar Sharlandjiev, das ist jener Mann, der hier auf die Hygiene achtet. Ich glaube, er hat sich einmal einen Applaus verdient, denn er steht immer wieder hier und schaut, dass die Hygienebestimmungen eingehalten werden. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf gleich zu diesen wichtigen Punkten kommen. Wir haben es ja im Ausschuss sehr ausführlich besprochen. Wir werden, wie auch im Ausschuss und im Nationalrat schon festgehalten worden ist, dagegenstimmen. Ich werde begründen, warum wir das machen werden. Wenn man sich die Sachlage genau ansieht, ist das nämlich äußerst ungerecht. Uber ist ungerecht, das sage ich hier ganz offen. Wenn man sich mit Taxi­unternehmern unterhält – das habe ich heute in der Früh gemacht, das habe ich in den letzten Tagen gemacht –, dann zeigt sich, diese sind bestürzt. Sie sind über die momen­tane Situation, die sich ergeben hat, wirklich bestürzt.

Was mich eigentlich noch viel mehr enttäuscht, ist Folgendes: Im vorigen Jahr ist der Herr Bundeskanzler – damals war er nicht Bundeskanzler – nach Amerika geflogen und hat sich mit dem Chef von Uber unterhalten. (Bundesrat Steiner: Oh!) Uber ist ein Unternehmen mit Sitz in San Francisco, mit 11,3 Milliarden US-Dollar Umsatz im Jahr 2018. Kurz sagte damals: Flexible Preise sind „ja kein Verbrechen“! – Ich sage es ganz offen: Verbrechen ist es keines, aber Taxiunternehmer wird man in Österreich keiner mehr werden können, denn wenn Sozial- und Lohndumping gemacht wird, wenn niedrige Preise angesetzt werden, dann ist das für unsere heimischen Taxiunternehmer nicht mehr machbar. Ich sage heute ganz ehrlich zur ÖVP: Ich verstehe euch wirklich überhaupt nicht mehr, dass ihr das zulassen könnt – wirklich nicht mehr! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es geht aber noch viel besser. Was hat Kurz damals wörtlich gesagt? – Das ist in der „Presse“ nachzulesen: „‚Wir haben unsere Positionen‘, sagt er und ‚wir wollen, dass es einen fairen Wettbewerb gibt und dass Gesetze eingehalten werden müssen‘.“ (Bun­desrat Steiner: Das ist situationselastisch!)


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Gestern bin ich mit einem kleinen Taxiunternehmer zusammengesessen und habe mir gedacht, ich höre mir einmal an, wie es dem geht. Das kann man sich gar nicht vor­stellen, wie es denen die letzten Monate gegangen ist. Dann geht man seitens der ÖVP, seitens der Grünen her und macht es genauso, wie man es bei der Hacklerregelung gemacht hat – da ist man überfallsartig gekommen und hat die Hacklerregelung für die Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben, abgeschafft –: Man geht in der schwersten Krise – was die ÖVP immer wieder betont – her und schaut, dass die Taxiunternehmer in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren nicht mehr weiterwissen, weil sie einfach nicht mehr können. Es geht da um Unternehmer, um kleine Unternehmer, die oft nur sechs Taxler haben, die die Taxler nicht mehr bezahlen können. Was ist los mit euch von der ÖVP? (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Sagt mir ganz ehrlich: Was ist los? – Wir kommen bei diesen Entscheidungen einfach nicht mehr mit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ich möchte euch das ein bisschen verdeutlichen. Sie, Herr Schwindsackl, waren der, der im Ausschuss so ganz galant gesagt hat: Na ja, mit Veränderungen müssen wir leben! – Gell, das haben Sie im Ausschuss gesagt? (Bundesrat Schwindsackl: Genau!)  Das finde ich irgendwie ganz, ganz eigenartig. Müssen Sie mit irgendeiner Veränderung leben, was Ihr Gehalt betrifft, müssen Sie das? (Bundesrat Steiner: Mit einer Erhöhung!) Muss das ein Nationalratsabgeordneter? Muss das einer von uns machen? (Bundesrat Steiner: Eine Erhöhung kriegt er!) Können wir uns in diese Lage versetzen? Können wir das? (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.)

Lachen ist zu wenig, Herr Schwindsackl, setzen Sie sich für diese Leute ein! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) – In welchem Fall? In diesem Fall auf keinen Fall!

Es geht noch weiter: Diese Taxiunternehmerin hat mir gesagt, sie hat nicht 10, 20, 30, 40 Prozent weniger, sondern sie hat dieses Jahr bis jetzt – da ist die Entscheidung mit Uber noch gar nicht gefallen – 70 Prozent weniger Umsatz, weniger Einkommen.

Wie geht es Ihnen dabei, liebe Grüne? Liebe ÖVP, wie geht es Ihnen dabei? (Zwischen­ruf bei der FPÖ.) Geht es Ihnen gut dabei? Menschen kämpfen um ihre Existenz und Sie sitzen im Ausschuss und sagen: Na, kommt halt einer von Amerika und übernimmt dann unsere Taxifahrten!, und das geht rucki-zucki. Was ist los mit euch? Ich frage mich wirklich, was mit euch los ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Gleich zu Beginn war das, da zeigte Dr. Raggl wieder einmal – das stimmt auch, was die FPÖ in diesem Fall sagt – diese Überheblichkeit. Aus welchem Grund ist die ÖVP wirklich so überheblich? Was habt ihr in den letzten Monaten gemacht? – Am Anfang der Krise haben wir mitgestimmt, da sind wir mit dabei gewesen, da haben wir gesagt, wir werden das unterstützen, das ist okay. Die letzten Monate haben wir die höchsten Fallzahlen weltweit gehabt, und sich hierherzusetzen und zu sagen: Es ist alles in Ordnung!, finde ich unfassbar. Ich muss da auch ein bisschen die FPÖ unterstützen und sagen: So überheblich zu sein, das kann nicht wahr sein. Das wollen wir einfach nicht. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Auf der einen Seite die ÖVP, auf der anderen Seite im Ausschuss die Grünen: Beim TOP 10, das ist die Änderung der Straßenverkehrsordnung, macht man es wieder möglich, dass man am Wochenende, Samstag, Sonntag, mit Gütern herumfahren kann. Das wundert mich schon stark, dass das die Grünen sagen, und zwar jene Grünen, die uns immer Klima- und Umweltschutz predigen. Auch heute wieder, Herr Dr. Gross, predigen Sie Klima- und Umweltschutz – das geht ständig so –, aber da tun Sie sich ganz leicht dabei, zu sagen: Machen wir es halt länger, fahren wir am Samstag, Sonntag weiter!, obwohl – das ist ja auch interessant – von Regierungskreisen wörtlich gesagt worden ist: Wir geben letztendlich nur die Möglichkeit, am Wochenende das Feiertagsverbot


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aufzuheben, wir sehen aber gar keine Notwendigkeit! Wir sehen eigentlich keine Notwendigkeit, dass das in den nächsten Wochen, in den nächsten Monaten gegeben ist! – Es wurde bereits im Nationalrat beschlossen, Sie wollen es bis Ende 2021 ermöglichen, aber wofür machen wir das dann eigentlich? (Bundesrat Spanring: Na, irgendein guter Freund ...!) Wofür schaffen wir ein Gesetz, das wir eigentlich gar nicht anwenden werden? – Und das bei einer Klimaschutzpartei wie den Grünen.

Herr Schreuder deckt uns ja mit philosophischen Vorträgen zu, in denen er bis zurück ins Mittelalter geht (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und FPÖ) – aber wenn es um die Zukunft geht, habe ich von Ihnen noch nicht viel gehört außer viel Geschwurbel. Aber das ist ja nicht nur Ihr Steckenpferd, das kann der Herr Vizekanzler auch sehr gut. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren! Wie gesagt, wir werden bei beiden Tages­ord­nungspunkten natürlich nicht dabei sein (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schreuder – Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von Grünen und SPÖ), Herr Schreuder, zum Schutze unserer Unternehmerinnen und Unternehmer, zum Schutze unserer Taxiunternehmer. Wir sind für die vielen kleinen Taxler da, nicht wie die ÖVP und die Grünen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

14.27


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Kollege.


14.27.49

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Staatssekretär! Herr Kovacs schlägt offenbar gerne ein bisschen herum. Man muss einige Dinge richtigstellen, die da gesagt worden sind. (Bundesrat Steiner: Dann muss dich der Staatssekretär wieder richtigstellen! – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Zuerst zum Gelegenheitsverkehrs-Gesetz: Die Zusammenlegung der Taxi- und Miet­wagendienste erfolgte ja bereits in einer Novelle 2019, das darf man nicht vergessen. Allerdings gab es damals keine Vereinheitlichung der Preisregulierung, was ein Fehler war, zwar nicht mutwillig, aber das ist durchaus ein Punkt, den man dringend machen muss, und dieser Schritt wird nun gesetzt. Es geht um nicht mehr und nicht weniger.

Es sind im Kern zwei Punkte, über die wir hier diskutieren und streiten. Das Erste ist: Wenn Fahrten über Kommunikationsdienste bestellt werden, also wenn sie vorab bestellt werden, ganz banal auch über Anrufe, dann – nur dann – kann der Fahrpreis vorher vereinbart werden. So, das ist eine gute Sache. Dieser Fahrpreis darf dann auch nicht überschritten werden. Man kann sich also auf den Fahrpreis verlassen, den man vorher mit dem Unternehmer ausmacht. Es ist ja nicht der Fahrer, sondern es ist der Unternehmer, der einen Tarif vereinbart, wenn ich mich beispielsweise von zu Hause abholen lasse. Man ruft an, macht das aus, wird von zu Hause aus irgendwohin ge­bracht, und man weiß, worauf man sich einlässt, es gibt einen vereinbarten Preis, man hat Kostengewissheit.

Der wichtigste Punkt ist: Bei Fahrten vom Standplatz aus läuft es so ab, wie es bekannt ist: Tarifierung via Taxameter selbstverständlich für alle Anbieter. Damit herrscht Klarheit am Standplatz. Es gibt keinen Entscheidungsdruck für die Kundinnen und Kunden, keine Abwerbeversuche und so weiter, kein Tarifdumping am Standplatz, wenn die Menschen unter Druck ein Taxi suchen.

Der zweite Punkt, der übrigens auch für Wien besonders wichtig ist, sieht vor, dass künftig die Möglichkeit besteht, vorbestellte Fahrten zu teilen. Ein Taxiunternehmer kann also anbieten, auch andere Fahrgäste aufzulesen, sie von anderen Orten abzuholen und irgendwo wieder abzusetzen, im Gegenzug bietet er einen reduzierten Fahrpreis an. Sie


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kennen das vielleicht auch aus eigenen Erfahrungen, dass Taxichauffeure das zum Nutzen aller manchmal machen: Das Taxi ist voll und die Leute haben etwas davon. (Bundesrätin Schumann: Jetzt in der Coronazeit genau richtig!)

Das sind Regelungen, die allen zugutekommen, übrigens auch den Taxlern. (Zwischen­ruf der Bundesrätin Schumann.) Die haben das im Vorfeld sehr kritisch gesehen, das stimmt, mittlerweile unterstützen sie das aber – mit den Änderungen, die bei bestimmten Punkten, die zu Recht kritisiert worden sind, noch vorgenommen wurden.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der heiß diskutiert wird: Die Preise für vorbestellte Fahrten werden nicht willkürlich vereinbart. Die Landeshauptleute können Preisbänder mit bestimmten Ober- und Untergrenzen verordnen, das liegt in ihrer Kompetenz und ist auch nichts Neues. Dabei ist wichtig, dass die Grenze nach unten nicht beliebig fest­gelegt werden kann. Sie ist definiert und muss mindestens der Summe aus dem Grundentgelt für die jeweilige Beförderung und den vorgesehenen Zuschlägen, wie zum Beispiel Nachtzuschlägen, entsprechen. Darunter geht es nicht. (Bundesrätin Schumann: Das wird keiner machen!) Genau dadurch werden Preisdumping und Druck auf die FahrerInnen vermieden. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Gibt es die Tarifverträge bei Uber?! – Bundesrätin Grimling: Da zeigen die Grünen ihr wahres Gesicht! – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Nicht zu vergessen ist, dass durch die Zusammenlegung und durch die Tatsache, dass alles nun als gemeinsames Gewerbe gilt, Kollektivverträge gelten. Diese werden nicht außer Kraft gesetzt. Natürlich gab es insbesondere in Bezug auf Uber Berichte – das stimmt ja auch –, dass FahrerInnen weit unter dem Kollektivvertrag bezahlt wurden, in eine Scheinselbstständigkeit gedrängt wurden, auf eigene Verantwortung fahren muss­ten und so weiter – katastrophale Bedingungen.

Mir geht es nicht darum, jemanden anzupatzen, ich sage es hier aber: Die Recherchen, auch des Kabinetts, in der Vorbereitung haben gezeigt, dass es das auch im Taxibereich gibt. Auch dort gibt es die Praxis, dass die Autos bei geringer Auslastung praktisch vermietet werden, sodass die FahrerInnen auf eigene Kassa Taxifahrten machen – quasi wie Scheinselbstständige. Wir kennen das aus dem Lkw-Bereich. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Es sind also nicht da die Heiligen und dort die Bösen oder umgekehrt. Es ist nicht so und das ist schon wichtig!

Es gelten nun für alle die gleichen Qualitätsvorgaben, das ist auch wichtig. (Bundesrätin Schumann: ... Lohndumping!) Das hat es vorher für Uber und andere Mietwagendienste nicht gegeben. Die FahrerInnen brauchen einen Taxischein, sie brauchen eine Aus­bildung und so weiter. Das sind genau jene Maßnahmen, die Preisdumping verhindern sollen. Dieses wollen wir definitiv nicht. Das ist das Letzte, was wir wollen, ehrlich! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Genau da schieben wir jetzt einen Riegel vor und hoffen, dass es funktioniert. Wir werden sehen. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrätin Grimling: Das werden wir ja sehen! – Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.) Auf jeden Fall ist damit jetzt aus unserer Sicht eine zeitgemäße Regelung geschaffen.

Tun wir bitte nicht so, als ob es die Mietwagenanbieter nicht gäbe. Es gibt sie – das kann einem gefallen oder nicht. Ich sage ehrlich dazu, mir gefällt es nicht wahnsinnig gut, aber es ist nun einmal so. Vielen Leuten gefällt das übrigens sehr gut. Die Angebote werden angenommen, gerade auch in Wien. Ich persönlich fahre mit dem Taxi und werde auch weiterhin mit dem Taxi fahren. Ich möchte das unterstützen. (Bundesrätin Grimling: Aber wir müssen Uber stützen?! – Bundesrat Steiner: ... sollen mit dem Radl oder mit dem Zug fahren! – Ruf bei der FPÖ: ... richtiger Grüner?!)


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Man kann aber das Rad der Zeit nicht zurückdrehen und es ist nun einmal ein Regelungsbedarf entstanden. Wir haben jetzt in einem – zugegeben – sehr hart um­kämpften Markt transparente und gleiche Bedingungen für alle geschaffen. Je härter ein Markt umkämpft ist – das gilt gerade für das Personenbeförderungsgewerbe –, desto wichtiger ist es, geltende Rahmenbedingungen für alle zu schaffen. Wir täten den Taxlern keinen Gefallen, wenn wir das verabsäumen würden. Der Druck auf sie würde noch viel, viel größer werden. Jetzt haben wir wenigstens einen Rahmen geschaffen.

Dahinter gibt es auch eine weitergehende Idee: Die neuen Regelungen sollen darüber hinaus dazu beitragen – da sind wir wieder ein bisschen beim Klimaschutz und bei der Ressourceneffizienz –, Taxis und Mietwagen als Mobilitätsoption zu stärken; übrigens sind sie von der NoVA-Erhöhung ausgenommen. Das passt jetzt gerade dazu, das kommt morgen ja dann noch einmal. (Bundesrat Spanring: Von der NoVA-Erhöhung solltet ihr gar nicht ...! Eigentlich ein Wahnsinn!)

Klar, es gibt viele Situationen, in denen zwar insgesamt ein Leben ohne Auto gut möglich ist, aber man dann doch immer wieder eines braucht, eines nutzen möchte (Bundesrätin Schumann: Da bestellt man sich dann ein Uber-Wagerl!), und die jetzige Regelung kann Hemmschwellen abbauen, die Transparenz wird gestärkt und die Optionen – Stichwort: Taxi teilen – werden erweitert. (Bundesrätin Grimling: Aber das stimmt ja nicht! Das stimmt doch nicht!) Man darf also ruhig davon ausgehen, dass diese Regelung die Personentransportbranche insgesamt stärkt. (Bundesrätin Grimling: Das darf doch nicht wahr sein!) Ich hoffe es jedenfalls.

Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, auch mit der Taxiinnung eine gütliche Einigung zu finden und bedanke mich in aller Form und ganz herzlich dafür, dass sie da mitgemacht hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.35


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Kollege.


14.35.43

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Kollege Kovacs hat schon sehr viel vorweggenommen und das braucht man hier auch nicht wiederzukäuen. Ich glaube, das, was du gesagt hast, kann man einfach nur unterstreichen und unterstützen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Lieber Kollege Gross, transparent und fair hast du vorher gesagt – sozial und gerecht hast du noch vergessen, dann hätte ich mich hier herinnen wahrscheinlich vor Lachen nicht mehr halten können. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Ja, der Gelegenheitsverkehr bedarf wirklich einiger Änderungen, vieler Änderungen, denn es fallen viele weitere Punkte in den Bereich Gelegenheitsverkehr hinein. Da kann ich nur sagen: Ja, Sie haben das richtige Gesetz gefunden, aber Sie haben sich mit den falschen Inhalten beschäftigt! Das darf ich hier auch einmal sagen.

Was wären die richtigen Inhalte gewesen? – Ein richtiger Inhalt wäre gewesen, sich zum Beispiel um die Schülertransporte im Gelegenheitsverkehr zu kümmern, denn genau im Bereich der Schülertransporte ist dieses Gelegenheitsverkehrs-Gesetz schlicht und ergreifend eine Katastrophe, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich darf Ihnen das an einem Beispiel aus meiner Heimatgemeinde betreffend den heu­rigen Schulbeginn etwas näher erläutern: Zum heurigen Schulbeginn gab es in meiner Heimatgemeinde drei größere Ortsteile, die nicht von einem Schulbus erreicht werden


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konnten – wo keine Linie fährt, sondern wo Schüler wirklich auf den Gelegenheitsverkehr angewiesen sind. Ich sage, aufgrund dieser desaströsesten Regelungen in diesem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz war es nicht möglich, einen Betreiber für den Schulbus zu finden, damit ein solcher Betrieb zu Schulbeginn auch tatsächlich sichergestellt hätte werden können.

Wann hat man das den Eltern gesagt? – In Wahrheit hat man es ihnen gar nicht gesagt. Am 4. September, zehn Tage vor Schulbeginn, ist zwischen den Eltern das Gespräch aufgekommen: Ich habe gehört, es fährt kein Schulbus, wir sollten uns einmal bei einem ortsansässigen Taxibetreiber melden! Auch dieser Taxibetreiber wollte diese Linie im Gelegenheitsverkehr nicht übernehmen, weil die Umstände durch dieses Gesetz einfach dermaßen schlecht sind, dass es für ihn kein Geschäft mehr wäre, sondern dass er schon fast dazuzahlt.

Genau in diesem Bereich haben wir wirklich Handlungsbedarf! Es kann, bitte, nicht sein, dass Schüler nicht mehr wissen, wie sie in die Schule kommen, dass Schüler, die im Juli noch einen Schulbus hatten, das Geld für den Schulbus bezahlt hatten, den Zettel aus­gefüllt hatten, plötzlich zehn Tage vor Schulbeginn und auch zu Schulbeginn noch immer ohne Schulbus dastehen! Das ist etwas, das in unserem Land, in unserem Österreich wirklich nicht sein darf! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Was ist weiter passiert? – In Wahrheit hat man die Schuld hin- und hergeschoben, von der Gemeinde zum Land, vom Land zum Bund, das ist hin- und hergeschoben worden, zum Finanzamt, zu den Schulen, überallhin. Ich sage Ihnen, diese Hin- und Herschie­berei, dieses Abschieben von Schuld und Verantwortung, das können wir in diesem Land wirklich nicht brauchen und das hilft auch niemandem. Hier heißt es Verantwortung zu übernehmen, ein Gelegenheitsverkehrs-Gesetz zu schaffen, durch das wirklich für die finanzielle Unterstützung gesorgt wird, für die Organisation gesorgt wird – und nicht heute hier eine Gesetzesänderung hereinzubringen, mit der niemandem geholfen wird, außer vielleicht den eigenen Freunden; aber dazu komme ich noch etwas später.

Wer ist nach diesem Abschieben der Verantwortung im Endeffekt wirklich übrig geblie­ben? – Es waren die Gemeinden, die übrig geblieben sind. Die Gemeinden haben die Verantwortung oder die Pflicht übernommen, einen Betreiber zu suchen, der die Schüler auch tatsächlich in die Schule bringt. Wann ist das passiert? – Anfang November.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zwei Monate lang sind drei Ortsteile von meiner Heimatgemeinde nicht mit einem Schulbus erreicht worden, und die Eltern mussten sich in Wahrheit zerreißen, um ihre Kinder in die Schule zu bringen. Das ist, wie wir wissen, bei den abgelegenen Ortsteilen nicht immer so einfach.

Die Gemeinde, ich habe es schon gesagt, ist im Endeffekt eingesprungen und hat sich wirklich bemüht, zwei Monate später einen Gelegenheitsverkehr sicherzustellen. Dafür darf ich an dieser Stelle allen Verantwortlichen in der Gemeinde Danke sagen. Ich weiß, wie schwer es mit Ihren Vorgaben war, da tatsächlich einen Betreiber zu finden. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da kommt ein Ersuchen des steirischen Land­tags ins Spiel. Auch diesem Ersuchen ist die Bundesregierung nicht gefolgt, es hätte wesentliche Änderungen und Verbesserungen im Bereich des Gelegenheits­verkehrs gebracht. Ich möchte nur an die 2-Kilometer-Fußwegregelung erinnern: Ich weiß schon, dass es jedem Kind zumutbar ist, 2 Kilometer zu Fuß zu gehen – darin, glaube ich, stimmen wir alle überein –, aber man muss sich auch einmal die Schulwege in der Peripherie, sprich auf dem Land, tatsächlich anschauen. Das sind Schulwege, auf denen Kinder vielleicht 1,8 oder 1,9 Kilometer, also knapp unter diesen 2 Kilometern, auf öffent­lichen Straßen unterwegs sind – ohne Beleuchtung, ohne Gehsteig, bei schlechter Schneeräumung, auf Schotterstraßen, auf Straßen, die vielleicht durch Wälder führen,


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 60

und so weiter. Die gehen im Winter wirklich bei Finsternis in die Schule und auch im Sommer gehen sie auf schlecht beleuchteten Fahrbahnen und nicht auf Gehsteigen. Man sollte sich also überlegen, ob diese 2-Kilometer-Regelung wirklich so strikt einge­halten werden muss oder ob man nicht vielleicht Möglichkeiten schafft, sodass auch jene Kinder den Schulbus verwenden können, die weniger als 2 Kilometer von der Schule entfernt wohnen. Auch in diesem Bereich haben wir wirklich Verbesserungsbedarf.

In Bezug auf all diese Anliegen der Bundesländer ist diese Bundesregierung aber ko­mischerweise taub. Das sind Änderungen oder Anliegen, die niemanden interes­sieren.

Deswegen darf ich an dieser Stelle folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Markus Leinfellner, Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gelegenheitsverkehr für Schülerinnen und Schüler“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungs­vorlage zuzuleiten, wo die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um einen sicheren und klimafreundlichen Schulweg für alle Schüler sowie für den Mittrans­port von Kindergartenkindern zu gewährleisten, sowie im Sinne der oben genannten Ausführungen einen entsprechenden Ermessenspielraum zu ermöglichen und die Finanzierung dieses erweiterten Schülergelegenheitsverkehrs sicher zu stellen.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben wirklich viele, viele Möglichkeiten, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz zu verbessern, aber das, was heute hier passiert, gleicht aus meiner Sicht, aus unserer Sicht einem Gesetzeskauf. Kollege Kovacs hat es schon angesprochen (ein Bild, das Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Uber-Chef Dara Khosrowshahi zeigt, in die Höhe haltend): Ich glaube, es war im Silicon Valley während der kanzlerfreien Zeit – das hast du, glaube ich, auch gesagt –, und dazu gibt es ein schönes Bild. Ich könnte mir vorstellen, dass genau zu diesem Zeitpunkt einige Ge­spräche stattfanden, die dazu beigetragen haben, dass wir uns heute über dieses Gesetz oder diese Gesetzesänderung unterhalten. (Bundesrat Schennach: Was ist auf dem Bild zu sehen? Wir sehen das nicht aus der Entfernung!)  Ich kann es dir gerne noch einmal zeigen. (Bundesrat Schennach: Bitte erklären! Wer sind die Personen? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das ist der Uber-Chef, Kollege Kovacs hat es vorhin bereits erwähnt, deswegen habe ich nur das Bild hochgehalten. Das war die kanz­lerfreie Zeit unseres Herrn Bundeskanzlers im Silicon Valley. (Bundesrat Schennach: Danke!)

Ich könnte mir vorstellen, dass es bei diesem Gespräch um Teile des Gesetzes­be­schlusses von heute gegangen ist. (Widerspruch bei der ÖVP.) Ich weiß es nicht und ich möchte es nicht unterstellen (Bundesrat Seeber: Nein, gar nicht! Ja nicht unterstellen!), ich könnte es mir aber sehr wohl vorstellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie gesagt, wir haben viel zu tun, im Bereich des Gelegenheitsverkehrs ist viel zu verbessern. Das ist heute keine Verbesserung, sondern das gleicht aus meiner Sicht einem Gesetzeskauf. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

14.45



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 61

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den Bundesräten Markus Leinfellner, Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungs­antrag betreffend „Gelegenheitsverkehr für Schülerinnen und Schüler“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Bitte, Herr Kollege.


14.45.20

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren zu Hause via Livestream! Kollege Kovacs aus dem Burgenland, zum Thema Überheb­lichkeit: Ich glaube, jene Überheblichkeit, die Ihre Sozialdemokratische Partei anlässlich des Antrages, der zur Abwahl unserer damaligen Bundesregierung beigetragen hat, an den Tag gelegt hat, ist nicht zu überbieten. Ich glaube, man sollte sich immer wieder daran erinnern, was das damals für eine besondere Überheblichkeit war. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sich hierher zu stellen und in einer persönlichen Ansprache von Überheblichkeit zu sprechen, das ist eigentlich besonders und bewertet die ganze Sache bereits entsprechend. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Thema: Amerika und vieles andere wurde schon angesprochen. Ich möchte das ein bisschen weiter fassen: Die weltweite Geschichte der Personenbeförderung beginnt nämlich mit Transportsesseln, die als sogenannte Sänften von Menschen oder Tieren an Stangen getragen wurden. (Bundesrat Steiner: Ach bitte! Du kommst mit der Sänfte daher, das ist ja peinlich!) In früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte war das nur einer reichen Oberschicht vorbehalten. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es in Europa kom­merziell betriebene Beförderungsunternehmen unterschiedlichster Ausstattung. (Bun­des­rat Spanring: Damals hat es noch kein Uber gegeben!) Durch die Entwicklung der Infrastruktur des Straßenwesens und der Motorisierung übernahmen größtenteils Kraftfahrzeuge die Personenbeförderung.

Ständige – und auch dieser Ausdruck wurde heute hier verwendet – Veränderungen und Verbesserungen waren und sind nicht nur in der Ausstattung notwendig (Bundesrätin Grimling: Ja, Verbesserungen!), sondern auch, wie aktuell, in korrigierender gesetz­licher Hinsicht. Es geht um Fair Play in der Personenbeförderung. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es geht um einheitliche Vorgangsweisen. Es geht darum, Taxis und Mietwagen in einem einheitlichen Gewerbe zusammenzufassen, was mit 1.1.2021 erfolgt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

In vielen Bereichen, in vielen Branchen ist das eben eine Herausforderung. Es ist ja auch eine Art Marktorientierung, wenn man den Fokus darauf legt, sich zu verbessern, zu verändern – und nicht, weil es immer so war und weil es so schön ist und weil gewisse Demonstrationen stattfinden, dem gleich recht zu geben. (Bundesrätin Grimling: Wir können auf den Josefsplatz gehen ...!)

Für alle gelten ausnahmslos dieselben Bedingungen: Alle Lenkerinnen und Lenker benötigen einen Taxischein, alle haben dieselbe Ausbildung, alle müssen dieselben Qualitätsstandards erfüllen. Alle unterliegen denselben Bedingungen für Fahrpreise für vorbestellte Fahrten. (Rufe bei der SPÖ: Nein!) Alle unterliegen denselben Bedingungen, wenn sie mit Taxameter fahren wollen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen beziehen (Ruf bei der SPÖ: Aus Wien!), aber das sind die entsprechenden Vorgaben (neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ) – ja, ja! –, die auch gesetzlich notwendig sind; es geht ja um eine Verbesserung. Vor allem geht es auch darum – das ist, glaube ich, das Wesentliche –, dass es keinen Unterschied mehr gibt.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 62

Es wurde angesprochen – Kollege Gross hat es angeführt, und ich möchte es nur kurz streifen –, dass die Landeshauptleute die Möglichkeit bekommen, Preisbänder für diese vorbestellten Fahrten festzulegen. Das wurde bereits angeführt, deshalb erspare ich mir diesen kurzen Absatz. Mir geht es vor allem auch um die Kundenvorteile, die sollen auch im Fokus stehen. Im Mittelpunkt soll der Mensch, der zu transportieren ist oder der dieses Angebot wahrnehmen möchte, stehen. Um diese Menschen geht es. Man steigt ein, hat vorbestellt, kennt den Preis und braucht keinen Taxameter – das ist das Prinzip bei vorbestellten Fahrten. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Weiters auch vorteilhaft - - (Bundesrätin Schumann: Ja, aber nicht für die Taxifahrer!) – Überlegen Sie einmal, welche Vorteile das hat! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Bear­beiten Sie nicht immer alles negativ im Keller! Bei vorbestellten Fahrten können auch andere Fahrgäste von anderen Orten abgeholt beziehungsweise auch zu verschiedenen Zeiten befördert werden, das nennt man einfach Taxisharing. (Bundesrat Steiner: Es muss aber schon ein Unterschied zwischen österreichischen und amerikanischen Firmen gemacht werden!)

Wünschenswert wäre es – und jetzt kommt auch ein wesentlicher Punkt –, dass es Taxiunternehmen und Mietwagenunternehmen gibt, die den öffentlichen Verkehr als Mikro-ÖV unterstützen. Das ist eine der wesentlichen Zielsetzungen. Man muss ja verschiedene Seiten beleuchten und nicht immer nur eine ganz klare ideologische Sicht verfolgen. Eine digitale Unterstützung im Mikro-ÖV-System wäre, wenn Fahrtwünsche kombiniert, optimiert und mit Fixpreisen für den Nutzer/für die Nutzerin gebucht werden könnten. Die Software im Hintergrund kombiniert und korreliert die Daten untereinander, aber auch mit den Daten, die von der Verkehrsauskunft Österreich kommen, und ermög­licht so – und vor allem das ist auch ein wichtiger Bereich – im ländlichen Raum öffentliche Teilfahrten sowie die Anbindung an den öffentlichen Verkehr – und das, hoffentlich, mittelfristig auch mit einem einheitlichen Ticket. Das wäre natürlich eine besondere Vorstellung. Nutzen wir die Digitalisierung als Chance in diesem Bereich für den urbanen wie auch für den ländlichen Raum! (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schennach.)

Es ist keine Zukunftsmusik, auch wenn es für Sie vielleicht so klingt und überhaupt nicht infrage kommt – willkommen im Jahr 2021!

Bei der Änderung der Straßenverkehrsordnung geht es um die Verlängerung. Es gibt die Möglichkeit, Wochenend- und Feiertagsfahrverbote aufzuheben; das wurde auch schon ausgeführt. Das heißt aber nicht, dass auch davon Gebrauch gemacht wird. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Beer.) Es ist eine Möglichkeit. Die Situation wird vom Ministerium ganz genau beobachtet. Derzeit gibt es eben keine Notwendigkeit, aber wenn Lenkerinnen und Lenker zum Beispiel an der Grenze wieder nicht weiterkommen, sollte man in der Lage sein, ihnen die Heimreise zu ermöglichen. Das ist auch ein Teil dieser Novelle. – Bleiben Sie gesund und weiterhin positiv. Glück auf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.52


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Nun hat sich Herr Fraktionsvorsitzender Karl Bader zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


14.52.46

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sachliche Auseinandersetzung, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ist unser Auftrag. Das ist das, was Sie hier zu tun haben. Der Vorwurf des Gesetzeskaufs des Herrn Kollegen Leinfellner in dessen letztem Redebeitrag unterstellt eine kriminelle Handlung. Das dem Bundeskanzler zu unterstellen ist ungeheuerlich!


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Das weise ich auf der einen Seite zurück und auf der anderen Seite fordere ich Sie auf, diesen Vorwurf des Gesetzeskaufs zurückzunehmen! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Das nehmen wir nicht zurück!)

14.53


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Jetzt ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Herr Kollege.


14.53.38

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns NEOS stellt die Novelle eine Verbesserung der bisherigen ab Jahreswechsel in Kraft tretenden Fassung des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes dar. Wo zuvor das Geschäfts­modell von Fahrdiensten wie Uber, Bolt und so weiter ab 1.1.2021 nicht mehr möglich gewesen wäre, existiert jetzt die – wenn auch limitierte – Möglichkeit eines Wettbewerbs und der Innovation.

Positiv zu bewerten ist die Abschaffung der Taxameterpflicht für vorab per Kommunika­tionsdienst bestellte Fahrten – sei es telefonisch, online oder per App. Ebenfalls zu begrüßen ist die Ausnahme von solchen Fahrten von den klassischen Taxitarifen. Da die Minimal- und Maximalpreise erst, analog zu den Taxitarifen, durch die Länder fest­gelegt werden, bedeutet das aber, dass die Auswirkung dieser Novelle aktuell noch nicht vollständig abzuschätzen ist.

Unser Fazit ist daher: Die Novelle stellt im Vergleich zur vorigen Rechtslage einen deutlichen Vorteil für die Konsumentinnen und Konsumenten dar, weshalb wir NEOS der Vorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.55


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke.

Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross vor. – Bitte sehr.


14.55.14

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es war nicht beabsichtigt, dass ich mich noch einmal zu Wort melde, ich habe vorhin wirklich zwei Sachen vergessen – das war nicht strategisch ge­dacht –, nämlich ein paar Worte zur StVO zu sagen und zwei Anträge einzubringen. Ich möchte das ganz kurz nachholen.

Zuerst aber noch ein Satz zu Herrn Leinfellner: Es ist Ihnen völlig unbenommen, über SchülerInnentransporte zu reden – da kann man auch etwas besser machen, einge­standen –, aber Sie haben keine einzige konkrete Kritik am Gelegenheitsverkehrs-Gesetz gebracht, an den zwei Punkten, die heute zur Debatte stehen – keinen einzigen konkreten Punkt! Sie haben nur gesagt – keine Ahnung –: von Gesetzeskauf bis irgend­etwas, es ist einfach schlecht. Sie haben es nicht begründet. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Schumann: ... begründen!)

Im Übrigen kann ich Ihnen punkto Gesetzeskauf versichern – ich meine, das sind schon unglaubliche Unterstellungen, da muss man gar kein Freund von einem Politiker sein –, Uber hat das nicht bestellt. Entschuldigung, die haben nicht wesentlich schärfere Bedin­gungen bestellt, als sie sie vorher hatten. (Beifall bei BundesrätInnen von Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)

Zur Straßenverkehrsordnung möchte ich auch noch etwas sagen: Es gibt eine Mög­lichkeit der Verlängerung von Ausnahmeregelungen zum Wochenendfahrverbot, um die


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Versorgung mit kritischen Gütern sicherzustellen. Das ist gut so. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich kann Ihnen versichern, es braucht niemand Sorge zu haben – das geht jetzt vor allem in Richtung SPÖ –, dass wir das nicht extrem zurückhaltend einsetzen werden. Zudem, und das normiert das Gesetz, sind Ausnahmen nur möglich, wenn das im Sinne der Covid-19-Bekämpfung notwendig ist. Es steht auch drinnen, dass es unverzüglich – unverzüglich! – aufzuheben ist, wenn es nicht mehr notwendig ist. (Bundesrat Schennach: Schauen wir einmal! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ja, da können Sie ruhig schauen, da (erheitert) habe ich keinen Einwand. Das passt! (Bundesrat Schennach: Es ist ja schön, wenn man über sich selbst lachen kann!)

Ich glaube, wir sind definitiv unverdächtig, zu den großen Befürwortern des motorisierten Straßenverkehrs zu gehören, gleichwohl diese Bestimmung vernünftig und ein Beitrag zur Krisenbewältigung ist – wenn er notwendig ist. Es ist außerdem ein Vorhalten, denn man kann schwer ein Gesetz machen, wenn dann irgendwie eine Notsituation, eine schwierige Situation eingetreten ist.

Zu den Vorwürfen des Herrn Kovacs, was Verkehrspolitik betrifft: Das muss man sich auch trauen! 2007 bis 2016 hatten wir Verkehrsminister welcher Partei? – Der SPÖ. Schauen Sie einmal, wie viele Schnellstraßen, Autobahnen in dieser Zeit gebaut worden sind! Also: Klimaschutz war ein komplettes Fremdwort, das hat es nicht gegeben. Bei aller Freundschaft der SPÖ zur Bahn ist es uns vorbehalten, ein Rekordbudget für den Bahnausbau zu haben – und das alles binnen nicht einmal einem Jahr. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrat Steiner: ... Bahnmil­liarde unter Hofer!)

Wissen Sie, das muss ich jetzt schon noch in Richtung der SPÖ loswerden – es tut mir leid, oder auch nicht –: Wenn man Megastraßenprojekte durch Wien baut, durch die Lobau, und eine Schnellstraße zum – jetzt habe ich einen kurzen Hänger, sorry – zum neuen Stadtteil, dann sollte man besser - - (Bundesrat Bernard: Ihr baut dafür Pools am Gürtel!) Wenn man dann noch meint, das hätte ökologische Vorteile für den Klimaschutz, na, ich weiß nicht. (Ruf bei der SPÖ: Das traut er sich jetzt zu sagen?!) Das sind wirklich langfristig katastrophale Auswirkungen zum Preis von Milliarden. Also bitte: Räumen Sie doch einmal in Ihren eigenen Reihen irgendwie auf, was das betrifft, und machen Sie endlich einmal eine klarere und glaubwürdigere Klimaschutzpolitik auf der Straße! (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.)

Der zweite Punkt ist auch wichtig in der StVO, nämlich dass die Möglichkeit verlängert wird, Fußgängerinnen und Fußgängern mehr Raum einzuräumen, wenn dem nicht erhebliche Interessen am unbehinderten Fahrzeugverkehr entgegenstehen.

Wir halten das überhaupt für eine sinnvolle Maßnahme, unabhängig von Corona, Fuß­gängerInnen stärker als gleichberechtigte VerkehrsteilnehmerInnen zu verstehen. Es ist übrigens sehr sinnvoll, belebte Straßen, etwa Einkaufsstraßen, für den Verkehr zu sperren und den FußgängerInnen zugänglich zu machen. Das sollte eigentlich eine Dauereinrichtung werden. Wir arbeiten jedenfalls daran, dass es auch diesbezüglich Verbesserungen geben wird. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Und jetzt hole ich nach, was ich vergessen habe, ich bringe zwei Anträge ein:

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu TOP 9, Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird (473 d.B. und 548 d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 65

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen zu TOP 10, Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, geändert wird (464 d.B. und 550 d.B.)

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.01


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen ge­mäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhandlungs­ge­genstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, geändert wird, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Korinna Schumann. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.02.54

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Nur um ein bisschen klarer darzu­stel­len, worum es sich bei diesem Gelegenheitsverkehrs-Gesetz handelt: Es handelt sich darum, dass Sie mit diesem Gesetz Lohn- und Sozialdumping Vorschub leisten; das ist eindeutig und ganz klar. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Natürlich wird in diesem Gesetz ein Grundtarif geregelt, aber der andere Teil des Tarifs ist Verhandlungssache, und das heißt: Wer wird denn in einem heiß umkämpften Gewerbe gewinnen? – Der, der es am billigsten anbietet!

Damit kommt es zu riesigen Problemen für die Fahrerinnen und Fahrer im Taxigewerbe. Die 1 400 Taxlerinnen und Taxler, die in Wien demonstriert haben, haben das nicht ge­macht, weil dieses Gesetz so einmalig ist und ihnen die Chancen so sehr erhöht, son­dern weil sie dieses Gesetz, das es für sie noch einmal schwerer macht, ablehnen.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 66

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden Lohn- und Sozialdumping nie und nimmer Vorschub leisten, das sei hier auch klar gesagt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

15.04


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staats­sekretär.


15.04.09

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Vorsitzender! Werte Damen und Herren Bundesräte! Na ja, ich hätte ja für die Kritik der SPÖ Verständnis gehabt, wenn es vor den letzten Änderungen gewesen wäre, dann, okay, dann könnte man über alles reden, aber es hat dann noch Änderungen am Schluss gegeben und die Einigung wurde sogar mit der Taxiinnung erzielt. Vielleicht sollten Sie sich da noch ein bisschen auf den Letztstand dieses Gesetzes bringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Mit dem neuen Einheitsgewerbe lösen wir diese jahrelangen Unstimmigkeiten zwischen den Taxiunternehmen und den Mietwagenunternehmen, die die neuen Apps benützen, und wir schaffen dadurch klare und faire Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer. Das ist ja eigentlich auch der Sinn der Sache und vor allem im Interesse der Kundinnen und Kunden – das müsste ja auch im Interesse der SPÖ sein.

Der Grundstein dafür wurde ja nicht heute gelegt, sondern dieser wurde 2019 in einem Beschluss gelegt, bei dem die FPÖ und die SPÖ, gemeinsam mit der ÖVP, auch mitgegangen sind, und das hat vor allem für Mietwagenunternehmen Verschärfungen gebracht. Da bin ich bei den Ausführungen des Kollegen: Uber würde sich solche Verschärfungen ja nicht selbst bestellen wollen. Das macht ja nicht wirklich Sinn.

Jetzt im zweiten Schritt kommt heute mit der aktuellen Novelle die Vereinheitlichung der be­stehenden Preisregulierung dazu. Das ist eine Vereinheitlichung, die Kompetenz, einen Taxitarif zu verordnen, bleibt auch mit dieser Novelle so wie bisher bei den Landes­hauptleuten.

Neu ist auch, das wurde auch schon gesagt, dass bei einem Kunden bei vorbestellten Fahrten im Bestellprozess auch dieser Pauschalpreis für die gewünschte Strecke ange­boten werden kann. Das ist also auch wieder etwas, was im Sinne der Kundinnen und Kunden ist, nämlich dass man sich eben auf einen Preis verlassen kann.

Wir haben also die Anforderungen an die Fahrer auf einem höheren Niveau verein­heitlicht – wahrscheinlich auch nicht im Sinne einer Bestellung von Uber, würde ich jetzt einmal so hinwerfen. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.) Wir haben einheitliche Regelungen für Marktteilnehmer festgelegt und wir werden dennoch weiterhin innovative Angebote für die Kundinnen und Kunden ermöglichen.

Die Tatsache, werte Kolleginnen und Kollegen, dass in den letzten Tagen vielen von uns Angebote vom Taxibetreiber ihres Vertrauens, neue Angebote von digital vereinbarten Fixpreisen, hereingeflattert sind, zeigt auch, wie schnell sinnvolle Innovationen in diesem Bereich traditionelle Geschäftsmodelle weiterentwickeln können. Ich glaube, das ist gut so, das ist wichtig so und wird auch, wie gesagt, von der Taxiinnung mit den Änderungen schlussendlich entsprechend unterstützt. (Bundesrat Schennach: Ein bissi provozieren ist schon recht!)

Ich wünsche euch, weil ich mich dann verabschiede, trotz all der Emotionen ein schönes Weihnachtsfest, friedvolle und vor allem gesunde Feiertage und alles Gute für das neue Jahr. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.07

15.07.27



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 67

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesord­nungs­punkte getrennt erfolgen. – Die Plätze sind eingenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. De­zem­ber 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Gelegenheitsverkehr für Schülerinnen und Schüler“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstim­men.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. (Widerspruch bei der SPÖ.) – Es ist die Stimmenminderheit. Ich darf den Schriftführer bitten, das zu bestätigen. (Schriftführer Spanring: Das ist richtig!) – Die Schriftführung bestätigt das. Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen diesen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

 15.10.0111. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz geändert wird (MinroG-Novelle Konflikt­minerale) (475 d.B. und 590 d.B. sowie 10511/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Ich ersuche um die Berichterstat­tung.

15.10.17


Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 68

vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mineralroh­stoff­ge­setz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.11.05

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Mineralrohstoffgesetz – das klingt im ersten Moment ein wenig müde oder nicht gerade nach einem Thema, mit dem man jemanden hinter dem Ofen hervorholt, aber man könnte ein paar Dinge dazu sagen: Es geht um Menschenrechte, es geht um Kinderarbeit, es geht um Versklavung, es geht um Terrorfinanzierung. Jetzt schaut die Sache doch schon etwas anders aus.

Die Novelle zum Mineralrohstoffgesetz, die uns heute vorliegt, ist die nationale Um­setzung einer Verordnung der Europäischen Union, sie ist auf nationaler Ebene hin­sichtlich der Kontrolle und der Strafen umzusetzen, und das sieht in Österreich mager aus. Es ist derart auf dem untersten Level umgesetzt, dass man sagen muss, weniger ambitioniert geht es nicht mehr. Ich nehme einmal an, Herr Gross wird dann wieder eine lustige Rede halten, in der er das alles wieder verharmlost, aber es geht um Men­schenrechtskompetenz. Das war doch früher, glaube ich, eine grüne Visitenkarte, aber die ist ja seit Moria sowieso verschwunden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Beispiel ginge es um die Verhinderung von Kinderarbeit im Bergbau, oder man hätte in dieses Gesetz – hört, hört! – die Beteiligung der Zivilgesellschaft einfügen kön­nen. Das wäre alles sehr, sehr wichtig gewesen, aber schauen wir jetzt einmal, warum wir das brauchen.

Es geht um den Abbau von Erzen, in diesem Fall von genau vier: Das ist Kassiterit oder Zinnerz mit 50 Prozent des weltweiten Handels; es wird im Kleinbergbau abgebaut. Das ist Coltan oder auch Tantalerz mit 26 Prozent, das ist Gold mit über 50 Prozent, und das ist Wolframit oder Wolfram mit ungefähr 6 Prozent. Diese Erze sind essenziell für die Fertigung von Elektrogeräten, insbesondere Computern und Mobiltelefonen, aber sie werden in Gebieten abgebaut, in denen Truppen und Milizen einen erheblichen Profit aus diesen Bergwerken schlagen, um ihren eigenen Zielen näher zu kommen und den Krieg mit Waffeneinkäufen zu verlängern.

Außerdem sind sie für verheerende Gewalttaten und gravierende Menschenrechts­verstöße verantwortlich, darunter – und das ist alles international belegt und erhoben – Vergewaltigung, Mord und Kinderarbeit. Zivilisten, die in der Nähe dieser betroffenen Gebiete leben, werden häufig unter sklavenähnlichen Bedingungen dazu herangezogen, an diesem illegalen Handel und Bergbau teilzunehmen, und das wirkt sich auf diesen Industriezweig aus. Das abgebaute Material wird dann meistens über andere Nach­bar­länder geschmuggelt und zum Beispiel in Fernost eingeschmolzen und kommt in einge­schmolzener Form wieder zurück.

Was wir in diesem Fall wollen, ist – und das sagt ja auch die EU-Verordnung –, dass jene, die diese mineralischen Rohstoffe wollen, auch über die Lieferkette verantwortlich


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sind, und sie sind damit verantwortlich dafür, unter welchen Bedingungen dieses Mineral gewonnen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Global Witness und The International Center for Conversion in Deutschland sagen: „Konfliktressourcen sind natürliche Ressourcen, deren systematische Ausbeutung und Handel im Kontext eines Konfliktes zu schwersten Menschenrechtsverletzungen, Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder Verwirklichung völkerstrafrechtlicher Tatbestände führen kann“ – und in der Regel führt dies auch dazu.

Da gilt es wirklich wachsam zu sein, und deshalb können wir nur fordern, nicht den niedrigsten, sondern den höchsten Standard vorzusehen.

1998 – Sie alle werden mit dem Begriff etwas anzufangen wissen – gab es zum ersten Mal die Regelung bezüglich Blutdiamanten, also Diamanten aus Gegenden mit bürger­kriegsähnlichen Zuständen, an denen Blut klebt. Und am 21. Juli 2010 – Sie alle erinnern sich noch an Präsidenten Barack Obama – hat er in einem Act den generellen Verzicht amerikanischer Unternehmen auf die Verwendung derartiger Rohstoffe festgelegt. Da geht es um genau das, was wir hier in dieser Novelle heute diskutieren. In dem soge­nannten Dodd-Frank Act hat er die Unternehmen verpflichtet, die Verwendung von Rohstoffen, die aus dubiosen Gegenden kommen und unter Verletzung von Menschen­rechten und humanitären Völkerrechtsbestimmungen gewonnen werden, zu unterlas­sen.

Am 19. Mai 2017 hat die EU diese Richtlinie erlassen und jedes Mitgliedsland aufgefor­dert, die nationale Umsetzung zu machen – Österreich präsentiert eine Minimal­umset­zung ohne menschenrechtlichen und ohne kinderrechtlichen Anspruch, und das ist wirklich bitter. Wie auch immer sich Herr Gross dann herausreden wird, das ist unwahr. Es zeigt nur einmal mehr, wo Menschenrechtsstandards in dieser Koalition angesiedelt sind, nämlich am Ende.

Zum Schluss, weil ein Vorredner schon über Weihnachten gesprochen hat, weil wir schon bei kriegsbedingten Produkten und bei Kinderarbeit sind, noch einmal ein Appell, nicht nur an Sie, sondern auch an alle, die diese Sitzung mitverfolgen: Bitte lassen Sie die Finger davon, Kriegsspielzeug zu Weihnachten zu schenken! Das hat als Weih­nachtsgabe unter dem Christbaum wirklich nichts verloren. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

15.19


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ing.in Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.19.11

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die sogenannte Konflikt­minerale-Verordnung, eine EU-Verordnung, die nun in nationales Recht umgesetzt werden soll.

Was ist nun Inhalt dieser Verordnung? – Herr Kollege Schennach hat schon viel gesagt. Im Wesentlichen geht es um die Transparenz im Handel von Mineralien, die aus Konflikt­gebieten stammen. Das Ziel der Verordnung ist, dass bei der Einfuhr von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und vor allem auch Gold aus Hochrisiko- und Konfliktgebieten in die EU seitens der Importeure die Sorgfaltspflichten in den Lieferketten eingehalten werden müssen. Diese Verpflichtung gilt ab 1.1.2021.

Hochrisikogebiete sind Gebiete mit politischer Instabilität und weit verbreiteter Gewalt. Die Finanzierung bewaffneter Gruppen, die aus dem Rohstoffabbau und -handel Gewinne machen, soll hiermit verhindert werden und damit auch oft Menschenrechtsverletzungen


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 70

und die Finanzierung von Konflikten, die damit verbunden sind, vermieden werden. Die Konfliktminerale-Verordnung verpflichtet nun die Importeure dieser Mineralien, die eine gewisse Mengenschwelle überschreiten, die Risken in den Lieferketten zu identifizieren und Maßnahmen zu deren Minimierung zu treffen. Damit man da eine Größenordnung hat: In Österreich werden circa 15 bis 20 Unionseinführer in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen.

Die zuständige Behörde soll im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus als Montanbehörde angesiedelt werden. Diese ist auch für nachträgliche Kontrollen zuständig. Kontrolliert werden muss auch bei begründeten Bedenken Dritter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in vielen Entwicklungsländern werden jährlich zigtausend unschuldige Menschen Opfer von skrupellosen Geschäftemachern. Uns ist in vielen Fällen nicht bewusst, dass in gar nicht so wenigen Produkten, die wir täglich verwenden, Rohstoffe sind, die unter Umständen unter menschenunwürdigen Bedin­gungen produziert werden, womit einer Unzahl von Menschen schweres Leid zugefügt wird.

Lieber Herr Kollege Schennach, mit dieser neuen Verordnung leisten wir sicher einen Beitrag dazu, Verbesserungen zu erreichen. Für den Fall, dass diese nicht ausreichen, sei gleich angemerkt, dass Evaluierungen angedacht und auch Nachschärfungen nicht ausgeschlossen sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

15.21


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat Josef Ofner ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.


15.22.02

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Werte Kollegen! Liebe Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Bevor ich in die Thematik und auf das Mineralrohstoffgesetz eingehe, vielleicht einen Satz zum vorherigen Tagesordnungspunkt – ich glaube, man sollte das gegenüber den Regie­rungsparteien ansprechen, bevor es zu einer Usance wird, denn es ist schon mehrfach vorgekommen, dass wir die Anträge der Regierungsparteien nicht übermittelt bekom­men –: Ich glaube, dass es Ihnen zumutbar ist und es auch möglich sein muss, dass wir Anträge rechtzeitig übermittelt bekommen und nicht kurz vor der Abstimmung, denn auch wir halten es mit Ihnen so.

Ja, Herr Kollege Bader, Sie haben einen Antrag gebraucht, da es Stimmengleichheit gegeben hat. Ich glaube, auch wir halten es mit Ihnen so, und das sollte auf Augenhöhe passieren. Ich denke, das sind wir dem Parlamentarismus schuldig. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, die Vorrednerin hat es gerade angesprochen: Im Jahr 2017 hat die EU die sogenannte Konfliktminerale-Verordnung erlassen, die eben darauf abzielt, dass Unionseinführer von Mineralien und Metallen aus Konflikt- und Risikogebieten ihre Sorgfaltspflichten einhalten. Bereits 2011 hat diesbezüglich eben auch die OECD entsprechende Leitsätze verabschiedet, die eigentlich die Grundlage für diese Verordnung bilden, die die Lieferketten identifizieren sollten. Über diese Verord­nung hinaus ist nunmehr eine Übergangsfrist bis 2021 geschaffen worden, in der auch die nationalen Parlamente und Staaten eine entsprechende und notwendige Über­prüfung durch nachträgliche Kontrollen gewährleisten sollten.

Diese sind wie gesagt in der EU-Verordnung vorgesehen. Wir haben im Ausschuss auch gehört, dass in Österreich circa 15 bis 20 Unternehmen davon betroffen sind. Und ja, es ist uns allen, wie Kollege Schennach richtigerweise gesagt hat, leider Gottes bewusst, dass gerade in Afrika die Finanzierung bewaffneter Gruppen und Gruppierungen über


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die Gewinne von Rohstoffabbau und Rohstoffhandel abgewickelt wird und es in diesem Zusammenhang auch immer wieder zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen kommt. Mit dieser EU-Vorlage und der Bezug habenden Gesetzesvorlage im Mineralroh­stoffgesetz wird es natürlich auch nur bedingt möglich sein, dem Einhalt zu gebieten, da sich diese EU-Verordnung ja auch nur auf vier Minerale beziehungsweise Metalle beschränkt.

Diesbezüglich wäre es natürlich begrüßenswert, dass es zu einer Ausweitung des Gel­tungsbereiches hinsichtlich der Einfuhr anderer Rohstoffe kommt, dass auch da die entsprechenden Sorgfaltspflichten eingehalten werden müssen und eben auch auf die Bedingungen des Rohstoffabbaus eingegangen wird.

Voraussetzung dafür wird aber ein globaler gesetzlicher Zugang sein müssen, denn ansonsten wird die Situation für die Menschen in diesen rohstoffreichen Staaten zusätz­lich verschärft. Viele Ökonomen warnen ja bereits seit Langem vor dem Fluch der Res­sourcen und beobachten, dass auch in gut funktionierenden Staaten die Problematik gegeben ist, dass Exporterlöse aus Rohstoffen den Wert der eigenen Landeswährung in die Höhe treiben, Importware deshalb im Vergleich zu lokalen Produkten billiger ist und die heimische Industrie in der Folge dadurch Schaden nimmt. Diese Problematik ist ja in Afrika akut gegeben – man vergegenwärtige sich beispielsweise, dass gerade China einerseits einen Großteil an Rohstoffen dort kauft und im Gegenzug mit billiger Importware die Industrien in diesen afrikanischen Staaten vernichtet.

Die Spirale aus Korruption, Machterhalt und Gewalt, die damit verbunden ist, dass, wie in Guinea, Konzerne unter anderem gegen Schmiergeld Schürfrechte erwerben, für die sie dann keine Steuern zahlen oder Steuererleichterungen erhalten, und im Gegenzug dazu die Machthaber und ihre Getreuen gleichzeitig wohlwollend monetär ausgestattet werden, erschließt sich, glaube ich, jedem von selbst.

Daher ist es auch unser Ansatz in anderen Bereichen, dass gerade bei staatlichen Be­schaffungen und Verkäufen volle Transparenz gegeben sein muss, um solche Fehl­entwicklungen und Malversationen ausschließen zu können.

Wie gesagt, der Vorlage des Mineralrohstoffgesetzes werden wir, auch angesichts der legistischen Notwendigkeit, unsere Zustimmung geben, wenngleich eine Erweiterung auf die Einfuhr anderer Rohstoffe begrüßenswert wäre. (Beifall bei der FPÖ.)

15.27


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.27.52

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Es freut mich und es ist schön, dass sich die FPÖ über eine europäische Vorlage freut (Heiterkeit des Redners sowie bei Bundes­rätInnen von ÖVP und FPÖ) und auch ausdrücklich betont, dass ein internationaler Zugang notwendig ist. Also es ist gut, dass Sie das sagen. Das wäre übrigens hinsichtlich der Ausbreitung wirklich giftiger, gefährlicher Chemikalien natürlich genauso notwendig, was Sie aber vor einer Stunde offenbar nicht so gesehen haben. (Bundesrat Ofner: Dein Frühstück möchte ich auch haben! – Bundesrat Steiner: Ja, so ein Frühstück! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt aber zum Mineralrohstoffgesetz: Ja, es stimmt, es geht dabei wirklich um ein besonders sensibles Thema. Immerhin beruht unser Wohlstand in Europa, an den wir uns ja sehr gewöhnt haben, nicht unmaßgeblich darauf, dass wir Rohstoffe, Materialien aus anderen Regionen, und da vor allem aus afrikanischen Ländern, importieren. Wir alle wissen leider, dass die Geschichte dazu dunkel und lang ist. Während der gesamten


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 72

Kolonialphase wurden zahllose Länder brutal ausgebeutet, Millionen von Menschen wur­den versklavt, starben in Minen, auch in solchen von europäischen Konzernen. Leider ist diese traurige Geschichte, auch wenn die Kolonialherrschaft endlich zu Ende ist, einige Jahrzehnte später aber nicht abgeschlossen. Noch immer herrschen in Bergbau­betrieben mitunter katastrophale Bedingungen – unsäglich! –; wir haben Beispiele gehört.

Darüber hinaus führt bekanntlich nicht nur die Rohstoff- oder Materialgewinnung zu Menschenrechtsverletzungen und ökologischen Verwüstungen – das kommt ja auch noch dazu –, sondern allein schon der Umstand, in einem Land ein Vorkommen zu haben, reicht dafür aus, dass es immer wieder zu bewaffneten Konflikten, zu Kriegen um deren Besitz und um den späteren Zugriff zu Lagerstätten kommt.

Die Verantwortung gerade der europäischen Staaten ist groß. Es reicht aus unserer Sicht nicht und ist ethisch nicht vertretbar, Menschenrechte im eigenen Wirkungsbereich hochzuhalten – das ist notwendig –, aber sie außerhalb der europäischen Grenzen zu ignorieren. Das geht nicht. Es geht nicht, dass wirtschaftliche Interessen höher als grundlegende Menschenrechte gestellt werden. Es ist traurig genug, dass Verstöße gegen diese Prinzipien, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, immer noch Legion sind.

Die Verantwortung dafür ist natürlich breit geteilt und betrifft uns alle – jeden Einzelnen beim Einkauf von Produkten. Sie betrifft sehr stark Unternehmen, die Rohstoffe und Produkte jeder Art importieren und davon insbesondere angesprochen sind. Darum wurde mit der EU-Verordnung von 2017 – ja, es ist spät genug, keine Frage – zur Festlegung von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Unionseinführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten nichtsdestotrotz ein sehr, sehr wichtiger erster Schritt gesetzt. Wei­tere müssen folgen, das ist völlig klar. Ein großes Manko besteht zum Beispiel darin, dass Unternehmen, die Komponenten, die betroffene Rohstoffe und Materialien beinhal­ten, weiterverarbeiten, von den Sorgfaltspflichten derzeit nicht erfasst werden.

Es handelt sich bei dieser Verordnung um unmittelbar anwendbares EU-Recht, des­wegen ist es auch nicht notwendig, alles zu übertragen – man könnte dies natürlich tun. Besonders werden darin die sogenannten Einführer – Unionseinführer – angesprochen. Diese werden sehr umfangreich zu Sorgfalt und Transparenz verpflichtet. Die Verant­wortung der Importeure erstreckt sich auf die gesamte Lieferkette – das ist auch gut so –, inklusive der vorliegenden Verarbeitungsschritte, die damit mitgemeint sind. Dazu kön­nen sie sich auch auf Prüfungen unabhängiger Dritter stützen. Es gibt viele Bestim­mungen zur Offenlegungspflicht, Meldepflichten und so weiter, trotzdem haben Mit­gliedsstaaten einzelne Dinge noch zu implementieren und umzusetzen. Dabei geht es im Wesentlichen um die Verankerung und Durchführung nachträglicher Kontrollen von Betrieben, die unter diese Verordnung fallen. Das wird mit dieser Gesetzesnovelle um­gesetzt.

Jetzt kommen die Dinge, die deutlich über die EU-Verordnung hinausgehen, und deswegen ist es keine Mindestumsetzung – da haben Sie nicht recht, Herr Schennach! (Bundesrat Schennach: Kein einziges geht darüber hinaus!) Darüber hinaus ist die zuständige Ministerin beziehungsweise die Behörde angehalten, die Namen der Unions­einführer betreffend Materialien entsprechend zu veröffentlichen. Die erläuternden Bestimmungen legen klar, dass dies zu tun ist. Das ist europaweit ein Novum. Die EU-Verordnung verlangt eine Pflicht für Unternehmen, aber kennt keine Verpflichtung der Behörden, Informationen zu veröffentlichen. Das ist schon ein sehr, sehr wichtiger Schritt.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 73

Weiters ist es gelungen, dass nachträgliche Kontrollen – auch das ist in der EU-Verordnung nicht normativ verlangt und geht darüber hinaus – nicht nur von Amts wegen angeordnet werden können, sondern auch auf begründete Bedenken Dritter hin: Wenn also jemand Kenntnis von einem Sachverhalt bekommt – dass möglicherweise mit solchen Konfliktmaterialien nicht entsprechend umgegangen wird –, kann man diesen melden, und die Behörde hat eine nachträgliche Kontrolle zu veranlassen. Das ist schon sehr wichtig.

Was tatsächlich noch fehlt – das stimmt, aber das ist eine europäische Sache –: Derzeit sind in der EU-Verordnung keine Strafen für Vergehen vorgesehen. Es gibt, wie auch in der Umsetzung in Österreich, sehr wohl Strafen, wenn man den Berichtspflichten nicht nachkommt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Sie sind nicht sehr hoch – das können wir noch verbessern, ich gestehe ein, dass da noch mehr gelingen könnte. Es ist aber leider so, dass bis jetzt zum Beispiel die Menschenrechtsverletzungen an sich nicht wirklich geahndet werden können, aber immerhin – man kann sich ja vorstellen, was für Diskussionen dazu abgehen und welche Lobbys dabei stark sind – verspricht jetzt die EU, es einmal zwei Jahre zu beobachten, und es ist wirklich nicht aus­ge­schlossen – wir hoffen das –, dass danach doch gemeinsame Sanktionen, die scharf genug sind, auf europäischer Ebene eingeführt werden.

Herr Schennach, Sie dürfen jetzt lachen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, bitte, das ist der Zeitpunkt, an dem Sie lachen können, ich behalte mir aber das Schlusswort vor. Auch wenn noch viel zu tun ist – keine Frage, völlig unbestritten –: Es ist ein Fortschritt im Sinne der Wahrnehmung einer ethischen Verantwortung der Länder der Euro­pä­ischen Union, der Verteidigung unteilbarer Menschenrechte und der Transparenz. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.35


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


15.35.54

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Mit der vor­liegenden Novelle des Mineralrohstoffgesetzes werden auch die Begleitbestimmungen der EU-Konfliktminerale-Verordnung in das Gesetz mitaufgenommen. Sie dienen vor allem zur Festlegung von Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette. Das betrifft vor allem die Importeure von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten.

Die Konfliktminerale-Verordnung zielt vor allem darauf ab, die Finanzierung bewaffneter Gruppen durch Gewinne aus Rohstoffabbau und -handel zu verhindern, indem dieser Handel maßgeblich – und auch erstmals in der gesamten Europäischen Union – regu­liert wird. Das Vorbild für diese unionsrechtlichen Regelungen waren OECD-Leitsätze, die den Unternehmen Anleitungen dafür bieten, wie sie die gebotenen Sorgfaltspflichten einhalten können. Es gilt vor allem, Menschenrechtsverletzungen und Finanzierung von Konflikten auszuschließen, und das wird mit dieser Novelle umgesetzt.

Die Konfliktminerale-Verordnung verpflichtet vor allem die Importeure, deren jährliche Einfuhr der genannten Minerale oder Metalle einen gewissen Mengenschwellenwert erreicht, die Risiken im Bereich dieser Lieferkette zu identifizieren und dann geeignete Maßnahmen zur Minimierung zu treffen.

Die Verordnung ist am 8. Juli 2017 in Kraft getreten und unmittelbar anwendbar. Die Verpflichtungen der Unionseinführer und der für die Kontrolle der Einhaltung dieser Verpflichtungen zu benennenden Behörde der Mitgliedstaaten gelten somit bereits –


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 74

vorbehaltlich Ihrer Zustimmung – ab dem 1. Jänner 2021. Die für die Kontrolle zustän­dige Behörde wird im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus als eigene Montanbehörde angesiedelt werden. Sie ist für die Durchführung geeigneter – auch nachträglicher – Kontrollen verantwortlich, mit denen vor allem sichergestellt wird, dass der Importeur von Mineralen oder Metallen die Ver­pflichtungen aus der Verordnung auch eingehalten hat.

Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete, ich würde mich sehr über Ihre Zustimmung freuen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.38

15.38.18


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Ich ersuche darum, die Plätze einzunehmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.38.5312. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geän­dert werden (377 d.B. und 545 d.B. sowie 10497/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. Ich ersuche um den Be­richt. – Bitte.


15.39.17

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­terin! Hohes Haus! Ich darf über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezem­ber 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz und das Land- und forstwirtschaftliche Landesver­trags­lehrpersonengesetz geändert werden soll, berichten.

Ich möchte kurz auf den Inhalt des Antrages eingehen. Für alle Landeslehrpersonen und Landesvertragslehrpersonen an land- und forstwirtschaftlichen Schulen soll die Möglichkeit geschaffen werden, sich auch für Leitungsfunktionen bewerben zu können. Der Hintergrund ist der, dass es im land- und forstwirtschaftlichen Schulbereich im Altrecht die Leitungsfunktion, Abteilungsvorstehung und verwaltungsmäßige Unterstüt­zung und Vertretung der Schulleitung bis dato eben nicht gibt. Mit dieser Änderung sollen vorhandene Ressourcen genützt werden, da die Lehrpersonen ausreichend Erfahrung mitbringen.

Des Weiteren soll den land- und forstwirtschaftlichen Berufsschullehrern in Zukunft eine Vergütung bereits ab der ersten Vertretungsstunde pro Woche zustehen. Zusätzlich soll es auch an land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen für Projekte der Qualitäts­sicherung die Möglichkeit einer Einrechnung in die Lehrverpflichtung geben. Damit erfolgt eine Gleichstellung mit den gewerblichen Berufsschullehrpersonen.


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Vorgesehen ist auch eine Änderung des pädagogischen Dienstschemas. Leiterinnen und Leiter von Fachschulen mit mehr als acht Klassen und mindestens 60 Lehrpersonen sollen künftig eine Freistellung von der Lehrverpflichtung erhalten. (Bundesrat Steiner: So haben wir das aber nicht ausgemacht!)

Ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

15.41.40


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen dazu vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen damit zur Abstimmung. Ich stelle fest, die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit angenommen.

15.41.5813. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird (1102/A und 546 d.B. sowie 10498/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist ebenfalls Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Ich ersuche erneut um den Bericht.


15.42.20

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Ich bringe wiederum den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des National­rates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz geändert wird.

Diesmal mache ich es kürzer:

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Schererbauer. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.42.57

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Das AMA-Gesetz wurde im Zuge der Coronakrise dahin gehend geändert, dass die Sitzungen des Verwaltungsrates, beste­hend aus zwölf Mitgliedern, sowie des Kontrollausschusses, bestehend aus acht Mitgliedern, nicht mehr wie früher physisch, sondern nur mehr virtuell abgehalten werden. (Ruf bei der ÖVP: Nicht nur mehr!) Die Durchführung war zunächst bis zum 31. Dezember 2020 befristet, diese soll um ein Jahr verlängert werden.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 76

Ich kann es vorwegnehmen: Wir werden da nicht mitstimmen, da wir endlich wieder zur Normalität zurückkehren wollen und es auch nicht argumentierbar ist, warum das nötig ist. In meiner Heimatgemeinde ist es auch möglich, eine Gemeinderatssitzung mit 25 Personen unter Einhaltung der Covid-19-Sicherheitsmaßnahmen abzuhalten.

Es gäbe wahrlich dringendere Themen, die unsere heimische Landwirtschaft betreffen. Zum Beispiel bräuchte es einen Dringlichkeitsgipfel für faire Lebensmittelpreise, denn viele Bauern stehen mit dem Rücken zur Wand. Der Schweinepreis ist in Österreich im Vergleich zum November des Vorjahres um 25 Prozent gesunken, der Preis der Schlachtkühe in den vergangenen Wochen um circa 30 Prozent. Wenn das so weiter­geht, wird es in Österreich bald keine Bauernhöfe, so wie wir sie kennen, mehr geben. Es braucht daher rasch einen Gipfel für bessere Lebensmittelpreise. Es ist höchste Zeit, dass die Vertreter von Produktion, Handel und Verarbeitung sowie alle politischen Parteien sich an einen Tisch setzen, um unbürokratische Lösungen zu suchen und endlich Verbesserungen für unsere Bauern zu erzielen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Bauernsterben geht leider Gottes ungebremst weiter. Kleinbauern sterben aus, Großbauern und Agrarkonzerne werden üppig gefördert. Der Begriff des Bauernster­bens ist kein bloßes Schlagwort mehr, sondern Realität. 1970 gab es in Österreich 366 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit 799 000 Arbeitskräften, 1990 waren es 282 000 Betriebe mit 507 000 Arbeitskräften, und 2017 hatten wir in Österreich nur noch 162 000 Betriebe mit 405 000 Arbeitskräften, der Großteil von ihnen Familien­arbeitskräfte.

40 Prozent des EU-Budgets – das sind rund 55 Milliarden Euro pro Jahr – landen in der Agrarpolitik. Weniger als 2 Prozent der größten Betriebe erhalten über ein Drittel des Geldes, also 13,3 Milliarden Euro. 80 Prozent der Bauern bekommen dagegen nicht einmal 20 Prozent des Budgets. Ein Beispiel, wie grotesk solche Förderungen sein können: Im Jahr 2016 erhielt etwa die Stiftung Fürst Liechtenstein 1,1 Millionen Euro aus dem Agrarfördertopf. Das ist eine Privatstiftung des Fürsten von Liechtenstein, die nach Schätzungen einige Milliarden Euro an Vermögen besitzt.

In Bergregionen zahlt sich die Bewirtschaftung steiler Hänge für viele Landwirte nicht mehr aus. Die für alpine Täler typische Kulturlandschaft mit einer Mischung aus Grün­land und Waldfläche verschwindet nach und nach. Seit 1990 gaben pro Tag sieben Milchbauern die Landwirtschaft auf. Dafür werden verbleibende Höfe immer größer.

Auch die landwirtschaftlichen Flächen werden immer weniger, denn Ackerflächen und Grünland weichen oft Straßen und Gebäuden. Mit 15 Metern Straßenlänge pro Kopf liegt Österreich in dieser Statistik im absoluten europäischen Spitzenfeld. Von 2011 bis 2014 wurden im Schnitt 20 Hektar pro Tag für Bauprojekte verbraucht. Das entspricht der Fläche von 28 Fußballfeldern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, anhand dieser Beispiele – und es gäbe noch viele mehr – ist zu erkennen, dass dringender Hand­lungsbedarf besteht.

Ich möchte mich bei allen Landwirtinnen und Landwirten bedanken, die täglich durch ihre harte Arbeit dafür sorgen, dass die Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Lebens­mitteln versorgt wird, die Landschaft gepflegt wird und wir dadurch eine hohe Lebens­qualität genießen dürfen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

15.46


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.47.07

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Bundes­minis­ter! Herr Vorsitzender! Geschätzte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen!


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 77

Wir haben heute das Agrarmarkt-Austria-Gesetz zur Diskussion. Vielleicht zur Vertie­fung: Wer oder was ist die Agrarmarkt Austria? – Das ist die zentrale Anlaufstelle für die österreichischen Bäuerinnen und Bauern, wenn es um die Abwicklung des EU-Agrar­systems geht, wenn es um die Auszahlung von Flächenprämien, von Umweltleistungen und auch von Investitionen und Jungübernehmerförderungen geht.

Wie setzt sich die Agrarmarkt Austria zusammen? – Aus den Sozialpartnern. Der Ver­waltungsrat – Kollege Schererbauer hat das schon gesagt – besteht aus zwölf Per­sonen, je drei von den vier Sozialpartnern: der Bundesarbeitskammer, der Bundes­wirtschaftskammer, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Landwirt­schafts­kammer Österreich. Ebenso setzt sich auch der Kontrollausschuss zusammen, und beide gemeinsam bestellen letztlich die Geschäftsführung.

Da ist der erste Fehler aufgetreten, Herr Kollege: Es ist nicht vorgesehen, dass diese Organe, der Verwaltungsrat und der Kontrollausschuss, die circa zweimonatlich tagen, nur mehr virtuell zusammentreten, sondern dass sie auch virtuell zusammentreten können. In Zeiten wie diesen müssen ja Entscheidungen getroffen werden, manchmal auch schnell, die Mitglieder sind auf ganz Österreich verteilt, und da ist es manchmal sehr gut, vielleicht über Coronazeiten hinaus, wenn man in Zeiten wie diesen, in denen Kommunikationstechnologien moderner geworden sind, Entscheidungen schnell auch virtuell treffen kann, weil das Zeit und Kosten spart sowie die Umwelt schützt.

Zu einem zweiten Bereich: Du (in Richtung Bundesrat Schererbauer) hast gesagt, 13 Prozent des Agrarbudgets der Europäischen Union gehen in Richtung Groß­be­triebe. – In Österreich ist das nicht so. Österreich hat ganz, ganz wenige, nur eine Handvoll, wirkliche Großbetriebe – Betriebe über 1 000 Hektar. Österreich hat eine sehr kleinstrukturierte und bäuerliche Landwirtschaft, und somit sind auch die Ausgleichs­zahlungen, die übrigens mit 17.12. ausbezahlt werden, sehr gut verteilt.

Auch da sind Österreich und die Agrarmarkt Austria in einer Vorreiterfunktion, weil die meisten europäischen Länder die Ausgleichszahlungen erst ein Jahr später zur Auszah­lung bringen. Bei uns geschieht das im Dezember. Dafür ein herzliches Dankeschön! Zwar müssen die Bauern ein Jahr auf das Geld warten, andere Länder haben aber zwei Jahre Wartefrist; da sind wir entsprechend gut organisiert.

Damit ein herzliches Dankeschön an die Agrarmarkt Austria, die das sehr vorbildlich abwickelt! Wir konnten das heute auch entsprechend hören, weil am Vormittag der Europaausschuss stattfand. Auf der Tagesordnung war ein Bericht des Europäischen Rechnungshofes vorgesehen. Frau Mag. Helga Berger, die neuerdings die Vertreterin Österreichs im Europäischen Rechnungshof ist, hat uns mitgeteilt, dass die Fehlerquote eine sehr geringe ist, dass in Österreich diese Mittel sehr vorbildlich ausgezahlt werden, dass es aber immer noch Verbesserungsbedarf gibt. Sie hat angekündigt – das ist, glaube ich, eine gute Aussage, auf die wir uns einstellen können –, dass sie daran arbeiten wird, die Vorschriften zu vereinfachen, und dass der Prüfungsschwerpunkt in diesem Bereich für 2021 die Lebensmittelsicherheit ist.

Das ist ein Thema, das gerade zu Coronazeiten wieder verstärkt – Gott sei Dank verstärkt – in den Fokus der Öffentlichkeit, der Gesellschaft und der Konsumenten gerückt ist, weil Lebensmittelsicherheit, Versorgungssicherheit etwas ist, das sehr, sehr wichtig ist, das wir aber immer erst in Zeiten spüren, in denen sie nicht so selbst­verständlich gewährleistet ist. Die österreichischen Bauern bieten diese Lebensmittel­sicherheit. Sie brauchen dazu natürlich auch die gesellschaftliche Unterstützung – keine Behinderung, wenn es um Pflanzenschutz oder um Tierwohl geht, sondern ent­sprechende Unterstützung.

Die Agrarmarkt Austria ist da Partner; sie ist auch mit der AMA-Marketing-GesmbH Partner, um österreichische Produkte entsprechend zu bewerben, um Marketing für


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 78

österreichische Produkte zu betreiben. Wir stimmen dieser Vorlage zu. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.52


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der nächste Redner ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Kollege.


15.52.18

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Jeder von Ihnen kennt die Situation, wenn sich der innerliche Drang einstellt, auf etwas zu antworten, das ein paar Minuten zuvor hier an dieser Stelle gesprochen und ausgeführt wurde – ich meine damit die Rede unseres Kollegen Ernest Schwindsackl zum Thema Gelegenheitsverkehrs-Gesetz. (Bundesrat Bader: Das ist aber der falsche Tagesordnungspunkt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich kom­me gleich dazu, keine Angst!

Herr Kollege, Ihre Reden (Bundesrat Köck: Sind gut! Sind gut!) haben so ihre Folgen: Bei uns, bei mir lösen Ihre Worte immer Fassungslosigkeit und dann ganz abrupt wieder Heiterkeit aus – also man springt da von einer Gefühlsebene in die andere. (Beifall bei der SPÖ.) Ihre heutige Rede hat noch eine besondere Auswirkung, und zu der gebe ich Ihnen einen Tipp: Wenn Sie in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten in Wien unterwegs sind und ein Taxi suchen, bitte verhüllen Sie sich mit einem Schal, tragen Sie eine Haube, einen Hut und geben Sie bitte nicht Ihren Namen preis, denn bei Ihnen wird kein Taxi mehr stehen bleiben – vielleicht noch ein Uber-Fahrzeug! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Eder-Gitschthaler und Himmer.)

Jetzt zum Thema: Ich darf eingangs festhalten, dass wir als SPÖ-Fraktion dieser Gesetzesmaterie, dem AMA-Gesetz, hier im Bundesrat zustimmen werden, ganz kurz gesagt, weil es sinnvoll, weil es notwendig ist und weil es coronabedingt auch befristet wird. Es wurde ja bereits mit der ersten Reihe von Covid-19-Gesetzen die Möglichkeit geschaffen, dass Sitzungen des Verwaltungsrates und des Kontrollausschusses auch ohne physische Anwesenheit der Mitglieder, also über Videokonferenz, abgehalten werden können. Diese Bestimmung soll nun bis Ende 2021 verlängert werden. – Dem werden wir natürlich zustimmen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich aber noch den Bogen hin zu den österreichischen Waren und Produkten spannen. Es ist mir ein besonderes Anliegen, einen Appell in alle Richtungen auszusprechen, gerade in dieser Zeit, in dieser so schwierigen Zeit, öster­reichische – und noch besser: regionale – Produkte einzukaufen und nicht bei Onliner­iesen wie Amazon und Co zu shoppen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundes­rätInnen von ÖVP und Grünen.)

Diese globalen Riesen gehören nämlich selbst in dieser Zeit noch zu den Gewinnern. Sie zahlen keine Steuern bei uns (Bundesrat Schennach: So ist es!) und beschäftigen Tausende Menschen in äußerst prekären Arbeitsverhältnissen. Das sollten wir mit unserem Einkauf nicht auch noch unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bun­desräte Preineder und Köck.)

Ob Biolebensmittel beim heimischen Bauern um die Ecke oder andere Waren bei den österreichischen Gewerbetreibenden: Mit jedem Einkauf unterstützen wir unsere Unter­nehmen; wir sichern damit Arbeitsplätze und bekommen obendrein noch hochqualitative Produkte. Das sollten an und für sich Anreize genug sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.56



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 79

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster ist Herr Bundesrat Andreas Lackner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.56.19

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Möglichkeit zur Abhaltung von Sitzungen der AMA-Gremien per Videokonferenz ist eine Reform, die in Zeiten wie diesen natürlich sinnvoll und notwendig ist.

Die Agrarmarkt Austria und die AMA-Marketing sind dafür da, einerseits die GAP-Fördergelder an die Betriebe auszuzahlen – was übrigens morgen, am Donnerstag, passieren wird –, und andererseits ist eine Kernaufgabe der AMA, den Absatz landwirt­schaftlicher Produkte aus Österreich zu fördern und diesen zu unterstützen.

Die AMA selbst erhält auch Fördergelder aus den GAP-Mitteln, und davon gar nicht so wenig: 2019 bekam die AMA ungefähr 33,5 Millionen Euro und die AMA-Marketing circa 1,68 Millionen Euro aus GAP-Mitteln. Da stellt sich jetzt die Frage: Werden diese Gelder und jene Gelder, die zusätzlich von den Bäuerinnen und Bauern kommen, auch für die bäuerlichen Betriebe eingesetzt? (Bundesrat Schennach: Ihr seid da ja ...!)

Meiner Meinung nach ist da noch viel Luft nach oben, wenn ich zum Beispiel an die von der AMA entwickelte Farbkarte für Kalbfleisch denke. Diese besagt, je heller das Fleisch, desto besser und höherwertig – und damit verbunden auch höherpreisig – ist es.

Was bewirkt das? – Das bewirkt, dass Kälber und Rinder, die noch auf einer Wiese oder Weide gehalten werden, dort stehen, dass Tiere, die tierwohlgerecht mit Raufutter gefüt­tert werden, nach diesem Farbschema nicht der höchsten Qualität entsprechen. (Bun­desrat Schennach: Entschließungsantrag einbringen!) Das ist doch in Wahrheit ein Witz – und das vor dem Hintergrund, dass wir in Österreich mit Billigimporten von hellem Kalbfleisch zum Beispiel aus Holland überschwemmt werden, unsere Kälber in Österreich kaum mehr verkaufen können und sie teilweise in Lebendtiertransporten unter schrecklichen Umständen zum Beispiel in den Nahen Osten exportieren!

Das muss aufhören! Dazu braucht es eine Reihe von Maßnahmen, wie zum Beispiel eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie, ein Förderprogramm für heimische Rinderrassen und so weiter. Was dabei sicher nicht hilfreich ist, ist diese Farbkarte der AMA. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Oder: Wir alle kennen die Werbespots der AMA-Marketing im Fernsehen, da sieht man Bäuerinnen und Bauern und verarbeitende Betriebe, wie zum Beispiel Molkereien. Was aber nie zu sehen ist, ist, wie Konsumentinnen und Konsumenten direkt bei den Bäuerin­nen und Bauern einkaufen – komisch! Dabei bietet gerade die Direktvermarktung viele Chancen für die bäuerlichen Betriebe: Sie stärkt die KundInnenbeziehung und bietet hohe heimische Qualität. Was spricht also dagegen, die Direktvermarktung auch zu bewerben?

Ich mache es kurz: Es ist viel Luft nach oben – Luft nach oben für Engagement für bäuerliche Betriebe. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.59


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger. – Bitte, Frau Bundesministerin.


15.59.45

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Wie wichtig und systemrelevant die Landwirtschaft und vor allem die landwirtschaftliche


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 80

Lebensmittelproduktion sind, ist uns nicht erst seit der Coronakrise bewusst, aber ich glaube, dass es noch nie so sichtbar geworden ist wie in den letzten Monaten. Daher möchte ich an dieser Stelle unseren Bäuerinnen und Bauern in ganz Österreich, die uns 365 Tage im Jahr mit hochwertigsten heimischen Lebensmitteln versorgen, ein wirklich ganz, ganz großes Dankeschön sagen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir haben mit der Agrarmarkt Austria eine extrem wichtige Zahlungsstelle für uns in Österreich. Grundlage ist vor allem die Gemeinsame Agrarpolitik – die Zahlungen, die wir an die Betriebe auszuzahlen haben, wo von der heimischen Landwirtschaft vielfältige Leistungen erbracht werden. An dieser Stelle gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Agrarmarkt Austria, die mit einer ganz besonderen Sorgfalt ihren nicht immer ganz einfachen Job machen und damit auch dafür sorgen, dass die landwirt­schaftliche Produktion in Österreich zu den qualitativ hochwertigsten und unser öster­reichisches Auszahlungssystem zu einem der effizientesten in ganz Europa zählt.

Die Coronakrise hat uns aber auch bezüglich der Verwaltungsgremien der Agrarmarkt Austria vor große Herausforderungen gestellt. Grundlage ist das AMA-Gesetz. Es galt, mittels einer Novelle die reibungslose Arbeit zu ermöglichen und fortzusetzen und die Beschlussfähigkeit des AMA-Verwaltungsrates und des AMA-Kontrollausschusses zu gewährleisten. Neben Beschlüssen in physischer Anwesenheit der Mitglieder ist es nun auch möglich, Beschlüsse per Videokonferenz beziehungsweise im Umlaufweg zu fassen.

Es braucht noch einmal eine Verlängerung. Wir alle wissen nicht, was in den nächsten Monaten aufgrund der Coronapandemie noch auf uns zukommt, aber ich glaube, das ist eine sehr, sehr gute Grundlage, und wir werden auf jeden Fall auch für die Zukunft darüber nachdenken, wie wir das vielleicht auch nachhaltig sicherstellen können.

Geschätzte Damen und Herren, morgen, am 17. Dezember 2020, werden die Agrar­zahlungen – Direktzahlungen und rund 75 Prozent der Zahlungen für Ländliche Entwick­lung, da vor allem die Zahlungen für das Berggebiet, und auch unsere Umweltleistungen aus dem Öpul-Programm – an die heimischen Betriebe ausbezahlt. Das sind in Summe 1,2 Milliarden Euro, die wir an die Betriebe für die vielfältigen Leistungen unserer Bäuerinnen und Bauern auszahlen. Wir sind das einzige Land in Europa, das das schon im Dezember kurz vor Weihnachten schafft. Grundlage dafür ist die hervorragende Arbeit der Agrarmarkt Austria als Zahlstelle und damit als ganz, ganz wichtiger Partner der landwirtschaftlichen Betriebe und nicht zuletzt auch von uns im Landwirt­schafts­minis­terium.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich würde mich sehr über eine Zustimmung freuen und sage Danke schön! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

16.03

16.03.03


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen daher zur Abstimmung. – Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 81

16.03.3114. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (1103/A und 518 d.B. sowie 10492/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich ersuche um den Bericht.


16.03.52

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Geschätzter Herr Vizepräsident! Werte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird.

Aufgrund der offenkundigen Entwicklung der Covid-19-Pandemie ist die bisherige Befris­tung bestimmter Maßnahmen im Zivildienstgesetz 1986 bis 31. Dezember 2020 nicht ausreichend, um der sich zuspitzenden Lage gerecht zu werden.

Die Verlängerung der mit den Novellen BGBl. I Nr. 16/2020 und Nr. 23/2020 beschlos­senen vorübergehenden Maßnahmen im Zusammenhang mit dem außerordentlichen Zivildienst bis 31. August 2021 erscheint daher dringend geboten.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 15. Dezember 2020 in Verhandlung genommen.

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge von Stimmengleichheit nicht zustande gekom­men.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile es ihm. – Bitte.


16.05.30

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mit der vorgelegten Novelle zum Zivildienstgesetz sollen Coronasonderregelungen bis Ende August 2021 verlängert werden. Es geht dabei um den außerordentlichen Zivildienst und um verfahrens­be­schleuni­gende Maßnahmen.

Den Stellungnahmen der Mitglieder der Regierungsparteien und der Minister im Natio­nalrat entnehme ich, dass Sie die Zivildiener als strategische Reserve betrachten, die Sie andererseits wahrscheinlich eh nicht nutzen wollen – das haben wir heute schon öfter gehört. Wenn man Ihre Äußerung also ernst nimmt, wollen Sie bis 20 Monate nach Ausbruch der Krise auf außerordentliche Zivildiener zugreifen, und das noch dazu schnell, aber andererseits vielleicht doch nicht.

Da kann man nur sagen: Wer von strategischer Reserve spricht, braucht zuerst eine echte Strategie. Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht folgender Strategie: Wenn wir irgendwann absolut nicht mehr weiterwissen, ziehen wir einfach junge Menschen heran und holen sie von ihrer Ausbildung oder ihrem Beruf weg. – Das ist nicht in Ordnung, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)


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Es geht in die Richtung, dass junge Menschen finanzielle Einbußen erleiden, ihre Aus­bildung nicht fortsetzen können, dass sie in der Arbeit fehlen, dass sie in ihrer Arbeits­suche und Lebensplanung gestört und unterbrochen werden; ja sogar auf ihre Pension wird sich das negativ auswirken, weil verminderte Pensionsbeiträge einbezahlt werden. Es ist ein hoher Preis, den die außerordentlichen Zivildiener dafür zahlen sollen, dass die Regierung keine Strategie hat.

Brutal war auch die Aussage von Ihnen, Frau Ministerin: Das ist ja ein schöner „Einstieg ins Ehrenamt“. – Eine Zwangsverpflichtung einen positiven Einstieg zu nennen – wo leben Sie eigentlich?! So etwas mit Zwang anzuordnen, das kann man einfach nicht machen!

Es wurde damit argumentiert, wie sehr sich Zivildiener doch bewährt haben. Das ist auch so weit in Ordnung, aber es kann nicht sein, dass diese jungen Menschen mit ihrem persönlichen Einsatz eine fehlerhafte Planung ausgleichen müssen. Zu Recht fragt man sich, ob demnächst Zivildiener Abstriche und Tests machen oder vielleicht sogar Schnellsiederkurse zum Spritzen-Geben, weil nicht rechtzeitig darauf geschaut wurde, dass wir in unserem Gesundheitswesen genug ausgebildetes Personal haben. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit der Bundesräte Schwindsackl und Seeber. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Auch ich danke den Zivildienern für ihre Leistung, aber wir wollen nicht, dass sie ohne ausreichende Begründung über das normale Maß hinaus zu außerordentlichen Leis­tungen zwangsverpflichtet werden. Daher werden wir diesem nicht ausreichend begrün­deten Gesetzentwurf keine Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.09


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat Bernhard Hirczy ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.09.10

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Liebe Zuseher vor den Bildschirmen! Der vorliegende Gesetzesantrag ist sehr schnell erklärt: Wir verlängern die im April bereits beschlossene Maßnahme betreffend Zivildienstgesetz bis Anfang August.

Zivildiener sind wichtig für unsere Gesellschaft. Sie leisten einen enormen Beitrag. Der Zivildienst ist in Österreich ein Wehrersatzdienst und für unsere Gesellschaft aus meiner Sicht unverzichtbar. Ich bin mit sehr vielen Zivildienern in persönlichem Kontakt. Wir dürfen zu Recht auf diese jungen Personen stolz sein. Diese leisten einen enormen Beitrag in unterschiedlichsten Bereichen. Auch bei den Massentests haben sich sehr viele eingebracht – Zivildiener, die sich zusätzlich und vor allem freiwillig ehrenamtlich eingebracht haben. Dafür darf ich recht herzlich Danke sagen! (Bundesrat Steiner: Die haben sich die Füße in den Bauch gestanden, weil nichts los war! – Heiterkeit der Bundesräte Bernard und Leinfellner.) – Manchmal ist es besser, zu schweigen! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Ah so!)

Ich denke (Bundesrat Steiner: Ist dir nix eingefallen?!), es wird durch den Zivildienst ein wichtiger Wert für das Leben vermittelt, es entstehen Freundschaften untereinander, aber auch zu den Personen, für die Betreuung und Hilfe geleistet wird. Viele dieser Zivildiener bleiben der Gesellschaft auch ein Leben lang durch ehrenamtliche Tätig­keiten erhalten.

Es wird mit diesem Gesetz die Möglichkeit geschaffen, dass Organisationen wie das Rote Kreuz unserer Zivildienstagentur oder bei anderen administrativen Abwicklungen in Krisensituationen dementsprechend helfen können. Die gesetzliche Grundlage für den


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außerordentlichen Zivildienst ist im Gesetz von 1986 geregelt. Die damalige Ausge­staltung entspricht natürlich nicht dem heutigen Standard, daher ist diese Adaptierung notwendig. Aufgrund der aktuellen Situation – wir wissen es, die Pandemie ist weltweit – müssen wir hier vor Ort dementsprechende Adaptierungen treffen und Novellierungen setzen. Notwendige Maßnahmen können somit schneller und effizienter umgesetzt wer­den. Nur wenn es erforderlich ist, wird auf den außerordentlichen Zivildienst zurück­gegriffen. Es handelt sich hierbei um eine Verlängerung von Sonderverfahrens­vorschriften. Diese Verfahren können dadurch schneller abgewickelt werden.

Ich bringe daher zu diesem Tagesordnungspunkt folgenden Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung ein:

Antrag

der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird“

„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

(Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

16.12


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird, keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Steiner. – Bitte.


16.12.56

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Minister! Kollegen Bundesräte! Unsere Zivildiener leisten schon seit jeher einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. In den letzten Monaten jedoch leisten diese außerordentlich viel, und dafür möchte ich ihnen einmal Danke sagen. Ich weiß, wie anstrengend dieser Dienst am Menschen ist – auch physisch. Herzlichen Dank all unseren Zivildienern im Land! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Der Kollege von der ÖVP, der vor mir gesprochen hat – ich weiß jetzt seinen Namen nicht –, hat jetzt eine nette Vorleseübung gemacht, aber nichts zum Gutreden des Gesetzes beigetragen. Nun, liebe Zivildiener, wird diese Regierung wieder einmal über euch hinweg entscheiden und aufgrund der Unfähigkeit, Personalreserven sowie Struk­turen geschaffen zu haben, einmal mehr in die Kiste der Macht greifen, um euren Dienst mir nichts, dir nichts zwangsverlängern zu können.

Allerdings bleibt uns die Regierung – auch der Herr Vorredner – wieder einmal den Grund für diese Verlängerung schuldig. Was muss eintreten, um den außerordentlichen Zivildienst einzuberufen? – Auch im Ausschuss wurde uns dafür kein Grund genannt, denn es gibt keinen Grund, um dieses Gesetz zu verlängern. Die Ausrede der gebur­tenschwachen Jahrgänge ist wohl wahrlich eine schwache Ausrede. Schließlich werden


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da wieder einmal leichtfertig Zwangsmaßnahmen eingeführt, die man einfach nicht begründen kann, außer – das wäre wohl der einzige Grund – man plant, diese Zivildiener im außerordentlichen Zivildienst für den Rohrkrepierer Massentests und in weiterer Folge dann für die wunderbaren, tollen Massenimpfungen einzusetzen.

Wenn da gesagt wird, ein Zivildiener darf nicht impfen: Es steht ja dann im Gesetz für die tolle Impfstrategie drinnen, Sanitäter, die ein Jahr im Dienst waren, dürfen impfen. Ja, was ist denn ein Zivildiener nach neun Monaten, wenn er noch freiwillig um drei Monate verlängert, so wie ich das gemacht habe; ich habe länger verlängert? Dann ist er auch ein Jahr im Dienst, dann darf mich wahrscheinlich der Zivildiener impfen.

In diesem Fall müssen unsere Zivildiener wieder einmal die Unfähigkeit dieser Regierung ausbaden. Da wird ungeniert Zukunftsraub an unseren jungen Menschen betrieben. Durch diese Verlängerung bis August (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) kön­nen junge Burschen bei Einberufung erst später wieder in ihren Lehrberuf oder in den Betrieb zurück. Was bedeutet das dann? – Das bedeutet, dass sie erstens weniger Einnahmen haben und zweitens noch einmal bestraft werden, wenn sie in Pension gehen, denn bei eurem tollen Frühstartermodell wird das ja nicht eingerechnet. Das heißt, sie bekommen zuerst weniger Geld und werden dann, am Ende ihres Arbeits­lebens, mit eurem wunderbaren, tollen Frühstarterbonus noch einmal gestraft.

Ich habe es eh schon einmal gesagt: Diese Regierung schafft mit ihrer Kaltherzigkeit und mit ihrem Egoismus – wobei alles der Selbstdarstellung untergeordnet wird – eine Verlierergeneration von Kindern, Schülern und jetzt auch noch von unseren jungen Menschen, denen man die Zukunft raubt. (Beifall bei der FPÖ.)

So viel Egoismus, Frau Minister, gepaart mit derart viel Inkompetenz, ist für Österreich wahrlich ein schweres Los. Ich weiß auch nicht, wie lange unsere Heimat diese Regie­rung noch ertragen kann. Deshalb werden wir diesen Gesetzesbeschluss (Bundesrat Seeber: Aber unsere ... sind besser als eure! – weiterer Zwischenruf bei der ÖVP), der mehr als respektlos unserer Jugend gegenüber ist, ablehnen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.17


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin. (Bundesrat Schennach – in Richtung der das Rednerpult mit einem Tuch desinfizierenden Bun­desrätin Hauschildt-Buschberger –: Ist der Steiner so gefährlich? Ich täte mich auch von ihm nicht impfen lassen, ehrlich gesagt!)


16.17.44

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Zivildiener haben in diesem Jahr tatsächlich ...


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesrätin, einen Moment! – Herr Kollege Steiner (in Richtung des mit Bundesrat Seeber sprechenden Bundesrates Steiner), darf ich bitten, den Platz einzunehmen? (Bundesrat Schennach: Er hat einen wichtigen Dialog mit der ÖVP!)


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (fortsetzend): Danke! – Die Zivildiener haben in diesem Jahr tatsächlich Außerordentliches geleistet. Zivildienst leisten während Corona ist wirklich ein hartes Stück Arbeit, und auch ich möchte mich hier gleich zu Beginn bei allen Zivildienern, sowohl bei den ordentlichen als auch bei den außer­ordentlichen, für ihren Einsatz bedanken. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Ja, und was bringt ihnen das?)


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Mit der heutigen Änderung im Zivildienstgesetz verlängern wir verschiedene Sonder­regelungen zum Zivildienst nochmals bis August 2021. Aufgrund der aktuellen Ent­wicklung der Coronapandemie ist das leider erforderlich. Mit der heutigen Verlängerung schaffen wir die Möglichkeit, den Zivildienst zu verlängern, aber das bedeutet nicht, dass das auch zeitgleich gemacht wird. (Bundesrat Schennach: Aber komm!) Wir schaffen nur die grundsätzliche Möglichkeit des außerordentlichen Zivildienstes. Diese hat es auch schon vor Corona gegeben (Zwischenrufe bei der SPÖ), das ist kein Novum und das wird auch weiter bestehen bleiben. Wir sind uns sehr wohl der Verantwortung bewusst, die damit einhergeht (Bundesrat Schennach: Ist das die neue ...?), und daher wird auf diese Möglichkeit auch nur im Notfall zurückgegriffen werden.

Worum geht es nun bei den Maßnahmen, die wir verlängern? – Es geht um die Zuteilung außerordentlicher Zivildiener inklusive verfahrensbeschleunigender Maßnahmen. So soll es etwa weiterhin möglich sein, Zivildiener abseits der klassischen Aufgabengebiete im Bereich der kritischen Infrastruktur und der Daseinsvorsorge einzusetzen. Gleiches gilt auch für auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen, wobei in dem Fall dem Staat voller Kostenersatz für die zugeteilten Zivildiener geleistet werden wird.

Geregelt ist auch, dass sich die Zivildienstserviceagentur bei der administrativen Abwick­lung weiter eines externen Rechtsträgers bedienen kann. Das hat den Vorteil, dass die Zivildiener dann konkret an Stellen und Orten eingesetzt werden, wo akut Unterstützung gebraucht wird, und es die bürokratischen Schritte vereinfacht.

Geregelt sind auch Vergütungs- und Urlaubsansprüche, wobei Zivildiener, die im Anschluss an den ordentlichen Zivildienst außerordentlichen Zivildienst leisten, gemäß den geltenden Bestimmungen Anspruch auf eine zusätzliche Dienstfreistellung im Aus­maß von einem Arbeitstag pro Monat haben werden. Das ist ein zusätzlicher Urlaubstag für Zivildiener.

Ja, ich teile durchaus die Kritik, dass ein Urlaubstag natürlich nicht genug ist, und auch bei der Bezahlung der Zivildiener kann grundsätzlich noch nicht das letzte Wort ge­sprochen sein. Es finden dahin gehend auch weitere Gespräche statt. Wir brauchen grundsätzlich eine Evaluierung des Zivildienstgesetzes und Verbesserungen analog zu denen bei den Grundwehrdienern, um die Rechtslage auszugleichen. Dafür braucht es Entgegenkommen und politischen Willen, um weitere Verbesserungen für die Zivildiener zu schaffen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Eines steht wohl für uns alle außer Streit. Ich selber habe 15 Jahre mit Zivildienern zusammengearbeitet – ich habe in Vorbereitung auf diese Rede einmal durchgerechnet, es waren über 60 junge Männer –, und ich kann sagen: Die Zivildiener sind eine wertvolle Stütze in vielen Bereichen des Gesundheits- und Sozialsystems, und das nicht nur in der Krise. – Danke. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

16.21


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.21.50

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich dieses Mal noch kürzer fassen: Es geht um eine Verlängerung einer ge­setzlichen Regelung; der außerordentliche Zivildienst soll weiter verlängert werden können. Außerordentlich ist dabei vor allem die schlechte Bezahlung. Gleichzeitig schicken Trägerorganisationen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit.

Unser Alternativvorschlag wäre, dass anstelle einer einseitigen Verlängerungsoption eine Verlängerung im Einvernehmen mit entsprechender Bezahlung ermöglicht werden


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soll, inklusive einem Kurzarbeitsverbot für die Zivildienststellen, die diese Verlängerung dann in Anspruch nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Somit lehnen wir NEOS diese Verlängerungsmöglichkeit ab. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

16.23


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­des­ministerin Elisabeth Köstinger. – Bitte, Frau Bundesministerin.


16.23.06

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Der Zivil­dienst ist in Österreich seit Jahrzehnten ein Wehrersatzdienst, das heißt, die jungen Burschen leisten einen Dienst am Staat, leisten einen Dienst an der Gesellschaft. Es ist ein echtes und ehrliches Erfolgsmodell, das wir vor allem im Rahmen des Zivildienstes seit sehr vielen Jahrzehnten sehen, weil sehr viele der jungen Burschen vor allem durch die Arbeit in Gesundheitseinrichtungen, in Pflegeeinrichtungen, die Arbeit mit den Men­schen auch für das weitere Berufsleben geprägt werden. Ich glaube, das ist vor allem auch für die Männer in diesem Land wirklich ein sehr guter Anreiz, und wir werden auf jeden Fall alles dafür tun, den Zivildienst weiter zu attraktivieren, vor allem auch rund um das Thema Teiltauglichkeit, das wir zurzeit mit der Verteidigungsministerin sehr intensiv diskutieren. (Bundesrat Schennach: Die Bestrafung kommt heute!)

Die strategische Reserve des Gesundheitssystems hat sich in den letzten Monaten ganz intensiv gezeigt. Genauso wie das Bundesheer zur Landesverteidigung und für wichtige Einsätze immer da ist, genauso wie wir uns auf das Bundesheer verlassen können, genauso können wir uns auch auf unsere Zivildiener in diesem Land verlassen. Die letzten Monate haben das sehr, sehr eindrucksvoll gezeigt.

Geschätzte Damen und Herren Bundesräte, ich habe jetzt vonseiten der SPÖ, auch der NEOS und der FPÖ gehört, sie wollen der Novelle nicht zustimmen, weil sie keinen außerordentlichen Zivildienst haben wollen. Geschätzte Damen und Herren, das ist Ihnen unbenommen, Sie sind Bundesräte – nur, das stimmt nicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Der außerordentliche Zivildienst ist ja bereits seit 1986 im Zivildienstgesetz geregelt. (Bundesrat Seeber: Richtig!) Worüber Sie hier abstimmen, sind mehrere technische Details, um einen außerordentlichen Zivildienst abwickeln zu können. (Bundesrat Seeber: Richtig!) Der außerordentliche Zivildienst ist gesetzlich im Zivildienstgesetz verankert. (Beifall bei der ÖVP.)

Wie gesagt, es ist Ihnen ja unbenommen, durchaus das zu sagen, was Ihrer Meinung und nicht immer nur den Tatsachen entspricht. (Bundesrat Steiner: Na hoffentlich! – Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Bernard: Wir werden ja abstimmen dürfen, wie wir wollen!) – Geschätzter Herr Bundesrat, ich habe einfach nur gebeten, bei den Fakten zu bleiben: Sie stimmen nicht darüber ab, ob wir einen weiteren außer­ordentlichen Zivildienst ausrufen, denn der ist seit 1986 im Zivildienstgesetz geregelt. (Bundesrat Steiner: Wir dürfen aber schon so abstimmen, wie wir wollen!) – Sie dürfen sowieso eh alles, ja. (Bundesrat Bernard: Das ist wie in der DDR!)

Es ist schon wichtig, dass wir das jetzt verlängern. Deswegen haben wir auch die ge­setzliche Grundlage für eine effiziente Abwicklung des außerordentlichen Zivildienstes geschaffen. Es geht vor allem um die Kreuzverwendung, das heißt, dass wir Zivildiener zu anderen Einrichtungen versetzen können. Wir haben ja beispielsweise nicht nur im Gesundheitsbereich Zivildiener im Einsatz, sondern sie sind ja auch in Museen. Die Museen waren geschlossen, daher hat es natürlich Sinn gemacht, Zivildiener beispiels­weise Kranken- oder Pflegeeinrichtungen zuzuordnen.


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Wir haben zudem eine gleiche Dienstzeitverordnung geschaffen; diese würden Sie beispielsweise mit der Zustimmung zur Novelle festschreiben und weiterführen.

Weiters wurde die Möglichkeit geschaffen, sich eines externen Rechtsträgers zu be­dienen, der bei den administrativen Abwicklungen unterstützend tätig ist. An dieser Stelle ein ganz, ganz großes Dankeschön an das Rote Kreuz, das mit uns die Abwicklung des außerordentlichen Zivildienstes gemeinsam mit den Bundesländern – die Landes­hauptleute sind ja vor allem für die Anerkennung der Zivildienstorganisationen zustän­dig – geschafft hat. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Geschätzte Damen und Herren, die Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz hat sich außerordentlich bewährt, und das wollen wir auch für die Zukunft so festschreiben. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Ziel der Novelle vom Frühjahr war, den außerordentlichen Zivildienst in Katastrophen­fällen wie beispielsweise auch bei Ausnahmesituationen durch die Covid-19-Pandemie handlungsfähig zu gestalten. Wir wollen natürlich auch weiterhin gerüstet sein, aber ich wiederhole gerne, was ich auch schon im Nationalrat gesagt habe: Wir haben diesen Initiativantrag eingebracht, der eine Verlängerung dieser Sunsetbestimmungen um acht Monate vorsieht. Derzeit gibt es keine konkreten Pläne für eine neuerliche Ausrufung des außerordentlichen Zivildienstes. Entscheidend und wichtig ist aber: Wir wollen natürlich auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.

An dieser Stelle möchte ich nochmals betonen, dass wir die gesetzliche Grundlage für den außerordentlichen Zivildienst nicht zum ersten Mal eingeführt haben. Wir haben sehr viel Erfahrung aus der ersten Ausrufung des außerordentlichen Zivildienstes gewonnen. Wir planen ja für die nächsten Jahre auch eine generelle Novelle des Zivil­dienst­ge­setzes, in die wir natürlich viele der Erfahrungen miteinfließen lassen können.

Geschätzte Damen und Herren Bundesräte, ich bitte darum, hier keinen Einspruch zu erheben, damit wir auch für die nächsten Monate im Zivildienstbereich Planungssicher­heit haben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.28

16.28.31


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die Plätze einzunehmen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass der Herr Schriftführer und ich vom Stimmrecht Gebrauch machen.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen. (Bundesrat Steiner: Das wird euch auch einmal treffen, dass zwei fehlen!)


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16.29.2715. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das E-Government-Gesetz, das Passgesetz 1992, das Führerschein­gesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (469 d.B. und 495 d.B. sowie 10480/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Bundesrat Otto Auer. – Ich ersuche um den Bericht.


16.29.52

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Gäste hier und zu Hause! Ich erstatte Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das E-Government-Gesetz, das Passgesetz 1992, das Führerscheingesetz und das Kraftfahr­gesetz 1967 geändert werden. (Präsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Die Unterlagen und notwendigen Informationen haben Sie erhalten, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


16.30.55

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte BundesrätInnen! Wir reden heute über das E-Government-Gesetz, das Passgesetz, das Führerscheingesetz und das Kraftfahrgesetz – grund­sätz­lich wichtige Dinge, grundsätzlich auch in die Zukunft weisend, aber nicht so, wie es von den Regierungsparteien hier dargestellt wird.

Früher hätte man gesagt: Das ist Husch-Pfusch. – Heute sagt man das anders. Man sagt: Wir sind in einer Erprobungsphase, wir versuchen, das Ganze irgendwie auszu­probieren. Ob es die Bevölkerung trifft oder nicht, ist ganz wurscht. (Beifall bei der SPÖ.)

Die elektronische Identität ist ja etwas, das das Leben erleichtern soll, das den Bür­gerinnen und Bürgern Wege ersparen soll, was aber in der Praxis eigentlich nicht pas­siert.

Es gibt ja zum Beispiel – wenn wir das heranziehen wollen – im Finanzbereich Finanz­online. Man muss Finanzonline benützen, oder man fährt zum Finanzamt. Das geht aber so weit, dass man die Formulare beim Finanzamt nicht einmal mehr herunterladen kann. Das bedeutet für die Menschen, dass sie hinfahren und sich die Formulare holen müs­sen, dann können sie sie ausfüllen, und dann müssen sie sie wieder hinbringen. Die Möglichkeit des Herunterladens des Formulars hat man ganz einfach gestrichen.

Man vergisst bei diesen Dingen auch, dass man ein bestimmtes Equipment haben muss. Nicht jede Software und nicht jeder Rechner lassen zu, dass man sich ganz einfach einklinkt, ausfüllt, sich komfortabel informiert und Formulare und Anträge ausstellt. Es gibt also einen Zwang zur Elektronik.


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Geht es also wirklich in die Richtung, dass diejenigen, die sich das alles leisten können, ein komfortableres Leben führen, und jene, die kein Geld haben, dann die Dummen sind, die auf der Strecke bleiben? Es ist unglaublich.

Bei diesem Gesetz – und das ist auch im Ausschuss bestätigt worden – gibt es keine wirkliche Folgenabschätzung. Es gibt eine aus dem Jahr 2017. Das heißt, das ist fast drei Jahre her, und drei Jahre sind in der EDV eine halbe Ewigkeit. Wir wissen nicht, was passiert. Die Regierung weiß nicht, was passiert. Nicht einmal die Beamten wissen, was passieren wird. Diejenigen, die das Ganze entwickeln, haben keine Vorstellung davon, was man eigentlich machen kann.

Es gibt den Führerschein dann auf dem Handy, es gibt ganz einfach einen Zulas­sungs­schein auf dem Handy. Wie gibt man den Zulassungsschein weiter? Muss man, wenn man ein Auto hat, das auf die Ehefrau angemeldet ist, und mit diesem Auto fahren will, ihr Handy mitnehmen? – Man konnte diese Frage nicht beantworten. Was ist mit den Firmen, die ganz einfach ein Fahrzeug haben, mit dem mehrere Fahrer fahren? – Das konnte nicht gesagt werden: Ja, da sind wir noch am Entwickeln.

Man beschließt das Gesetz, aber man weiß nichts. Man tut es einfach. Das kommt mir alles so vor wie das mit diesem Babyelefanten: Wir sind doch keine kleinen Kinder – ein Babyelefant!

Erstens gibt es keine Babyelefanten (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), son­dern das sind Kälber.

Zweitens: Was machen wir denn dauernd? – Ich bitte Sie, meine Damen und Herren BundesrätInnen: Kommen wir doch in die Realität zurück! Machen wir nicht irgendetwas, von dem wir gar nicht wissen, was es ist! Da wird ganz einfach zugestimmt – das ist ungeheuerlich. Meine Fraktion wird dem Ganzen nicht zustimmen, weil noch viel zu viele Fragen offen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


16.36.13

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in Zoos schon Babyelefanten gesehen, also es gibt sie wirklich. Als jemand aus der Kommunikationsbranche kann ich schon sagen: Man kann über den Babyelefanten Witze machen – das ist ja auch alles in Ordnung –, aber das Gute an diesem Wording oder an diesem Kommunikationskniff – sagen wir einmal so – ist, dass sich jeder kurz überlegt hat, wenn man das Wort Babyelefant gesagt hat: Hm, wie groß ist der eigentlich? Was ist das eigentlich? Wie kann ich mir das vorstellen?

Genau das war natürlich Sinn und Zweck der Übung. Das kennen auch die sozial­demokratischen Kommunikationsexperten. Da können Sie Herrn Kalina fragen. (Bun­desrat Seeber: Marketing!) Das ist ein Kommunikationskniff. So denkt man einfach darüber nach: Welchen Abstand soll man eigentlich einhalten?

Können wir uns hier jetzt vielleicht darauf einigen, dass es eine Pandemie gibt, dass Abstandhalten richtig ist und dass jede Kommunikationsmaßnahme, durch die die Leute darüber nachdenken: Welchen Abstand halte ich ein?, einfach eine intelligente ist? Darüber wäre ich froh. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Beer: ... Zwischenruf nicht!) – Nein. Du bist jetzt Schriftführer, aber du kannst gern noch einmal herunter­kommen. Ich höre mir deinen Zwischenruf aber gerne auch so an.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 90

Bei dieser Novelle, die wir heute beschließen, geht es ja nicht um Babyelefanten, sondern es geht um die rechtliche Basis, die wir jetzt anhand von Führerschein und Zulassungsschein schaffen, weil es in Zukunft die sogenannte E-ID – herzlich willkom­men (in Richtung der soeben eintreffenden Bundesministerin Schramböck), Frau Minis­terin! – geben soll, und es wird einmal anhand dieser beiden Beispiele eine rechtliche Basis gelegt, um das in Zukunft hinzukriegen. Das ist nicht etwas, das man aus Jux und Tollerei macht, sondern weil die Bürgerinnen und Bürger sich das auch erwarten.

Es ist doch so: Nehmen wir einmal den Impfpass! Da haben wir ja dieselbe Diskussion gehabt. Ich weiß nicht, wie oft ich meinen Impfpass schon verloren habe. Ich gebe es zu, ich bin bei solchen Papieren ein bisschen ein Schlampertatsch. Irgendwann durch­suche ich die Laden und finde das nicht mehr. Da ist eine Handyapp schon sehr prak­tisch, muss ich sagen.

So ähnlich ist es auch bei Führerschein und Zulassungsschein. Es ist einfach hilfreich, wenn man das auch am Handy hat. Seien wir doch froh! Man kann das auch bei der Stadt Wien: Da kann man mit seiner Handysignatur einsteigen und zum Beispiel ein Volksbegehren unterstützen und muss nicht mehr aufs Amt laufen. Das ist doch etwas Gutes, und das ist doch etwas, was die Leute auch wollen.

À la longue wird diese E-ID tatsächlich zu einer sehr spannenden Angelegenheit werden und für die Vereinfachung bürokratischer Abläufe sorgen. Ein One-Stop-Shop für die Bürgerinnen und Bürger ist genau das, was sich die Leute in Wahrheit auch erwarten. Wenn wir das nicht tun – seien wir ehrlich! –, dann bekommen wir den Vorwurf: Ihr seid doch aus dem vorigen Jahrhundert.

Das könnt ihr gerne sein – wir wollen es nicht sein. Wir wollen in die Zukunft gehen (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling) und für die Bürgerinnen und Bürger mit den Applikationen und mit dem technischen Gerät, mit dem sie täglich arbeiten, die Zugänge zu Behörden ermöglichen.

Das macht übrigens die Stadt Wien auch (Zwischenruf bei der SPÖ – Beifall der Bundesrätin Schumann), und ich weiß nicht, warum es bei uns schlecht sein soll und bei der Stadt Wien gut. Ich verstehe es nicht. Das wollen wir ja alle: Wir wollen einfach nur die Zugänge schaffen.

Zu den Fragen, die von meinem Vorredner gestellt worden sind: Na selbstverständlich das ist ja angekündigt und im Ausschuss auch beantwortet worden wird es einen Pilotbetrieb geben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Natürlich muss man sich anschauen, wo es hapert, wo es Kinderkrankheiten gibt. Die wird es geben, das wissen wir alle, das ist bei jeder neuen Entwicklung, bei jeder technischen Neuentwicklung so. Jeder App­entwickler wird euch sagen, dass es am Anfang hapert – weil es so ist.

Wichtig ist nur – und da gebe ich auch recht –, dass man sich die Begleitung betreffend die Datensicherheit und den Datenschutz tatsächlich ganz genau anschaut, auch streng anschaut, und das ist gewährleistet. Der Datenschutzrat wird diesen gesamten Prozess begleiten und ist involviert, daher verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht ganz, warum man das ablehnt. Das ist für mich rätselhaft.

Es ist eine gute Sache, es ist ein vereinfachter Zugang zur Bürokratie, für die Bür­gerinnen und Bürger. Ich finde, wir könnten dem Ganzen alle zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.41


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es freut mich, dass zwischenzeitig unsere Wirtschaftsministerin Frau Dr. Margarete Schramböck zu uns gestoßen ist, ein herz­liches Grüß Gott, Frau Minister! (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 91

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte schön, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


16.41.27

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen! Die Digitalisierung unserer Gesellschaft ist in vollem Gange, gerade im heurigen Jahr der Coronakrise. Durch die weitgehenden Einschränkungen beziehungsweise die Vermeidung persönlicher Kon­takte hat die Nutzung digitaler Dienste einen enormen Schub erlebt, Homeoffice, Dis­tancelearning, Videokonferenzen und so weiter, die Digitalisierung hat bei uns allen Einzug gehalten.

Der elektronische Identitätsausweis, kurz E-ID genannt, stellt die Identifizierung und Per­sonenbindung im elektronischen Geschäftsverkehr sicher und bildet damit das Herz­stück eines funktionierenden E-Governments. Nur wenn die eindeutige Identifizierung von Personen sowie die Authentifizierung ihrer Ersuchen – also die Bestätigung ihrer Willenserklärung oder Handlung – sichergestellt sind, können Dienstleistungen im elek­tronischen Geschäftsverkehr angeboten werden. Diese Schlüsselfunktion wird durch die E-ID erfüllt.

Die gegenständliche Vorlage betrifft die weitere Entwicklung der Rahmenbedingungen für die E-ID. Dabei geht es unter anderem um die Ermöglichung einer sicherheits­tech­nisch gleichwertigen Umsetzung der smartphonebasierten Verwendung der E-ID. Ohne auf die zahlreichen technischen Vorgaben dieser Vorlage näher einzugehen, ist es mir wichtig, festzuhalten, dass die Zukunft der Nutzung der E-ID durch Bürgerinnen und Bürger in der smartphonebasierten Verwendung liegt. Anders als im geschäftlichen Be­reich, wo viel mit Computern gearbeitet wird, führt im privaten Bereich heute kein Weg mehr an mobilen Anwendungen vorbei. Nutzerfreundlichkeit beziehungsweise Usabi­lity – diese ist heute nur noch über smartphonebasierte mobile Anwendungen zu er­reichen – ist das entscheidende Stichwort. Gleichzeitig ergeben sich durch die strengen Anforderungen an die Sicherheit der E-ID aus Nutzersicht keine sicherheitstechnischen Nachteile.

Die gegenständliche Vorlage enthält zahlreiche detaillierte Regelungen, die den be­stehenden Rechtsrahmen für die E-ID ergänzen beziehungsweise konkretisieren. Dies betrifft unter anderem die Registrierungsverfahren, die Einsatzmöglichkeiten der E-ID sowie die technischen und datenschutzrechtlichen Grundlagen für die Erhebung und Über­mittlung beziehungsweise die Verarbeitung von Attributen. Ebenfalls enthalten sind Regelungen betreffend Nutzungsmöglichkeiten der E-ID in Bezug auf Attribute von Verantwortlichen des öffentlichen und des privaten Bereichs.

Ich möchte hierzu auf ein paar Punkte näher eingehen: Schon bisher ist vorgesehen, dass bei der Verwendung der E-ID ein Kerndatensatz – bestehend aus Vorname, Fa­milienname, Geburtsdatum und Identifikator – generiert und an die betreffende Daten­verarbeitung übermittelt wird. Zudem besteht je nach technischen Voraussetzungen die Möglichkeit, auch weitere Merkmale aus den für die Stammzahlenregister behörden­zugänglichen Registern zur Verfügung zu stellen.

Es sollen nun die Nutzungsmöglichkeiten der E-ID erweitert werden, wonach künftig auch Attribute aus Registern von Verantwortlichen des privaten Bereichs, zum Beispiel Versicherungspolizzen von Versicherungen, Dritten zur Verfügung gestellt werden können. Sehr zu begrüßen ist, dass die Öffnung des E-ID-Systems für solche Dritte ein Registrierungsverfahren voraussetzt und damit die Integrität sichergestellt werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 92

Ich halte diese geplante Öffnung für eine essenzielle und sinnvolle Ergänzung, die voll im Sinne der Effektivitätssteigerung in der Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bür­gern, der Verwaltung sowie Anbietern im privaten Bereich, zum Beispiel Versicherungen und so weiter, ist. Die Nutzung setzt voraus, dass der E-ID-Inhaber dieser Nutzung zustimmt, was aus datenschutzrechtlicher Sicht unerlässlich ist. Der E-ID-Inhaber bestimmt somit, ob er den Dienst nutzen möchte oder nicht. Die Nutzung setzt weiter voraus, dass die Anbindung technisch möglich sein muss und eine datenschutz­recht­liche Rechtmäßigkeit der Verarbeitung gegeben ist. Auch wenn in diesem Zusam­menhang noch Fragen zu klären sind und somit keine unmittelbare Anwendung der E-ID in Bezug auf Register von Verantwortlichen des privaten Bereichs erfolgt, ist die nunmehrige Schaffung der entsprechenden rechtlichen Grundlagen ausdrücklich zu begrüßen.

E-Government soll den Bürgerinnen und Bürgern in der Interaktion mit Behörden eine Erleichterung bringen. Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen bestehen bereits und werden mit den vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen ausgeweitet. Allerdings hängt der praktische Erfolg des E-Governments von sinnvollen Anwendungsmög­lich­keiten im Alltag ab, ohne die Zurverfügungstellung von massentauglichen Diensten, für die die E-ID verwendet werden kann, hält sich der Nutzen für Bürgerinnen und Bürger in Grenzen. Angesichts dessen, dass die Österreicherinnen und Österreicher durchschnitt­lich nur wenige Behördengänge pro Jahr haben, stellt sich die Frage nach solchen massentauglichen, sinnvollen Anwendungen. Daher möchte ich den gegenständlichen Vorschlag zum digitalen Führerschein ausdrücklich loben, da er genau in die richtige Richtung geht.

Das bedeutet, dass man in Zukunft den Führerschein nicht mehr physisch dabei haben muss, sondern diesen mithilfe des Mobiltelefons vorweisen kann. Die Schaffung der Grundlagen für den digitalen Führerschein und auch den digitalen Zulassungsschein ist wichtig, denn diese stellen eine sinnvolle und massentaugliche Anwendung dar, welche einen enormen Schub für die Nutzung der E-ID durch die Bürgerinnen und Bürger bringen kann. Vielen Dank an dieser Stelle an die Frau Ministerin für diese wichtige Initiative! (Beifall bei der ÖVP.)

Zudem begrüße ich auch die Änderungen des Passgesetzes, und zwar geht es dabei vor allem darum, dass aktuelle Lichtbilder der E-Cards vom Dachverband der öster­reichischen Sozialversicherungsträger im Identitätsdokumentenregister, kurz IDR, ge­speichert werden. Aus verwaltungsökonomischen Gründen macht es aus Sicht der Betroffenen und der Behörden Sinn, die auf diese Weise erfassten personenbezogenen Daten und Lichtbilder für Zwecke von Verfahren nach dem Passgesetz weiterzu­verarbeiten, also insbesondere für die Ausstellung von Reisedokumenten. Es soll sich diesbezüglich um keine automatisierte Weiterverarbeitung handeln. Für Betroffene besteht weiterhin die Möglichkeit, selber ein aktuelles Lichtbild beizubringen, wenn dies gewünscht ist.

Abschließend möchte ich noch kurz etwas zu den Ausführungen von Kollegen Beer von der SPÖ sagen: Ja, es stimmt, für diese Erleichterungen gibt es einen Zwang zur Elektronik, man braucht ein Smartphone, ja. Wir können uns aber nicht dem Fortschritt verwehren, nur weil nicht alle über diese technischen Möglichkeiten verfügen. Wir müssen nach vorne, in die Zukunft gerichtet schauen, und das analoge System ist ja weiterhin verfügbar.

Ich finde, all diese genannten Gesetzesanpassungen sind ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung, damit sich durch die Digitalisierung Erleichterungen für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Behörden ergeben. Aus all diesen Gründen unterstütze ich die gegenständlichen Gesetzesvorlagen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.49



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 93

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


16.49.46

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Die wesentlichen Inhalte des Bundesgesetzes, mit dem das E-Government-Gesetz, das Passgesetz 1992, das Führerscheingesetz und das Kraftfahrzeuggesetz 1967 geändert werden, sind: die sicherheitstechnisch gleichwertige Umsetzung für die vereinfachte smartphonebasierte Verwendung des elektronischen Identitätsnachweises; die Zuläs­sigkeit der Verwendung von Attributen aus dem Identitätsdokumentenregister sowie aus Registern von Verantwortlichen des privaten Bereichs über das System des elektroni­schen Identitätsnachweises und Bereitstellung dieser Daten an Dritte sowie die aus­drückliche Anforderung, dass im Zuge der Registrierung zum elektronischen Identitäts­nachweis, sofern eben nicht vorhanden, ein Lichtbild beizubringen ist. Die zur Kenntnis gelangten Änderungen zu Eintragungsdaten im Ergänzungsregister sollen von bestimm­ten Behörden und Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs direkt dem Ergänzungs­register gemeldet werden.

Weitere Inhalte sind die Zulässigkeit der Weiterverwendung im Zuge des Pilotbetriebes ausgestellter elektronischer Identitätsnachweise und die Verarbeitung der zugehörigen Registrierungsdaten auch über den Zeitraum des Pilotbetriebs hinaus; die Ermächtigung von Behörden zur Abfrage des Identitätsdokumentenregisters zum Zwecke einer ein­fachen, raschen und gesicherten Identitätsfeststellung; die Ermöglichung der Weiterver­wendung von Daten, die im Zuge der Registrierung eines elektronischen Identitätsnach­weises oder der Aufnahme eines Lichtbilds für die E-Card verarbeitet wurden, für die Ausstellung von Reisedokumenten; die Einführung einer alternativen Möglichkeit des Nachweises der Lenkerberechtigung mittels digitalen Führerscheins für Inhaber eines elektronischen Identitätsnachweises sowie die Einführung einer alternativen Möglichkeit des Nachweises des Zulassungsscheins mittels digitalen Zulassungsscheins für Inhaber eines elektronischen Identitätsnachweises.

Wichtig ist uns Freiheitlichen, dass die Datenschutzgrundregeln eingehalten werden, dass wirklich nachvollziehbar ist, dass die Daten vertraulich behandelt werden, und dass kein Missbrauch passieren kann. Zudem ist natürlich wichtig, dass es auf Freiwilligkeit beruht.

Die langjährige freiheitliche Forderung nach einem elektronischen Führerschein auf freiwilliger Basis wird mit diesem Gesetz somit unter Berücksichtigung der Freiwilligkeit umgesetzt und beinhaltet zum Beispiel Folgendes: den Entfall der Mitführpflicht des physischen Führerscheins – dasselbe gilt auch für den Entfall der Mitführpflicht des physischen Zulassungsscheins – bei Fahrten im Inland, wenn die Kontrolle über den elektronischen Identitätsnachweis und die App ermöglicht wird; natürlich eine Grundlage für die Selbstabfrage durch Bürger sowie die Ermöglichung der Kontrollabfrage durch Kontrollorgane. Beim Führerschein sind natürlich Regelungen der Ausweisfunktion gegenüber Dritten und beim Zulassungsschein die Weitergabe an Dritte sowie die Re­gelung der Vorgangsweise bei vorläufiger Abnahme des Führerscheins oder des Zulas­sungsscheins erforderlich.

Insgesamt sehen wir Freiheitliche dieses Bundesgesetz sehr positiv, es bringt Erleich­terungen mit sich und ist ein weiterer Schritt in eine digitale Zukunft. (Beifall bei der FPÖ.)

16.53


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bun­desministerin Dr. Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundes­ministerin.



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 94

16.53.20

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich auf die elektronische Identität oder den elektronischen Identitätsnachweis eingehe, möchte ich zuerst ein wenig über das sicher­lich präsente Thema der digitalen Kluft sprechen.

Es geht darum, dass wir alle auf diese Reise mitnehmen, dass wir Möglichkeiten schaf­fen, an dieser digitalen Transformation und vor allem an der digitalen Kommunikation teilzuhaben. Dabei ist es wichtig, dass wir für die unterschiedlichsten Menschen in unserer Gesellschaft in Österreich aktiv Schritte setzen.

Auf der einen Seite geht es um die etwas Älteren, die nicht in der digitalen Gegenwart geboren sind, die noch in eine andere Welt hineingeboren sind und die sich manchmal etwas schwertun: Wir haben im Schulterschluss die Plattform Fit4Internet gegründet, bei der es mir ganz besonders wichtig ist, die Älteren mitzunehmen. Wir haben noch vor Covid mehrere Kaffee digital organisiert und versuchen jetzt über andere Kanäle, wie zum Beispiel auch über das Fernsehen, diese Generation zu erreichen, damit sie auch teilhaben und sich Schritt für Schritt in dieses Thema einarbeiten kann.

Ich spreche aus Erfahrung: Meine Mutter ist 80 Jahre alt, sie ist vor wenigen Jahren in die Welt des Smartphones eingestiegen, und es funktioniert sehr, sehr gut. Mein Vater versucht sich auch in diesem Bereich. Es ist mir also ein großes persönliches Anliegen, und Sie werden immer wieder sehen, dass wir da entsprechende Maßnahmen setzen.

Was auch ein wichtiger Punkt ist: dass wir die junge Generation mitnehmen und bei ihr besonders darauf achten, dass es nicht darum geht, Medien alleine zu konsumieren, sondern auch selbst kreativ zu gestalten, das Coden zu erlernen und schon recht früh spielerisch mit Medien umzugehen. Auch das müssen wir beachten.

Die dritte Gruppe sind jene, die so wie wir voll im Arbeitsprozess sind, die in Unter­nehmen arbeiten, und da sind mir vor allem jene, die in Klein- und Mittelbetrieben arbeiten, ein ganz wichtiges Anliegen. Sie dürfen wir nicht zurücklassen. Wir müssen darauf schauen, dass sie die notwendigen Fertigkeiten erwerben können, und auch da hat die Plattform Fit4Internet vor allem im Cybersicherheitsbereich Schritte gesetzt.

Nun zum Thema elektronische Identität: Die digitale Verwaltung, der digitale Staat ist ein ganz, ganz wichtiger Faktor. Es ist unsere Aufgabe, dass wir unterschiedlichste Maß­nahmen setzen, und dass es wirkt, zeigen die Zahlen. Wir haben es von Platz 6 vor auf Platz 3 geschafft, was die digitale Verwaltung betrifft, nur mehr Estland und Malta sind vor uns.

Es ist also möglich, die Dinge anzugehen, und wir haben das mit dem digitalen Amt auch gemeinsam entsprechend getan. Jetzt ist es Zeit, einen weiteren Schritt zu setzen, einen Schritt, den viele Länder in Europa schon gemacht haben. Wir brauchen nicht zu glau­ben, dass wir da Vorreiter sind. Im Gegenteil, wir sind Nachzügler bei der elektronischen Identität, beim elektronischen Identitätsnachweis. Es gibt ihn in allen nordischen Staaten, es gibt ihn in Deutschland, es gibt ihn in Großbritannien, und wir haben aufgrund verschie­denster Situationen, die wir in Österreich hatten, da eine Verzögerung.

Darum ist es jetzt so wichtig, das nachzuholen und den elektronischen Identitäts­nach­weis als ein sicheres Instrument zu schaffen, das den Bürgerinnen und Bürgern höhere Sicherheit gibt, damit es Basis für unterschiedlichste Anwendungen sein kann. Sie haben einige genannt – die Ausweisplattform und noch viele mehr.

Wichtig ist auch, dass wir die Nutzer der Handysignatur überführen. Es sind über 1,2 Mil­lionen Menschen in Österreich, die diese aktiv nutzen, die die digitale Verwaltung nutzen.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 95

Die elektronische Identität bringt uns da einen Schritt weiter. Warum? – Weil die elektronische Identität mit dem Pass mitgegeben wird, man muss sie nicht verwenden, man kann sie verwenden. Sie haben es auch gesagt (in Richtung Bundesrat Bernard), Freiwilligkeit ist ganz wichtig.

Es wird den Prozess vereinfachen und auch die Sicherheit erhöhen, da eine Behörde sie ausgibt. Die Handysignatur wird nicht von einer Behörde ausgegeben, Sie können das bei der Bank, bei der Versicherung machen. Es war uns wichtig, die Sicherheit zu erhöhen, indem Sie das beim Passamt entsprechend beantragen und bekommen und dann für sich nutzen können.

Sie haben auch den Datenschutzrat angesprochen. Ja, dazu gab es viele Inputs, und ganz wichtig ist: Mein Team war in der Sitzung des Datenschutzrates. Wir haben in dem Prozess die Kommentare, die Inputs zum Gesetzesvorschlag alle Schritt für Schritt durchgearbeitet. Sie sind auch entsprechend eingeflossen. Ich kann Ihnen versichern, dass es eine sichere Lösung ist, eine Lösung, die in vielen anderen Ländern schon in Anwendung ist, und ein weiterer Schritt in Richtung einer digitalen Verwaltung.

Das tun wir nicht zum Selbstzweck, sondern wir tun das, damit es die Österreicherinnen und Österreicher im Umgang mit den Behörden leichter haben. Wichtig ist mir die Frei­willigkeit, die Sie auch angesprochen haben – dass sich jeder aussuchen kann, wie er den jeweiligen Amtsweg machen möchte. Auch ich werde immer wieder entscheiden, dass ich selbst auf das Amt gehe. Ich werde in anderen Situationen entscheiden, dass es über den digitalen Weg leichter ist. Es liegt beim Bürger, bei der Bürgerin, diese Entscheidung zu treffen. Wir müssen alle Möglichkeiten anbieten. Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung und Ihre Inputs zu diesem nächsten Schritt in der digitalen Verwal­tung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.59

16.59.15


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. Das dürfte schon passiert sein. (Heiterkeit im Saal.)

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.00.0016. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort geneh­migt wird, und das Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen (Investitionsprämiengesetz – InvPrG) geändert werden (1126/A und 591 d.B. sowie 10512/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 96

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert werden (1113/A und 592 d.B. sowie 10513/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nunmehr zu den Tagesord­nungspunkten 16 und 17, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich bitte um die Berichte zu beiden Tagesordnungspunkten.


17.00.29

Berichterstatterin Ing. Isabella Kaltenegger: Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den Bericht des Wirtschafts­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelas­tungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, und das Bundesgesetz über eine COVID-19-Investitionsprämie für Unternehmen geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf Ihnen einen weiteren Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrats vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Bilanz­buch­haltungsgesetz 2014 geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme daher zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke schön.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank, Frau Berichterstatterin, für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.02.08

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Wesentlicher Inhalt des Verhandlungsgegenstandes ist: Mit dem BGBl Nr. 110/2020 wurde das für die Covid-19-Investitionsprämie für Unternehmen vorgesehene Budget von 2 Milliarden Euro aufgestockt. Die Investitionsprämie wird dabei als allgemeine Maßnahme abgewickelt, ist nicht selektiv und fällt somit nicht in den Anwendungsbereich des EU-Beihilfenrechtes. Die Maßnahme soll daher nicht aufgrund zur Neige gehender Budgetmittel vorzeitig eingestellt werden. Das sehen auch wir positiv. (Bundesrätin Zwazl: Schau, schau!)


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 97

Mit Stand 24. November 2020 langten bereits 48 118 Anträge mit einem Investitions­volumen von ungefähr 21,6 Milliarden Euro bei der Abwicklungsagentur des Wirtschafts­service – Kurzform AWS – ein. Es ist ein Zuschussvolumen von mehr als 2,24 Milliarden Euro beantragt. In der gestrigen Ausschusssitzung wurden folgende Zahlen bekannt gegeben: 59 000 Anträge, ein Zuschussvolumen von 2,4 Milliarden Euro, welches ein Investitionsvolumen von 22 Milliarden Euro auslösen wird.

Angemerkt sei, dass von Experten zur vorletzten Ausschusssitzung nachträglich in schriftlicher Form übermittelte Unterlagen nicht den Weg von der Vorsitzenden zu allen Fraktionen gefunden haben, obwohl dies zugesagt worden ist. Welch Zufall! Die Hoff­nung stirbt natürlich zuletzt, und unglaublicherweise erhielten wir vor circa einer Stunde wie in der gestrigen Ausschusssitzung zugesagt die von Experten vorgetragenen Unter­lagen zusätzlich in schriftlicher Form. Als gelernter Niederösterreicher ist man aber so einen Umgang der sogenannten ÖVP mit einem gewohnt. (Beifall bei der FPÖ. – Bun­desrätin Zwazl: He, he! – Widerspruch bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Kurz die Anträge nach Kategorie: 49 Prozent Standard, 29 Prozent Ökologisierung und 22 Prozent Digitalisierung. Anträge nach Unternehmensgröße: 64,8 Prozent Kleinst­unter­nehmen, 18,2 Prozent Kleinunternehmen, 9,5 Prozent Mittelunternehmen und 7,5 Prozent Großunternehmen. (Bundesrat Schreuder: Was ist daran falsch?)

Zielverfehlung lautete zum Beispiel die vernichtende Kritik der Kammer der Steuer­berater und Wirtschaftsprüfer in ihrer Stellungnahme. Das Gesetz strotze nur so von unbestimmten und auslegungsbedürftigen Gesetzesbegriffen. Mit der Abwicklung wür­den nicht die Finanzämter, sondern das AWS beauftragt. Wieder einmal müsse die Finanz sensible Daten der Steuerpflichtigen außer Haus geben. Das sei Irrsinn und fördere wieder einmal mehr die Bürokratie. Nur eine Abarbeitung der Investitions­prä­mien­anträge durch die Finanzämter sei vernünftig, und zwar in Form einer steuerlichen Investitionsförderung in engster Anlehnung an die Forschungsprämie mit Rechts­anspruch und Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Wirtschaftsministerin degradiert Unter­neh­mer aber wieder einmal zu Bittstellern ohne Rechtsschutzmöglichkeiten, und für die Abwicklung dieses Bürokratieirrsinns verlangt das AWS auch noch ein Honorar von 20 Millionen Euro.

Derzeit kann das AWS keine Genehmigungen mehr aussprechen, da, wie vorhin be­richtet, die Budgetmittel bereits erschöpft sind. (Bundesrat Köck: Das ist doch okay!) Im Sinne der beihilfenrechtlichen Qualifizierung als allgemeine Maßnahme ist es daher angezeigt, Budgetmittel in Höhe von maximal 3 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, sprich um eine weitere Milliarde aufzustocken.

Wichtig wäre auch, Frau Wirtschaftsminister, dass endlich eine Nachfolgeregelung für die am 31.12.2020 auslaufende Breitbandausbau-, sprich BBA-2020-Förderung fertig­gestellt und beschlossen wird. Auch in diesem Punkt ist die türkis-grüne Bundes­regierung säumig. Viele sehr notwendige Projekte liegen auf Eis. Wann, Frau Minister, kommen die BBA-2030-Förderkarte und die dazugehörigen Rahmenbedingungen, För­dersätze, Ausbaurichtlinien ins Plenum? Gerade jetzt, aber auch in Zukunft ist ein funktionierendes, ausreichend schnelles Internet für unseren Wirtschaftsstandort ent­scheidend und sichert viele Arbeitsplätze.

Ein kurzes Wort zur Wirtschaftskammer Österreich, die ja – meiner Meinung nach hätte sie das insgesamt nicht tun sollen – für die Auszahlung sämtlicher Zuschüsse und Förderungen, die zu spät, gar nicht oder wie auch immer angekommen sind, verant­wortlich war. Sie haben noch am 17. April 2020 verkündet, dass sie sich daran beteiligen werden, indem sie weniger Gelder von uns Pflichtmitgliedern einheben, dass sie darauf verzichten. Irgendwie hat sich das auf die 200 Millionen Euro Grundumlage bezogen. Was ist passiert? – Neulich flattert in allen Unternehmungen in Wien und Niederösterreich ein


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 98

Brief ins Haus. Sie verzichten mitnichten auf die Grundumlage, sie haben sie nur kurz ausgesetzt. Sie wollen sie jetzt nachbezahlt bekommen. Geht es den Unternehmen denn jetzt besser? – Ich glaube nicht. Geht es der Kammer gut? – Sehr gut.

Deswegen ist es extrem wichtig, dass die freien Wirtschaftsverbände wie der Handels­verband, die Industriellenvereinigung, die Tourismusvereinigung oder der österreichi­sche Gewerbeverein stärker zum Zug kommen, die Pflichtbeiträge eines Tages wirklich reduziert werden und die Grundumlage ausgesetzt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun noch kurz zum wesentlichen Inhalt des weiteren Verhandlungsgegenstandes, in dem das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 geändert werden: Das Anhalten der sogenannten Covid-19-Pandemie macht eine Verlängerung der diesbezüglichen Maßnahmen erforderlich. Damit soll sichergestellt werden, dass Wirtschaftstreuhändern und jenen, die einen Wirtschaftstreuhandberuf anstreben, keine Nachteile aufgrund der Covid-19-Pandemie entstehen.

Der § 239a Abs. 1 enthält die Ermächtigung zur Verlängerung der angeführten Fristen mittels Verordnung durch den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschafts­stand­ort. Die Absätze 3 und 5 verlängern die Möglichkeit, mündliche Prüfungen und Eides­abnahmen per Videokonferenz durchzuführen.

Zweiter Punkt: Auch Ziviltechnikern und jenen, die einen Ziviltechnikberuf anstreben, sollen keine Nachteile aufgrund der Covid-19-Pandemie entstehen. Der § 119 Abs. 1 enthält die Ermächtigung zur Verlängerung der angeführten Fristen mittels Verordnung. Die Absätze 2 und 3 verlängern die Möglichkeit, mündliche Prüfungen und Eides­abnahmen per Videokonferenz durchzuführen, das Gleiche im Artikel 3 in der Änderung des Bilanzbuchhaltungsgesetzes. Der § 75 enthält eine Ermächtigung der Frau Bundes­minister zur Verlängerung der angeführten Fristen. Ziel der Regelung ist es, sicher­zu­stellen, dass für Personen und Gesellschaften, die einen Bilanzbuchhaltungsberuf aus­üben, keine Nachteile aufgrund der Covid-19-Pandemie entstehen.

Durch § 75 Abs. 2 wird die Fortbildungsverpflichtung der Berufsberechtigten für das Kalenderjahr 2021 um die Hälfte reduziert. Diese beträgt für gewöhnlich 30 Lehr­ein­heiten für Bilanzbuchhalter und gewerberechtliche Geschäftsführer für Bilanzbuchhal­tung und mindestens je 15 Lehreinheiten für Buchhalter und Personalverrechner bezie­hungsweise gewerberechtliche Geschäftsführer für Buchhaltung und Personalverrech­nung. Diese Lehreinheiten werden durch den Besuch von Seminaren und Workshops erbracht; Selbststudium wird nicht akzeptiert. Da diese Seminare gegenwärtig nicht in ausreichendem Maß angeboten werden, ist eine Reduktion der Fortbildungsver­pflich­tung gerechtfertigt.

Diese Änderungen sehen wir positiv und werden keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der FPÖ.)

17.10


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


17.10.14

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Frau Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Bernard, ich bedanke mich bei dir, du hast die Verlängerungen zum Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, zum Ziviltech­ni­ker­gesetz und zum Bilanzbuchhaltungsgesetz wirklich großartig gebracht. Es wäre auch schön, wenn man da einmal Danke schön sagen würde, dass man auf die schwie­rige Situation, in der wir jetzt sind, so rasch Bezug nimmt (Bundesrat Steiner: Danke! Danke! Danke! Danke!) und für die Wirtschaft Verordnungen und Gesetze macht, damit man


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 99

eben diesen schweren Bedingungen Rechnung trägt und diesen Berufsgruppen keine Nachteile entstehen. Für uns sind auch – gerade weil wir sehr viele Kleinbetriebe haben – die Bilanzbuchhalter sehr wichtig, und dafür, dass man jetzt die jährliche Fort­bildungs­verpflichtung eben aufgrund dieser außergewöhnlichen Situation von 30 auf 15 Fortbil­dungseinheiten reduziert hat, sage ich ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Herr Kollege (in Richtung Bundesrat Bernard), wir haben schon ein paarmal über dieses Investitionsprämiengesetz gesprochen, wir haben jedes Mal gesagt: Danke schön, dass es diese Unterstützung, diese Hilfe für unsere Betriebe gibt! (Bundesrat Steiner: Danke!) Wie man sieht, wird sie von unseren Betrieben auch angenommen. Man sieht, dass einen Großteil die Kleinstbetriebe ausmachen: 64,8 Prozent der Anträge kommen von Kleinstunternehmen, also Betrieben mit bis zu neun Mitarbeitern. Daran sieht man, dass es wichtig ist, dass gerade die Betriebe, die auch für uns, für die Regionen, für die Orts- und Stadtzentren wichtig sind und es wirklich ganz dringend brauchen, eine Unter­stüt­zung haben.

Wenn in einer Region ein Kleinstbetrieb investiert, dann unterstützt er damit auch andere. Du hast ja wirklich sehr toll ausgeführt, welche Investitionen da losgetreten werden, immerhin sind 22 Milliarden Euro doch sehr viel.

Ich denke, es wäre auch einmal schön, wenn man etwas positiv sieht und sagt: Danke schön, dass es diese Unterstützung gibt! (Bundesrat Steiner: Danke! Danke! Danke!) – Ich glaube, Michael Bernard kann alleine reden. Ich weiß nicht, ob er schon so hilflos geworden ist, dass du ihm helfen musst. (Heiterkeit des Bundesrates Bernard.)

Als ich ihm zugehört habe, ist mir ein Lied eingefallen, in dem es heißt: Ich muss nicht alles, was sie sagt, immer hören. – Und ich habe mir gedacht: Alles, was du sagst, muss ich ja nicht verstehen. – Gewisse Sachen verstehe ich ganz einfach nicht: Du hast die Unterlage bekommen. (Bundesrat Bernard: Jetzt gerade!) Das ist eine ganz aktuelle Unterlage, und da sage ich herzlichen Dank, die ist großartig und ausdrucksstark, und daran sieht man ganz genau, dass dieses Investitionsprämiengesetz eine großartige Hilfe für unsere Betriebe ist. (Bundesrat Spanring: ... angeschaut die Unterlage?)

Wir werden mit dieser Unterstützung die schwierige Situation gut bewältigen. Wenn man sich das anschaut – und du als Niederösterreicher könntest auch zufrieden sein, denn jeder fünfte Antrag kommt aus Niederösterreich –, dann sieht man, dass wir im Bundes­länderranking auf dem zweiten Platz, nämlich hinter Oberösterreich und vor der Steier­mark, sind. Das ist ja auch etwas Schönes. (Bundesrat Spanring: ... ob das mit der Größe des Bundeslandes etwas zu tun hat!) Noch einmal: Wichtig ist ganz einfach auch, dass diese Investitionsprämie zeigt, dass genau diese Betriebe diese Unterstützung bekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir, die Wirtschaft – das sind verbundene Gefäße. Wir sind deshalb so widerstandsfähig, weil wir eben einen tollen Mix haben: die Kleinstunternehmer, die Mittelunternehmer und die Großunternehmer. Das finde ich toll. Ich finde es auch großartig, wenn man sich das anschaut und sieht, dass 50 Prozent in die Ökologisierung und die Digitalisierung gehen, diese 14 Prozent Zuschuss wirken also – ein herzliches Dankeschön! (Bundesrat Steiner: Danke!)

Da du natürlich keine Ausführung irgendwie schließen kannst, ohne auf die Wirtschafts­kammer hinzuhauen, kann ich dir nur eines sagen: Du würdest dich wundern, wenn es die Wirtschaftskammer nicht gäbe! Als ich Präsidentin geworden bin, war ich auf einem internationalen Kongress des ICC in Marseille, und da sind Unternehmer aus Brasilien, aus Indien, aus Amerika rausgegangen, haben sich hingestellt und gesagt, wie sie sich eine Vertretung der Wirtschaft vorstellen. Ich war damals noch sehr schüchtern und habe meinen Kammerdirektor am Ärmel gezupft und gesagt: Bitte geh hinaus und sag ihnen,


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sie sollen das Modell von Österreich übernehmen! – Warum kann man von etwas, das man hat, nicht ganz einfach auch die Vorteile nennen? (Bundesrat Steiner: Aber die haben ja keine ÖVP da in den Ländern!) Bitte bring dich ein und sag, was du besser haben willst! (Bundesrat Steiner: In Brasilien gibt es keine ÖVP!) Du hast doch die Möglichkeit und die Chance, in deiner Innung, in deinem Gremium zu sagen, was geschieht. Und die Grundumlagen macht nicht die Kammerspitze, sondern das machen die einzelnen Innungen und Gremien. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Außerdem ist es ganz einfach so, dass die Wirtschaftskammern auch gerne unsere Unternehmerinnen und Unternehmer beraten, damit sie eben beim Investitionsprämien­gesetz auch zum Zug kommen. Mein Kollege Köck hat mir gezeigt, dass Unternehmen, die vor zwei Tagen Anträge eingereicht haben, heute schon die Zusage haben. Also das geht ganz einfach. (Bundesrat Steiner: Das sind sicher ÖVP-Mitglieder ..., Wirtschafts­bundmitglieder!) – Na ja, dann geh zum Wirtschaftsbund, wenn du glaubst, dass es geschwinder geht! (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der FPÖ. Ruf: Das war jetzt richtig! – Bundesrat Steiner: Also muss ich zum Wirtschaftsbund gehen ...! Gut zu wissen!) – Nein, aber ich denke, dass die Leute, die beim Wirtschaftsbund sind, vielleicht besser darüber informiert sind (Bundesrat Steiner: Jetzt haben wir den Beweis!), welche Serviceleistungen die Wirtschaftskammerorganisation anbietet, weil ihr ganz einfach nicht hören wollt, was es gibt.

Das ist ganz einfach schade, denn unsere Aufgabe – von uns, die wir alle in der Wirt­schaft stehen – ist ganz einfach, unseren Mitgliedern zu sagen, welche Möglichkeiten der Unterstützung es gibt, und nicht, ihnen zu sagen, dass es das nicht gibt und dass sie es gar nicht machen müssen. – Das ist grob fahrlässig, und zu dieser Abteilung gehören wir nicht.

Ich sage ein herzliches Dankeschön, Frau Minister, für die großartige Unterstützung! (Bundesrat Steiner: Danke! Danke!) – Ich nehme an, dass du dir heute die Unterlagen noch einmal genau anschaust und beim nächsten Mal nur mehr sagst: Danke schön, dass es diese Möglichkeit gibt! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.16


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Zaggl. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.16.46

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen! Liebe Zuseher! Das Investitionsprämiengesetz, die Investitionsprämie kann nur unterstützt werden. Die Aufstockung und die damit verbundene weitere Unterstützung unserer heimischen Unternehmen sind in jeglicher Hinsicht mitzutragen. Es gab bis jetzt rund 59 000 An­träge, davon waren fast 65 Prozent von Kleinstunternehmen, die die Investitionsprämie in Anspruch genommen haben. 2,4 Milliarden Euro, die bereits ausbezahlt beziehungs­weise zugesagt wurden, tragen somit Investitionen von rund 22 Milliarden Euro – nur um kurz auch die Zahlen erwähnt zu haben.

Investitionen, die getätigt werden, betreffen ja nicht nur das eigene Unternehmen, die eigenen Mitarbeiter, sondern sichern auch in Unternehmen, die von der Investition betroffen sind und da auch mitgetragen werden, die Arbeitsplätze und den Erhalt der Folgeunternehmen. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Schreuder und Zwazl.)

Es ist wie ein Dominospiel. Ein Unternehmen investiert und löst in den Folge­unter­neh­men in kleinen Kettenreaktionen die weiterführenden Investitionen aus. So können nicht nur Arbeitsplätze erhalten und Mitarbeiter aus der Kurzarbeit geholt werden, sondern in


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weiterer Folge auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist nicht nur jetzt in der Covid-Krise wichtig, sondern auch danach, um den Unternehmen eine Zukunftsper­spektive aufzuzeigen, die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Bereich weitgehend zu erhalten und als stabiler Wirtschaftsstandort weiterzubestehen, in vorderster Linie jedoch um unsere Wirtschaft, die heimischen Unternehmen aufzufangen und ihnen nicht nur die Möglichkeit zu geben, zu überleben, sondern selbst in einer historischen Krise, wie wir sie momentan erleben, zu leben, weiterzuwachsen, um Österreich auch auf dem internationalen Parkett großteils krisensicher zu präsentieren.

Jede Investition ist ein Zukunftsblick, sei es jetzt in der Digitalisierung, in der Ökolo­gisierung oder in einem anderen Bereich. Sie setzt in weiterer Folge die Aufbaustruktur fort, die längerfristig besteht und Bestand hat, sodass in weiterer Folge auch zukünftig Arbeitsplätze gesichert und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall der BundesrätInnen Schreuder und Zwazl.)

Ich muss noch einmal erwähnen, dass die Hauptnutzer der Investitionsprämie bisher Kleinstbetriebe waren und nicht, wie von vielen im Vorfeld angenommen, Großbetriebe. Die Aufstockung auf 3 Milliarden Euro ist natürlich zu unterstützen und zu befürworten.

Dennoch stellt sich mir einfach nur die Frage, warum nicht gleich auf 4 Milliarden Euro erhöht wird. (Bundesrat Seeber: Ihr wollt immer gleich mehr!) Unsere Wirtschaft wird es sicher noch benötigen (Bundesrat Seeber: Nur, wer zahlt es?), da die verfügbare Sum­me im Vergleich zu dem, was bereits freigegeben wurde, nur mehr einen Bruchteil beträgt.

Mit meinen Schlussworten schweife ich zwar im ersten Moment von dem gerade besprochenen Thema etwas ab, jedoch auf weitere Sicht auch nicht: Es muss dringend eine bessere Finanzunterstützung für die Gemeinden geben (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ), keine Unterstützung, die nur einen Bruchteil dessen, was investiert wird, rückführt. Der Gemeindeapparat muss weiterlaufen und getragen werden – denn ist nicht auch eine Gemeinde weitläufig gesehen ein Wirtschaftsunternehmen? Auch da hätte man den Dominoeffekt. Gemeinden investieren in Infrastruktur, in die Wirtschaft, in das regionale Leben und gehören zu den größten Arbeitgebern. Auch da wäre es dringend notwendig, eine Erweiterung der Finanzunterstützungen zu beschließen und zu gewährleisten – eine schnelle, weitläufige, unbürokratische Soforthilfe.

Unsere Gemeinden sind bereits an ihrem Limit angekommen. Auch unsere Heimatorte sind davon betroffen. Wir können und dürfen sie nicht im Stich lassen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


17.21.35

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich war jetzt kurz davor, bei der Rede des sozial­demokratischen Kollegen zu applaudieren, wenn Sie jetzt am Schluss nicht diesen Schlenker gemacht hätten. Ich meine, wir dürfen eh über alles reden (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), aber was Sie zur Investitionsprämie gesagt haben, kann ich total unterstreichen, und ich danke für Ihre Rede dazu.

Ich verstehe ehrlich gesagt überhaupt nicht, wie man dagegen stimmen kann. Ich habe wirklich absolut kein Verständnis dafür. (Rufe bei der SPÖ: Danke!) – Bitte. (Bundesrat Schennach: Wir haben es von der Sonja gelernt, Danke zu sagen! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Ja, aber ich habe es zu euch gesagt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Weitere Rufe bei der SPÖ: Danke!) – Bitte, gerne, wirklich


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gerne. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Ja, Danke schön sagen ist eine gute Tugend, finde ich.

Wir sprechen ja heute über die Investitionsprämie, die wirklich ein Erfolgsmodell ist, und deswegen kann ich tatsächlich in keinster Weise nachvollziehen, wie man dagegen stimmen kann. (Bundesrat Steiner: Musst ja nicht verstehen!) Sie haben ja selber auch Zahlen genannt, Herr Kollege Bernard, die den Erfolg zeigen – ich habe es auch gesagt. Sie haben hier Zahlen genannt, bei denen ich gesagt habe: Das ist doch ein Erfolg!, und ich verstehe nicht, warum man dann diesen Schlenker macht, dass man dagegen ist, weil Sie ja eigentlich selber mit diesen Zahlen untermauert haben, was für ein Erfolgsmodell diese Investitionsprämie eigentlich ist.

Es gibt ja wirklich vieles, bei dem man zu Recht diskutieren kann und bei dem man unterschiedlicher Meinung sein kann, alles gut und schön; aber das ist ja wirklich beispielhaft! Auch wenn ich vielen Kolleginnen und Kollegen im internationalen Netzwerk der Grünen davon erzähle: Die finden das großartig!

Nur für die Zuschauerinnen und Zuschauer: Was passiert da? – Wenn Unternehmer und Unternehmerinnen sich gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entschei­den, zu sagen: Wir bauen unser Unternehmen um, wir investieren in Digitalisierung, wir investieren in Klimaschutz, wir investieren in Lifescience und Gesundheit!, dann unter­stützen wir diese Investitionen mit 14 Prozent – und das ist keine Kleinigkeit. Und für das andere haben wir immer noch die 7 Prozent, auch das sei erwähnt, weil das ja auch wichtig ist, damit gerade in Krisenzeiten investiert wird.

Damit setzt man unfassbar viele Mittel frei, die dann in der gesamten Wertschöpfungs­kette auch allen helfen. Wir erhöhen das ja heute nicht, weil es kein Erfolg ist, sondern weil es ein Erfolg ist; sonst müssten wir das ja nicht erhöhen, sonst würden wir nicht schon zum dritten Mal hier stehen und sagen, wie toll diese Investitionsprämie ist. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob dann auf 4 Milliarden - - (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Na, dann stehen wir halt ein viertes Mal hier, denn es ist ein wichtiges Signal.

Was passiert genau? – Es wurde schon gesagt, es wird um eine weitere Milliarde auf 3 Milliarden Euro erhöht. Das Ziel sind Wirtschaftsförderungen als Anreize für Post-Covid-Anlageinvestitionen. Sollten Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt via Stream zusehen, will ich Sie auch einladen, auf die Website des AWS zu gehen, das übrigens für Förderungen nun einmal zuständig ist, Herr Kollege Bernard. Der Antragszeitraum erstreckt sich bis zum 28. Februar 2021 für alle Unternehmen mit Sitz oder Betriebsstätte in Österreich. Es geht um Neuinvestitionen; diese können auch später getätigt werden, sie müssen jetzt begonnen werden – darum geht es. Bei Neuinvestitionen von 20 Mil­lionen Euro oder mehr geht das sogar bis 28. Februar 2024. Die Förderungshöhe beträgt wie gesagt 7 Prozent. Wenn sie in Klimaschutz investieren – und wir brauchen die Unternehmen als Klimaschutzpartnerinnen und -partner –, wenn sie in die Digita­lisierung oder in die Gesundheitsförderung investieren, dann fördern wir das doppelt mit 14 Pro­zent.

Die Abwicklung erfolgt über das AWS, das haben wir schon gesagt, und dass die kleinen Unternehmen so aktiv daran teilnehmen, zeigt ja, wie wenig bürokratisch und wie erfolgreich das ist, denn ich kenne wenige solche Förderungsmodelle, an denen EPUs oder KMUs mit weit über 60 Prozent teilnehmen. Das ist wirklich eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.

Wir helfen damit in dieser Krise, wir helfen damit den UnternehmerInnen und deren MitarbeiterInnen in der Covid-Krise, eine Zukunftsperspektive zu entwickeln, und wir helfen damit auch der Umwelt. Ich finde, das ist eine großartige Sache, und wie gesagt, eigentlich sollte eine einstimmige Zustimmung eine Selbstverständlichkeit sein. (Beifall


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bei BundesrätInnen von Grünen und ÖVP. – Bundesrat Schennach: Danke, Marco! – Weitere Rufe bei der SPÖ: Danke!) – Bitte. (Bundesrätin Zwazl: Jetzt seids net a so!)

17.26


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zwischenzeitig ist Frau Ministerin Mag. Chris­tine Aschbacher bei uns eingelangt. – Ein herzliches Grüß Gott, Frau Ministerin! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Andrea Kahofer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin. Sie kennen die Bestimmungen einer tatsächlichen Berichtigung.


17.27.03

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Ich möchte nur berichtigen, dass es nicht in unserem Ermessen liegen wird, ob wir wieder hier stehen werden, um 4 Milliarden Euro zu beschließen, und dass das auch keine großzügige Entscheidung der Regierung sein wird. Dieses Gesetz ist nämlich kein First-come-first-served-Gesetz. (Bundesrätin Zwazl: Das ist wahr!) Alles, was bis Ende Februar eingereicht wird, wird ausbezahlt werden müssen. Deshalb sind diese Zwischenschritte nicht ein großzügiges Geschenk, sondern sie entsprechen einfach dem Gesetz und dem, wie es sein muss. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.


17.27.48

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Danke beginnen (Bundesrat Steiner: Danke! – Rufe bei der SPÖ: Danke!), und zwar einem Danke an alle, die heute mitstimmen werden, an jene Fraktionen, die das unterstützen. Es ist nämlich nicht selbstverständlich.

Sie haben recht: Wir haben das Gesetz so geschaffen – und bewusst gemeinsam; Sie haben darüber abgestimmt und es so bestätigt –, dass jedes Unternehmen, das die Voraussetzungen erfüllt, das Recht, den Anspruch hat, bis Ende Februar einzureichen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, den wir hier erwähnen. Jedes Unternehmen hat den Anspruch, kann bis Ende Februar einreichen und hat dann jeweils ein Jahr oder drei Jahre Zeit zur Umsetzung.

Was ist unser Ziel? – Unser Ziel ist, den Blick nach vorne zu richten, dass sich die Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Zukunft beschäftigen können, dass sie aus dieser Krise rausinvestieren, dass sie sich mit positiven Themen beschäftigen – das ist ein ganz wichtiger Punkt –, und ja, dass auch Arbeitsplätze abgesichert und neue geschaffen werden. Diesbezüglich habe ich Ihnen einige Beispiele mitgebracht, große Beispiele und kleine Beispiele. Heute ist es schon gesagt worden: Es sind Leitbetriebe genauso wie kleinere Unternehmen.

Lassen Sie mich mit den Leitbetrieben beginnen: Palfinger in Oberösterreich – ich war gestern gerade dort – investiert 40 Millionen Euro und dabei auch in den Standort; in die Ausbildung der Lehrlinge, in diesen speziellen Bereich, werden circa 5 Millionen Euro investiert, und die Anzahl der Lehrlinge wird verdoppelt, dazu hat man sich auch committet. Ich glaube, das ist ein sehr, sehr schönes Beispiel, wie ein weltweit erfolg­reiches Unternehmen diese Investitionsprämie nutzt.


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Ein zweites Beispiel aus der Steiermark, für jene von Ihnen aus der Steiermark: Mayr-Melnhof Karton investiert 100 Millionen Euro in den Standort in der Steiermark. Und das ist ganz, ganz wichtig, denn eines ist damit verbunden – mir hat der Geschäftsführer gesagt, sie hätten das vielleicht erst in zwei Jahren gemacht –: Wer weiß, was in zwei Jahren ist? Wenn man nicht jetzt investiert, dann ist man nicht wettbewerbsfähig, und dann stehen wir vielleicht vor ganz anderen Situationen. Bei Mayr-Melnhof Karton ist es gelungen, die Pläne aus den Schubladen hervorzuholen, das in der Steiermark umzu­setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe Ihnen noch ein weiteres Beispiel aus Niederösterreich mitgebracht: Haubis GmbH – ein vorbildlicher Vorzeigebetrieb, ein Familienbetrieb, der gemeinsam mit seinen Mitarbeitern schon seit vielen Jahren sehr, sehr erfolgreich ist. Dieser Betrieb investiert 23 Millionen Euro – und das ist ein österreichischer Familienbetrieb, eine Bäckerei, ein Unternehmen, das aus einer Bäckerei entstanden ist. Da kann man schon sagen, wir können den Hut ziehen vor den österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmern und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die im Team ganz Großartiges leisten. Das müssen wir schon honorieren.

Weitere kleinere Beispiele habe ich Ihnen auch mitgebracht – es sind eben nicht nur die großen Unternehmen –: Ein Lebensmitteleinzelhandel mit zwei MitarbeiterInnen inves­tiert 20 000 Euro in eine neue Ladeneinrichtung und kauft zwei E-Bikes für die Aus­lieferung. Es besteht die Möglichkeit, 2 100 Euro Investitionsprämie zu nutzen, und das bedeutet schon etwas für diesen Betrieb. Ein Tischlereibetrieb mit 30 Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern investiert ebenso in den Ausbau der Werkshalle, und auch ein Tech­nologieführer im Bereich Kfz-Zulieferer mit über 3 000 Mitarbeitern investiert.

Also große und kleine Unternehmen investieren, und – Sie haben die Zahlen bereits genannt – die Zahlen sprechen für sich. Die Unternehmen dabei zu unterstützen ist ein wesentlicher Punkt.

Ich möchte noch ein paar Fragen, die aufgetaucht sind, beantworten.

Es war eine bewusste Entscheidung, das AWS damit zu beauftragen, weil es, wie schon angesprochen worden ist, eine Förderung ist. Wir haben zwei Fördereinrichtungen, die FFG, die die Forschungsförderung abwickelt, und das AWS, bei deren Team ich mich ganz besonders bedanken möchte. Die leisten Großartiges in dieser Zeit, sie sind schnell in der Abwicklung, sie haben digital vorgesorgt und sie machen das ganz großartig – ein großes Danke von meiner Seite an sie! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich würde es für einen Fehler halten, das über die Finanzämter abzuwickeln. Sie denken wahrscheinlich an den früheren Investitionsfreibetrag, aber der Investitionsfreibetrag war eine Gutschrift der Steuer, und das ist viel zu spät. Wir müssen uns jetzt danach richten, ob die Unternehmen ihre Rechnungen eingereicht haben, und das haben sie zum Teil. Die kleineren können ja schon bei 5 000 Euro pro Antrag beginnen, die reichen die Rechnungen ein, wenn sie fertig sind, und dann bekommen sie die Prämie überwiesen. – Das hilft, das hilft unmittelbar.

Das ermöglichen auch Sie durch Ihre Zustimmung, und wenn ich dafür wiederkommen muss, dann mache ich das gerne. Ich sehe Sie gerne wieder. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

17.33

17.33.02


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 105

Wir kommen zu den Abstimmungen über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte, die getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird, und das Investitionsprämiengesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftstreuhand­berufsgesetz 2017 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.34.3218. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Ausbildungspflichtgesetz geändert wird (466 d.B. und 524 d.B. sowie 10493/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Frau Bundes­rätin, ich bitte um den Bericht.


17.34.57

Berichterstatterin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Be­schluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausbildungspflichtgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner. – Bitte schön, Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


17.35.54

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher! Mit der Änderung des Ausbildungspflichtgesetzes verlängern wir das Intervall bei den Meldepflichten für die Schule. Das ist eine bürokratische Entlastung und Erleichterung.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 106

Das Ausbildungspflichtgesetz wurde bereits 2016 beschlossen, und weil es gerade so aktuell ist und weil wir in der Krise auch darauf einen Fokus legen müssen, lese ich aus der Broschüre für die Jugendlichen, die vor ihrer Berufsentscheidung stehen, vor: „Schule, Lehre oder eine andere Ausbildung helfen dir dabei, ins Berufsleben zu starten. Es geht um ein Gemeinschaftsgefühl und um eine sinnvolle Beschäftigung. Wenn du eine Ausbildung machst, wirst du später mehr Geld verdienen, findest leichter einen Job und lebst gesünder und länger. Jugendcoaching oder AMS können dir dabei helfen, deine Interessen und Talente herauszufinden und einen ganz konkreten Plan für deine Ausbildung zu entwerfen.“

Der Arbeitsmarkt ist eine Schlüsselstelle in der Bewältigung der Krise, und mit den Maßnahmen wie Kurzarbeit, Aus- und Weiterbildungsförderung in Zukunftsbranchen, mit der Aufwertung der Lehre, mit der Verlängerung des Anspruchs auf Familienbeihilfe haben wir Maßnahmen gesetzt, die besonders auch Jugendlichen helfen sollen, durch diese Zeit zu kommen und wieder durchstarten zu können.

Liebe Jugendliche vor den Bildschirmen, es ist eine zähe Zeit, diese Pandemie, die ihr jetzt ertragen müsst: immer zu Hause bleiben, nicht fortgehen können, keine Freunde treffen, die Umbrüche in der Schule und im Beruf, aber bitte lasst euch von dem Gerede einer verlorenen Generation nicht runterziehen!

Die Generation meiner Eltern ist in eine entbehrungsreiche Zeit hineingeboren worden, und sie haben für sich und ihre Kinder ein gutes Leben in einem lebenswerten Land aufgebaut. (Beifall bei der ÖVP.) Ich selber bin eine Boomerin, so wie ihr das bezeichnen würdet, ja, Tschernobyl, Kalter Krieg, aber irgendwie ist es immer aufwärtsgegangen. Trotzdem gibt es in jedem Leben Zeiten, in denen man gefordert ist, das Beste daraus zu machen, und vor so einer Zeit stehen wir jetzt auch, alle miteinander, ob jung oder alt, und wir müssen gemeinsam schauen, wie wir da wieder herauskommen. Das wich­tigste, das vordringlichste Ziel momentan ist, dass die Infektionszahlen zurückgehen. Der Weg aus der Krise führt über geringe Infektionszahlen.

Jeder Einzelne von uns, ob jung oder alt, kann ganz konkret dazu beitragen, dass die Spitäler entlastet werden, dass die Schulen offen bleiben und dass Arbeitsplätze erhal­ten werden. Dann ist unsere Jugend auch keine verlorene Generation, sondern die Ge­neration, mit der wir gemeinsam diese Krise bewältigt haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.38


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


17.39.09

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Ausbildungspflicht für Jugendliche, also für Menschen bis zu einem Alter von 18 Jahren, wurde 2016 – meine Vorrednerin hat es schon gesagt – noch unter der SPÖ-ÖVP-Koalition beschlossen, und zwar mit dem Ziel, dass junge Menschen nach dem Pflichtschulabschluss jedenfalls noch eine Ausbildung abschließen, also dass sie, wenn sie weder in die Schule gehen können noch eine Lehrstelle haben, zumindest eine andere Ausbildung bekommen. Wir haben im Ausschuss erfahren, dass heuer bis Oktober ungefähr 3 800 Jugendliche von dieser Betreuungsmaßnahme erfasst waren und jetzt natürlich auch noch sind.

Mit 15, 16, 17 Jahren ist es generell nicht so leicht. Alle, die Jugendliche in diesem Alter kennen, wissen das. In diesem Alter zu wissen, was man will, was man werden will, ist


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schon schwer genug, und dann ist noch das heurige Jahr mitzubedenken. Selbst wenn man weiß, was man will, heißt das noch nicht, dass man auch die Möglichkeit findet, das zu verwirklichen und umzusetzen. Es zeigt sich umso mehr in der Krise, wie wichtig ein Ausbildungsabschluss, ein Schulabschluss, ein Berufsabschluss ist, denn wir haben gelernt: Je höher der Abschluss, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, aufgrund der aktuellen Krise den Job zu verlieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, das Ziel muss immer sein, dass junge Menschen eine Ausbildung ab­schließen können, am besten eine konkrete Berufsausbildung. Der Fachkräftemangel – auch das wissen wir – ist enorm, wir können also alle gut ausgebildeten jungen Menschen gut gebrauchen.

Die Schulen müssen im Zusammenhang mit dieser Ausbildungspflicht melden, wenn eine Schülerin, ein Schüler am Standort abgemeldet oder angemeldet wird. Das ist wichtig für den Überblick, dass man einfach auch weiß, wie viele Plätze in anderen Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden müssen, wie viele es braucht. Recht schockiert hat mich trotzdem der Wert – auch das haben wir gestern im Ausschuss erfahren –, nämlich dass ein Viertel bis ein Drittel der Jugendlichen trotz aller Bemü­hungen nicht erreichbar ist. Das sind doch viele Hundert junge Menschen, von denen wir nicht wissen: Wie geht es ihnen? Was machen sie? Was werden sie aus ihrem jungen Leben machen?

Die Ausbildungspflicht ist nach wie vor eine sehr, sehr wichtige und gute Errungenschaft, und es gibt nun Nachbesserungen. Nach einigen Jahren gemachter Erfahrungen wird das nun sozusagen optimiert, was den bürokratischen Aufwand – meine Kollegin hat es schon gesagt – und was den Datenschutz betrifft. Es ist natürlich in Ordnung, dass man diese Dinge nachbessert, dem stimmen wir auch zu.

Frau Ministerin, wo aber aktuell wirklich der Hut brennt, das ist die Jugendarbeits­losigkeit. Da muss man sagen, dass man mit diesen Reparatürchen, die wir nun beim Ausbildungspflichtgesetz vornehmen, natürlich nicht das Auslangen findet. Diese kom­men nicht bei den Jugendlichen an, die unsere Unterstützung jetzt so dringend brauchen. (Beifall bei der SPÖ.) Da braucht es eindeutig mehr. Es braucht größere Konzepte, es braucht weitreichendere Maßnahmen, die die jungen Menschen spüren, von denen sie in ihrem Alltag auch etwas merken. Wir haben aktuell um 26 Prozent mehr arbeitslose Jugendliche als noch vor einem Jahr, wir reden von 40 000 jungen Menschen, die betroffen sind. Frau Kollegin Holzner, ich bin mir nicht sicher, ob diese zufrieden sind, wenn man sagt: Auch früher war es schlecht!, das hilft diesen jungen Menschen nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen konkrete Programme mit Zielen, mit Maßnahmen und mit konkreten Bud­gets. Jeder Tag, der verstreicht, an dem man zuwartet, ist ein verlorener Tag. Es geht um junge Menschen, die ihr Berufsleben vor sich haben. Es gilt nicht, zu sagen, es war leider auch früher einmal eine schlechte Zeit.

Junge Menschen befinden sich in einem Lebensabschnitt, in dem sie sozialisiert werden, in dem sie ihre Identität finden, und die Ausbildung und die Bildung spielen dabei eine extrem wichtige Rolle. Wir wissen auch aus langjährigen Erfahrungen, dass Arbeitslosig­keit in der Biografie sozusagen Narben hinterlässt, in der Wissenschaft heißt das scarring effects. Diese bewirken im späteren Leben, dass es zu einer geringeren Lebens- und Arbeitszufriedenheit, auch zu einem schlechteren Gesundheitszustand und zu geringeren Einkommenschancen kommt, und es kann auch zu einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko führen. Das heißt, man befindet sich in einem Teufelskreis. Je früher man Erfahrungen mit der Arbeitslosigkeit macht, desto größer ist das Risiko, in einem Teufelskreis gefangen zu werden.


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Das ist die individuelle Ebene, aber auch aus volkswirtschaftlicher Sicht muss man sagen, dass wir uns diese Folgen von Jugendarbeitslosigkeit auf Dauer nicht leisten sollten, denn die Kosten der Nichtintegration von Jugendlichen ins Ausbildungs- und ins Beschäftigungssystem betragen allein in Österreich viele, viele Millionen Euro pro Jahr. Es wird also deutlich, dass eine konsequente Unterstützung des Staates und der Regierung für diese jungen Menschen, für diese Zielgruppe unerlässlich ist, um diesen jungen Menschen eine Perspektive zu geben, aber auch um uns als Land vor den Folgekosten zu bewahren. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.45


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


17.45.48

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir haben es ja schon von den beiden Vorrednerinnen gehört: Eine gute Ausbildung ist das Um und Auf für junge Menschen fürs ganze Leben, damit sie nicht in Arbeitslosigkeit rutschten. Je besser die Ausbildung ist, desto geringer ist die Chance, dass man in Arbeitslosigkeit reinschlittert. Daher begrüße ich dieses Ausbildungspflichtgesetz, das im August 2016 in Kraft ge­tre­ten ist, ganz besonders. Ich bin ein Fan davon. Es gibt den jungen Menschen Perspek­tiven, weil sie bis zum 18. Lebensjahr eine Schulausbildung, einen Kurs beim AMS oder eine Lehre machen können. Lehren beugen dem Fachkräftemangel in Österreich vor, den wir ja immer wieder beklagen. Alles in allem ist das also wirklich eine ganz tolle Geschichte.

Kollegin Gruber-Pruner hat es gesagt: Leider haben wir gestern gehört, dass viele Jugendliche trotz all dieser Bemühungen immer noch nicht erreichbar sind. Was das angeht, sollte man da vielleicht noch ein bisschen nachschärfen.

Was die Gesetzesänderung betrifft: Die Schulen brauchen die Schulabgänger nur noch zu drei Terminen zu melden. Das ist für die Schulen sicherlich eine Erleichterung. Was die verschlüsselten Personenkennzahlen betrifft, bin ich etwas skeptisch. Das ist zwar auf den ersten Blick vielleicht für den Datenschutz eine gute Geschichte, aber wenn diese verschlüsselten Personenkennzahlen dann verarbeitet werden, braucht man ja wieder den Hauptverband, bei dem man die Sozialversicherungsnummern und die Daten abruft, das heißt, es ist doppelt gemoppelt und der doppelte bürokratische Aufwand. Ich würde noch genau im Auge behalten, ob wir da nicht doch wieder zur alten Variante zurückgehen.

Alles in allem ist das eine gute Geschichte. Wir Freiheitlichen werden unsere Zustim­mung erteilen. – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Auer.)

17.47


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


17.48.09

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin seit zehn Jahren beim AMS und dort als Jugendberater tätig. Was ich den Jugendlichen immer zeige – das ist heute mein erstes Taferl –, ist dieses Bild (eine Tafel mit einem Säulendiagramm in die Höhe haltend): Auf der linken Seite sieht man den Balken mit der


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Arbeitslosigkeit, wenn man nur eine Pflichtschulausbildung hat, dann geht es weiter mit Lehre, mittlere Schule, höhere Schule, Studium und so weiter. Was auffällt – das ist den Jugendlichen sofort klar und man muss eigentlich nicht mehr viel dazusagen –: Es ist einfach wichtig, eine Ausbildung zu machen, und da ist es gar nicht so entscheidend, welche. Wichtig ist es, mit einer fundierten Ausbildung zu starten.

Das war auch der Grund, warum damals das Ausbildungspflichtgesetz verabschiedet wurde. Im Juli 2017 ist die Ausbildungspflicht dann in Kraft getreten, und nun ist einfach der Zeitpunkt da, um das etwas zu evaluieren und das Gesetz ein bisschen zu adap­tieren.

Wichtig im Zusammenhang mit der Ausbildungspflicht ist auf jeden Fall die Zusam­men­arbeit zwischen dem AMS, dem Jugendcoaching, der Jugendwohlfahrt, dem Streetwork und so weiter, und es funktioniert – das kann ich aus persönlicher Erfahrung sagen – wirklich sehr gut.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man – die Kollegin hat es ungefähr genannt –, 3 700 sind heuer im System zumindest einmalig aufgepoppt. Das heißt, da gab es eine Meldung. Meistens kommt das vom Jugendcoaching, weil die Schulen das rückmelden, dann ein paar Monate vergehen und dann diese Meldung kommt. Von diesen 3 700 konnten dann wieder fast drei Viertel in irgendeine Maßnahme weitervermittelt werden. Das ist, finde ich, schon ein guter Wert. Natürlich ist das übrig gebliebene Viertel immer noch zu viel, aber wenn man sich das in absoluten Zahlen anschaut, ist das in etwa ein halbes Prozent aller Jugendlichen in diesem Alter. Das ist, glaube ich, im internationalen Vergleich ein ganz guter Wert.

Das ist aber eben nur so, weil es die Ausbildungspflicht gibt, diese ist wichtig und eine große Errungenschaft. Das Strafen steht nicht im Fokus, zumindest mir ist keine Strafe für Eltern bekannt. Wichtig ist die Botschaft, die wir alle weitertrommeln sollten, weil die Zukunft der Jugendlichen nur dann gegeben ist, wenn sie eine Ausbildung machen, dann ist der Zugang zu einem guten Leben möglich. Diese Botschaft kann man nur wieder­holen, wiederholen, wiederholen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

17.51


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bun­des­ministerin Mag.a Christine Aschbacher zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminis­terin.


17.51.11

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Liebe Zuschaue­rinnen und Zuschauer! Ich bin sehr froh, dass wir dieses Thema mit Ihnen gemeinsam hier wieder debattieren und diskutieren können, denn die Jugendlichen brauchen heuer unsere besondere Unterstützung – immer, aber jetzt besonders, denn wir befinden uns in einem Ausnahmejahr. Aufgrund der Coronapandemie sind wir in einer Weltwirtschafts­krise und das spüren wir am Arbeitsmarkt eindeutig.

Weil zuvor auch Zahlen genannt wurden: Wir verzeichnen bei den arbeitslosen Jugend­lichen im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 26 Prozent. Wenn wir uns aber die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen und jener, die in Schulung sind, ansehen, so erkennen wir, dass das ein Plus von 13 Prozent, also die Hälfte ist. Das ist noch immer viel zu viel im Vergleich zum Vorjahr, alle Zahlen sind zu hoch im Vergleich zum Vorjahr. Wir befinden uns auch international in der gleichen Situation wie unsere Partnerinnen und Partnern und müssen jetzt besondere Maßnahmen treffen.


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Eine davon ist diese Novellierung, diese Überarbeitung, damit auch die administrativen Hürden abgebaut sind. Wichtig ist mir als Arbeits-, Familien- und Jugendministerin aber, dass es niederschwellige Angebote gibt, dass jede und jeder in Österreich lebende Mensch bis zum Alter von 18 Jahren eine Ausbildung machen kann. Dies wird von uns allen breit unterstützt, und dafür bin ich sehr dankbar. Die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter des Jugendcoaching wurden schon angesprochen, aber selbstverständlich gilt es auch für die AMS-Beraterinnen und -Berater, die Streetworker, die Careleavers und so weiter; es gibt auch viele Initiativen, in denen Herzblut steckt – ich möchte mich wirklich bei jedem Einzelnen bedanken.

Wichtig ist aber, dass wir insgesamt viele Maßnahmen zur Verfügung stellen und unseren Jugendlichen immer Zukunftschancen geben und Perspektiven ermöglichen – auch wenn es schwierig ist, auch wenn es herausfordernd ist, wenn es schon lange dauert. Dieses Durchhalten ist jetzt so wichtig, und auch, dass wir zusammenhalten.

Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen, weil ich allein über dieses Thema mit euch stundenlang diskutieren und auch aufzählen könnte, welche konkreten Maßnahmen wir umgesetzt haben. Wir investieren so viel Geld wie noch nie in die aktive Arbeits­markt­politik, allein für die Jugendlichen knapp 1 Milliarde Euro. Ich denke an das größte Weiterbildungsprogramm in der Geschichte der Zweiten Republik, in dessen Rahmen wir 700 Millionen Euro zusätzlichen Geldes in die Menschen und in die Zukunfts­branchen investieren (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), wobei selbstverständlich ein Schwerpunkt auf die Jugendlichen gelegt ist. Wir können 83 000 Personen in der Berufs­orientierung beraten: Wo bin ich gut? Was mache ich überwiegend gerne? Wo gibt es Zukunftschancen? – Es ist das Ziel, gerade dieses Matching noch besser zusammen­zubringen.

Auch in der Mobilität, in der Flexibilität für alle, die noch keine Betreuungspflichten haben, unterstützen wir mit einem gezielten Mobilitätspaket, mit gezielten Stiftungen, beispielsweise mit der Just-2-Job-Stiftung für 1 000 Jugendliche, bei der es darum geht, auch Wiedereinsteigerinnen und -einsteiger zu unterstützen, die vielleicht schon einmal aus unterschiedlichen Gründen eine Ausbildung abbrechen mussten.

Mir ist es ein Herzensanliegen, dass wir da gemeinsam Mut bewahren, dass wir da Perspektiven geben und auch in dieser Zeit durchhalten – mit einem physischen Ab­stand, wir wollen zugleich aber vieles ermöglichen. Ich denke auch an die vielen Schu­lun­gen mit den Trägerorganisationen im AMS, im Rahmen derer drei Viertel aller Weiterbildungsmaßnahmen auf digital umgestellt werden konnten. Wir konnten auch in der Taskforce für Jugendbeschäftigung über 25 000 Lehrplätze ermöglichen, die meis­ten davon mit dem Lehrlingsbonus, aber dort, wo es notwendig ist, gab es treffsicher auch die Aufstockung der überbetrieblichen Ausbildungsplätze.

Die Verschränkung im fusionierten Ressort von Arbeit, Familie und Jugend mit der offenen Jugendarbeit, zu der ja so viele Jugendliche einen Zugang haben – das nieder­schwellige Angebot, das wir alle ausführen, ist nämlich für jeden –, ist so wichtig. Da danke ich auch allen Jugendleiterinnen und Jugendleitern der offenen Jugendarbeit in Österreich, weil es so wichtig ist, die Jugendlichen in ihrem Weg zu unterstützen. Es sind nicht nur die Eltern und das soziale Gefüge zu Hause, die immer unterschiedlich sind. Jeder meint es gut und will das Beste für die Kinder, für unsere Kinder und Jugendlichen, aber es ist wichtig, dass es auch die außerschulischen und außerfamiliären Angebote gibt.

Insofern: Lassen Sie uns gemeinsam den Mut bewahren! Wir investieren jetzt mehr denn je in unsere Jugendlichen, und dafür bedarf es besonderer Unterstützung, die wir gerade jetzt geben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.56


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 111

17.56.22


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Ich ersuche alle Bundesrätinnen und Bundesräte, ihre Plätze einzunehmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.56.56 19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (1104/A und 527 d.B. sowie 10494/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (483 d.B. und 558 d.B. sowie 10514/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 19 und 20, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen beiden Punkten ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Herr Bundesrat, ich bitte um beide Berichte.


17.57.32

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Natio­nalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutter­schutz­gesetz 1979 geändert wird.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ebenso bringe ich den Bericht zu TOP 20: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 15. De­zem­ber 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


17.58.45

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher daheim an die­sem so intensiven Plenartag vor den Weihnachtsfeiertagen! Die Zukunft liegt in den


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Händen der Kinder und die Zukunft der Kinder liegt in unseren Händen. Genau deshalb beschließen wir heute die Freistellung von schwangeren Frauen ab der 14. Schwanger­schaftswoche, sofern sie in körpernahen Berufen arbeiten und kein Ersatzarbeitsplatz oder Homeoffice möglich ist. Das trifft zum Beispiel Friseurinnen, Stylistinnen, aber auch Physiotherapeutinnen, Masseurinnen und Kindergartenpädagoginnen.

Damit reagieren wir auf die neuesten medizinischen Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass bei fortgeschrittener Schwangerschaft das Risiko einer schwerwiegenden Covid-Erkrankung steigt. Der Schutz von werdenden Müttern ist eine Frage der Wertehaltung unserer Gesellschaft. Da lohnt es sich nicht, ein Risiko einzugehen, und deshalb führen wir diese sinnvolle Regelung zum Schutz unserer werdenden Mütter ein.

Zwei Bemerkungen dazu seien mir noch erlaubt. Erstens: Diese Regelung gilt nicht für Lehrlinge. Schwangere Lehrlinge wie zum Beispiel eine Frisörin sind aber meines Erach­tens ganz besonders schutzwürdig. Deshalb fände ich den Einbezug dieser Per­sonengruppe ebenso sinnvoll. Diese Frage war bei der Ausschusssitzung gestern noch unklar und strittig. Ich habe das Gesetz gestern Abend noch einmal genau durch­geschaut und mich auch bei unseren Juristen in der Arbeiterkammer rückversichert: Es scheint tatsächlich so zu sein, dass Lehrlinge von diesem Gesetz nicht umfasst sind.

Zweitens: Ich weiß aus meiner Tätigkeit als Personalerin, dass Unternehmen Rechts­sicherheit bezüglich der Höhe des auszubezahlenden Entgelts für den Dienstnehmer haben möchten und das von zentraler Bedeutung ist. Im gegenständlichen Gesetz ist nicht ganz genau geregelt, wie sich das Entgelt im Falle einer Dienstfreistellung des Dienstnehmers zusammensetzt. Es ist lediglich von der Fortzahlung des bisherigen Entgelts die Rede. Das ist etwas unspezifisch, da das Entgelt ja schließlich von Monat zu Monat unterschiedlich hoch sein kann und aus unterschiedlichen Zuschlägen beste­hen kann. Insofern wäre es meines Erachtens absolut sinnvoll, eine diesbezügliche Kon­kre­tisierung vorzunehmen. Es würde sich auch eine Regelung analog zu § 14 Mutter­schutzgesetz anbieten, da gibt es zu einem ähnlichen Sachverhalt eigentlich schon eine etablierte Rechtslage – für die Interessierten unter Ihnen –, es wäre der Durchschnitts­verdienst der letzten 13 Wochen vor der Freistellung.

Bei Punkt 20, der heute beschlossen wird, geht es um die Änderung der Berechnung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes. Für Geburten im Jahr 2021 wäre prinzipiell das Einkommen von 2020 für die Berechnung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes maßgeblich. Da dieses Einkommen aber aufgrund der Folgen der Coronakrise wie zum Beispiel durch Kurzarbeit geringer ausfallen kann, darf aus­nahmsweise das Einkommen von 2019 herangezogen werden, wenn sich dadurch für den Dienstnehmer ein höherer Tagsatz ergibt.

Dem ist überhaupt nichts mehr hinzuzufügen, das ist gut, wichtig und absolut sinnvoll, und deshalb bitte ich um eine breite Unterstützung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

18.02


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.


18.02.28

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause! Zunächst einmal: Neben meiner Funktion im Bundesrat übe ich auch jene der Landesfrauengeschäftsführerin der SPÖ Frauen Burgenland aus.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 113

Ich darf kurz zur Kritik von Türkis-Grün bezüglich der Frauenbudgets in den rot geführten Ländern Wien und Burgenland Stellung nehmen.

Die grüne Frauensprecherin im Nationalrat, Frau Disoski, kritisiert offenbar aufgrund eines Facebook-Postings ihrer grünen Kollegin im Burgenland Regina Petrik das Frauenbudget im Burgenland und auch in Wien. Ich kann Ihnen sagen, dass die Unter­stützung der Frauenberatungsstellen auch in Coronazeiten gewährleistet ist. Die Frau­en­beratungsstelle Der Lichtblick im Bezirk Neusiedl bekommt 2021 sogar um 6 000 Euro mehr als im Vorjahr, weil sie einen Fokus auf Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt legt. Jede Frauenberatungsstelle wurde zum Schutz der Frauen im Burgenland im April mit einer Coronasonderförderung unterstützt. Wenn es die Situation verlangt, gibt es also auch noch zusätzliches Geld. Auch die Alleinerziehendenförderung wurde erhöht. Das Frauenhaus und das Sozialhaus Burgenland werden ab 1.1.2021 auf Wunsch des Betreibervereins in das Land eingegliedert. Es ist also eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Insgesamt nimmt das Land dafür 540 000 Euro in die Hand.

Das im Facebook-Posting angesprochene Projekt Frauen(ar)mut gibt es nicht mehr, das ist richtig. Es war ein EU-gefördertes Projekt, das ausgelaufen ist, weshalb es auch nicht mehr aufscheint.

Die türkise Kollegin Pfurtscheller schlägt in die gleiche Kerbe. Natürlich kann man auch von der Koalitionskrise im Bund ablenken, indem man fast gleichlautende Presse­sen­dungen hinaushaut.

Einige Worte zum Frauenbudget Wien: 2019 betrug es 8,799 Millionen Euro, 2020 betrug es 9,638 Millionen Euro und 2021 werden es 10,155 Millionen Euro sein. Das Budget im Bund beträgt – zum Vergleich – 14,65 Millionen Euro. Sagen Sie also noch einmal, Wien sei keine Stadt der Frauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr sei ins Stammbuch geschrieben: Man sollte vielleicht einmal besser hinschauen und sich besser informieren – aber der Kollegin Disoski passiert das ja nicht zum ersten Mal.

Nun zum Mutterschutzgesetz und zum Kinderbetreuungsgeldgesetz: Die Kollegin hat es vorhin schon erwähnt – vielen Dank –, sie erkennt auch, dass es da noch Adaptierungs­bedarf gibt.

Frau Ministerin, Sie haben im Nationalrat erwähnt, dass Kinder das Wertvollste sind, das es gibt. Daraus leite ich ab, dass Mütter und ihre ungeborenen Kinder besonders schützenswert sind. Die Novelle betreffend Mutterschutz sieht vor, dass Schwangere, die bei der Arbeit physischen Kontakt mit anderen Personen haben, künftig ab Beginn der 14. Schwangerschaftswoche bei voller Lohnfortzahlung freizustellen sind. Wir haben gehört, für wen das gelten wird. Es muss allerdings auch klar sein, für welche Lehre­rinnen das gelten wird – das muss schnellstens behoben werden. Wir sind dafür, dass das umgesetzt wird, aber es ist leider nur ein halber Schritt in die richtige Richtung. Es gibt Luft nach oben, es sollten nämlich alle schwangeren Frauen berücksichtigt werden (Beifall bei SPÖ und FPÖ), denn – das wissen wir nun – bei fortgeschrittener Schwan­ger­schaft steigt das Risiko für die Frau, bei einer Erkrankung auf die Intensivstation zu müssen.

Ich bin mit einer Hebamme befreundet, da musste man eine Schwangere intubieren und mit dem Hubschrauber ins AKH bringen, weil es echt sehr kritisch war. Es ist nicht sehr schön, wenn man da zuschauen muss, hat sie mir berichtet.

Es muss aber auch für die Handelsangestellten oder für die Frauen in der Industrie möglich sein, präventiv geschützt zu werden.

Heute kam ein Mail vom Dachverband der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, dieser begrüßt die Regelung, ortet aber auch eine Ungleichbehandlung, nämlich in


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Bezug auf freiberuflich tätige schwangere Berufsangehörige. Diese sind ja mitunter denselben Risiken ausgesetzt. MTD Austria macht sich stark dafür, dass man auch da diese Ungleichbehandlung abfedert.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten begrüßen auch, dass die Berechnung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes auf Basis der Einkünfte von 2019 vorgenommen wird. Lassen Sie mich auch an dieser Stelle kurz erwähnen, so wie ich es im Oktober bereits gemacht habe, dass es da noch einige Baustellen gibt; da gibt es auch Adaptierungsbedarf, Reformbedarf. Die diversen Varianten machen es den Familien nicht einfach, sich ohne Beratung auf eine Variante festzulegen, an der auch beide Elternteile beteiligt sind.

Dass die Berechnung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes nun eben auf Basis der Einkünfte von 2019 vorgenommen wird, ist richtig und wichtig, denn damit wird auf die Einkommenseinbußen aufgrund der aktuellen Coronakrise reagiert. Die Krise hat die Familien nach wie vor fest im Griff. Wir, die Kinderfreunde Burgenland, haben gerade eine Hilfsaktion für Weihnachten gestartet. Sie können sich nicht vor­stellen, was einem da unterkommt (Bundesministerin Aschbacher: Kann ich schon!), da geht es um Spiele um 20, 30 Euro, die sich die Familien nicht leisten können. – Bitte stellt euch das einmal vor!

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss und soll gerade auch jetzt in der Krise thematisiert werden. Da geht es um die Lebensrealitäten von Familien; und es geht natürlich auch darum, dass man aus der Krise gut herauskommt, und darum, Per­spektiven zu schaffen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter voranzu­treiben. Was wir heute sehen, ist eigentlich eine Rolle rückwärts, eine Rolle in die falsche Richtung. Es gibt auf ORF Wien heute einen Bericht, in dem Frauenorganisationen Alarm schlagen. Die Coronakrise wird zu einer sozialen Krise für Frauen, vor allem für die Alleinerziehenden. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Coronakrise zeigt, dass die Ungleichheiten massiv verstärkt werden, und die Coro­na­krise darf nicht zu einer Krise der Frau werden. Wir bewegen uns wirklich mit Riesen­schritten darauf zu beziehungsweise sind wir eh schon da.

Ich darf gleich zum Thema der Vereinbarkeitsmilliarde kommen. Diese soll Infrastruktur schaffen, in Ausbildungen investieren, Jobs schaffen  also eine Win-win-Situation sowohl für Familien als auch für Unternehmen. Die Vereinbarkeitsmilliarde möchte man nicht, das ist insofern bemerkenswert, als diese auf der Grundlage einer Einigung von Sozialpartnern und Industriellenvereinigung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie basiert. Das muss mir einmal jemand erklären, warum das im Nationalrat abgelehnt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frauen leisten noch immer den Großteil der Betreuungsarbeit. Noch einmal: Die Krise ist weiblich, vor allem erwerbstätige Mütter sind von der Coronakrise doppelt betroffen. Durch die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie werden diese Frauen auch sukzessive aus dem Arbeitsmarkt gedrängt. Das darf nicht sein, das haut uns um Jahrzehnte zurück. Das werden Sie als Frau auch selbst nicht unterstützen wollen.

Investitionen in Kinderbetreuung und Vereinbarkeit sind Investitionen in die Zukunft. Österreich hat beim Schließen der Gehaltsschere noch viel nachzuholen. Wir erinnern uns daran: Equal-Pay-Day war am 22. Oktober; eigentlich sollte er erst am 31.12. sein, das wäre das erklärte Ziel. Jetzt liegt mit der Vereinbarkeitsmilliarde ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch, greifen Sie den doch bitte ernsthaft auf!

Um die Chancengleichheit voranzutreiben braucht es den ehrlichen politischen Willen und natürlich auch die notwendigen finanziellen Mittel. Wir wissen, dass die Familien durch die Coronakrise in prekäre Situationen geraten sind, und zum Thema Unterstützung


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von Familien in der Coronakrise ist auf Ihrer Homepage zu lesen: „Es ist uns ein Anliegen Familien, die durch die Corona-Krise unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten ge­raten sind, bestmöglich in dieser schweren Zeit zu unterstützen. Daher stellt das Bundes­ministerium für Arbeit, Familie und Jugend 100 Millionen Euro aus dem Familienlasten­ausgleichsfonds für den Corona-Familienhärtefonds zur Verfügung.“

Sie wissen, die Volksanwaltschaft hat etliche Missstände beim Corona-Familienhärte­fonds festgestellt, deshalb fordern wir von Ihnen bitte die schnellstmögliche Umsetzung der Empfehlungen der Volksanwaltschaft ein. Diese Empfehlungen müssen so schnell wie möglich umgesetzt werden, und angesichts der andauernden Krise ist eine grund­sätzliche Reform des Corona-Familienhärtefonds längst überfällig.

Zusammengefasst sei gesagt: Die Politik in der Coronapandemie darf nicht nur eine Krisenbewältigung sein, sondern sie muss auch die Zukunft gestalten und vor allem die Frauen, die ja die Mütter der Familien sind, unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht die Konzerne oder die Großspender der ÖVP sind die Stützen dieses Landes, die Familien sind es. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.11


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


18.11.29

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Die Novelle zum Mutterschutzgesetz ist sicherlich eine gut gemeinte Maßnahme, weil ja bis zu 4 500 beschäftigte Frauen von dieser Schutzmaßnahme profitieren können. Wir haben vorhin gehört, dass es da noch einige Mankos gibt. Auch wir Freiheitliche möchten ganz deutlich auf dieses Ungleich­gewicht hinweisen, dass Lehrlinge, Selbstständige und eben auch Freiberufler nicht in den Genuss dieser Schutzmaßnahmen kommen.

Wir haben heute den Brief, das E-Mail vom Dachverband der gehobenen medizinisch-technischen Dienste in Österreich bekommen, und darin steht, dass 83 Prozent aller MTD-Berufsangehörigen weiblich sind und dass es keine Möglichkeit gibt, von der körpernahen Tätigkeit abzuweichen – die arbeiten ja direkt und sehr körpernahe. Bitte nehmen Sie das ganz dringend und schnell in Angriff, dass dieses Ungleichgewicht beseitigt werden kann! (Beifall bei der FPÖ.)

Im Ausschuss haben wir gehört, dass es keine Liste gibt, in der aufgeführt ist, welche Berufe betroffen sind, und dass die ganze Verantwortung mehr oder weniger an die Unternehmer abgeschoben wird, die diese Entscheidungen treffen und dafür auch haften müssen. Einfacher wäre es gewesen – ein guter Ratschlag vielleicht zum Evaluieren oder Nachdenken –, im bestehenden Mutterschutzgesetz den § 3 in Bezug auf das vorverlegte Beschäftigungsverbot einfach um den Grund Covid-19 zu erweitern, dann müssten nicht die Arbeitgeber die Entscheidungen treffen, sondern das Arbeits­inspektorat oder die Amtsärzte; die Dienstnehmer könnten ab dem ersten Tag dieses vorverlegten Beschäftigungsverbots Wochengeld von der ÖGK erhalten und die Unter­nehmer müssten nicht, und das ist ganz, ganz wichtig, wieder in Vorleistung gehen und bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten, bis sie endlich einmal irgendetwas refundiert bekommen. – Also das wäre ein Denkanstoß.

Überdenken und evaluieren sollte man weiters auch, ob man nicht den betroffenen Schwangeren eventuell eine Wahlfreiheit gibt – viele Frauen wollen das vielleicht gar nicht – und die schwangeren Frauen, die werdenden Mütter mitentscheiden lässt, ob sie von diesem vorgezogenen Mutterschutz Gebrauch machen möchten oder nicht – auch das, bitte, wenn das in ein paar Monaten vielleicht evaluiert wird, miteinbeziehen!


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 116

Was die Gesetzesänderung zum Kinderbetreuungsgeld betrifft, muss ich schon sagen, dass unzählige unnötige Coronamaßnahmen die Menschen, die Familien sehr hart getroffen haben: Das Homeschooling, die Arbeitslosigkeit, die Kurzarbeit und vieles, vieles mehr wurde einfach auf die Schultern der Familien abgeladen. Daher ist das vorliegende Gesetz, das heute beschlossen wird, richtig und gut. Es wird ein kleiner finanzieller Ausgleich und ein Günstigkeitsvergleich zwischen den Einkommen von 2019 und 2020 gemacht, damit die Familien nicht doppelt und dreifach bestraft werden, denn am Ende, wenn es den Eltern nicht gut geht, leiden ja dann die Kinder darunter. Wenn man Kleinkinder und Kleinstkinder, eine Jungfamilie hat, dann gehört man ordentlich unterstützt. Darum finde ich das gut und wir Freiheitliche werden dem unsere Zustim­mung geben. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

18.15


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Kittl. – Bitte schön, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.

18.15.55


Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Frau Minister! Liebe KollegInnen! Liebe ZuhörerInnen! Es ist jetzt eigentlich schon sehr viel gesagt worden und viel mehr kann ich nicht ergänzen.

Was ich ergänzen möchte, ist: Wen betrifft es? – Es wurden jetzt schon einige genannt: Kindergartenpädagoginnen, Masseurinnen, aber es sind auch Sozialarbeiterinnen, Angestellte von kleinen sozialen Vereinen und Pflegerinnen. ArbeitgeberInnen müssen in einem solchen Fall den Schwangeren einen anderen Arbeitsplatz anbieten, und ist dies nicht möglich, ist die Arbeitnehmerin freizustellen und das Gehalt fortzuzahlen. Den ArbeitgeberInnen wird das Entgelt ersetzt, und das ist gerade für kleine Betriebe und solche, die nicht auf Gewinn orientiert sind, wichtig. Durch die Übernahme der Kosten durch die Krankenversicherungsträger sind diese kleinen Betriebe, aber auch Vereine entlastet, die wenige oder besonders schutzwürdige Personen beschäftigen und sich schwerlich Personalersatz leisten können.

Mit dieser Regelung können nun diese Betriebe, aber auch circa 4 500 Schwangere und deren Familien aufatmen. Daher bitte ich um Unterstützung dieses Gesetzes zum Schutz der Schwangeren und ihrer Kinder genauso wie zur Entlastung der DienstgeberInnen.

Nur einen Satz noch zum Kinderbetreuungsgeld: Die Pandemie war beim Budget, das für 2020 gemacht wurde, noch kein Thema. Jetzt ist sie leider ein Thema, und deswegen ist es wichtig, wirtschaftlich Benachteiligte und ihre Kinder zu unterstützen und das Einkommen 2019 heranzuziehen, denn Kinderbetreuung ist auch Arbeit, wichtige, ja, existenzielle Carearbeit – das sollte endlich in den Köpfen ankommen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

18.17


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Mag.a Elisabeth Grossmann. – Bitte schön, Frau Vizepräsidentin.


18.18.07

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Liebe Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist anzuerkennen, dass nun auch bei den Regierungsparteien die Erkenntnis gereift ist, dass Schwangere gerade jetzt in der Covid-Pandemie besonderen Schutz brauchen. Wir haben medizi­nische Erkenntnisse und Erfahrungen, dass Frauen, die schwanger sind, besonders oft auf der Intensivstation landen, wenn sie sich mit dem Virus infizieren, einen schwereren Krankheitsverlauf haben und dass natürlich das ungeborene Leben besonderen Schutz braucht.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 117

Diese Schutzbestimmung ist allerdings eine Minimalvariante; Kollegin Eder hat auch schon darauf hingewiesen. Die Voraussetzung dafür, dass Schwangere ab der 14. Schwan­gerschaftswoche bei voller Lohnfortzahlung freizustellen sind und auch der Erstat­tungs­anspruch des Bundes greift, ist eben, dass sie nicht nur fallweise physischen Kontakt mit anderen Personen haben, sondern das eben berufstypisch quasi immanent ist, und es sind – meine Vorrednerin hat es schon angesprochen – in den Erläuterungen auch bestimmte Berufe genannt, die betroffen sind und quasi als begünstigt gelten. Was nicht genannt wurde, sind jene Berufsgruppen, die von dieser Regelung nicht profitieren, weil nicht dieser ständige körperliche Kontakt angenommen wird, bei denen aber trotzdem ein Gefährdungspotenzial besteht. Denken wir nur an Mitarbeiterinnen im Handel, im Kundendienst, in der Industrie! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden ja mit Informationen geflutet und wissen, wie nun dieses heimtückische Virus übertragen wird, eben über die Atemluft. Da gibt es jede Menge wissenschaftliche Erkenntnisse. Eine Wissenschafterin hat ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, was man vermeiden soll: Man soll nicht einatmen, was jemand anderer ausgeatmet hat. – Ja, so einfach ist es, und so versteht es an und für sich ein jeder.

Führt man sich nun die Realität vor Augen, so passiert bei einem Kunden-, Kundin­nengespräch natürlich dieser Austausch der Atemluft. Das heißt, diese Personen ge­hören entsprechend geschützt, weil sonst eben etwas passieren kann. Genau dieser Schutz wurde den Berufsgruppen, die ich vorhin genannt habe, vorenthalten, und das ist sehr schade.

Man sollte da also jedenfalls nachjustieren und wirklich alle hineinnehmen, die potenziell gefährdet sind, weil es um den Schutz des ungeborenen Lebens geht. Es geht um den Schutz der schwangeren Frauen, und da soll man bitte nicht auf halbem Weg stehen bleiben. Es ist ein Schritt gesetzt worden, es wurde auch vonseiten der Gewerkschaft gefordert, und es ist gut, dass man jetzt diesen Schritt geht, aber bitte, bleiben wir nicht auf halbem Weg stehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch etwas die Frist betreffend sagen: Ja, es ist nun diese Frist bis 31. März ausgedehnt worden. Das ist eine optimistische Schätzung. Wir sind jetzt kurz vor Weih­nachten, wir können uns etwas wünschen. Wir wünschen uns alle, dass diese Pandemie bald überstanden ist und dass es bald wieder wie früher weitergeht, vielleicht sogar ein bisschen besser, da wir auch Lehren aus dieser Pandemie ziehen. Wie auch immer, wir hoffen, dass wir das alles gemeinsam bald bewältigt haben werden – nur: realistisch ist es nicht bis zum 31. März.

Es gibt eigentlich auch ein bisschen einen Widerspruch, denn in anderen Materien hat man sehr wohl eine längere Frist vorgesehen. Wir werden das morgen diskutieren. Zum Beispiel ist bei bestimmten Rechtsberufen, bei bestimmten Rechtshandlungen gleich von vornherein eine Frist bis zum 30.6. gesetzt worden. Da muss man sich schon die Frage stellen: Haben Notare, haben Rechtsanwälte eine stärkere Lobby als schwangere Frauen und ungeborene Kinder? – Das wäre schon sehr traurig. Auch da sollten wir also wirklich den größtmöglichen Schutz gewähren, wenn wir hier als Organe der Gesetz­gebung zusammenkommen und das gemeinsame Ziel haben – und das unterstelle ich Ihnen jetzt einmal allen –, dass wir gerade den Schwangeren und dem ungeborenen Leben den größtmöglichen Schutz bieten.

In diesem Sinne: Geben wir uns einen Ruck und schauen wir, dass wir da wirklich ganze Lösungen zusammenbringen! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.23


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Christine Aschbacher zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundes­ministerin.



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 118

18.23.24

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Ja, die Familien sind im heurigen Jahr sehr gefordert, es gibt keinen Lebensbereich, der von der Corona­pandemie nicht betroffen ist. Familien inkludieren natürlich die Eltern, unsere Jugend­lichen, unsere Kinder, aber auch die Großeltern, die besonders in diesem Jahr auf vieles verzichten, auch auf den physischen Kontakt im Miteinander. Zum Glück können aber schon viele online im Gespräch und damit zumindest emotional in Kontakt bleiben.

Ich möchte mich auch an dieser Stelle bei allen fürs Zusammenhalten, fürs Mitwirken, fürs Mittragen der zahlreichen Maßnahmen, die in allen Lebensbereichen wichtig sind, bedanken. Nur gemeinsam können wir es schaffen, das Coronavirus einzudämmen, die Pandemie zu überstehen und die möglichen Folgen so gut wie möglich abzufedern.

Wir tun das für unsere Familien besonders breit und vielseitig mit einem breiten Maß­nahmenmix. Ich möchte nur einige Beispiele nennen, es wurden auch viele Bereiche im Laufe dieser Debatte angesprochen: der Coronabonus für Familien mit den 360 Euro pro Kind, der Familienhärtefonds, heuer mit 100 Millionen Euro – davon sind über 90 Mil­lionen Euro an rund 70 000 Familien, die davon betroffen sind, ausbezahlt –, und 50 Mil­lionen Euro sind fürs kommende Jahr noch budgetiert. Das bedeutet, da können wir treffsicher unterstützen. Und ja, am Anfang war auch die Verwaltung in der Abwicklung sehr gefordert, aber wir haben im Prozess, in der IT und in der Aufstockung der Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter nachgezogen, sodass wir die Familien treffsicher unter­stüt­zen können.

Hinsichtlich der Sonderbetreuungszeit ein Danke auch noch einmal an die Sozialpartner für diese Verhandlungen. Auch in diesem Balanceakt, basierend auf einer Sozialpart­nervereinbarung, konnten wir diese Regelung für alle Beteiligten treffen. Auch da freut es mich, weil natürlich immer die Frauen und insbesondere die Mütter hervorgeholt werden, bei denen jetzt eine Doppel- und Mehrfachbelastung zustande gekommen ist und bei denen wir möglichst breit abfedern. Aber auch die Väterbeteiligung ist enorm gestiegen; wir haben über ein Drittel Väterbeteiligung in der Sonderbetreuungszeit, und das ist schon ein familienpolitisches Zeichen. Das geht in die richtige Richtung.

Auch die Erleichterung des Zugangs zum Unterhaltsvorschuss, bei dem ich gemeinsam mit der Justizministerin dafür gesorgt habe, dass bei jedem getrennt lebenden Paar die Mütter – meistens sind sie es – den Unterhaltsvorschuss garantiert bekommen. Zugleich ist es mir schon auch wichtig, dass wir die emotionale Unterstützung besonders jetzt zur Verfügung stellen – dies mit den vielen Familienberatungsstellen, die auch viel auf online umgestellt haben. Dabei war es mir aber wichtig, zu ermöglichen, dass sie gerade auch jetzt im Herbst offen halten können, damit für die betroffenen Familien eine Anlaufstelle gegeben ist – auch im direkten Austausch, natürlich mit Abstand –; aber auch für unsere Jugendlichen und Kinder die bewährte Hotline von 147 Rat auf Draht, die jetzt breit und sehr intensiv unterstützt.

Die Vereinbarkeit wurde auch angesprochen: Zur Stärkung der Vereinbarkeit sind natürlich viele, viele Maßnahmen gesetzt und auch im Regierungsprogramm verankert. Besonders wenn ich an die unter Dreijährigen denke: Da werden viele betriebsnahe Tageselternkonzepte ausgerollt. Bei den Investitionen über die Gemeindemilliarde gehen rund 40 Prozent in Kinderbetreuung, in Schulen, in Nachmittagsbetreuung. Es wird in den Ausbau der Kinderkrippen investiert und selbstverständlich setzen die Bun­desländer laufend die 15a-Vereinbarung um, wobei wir vonseiten des Bundes mit 142,5 Millionen Euro pro Jahr unterstützen.

Ich komme jetzt aber zu den zwei konkreten Maßnahmen, die heute auf der Tages­ordnung stehen, für die ich um breite Zustimmung bitte. Erstens geht es um die


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Anpassung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes: Uns ist wichtig, dass es für alle Familien, die das Kinderbetreuungsgeld, egal in welcher Variante, in Anspruch nehmen wollen, zu keinen Einbußen aufgrund der Coronapandemie kommt. Deshalb haben wir für alle in Anstellungsverhältnissen, alle Arbeitnehmerinnen und auch die Selbstständigen, die schwanger sind, vorgesorgt, sodass es zu keinen Einbußen kommt und dass, wenn das besser ist, das Jahr 2019 herangezogen werden kann. Das ist wichtig, weil wir niemanden benachteiligen wollen, vor allem jene nicht, die unverschul­det Einbußen hätten. Wir ermöglichen das für alle, und insofern bin ich sehr froh, dass wir das direkt und hoffentlich gemeinsam regeln können.

Zum Zweiten wollen wir unsere werdenden Mütter mit dem höchsten Schutz unter­stützen. Ich kenne das ja selbst – Sie wissen, ich habe drei Kinder –, und insofern weiß ich das von jeder Schwangerschaft, dass das natürlich auch eine gewisse Heraus­forderung ist. Unsere Schwangeren, unsere werdenden Mütter sind ja unsere starke Stütze in der Gesellschaft – die Familien insgesamt –, und da bedarf es besonderen Schutz auf der einen Seite, aber auch besondere Anerkennung auf der anderen Seite, weil sie und wir alle sozusagen neues Leben in die Welt bringen durften und dürfen.

Wichtig ist es aber, an dieser Stelle schon zu betonen, dass es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt – und da sind wir mit den Expertinnen und Experten seit Beginn der Krise im engsten Austausch –, dass es kein erhöhtes Risiko gibt, wenn die Schutz­maßnahmen mit dem 1-Meter-Abstand, mit dem regelmäßigen Händewaschen, mit den Einzelbüros oder mit den Homeofficemöglichkeiten eingehalten werden können, aber auch wenn der Abstand gewährleistet ist. Viele Betriebe haben von Zwei- oder Drei­schichtbetrieben auf Vier- oder Fünfschichtbetriebe umgestellt, um das zu gewähr­leisten. Insofern gibt es dort kein erhöhtes Risiko, das möchte ich schon dazusagen, denn es ist wichtig zu wissen, auch aufgrund der neuen Erkenntnisse, dass es dort, wo die Schutzmaßnahmen eingehalten werden können, kein erhöhtes Risiko gibt, aber sehr wohl dort, wo es zu einem direkten körperlichen Kontakt kommt, und deshalb auch in den körpernahen Berufen.

Es wurden schon einige angesprochen, aber ich möchte auch noch die Frisörinnen und die Pflegerinnen nennen, die auch dazukommen. Ich wurde von vielen Organisationen gefragt – ich hatte erst gestern ein direktes Gespräch mit der Caritas –: Was ist mit den Pflegerinnen? – Selbstverständlich sind die auch mit dabei, also all jene, die im direkten körpernahen Kontakt sind. Auch die Kosmetikerinnen, sogar die Tätowiererinnen haben wir mit aufgenommen – wir haben da versucht, sehr breit reinzugehen –, aber selbst­verständlich auch die Elementarpädagoginnen. Insofern ist das eine Option; es ist eine Möglichkeit zur Freistellung bei einer 100-prozentigen Refundierung für die Arbeitneh­merinnen oder für die Selbstständigen, aber eben auch für den Arbeitgeber.

Ich bin sehr froh, dass wir diese Lösung gefunden haben und jetzt auch umsetzen kön­nen – die Maßnahme tritt mit Kundmachung in Kraft –, und ich hoffe auf breite Zustim­mung. Zugleich werden alle Maßnahmen laufend und ganz regelmäßig engmaschig evaluiert – bis März deshalb, weil wir viele andere Maßnahmen wie zum Beispiel die Kurzarbeit bis März laufen haben. Selbstverständlich werden wir zeitgerecht und zeit­nahe auch diese Maßnahme evaluieren und gegebenenfalls ausbauen. Also herzlichen Dank; es wurde schon angesprochen, es sind rund 4 500 werdende Mütter davon betroffen, die Kosten belaufen sich auf rund 10 Millionen Euro pro Monat, wobei wir da nicht von Ausgaben, sondern von Investition sprechen sollten.

Ich darf auch noch auf die anderen erwähnten frauenpolitischen Maßnahmen verweisen, insbesondere darauf, dass in engster Abstimmung mit und unter Federführung von Frauenministerin Susanne Raab beispielsweise das Pensionssplitting, wie es auch im Regierungsprogramm verankert ist, erarbeitet wird, auch das Equal-Pay-Siegel und noch viele andere Maßnahmen – da könnte ich jetzt noch einen eigenen Vortrag dazu


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halten. Jetzt ist es wichtig, dass wir diese treffsicheren Maßnahmen umsetzen – zum höchsten Schutz unserer werdenden Mütter und ihrer Ungeborenen.

Ich darf abschließend allen Gesundheit wünschen, einen guten Verlauf der Schwanger­schaft, auch allen werdenden Müttern, die Anfang nächsten Jahres noch dazukommen, alles Gute auch allen Familien, aber in diesem Fall besonders den Jungfamilien. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.32

18.32.29


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte, die ge­trennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutz­gesetz 1979 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungs­geld­gesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

18.33.5021. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz und das Post-Betriebsverfas­sungs­gesetz geändert werden (378 d.B. und 557 d.B. sowie 10515/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Herr Bundesrat, ich bitte um den Bericht.


18.34.12

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz und das Post-Betriebs­verfas­sungsgesetz geändert werden. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Der Ausschussbericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 15. De­zember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 121

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Bitte.


18.34.58

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Nachdem ich die letzte Sitzung dazu genutzt habe, mich hier im Parlament etwas zu orientieren, freue ich mich umso mehr, heute meine erste Rede hier zu halten. Es ist zwar eine eher kleinere Gesetzesänderung, aber, wie ich finde, eine nicht weniger wichtige Gesetzesänderung.

Es geht um unsere Lehrlinge, die meiner Meinung nach eine wichtige Säule der jungen Generation in unserer Gesellschaft bilden. Was wären wir ohne Tischlerinnen und Tischler, ohne Köchinnen und Köche, ohne Elektrotechnikerinnen und Elektrotechniker oder Frisörinnen und Frisöre? – Wir wären ziemlich aufgeschmissen, um es auf gut Wienerisch zu sagen. Es sind aber nicht nur die klassischen Lehrlingsberufe, auch neue Lehrlingsberufe wie die Codinglehre oder die E-Commercelehre bieten zukunftsträchtige Ausbildungschancen.

Mit der Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes und des Post-Betriebsverfassungs­gesetzes kommt es zu einer Änderung des Begriffes Lehrlingsentschädigung zu Lehr­lingseinkommen. Wenn ich mich zurückerinnere: Als ich 16 Jahre alt war, habe ich mein erstes Praktikum in einer Küche gemacht, und nach einem Monat habe ich mein erstes Einkommen in der Höhe der – eben damals – Lehrlingsentschädigung im zweiten Lehr­jahr erhalten, und da war ich ziemlich stolz, denn ich hatte mein erstes Einkommen auf meinem Konto. Das ist im Gesetz zwar nur eine kleine Änderung eines Wortes, aber ich denke, es verschafft den Lehrlingen die Wertschätzung, die sie in unserer Gesellschaft verdienen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) – Danke schön.

Sie müssen für ihre Leistung nicht entschädigt werden, sie haben ein wohlverdientes und oft auch erstes Einkommen. Durch diese kleine Änderung bekommen unsere Lehrlinge wie gesagt die Wertschätzung, die sie verdienen.

In einem zweiten Schritt wird in diesem Gesetz das Alter für die Betriebsratswahlen von 18 Jahren auf 16 Jahre heruntergesetzt. So kann man in unserem Land zwar mit 16 Jah­ren bereits zu politischen Wahlen gehen und sogar den Bundespräsidenten wählen, während ein Lehrling aber bisher nicht die eigene Vertretung im Unternehmen wählen konnte. Durch diese Änderung werden junge Menschen besser in den Betrieben einge­gliedert und vertreten. Jugendliche bekommen mehr Bedeutung und Mitspracherecht im direkten Arbeitsumfeld und andersherum muss auch der Betriebsrat besser auf unsere Jugend eingehen. Daraus resultiert, dass Jugendliche besser in ihre Betriebe einge­gliedert werden, ihnen Gehör verschafft wird und es zu einer erneuten Aufwertung des Lehrlingsstandes kommt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.38


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke, Frau Kollegin, und noch einmal einen herzlichen Willkommensgruß hier im Hohen Haus!

Nächste Rednerin ist Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. – Bitte sehr.


18.38.24

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen


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und Zuseher zu Hause! Ich möchte mich in diesen Dankesreigen einordnen, weil ich glaube, es ist wesentlich, aus verschiedenen Gründen zu danken. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich danke allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die 80 Prozent der Steuerleis­tung in diesem Land erbringen, um jetzt diese Fördermaßnahmen für die Wirtschaft zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen sicherzustellen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich danke all jenen, die sich jetzt dem Risiko einer Ansteckung aussetzen, die in den Gesundheitsberufen, in den Pflegeberufen arbeiten und bis jetzt noch keinen Corona­tausender gesehen haben. – Danke, dass Sie trotzdem mit so viel Engagement arbeiten, vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

Und ich danke den arbeitslosen Menschen, die keine Erhöhung der Nettoersatzrate des Arbeitslosengeldes bekommen haben, aber trotzdem mit aller Kraft versuchen, so gut sie können, über die Runden zu kommen, und sich durch ihr Leben kämpfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin, ich hätte eine Bitte aus aktuellem Anlass, die zwar jetzt nicht zum Thema gehört, aber ich glaube, sie ist ganz, ganz wesentlich: Bitte, Frau Bundes­ministerin, vereinbaren Sie mit den Sozialpartnern eine Lösung für die beiden Tage 7. und 8. Jänner! Das ist ein riesiges Problem: Der Urlaub ist aufgebraucht, die Sonder­betreuungszeit wird nicht greifen, wenn die Ferien verlängert werden, und die Sonder­betreuungszeit wird nicht greifen, wenn es ein Betreuungsangebot in den Schulen gibt – aber gleichzeitig wollen wir, dass sich die Leute testen lassen. Das ist ganz, ganz wichtig, und wir wollen auch, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Chance haben, einen halben Tag freizubekommen, um testen gehen zu können. Also diese beiden Tage sind jetzt wirklich ein echtes Problem. Bitte regeln Sie es mit den Sozialpartnern gemeinsam, um den Eltern diese Situation nach den Weihnachtsfeiertagen, die ohne­dies für alle wahnsinnig schwer sind, etwas zu erleichtern! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum Thema: Wir freuen uns natürlich, dass das Wahlalter für die Lehrlinge für die Betriebsratswahlen von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt wird. Das ist ein wichtiger Schritt, aber es ist ein kleiner Schritt. Wir haben das als SPÖ und als Gewerkschaft schon sehr lange gefordert, und im Personalvertretungsgesetz des öffentlichen Dienstes ist es schon seit vielen Jahren Usus und die Lehrlinge können schon mit 16 Jahren wählen. Das ist jetzt sozusagen ein Nachziehen.

Aber: Es ist ein bisschen ein zu kleiner Schritt. Es wäre notwendig, dass die Lehrlinge bereits ab dem 15. Lebensjahr wählen können, weil sie meist auch ab dem 15. Lebens­jahr die Lehre beginnen. Das wäre ein wichtiger Schritt, um nicht wieder eine Gruppe von Lehrlingen auszugrenzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen doch nicht, dass die jungen Leute politikverdrossen werden. Wir wollen auch nicht, dass sie Kritik an „denen da oben“ üben, weil es für sie nicht greifbar ist, und wir wollen nicht, dass ihr Demokratieverständnis leidet. Das heißt, die Möglichkeit für Lehr­linge, ab dem 15. Lebensjahr zu wählen, wäre ganz, ganz wichtig.

Ich möchte noch einmal einen Dank aussprechen, und zwar an all jene, die sich in den Jugendvertrauensräten engagieren. Es sind über 2 900 junge Menschen Mitglieder oder Ersatzmitglieder von Jugendvertrauensräten; in 530 Unternehmen sind sie aktiv.

Sich dafür zu engagieren, sich für andere einzusetzen, das ist ganz, ganz wesentlich, und es ist ein Zeichen dafür, dass die betriebliche Vertretungsarbeit funktioniert. Mit großem Schauer erinnern wir, alle GewerkschafterInnen und Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, uns noch an das Ansinnen der letzten Bundesregierung – der Ge­danke daran sitzt uns noch im Nacken –, das in der letzten Regierungsvereinbarung


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drinnen stand, dass man den Jugendvertrauensrat abschaffen soll. Frau Bundesminis­terin Hartinger-Klein hat Anstalten dazu gemacht. Nur durch den Widerstand der Ge­werkschaftsjugend und der Sozialdemokratie ist es gelungen, zu verhindern, dass diese erste demokratische betriebliche Einheit abgeschafft wird, und wir werden das ganz bestimmt nicht vergessen. Es geht darum: Kann ich mitbestimmen?, auf welcher Ebene auch immer, und das wollen wir auf jeden Fall fördern und fordern. (Beifall bei der SPÖ.)

Und noch ein Punkt ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig: Wir haben eine extrem hohe Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen – Frau Bundesministerin, Sie haben es ange­sprochen. Bitte nicht einfach nur zuschauen, sondern wirklich handeln! Wir wollen keine Generation Corona, und die Gefahr ist extrem hoch – aufgrund der schulischen Situation und aufgrund der wirtschaftlichen Situation. Nehmen wir alles, was wir können, in die Hand, um jungen Menschen eine Jobgarantie zu geben, eine Ausbildungsgarantie zu geben. Sie müssen Perspektiven haben, sie sind unsere Zukunft – ich glaube, darin sind wir uns sicher alle einig. (Beifall bei der SPÖ.)

Und noch eine Bitte, Frau Bundesministerin, für die Jugendvertrauensrätinnen und Jugendvertrauensräte, die sich so sehr engagieren und wirklich auch ganz einfach hineinhauen und für die anderen einsetzen – und das ist nicht selbstverständlich, denn dafür braucht man Mut, man braucht aber auch gute Bildung –: Bitte erhöhen Sie die Bildungsfreistellungsmöglichkeit für die Mitglieder und auch die Ersatzmitglieder der Jugendvertrauensräte! Dehnen Sie sie von zwei Wochen auf drei Wochen aus, damit sie die bestmögliche Unterstützung und Ausbildung haben, die sie nur irgendwie kriegen können! (Beifall bei der SPÖ.)

Wo immer es möglich ist, fordern wir und fördern wir das politische, das demo­kratie­politische Engagement von jungen Menschen, und wo immer es möglich ist, seien wir dankbar all jenen gegenüber, die jetzt in dieser Coronazeit unter den schwersten Bedin­gungen so viel leisten; dankbar all jenen gegenüber, die versuchen, unter all diesen schweren Bedingungen ihr Leben hinzukriegen; den Familien, für die es jetzt in dieser Situation oft wirklich schwierig ist, wenn jemand den Job verloren hat, wenn jemandes Einkommen aufgrund der Kurzarbeit gekürzt ist – obwohl die Kurzarbeit so wichtig ist, wissen wir, dass trotzdem Einkommensverluste entstehen. Ihnen allen ist zu danken, besonders in dieser schweren Weihnachtszeit.

Und bitte, Frau Bundesministerin, wirken Sie auch in die Richtung, dass diese Chaos­regulierung über die Weihnachtszeit zu einer besseren wird, zu einer klareren wird, damit die Menschen mitgenommen werden und sie den Weg aus der Krise gemeinsam gehen, damit sie sich testen lassen, damit keine Verdrossenheit entsteht, denn sonst ist die Gefahr extrem groß, dass wir in einen dritten Lockdown gehen, und dass wollen wir auf keinen Fall. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.45


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser um ihre Ausführungen bitten.


18.46.05

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Vizepräsidentin! Frau Minister! Werte KollegInnen! Hohes Haus! Mit Freude werden wir heute der Gesetzes­änderung zustimmen, durch die das aktive Wahlalter bei Betriebsratswahlen von 18 auf 16 Jahre gesenkt wird, was ja auch eine langjährige freiheitliche Forderung ist.

Es fördert einfach das Zugehörigkeitsgefühl zum Betrieb. Die jungen Menschen werden besser betreut, fühlen sich besser betreut, und es macht ja eigentlich wirklich keinen Sinn, dass junge Menschen die Vertreter ihres Vertrauens in der Arbeitswelt nicht wählen sollten, wenn sie doch auch den Bundespräsidenten wählen dürfen, den Nationalrat


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wählen dürfen, den Landtag wählen dürfen und auch auf kommunaler Ebene und auf EU-Ebene wählen dürfen, also an allen politischen Wahlen teilnehmen dürfen. Dort aber, wo sie eigentlich den Großteil der Woche, nämlich 40 Stunden, verbringen, nämlich im Betrieb, dort dürften sie nicht ihre Vertrauensperson wählen?

Die heutige Gesetzesänderung ist ein bedeutender Beitrag zur demokratischen Mitbe­stimmung und wird von uns Freiheitlichen gerne mitgetragen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.47


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf nun Frau Mag.a Elisabeth Kittl um ihre Wortspende bitten.


18.47.24

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich habe heute angefangen, ich werde die heutige Sitzung auch fast beenden. Wie Frau Wolff schon gesagt hat, ist die vorliegende Gesetzesänderung eine winzige Änderung, sie hat aber hoffentlich weit größere Auswirkungen. Wie schon im Berufsausbildungs­gesetz geschehen, wird der Ausdruck Lehrlingsentschädigung auch im Arbeitsverfas­sungsgesetz durch Lehrlingseinkommen ersetzt. Nicht Entschädigung, nicht Entgelt, sondern Einkommen sollen die Lehrlinge zukünftig bekommen.

Einkommen ist ein Begriff, der viel umfasst. Einkommen geht mit beginnender Selbst­sorge und Selbstverantwortung einher, genauso wie es die Zeit in der Lehre an sich schon tut. Begriffe sind nicht zu unterschätzen, Begriffe fassen unsere Welt in Worte, Begriffe machen etwas mit uns. Diese kleine Umdefinierung hat im Fokus, den Lehrlings­stand angesehener zu machen, wir haben es schon gehört. Es geht darum, den Status der Lehrlinge zu heben und der Lehrlingsausbildung und dem daraus folgenden Beruf mehr Wertschätzung entgegenzubringen.

Es geht um die Aufwertung der Arbeit und der Stellung von Lehrlingen. Es geht darum, ihre devote Stellung in eine verantwortungsvolle, angesehenere Stellung zu transfor­mieren, denn ich stelle mir immer wieder die Frage: In welchem Jahrhundert leben wir, dass so manche Arbeit oder Ausbildung als minder angesehen wird? In welchem Jahrhundert leben wir, dass Dienstleistung immer noch mit Dienen und all seinen Impli­kationen von Unterwerfung zu tun hat? Kommen wir doch endlich ins 21. Jahrhundert! Kommen wir endlich in eine Zeit, die sich von den unerträglichen Minderbewertungen für manche Tätigkeiten oder gar für manche Menschen verabschiedet!

Warum wollen wir den Lehrlingsstatus attraktiver machen? – Wir wissen es: weil wir Lehrlinge brauchen. Die Fachkräfte speisen sich zu einem großen Teil aus den Jungen, aus den Lehrlingen. Die österreichische Bevölkerung wird immer älter, daher wird der Fachkräftebedarf in den nächsten Jahren weiter steigen.

Die Branchen, in denen, wie wir schon gehört haben, Lehrlinge fehlen, sind die tech­nischen Handwerksberufe, von der Elektrotechnik – gerade in der Energiewende sehr gefragt – über die Kfz-Mechanik, den Maschinenbau, die Schlosserei bis zur Daten­verarbeitung.

Daraus erklärt sich auch – an dieser Stelle ein kleiner Exkurs –, warum die Politik mehr Frauen beziehungsweise Mädchen in technische Berufe bringen will: Ich dachte immer, es gehe vordergründig darum, endlich mehr Gleichberechtigung zu schaffen und Rollen­klischees aufzubrechen, aber es geht auch – und vielleicht vor allem – darum, mehr Lehrlinge in diese Berufe zu bringen. Wie auch immer – der Gleichberechtigung wird es jedenfalls auf die Sprünge helfen.


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Die Begriffsänderung von Entgelt zu Einkommen ist ein Beitrag zur Aufwertung der Lehrlingsausbildung, denn Lehrberufe sind sichere und gut bezahlte Berufe. Ja, vielleicht geht es um Überschriften, aber einen Aufsatz ohne Überschrift liest niemand.

Noch ein paar Worte zum aktiven Wahlrecht: In beiden Gesetzen wird das aktive Wahl­recht zu den Organen der Personalvertretung auf das Alter von 16 Jahren herunter­gesetzt. Damit erfolgt, wie unsere Kollegin schon gesagt hat, eine Anpassung an das Wahlalter für Wahlen in Bund, Land und Gemeinden – seit Langem eine grüne Forde­rung. Mit dem Wahlrecht ab 16 Jahren wird den Jugendlichen zugestanden, dass sie abwägen und urteilen können. Das ist wichtig, denn dadurch werden sie ermutigt, an den Willensbildungen, die sie betreffen, mitzuwirken. Es ist wichtig im Sinne des Gene­rationenaustausches und der Generationengerechtigkeit.

Das alles passt mit dem von mir zum Lehrlingseinkommen Vorgebrachten gut zusam­men: mehr Verantwortung, mehr Mitbestimmung, mehr Interesse – ein Erfolgskreislauf, der ein Mehr an Demokratie bedeutet und in die Zukunft der jungen Generation inves­tiert. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

18.51


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Mag.Christine Aschbacher zu Wort gemeldet. – Bitte sehr, Frau Ministerin.


18.51.38

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Frau Vizepräsidentin! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte! Manchmal geht es mir so wie Ihnen: Aller guten Dinge sind drei, und ich darf mich heute drei Mal zu drei zentralen Themen zu Wort melden.

Es freut mich als Jugendministerin, dass wir die Partizipation unserer Jugendlichen in den Betrieben stärken: dass sie in den Betrieben, in denen sie tagtäglich arbeiten und ihrer Beschäftigung, ihrer sinnerfüllten Tätigkeit nachgehen, auch aktiv mitwirken kön­nen.

Wir haben uns sehr wohl Gedanken darüber gemacht: Was ist denn das richtige Alter – wenn man in den Betrieben als Lehrling startet, wenn man ab 16 den Bundespräsidenten wählen darf? Manche haben zu uns gesagt: Na ja, 16 ist eigentlich trotzdem noch früh. – Manche haben gesagt, dass es zu spät ist, sie hätten es gerne noch früher. Es war dann das gemeinsame Vorgehen, dass wir es den Jugendlichen mit 16, wenn sie sich in ihrer Arbeitsstätte schon gut auskennen und auch unter den Kolleginnen und Kollegen gut verankert sind, zumuten können, mitzuwirken, weil man mit 16 auch an den anderen Wahlen aktiv teilnehmen kann.

Unsere Vision ist, dass wir die Jugendlichen dabei unterstützen, ihr Leben selbstbe­stimmt, eigenverantwortlich und auch sinnerfüllt zu gestalten. Damit ist dieser Prozess, dieser Schritt ganz wichtig, weil unsere Lehrlinge die Fachkräfte der Zukunft sind. Wir brauchen mehr von ihnen: einerseits in den klassischen Berufen, zum Beispiel im ge­samten Mint-Bereich, und andererseits auch in den Zukunftsberufen, die jetzt schon möglich sind.

Die Lehre zu attraktivieren ist uns gemeinsam mit der Wirtschaftsministerin ein Her­zens­anliegen. Wenn zum Beispiel die jungen Damen in der Schule im Zuge der Berufsorien­tierung davon hören, dass es eine Codinglehre gibt, und dann nach Hause kommen und vielleicht zu den Eltern sagen: Ich habe von der Codinglehre gehört, es würde mich interessieren, ich habe gute Jobchancen und verdiene nicht schlecht!, wissen die Eltern vielleicht gar nicht, was eine Codinglehre ist, und raten den Kindern oder Jugendlichen:


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 126

Na geh, lern vielleicht doch Friseurin, denn die brauchen wir immer! Darum gilt es, die Elternbildung diesbezüglich noch zu verstärken und gemeinsam daran zu arbeiten. Auch das ist beispielsweise eine konkrete Maßnahme im Zuge der Taskforce Jugendbeschäf­tigung.

Ich möchte auch noch sagen, dass wir besondere Schwerpunkte auf Frauen und junge Mädchen in der Technik gesetzt haben, zum Beispiel mit Programmen, die sich in der aktiven Arbeitsmarktpolitik im Frauenbereich mit einem Plus von 3,5 Prozent im Jahr überproportional im Budget niederschlagen.

Zugleich möchte ich auch sagen, dass die Jugendvertrauensräte selbstverständlich bestehen bleiben – auch ein Dankeschön an all jene, die sich dafür engagieren und einsetzen. Ich freue mich schon jetzt darauf, wenn wir mit den jungen Betriebsrätinnen und Betriebsräten einmal im Jugendministerium zusammenkommen können.

Was ich noch kurz zum Redebeitrag von Bundesrätin Schumann anmerken darf, dass das Testengehen möglich sein soll: Selbstverständlich unterstützen wir als Bundesregie­rung – natürlich gerne gemeinsam mit den Sozialpartnern, wenn ich das so sagen darf –, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer testen gehen können. In Absprache mit den Arbeitgebern, aber auch insgesamt haben wir es so geregelt, dass es wie ein Vorsorgetermin stattfinden kann. Es braucht also niemand in der Arbeit zu bleiben, und insofern gibt es eigentlich überhaupt keine Ausrede dafür, dass man nicht testen geht. Es geht schnell, es ist unkompliziert, und es ist zugängig. Als Arbeitsministerin, aber auch als Familien- und Jugendministerin möchte ich appellieren, dass jede und jeder sich beteiligen kann.

Wenn es dazu noch offene Punkte gibt, können wir sehr gerne darüber reden, liebe Frau Bundesrätin – wir sind ja ständig mit den Präsidentinnen und Präsidenten der Sozial­partner im Kontakt, es ist eine gute und sehr konstruktive Kooperation gegeben. Wir haben dafür gesorgt, dass das natürlich vor Weihnachten, aber auch nach Weihnachten möglich ist.

Insofern bitte ich Sie um breite Zustimmung auch zu diesem Tagesordnungspunkt. Geben wir unseren Jugendlichen eine Stimme! Geben wir ihnen eine starke Stimme! Eine frühe Partizipation stärkt das eigenverantwortliche und selbstbestimmte Leben und auch uns in einer Gesellschaft, in der wir sagen: Involvieren wir die Jugendlichen und geben wir ihnen überall dort, wo es möglich ist, eine Stimme!

Insofern: Herzlichen Dank und auch Ihnen alles Gute, eine besinnliche Adventzeit, so gut es noch geht, und schon jetzt frohe Weihnachten im engsten Familienkreis! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)

18.56

18.56.31


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein – das funktioniert immer besser!

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 127

Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

*****

Bevor wir nun zu den Tagesordnungspunkten 22 und 23 gelangen, möchte ich Sie darüber in Kenntnis setzen, dass das Protokoll der Rede des Herrn Bundesrates Markus Leinfellner eingetroffen ist, in der er wörtlich gesagt hat: „Das ist heute keine Verbes­serung, sondern das gleicht aus meiner Sicht einem Gesetzeskauf.“ Das ist der Vorwurf einer strafbaren Handlung.

Herr Abgeordneter, Sie wurden von Herrn Fraktionsvorsitzendem Bader aufgefordert, diese Aussage zurückzunehmen. Ich frage Sie jetzt, wie Sie reagieren werden: Nehmen Sie diese Aussage zurück? Sie können gerne nach vorne kommen oder vom Mikrofon in den Bankreihen aus sprechen.


18.58.13

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin, wie Sie gesagt haben: Ich habe gesagt: Es gleicht einem Gesetzeskauf, und nicht: Es ist ein Gesetzeskauf. Ich gehe aber davon aus, dass Kollege Bader das auch so verstanden hat – vielleicht nicht so hat verstehen wollen. Es ist ein großer Unter­schied: Ich habe es nicht so gemeint, dass es ein Gesetzeskauf war.

Ich möchte das niemandem unterstellen, und ich glaube, es ist aus meiner Rede auch direkt hervorgegangen, dass ich das nicht unterstellen möchte. (Zwischenruf des Bun­desrates Bader.) – Dann müssen auch Sie zuhören, Herr Kollege! Ich habe in meiner Rede mehrmals gesagt, dass ich es nicht unterstellen möchte. Ich habe ein Indiz hochgehalten – nämlich dieses Bild –, und wie Sie genau wissen, ist einer Ihrer ehe­maligen Minister – ein ÖVP-Minister – erst unlängst aufgrund von Indizien verurteilt wor­den. Deswegen werde ich das nicht zurücknehmen, ich nehme den Ordnungsruf in Kauf. (Beifall bei der FPÖ.)

18.59

18.59.17*****

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Dann erteile ich Ihnen einen Ordnungs­ruf für die genannte Aussage.

*****

Es gibt eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung. – Bitte, Herr Fraktionsvorsitzender.


18.59.57

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist im Protokoll klar ersichtlich, dass es geheißen hat: Das ist keine Verbesserung, „sondern das gleicht aus meiner Sicht einem Gesetzeskauf“. – Das ist klar und deutlich nicht das, was Herr Kol­lege Leinfellner jetzt hier ausgesprochen hat. Es ist die Unterstellung einer kriminellen Handlung, und ich glaube, dass es da entsprechend zumindest einen Ordnungsruf geben sollte.

19.00

*****


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Herr Fraktionsvorsitzender, ich habe einen Ordnungsruf erteilt. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Steiner und Steiner-


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 128

Wieser.) Es ist – die Frau Schriftführerin hat es gerade ausgeführt – anscheinend im Applaus der FPÖ untergegangen. Ich habe aber einen Ordnungsruf für diese Aussage erteilt. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Sie hat ja einen Ordnungsruf erteilt! Soll sie jetzt zwei Ordnungsrufe erteilen?)

19.00.5322. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend Siebenter Zusatz­vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung vermö­gens­rechtlicher Beziehungen vom 23. Juni 1960 (404 d.B. und 507 d.B. sowie 10484/BR d.B.)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangeli­schen Kirche, das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche und das Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft geändert werden (405 d.B. und 508 d.B. sowie 10485/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ich darf in der Tagesordnung fortfahren. Wir behandeln die Tagesordnungspunkte 22 und 23, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Ich bitte um die Berichte.


19.01.58

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Frau Vorsitzende! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föde­ralismus über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend Siebenter Zusatzvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung ver­mögensrechtlicher Beziehungen vom 23. Juni 1960.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 15.12.2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Berichterstattung zu Tagesordnungspunkt 23: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 10. De­zember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche, das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche und das Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 15.12.2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

19.03.34



BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 129

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke für die Berichte.

Es liegen hierzu keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Damit kommen wir zu den Abstimmungen, die ich über die gegenständlichen Tagesord­nungspunkte getrennt vornehme.

Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein beziehungsweise behalten Sie Ihre Plätze!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezem­ber 2020 betreffend Siebenter Zusatzvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen vom 23. Juni 1960.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechts­verhältnisse der Evangelischen Kirche, das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche und das Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechts­verhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle auch hier die Stimmeneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

19.05.2724. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung und Adaptierung der abschlagsfreien Pensio­nen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen (282/A(E)-BR/2020 sowie 10496/BR d.B.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Ich bitte um den Bericht, Frau Kollegin.


19.06.09

Berichterstatterin Marlies Steiner-Wieser: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 15. De­zember 2020 und teile Ihnen mit, dass ein Beschluss über den Antrag, dem vorliegenden Entschließungsantrag 282/A(E)-BR/2020 die Zustimmung zu erteilen, infolge von Stim­mengleichheit nicht zustande gekommen ist.


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte sehr.


19.06.42

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream, sofern Sie zu dieser doch fortgeschrittenen Zeit noch dabei geblieben sind! Dieser Tagesordnungspunkt


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kommt über einen Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei zustande – wir haben es soeben gehört –, und er zeigt, dass der FPÖ jedes Mittel recht ist, um ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen, denn sonst würde dieses Thema jetzt, im Nachtrag, wahrscheinlich nicht mehr diskutiert werden. Nun haben wir es aber auf der Tages­ordnung.

Das ist in Anbetracht eurer kritischen Situation grundsätzlich auch verständlich, anstatt aber mit guten und inhaltsstarken Argumenten zu kommen, macht ihr das mit reinem Populismus. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Was ist da Populismus, bitte? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ihre Vorschläge zum Coronamanagement, wie die Empfehlung, nicht an den Massen­tests teilzunehmen (Bundesrat Spanring: Vielen Dank für die Beurteilung! Die Wahrheit der ÖVP! Von Gott gegebene Meinung!), oder das beispiellose Theater Ihres Abgeord­neten­kollegen Schnedlitz mit dem Cola-Coronatest letzte Woche im Nationalrat, zeigen, dass Sie nur auf billige Stimmungsmache aus sind. Das machen Sie mit diesem Antrag nun auch. – Gut. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Wider­spruch bei der FPÖ.)

Im Gegensatz zu euch ist es uns egal (Zwischenrufe der BundesrätInnen Steiner und Steiner-Wieser), ob die Gesetzesanpassung Wählerstimmen bringt – lassen Sie mich ausreden, lieber Kollege! – oder momentan gerade populär ist. (Bundesrat Ofner: Die haben 45 Jahre gearbeitet, im Gegensatz zu ...! ... ist es uns egal ...!) Uns geht es um die Sache und um eine faire Ausgestaltung des Generationenvertrags, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. (Ruf bei der FPÖ: Ja ja!) Ich vertrete hier die Interessen aller Arbeitnehmer und nicht nur jener, die kurz vor Inanspruchnahme der Hacklerpension stehen (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen – Bundesrat Steiner: Das ist ein Skandal!), und deshalb lade ich Sie gerne nochmals ein, mit mir gemeinsam die Fakten genauer anzusehen. (Bundesrat Spanring: 45 Jahre arbeiten müssen und sich dann von einer jungen Politikerin sowas sagen lassen müssen, das ist eine Frech­heit, das ist ein Skandal! – Bundesrat Bernard: Unfassbar!)

Als Erstes stellen wir uns die Frage, ob es sich bei der abschlagsfreien Hacklerregelung um eine Umverteilung von Jung zu Alt handelt, und wenn ja, ob diese sozial gerecht­fertigt ist.

Zur Umverteilung von Vermögen haben wir in Vorarlberg eine Modellrechnung eines Idealfalls eines Einzahlers in unser Pensionssystem durchgeführt. Dieser Dienstnehmer hat eine Lehre als Werkzeugmechaniker gemacht, und er hat sein ganzes Leben durchgehend gearbeitet. In den letzten Jahren vor der Pension hatte er eine leitende Funktion inne und hat somit auch überdurchschnittlich gut verdient.

Was glauben Sie jetzt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, was bei einem solchen Idealfall eines Einzahlers in unser Pensionssystem herausgekommen ist? – Würde dieser Dienstnehmer mit 65 Jahren in Pension gehen, also im Regelpensionsalter, dann wäre nach Sterbetafeln der Deutschen Aktuarvereinigung die faire Rente um 7 Prozent niedriger, als sein Pensionsausweis diese bescheinigt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Das sind Nettozahler!)

Das heißt jetzt, dass es selbst bei einem idealtypischen Fall wie diesem, der nicht einmal die Hacklerregelung in Anspruch genommen hat, im Erwartungswert zu einer Quer­finanzierung von Jung zu Alt kommt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Die jetzigen und zukünftigen Arbeitnehmer zahlen also solche Zuckerl. (Ruf bei der SPÖ: Habt ihr das notwendig? – Bundesrat Spanring: Der hat aber sein Leben lang schon ... finanziert! Versteht ihr das nicht? Der hat ja Steuern gezahlt sein Leben lang! Das ist zum Schämen, was ihr da abliefert!)


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Damit nicht genug, wird unser Schuldenrucksack immer größer, denn wir und die nach­folgenden Generationen sind es, die jetzt aufgrund der Coronakrise getätigte Schulden tragen müssen (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ – Vizepräsidentin Grossmann gibt das Glockenzeichen) – aber auch die jetzigen Arbeitnehmer, deren Enkel und Urenkel haben ein Recht auf eine faire Rente, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Nachdem nun geklärt ist, dass es sich um eine Umverteilung handelt, stellen wir uns jetzt noch die Frage, ob diese Umverteilung aufgrund der Hacklerregelung auch sozial gerechtfertigt ist, und da rufe ich gerne nochmals die Zahlen in Erinnerung. (Bundesrat Spanring: Und vor der Wahl habt ihr mitgestimmt, gell? Da wart ihr ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Pensionisten, die die Hacklerregelung in Anspruch neh­men, bekommen eine durchschnittliche Pension von 2 845 Euro. Die durchschnittliche Alterspension von Männern liegt im Vergleich dazu bei 2 064 Euro; also sogar mit Abschlägen verdienen die Hacklerpensionisten mehr als der männliche Durchschnitts­rentner. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das schaue ich mir aber an!)

Sie wollen jetzt also Geld von Arbeitnehmern nehmen, um die ohnehin schon über­durchschnittlich hohe Rente der Hacklerpensionisten weiter zu erhöhen, und jetzt frage ich Sie nochmals: Ist das fair? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Überdurchschnittlich, über­durch­schnittlich! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es ist mir jetzt schon klar, dass die FPÖ auf diese objektiven Argumente keine Antwort haben wird (Bundesrat Spanring: Ja, ja!) außer ihre Standardfloskeln, nämlich: 45 Arbeitsjahre sind genug!, oder – wie Ihre freiheitliche Kollegin bei der letzten Plenarsitzung gesagt hat (Bundesrat Ofner: Wie ihr mit den Leuten umgeht!) –, dass wir Jungen noch mit der Mücke geflogen sind, als die jetzigen Hacklerpensionisten schon lange ins Pensionssystem einbezahlt haben. (Bundesrat Spanring: Wie alt sind Sie, Frau Kollegin? Sie sind noch nicht einmal so alt, wie die einbezahlt haben! Das ist das Schlimme! Sie sind noch nicht einmal so alt, wie diese Menschen gearbeitet haben!) Aber eine objektive Argumentation, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, würde voraussetzen (Ruf: Bitte, kann die Frau Bundesrätin ausreden?), dass man bereit ist, ökonomische Zusammenhänge zu verstehen und die Grundrechenarten anzuwenden. Mir scheint, das ist nicht so die Stärke der Freiheitlichen Partei. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Das ist eine Schande für Österreich! Unfassbar!)

Sie haben sich stattdessen dazu entschieden, bei dem zu bleiben, was Sie gut können, das sind inhaltslose Floskeln, Polterei und Populismus. (Bundesrätin Hahn: Aber ihr könnt es ...!) Das ist nicht der Weg der Volkspartei. (Ruf bei der FPÖ: Und ihr seid 34 Jahre in der Regierung und habt sie heruntergewirtschaftet!) Uns geht es um Inhalte und um eine faire Ausgestaltung des Generationenvertrags, und deshalb werden wir diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.12


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Es ist nichts gegen eine lebendige parlamentarische Debatte mit Zwischenrufen einzuwenden, aber ich bitte Sie wirklich auch um Disziplin, damit man die Rednerin jedenfalls überall im Saal noch gut hören kann. Ich bitte da wirklich auch um die Disziplin (Beifall bei der ÖVP), die der Würde des Hauses entspricht! (Bundesrat Steiner: Der hat ja ein Mikrofon, der Redner!)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist nun Herrn Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte.


19.13.02

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Es schockiert mich ja eh nichts mehr: Es schockiert mich hier in diesem Haus, weder im Nationalrat noch im Bundesrat, nichts mehr seitens der ÖVP, seitens der Grünen – diese Überheblichkeit! Frau Bundesrätin Eder, entweder war das – ich hoffe es nicht – jetzt ein zynisches Lächeln oder – das


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kann ich nur hoffen – ein unsicheres Lächeln von Ihnen, als Sie jetzt da vorne gestanden sind und Menschen, die 45 Jahre lang gearbeitet haben – 45 Jahre ihres Lebens ge­arbeitet haben! –, heruntergemacht haben.

Vor wenigen Minuten war die Ministerin noch hier, forciert die Lehrlingsausbildung und sagt, alle ab 15 Jahren sollen Lehrlinge werden – ja, mit welcher Motivation?! Dass sie nachher gesagt bekommen, 45 Jahre sind zu wenig?! Das ist unfassbar, unglaublich für mich! Es ist einfach nicht mehr begreiflich. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich habe mir eigentlich immer schon gewünscht, dass ich hier stehen und einmal der ÖVP und den Grünen in die Augen blicken und fragen darf: Wie fühlt man sich eigentlich dabei? Wie fühlt man sich als Mensch? (Bundesrätin Zeidler-Beck: Wie fühlt man sich ...? – Bundesrat Köck: So wie der Hundstorfer, wie er ...!) Wie fühlt man sich, wenn man Menschen, die 45, 47 Jahre gearbeitet haben, die Pension wegnimmt? – Und ich sage es: Sie betreiben Pensionsraub, Pensionsraub, ein Jahr vor der Pension! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Menschen ein Jahr vor der Pension auszurichten – ja, da können Sie schon lachen; da können Sie schon lachen! –, dass sie 350 Euro netto bis 400 Euro netto weniger im Monat bekommen, aber bei einem hohen Salär hier im Bundesrat oder im Nationalrat zu sitzen, das finde ich unfassbar! Dass man da überhaupt mitstimmen kann, ist letzt­klassig, wirklich letztklassig! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Zeidler-Beck.)

Wie letztklassig das ist, das möchte ich jetzt an ein paar Zahlen festmachen. 30 Millionen Euro – 30 Millionen Euro! – hätte die Hacklerregelung das nächste Jahr gekostet. (Bun­desrat Preineder: Das ist keine Hacklerregelung!) 30 Millionen Euro – und was macht die ÖVP, gemeinsam mit den Grünen? Was machen Sie? – Einen Beschluss im Natio­nalrat über 210 Millionen Euro (Beifall bei SPÖ und FPÖ), also sieben Jahre Pension für unsere Hackler! Das fasse ich nicht mehr!

Herr Schreuder, was ist los mit euch? Was ist los mit euch? Dürft ihr nichts mehr sagen? Traut ihr euch nicht? – Es ist für mich unfassbar! Das kann ja nicht in eurem Sinn sein! Es kann nicht mehr in eurem Sinn sein, dass das so passiert.

Auf der anderen Seite geht man dann her und sagt: Na ja, für die Frauen ist es besser. Für die Frauen ist es viel besser, weil die Frauen davon profitieren. – Da wird dann noch einmal ein Schmarrn erzählt – noch einmal ein Schmarrn erzählt. Wenn Männer unter die Hacklerpensionsregelung fallen und 350 Euro, 400 Euro im Monat verlieren, dann hat keine einzige Frau etwas davon. Keine einzige Frau in Österreich hat etwas davon! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wir werden diesen Entschließungsantrag natürlich unterstützen. Vielleicht gehen Sie noch in sich, vielleicht mit ein bisschen Weihnachtsstimmung. Denken Sie an die Hackler, vielleicht können Sie dann heute noch mitstimmen! – Herzlichen Dank, danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

19.16


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte.


19.17.00

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wenn jemand abschlagsfrei in Pension geht, dann bekommt diese Person nicht eine Pension entsprechend ihrer Beiträge, sondern eine höhere Pension. (Ruf bei der FPÖ: Was hast du für eine ...?) Im Fall der sogenannten Hacklerpension sind das 20 Prozent.


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Diesen 20-prozentigen Zuschlag nehmen wir jetzt und verteilen ihn auf viele, auf Frauen und Männer. (Bundesrat Spanring: Auf die Medien, genau!) Ich glaube, das macht das Ganze auch gerechter, denn es gibt viele, die eben erwerbslose Zeiten haben und die nicht auf 45 Beitragsjahre kommen (Beifall bei BundesrätInnen der Grünen und bei der ÖVP – Bundesrat Spanring: ... nehmt den einen 300 Euro weg und gebt den anderen 60 Euro dazu! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) – wegen Jobverlust, wegen Unsicherheit am Arbeitsmarkt, wegen Betreuungszeiten, wegen Krankheit, wegen Saisonarbeitslosigkeit, und, und, und, und, und. Auch das alles sind Hacklerinnen und Hackler.

Ich bin froh, dass wir mit dem FrühstarterInnenbonus aus einer abschlagsfreien Früh­pension eine echte Hacklerregelung machen, dass etwas Neues geschaffen wird, das gerechter ist, von dem viele – nämlich fast zehnmal mehr – Menschen profitieren. Es sind Frauen und Männer gleichermaßen, die davon profitieren (Ruf: Ja, wo?), die wir nämlich von Anfang an mit dieser Regelung unterstützen wollen (Bundesrätin Hahn: Wenn jemand ..., wie profitiert der dann davon?): Hacklerinnen und Hackler, die seit ihrer Jugendzeit hackeln. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.18


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte.


19.19.01

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Frau Kollegin Eder, wenn ich Ihnen beim Reden zuhöre, wird mir schlecht. Es wird mir schlecht, es bereitet mir Magenprobleme. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn ich mir Ihr letztes Protokoll anschaue, finde ich: Das ist Zynismus pur! Es ist einzig und allein schäbig, wie Sie mit Menschen, die in diesem Land 45 Jahre lang gearbeitet haben, umgehen und was Sie zu ihnen sagen.

Das sind Nettozahler! Das sind keine Arbeitslosen, bei denen Ersatzzeiten verwendet wurden. Das sind Nettozahler, das heißt, sie zahlen sich ihre Pension selbst, und das ist nicht wenig. (Beifall bei der FPÖ.)

Mir wird weiter schlecht, wenn ich Sie hier im Hohen Haus zu einem Sozialthema reden höre. Das ist soziale Kälte, was Sie aussprechen und ausstrahlen! Das hätte ich mir von Ihnen nicht gedacht: Sie sind im Zivilberuf bei der Arbeiterkammer, Sie sind Arbeit­nehmervertreter und treten Arbeitnehmerinteressen mit Füßen! Sie sind fehl am Platz! (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Das ist so, wie wenn ich als AMS-Mitarbeiterin mich nicht um Arbeitslose scheren würde. (Bundesrat Preineder: ..., Frau Kollegin!) – Nein, mir sind diese Arbeitslosen wichtig, aber Ihnen sind Arbeitnehmer anscheinend nicht wichtig. Schämen Sie sich! Des Weite­ren sitzen Sie als Arbeitnehmervertreterin im Landesvorstand des ÖAAB Vorarlberg. (Bundesrat Preineder: Schämen Sie sich, Frau Kollegin!) Sie sollten Arbeitnehmer­interessen vertreten und vielleicht Interessen von Senioren, die dann kommen! (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo! – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

Ich bin aber Gott sei Dank nicht alleine mit meiner Meinung. Wie hat das geheißen? Der FPÖ ist jedes Mittel recht, um Aufmerksamkeit zu bekommen, die betreiben billige Stimmungsmache, uns Freiheitlichen sei es egal – mitnichten! Ihre Parteikollegin Frau Landesrat Palfrader vom ÖAAB Tirol, ÖVP-Landesrätin, sagt zur Abschaffung der Hacklerregelung: „Das lehne ich absolut ab“, die Argumentation der ÖVP „ist widersinnig und fadenscheinig.“


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Eure Leute sagen das! Ihr Chef, Obmann des ÖAAB Vorarlberg, Landtagsabgeordneter Harald Witwer sagt, das ist „ein komplett falsches Signal.“ Des Weiteren, wir gehen jetzt nach Wien, sagt der FCG-ÖAAB-Fraktionsführer in der Wiener Arbeiterkammer, ÖVP-Mitglied: „die Regierung hat aber keine Skrupel, den ASVG-Versicherten den letzten Euro aus der Tasche zu ziehen“. – Und recht haben sie! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Wenn ich höre, dass der geplante Frühstarterbonus, der anstelle der Hacklerpension kommen soll, mehr Gerechtigkeit bringen wird, löst das bei mir Unverständnis und Kopfschütteln aus. Nein, mir stehen eigentlich die Haare zu Berge. Da wird den Menschen versprochen, dass man ihnen 60 Euro gibt, und im selben Atemzug nimmt man den Menschen 300 Euro. Schämt ihr euch nicht?! Schämt ihr euch wirklich nicht?! Das ist ein Bonusschmäh und wird gar nichts bringen! (Bundesrat Spanring: Das ist ÖVP! – Bundesrat Ofner: ...schmäh!)

Dass euer Gustl Wöginger den Vogel abgeschossen hat, der vor einem Jahr noch gesagt hat: „Wer ein Leben lang gearbeitet hat [...], der darf auch in der Pension nicht der Dumme sein!“, das wisst ihr eh selber. (Heiterkeit des Bundesrates Ofner.)

Aber vielleicht fürs Protokoll: Kollegin Eder hat letztes Mal von einem „Zickzackkurs“ gesprochen. Ich frage mich, ob da nicht die ÖVP einen Zickzackkurs fährt. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ihr könnt heute gerne zeigen, ob euch die Leistungsträger in dieser Gesellschaft etwas wert sind. Wir werden nicht müde werden, die sozial Schwachen in diesem Land zu unterstützen. Ihr macht vielleicht Klientelpolitik, wir Freiheitlichen werden den Antrag aber wieder einbringen, und zwar:

Antrag

der BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser und weiterer Bundesräte

zum Tagesordnungspunkt 24: Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beibehaltung und Adaptierung der ab­schlagsfreien Pensionen mit 540 Beitragsmonaten für alle Berufsgruppen“

Wir stellen einen Antrag, dass das beibehalten wird.

*****

Frau Präsidentin, der Antrag ist gestellt, oder?


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Ja, „die Zustimmung zu erteilen“ ist das Entscheidende.


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): Ich finde es wirklich bitter, dass die ÖVP da die braven Arbeitnehmer, Leistungsträger mit Füßen tritt. Da wurde die Corona­pandemie ausgenutzt. Dass man über die Hintertür das Pensionsalter heraufgeschraubt hat, ist faktisch Pensionsraub. Sie streichen die Hacklerregelung und nehmen Pensions­kürzungen vor, denn die Einführung der einjährigen Wartefrist auf die erste Pensions­erhöhung ist ja de facto eine Pensionskürzung.

Was soll denn das? Immer wieder werden die Jungen und die Alten gegeneinander ausgespielt. Was soll denn das für die jüngere Generation für eine Vorbildwirkung haben, was ihr für Politik macht? Ihr müsst brav arbeiten, und dann kurz vor der Pension heißt es: Älla, bätsch, ihr kriegt nichts, ihr müsst weiterarbeiten, wahrscheinlich bis ihr tot umfallt! – Das kann doch wohl nicht das Signal sein, das die Menschen motiviert, frei­willig, gerne und fleißig zu arbeiten.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 135

Es stimmt auch nicht, dass die 30 Millionen Euro nicht leistbar wären. 30 Millionen Euro oder 40 Millionen Euro für die Hacklerpension sind für euch nicht leistbar, aber was ist mit den 210 Millionen Euro für eure PR-Gags, für eure Werbung, für euer Marketing? Dafür habt ihr Geld genug, aber für die arbeitende Bevölkerung habt ihr kein Geld! (Bundesrat Steiner: Das ist ein Skandal!)

Eure Politikerbezüge habt ihr auch noch erhöhen lassen, das ist ein Wahnsinn! Die Leute, die gearbeitet haben - - (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) – Ich verzichte gern darauf. Ich gebe es lieber den Leuten, die es wirklich bitter benötigen. (Bundesrat Köck: So wie Strache!) – Ja, ja.

Ich finde es einfach schäbig – und ich habe es letztes Mal schon gesagt –, dass da der Grundsatz gilt: Quod licet Iovi, non licet bovi. Für alle, die es nicht verstehen: Was dem Jupiter erlaubt ist, ist einem Ochsen noch lange nicht erlaubt. Wer nun Jupiter und wer der Ochse ist, könnt ihr euch aussuchen. Jedenfalls ist das, was die Grünen und die ÖVP betreiben, für mich keine Sozialpolitik, sondern eine Asozialpolitik.

Ich habe vorhin schon gesagt, dass man die Alten und die Jungen nicht gegeneinander ausspielen sollte. Wir haben heute schon vom Problem Jugendarbeitslosigkeit gehört. Pro jedem Arbeitnehmer, den man, sagen wir, verdientermaßen abschlagsfrei in Pension schicken kann, wird ein Arbeitsplatz für einen jungen Menschen frei, und es wäre wohl logisch und gut, wenn wir das so machen könnten. Diese Menschen haben sich ihre Pension durch Steuerzahlungen selbst verdient. Geben wir ihnen diese Chance! Wir Freiheitliche tun es auf jeden Fall, und soweit mir signalisiert wurde, haben wir da mehrfache Unterstützung.

Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Gebt eurem sozialen Gewissen, das ihr wahrscheinlich nicht habt, einen Stoß! – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundes­rätInnen der SPÖ.)


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Frau Kollegin, bitte bleiben Sie noch am RednerInnenpult! Sie müssen den Beschlusstext verlesen, nämlich mit der Formulie­rung: gemäß § 43 Abs. 1 dem gegenständlichen Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen. Lesen Sie diesen letzten Satz bitte vollständig vor, damit ich Ihren Antrag in Verhandlung nehmen kann!


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): „Die unterzeichneten Bundesrätin­nen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, dem gegenständ­lichen Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen.“

*****

Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ.)

19.28

19.28.32


Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Der von den BundesrätInnen Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung ein­gebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand, dem gegenständlichen Entschließungs­antrag die Zustimmung zu erteilen, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Liegen noch weitere Wortmeldungen vor? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein beziehungsweise bleiben Sie bitte auf Ihren Plätzen.


BundesratStenographisches Protokoll916. Sitzung, 916. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2020 / Seite 136

Es liegt hiezu ein Antrag der BundesrätInnen Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, dem gegenständlichen Entschließungs­antrag 282/A(E)-BR/2020 die Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dieser Antrag bleibt in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

19.29.32Einlauf

Ich gebe bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung ins­ge­samt eine Anfrage, nämlich 3817/J-BR/2020, eingebracht wurde.

*****

 

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates ist bereits auf schriftlichem Wege erfolgt. Als Sitzungstermin ist morgen, Donnerstag, der 17. Dezember 2020, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend! Kommen Sie gut nach Hause oder ins Hotel!

Die Sitzung ist geschlossen.

19.30.05Schluss der Sitzung: 19.30 Uhr

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