Titel: Österreichisches Parlament

Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

909. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Juli 2020

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

909. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Juli 2020

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Juli 2020: 9.01 – 15.06 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird, und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz)

2. Punkt: Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschussgesetz)

3. Punkt: Änderung des Bundesgesetzes über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona-COVID-19-Pandemie

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird

6. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien (276/A(E)-BR/2020)

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Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache der Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ............................ 6

Erklärung des Landeshauptmannes von Salzburg Dr. Wilfried Haslauer gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Stabilität und Zusammenhalt!“ – Bekanntgabe ..................................................... 9

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ........................ 9

Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer .................................................................... 9

Debatte:

Silvester Gfrerer ...................................................................................................... ..... 13

Michael Wanner ...................................................................................................... ..... 15

Marlies Steiner-Wieser ........................................................................................... ..... 18


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Claudia Hauschildt-Buschberger .......................................................................... ..... 21

Verlangen auf Durchführung einer Besprechung der schriftlichen Anfrage­beant­wortung 3486/AB-BR/2020 gemäß § 60 Abs. 2 GO-BR ............................................................................. 42

Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 gemäß § 60 Abs. 5 GO-BR ......................................................................................................................................... 83

RednerInnen:

Dominik Reisinger .................................................................................................. ..... 83

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ......................................................... ..... 86

Otto Auer ....................................................................................................................... 87

Josef Ofner .................................................................................................................... 88

Andreas Lackner .......................................................................................................... 91

Günther Novak ........................................................................................................ ..... 91

Karl Bader ................................................................................................................ ..... 93

Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Nicht­­kenntnisnahme der Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 – Annahme ............................................  85, 94

Antrag der BundesrätInnen Otto Auer, Andreas Lackner, Kolleginnen und Kol­legen auf Kenntnisnahme der Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 – Abstim­mung erübrigt sich            88, 94

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung durch Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................ 94

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls .................................. 95

Aktuelle Stunde (77.)

Thema: „Auswirkungen der Coronakrise auf die österreichische Außen­poli­tik“                     22

RednerInnen:

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ..... 22

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 24

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 26

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 28

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 31

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ....................................... ..... 31

Mag. Christian Buchmann ..................................................................................... ..... 35

Mag. Elisabeth Grossmann ................................................................................... ..... 37

Christoph Steiner .................................................................................................... ..... 38

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross .......................................................................................... ..... 39

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ........................................................................... 41

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 40

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine


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Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird, und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz ge­än­dert wird (22. COVID-19-Gesetz) (589/A und 218 d.B. sowie 10350/BR d.B. und 10356/BR d.B.) ............................................................................... 42

Berichterstatter: Marco Schreuder ............................................................................... 42

RednerInnen:

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 42

Klara Neurauter ....................................................................................................... ..... 43

Eva Prischl ............................................................................................................... ..... 45

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................. ..... 47

Korinna Schumann (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 49

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ..................................................................  49, 53

Rudolf Kaske ................................................................................................................ 50

Mag. Reinhard Pisec, BA MA (tatsächliche Berichtigung) .......................................... 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 54

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundes­gesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschussgesetz) (605/A und 228 d.B. sowie 10351/BR d.B. und 10357/BR d.B.) ............................................... 54

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................... 54

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend Änderung des Bundesgesetzes über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnell­masken während der Corona-COVID-19-Pandemie (620/A und 229 d.B. sowie 10358/BR d.B.) ................................................. 54

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................... 54

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (622/A und 230 d.B. sowie 10359/BR d.B.) ....... 54

Berichterstatter: Dr. Peter Raggl ................................................................................... 54

RednerInnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ................................................................................. ..... 55

Ernest Schwindsackl .............................................................................................. ..... 57

Ingo Appé ................................................................................................................ ..... 59

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 59

Dr. Karlheinz Kornhäusl ......................................................................................... ..... 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 61


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5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. Juni 2020 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (722/A und 242 d.B. sowie 10361/BR d.B. und 10362/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 61

Berichterstatter: Otto Auer ............................................................................................ 62

RednerInnen:

Elisabeth Mattersberger ......................................................................................... ..... 62

Andrea Kahofer ....................................................................................................... ..... 64

Mag. Bernd Saurer .................................................................................................. ..... 66

Andreas Lackner ..................................................................................................... ..... 68

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .......................................................................... ..... 69

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ......................................................... ..... 71

Günter Kovacs ........................................................................................................ ..... 73

Thomas Dim ............................................................................................................ ..... 75

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Steuerbegünstigungen für Amazon, Starbucks und Co“ – Annahme (307/E-BR/2020)       65, 76

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „generelle Halbierung des Umsatzsteuersatzes“ – Ableh­nung .............  67, 76

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Fe­rienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefallfonds“ – Annahme (308/E-BR/2020) .................................................................................................................  67, 76

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Preiserhöhung durch USt-Begünstigung per 1.1.2021“ – Annahme (309/E-BR/2020)         75, 76

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ........................................................................................ 76

6. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien (276/A(E)-BR/2020 sowie 10360/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 76

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .................................................. 76

RednerInnen:

Ing. Eduard Köck .......................................................................................................... 77

Ingo Appé ...................................................................................................................... 78

Josef Ofner .................................................................................................................... 80

Andreas Lackner .......................................................................................................... 82

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, die dem schriftlichen Ausschuss­bericht 10360/BR d.B. beigedruckte Entschließung betreffend „Schutz der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien“ anzunehmen (310/E-BR/2020) ...................................................................................... 82

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

Michael Bernard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend EUROHERC (3782/J-BR/2020)


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Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Fernbleiben steirischer Schüler vom Unterricht aufgrund COVID-19 (3783/J-BR/2020)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Fernbleiben der Schüler und Schülerinnen vom Unterricht aufgrund COVID-19 in Vorarlberg (3784/J-BR/2020)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Fernbleiben Tiroler Schüler und Schülerinnen vom Unterricht aufgrund COVID-19 (3785/J-BR/2020)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise (3486/AB-BR/2020 zu 3760/J-BR/2020)

 

 

 

 


 


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09.01.04 Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Vizepräsident Mag. Christian Buchmann, Vizepräsident Michael Wanner.

09.01.35 *****


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Einen schönen guten Morgen, liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich eröffne die 909. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 908. Sitzung des Bundesrates vom 24. Juni 2020 sind aufgelegen, wurden nicht beanstandet und gelten daher als ge­nehmigt.

Als verhindert gemeldet ist heute kein Mitglied des Bundesrates. Wir sind also voll­zählig.

Bevor ich nun meine Antrittsrede halten werde, darf ich sehr herzlich unseren Landes­hauptmann von Salzburg, Dr. Wilfried Haslauer, hier bei uns im Bundesrat begrüßen (allgemeiner Beifall); ebenso oben auf der Galerie einen lieben, lieben Freund des Bundesrates, unseren Präsidenten a.D. Edgar Mayer. (Allgemeiner Beifall.)

09.02.29 Antrittsansprache der Präsidentin


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen zu Hause! Wir Salzburgerinnen und Salzburger verlieren keine Zeit, wenn uns etwas wirklich wichtig ist. Gestern, am 1.7., übernahm das Land Salzburg den Vorsitz hier im Bundesrat – das Wappen des Landes ist angebracht –, und heute darf ich bereits meine Antrittsrede als Bundesratspräsidentin halten.

Zum Auftakt haben wir für gestern Abend – coronabedingt natürlich mit eingeschränkter Gästezahl, dafür bitte ich nochmals um Verständnis – junge Künstlerinnen und Künstler der Salzburger Festspiele eingeladen. Es war wirklich ein famoser Abend. Ich glaube, alle, die dabei waren, haben das sehr genossen, dass wir Kunst wirklich wieder einmal live hören konnten. Es war uns nämlich sehr, sehr wichtig, gerade in Zeiten wie diesen, jungen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit eines Auftritts zu geben und somit etwas für diese jungen Menschen zu tun. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Beginn bedanke ich mich bei dir, lieber Herr Landeshauptmann, und den Man­datarinnen und Mandataren des Salzburger Landtages für das Vertrauen, mich mit die­sem Amt zu betrauen, und ich bedanke mich natürlich beim scheidenden Präsidenten Robert Seeber sehr herzlich für seine Präsidentschaft. (Allgemeiner Beifall.)

Lieber Robert, deine Präsidentschaft war wirklich eine ganz besondere, geprägt von den Maßnahmen gegen die Coronapandemie. Das war eine herausfordernde Zeit, in der sich der Bundesrat unter deinem Vorsitz als verlässliche Stütze unseres parlamentarischen Systems bewährt hat. Wir hatten neun Sitzungen, sehr außergewöhnlich auch am Samstag und am Sonntag, und wir haben das wirklich gemeinsam sehr, sehr gut be­wältigt. – Vielen Dank, lieber Robert, dass du die Länderkammer so sicher durch diese unsichere Zeit geführt hast! Als kleines Dankeschön möchten wir dir ein Salzburger Schmankerlpaket überreichen, damit du dich jetzt ein bisschen erholen und genießen kannst. (Allgemeiner Beifall. – Eine Mitarbeiterin überreicht Bundesrat Seeber ein großes Geschenkpaket aus Holz. – Bundesrat Seeber: Danke! – Bundesrat Steiner: Teilen!)


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Meine Präsidentschaft wird natürlich auch von Corona beeinflusst werden, wenn es auch derzeit danach aussieht, dass wir die geplanten Veranstaltungen, wie etwa die Enquete oder die Veranstaltung „Bundesrat im Bundesland“, durchführen können werden.

Das Motto meiner Präsidentschaft hat sich den neuen Gegebenheiten angepasst. Das Leitthema ist weiterhin der Masterplan ländlicher Raum. Der Salzburger Schwerpunkt wird dabei nicht nur in dem Bereich Kunst und Kultur liegen, sondern in der Kultur des Miteinanders.

Theodor Heuss, der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, hat in Sachen Politik und Kultur gesagt: „Mit Politik kann man keine Kultur machen, aber vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.“ – Genau das möchte ich in den nächsten sechs Monaten versuchen. Die Kultur des Miteinanders unter den Bürgerinnen und Bürgern, das gemeinsame Anpacken zum Überwinden der durch Corona verursachten Krise werden uns nämlich durch diese schwierige Zeit führen; davon bin ich zutiefst überzeugt.

Die Förderung der Regionalisierung ist daher für mich ein Gebot der Stunde, denn die letzten Monate der Coronakrise haben gezeigt: In den Gemeinden vor Ort weiß man am besten, wie die Probleme ihrer Bürgerinnen und Bürger zu lösen sind. Subsidiarität funktioniert also bis in die unterste Ebene. Wir haben von tollen Gemeinschaften gehört, von Aktionen in den Nachbarschaften, von Hilfe von Jung und Alt. Es war wirklich beeindruckend.

Homeoffice, Telearbeitsplätze sind effizient, gerade diese bieten vermehrt Chancen für Beschäftigte in den ländlichen Regionen.

Der Bezug von Lebensmitteln beim Nahversorger bringt neben Klimaschutz auch höhere Versorgungssicherheit. Ich würde mir wünschen, dass wir diesen Hype, den wir gehabt haben, beim Händler nebenan einzukaufen, beim Gemüsebauern einzukaufen, auch weiter beibehalten und dass auch für die Kasernen künftig wieder lokal eingekauft wird. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Salzburg hat in Bezug auf die Regionalisierung bereits Wegmarken gesetzt und treibt sie auch schon voran. Erstmals in der Geschichte der Landesverwaltung werden suk­zessive in größerem Umfang über 200 Arbeitsplätze des Landes Salzburg in die Bezirke verlegt; zum Beispiel – schon in Arbeit – das Landesabgabenamt nach Tamsweg, und die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung wird von der Stadt nach Seekirchen verlagert. Auch da gibt es schon sehr detaillierte Pläne, und es ist in Umsetzung.

Diesen Weg, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir weitergehen, weil Dezentralisierung ein starker Motor für sozialen Wandel ist. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Die Ansiedelung von Bundes- und Landeseinrichtungen in Regionen ist ein wirksames Instrument der Strukturpolitik. Dezentralisierung der Verwaltung stärkt die regionale Innovationsfähigkeit und steigert die Effizienz. Ich möchte da auch die kulturellen Ein­richtungen inkludieren. Unser Landeshauptmann hat sich bereits für die Errichtung eines Bundesfotomuseums in Salzburg engagiert; dieses Vorhaben ist nur zu unterstützen.

Wir haben im Dezember 2019 hier im Bundesrat einen Gesetzesantrag zur Dezen­tra­lisierung der Verwaltungsbehörden des Bundes beschlossen. Ich appelliere an die Ver­antwortlichen, dass diese Initiative auch im Nationalrat weiterverfolgt wird und am Ende ein Gesetz steht, das den ländlichen Raum nachhaltig zum Besseren verändert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben gehört, dass der ländliche Raum jährlich mehrere Tausend gut ausgebildete Personen pro Jahr an die großstädtischen Gebiete verliert. Gerade die Abwanderung


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von jungen Frauen macht mir da sehr, sehr große Sorgen, weil sich das natürlich auf das Sozial- und Wirtschaftsgefüge im ländlichen Raum besonders negativ auswirkt. Ich werde mich deshalb dafür einsetzen, Frauen generell zu fördern. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Das beginnt bei der Ausbildung – gerade Mädchen für Mint-Fächer zu begeistern wäre ein möglicher Weg –, führt zur weiteren Verbesserung der Kinder­be­treuungseinrichtungen und endet bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

Auch das Thema Frauenpension muss mitbehandelt werden. Da gibt es noch viel zu tun, zumal die Nutzung von Netzwerken noch immer eine männliche Domäne ist, was besonders bei Berufsmöglichkeiten und Vorzugsstimmenwahlkämpfen zum Tragen kommt. Ich begrüße deshalb das Reißverschlusssystem bei Wahllisten und eine Quo­tenregelung. Wer Frauen fördern will, muss sich auch dazu bekennen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich möchte das Augenmerk auch auf die ältere Bevölkerung richten, ob sie nun auf dem Land oder in städtischen Gebieten beheimatet ist. Meine Vorgängerin Sonja Ledl-Rossmann hat sich bereits 2017 in einer Enquete im Bundesrat mit der Zukunft der Pflege auseinandergesetzt. Dieses Thema ist aber längst noch nicht erledigt und wird hier im Herbst weiter behandelt. Auch da war Salzburg mit seiner Pflegeplattform Vorreiter. 74 Millionen Euro werden in den Bereich Pflege und Betreuung investiert oder sind schon auf dem Weg. Eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, eine weitere Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für pflegende Angehörige und ein Pflegebonus wären aus meiner Sicht weitere Schritte, um dieses wichtige Thema einer Lösung zuzuführen.

Das ländliche Miteinander wird wesentlich von der lokalen Kultur und dem Ehrenamt geprägt und gefördert. Von der dörflichen Blasmusik, den Brauchtumsgruppen, den Chören und den Galerien bis zum international geschätzten Opern- und Theaterfestival, von den Rettungsorganisationen und den Feuerwehren zu den Sportvereinen und den Jugend- und Seniorengemeinschaften – die Aufzählung ist natürlich nicht vollständig – bietet der ländliche Raum auch für die Stadtbevölkerung diesen Ort des Miteinanders.

Das Ehrenamt gibt gerade jenen, die in Pension gehen, die besten Möglichkeiten, weiterhin eine tragende Säule der Gesellschaft zu bleiben, in eine Gesellschaft ein­gegliedert zu werden, geistig und körperlich fit zu bleiben und ihr Leben weiterhin sinnvoll auszufüllen. Wir müssen also jene, die bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren, fördern. In Salzburg gibt es bereits eine Landesstelle zur Unterstützung dieses Ehren­amts. Eine steuerliche Anerkennung ehrenamtlicher Tätigkeit wäre zudem ein deutliches Zeichen für mehr Fairness gegenüber jenen, die etwas für das Gemeinwohl tun.

Welche tragende Rolle das Miteinander jetzt und in Zukunft einnimmt, wollen wir im Rahmen einer Enquete – hoffentlich dann wieder möglich – am 4. November näher beleuchten. Dort werden wir uns mit der Kultur des Miteinanders in vielerlei Aspekten auseinandersetzen. Wir werden hören und darüber diskutieren, wie Zusammenarbeit auf nationaler und auf europäischer Ebene funktioniert und wie die Coronapandemie das Miteinander im Bildungswesen, in Kunst, Kultur, in Politik und Wirtschaft verändert hat und möglicherweise noch verändern wird.

Am 15. September möchte ich Sie alle nach Salzburg einladen, wo wir gemeinsam mit der Präsidentin des Salzburger Landtages und dem Salzburger Landtag zum Thema „Bundesrat im Bundesland“ zusammenkommen wollen.

Die nächsten sechs Monate werden auch von verschiedenen Jubiläen geprägt: 100 Jahre des Bestehens unserer Bundesverfassung möchte ich zum Anlass nehmen, um eine Diskussion darüber zu führen, wie Frauen die nächsten 100 Jahre unsere Geschichte prägen können. Im Oktober wird auch die Bundesversammlung zu diesem Jubiläum zusammenkommen. Auch unser Bundesrat wird 100 Jahre alt. Es wird einen Festakt mit


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einer Buchpräsentation im Dezember geben. Im Dezember werden wir – Bundesrat und Nationalrat – auch in einer gemeinsamen Sitzung des 75-jährigen Jubiläums der Re­publik gedenken.

Die Termine sind schon bekannt gegeben worden, und ich bitte euch wirklich um Teilnahme, sodass, wenn möglich, dann viele, viele Bundesrätinnen und Bundesräte bei diesen Veranstaltungen dabei sein werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die nächsten sechs Monate werden uns alle vor wirklich große Herausforderungen stellen. Wir wissen noch nicht, wie sich die gesundheitliche und wirtschaftliche Lage im Herbst entwickeln wird, aber wir wissen natürlich, dass der Herbst und auch die Zeit danach im wirtschaftlichen Bereich noch viele, viele An­strengungen von uns erfordert.

Damit schließt sich für mich nun der Kreis der Kultur des Miteinanders. Wenn wir Bundesrätinnen und Bundesräte miteinander diese Herausforderungen angehen, dann werden wir sie auch meistern.

Der Bundesrat wird nicht umsonst neben Europakammer auch Zukunftskammer ge­nannt. Themen wie Digitalisierung, Pflege, Schutz des Trinkwassers oder jetzt die Zukunft des ländlichen Raums haben uns schon beschäftigt, bevor andere darauf auf­merksam geworden sind. Darauf, dass wir immer abseits der Tagespolitik die Auf­merksamkeit auf Zukunftsthemen legen, die später in der einen oder anderen Form Eingang in Regierungs- oder Wahlprogramme oder in Gesetze, die dann beschlossen werden, finden, dürfen wir wirklich stolz sein. Das gelingt uns nur, weil wir hier im Bundesrat das Miteinander hochhalten. Um dieses Miteinander möchte ich Sie für die nächsten sechs Monate bitten.

Ich wünsche mir, dass wir den Parlamentarismus hier in diesem Hohen Haus sachlich, kritisch, inhaltlich fundiert und lebendig leben – mit gegenseitiger Wertschätzung und Respekt für die Meinung der anderen. Nutzen wir diese Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, um den Bundesrat weiterhin als aktive Länderkammer zu präsentieren und eine innovative Kraft im Hohen Haus zu sein! – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

09.16.02 Erklärung des Landeshauptmannes von Salzburg zum Thema „Stabilität und Zusammenhalt!“


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich begrüße nochmals Herrn Landes­hauptmann Dr. Wilfried Haslauer sehr herzlich und gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung zum Thema „Stabilität und Zusammenhalt!“ gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates abzugeben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 GO-BR vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshauptmann von Salzburg abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Landeshauptmann von Salzburg zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.


9.16.54

Landeshauptmann von Salzburg Dr. Wilfried Haslauer: Sehr geschätzte Frau Prä­sidentin, liebe Andrea! Hoher Bundesrat! Ich bedanke mich für die Möglichkeit, hier in diesem prachtvollen Raum, in dem der Nationalrat und der Bundesrat als sichtbares Zeichen sowohl der Bundesinteressen als auch der föderalen Interessen tagen, vor Ihnen zu sprechen.


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Die letzten dreieinhalb Monate haben uns alle extrem gefordert. Über Nacht war das Leben auf einmal ganz anders. Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, es sind aber nur dreieinhalb Monate. Es war vor dreieinhalb Monaten, als überraschend die Betriebe schließen mussten, Leute arbeitslos wurden, in Kurzarbeit gegangen sind. Es war eine Zeit, in der wir Angehörige in Seniorenwohnheimen nicht besuchen konnten, in der wir uns von Verstorbenen nicht verabschieden konnten – ein Riesenproblem: Es gibt ja Generationen auf dem Land, die zum Teil noch sechs, sieben Kinder haben, und wenn es dann bei Begräbnissen Beschränkungen bei Teilnehmerzahlen gibt, sind das enorme psychische Belastungen für eine Gesellschaft. Die Sorge um die wirtschaftliche Ent­wicklung, um die Arbeitsplätze: Ich gebe Ihnen Salzburg als Beispiel: Fast 60 Prozent aller unselbständig Beschäftigten – 60 Prozent! – sind arbeitslos oder in Kurzarbeit. Es war also eine dramatische Situation, in der wir uns in den letzten dreieinhalb Monaten befunden haben.

Ich möchte hier ausdrücklich Dank an die Bundesregierung erstatten: dafür, dass mit entschlossenen Maßnahmen – in virologischer Hinsicht entschlossenen Maßnahmen –, aber auch mit ökonomisch sinnvollen Maßnahmen versucht wird, Arbeitsplätze zu hal­ten, Sicherheit zu geben, die Pandemie, die Epidemie zu bekämpfen – und ich meine: mit gutem Erfolg.

Die Zukunft ist ungewiss. Das Eis, auf dem wir uns bewegen, ist brüchig, und das Gefäß, in dem wir uns all die Jahre so sicher gefühlt haben, hat Sprünge bekommen.

Vor 100 Jahren war die Zukunft aber auch ungewiss – ungleich ungewisser als heute. Ein über Jahrhunderte aufgebauter Vielvölkerstaat zerbrach in wenigen Wochen am Ende eines Krieges. Ein ausgeblutetes Land, das der Rest eines großen Reiches war, wusste nichts mit sich anzufangen, hat nicht an sich geglaubt, hat keine Erfahrung mit Demokratie, mit der Republik gehabt, hat keine Option für die Zukunft gehabt. Zu dieser Zeit – vor 100 Jahren – sind zwei entscheidende Dinge passiert, die genau zu dem Thema, das ich mir für den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz vorgenommen habe – Stabilität und Zuversicht –, passen.

Ich komme zur Stabilität: die Bundesverfassung. Für dieses Haus, für den Bundesrat, möchte ich das besonders in den Vordergrund rücken.

Am 22.10.1918 haben sich im Niederösterreichischen Landhaus die Landeshauptleute und Landesausschüsse aller Bundesländer – mit Ausnahme von Wien und Burgenland – getroffen, um die künftige Entwicklung des Reststaates zu erörtern. Am 30.10.1918 wurde von der Provisorischen Nationalversammlung vom Balkon des Niederöster­reichi­schen Landhauses aus die Republik ausgerufen. Es wurde das Staatsgesetzblatt Nr. 1 über die grundlegenden Regelungen des Staates und der Bruch der Verfassungs­kontinuität – der Bruch mit der Dezemberverfassung von 1867 – verlautbart. Für eine kurze Zeit von zwölf Tagen, nämlich bis zum 12.11.1918, bestanden auf dem Staats­gebiet Österreichs zwei Staaten: das alte Kaiserreich und die neu ausgerufene Republik Deutschösterreich. Wenige Tage später haben alle Bundesländer – auch Salzburg – begonnen, sich in den provisorischen Landesversammlungen als eigenständige Provinzen zu erklären und den Beitritt zur Republik Deutschösterreich zu beschließen. Am 12.11.1918 wurde von der Rampe des Parlaments aus die Republik ausgerufen. Die ersten Schüsse fielen, die ersten Toten waren zu beklagen – ein denkbar schlechter Start.

Doch die junge Republik ging mit Verve an die Arbeit. Viele Sozialreformen wurden durchgeführt. Es ist erstaunlich, wenn man das im Rückblick betrachtet, was da alles geleistet wurde. Am 1.10.1920 wurde die von Hans Kelsen geschaffene Bundes­ver­fassung beschlossen – Ergebnis eines zähen Ringens zwischen Zentralisten und Föderalisten, ein guter Ausgleich, der 1929 nochmals nachgeschärft wurde. Damals war


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eine zentralistisch-autoritäre Tendenz in ganz Europa zu sehen. Die Rechte des Bun­despräsidenten wurden massiv gestärkt, es wurde ihm der Oberbefehl über das Bundesheer und die Möglichkeit gegeben, Regierungen einzusetzen, das Parlament aufzulösen, auch mit Notverordnung zu regieren. Die Macht der Bundespolizei wurde durch die Sicherheitsdirektionen auch in den Ländern ausgebaut.

Das ist jene Verfassung, die 1933 bei der sogenannten Selbstausschaltung des Par­laments gegolten hat, die aber auch 2019 im Zuge der Ihnen bestens bekannten Vorgänge mit dem Sturz der Regierung und den anschließenden Neuwahlen gegolten hat – unsere schöne Verfassung, wie das der Herr Bundespräsident zum Ausdruck gebracht hat.

Stabilität ist immer auch eine Frage der Rechtsstaatlichkeit. Die Rechtsstaatlichkeit ist der eiserne Anker, an dem wir nicht rütteln dürfen. Die kluge Verteilung des Anteils an der Staatsgewalt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist ein ständiges Austarieren der Möglichkeiten, aber auch der übertragenen Aufgaben, die deckungsgleich zu schal­ten sind.

In eben diesem Jahr 1920, vor 100 Jahren, war die Situation dramatisch. In Salzburg gab es eine derartige Armut und einen derartigen Hunger, dass Touristen das Stadt­gebiet nicht betreten durften, weil nicht genug Lebensmittel vorhanden waren, um die eigene Bevölkerung zu ernähren. Es kam zu Hungerdemonstrationen. Der Landes­hauptmann hat dem Bundespräsidenten telegrafiert, er möge doch einige Waggons Getreide schicken, er könne sonst die Aufrechterhaltung von Recht, Sicherheit und Ordnung nicht gewährleisten.

In dieser dramatischen Situation kamen einige Männer zusammen und haben die Salzburger Festspiele gegründet. Was für Visionäre! Was für eine große intellektuelle und beherzte Tat, genau in dieser Zeit das Völkerverbindende zu suchen, nicht nur an das Notwendige, an das Nützliche zu denken, sondern darüber hinaus an die Seele, an die Kultur, an all das, was uns Menschen ausmacht, an die großen Fragen des Lebens, die im Theater, in der Oper und im Konzert verhandelt werden! Das, meine Damen und Herren, hat dazu geführt, dass Kunst und Kultur der globale Leuchtturm für Österreich sind. Da sind wir wirklich Weltmeister, dafür stehen wir. Das ist eine Stärke, um die wir uns auch bemühen müssen, um die wir kämpfen müssen.

Gerade in den letzten Monaten haben auch viele Kunstschaffende, Kulturschaffende und viele Veranstalter die Existenzgrundlage verloren, daher ist es auch im Sinne unserer Tradition, aber darüber hinaus von essenzieller Bedeutung, dass wir Kunst und Kultur wieder ermöglichen. Ich bin daher sehr glücklich, dass wir auch Salzburger Festspiele in modifizierter Form, in kleinerer Form – nicht in der gewohnten Größe, aber nach wie vor mit einem hohen Qualitätsanspruch – durchführen können, um einfach zu zeigen: Wir sind da!, um die Resilienz von Kultur, von Kunst, aber auch von Lebensfreude zu schaffen, denn wir werden nicht zurückkommen, wenn wir nicht zuversichtlich sind, und Zuversicht hat immer mit Freude zu tun, mit Lebensfreude, mit Zusammensein, damit, sich großen Ereignissen hinzugeben. Da ist die Kultur etwas, was unser Leben anreichert und bereichert. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich habe mich daher entschlossen, den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz unter das Motto Stabilität und Zuversicht zu stellen.

Wir haben eine Gratwanderung vor uns: Was lassen wir zu, was lassen wir nicht zu? Da wir die Zukunft nicht vorhersehen können, da wir nicht wissen, welche Cluster wo wann ausbrechen, müssen wir sehr vorsichtig sein, das ist klar, aber wir werden einen zweiten Shutdown nicht aushalten. Das muss uns allen klar sein, denn dann wären wir wirklich auf Dauer schwerst beschädigt. Es ist daher wichtig, dass wir uns mit aller Kraft be­mühen, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, mit diesem Virus, bis entsprechende


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Impfmöglichkeiten zur Verfügung stehen, zu leben und organisatorisch auch die Maß­nahmen zu treffen, das Virus in den Griff zu bekommen und trotzdem wieder für Arbeit zu sorgen, Arbeit zu schaffen und ein Leben zu ermöglichen.

Viele Aufgaben liegen vor uns. Es ist ja nicht nur die Covid-Krise, da haben die Länder natürlich ihre Interessen. Wir haben wichtige Forderungen einzubringen, zum Beispiel die Screeningregister: Wenn wir flächendeckende Tests im Tourismus machen – was eine sinnvolle Maßnahme ist –, dann brauchen wir auch die Screeningregister, damit die Dinge entsprechend eingetragen werden.

Die Frage der Entschädigungszahlungen nach § 32 Epidemiegesetz: Tausende Anträge sind unerledigt, weil wir noch nicht wissen, wie die Entschädigungen sozusagen bundeseinheitlich ausbezahlt werden können.

Die Frage der Verteilung der Kosten: Die Streiterei mit dem Bund kommt jetzt auf uns zu, das muss uns klar sein. Der nationale Schulterschluss, den es gegeben hat, wird so auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten sein. Letztlich geht es dann immer um Verteilungs­fragen, um Geldfragen. Viele andere Themen mehr werden uns noch massiv belasten.

Dazu kommt das Übliche, wenn ich so sagen soll: das Programm, das sich auch Thomas Stelzer, mein Vorgänger als Vorsitzender, zu Beginn des Jahres 2020 vorgenommen hat und das von der Covid-Krise völlig überschattet wurde. Das Thema Pflege, das Thema des Finanzausgleichs: Wie gehen wir damit um? Da geht es ja auch um die Gemeinden. Das Thema Investitionen in den Ländern im Zusammenhang mit dem Klimaschutz: Das ist eine Riesenchance für die Länder, auch ihre Infrastruktur, ihre Verkehrsinfrastruktur, zum Beispiel im Bereich des öffentlichen Verkehrs, weiter auszubauen.

Meine Damen und Herren! Mir wird da mit Sicherheit nicht fad werden. Die großen Herausforderungen sind, Beschäftigung zu schaffen, wieder in eine günstige Beschäf­tigungssituation zu kommen und auch Stabilität in der Erwartungshaltung unserer Be­völkerung zu bekommen. Wenn man arbeitslos oder in Kurzarbeit ist, wenn man nicht weiß, ob der Betrieb überleben wird, dann wird man auch nichts konsumieren, dann ist das Leben einfach von Unsicherheit überschattet. Die Leute wollen in ihrer tagtäglichen Erwartungshaltung Stabilität haben, Sicherheit haben.

Das wird die größte gemeinsame Aufgabe. Ich bitte Sie, bei allen unterschiedlichen Parteiinteressen, bei allem Bemühen, auch sozusagen fraktionell mit eigenen Ideen sichtbar zu werden, bei aller wechselseitigen Kritik an Positionen, an den Regierungen, an was auch immer, diese gemeinsame Brücke nicht zu verlieren!

Ich halte es für das Allerentscheidendste, letztlich immer noch für die gemeinsame Sache einzustehen, für die Menschen in unserem Land für Arbeit zu sorgen, mit dem Thema Klimaschutz, mit der technologischen Änderung umzugehen, international wett­bewerbsfähig zu bleiben und auch, wie die Präsidentin sagt, eine Kultur des Mit­einanders nicht zu vergessen.

Karl Kraus hat einmal gesagt: „Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Ge­dankens.“ – Achten wir auf unsere Sprache, darauf, wie wir miteinander umgehen! Das hat auch in der Politik einen unmittelbaren Niederschlag auf die Akzeptanz eines Staates und eines Rechtssystems in der Bevölkerung. Darauf möchte ich sehr intensiv hin­weisen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die österreichischen Bundesländer sehen sich nicht als Gegner des Bundes, sondern als Partner des Bundes zur gemeinsamen Bewältigung der gesamtstaatlichen Interessen von Gemeinden, Ländern und Bund. Nur mit diesem Zusammenhalt, nur mit dieser Gemeinsamkeit können wir in einer heraus­fordernden Zeit für Stabilität, aber auch für Zuversicht sorgen – für die Zuversicht, dass die Regierenden, egal auf welcher Ebene sie tätig sind, die Dinge schon in den Griff


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bekommen, und dass eine aktive Opposition ein genaues Auge darauf hat, was passiert und wie es passiert.

Ich möchte mich beim scheidenden Bundesratspräsidenten Seeber sehr bedanken. Herzlichen Dank für deine Bemühungen, deine aktive Tätigkeit! Ich wünsche dir, liebe Andrea, als neue Präsidentin des Bundesrates für dieses fordernde halbe Jahr, das vor uns steht, alles erdenklich Gute, eine gute Hand und viel Unterstützung aus dem Bundesrat!

Ich möchte mit einem Zitat von Bertolt Brecht schließen, der einmal gesagt hat: Wir haben die Mühe des Anstieges hinter uns und die Mühe der Ebene noch vor uns. – Zitatende. Mit einer guten Kultur des Miteinanders, mit Stabilität und Zuversicht werden wir diese Mühen gemeinsam gut bewältigen. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

9.32


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann von Salzburg für seine Ausführungen. (Landeshauptmann Haslauer überreicht der Präsidentin einen Blumenstrauß.) – Das ist aber sehr nett, danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


9.33.12

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Liebe Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich darf eingangs ein paar Dankesworte im Namen des Fraktionsvorsitzenden Karl Bader und unserer Fraktion aussprechen. Zuerst gratulieren wir dir, liebe Frau Präsidentin, liebe Andrea, zur Prä­sidentschaft des Bundesrates. Wer gestern beim Festabend dabei war, konnte spüren, wie festlich dieser mit den Künstlerinnen und Künstlern gestaltet wurde. Es war ein guter Tag, ein gutes Fest. Ich wünsche dir, liebe Andrea, dass dir alles gelingen möge, was du dir vorgenommen hast, was du organisiert hast. Es ist eine große Herausforderung, und wir werden dich dabei alle sehr unterstützen. – Herzlichen Glückwunsch! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Ich möchte mich auch bei dir, Herr Landeshauptmann, lieber Wilfried, sehr herzlich dafür bedanken, dass du hier bist und so eine umfangreiche Erklärung abgegeben hast, dass du den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen hast und partner­schaft­lich im Bund mitwirkst, um Politik zu machen, Politik im Positiven, und Zuversicht zu vermitteln. – Herzlichen Glückwunsch dazu und natürlich auch alles, alles Gute für den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Natürlich möchte ich auch dem scheidenden Bundesratspräsidenten Robert Seeber im Namen der Fraktion sehr herzlich für seine Führung im Bundesrat danken. Wenn man Anfang Jänner vermutet hätte, dass sich die Situation so entwickelt, wie sie sich entwickelt hat, hätte das keiner geglaubt. Du hast auch viel vorbereitet und organisiert, vieles ist dann abgesagt worden. Dafür haben wesentlich mehr Sitzungen stattgefunden, Sondersitzungen des Bundesrates, die es eigentlich in dem Umfang noch nie gegeben hat. Ich danke dir für deine Amtsführung, für deine Präsidentschaft. Ich möchte dir aber gleichzeitig sehr, sehr herzlich gratulieren. Du hast eine hohe, verantwortungsvolle Position übernommen. In der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft bist du in der Wirtschaftskammer der Bundesobmann. Es ist wirklich eine große Aufgabe, den Tourismus und die Freizeitwirtschaft in ihrer Vielfalt vom Bodensee bis zum Neusiedler


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See in einer Zeit zu vertreten, die für diesen Wirtschaftszweig sicherlich nicht ganz einfach ist. – Eine gute Hand dafür, alles Gute dafür und herzlichen Dank und herzlichen Glückwunsch! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist ein guter Tag für Salzburg, ein guter Tag für den Bundesrat mit der Übernahme der Bundesratspräsidentschaft durch eine Landesvertreterin, mit der Übernahme des Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz durch Salzburg. Trotzdem ist die Corona­pandemie mit ihren wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen nach wie vor allgegenwärtig und wird uns sicherlich noch sehr, sehr lange beschäftigen.

Das ist sicherlich heute nicht mein Hauptthema, aber ich bin trotzdem stolz, hier sein zu dürfen. Ich bin wahnsinnig stolz auf unsere Bundesregierung, auf Bundeskanzler Sebastian Kurz, der mit seinem Regierungsteam wirklich Maßnahmen gesetzt hat, die er hat setzen müssen, die nicht angenehm waren, die uns aber trotzdem durch diese Krise geführt haben. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir Freiheiten wieder schrittweise zurückgeben können. Das ist sicherlich sehr mit Vorsicht zu betrachten, wie der Herr Landeshauptmann schon erwähnt hat.

Ich denke, wir sind über den Berg, wenngleich größte Vorsicht weiterhin geboten ist. Wir müssen Eigenverantwortung einfordern, die ein Gebot der Stunde ist, denn wir sind sicherlich noch lange nicht am Ziel.

Salzburg, ein Bundesland mit sehr starkem Tourismus und einer sehr exportorientierten Wirtschaft in unmittelbarer Nähe zur Landeshauptstadt hat dies natürlich auch sehr stark betroffen. Ich denke, dass es in jeder Krise auch Chancen gibt und es vielleicht ein Umdenken in vielen Bereichen geben sollte.

Die Chance, glaube ich, ist zum Ersten, einen kritischen Rückblick auf gewohnte Struk­turen, auf Verhaltensweisen zu machen, wie wir etwas ändern könnten.

Die zweite Chance ist eine Rückbesinnung auf unsere eigenen Stärken, die eigentlich, wenn man darüber nachdenkt, enorm groß sind, und die Chance, dieses Potenzial besser auszunutzen. Bei einer ehrlichen Rückschau müssen wir uns fragen, ob es Sinn macht, die Güter des täglichen Bedarfes in der ganzen Welt produzieren zu lassen und uns dadurch vom Ausland abhängig zu machen.

Weiters stellt sich für mich die Frage, ob wir uns nicht zu sehr auf Masse und Klasse konzentriert haben und ob wir nicht in einigen Bereichen schon eine dementsprechend überhitzte Entwicklung haben. Dabei denke ich im Besonderen an Preisentwicklungen am Wohnungs- und Grundstücksmarkt in vielen Teilen Österreichs, die es jungen Familien kaum möglich machen, sich ein eigenes Heim zu schaffen. Ich denke, mehr Regionalität in vielen Lebensbereichen ist ein Gebot der Stunde.

Wo sind unsere großen Stärken? – Salzburg, eine kleine, aber feine Festspielstadt, ist weltberühmt in Kunst und Kultur, weltberühmt in Verbindung mit Wolfgang Amadeus Mozart, weltberühmt durch die Salzburger Festspiele, weltberühmt durch das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“, das in aller Welt zur gleichen Zeit gesungen wird, und weltberühmt durch die fleißigen und gastfreundlichen Menschen. Dies und noch vieles mehr könnte man mit der Stadt, mit dem Land Salzburg in Verbindung bringen.

Das Bundesland Salzburg wird auch sehr stark mit Natur, mit Tradition und mit der Landwirtschaft, die bei uns stattfindet, in Verbindung gebracht. In überwiegend klein­strukturierter Landwirtschaft produzieren unsere Familienbetriebe regionale Lebens­mittel. Mehr als die Hälfte unserer Betriebe wirtschaftet biologisch und nachhaltig. Nach­frage nach gesunden Lebensmitteln in der Zeit der Krise hat die Bauern massiv bestärkt. Sie haben auch zur Grundversorgung beigetragen, und dafür gebührt ihnen natürlich ein besonderer Dank. Große Verantwortung haben auch die Bäuerinnen übernommen, denen auch ein besonderer Dank gebührt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Ich denke, ein weiterer Ausbau der bäuerlichen Direktvermarktung, der außerland­wirt­schaftlichen Tätigkeiten zur Stärkung unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft ist auch eine Chance, mit der wir positiv in die Zukunft blicken können. Ein Beispiel ist eine sehr positive Entwicklung beim Urlaub am Bauernhof: Wir haben 8 Prozent des touristischen Bettenangebotes auf unseren Bauernhöfen. Ein Familienurlaub inmitten einer so vielfältigen Natur- und Kulturlandschaft, Wandern in Almregionen, sich geistig und körperlich zu erholen, der unbeschwerte Kontakt zu den Menschen auf dem Land – das mögen die Gäste, das genießen unsere Gäste, und das, glaube ich, ist auch eine we­sentliche Stärke.

In diesem Zusammenhang muss ich natürlich auch Folgendes erwähnen: Ich sehe es als unsere Pflicht, die bäuerlichen Familienbetriebe, aber auch die nachfolgenden Generationen und den ländlichen Raum vor der Rückkehr der großen Beutegreifer zu schützen. Der Wolf ist nicht gefährdet, die Menschen in den Regionen brauchen unsere Hilfe und benötigen Schutz.

Grundversorgung ist nicht nur regionale Lebensmittelproduktion, Grundversorgung heißt auch, durch Bewirtschaftung unserer Kulturlandschaft Einkommen erwirtschaften zu können. Den Strukturwandel in der Landwirtschaft hintanzuhalten heißt auch, Lebens- und Wohnraum zu erhalten, die heimische Wirtschaft, den ländlichen Raum zu erhalten, Arbeitsplätze abzusichern und dadurch eine Abwanderung der Jugend in die Zentral­räume zu vermeiden.

Dezentralisierung und vieles mehr ist angesprochen worden, das muss die Grundlage sein. Lieber Herr Landeshauptmann, ich möchte mich dafür sehr bedanken, dass im Spitalswesen in die regionalen Spitäler in den Bezirken investiert wurde und diese nicht geschlossen wurden. Das ist auch ein wesentlicher Teil der Dezentralisierung, und auch dies hat uns sehr gut durch die Krise geholfen.

Zu guter Letzt noch: Eine große Stärke in Österreich und auch in Salzburg, worum uns viele Länder beneiden, ist unser stark ausgeprägtes Ehrenamt, das System des Ehren­amtes und des Vereinswesens. Das ist unbezahlbar für die Gesellschaft. Hundert­tausende Menschen engagieren sich in den Bundesländern, sei es in der Pflege älterer Menschen, pflegebedürftiger Menschen, sei es in der Kinderbetreuung, sei es in den Rettungs-, Hilfs- und Blaulichtorganisationen, sei es die direkte Nachbarschaftshilfe, die unbemerkt und selbstverständlich geleistet wird.

Österreich steht zusammen, das haben wir sehr oft bewiesen! Dieser Zusammenhalt und diese Zuversicht, glaube ich, machen uns stark, und darauf können wir aufbauen.

Ich komme zum Schluss: Regionalität, dezentrale Organisation und damit schnellere und bürgernahe Entscheidungsmöglichkeiten, ein eher kleinstrukturiertes und damit sehr flexibles Wirtschaftssystem, eine nachhaltig ökologisch wirtschaftende Landwirtschaft, die die Grundlage für einen aktiven Lebensraum schafft, und natürlich das Ehrenamt – auf diesen Stärken sollen und können wir aufbauen, unsere politischen Entscheidungen treffen und die Republik Österreich und das Bundesland Salzburg sicher in eine gute Zukunft steuern. Dazu wünsche ich alles Gute und viel Erfolg! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

9.45


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Vizepräsident Michael Wanner. – Ich erteile es Ihnen, bitte.


9.45.14

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin, herzliche Gratulation! Es freut mich wirklich, es ist ein guter Tag für Salzburg. Mach es gut und mit viel Geschick! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)


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Herr Landeshauptmann, herzlich willkommen! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundes­räte und Damen und Herren zu Hause via Livestream! Das Thema Stabilität und Zusammenarbeit ist eines, das ich auch gewählt hätte, Herr Landeshauptmann. Auf gut Wienerisch: Jo ka Bahö! – Ich glaube aber nicht, dass Sie so denken, denn ich sehe schon das Streben, zukünftig in allen Bereichen gut zusammenzuarbeiten und die Politik auch im Land Salzburg auf eine breite Basis zu stellen.

Sie haben gesagt, die Rechtsstaatlichkeit ist ein Fundament. Da stimme ich Ihnen zu. Vertrauen, die Abschätzbarkeit, aber auch die Einschätzbarkeit sind, glaube ich, noch viel wichtiger für die Stabilität. Das ist die Basis dafür. Das darf aber nicht mit Abnicken, mit Jasagen verwechselt und schon gar nicht gleichgesetzt werden.

Es ist mir klar, dass die Regierung oft keinen Widerspruch mag, auch nicht duldet, aber die Opposition ist dazu da, Widerspruch einzulegen, zu hinterfragen und auf den Zahn zu fühlen. George Orwell sagt: „Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ – Diese Freiheit nehmen wir uns als Opposition, diese Freiheit nehmen sich kritisch denkende Menschen und diese Freiheit, das sagen zu können, bedeutet auch Stabilität und Vertrauen.

Leider gibt es auch Dinge, die gegen Stabilität agieren, und das ist der Wirrwarr, das ist falsche Information oder Nichtinformation. Beim Wirrwarr denke ich an die letzten Wochen, was da im Bereich der Landesverteidigung geschehen ist. Das geht nicht gut, das bringt keine Stabilität, das bildet kein Vertrauen. Wenn die Ministerin für Landes­verteidigung den Unterschied zwischen Garnison und Kaserne nicht kennt, dann könnte man durchaus annehmen, dass es bei uns zu einem Problem zwischen Bundesland und Stadt kommen wird, denn wenn man das zusammenschmeißt, ist das Land Salzburg eine große Garnison, und dann können wir ja Kasernen wegradieren.

Es freut mich aber, dass Sie gesagt haben, es kommt nicht in Frage, dass Kasernen, die Stabilität im Land erzeugen, geschlossen werden. Ich habe aber Angst, dass das durchaus durch das Hintertürchen kommen kann, denn man kann ja aus diesen Kasernen die Truppen abziehen, in die große Schwarzenberg-Kaserne verlagern. Man kann einen Hausmeister in St. Johann oder in Tamsweg einsetzen, man kann ein Rücklasskommando, wie es militärisch heißt, etablieren und nach zwei, drei Jahren sagen: Diese Kaserne ist sinnlos, kostet zu viel, wir lösen sie auf.

Sie als Landeshauptmann und jetzt Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz sind gefordert, dem einen Riegel vorzuschieben. Wir setzen große Hoffnung in Sie!

Was auch nicht zur Stabilität beiträgt, ist, wenn unser Finanzphilosoph Blümel das Budget nicht kann. Meine Damen und Herren, bei so einem Budget bekommt nicht nur die Politik Angst, sondern auch das Volk, aber nur Klarheit und ein ordentliches Budget tragen zur Stabilität bei.

Das Erkranken am Coronavirus ist nicht das Schlimme, es ist nur der Umgang mit der Information. Wie teilt man es mit? Teilt man es rechtzeitig mit? Teilt man es umfassend mit? Da hätte ich mir zumindest in Salzburg eine etwas schnellere Reaktion gewünscht, denn erst auf Nachfrage seitens der Medien ist dann zwei Tage später die ganze Wahrheit herausgekommen. Aber man lernt ja auch daraus.

Information hilft dem Land, hilft einer Gesellschaft, stabil zu sein, bildet Gleichgewicht und Zusammenhalt. Zusammenhalt hat auch etwas mit Zusammenarbeit zu tun, denn wenn man mitarbeiten darf, steht man auch dazu und ist dabei, und das ist ein Garant für Stabilität.

Die SPÖ in Salzburg ist eine kritische, aber durchaus konstruktive Opposition. Das heißt, wir wollen nicht gegeneinander arbeiten, sondern wir wollen miteinander arbeiten, wir wollen miteinander sachlich und leidenschaftlich diskutieren, durch den Austausch von


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Meinungen den richtigen Weg für alle Salzburger und Salzburgerinnen finden. Dabei arbeiten wir gerne mit. Die SPÖ als zweitstärkste Kraft im Land will konstruktiv zusammenarbeiten.

Ich weiß, die Regierung macht es auch in sehr, sehr vielen Fällen, allerdings dauert es ab und zu ein bissel länger, bis man durchkommt – ich denke an den Gitzentunnel, dessen Absage, ich denke an die günstigen Öffis, an das 365-Euro-Ticket; das waren alles Ideen, Forderungen der SPÖ –, es ist trotzdem schön, dass diese Ideen und Forderungen nach einer gewissen Zeit von der Regierung aufgenommen werden.

Gerade jetzt in der Coronakrise ist es wichtig, miteinander und vor allem im solidarischen Gedanken zu arbeiten. Die Zustimmung der SPÖ im Salzburger Landtag zu den allgemeinen Haushaltsgesetzen war vorhanden, wir haben das zur Bewältigung der Coronakrise natürlich mitgetragen. Die Genehmigungen des Landtages wurden auf die Landesregierung übertragen, es wurden 250 Millionen Euro höhere Auszahlungen ermöglicht, et cetera, et cetera. Ich denke, daran sieht man schon, dass wir nicht nur Gegner sind, sondern mitarbeiten wollen.

Jetzt liegt es allerdings an der Regierung, diese Mittel verantwortungsvoll einzusetzen. Es gibt massive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft: die Jugendarbeitslosigkeit, Arbeitslosigkeit an und für sich, steigende Kinderarmut, die Finanzierung der Gemein­den. Es ist wichtig, dass deren Abgang gedeckt wird – und nicht zur Hälfte oder vielleicht ein bisschen. Ich habe gerade gehört, die Gemeinden sind die Zellen, die wissen, worum es geht. – Ja, dann muss man ihnen aber auch das notwendige Geld geben und nicht dann in manchen Fällen auch dagegen stimmen. Es ist nicht okay, so zu reden und so zu handeln. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gehören Pakete gegen die Arbeitslosigkeit geschnürt, es gehören Pakete für Klein- und Mittelbetriebe geschnürt – die großen haben es sich eh wieder einmal gerichtet –, und es gehören die Familien aufgefangen.

Zwei Sorgenkinder habe ich schon in Salzburg – da bin ich nicht deiner Meinung, Silvester –, und das sind die Krankenanstalten und der Pflegebereich. Da können wir noch sehr viel tun, das heißt, da ist viel Luft nach oben. Ich habe leider ein bisschen den Eindruck, dass der Regierung nicht wirklich etwas einfällt, wie man das Pflegepersonal besser ausbilden kann, wie man denen einen Wert gibt und so weiter und so fort. Dasselbe gilt für den Ärztemangel im Krankenhausbereich. Die Salzburger Kranken­anstalten sind momentan nicht wirklich ein Highlight in der Krankenanstaltenlandschaft von Österreich.

Die Lebenskosten in Salzburg sind unheimlich hoch. Das hat auch damit zu tun, dass die Wohnbauförderung nicht ziel- und wirkungsgenau ist. Wenn man heute 30 000 oder 40 000 Euro hat, kann man um eine geförderte Wohnung ansuchen – aber das Geld muss man erst einmal haben! Welche Kassiererin hat denn am Beginn ihres Berufs­lebens, bei der Familiengründung 30 000 oder 40 000 Euro auf der hohen Kante, um einen Kredit zu bekommen, um dann die Förderungen zu bekommen? Da müssen wir noch etwas tun. Wir helfen gerne mit, Herr Landeshauptmann!

Jetzt nach Jacques Chirac: „Es ist die Aufgabe der Opposition, die Regierung abzu­schminken, während die Vorstellung läuft.“ – In diesem Sinne, Herr Landeshauptmann, freue ich mich auf die zukünftige Zusammenarbeit im Salzburger Landtag als Klubchef der zweitstärksten Fraktion. Mir ist die Zusammenarbeit mit allen Fraktionen wichtig und vor allem ist es mir wichtig, mit Ihnen und der Regierung einen guten Gedanken­austausch zu führen.

Abschließend verabschiede ich mich hier vom hohen Bundesrat. Es ist heute meine letzte Sitzung, und es war und ist mir eine Ehre, hier gewesen zu sein, oben am


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Präsidium für Österreich mitgearbeitet zu haben. Ich bedanke mich bei allen Bun­desräten und Bundesrätinnen für den durchwegs fairen Umgang – trotz unterschied­lichem Zugang, trotz unterschiedlicher Meinungen.

Ich bedanke mich für so manchen humorvollen und humoristischen Redebeitrag, ich bedanke mich aber vor allem für die Reden und Gedanken, durch die ich selber zum Nachdenken gekommen bin. Die hat es (in Richtung ÖVP) auch auf dieser Seite gege­ben, dafür bedanke ich mich auch.

Ich bedanke mich für die perfekte Organisation und die perfekten Abläufe im und um den Bundesrat. Dafür zeichnen die wirklich wertvollen und fleißigen und immer freundlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, allen voran Frau Dr. Bachmann, verantwortlich.

Ich bedanke mich auch bei meiner Fraktion, auch wieder bei denen, die im Hintergrund die Arbeit machen; sie sitzen dort drüben und in ihren Büros. Ohne euch ginge es nicht!

Ich bin heute noch einmal eineinhalb Stunden am Präsidium. Ich wünsche Ihnen und euch vorab schon viel Erfolg für die weitere Arbeit! – Auf Wiedersehen. (Allgemeiner Beifall.)

9.56


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.


9.56.41

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Zu Beginn meiner Rede möchte ich dir, liebe Frau Präsidentin, liebe Andrea, alles Gute für deine neue Aufgabe wünschen und dir zu deinem Amt gratulieren. Alles Gute! Als waschechte Salzburgerin freut es mich ganz besonders, dass mein Heimatbundesland die nächsten sechs Monate den Vorsitz hier im Bundesrat führen kann.

Ich habe mir Gedanken gemacht, ich habe mir überlegt, was der Bundesrat, was der Vorsitz für Salzburg bewirken kann, was die Landesregierung, der Vorsitz in der Lan­deshauptleutekonferenz bewirken kann. Was kann man von hier aus bewirken? – Ich habe lange überlegt, aber ganz so viel ist mir eigentlich nicht eingefallen. Meine Zweifel darf ich hier anhand von drei Themen, die ich mir herausgesucht habe, begründen.

Wir haben die 380-kV-Leitung in Salzburg. Im November 2019 hat es eine Demons­tration der Freileitungsgegner gegeben, sie sind mit Traktoren zum Chiemseehof ge­fahren. Damals wurde von Ihnen, Herr Landeshauptmann, zugesagt, dass Sie sich beim Bund als Miteigentümer dafür einsetzen, dass es zu einem Baustopp kommt, bis eben die Revisionen am Verwaltungsgerichtshof beendet sind. Es ist daraufhin von Ihnen ein Brief nach Wien geschickt worden. Zwei Monate sind ins Land gezogen, die von Demonstrationen und Waldbesetzungen geprägt waren. Am 29. Jänner – just kurz vor dieser Landtagssitzung – ist der Brief von Gernot Blümel gekommen, in dem lapidar gestanden ist: Da können wir nichts machen.

Jene Sitzung am 29. Jänner war übrigens die erste, bei der ich Sie wirklich mit Emotionen und ein bisschen lauter werdend erlebt habe. Ich war ganz überrascht, welches Potenzial an Emotionen in Ihnen steckt. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Wie gesagt, bei dieser Landtagssitzung am 29. Jänner ist dann ein einstimmiger Be­schluss gefasst worden, dass der Salzburger Landtag und die Landesregierung noch einmal geschlossen an den Bund herantreten, damit dieser Baustopp zustande kommt.

Seither ist aber nichts passiert, außer dass die Demonstranten und die Waldbeset­zer eingeschüchtert werden, dass sie mit Klagen zugedeckt werden. Sonst ist nichts


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passiert. Mit diesem Projekt der 380-kV-Leitung wird die Salzburger Landschaft nach­haltig zerstört.

Es führt eine Stromautobahn mit bis zu 100 Meter hohen Masten und Türmen quer durch unser Bundesland, vom Flachgau bis in den Pinzgau. Das ist eine irreparable Ver­schandelung und – ich sage es jetzt hier ganz bewusst – ein Verbrechen an der Natur. (Beifall bei der FPÖ.)

Verbockt und vermurkst haben die Situation ja eigentlich die Grünen. (Beifall des Bun­desrates Wanner.) Ich kann mich noch erinnern, als die damalige Landeshauptmann-Stellvertreterin Rössler im Wahlkampf 2013 gesagt hat: Mit uns Grünen in der Lan­desregierung wird es keine 380-kV-Leitung geben! – Na ja, heute sehen wir, die Bagger sind schon aufgefahren. Da aber die ÖVP seit 2013 mit den Grünen in Salzburg in der Regierung sitzt, nehme ich auch Sie (in Richtung Landeshauptmann Haslauer) mit in die Verantwortung und ersuche Sie und fordere Sie auf, Herr Landeshauptmann: Setzen Sie sich bitte noch einmal vehement dafür ein, dass es zu einem Baustopp kommt! Ich gehe sogar noch weiter: Setzen Sie sich dafür ein, dass wir eine Erdverkabelung erhalten! (Beifall bei der FPÖ.) Ich sage aber auch gleich dazu: Briefe schreiben alleine ist in dieser Sache zu wenig.

Das zweite Thema, der Salzburger Flughafen: Durch den AUA-Deal ist dem Salzburger Flughafen und dem Großraum Salzburg ein enormer Schaden zugefügt worden. Da hat man einem deutschen Großkonzern – ich spreche jetzt von der Lufthansa – Geld nach­geworfen, ohne dass sich Österreich abgesichert hat, und schwächt damit den hei­mischen Wirtschaftsraum. Hunderttausende Fluggäste gehen dadurch jedes Jahr verloren, Hunderte Arbeitsplätze werden dadurch gefährdet, Arbeitsplätze, die wir genau jetzt nach beziehungsweise während oder vor der nächsten Coronakrise in Salzburg dringend brauchen.

Wir haben in Salzburg mit Stand 30. Juni 22 000 Arbeitslose gehabt. Heute, am 2. Juli – ich habe vorhin gerade nachgeschaut –, sind wir unter die 20 000-Grenze gerutscht, wir haben 19 900 Arbeitslose in Salzburg vorgemerkt. Sie haben vorhin gesagt: Stabilität und Sicherheit, Arbeitsplätze schaffen! – Ich meine, die Salzburger Tourismuswirtschaft wirbt um jeden einzelnen Gast, es gibt eben verdammt viele Tourismusbetriebe, die jetzt schon ums Überleben kämpfen. Da genügt es auch nicht, einen Brief nach Wien zu schreiben oder einen Aktenvermerk zu machen. Da genügen auch keine Lippenbe­kenntnisse und da genügen auch keine gemeinsamen Besuche mit der Ministerin beim AMS Salzburg in der Auerspergstraße. (Beifall bei der FPÖ.)

Da benötigt es ein starkes Aufstehen, ein Einstehen für Salzburg als Wirtschaftsstandort und als wichtige Drehscheibe für internationale Kontakte. Sie haben es zuerst in Ihrer Erklärung selbst gesagt, dass wir eben die internationale Wettbewerbsfähigkeit brauchen. Sie haben es vorhin selbst gesagt. Da ist leider die ÖVP den Grünen auf den Leim gegangen, denn diese Einschränkung vom Salzburger Flughafen hat mit Klimaschutz nichts zu tun – ganz im Gegenteil: Die 100 000 Flugreisenden in Salzburg steigen in 100 Jahren in keinen Zug ein und fahren nach Wien oder weiter nach Schwechat, die setzen sich ins Auto und fahren nach München raus, das ist ja viel näher. Die Münchner freuen sich übrigens schon, und die Sektkorken, das haben Sie auch schon öfters gelesen, knallen dort schon.

Die Kasernen sind der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte. Zu diesem Thema spüre ich leider auch zu wenig. Da genügt es nicht, wenn man eine Pressemitteilung mit Beschwichtigungen, dass die Strucker-Kaserne nicht gesperrt wird, herausgibt. Auch da gibt es genügend zu tun und auch da sehe ich ein Damoklesschwert über Salzburg schweben. Verteidigungsministerin Tanner hat noch vorgestern hier im Nationalrat an ihren Strukturplänen festgehalten, sie hat auf ihren Reformplänen beharrt, und es war


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echt erschütternd, was die Frau Minister da von sich gegeben hat. Ich darf jetzt wirklich ganz bewusst und salopp sagen: Es war zum Fremdschämen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Landeshauptmann, Ihnen als Jurist brauche ich nicht zu erklären, was in Artikel 9a der Bundesverfassung steht, Ihnen als Milizoffizier brauche ich nicht zu erklären, was eine umfassende Landesverteidigung ist, aber vielleicht haben Sie einmal die Gele­genheit, das der Bundesministerin zu erklären, oder noch besser: Vielleicht könnten Sie sie gleich gegen einen kompetenten Partner beim Bundesheer austauschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Lassen Sie es bitte nicht so weit kommen, dass unsere Soldaten zum Regaleinräumen und zu Lagerarbeiten degradiert werden oder gar im Ernstfall Österreich nur noch mit Wattebällchen verteidigen können! Das haben sich unsere Soldaten einfach nicht verdient! „Schutz und Hilfe“ – das ist der Slogan unserer Kasernen und unserer Sol­daten.

Um wieder auf Salzburg zurückzukommen: Ich habe es vorhin schon erwähnt, es schwebt ein Damoklesschwert über Salzburg, und immer wieder kommen die Kaser­nenverkäufe und Kasernenschließungen zum Tragen. Es ist nicht nur die Strucker-Kaserne, auch betreffend Schwarzenberg-Kaserne wird immer wieder diskutiert, dass circa 2 Hektar des südlichen Teils verkauft werden sollten. Jetzt frage ich Sie, Herr Landeshauptmann: Wenn das wirklich realisiert wird und dort etwas anderes gebaut wird, ist das ja ein Verlust von Ausbildungsflächen, oder? Es gibt dann einen Platzbedarf für die Sicherheitsinsel, die geplant ist, der nicht gedeckt werden kann. 2015, als wir die Migrationskrise hatten, haben wir genau diesen Platz dringend gebraucht. Seit Jahren wird damit, dass die Strucker-Kaserne im Lungau gesperrt werden soll oder kann, der Kader in der Strucker-Kaserne verunsichert. Die Personalstruktur lässt sich längerfristig aber nur mit einer Standortgarantie sicherstellen.

Ja, es zieht sich durch wie ein roter Faden: In den Kasernen sind Arbeitsplätze gefährdet, es kommt zu einem Verlust der Anteile vom Kommando Streitkräfte. Wenn man die beiden Luftbrigaden zusammenzieht, verlieren wir das Kommando Luftraum­über­wachung und in der Wallner-Kaserne in Saalfelden haben wir Kompetenzverlust. Es zieht sich durch wie ein roter Faden, dass unser Bundesheer im Argen liegt. Herr Landes­haupt­mann, ich ersuche Sie wirklich, setzen Sie sich vehement dafür ein, dass es nicht so kommt, wie wir das hier vorliegen haben!

Nun aber zurück zu meinem anfänglichen Gedanken: Was kann Salzburg oder der Salzburger Vorsitz im Bundesrat, die Salzburger Landesregierung da bewirken? – Ich glaube immer noch: nicht allzu viel, denn man darf Politik einfach nicht mit einem Mikadospiel verwechseln: Wer sich zuerst rührt, hat verloren. – Politik muss lebhaft sein, muss bewegt sein.

Herr Landeshauptmann, ich ersuche Sie, meine kritischen Worte positiv zu nehmen, bitte vielleicht auch als Denkanstoß mitzunehmen und vielleicht öfters auf die Opposition zu hören. Für Ihre Zeit als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz darf ich Ihnen alles Gute und viel Erfolg wünschen. Sie haben es gestern gesagt, die Landeshauptleute­konferenz steht nicht in der Bundesverfassung, aber sie ist dennoch sehr einflussreich. Dass Sie irgendwie die graue Eminenz in der ÖVP sind, wissen wir, das ist ein unbe­schriebenes Blatt. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Nehmen Sie Ihren Einfluss bitte wahr, setzen Sie sich für Salzburg ein! Ich zitiere einen ganz berühmten Satz aus Salzburg: „Passt mir auf mein Salzburg auf!“ – Für uns Salz­burger ist dieser Satz ein Begriff und hat eine tiefe Bedeutung.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Andrea! Dir darf ich für deine Präsidentschaft alles Liebe, alles Gute wünschen. Viel Freude in deinem neuen Amt! Als Salzburgerin, was braucht man da?  Man braucht ein Salzburger Engerl. (Die Rednerin hält eine Schatulle, in der


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sich eine kleine Engelsfigur befindet, in die Höhe.) Es möge dich schützen und auf den Weg führen, dass dein Leitbild – wie gesagt – auch wirklich umgesetzt wird und ein gutes Miteinander schafft, das heißt, auch die Opposition miteinzubinden und sich vielleicht auch einmal einen Ruck zu geben, dass man Anträgen der Opposition zustimmen kann; ich denke da meinen Tierschutzantrag. Recht herzlichen Dank und noch einen schönen Tag. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Steiner-Wieser überreicht Präsidentin Eder-Gitschthaler die Schatulle.)

10.09


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg sehr herzlich bei uns. (Allgemeiner Beifall.)

Natürlich wünsche ich unserem scheidenden Bundesrat Vizepräsident Wanner alles, alles, Gute. Ich bedanke mich für deine Arbeit hier im Hohen Haus. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.09.58

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin, auch von meiner Seite herzliche Gratulation! Sehr geehrter Herr Landeshaupt­mann! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! Da wir leider keine Salzburger Bundesrätin haben, bin ich als quasi Nachbarin in Oberösterreich diejenige, die zu diesem Tagesordnungspunkt ein paar Worte sprechen möchte.

Was ist gewesen? Was hat uns in der letzten Zeit bewegt? – Das ist eigentlich das Coronavirus. Dieses Wort prägte in den letzten Wochen die Arbeit in diesem Gremium und im ganzen Land, ganz aktuell jetzt auch wieder in Oberösterreich. Auch mit der heutigen Übernahme des Vorsitzes im Bundesrat durch das Bundesland Salzburg wird dieses allgegenwärtige Thema weiter präsent sein. Mittlerweile wissen wir aber mehr, seit Anfang März haben wir viel über das neue Coronavirus gelernt. Wir haben Erfahrungen gesammelt, auf denen wir jetzt Gott sei Dank aufbauen können: Was hat gut funktioniert, was weniger, was wissen wir, was wissen wir noch nicht?

Hier im Bundesrat muss der Prozess des Austausches auf jeden Fall weitergehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir unter der Vorsitzführung von Salzburg viele neue Aspekte auch aus der Perspektive der Länder, die wir hier vertreten, dazugewinnen werden. Die von Frau Präsidentin Eder-Gitschthaler angekündigte Enquete wird sicher auch dazu beitragen.

Dass neben Corona auch noch andere Themen in der Arbeit des Bundesrates Platz finden, ist ebenso wichtig. Als Oberösterreicherin, besonders als Seewalchnerin, er­scheint mir der von der Präsidentin gewählte Schwerpunkt Kultur des Miteinanders sehr passend. Seine Nachbarinnen und Nachbarn zu kennen ist nämlich heute nicht mehr selbstverständlich. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich jedoch, dass wir, so autonom wir auch sein mögen, auf die tatsächlichen Menschen in unserer Umgebung angewiesen sind und nicht nur auf ihre virtuellen Präsenzen in verschiedenen Onlinenetzwerken. Das Sich-Kennen ist eine Qualität des ländlichen Raumes und für mich eine wichtige Komponente in der Kultur des Miteinanders.

Frau Präsidentin Eder-Gitschthaler stellt – wenig verwunderlich – in ihrer Arbeit die Kultur in den Mittelpunkt. Einen Fokus auf das Vorhandene und auf neue Möglichkeiten zu setzen bringt sicherlich wichtige Impulse für die Regionen.


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Lassen Sie mich noch einen sehr persönlichen Satz zur Lokomotiventaufe der Schaf­bergbahn im Rahmen der feierlichen Übergabe des Vorsitzes von Landeshauptmann Stelzer und Landeshauptmann Haslauer am Freitag in Sankt Wolfgang sagen: Mein Vater stammt aus der Ried, das ist ein Teil von Sankt Gilgen in Salzburg, der aber nur über den Umweg über Oberösterreich, nämlich über Sankt Wolfgang, zu erreichen ist. Als junger Mann machte er es sich mit seinen Freunden zur Herausforderung, die Mittelstation der Schafbergbahn schneller zu erreichen, als es die Zahnradbahn schafft. Nach seinen Erzählungen ist ihm das auch in sportlicher Weise geglückt. Bei der Schafbergbahn, dieser Verbindung zwischen Salzburg und Oberösterreich, muss ich daran denken, dass die Nachbarschaft, das Miteinander in der heutigen Zeit eine ganz wichtige Sache ist.

Ganz abschließend möchte ich Ihnen, Frau Präsidentin, im Namen der grünen Fraktion viel Erfolg für die Vorsitzführung in den nächsten sechs Monaten wünschen. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.14


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Auf Wiedersehen, Herr Landeshauptmann, vielen Dank für Ihr Kommen! (Allgemeiner Beifall.)

10.14.47Aktuelle Stunde


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Auswirkungen der Coronakrise auf die österreichische Außenpolitik“

mit dem Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, den ich nochmals sehr herzlich im Hohen Haus willkommen heiße. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren beziehungsweise dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen mit jeweils einer Redezeit von 5 Minuten. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundes­ministers erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. Ich erteile es ihm und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarungen der Präsidial­kon­ferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.15.57

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin, herzliche Gratulation! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen! Sehr geehrte Zuseher! Unser Land hat im letzten Jahr einen starken Wandel erfah­ren. Um zu sehen, wie groß der Wandel ist, ist es gut, wenn man in dem einen oder anderen Bereich zurückblendet.


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Vor einem Jahr war die Globalisierung sehr stark ausgeprägt und hat viel dazu beige­tragen, dass wir einen sehr hohen Lebensstandard hatten; wir konnten zu billigsten Preisen in alle Länder der Welt reisen. In den USA hat ein Präsident regiert, der sich seiner Wiederwahl sicher sein konnte, weil die wirtschaftliche Lage gut war, und die österreichische Außen- und Innenpolitik waren mit dem Ibizaskandal beschäftigt, da zwei Vertreter der FPÖ erklärt haben, sie würden, wenn sie genug bekommen, das Trink­wasser Österreichs, die Großbaustellen und das Land als Ganzes verkaufen. (Bundesrat Rösch: Wenn man bei der Wahrheit bleibt, ist es einfacher!)

Ein Jahr später ist die Situation ganz anders. Wir sehen auch die negativen Auswirkun­gen der Globalisierung. Wir sehen, dass wir in kritischen Bereichen Abhängigkeiten haben, und darauf müssen wir Antworten finden. Wir sehen, dass die Globalisierung im Internet noch einmal schneller läuft als in der realen Welt – dort findet sie nach wie vor statt –, und dass wir als Europa im Handel im Internet und bei Dienstleistungen im Gesamten ins Hintertreffen gelangt sind. In dieser Zeit, in diesen letzten Monaten waren die Menschen noch mehr im Netz unterwegs. Das haben radikale Gruppierungen erkannt und natürlich auch ihre Möglichkeiten gesehen, um Fakenews besser unter die Leute zu bringen, um ihre Botschaften besser vertreiben zu können. In Amerika regiert ein Präsident, der sich der Wiederwahl nicht mehr sicher sein kann, weil sein Mana­gement in dieser Krise schlecht war.

Das Management unserer Regierung in Österreich war in dieser Krise ein sehr gutes. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Es gab großartige Leistungen am Sektor der Gesund­heitspolitik, der Innenpolitik und vor allem auch am Sektor der Außenpolitik. Hervorzu­heben sind die Rückführungen der Österreicherinnen und Österreicher, die mit 39 Flü­gen bewerkstelligt wurden. Die große Logistik, die dahintersteckt, und die großen Anstrengungen in den Verhandlungen mit den Ländern, von denen sie geholt wurden, kann man nicht gleich erkennen.

Sehr viel Arbeit war vor allem in der Abstimmung mit anderen Ländern notwendig, um für die Bereiche, in denen wir auf sehr viel Personal aus dem Ausland zurückgreifen müssen, dieses Personal auch bekommen zu können. Gott sei Dank ist es gelungen. Als Vertreter der Bauern möchte ich diesen noch einmal besonders danken, aber natürlich sind auch die Pflegekräfte und viele, viele andere ganz wichtig gewesen, um in Österreich in dieser Krise eben gute Arbeit zu leisten.

Und jetzt verändert sich das Ganze noch einmal. Viele dachten ja, diese Situation wäre in einigen Wochen vorbei und alles würde wieder normal, aber wir erkennen mehr und mehr, dass die Auswirkungen dieser Krise wahrscheinlich noch sehr lange andauern werden; damit müssen wir zurechtkommen.

Es ist daher sehr, sehr wichtig, mit anderen Ländern intensiver in Kontakt zu treten, weil es doch auch eine gewisse nationalistische Tendenz gab. Sehr, sehr wichtig sind bilaterale Gespräche sowie die internationalen Organisationen und die Diskussionen dort, um diese Trends wieder zu korrigieren. Natürlich ist auch die Rolle der WHO zu hinterfragen, da gab es ja Kritik bezüglich Finanzierung und Einfluss. Ich denke, es ist wirklich wichtig, dass das betrachtet wird.

Wir als Österreich brauchen ein gutes internationales Renommee und gute inter­natio­nale Beziehungen, da unsere Wirtschaft – und damit alle Österreicherinnen und Öster­reicher – sehr, sehr stark vom Export abhängig ist und wir vom internationalen Touris­mus sehr stark profitieren. Dieser Bereich ist sehr wichtig für Österreich, vor allem der Städtetourismus. Wir brauchen deshalb Vertrauen auf internationaler Ebene, wir brauchen das Vertrauen der Regierungen, damit sie diesen Austausch mit Österreich ermöglichen. Wir brauchen das Vertrauen der Bürger in diesen Ländern, damit diese Bürger auch zu uns kommen wollen. Wir brauchen Transportmittel wie Fluglinien, damit


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das auch möglich ist. Und wir müssen unseren Tourismus wieder dorthin bringen, wo er vielleicht schon einmal war. Das sind ganz, ganz wichtige Dinge und dafür wird ganz, ganz gut gearbeitet.

Meine Frage dazu ist auch: Wie wird das international gesehen? Wie werden wir da eingestuft, Herr Minister? Dieser verzweifelte Versuch der Opposition, diese Arbeit madig zu machen, wird das international gesehen, wird das registriert, schadet das unserer Tourismuswirtschaft, schadet das unserer Wirtschaft im Allgemeinen? (Bundes­rat Steiner: Da weiß keiner, von was er redet! Das weiß er selber nicht!) Oder wird diese Leistung so gesehen, wie sie tatsächlich ist, nämlich – das sagen auch die Zahlen – dass wir in Österreich wirklich ein super Krisenmanagement gehabt haben und unsere Regie­rung eine tolle Arbeit geleistet hat? (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir, die Vertreter unseres Landes, sind aufgefordert, das gute Ansehen Österreichs in der Welt nicht zu schädigen. Ich rufe daher alle auf, auch so zu handeln. (Bundesrat Steiner: Richten Sie das der Landesregierung aus! Wir haben alles richtig gemacht! Beste Grüße vom Bundesrat!)

Ich danke unserer Regierung für ihre gute Arbeit in dieser Krise, ich danke dem Außenminister mit seinem ganzen Team für die guten Gespräche auf internationaler Ebene, die das alles zugelassen haben, wovon ich berichtet habe. Ich hoffe, dass wir aus dieser Krise gut herauskommen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.23


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


10.23.26

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin, auch ich darf Ihnen meinen herzlichen Glückwunsch zur Vorsitzübernahme übermitteln.

Sehr geehrter Herr Außenminister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Eine weltweite Pandemie, wie wir sie in den letzten Monaten erleben mussten, hat natürlich wirt­schaftliche, soziale, politische und geopolitische Auswirkungen auch auf die EU-Außen­politik. Die EU muss in besonderer Weise handlungsfähig bleiben, vor allem in den Beziehungen zu den USA, zu China und Russland – zu den großen Playern.

Was bedeutet das aber für die EU und auch für Österreich? – Das bedeutet enorme Anstrengungen im Bereich der humanitären Hilfe und – was Österreich betrifft – die Zusammenarbeit mit den Schwerpunktländern der Entwicklungszusammenarbeit. Eine weltweite Pandemie verstärkt das und fordert insbesondere die Hilfe für jene Staaten ein – ich fokussiere da auf Afrika –, die das nicht aus eigener Kraft schaffen und auch keine Zahlen liefern können. Außenpolitisch bedeutet das aber auch die Bekämpfung von Desinformation – es gibt derzeit im Internet so grauenhafte Geschichten – und von Cyberangriffsversuchen; das sind Dinge, die wir zu bekämpfen haben.

Das Wichtigste nach einer langsam zu Ende gehenden, aber doch immer wieder aufflackernden Pandemie ist aber die Zukunft des Multilateralismus. Wir sind keine Insel, Österreich ist keine Insel, Europa ist keine Insel – Europa ist ein Kontinent. Wir brauchen den Kontakt zueinander und miteinander in jeder Hinsicht. Wir brauchen, was die Europäische Union betrifft, das Programm Next Generation EU; ich halte das für außer­ordentlich wichtig. Für sehr beschämend halte ich aber die Haltung der österreichischen Bundesregierung, sich mit den geizigen vier in den Winkel zu stellen, anstatt zu erkennen, dass es jetzt große Schritte und große Anstrengungen braucht, um all die Dinge zu erreichen, die zu erreichen notwendig sind. (Beifall bei der SPÖ.)


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Gestern hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution verabschiedet: Er fordert eine globale Waffenruhe. Bedenken wir das in Anbetracht dessen, was derzeit in Syrien oder im Jemen los ist, und dass Israel seit gestern versucht, weitere Teile Palästinas unter seine Kontrolle zu bringen und sich anzueignen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber nicht seit gestern bekannt!) Bitte? (Bundesrätin Mühlwerth: Ist aber nicht seit gestern bekannt!) Nein, aber gestern begann die Maßnahme, liebe Frau Mühlwerth. – Das alles, und dann eine Pandemie in einem eigentlich spannenden Fest­jahr: 75 Jahre vereinigte Staaten Europas, 75 Jahre UNO.

Bedauerlich ist nur, wenn man diese UN-Resolution von gestern liest, dass man feststellt, dass es da kein klares Bekenntnis gibt und dass eine Teilorganisation oder eine Nebenorganisation der UNO namentlich fehlt, das ist die WHO. Man schreibt zwar, dass alle wesentlichen Teile der UNO wichtig sind, aber in einer Krise, ausgelöst durch einen Präsidenten, der nicht mehr wirklich alles richtig unter Kontrolle hat bezie­hungsweise ein gefährliches, unkontrolliertes Missile ist, wäre es wichtig gewesen, auch die WHO namentlich zu nennen. Wichtig ist, dass wir unsererseits, auch als Österreich, klare Zeichen der Wertschätzung in Richtung WHO setzen. Ich glaube, das ist unum­gänglich und das ist wichtig.

Vor allem kommen wir jetzt in weitere Krisen hinein. Seit gestern gilt ja ein neues chinesisches Gesetz in Hongkong, und allein gestern wurden 300 Menschen verhaftet – 300 Menschen, denen aufgrund des neuen chinesischen Gesetzes horrende Strafen drohen. Da muss die Weltgemeinschaft – der Sicherheitsrat –, aber auch die Euro­päische Union mit einer klaren Sprache sprechen. Auch das seltsame Referendum in Russland mit dieser beängstigenden Mehrheit gehört aus europäischer Sicht hinterfragt. Dem weltweiten, speziell in den Vereinigten Staaten stattfindenden Aufschrei der Bür­ger­bewegung Black Lives Matter – die ja auch in Österreich eine wirklich imposante Demonstration hervorgebracht hat – gehört aller Respekt. Auch im Rahmen der öster­reichischen Außenpolitik, Herr Außenminister, braucht es mehr als nur Worte wie: Ich glaube an die innere Kraft des Rechtsystems der Vereinigten Staaten. Ich glaube das nicht und viele andere glauben das auch nicht. (Vizepräsident Wanner übernimmt den Vorsitz.)

Kommen wir nun zu der Frage zurück, was wir in Europa brauchen – oder anders: Am letzten Wochenende hatte ich vier Tage lang zum ersten Mal wieder face to face die Leitung der Wahlbeobachtungsmission des Europarates in Polen inne. Was mir dabei aufgefallen ist: eine Präsidentschaftswahl unter den Voraussetzungen und unter dem Eindruck der Pandemie funktioniert; vor allem aber – ich hatte ungefähr 40 Interviews mit Wählern und Wählerinnen gemacht – dieser immense Hunger nach Demokratie und Wahlen. Man muss sich vorstellen, vor manchen Wahllokalen standen die Leute 3 Stun­den – 3 Stunden! –, weil sie wussten: Wir wollen trotz Pandemie heute unsere Stimme für einen Wechsel in Polen abgeben!

Gratulation den Menschen in Polen, dass sie es geschafft haben, zumindest einen zweiten Wahlgang, der in zehn Tagen stattfindet, zu erreichen. Ich nehme an, dass die Wahlbeteiligung, die diesmal schon einen Höhepunkt erreicht hat, einen weiteren Höhepunkt erreichen wird.

Was die Pandemie aber auch zeigt – das betrifft nicht nur Österreich, es betrifft Europa und die ganze Welt –, ist, dass es ohne faire Löhne, weltweit, nicht geht (Beifall bei der SPÖ), dass es ohne menschliche Arbeitsbedingungen nicht geht! Wir mussten mit Er­schrecken zum Beispiel Details zu den Arbeitsverhältnissen in deutschen Schlacht­betrieben erfahren oder sklavenähnliche Arbeitsbedingungen in der österreichischen Landwirtschaft feststellen. Das geht nicht! Wir müssen unsere Kraft dafür aufwenden, das zu verändern, und das ist eine der ganz großen Lehren dieser Pandemie.


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Es gehört aber auch dazu, dass das Recovering, also der Wiederaufbau Europas, Österreichs, nur gelingt, wenn wir drei Dinge miteinander verbinden: die Wiederbelebung der Wirtschaft, alle nur möglichen Maßnahmen zu unternehmen, um Arbeitsplätze zu schaffen, und gleichzeitig die beiden anderen Herausforderungen unbedingt miteinander zu verknüpfen, nämlich den ökologischen und den digitalen Wandel. Das ist eine Einheit, denn so oft wird Europa nicht 750 Milliarden Euro in die Hand nehmen können, um Investitionen zu tätigen und Maßnahmen zu setzen.

In diesem Sinne hoffen wir natürlich, dass Österreich in der Außenpolitik aktiv weiter­macht, dass Österreich seine Verpflichtungen im Bereich der humanitären Hilfe, speziell gegenüber den Schwerpunktländern der Entwicklungszusammenarbeit, wahrnimmt, verstärkt und intensiviert, denn das ist auch eine Lehre, die wir aus dieser Pandemie ziehen: Wenn wir alleine die Zahlen anschauen – Indien 605 000 Infizierte, Russland 650 000 Infizierte, in den USA täglich 52 900 Infizierte; von Brasilien und der Unfähigkeit eines Präsidenten möchte ich hier gar nicht sprechen –, dann muss man sagen, das bedeutet, diese weltweite Pandemie ist da, ist existent.

In diesem Sinne, Herr Außenminister: Klare Worte! Klare Worte zu Konfliktherden, klare Worte, wo es notwendig ist, und klare Initiativen, wo Österreich initiativ sein muss! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.34


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


10.34.34

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die uns via Livestream zuschauen! Ja, Herr Kollege Schennach, Österreich wird die Welt retten, wie immer! Das ist ja ein ewiges Anliegen von Ihnen: Österreich rettet die Welt.

Natürlich hat die Pandemie weltweit ihre Auswirkungen gehabt, natürlich ist Österreich keine Insel und natürlich können wir nicht so tun, als ob uns das alles überhaupt nicht beträfe. Jetzt kommt aber schon gleich mein Aber, denn ich glaube letzten Endes, wenn man sagt, wir müssen jetzt durch Geldleistungen alle retten, wir müssen das Geld verteilen, ohne irgendwelche Bedingungen daran zu knüpfen, wird es uns in nicht absehbarer Zeit genauso schlecht wie den anderen gehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich verstehe schon die Überlegung, vor allem Italien, das ja am stärksten von der Covid-Epidemie betroffen war, aber auch Spanien, Frankreich und Portugal zu helfen. Nur wollen wir nicht vergessen, dass erstens einmal – das habe ich schon einmal gesagt –, ohne in irgendeiner Weise die Anzahl der Toten, die Italien zu beklagen hat, relativieren zu wollen, Italien aber schon ein Meister der Selbstinszenierung ist – das war es immer schon. (Bundesrat Schennach: Darum habt ihr Salvini so applaudiert!) Italien hatte schon vor der Coronaepidemie ein Riesenproblem im Gesundheitswesen. Darum hat es ja so darunter gelitten, weil das Gesundheitssystem einfach nicht in Ordnung war, darum gibt es diesen Kapazitätsmangel und darum steht es dort, wo es eben heute steht. Es kann nicht sein, dass ein Land, ein europäisches Land – und da kann man jetzt hundertmal sagen, das ist ein Wirtschaftsland und es ist ein wichtiges Exportland für uns –, seine Hausaufgaben nicht macht. Auch die Italiener, genauso wie die Franzosen, Spanier und Portugiesen, sind gefordert, ihre Hausaufgaben zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Italien will ja unter gar keinen Umständen unter den ESM, das fürchtet es ja wie der Teufel das Weihwasser! Italien will die Zuschüsse bekommen – den Rettungsschirm


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also, weil Sie so fragend schauen, Herr Kollege Schennach (Bundesrat Schennach: Was?) –, will die Zuschüsse haben und sagt: Ja, wir brauchen jetzt das Geld!, und alle knicken ein und sagen: Ja natürlich, wir müssen Italien helfen, weil das ja ganz ein wichtiger Faktor ist.

Der Herr Außenminister hat da schon ein Gespräch mit Deutschland gehabt, bei dem er eine Position vertreten hat und gemeint hat, zumindest ein Teil sollte Kredit sein – ein Drittel, glaube ich, Kredite, zwei Drittel Zuschuss, wenn ich das in den Medien richtig gelesen habe –, wobei Deutschland das gar nicht so sehen will. Ich glaube aber schon, dass es wesentlich ist, den Ländern zu sagen, sie müssen das auch wieder zurück­zahlen, denn sie müssen auch etwas dazu beitragen, um wieder auf die Beine zu kom­men. Es kann nicht sein, dass vier Länder immer alles zahlen und alle anderen sagen: Ihr müsst uns helfen! – Die EU hat sich selbst verordnet, keine Schuldenunion zu sein. Wir sind aber seit diesen Lissabonner Verträgen permanent eine Schuldenunion. Wir zahlen immer für die Schulden der anderen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann auch nicht verstehen, dass man es einfach hinnehmen will, dass der öster­reichische Steuerzahler laufend Geld verliert. Schauen wir uns die EZB an, die monatlich, wie eine österreichische Tageszeitung diese Woche geschrieben hat, 50 Mil­liarden Euro – 50 Milliarden Euro! – Staatsanleihen kauft, die kein Mensch haben will! Das zahlen wir alle mit, und jeder, der ein bisschen Geld am Sparbuch hat, kann zuschauen, wie das Monat für Monat immer weniger wird. Das kann es aber nicht sein!

Dann kommt noch der luxemburgische Außenminister und sagt: Wenn wir jetzt nicht alles mit viel Trallala und Pomp befürworten, dann sind wir uneuropäisch! – Ja, was ist denn das für ein europäischer Gedanke? Wenn man sich nicht dem unterwirft, was die anderen uns vorgeben, dann ist man auf einmal uneuropäisch?

Man ist uneuropäisch, auch in der Migrationsfrage, die Kollege Schennach auch erwähnt hat: diese armen, armen Menschen, die jetzt herkommen wollen, die alle Asyl haben wollen, von denen, wie wir aus der Vergangenheit wissen, viele einfach Asyl schreien und Wirtschaftsmigration meinen. Wir kennen auch diese armen, armen unbegleiteten Flüchtlinge, über die wir dann jeden Tag in der Zeitung lesen können, wie viele davon gar nicht so arm sind, sondern sich an unseren Mädchen und Frauen vergehen – ohne alle in einen Topf werfen zu wollen. Jedes Mal aber, wenn wir die Zeitung aufschlagen, sind es wieder diese armen unbegleiteten Flüchtlinge, denen wir ja helfen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie arm alle sind, haben wir ja gerade auch in Favoriten gesehen. Das ist nicht der erste Konflikt zwischen Österreich und der Türkei, und da bin ich insofern beim Außenminister und auch – ausnahmsweise einmal – beim Bundeskanzler, dass man Erdoğan deutlich sagen muss: So geht das einfach nicht, herzugehen und zu sagen, unsere Polizei gehe auf diese armen, armen Demonstranten los, die in Wirklichkeit eine Demonstration gestört haben; und nicht nur gestört haben, indem sie dort Gegenparolen gerufen haben, sondern massiv gewalttätig geworden sind, sodass die Polizei einschreiten musste, was verletzte Polizisten, verletzte Demonstranten et cetera zur Folge hatte.

Daraufhin richtet der türkische Ministerpräsident, also der Sultan Erdoğan, wie er ja in den Zeitungen genannt wird, Österreich aus, dass unsere Polizei ganz arg ist, wie sie da gegen diese Demonstranten vorgeht! – Das kann es nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.) Das kann es nicht sein, noch dazu, da ja Erdoğan und die von ihm bezahlten Vereine wie Atib und Millî Görüş, über die wir uns schon oft genug unterhalten haben und die ja nach wie vor von der Türkei finanziert werden, all jenen, die die österreichische Staats­bürgerschaft haben und gebürtige Türken sind, immer wieder ans Herz legen, sich ja nicht zu assimilieren, sondern Türken zu bleiben – nicht nur im Herzen, sondern auch


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nach außen. Das ist ein unerträglicher Zustand, der sowohl innenpolitisch als auch außenpolitisch interessant ist.

Ich bin schon immer noch der Ansicht und erwarte mir schon, wenn jemand zu uns kommt und sagt: Ich möchte hier in diesem Land leben und möchte ein Teil eures Landes sein!, dass man sich dann mit diesem Land hier, nämlich mit Österreich, identifiziert (Beifall bei der FPÖ) – ich weiß schon, dass man seine Wurzeln nicht einfach ab­schneidet und sagt, das gibt es alles nicht mehr – und nicht in einem Interview sagt, wie wir es auch schon gehört haben: Ich bin Türke! – Nein, ist man nicht!

Das erinnert mich sehr – das ist ja nicht nur auf die Türken beschränkt – an Kollegin Dziedzic von den Grünen. Als unsere Sozialministerin Hartinger zu ihr gesagt hat, sie solle sich doch bitte eines anderen Tons befleißigen – weil sie unglaublich aggressiv war, auch in ihrer Wortwahl –, ist die gute Frau Dziedzic, die jetzt im Nationalrat sitzt, rausgegangen und hat gemeint: Frau Ministerin, das sagen Sie nur, weil ich Ausländerin bin!, und ich habe mir nur gedacht, wie interessant: Ich bin Ausländerin! – Eine öster­reichische Abgeordnete mit einer österreichischen Staatsbürgerschaft ist Ausländerin?! Also was jetzt?

Ich meine, da sieht man schon, wie wenig die Leute hier ankommen, nämlich auch jene, die aus europäischen Ländern kommen; Frau Dziedzic ist ja eine gebürtige Polin. Ich sage, wenn ich in ein anderes Land gehe, dann fühle ich mich dem Land dort auch zugehörig und sage nicht: Ich bin ein – was weiß ich! Das ist etwas, woran wir sowohl außenpolitisch als auch innenpolitisch arbeiten müssen.

Sarkozy hat übrigens einer Tunesierin auch einmal gesagt: Sie sind französische Staats­bürgerin, daher sind Sie für mich Französin! – Alle, die die österreichische Staats­bürgerschaft haben, sind für mich Österreicher und keine Polen, Türken oder sonst irgendetwas. Daher haben wir, glaube ich, sowohl innen- als auch außenpolitisch noch sehr viel zu tun, damit Integration auch wirklich einmal ankommt, denn da haben wir wirklich noch einen großen Aufholbedarf! (Beifall bei der FPÖ.)

10.44


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile es ihm.


10.44.18

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident, vielen Dank für Ihre Präsidentschaft und alles Gute für Sie auch in Salzburg! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Mühlwerth (Bun­desrätin Mühlwerth: Ja!), als gebürtiger Ausländer, wenn ich das so sagen darf, ich bin ja in den Niederlanden geboren (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das wissen wir eh! – Bundesrat Steiner: Ja, das trägst du ja vor dir her!) – ich bin es mittlerweile gewöhnt, dass man, wenn man hier zu reden anfängt, gleich einmal aus der ersten Reihe beflegelt wird (Bundesrat Steiner: Ich beflegel dich nicht!) –, als gebürtiger Niederländer darf ich sagen, es gehört immer auch dazu, sich in Österreich zu Hause zu fühlen. Wenn ich nach Österreich komme, komme ich nach Hause.

Ich bin in Bad Ischl aufgewachsen, ich bin also in Bad Ischl zu Hause. Ich lebe seit langer Zeit in Wien, im 15. Bezirk, und ich bin im 15. Bezirk zu Hause, und wenn ich nach Putten fahre, meinem Geburtsort in den Niederlanden, dann komme ich auch nach Hause. (Bundesrätin Mühlwerth: Das mag schon sein! Aber du sagst nicht: Ich bin Ausländer!) Es ist nicht so, dass es ein Entweder-oder ist (Bundesrätin Mühlwerth: Hab ich auch nicht gesagt!), es ist immer auch ein Teil der Biografie, dass man das alles einfach in sich trägt. Wir können Biografien nicht abschaffen und das ist ein ganz wichtiger


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Bestandteil davon. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Mühlwerth: Aber die Zuge­hörigkeit muss schon klar sein!)

Ich hätte ja ein Ticket für das Euro-Fußballspiel Niederlande gegen Österreich in Amsterdam gehabt – leider hat es wegen Corona nicht stattgefunden –, und ich muss gestehen, ich habe schon überlegt, welches T-Shirt ich anziehe. Es hätte schon orange sein können, einfach weil ich im Fußball ein riesiger Oranje-Fan bin. Das wurde mir von meiner Familie einfach mitgegeben, und würde ich ein österreichisches T-Shirt anziehen, so hätte ich das Gefühl – ich gebe es zu –, ich verrate alles, wofür mein Großvater stand (erheitert), der selber ein Fußballer war, und das kann man nicht wegnehmen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber was anderes, beim Fußball!)

Eines möchte ich aber schon auch sagen, bevor wir da zu einer Wiener integrations­politischen Diskussion kommen, obwohl wir eigentlich über Außenpolitik sprechen wollen: Der Grund, warum so mancher junge Mensch aus der Türkei – und ich halte es auch für problematisch, dass wir eine Stimmung in diesem Land haben, die das bewirkt –, warum sogar hier geborene Menschen sich einer faschistischen Organisation der Türkei zugehörig fühlen – und das ist ein Problem, das auch deshalb entsteht –, ist, weil es hier Kräfte gibt, die immer wieder sagen: Du bist Türke, du bist Ausländer, wir wollen dich hier nicht, wir integrieren dich nicht! (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Wir wissen, welche Kraft das ist: Das ist Rassismus, der auch politisch vertreten ist, und das ist das Problem, das wir in diesem Land haben. (Beifall bei den Grünen.) Zur Integration gehört nämlich nicht nur, dass die sich bemühen, sondern auch, dass man sagt: Komm zu uns, wir arbeiten zusammen und wir tun gemeinsam etwas! – Integration ist immer beidseitig, zwei Wege, nicht eine Einseitigkeit. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, aber schon stärker ...!)

Reden wir aber über Außenpolitik! Wir haben vorhin über Salzburg gesprochen; der Salzburger Landeshauptmann war ja hier und hat das Thema Stabilität und Zusam­menhalt als Motto für das halbe Jahr der Salzburger Präsidentschaft ausgegeben. Diese zwei Worte beschreiben auch die außenpolitischen Herausforderungen, die jetzt nicht nach der Coronakrise, sondern, müsste man eigentlich sagen, jetzt mitten in der Corona­krise, zu bewältigen sind.

Es war ja ganz interessant, was Ralf Beste, der Botschafter Deutschlands in Österreich und damit sozusagen der Botschafter des neuen Ratspräsidenten, gestern im EU-Ausschuss gesagt hat, als wir eine Aussprache mit ihm hatten; wer von Ihnen gestern dabei war, hat es gehört. Er hat einen ganz interessanten Satz gesagt. Er hat nicht das Wort Entschuldigung in den Mund genommen, hat aber etwas festgestellt, was sofort, als die Coronakrise ausbrach, zwischen den Ländern s passiert ist, nämlich etwas, das auch die Menschen selbst gemacht haben: Man hat angefangen zu hamstern. So wie Menschen gesagt haben: Ich will das Klopapier haben, damit mein Nachbar es nicht hat!, haben auch Länder gesagt: Wir wollen die Schutzausrüstungen haben, damit der Nachbar sie nicht hat!

Es geht also um dieses grundmenschliche Prinzip, dass man sich selbst am nächsten ist, um ein offensichtlich zutiefst in der menschlichen Natur steckendes Bedürfnis, zuerst einmal auf sich selbst zu schauen. Erst später, erst danach kommt man drauf, dass Teilen, dass Solidarität, dass die schönen Worte Stabilität und Zusammenhalt, wenn ich sie noch einmal wiederholen darf, eigentlich viel mehr dazu beitragen, dass wir in einer guten Gesellschaft leben; dass es einem selbst auch besser geht, wenn man in der Coronazeit für eine Nachbarin, die nicht in der Lage ist, einzukaufen, weil sie zur Risikogruppe gehört, einkauft, dass es hilft, ihr zu helfen. Das ist eigentlich auch die große außenpolitische Herausforderung, vor der wir stehen.


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Solidarität und Zusammenhalt sind sicher die großen Themen in einer durchaus sehr schwierigen Zeit, denn wenn wir einen globalen Rundblick machen – Kollege Schennach hat das schon in einer sehr eindrücklichen und guten Art und Weise gemacht –, sehen wir, dass die Herausforderungen, die wir in Europa haben, tatsächlich sehr große sind. Ich schließe mich Ihrer Meinung an, Herr Kollege Schennach: Die Antworten müssen auch europäisch sein. Auch wir pochen ganz stark auf die europäische Solidarität, ich halte sie für ganz entscheidend.

Wir haben gerade in Russland ein Referendum gehabt. Das kann man als Europäer natürlich nur zur Kenntnis nehmen, die Frage aber ist: Was bedeutet das für Europa, wenn eine Macht einzementiert wird? Die Frage ist auch, ob das noch Demokratie genannt werden kann oder nicht. Betreffend die Einflussnahmen, die schon genannt worden sind: Wir wissen von Russland, dass es da sogar Agenturen gibt, die dazu beitragen, Fehlinformationen zu lancieren, und dass die Spaltung Europas ja geradezu ein dezidiertes Ziel ist.

Da liegen vielleicht auch die Schwierigkeit und die Herausforderung für ein demo­kra­tisches Land wie Österreich, aber auch für demokratische Institutionen wie Europa, denn wir streiten ja – das gehört zur Demokratie ja dazu –, und Streit hat natürlich auch zur Folge, dass man leichter gespaltet werden kann, weil man die unterschiedlichen Positio­nen offen austrägt. Inwieweit wir unsere Positionen offen austragen, streiten und inwie­weit wir auch sagen: Stopp, das ist Demokratie, wir wollen das so!, ist eine große Herausforderung in der Außenpolitik, weil die Kräfte, die keine Demokratie wollen, derzeit auf dem Vormarsch sind; das muss man so sagen.

Dazu zählt beispielsweise auch China. (Bundesrat Rösch: Also wenn man damit meint, die eigene ...! Ja, das ist ja wirklich ...! Das ... Stoff ...!) – Sie können sich gerne zu Wort melden! Es war gestern im EU-Ausschuss von einem Ziel der deutschen Rats­prä­sidentschaft die Rede, das da lautet, dass wir uns eine kohärente China-Politik wünschen. Ich habe dann nachgefragt: Was bedeutet eigentlich eine kohärente China-Politik? – Das bedeutet ja, dass wir bisher keine hatten, und das ist eine sehr inter­essante Frage. (Bundesrat Rösch: Seine Meinung ist jetzt demokratisch! So was Selbst­gerechtes!)

Gerade in China, mit dem wir wirtschaftspolitisch und wirtschaftlich sehr stark zusam­menhängen und verknüpft sind, werden gleichzeitig die Menschenrechte in immer brutalerem Ausmaß mit Füßen getreten. Denken wir an die sogenannten Erziehungs­institutionen, wie sie sie nennen, in denen viele Muslime und Musliminnen der Uiguren und Kasachen, aber zum Beispiel auch Christen inhaftiert sind. Gerade erst vor einigen Tagen ist das Buch einer Kasachin erschienen – ich habe ihren Namen nicht notiert –, in dem sie genau schildert, wie brutal es in diesen Lagern zugeht. Da kann man auf Dauer nicht wirklich zuschauen, und eine kohärente europäische Politik gegenüber China ist da sicher spannend. (Bundesrätin Mühlwerth: Komisch, dass euch das jetzt auffällt! ... seit Jahren!)

Sehr spannend wird natürlich auch das Verhältnis zu den USA sein. Wir alle wissen nicht, wie es im November ausgeht; wahrscheinlich haben wir alle recht ähnliche Wün­sche, wie es ausgehen soll, wir wissen es aber natürlich nicht. Eines ist aber betreffend die USA sehr spürbar: dass dieses Land so gespalten ist wie noch nie (Bundesrat Steiner: Der USA-Profi! – Bundesrätin Mühlwerth: Da bin ich mir nicht so sicher!) und dass die Frage, wie wir zusammenhalten, angesichts all dieses Streits, den es gibt, eine weltweit zu beantwortende demokratische Frage ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

10.53



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Vizepräsident Michael Wanner: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bun­desrat Schennach zu Wort gemeldet.


10.53.36

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Liebe Monika Mühlwerth, du hast in deiner Rede – du wirst es nachlesen können – mehrmals das Land Portugal als eines jener Länder erwähnt, die wir zu unterstützen und zu alimentieren haben. Das ist nicht richtig!

2011 erhielt Portugal Notkredite und seit 2017 erfüllt Portugal alle Auflagen der Euro­zone. Mittlerweile hat Portugal eine der höchsten Wirtschaftswachstumsraten in der Europäischen Union. Wahrscheinlich hast du das nur deswegen mit aufgezählt, weil es politisch links geführt wird.

Das Interessante an der Erholung Portugals, wo die Arbeitslosigkeit sinkt und die Wirt­schaft wächst, ist, dass die portugiesische Regierung nicht den Auflagen der Euro­päischen Union gefolgt ist – mit einer Sparpolitik –, das aber nicht in einer Konfrontation mit der EU gemacht hat. (Bundesrat Steiner: Was hat denn das mit einer tatsächlichen Berichtigung zu tun?) – Dass Portugal hier falsch erwähnt wurde. Portugal ist seit 2017 nicht mehr unter der Beobachtung der Europäischen Union. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Eine tatsächliche Berichtigung geht ein bisschen anders!)

10.55


Vizepräsident Michael Wanner: Für eine erste Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm; auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten.


10.55.19

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Präsident! Wenn ich mir erlauben darf, sehr geehrte Frau Präsi­dentin: herzlichen Glückwunsch zum hohen Amt!

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Es wurde nun schon mehrmals erwähnt: Die letzten Monate waren für uns alle eine unglaublich herausfordernde und schwierige Zeit. Ich glaube aber, es war auch eine Zeit, in der wir Österreicherinnen und Öster­reicher unter Beweis gestellt haben, dass wir als Gesellschaft zusammenhalten, dass wir eine Krise gemeinsam überstehen können.

Es war oder ist tatsächlich eine Krise, und von Anfang an war das Außenministerium in diese Krisenbewältigung engstens involviert. Ich erinnere nur an die größte Rück­hol­aktion in der Geschichte der Zweiten Republik, mit der wir 7 500 Menschen sicher – safe and sound wie man so schön sagt – nach Österreich zurückbringen konnten. Ich erinnere an die Unterstützung Tausender Österreicherinnen und Österreicher im Aus­land, die in Notsituationen geraten sind, an die Hilfe bei der Beschaffung dringend be­nötigter medizinischer Güter aus dem Ausland und bei der Betreuung von Hundert­tau­senden Österreichern über unsere Hotline. Das war wirklich eine logistische Meisterleistung, die jeden einzelnen Mitarbeiter des Hauses im Inland wie im Ausland bis aufs Äußerste gefordert hat. Ich möchte daher auch hier im Bundesrat die Gelegenheit nützen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einmal meinen ganz, ganz herzlichen Dank auszu­sprechen. (Allgemeiner Beifall.)

Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang auch eine ganz grundsätzliche Lehre aus dieser Krise zu ziehen: Die Pandemie hat neuerlich deutlich gemacht, dass ein Land wie Österreich nicht auf ein starkes eigenes Interessennetzwerk im Ausland verzichten kann. Wenn es hart auf hart kommt, sind unsere Botschaften und Konsulate im Ausland kein Luxus, sondern Lebensversicherung für die Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)


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Es waren nämlich letztlich unsere Botschaften in Kuala Lumpur, in Peking, in Lima, in Canberra, die die Österreicher trotz Quarantänebestimmungen zum Flughafen gebracht haben, die die Exportgenehmigungen an Land gezogen haben, die die Landegeneh­mi­gungen organisiert haben, um das medizinische Gut rausbringen zu können. Das ist also wie gesagt für uns lebensnotwendig. Wir haben festgestellt: Wenn es hart auf hart kommt, wird das keine EU-Delegation übernehmen – vermutlich zumindest nicht über die nächsten Jahre und Jahrzehnte – und es wird auch kein anderer Staat für uns über­nehmen.

Wir sind jetzt sozusagen in einer neuen Phase, in der Europa langsam vorsichtige Schritte der Öffnung vornehmen kann, in der wir langsam von der Bewältigung der Gesundheitskrise zur Bewältigung der Wirtschaftskrise übergehen. Es ist vorhin auch schon als Frage aufgekommen: Ich glaube, Österreich ist es wirklich gelungen, weit­gehend unbeschadet durch die Krise zu kommen und wirklich vorbildlich zu agieren. Das sage nicht ich, sondern das sagt eine Stelle, die über jeden Zweifel völlig erhaben ist: The Economist Intelligence Unit hat Österreich im internationalen Ranking zum Umgang mit der Pandemie hinter Neuseeland auf Platz zwei gestellt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Novak: Bei ... sind wir an letzter Stelle!) Ich kann durch meine laufenden Kontakte mit Partnern innerhalb und auch außerhalb Europas – denken Sie nur an die Gruppe der Smart 10 – bestätigen, dass das von unseren Partnern sehr wohl anerkannt wird.

Wir dürfen uns aber nicht etwas vormachen: Wir stecken noch mitten in der Krise, diese Pandemie hat die Welt nach wie vor im Griff. Wir hören ja von der WHO, der UNO-Weltgesundheitsorganisation, fast täglich neue Negativrekorde; allein heute waren es wieder 164 000 Neuinfektionen. Das heißt, wir sind meilenweit von jeglichem Normal­zustand entfernt.

Ein Punkt, der uns unmittelbar betrifft, bei dem wir das täglich sehen, ist das Thema Reisefreiheit; das ist gerade jetzt, kurz vor dem Sommerurlaub, ein wichtiges Thema. Unser Ziel ist es natürlich, so schnell wie möglich die Reisefreiheit wiederherzustellen, denn im 21. Jahrhundert ist Reisen ja kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Ich bin froh, dass wir es geschafft haben, für 32 europäische Staaten die Covid-bedingten Beschränkungen an den Grenzen aufzuheben – das betrifft vor allem den EU- und Efta-Raum.

Am Dienstag haben wir uns auf europäischer Ebene auf Ratsempfehlungen geeinigt, wonach eine Liste von 15 Staaten, die vom Einreisestopp ausgenommen werden könn­ten, vorgelegt wurde. Diese Ratsempfehlung ist für uns der Ausgangspunkt der weiteren Prüfungen. Aber eines ist klar – und das möchte ich hier auch deutlich sagen –: Bis auf Weiteres gilt für Angehörige aus Drittstaaten, also Nicht-EU-Staaten und Nicht-EWR/Efta-Staaten ein Einreisestopp nach Österreich.

Wir sind nämlich schlicht und ergreifend noch nicht über den Berg, und das betrifft insbesondere eine Region, die uns unglaublich nahesteht, nämlich der Westbalkan. Das ist eine Region, die uns menschlich, kulturell, geschichtlich und wirtschaftlich unglaublich nahesteht, und ich hätte gehofft, dass ich, gemeinsam mit dem Gesundheitsminister, in der Lage sein werde, die Einreisebeschränkung aufzuheben. Leider ist das nicht der Fall gewesen. Die Situation und die Entwicklung in den Westbalkanstaaten, die vor einigen Wochen teilweise schon sehr gut dastanden, hat sich wieder verschlechtert. Ich war daher gestern gezwungen, eine Reisewarnung für alle sechs Staaten des Westbalkans – das sind Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Albanien, Montenegro und Nordmaze­donien – auszusprechen.

Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, denn es ist uns klar, dass wahnsinnig viele Menschen in unserem Land Familie, Freunde, Bekannte dort haben, die sie jetzt nach


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Monaten der Trennung über die Sommermonate wieder sehen wollten. Gerade aber auch wegen der Entwicklung, die wir in Kroatien und Slowenien sehen können, wo vermehrt Cluster durch Rückkehrer aus dem Westbalkan aufgetreten sind – auch schon bei uns –, war dieser Schritt leider Gottes notwendig. Ich kann aber etwas versprechen: Wir werden den Einreisestopp oder die Bedingungen, dass man bei der Rückkehr aus dem Westbalkan in Quarantäne gehen oder einen Covid-Test machen muss, so schnell aufheben, wie es die Zahlen nur möglich machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte, ich glaube – es wurde schon mehrfach angesprochen –, Corona hat uns vielleicht den Fokus etwas verschoben, aber es muss uns eines klar sein: Die Außenpolitik ist nicht stehengeblieben. Uns steht möglicherweise ein heißer außenpolitischer Herbst bevor; wachsende Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten vor dem Hintergrund der Präsident­schafts­wahlen in den Vereinigten Staaten, die Zuspitzung im Nahen Osten, Stichwort Annexion, die schwierigen Brexitverhandlungen – sind noch nicht erwähnt worden –, und dies alles überschattet von einer drohenden Wirtschaftskrise.

Dabei muss ich aber sagen, die Postcoronaaußenpolitik hat nicht nur Schlechtes und nicht nur Negatives. Die letzten Monate haben uns nämlich die Bedeutung der Nach­barschaft sehr deutlich in Erinnerung gerufen. Es wurde vorhin vom Herrn Bundesrat angesprochen: Ich habe tatsächlich in den letzten drei Monaten ein Europa der Solidarität, ein Europa der guten Nachbarschaft erlebt. Es gab einen Schockmoment am Anfang, das ist absolut klar, es gab Anlaufschwierigkeiten, dann aber ist das Räderwerk sehr schnell geglückt. Ich war fast täglich in Kontakt mit meinen Kollegen aus den unmittelbaren Nachbarstaaten. Es gab alle zwei, drei Tage Videokonferenzen mit entwe­der allen 27 EU-Mitgliedstaaten oder zumindest in größeren Runden von EU-Mitglied­staaten. Wir waren uns alle sehr klar darüber und es war uns sehr bewusst, wie eng verwoben wir sind, wie unglaublich abhängig wir voneinander sind – gerade in Österreich reicht das von der Krankenpflege über Spitalinfrastruktur bis zu Erntehelfern –, dass wir diesen Austausch brauchen, dass wir aufeinander angewiesen sind. (Bundes­rätin Schumann: Oh! – Bundesrätin Mühlwerth: Weil wir es nie geschafft haben, die eigenen gut zu bezahlen!)

Aus diesem fast täglichen Austausch, den wir gepflegt haben, bei dem wir es doch geschafft haben, den Schmerz dieser Grenzkontrollen, dieser Grenzschließung, die wir verhängen mussten, auf einem Minimum zu halten, ist einiges entstanden, auf dem ich jetzt aufbauen will, denn eines ist klar: Gute Nachbarschaft ist im Grunde genommen kein Zufallsprodukt, kein Produkt der Geschichte und der Geografie, sondern etwas, das gepflegt werden muss, und wenn es gepflegt wird, kann es sich in Krisenzeiten, wie es sich jetzt erwiesen hat, zu einem wirklichen Asset, zu einem wirklichen Gewinn ent­wickeln.

Auf diesem Fundament möchte ich weiter aufbauen. Ich habe unmittelbar nach der Krise die Vertreter der Nachbarstaaten nach Wien gebeten. Es war der deutsche Kollege hier, es waren der tschechische, der slowakische, der slowenische und der ungarische Minis­ter gleichzeitig hier, ich bin dann in die Schweiz gefahren, morgen werde ich in Rom sein und am Montag in Bozen. Das ist von mir ein ganz klares Signal und eine Akzentsetzung auf die Nachbarschaft.

Wir haben auch einen etwas lockeren, sehr persönlich geprägten Verband gegründet, der sich the Central Five oder the C-Five nennt – das Copyright gehört nicht mir, sondern dem slowenischen Minister. Das sind neben Österreich die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn und Slowenien. Wir haben uns in Wien getroffen, werden uns im nächsten Monat in Budapest treffen und im September in Laibach. Das ist etwas, das, glaube ich, sehr sinnvoll ist, an dem man weiterarbeiten kann, denn die nächste Krise kommt sicher, und dann werden wir sicher auch unsere Nachbarn brauchen. Das heißt –


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und das will ich auch ausdrücklich betonen, bevor hier Missverständnisse entstehen –: Das ist kein fixer Verband, sondern ein lockerer Verband, wenn es einfach Sinn macht, aktuelle Fragen – von Transportfragen über kulturelle Fragen – miteinander zu be­sprechen. Wir haben auch andere Formate wie das Austerlitz-Format mit den Tschechen und Slowaken oder die Trilaterale mit Slowenien und Kroatien, die wir natürlich weiterhin verfolgen werden.

Wir sind sicher an einem neuralgischen Punkt angelangt. Einerseits wollen wir nach vorne blicken: Wir wollen Perspektiven schaffen, wir wollen aus dieser Wirtschaftskrise, die sich immer deutlicher abzeichnet, rauskommen. Andererseits müssen wir uns natür­lich auch gewahr sein, dass uns dieser Herbst sehr viel abverlangen wird. Es sind mehrere Punkte angesprochen worden, auf die ich jetzt kurz eingehen will:

Ja, ich bin absolut der Meinung, dass wir jetzt wieder stark auf Multilateralismus setzen müssen; nicht, weil das sozusagen eine Wahl ist. Ich glaube, für ein Land wie Österreich mit 8,8 Millionen Einwohnern, das vom Export abhängig ist, ist eine regelbasierte internationale Ordnung einfach lebenswichtig. Ich gebe zu, dass die Pandemie nicht der Höhepunkt des Multilateralismus war, da waren der Unilateralismus, der Bilateralismus oder vielleicht der Regionalismus mit den Gruppen innerhalb der EU, die nach vorne getreten sind, stark. Ich glaube aber – und das wird auch auf europäischer Ebene erfolgen –, das Thema des wirtschaftlichen Wiederaufbaus wird wieder die Stunde der Europäischen Union sein.

Ich gehöre auch nicht zu jenen, die einer EU-Kritik zustimmen, denn die Europäische Union hat kaum Kompetenzen im Gesundheitsbereich. Die öffentliche Gesundheit ist ein Bereich, bei dem man seit 1958 auch einen Schritt zurück machen kann, so wie bei der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Mitgliedstaaten einmal auf nationaler Ebene agiert haben, denn Gesundheitspolitik ist ein Kernelement der nationalen Kompetenz und wird es auch zukünftig bleiben.

Die EZA wird natürlich ein Fokus sein, national und auch die Europäische Union hat das schon angekündigt. Über 15 Milliarden Euro stehen allein für unsere unmittelbare Nachbarschaft als Soforthilfe in der Coronakrise zur Verfügung.

Der Wiederaufbaufonds ist angesprochen worden. Hierzu muss ich ganz klar sagen: Ich lehne absolut und kategorisch diese Diktion ab und halte es für absolut absurd, dass Staaten wie die Niederlande, Dänemark, Schweden und Österreich plötzlich schlechte Europäer sein sollen. Wir sind nicht die sparsamen vier, ich würde sagen, wir sind die Freunde der Steuerzahler, die darauf schauen, dass ein sinnvoller Kompromiss zustande kommt. Es geht ja nicht um das Ob, dass ein Recoveryfund entsteht, sondern um das Wie. Das heißt, es braucht eine Balance zwischen Zuschüssen und Krediten, und ich kann Ihnen zusichern, dass Österreich darauf schauen wird, dass diese Balance zustande kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sind uns dessen bewusst und haben überhaupt kein Interesse daran, dass ein Staat oder mehrere Staaten, von denen wir wissen, dass sie mit dem Rücken zur Wand stehen, wirtschaftlich ins Trudeln kommen. Das ist nicht in unserem Interesse. Es ist aber wohl legitim – wenn man über den größten einzelnen Topf in der Geschichte der Europäischen Union spricht, nämlich 750 Milliarden Euro –, dass diskutiert und ver­handelt wird, und ich bin guter Dinge, dass wir auch irgendwann einen sinnvollen Kom­promiss finden werden.

Einige Themen sind angesprochen worden, bei denen es mir sehr essenziell erscheint, dass wir in Österreich trotz der Coronakrise das Scheinwerferlicht auch weiterhin darauf richten. Es darf nicht sein, dass sie im Schatten von Covid-19 irgendwie verschwinden. Das geht von den Fragen zu Hongkong über die Entwicklung in Russland und die


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Beziehungen Israel-Palästina bis hin zur Türkei. Letzteres ist gerade jetzt ein heißes Thema, bei dem wir in der Bundesregierung eine ganz klare Linie verfolgen.

Ich möchte aber eines noch einmal ganz klar sagen – es ist auch beim letzten Mal schon in diesem Gremium angesprochen worden –: Wir müssen uns vergegenwärtigen, wenn wir Außenpolitik betreiben – und ich glaube, gerade eine parlamentarische Einrichtung wie der Bundesrat ist dazu berufen –, dass unter den 193 Staaten der Welt jene Gruppe, die für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Grundrechte, Meinungsfreiheit, Versammlungs­freiheit, Medienfreiheit, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung eintritt, in der Minder­heit ist. Das ist vielleicht nur noch ein Viertel dieser 193 Staaten. Das heißt, wenn man auf die USA – blind – hinschlägt, dann muss man sich überlegen, wer der lachende Dritte ist: Es ist Peking.

Ich gebe nur noch ein letztes Beispiel, wie die Balance steht. Das Thema Uiguren und China ist angesprochen worden. Wir haben mit einer Reihe von anderen Staaten eine sehr deutliche Erklärung im Menschenrechtsrat abgegeben. Diese Erklärung wurde von 27 Staaten unterstützt, die Gegenerklärung, verlesen von Kuba, von 52 Staaten. – So sieht es momentan mit dem Kräfteverhältnis aus.

Daher mein Aufruf, dass wir uns immer wieder, wenn wir Außenpolitik betreiben oder Bewertungen anderer Staaten vornehmen, bewusst sind: Es gibt nur noch eine Gruppe von Staaten, in denen das gleiche Lebensmodell vertreten wird, die für das Gleiche eintreten. Für mich gehören die Vereinigten Staaten – ganz gleich, wer im Weißen Haus steht und sitzt – klar dazu. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

11.09


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer und Teil­nehmerinnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christian Buchmann. Ich erteile es ihm.


11.10.11

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie betreffen alle Gesell­schafts- und Politikbereiche, so natürlich auch die österreichische Außenpolitik.

Es ist vom Herrn Bundesminister, glaube ich, schon sehr eindringlich dargestellt worden, dass es abseits der Pandemie – hätte es diese Pandemie nicht gegeben und gebe es sie nicht – eine ganze Fülle weiterer offener Fragestellungen in der Welt gibt. Es sind zum Teil Bruchlinien, zum Teil zumindest Fragestellungen, um es freundlich zu formu­lieren, bei denen Europa eine wesentliche Rolle spielen kann, seine gemeinsame Linie aber oft auch erst finden muss.

Es wurde das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika angesprochen, es wurde China schon adressiert, es wurde Russland erwähnt. Eine kohärente Politik der Europäischen Union gegenüber China ist eine wesentliche Frage, nicht nur, was die Menschenrechte betrifft, sondern beispielsweise auch hinsichtlich der Frage der Wirt­schaftsbeziehungen und der geistigen Eigentumsrechte, die ebenfalls angesprochen gehören. Eine kohärente Politik ist auch im Verhältnis zur Türkei mehr als nur gefragt. Man könnte diese Liste mit Israel weiter fortsetzen. Selbstverständlich gehört auch das aktuelle Verhältnis zum Vereinigten Königreich, also zu Großbritannien, mit dem wir mitten in den Brexitverhandlungen stehen, dazu.


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Die vergangenen Wochen und Monate haben die Außenpolitik sicher nicht einfacher gemacht, da im Mittelpunkt einer Außenpolitik immer auch die persönlichen Beziehun­gen stehen. Der Herr Bundesminister hat auf gewisse Gruppen hingewiesen, die an ge­meinsamen Themenstellungen arbeiten. Das ist während der Zeit von Reise­beschrän­kungen schwerer möglich. Das heißt, über Videokonferenzen kann nur eingeschränkt aktiv gearbeitet werden.

Das hat auch uns als Parlamentarier und Parlamentarierinnen sehr getroffen, bei­spiels­weise konnten die kroatischen Kollegen hinsichtlich der parlamentarischen Dimension der jeweiligen Ratspräsidentschaft nur sehr eingeschränkt ihren Plan der Aktivitäten umsetzen. Wir haben uns in einer Videokonferenz der Vorsitzenden ausgetauscht und aktuelle Fragestellungen wie beispielsweise die Konferenz zur Zukunft Europas adressiert, bei der es für uns als nationale Parlamente entscheidend ist, mitwirken und mitreden zu können, um auch den Menschen in den österreichischen Regionen, in den österreichischen Städten und Gemeinden eine Stimme zu geben.

Vergangene Woche hat es eine Videokonferenz mit Michel Barnier, dem Chefverhandler der Europäischen Union in der Frage des Brexits, gegeben. Wir haben noch einmal klargemacht, dass aus Sicht der EU-27 ein Rosinenpicken nicht zweckmäßig ist. Wir wollen im Bereich der Steuern, der sozialen Rechte, aber auch beispielsweise des Schutzes von Lebensmitteln keinesfalls ein Dumping akzeptieren. Das ist, glaube ich, auch wichtig und wird vom österreichischen Außenministerium entsprechend unterstützt.

Gestern hatten wir Gelegenheit, mit dem deutschen Botschafter im EU-Ausschuss des Bundesrates eine Aussprache zu pflegen, bei der die deutsche Ratspräsidentschaft vorgestellt worden ist. Das ist aus meiner Sicht nicht ganz unwichtig, weil die wirt­schaftlichen Rahmenbedingungen innerhalb Europas, aber damit auch der Welt ange­sprochen werden. Es wurde heute schon erwähnt, dass der Multilateralismus etwas Wichtiges ist. Ich sehe das auch so. Dazu gehören auch Handelsverträge. Deutschland wird sich bei diesen Handelsverträgen entsprechend artikulieren. Ich weiß, dass wir hier im österreichischen Bundesrat unterschiedliche Zugänge zu diesem Thema haben, Stichwort Mercosur beispielsweise. Wenn wir aber insgesamt Europa in der Welt positionieren wollen, wird es gut sein, wenn wir auch bei den Handelsbeziehungen weitermachen.

Geschätzter Herr Außenminister, auch das Verhältnis der europäischen Staaten und Europas insgesamt in der WTO beispielsweise zu Amerika bedarf dringend einer Klä­rung. Sie wissen das. Wir haben das auch schon einige Male angesprochen.

Aus meiner Sicht war es sehr beeindruckend, als der Herr Außenminister dargestellt hat, wie erfolgreich die Repatriierungsflüge von Österreicherinnen und Österreichern aus dem Ausland stattgefunden haben. Ich kann nur unterstreichen, dass wir auf das System der Botschaften und der österreichischen Vertretungen im Ausland stolz sein können. Das hat exzellent funktioniert. Ich habe viele persönliche Rückmeldungen bekommen. – Bitte geben Sie das auch an Ihr Team weiter!

Wir sind stolz auf diese Organisation des österreichischen Außenministeriums. Die Österreicherinnen und Österreicher können sich darauf verlassen, dass diese Versicherung funktioniert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Nachbarschaftspolitik wurde angesprochen. Danke, dass es bei den Pflegekräften Lösungen gegeben hat. Danke, dass es für - -


Vizepräsident Michael Wanner: Bitte zum Ende kommen! Die Redezeit von 5 Minuten ist vorbei.


Bundesrat Mag. Christian Buchmann (fortsetzend): Ein letzter Satz: Uns ist der Westbalkan in diesem Haus immer ein großes Anliegen gewesen. Es ist schön, dass es


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gelungen ist, auch während der Pandemie den Kandidatenstatus für Albanien und Nord­mazedonien zu erreichen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, weitere müssen folgen. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.16


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. Ich erteile es ihr.


11.16.32

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Außenpolitik oder besser gesagt die Politik der internationalen Zusammenarbeit ist in der Coronakrise gefragter denn je oder wäre gefragter denn je, denn das Virus kennt keine Grenzen. Das Virus ist sozusagen der gemeinsame Feind der Menschheit, den wir auch nur gemeinsam bekämpfen können. Es ist der Feind, der uns eint oder uns einen sollte. Deshalb möchte ich nicht von Außenpolitik sprechen, sondern von einer Politik der internationalen Zu­sammenarbeit. Das ist in diesem Zusammenhang, aber generell im Bereich der sprichwörtlichen Außenpolitik eigentlich der treffendere Begriff. Er gilt wie gesagt nicht nur für die Virusbekämpfung, sondern für alle Bereiche, die wir unter dem Begriff Außen­politik subsumieren.

Vielleicht ist dies eine Lehre, die wir aus der Krise ziehen können, nämlich dass nur eine gelingende Zusammenarbeit auf internationaler und auf europäischer Ebene der Schlüssel zur Problemlösung ist – dies umso mehr in einer globalisierten, vernetzten Welt, in der Entfernungen eigentlich kein Kriterium mehr sind.

Wenn wir uns nun die Chronik der Krise vor Augen führen – und das sollten wir tun –, dann können wir schon einige Lehren ziehen, in welchen Bereichen man noch Verbes­serungspotenzial hätte. Wir sollten uns wirklich sehr intensiv und sehr kritisch – ohne Schuldzuweisungen, aber kritisch – mit dieser Chronik, mit einer Nachbetrachtung, auseinandersetzen, damit allfällige Fehler nicht wiederholt werden, denn wir wissen nicht, ob sich so eine Situation nicht noch einmal ereignet. Es ist heute schon von Ihnen, Herr Minister, aber auch von Kollegen Buchmann und weiteren angesprochen worden: Wir haben eher einen Unilateralismus statt eines Multilateralismus wahrgenommen. Leider hat auch Österreich einen Beitrag dazu geleistet, vom Prinzip der internationalen Zusammenarbeit abzugehen.

Wenn man sich zum Beispiel Folgendes anschaut: Im letzten Quartal 2019 haben uns die Nachrichten von einer Krankheitswelle im fernen China erreicht. Das war für uns noch sehr, sehr weit weg. Wir haben die Chinesen bedauert – die Armen müssen da schon wieder eine Krankheitswelle bewältigen. Die WHO hat relativ spät, aber doch, um den Jahreswechsel herum, gewarnt. Das aber ist im Silvestertrubel anscheinend unter­gegangen. Im Jänner, Februar hat die EU-Kommission die Ministerräte im Gesundheits­bereich zusammengetrommelt und vor einer Verbreitung des Virus in Europa gewarnt. Sie hat angeregt, einen gemeinsamen Beschaffungsvorgang durchzuführen, was Schutzmasken und zum Beispiel Beatmungsgeräte sowie Dinge, die man eben braucht, wie Desinfektionsmittel, Tests und so weiter betrifft.

Wie über Reuters und in Protokollen nachzulesen ist, sind aus den europäischen Staaten und auch aus Österreich Signale gekommen, eher auf einzelstaatliche Maßnahmen zu setzen. Man hat gesagt: Na, wir haben alles im Griff. Das machen wir selbst. Wir brauchen keinen europaweiten Beschaffungsvorgang.

Es war aber schon absehbar, dass sich die Situation am Weltmarkt zuspitzt, dass es zu einer Verengung kommt, wenn weltweit die Nachfrage steigt. Jeder aber hat auf das


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eigene Land, auf die eigene Problemlösungskapazität gesetzt und nicht auf die gemein­same Bewältigung. Das also ist schon eine Lehre, die man ziehen kann: den eigenen Institutionen, denen man angehört – Europäische Union, Kommission, WHO und so weiter –, auch zu vertrauen, weil sie die Expertise haben. Nehmen wir diese Lehre an und vertrauen wir darauf!

Dann hätte man vieles vermeiden können, wie auch Kollege Schreuder am Beispiel des Hamsterns, das auch die Länder und dann auch Österreich panikartig gemacht haben, gezeigt hat. Es ist ein Alarmismus in einer Art und Weise verbreitet worden, dass die Menschen dann teilweise gar nichts mehr ernst genommen und auch berechtigte Warnungen in den Wind geschlagen haben. Das sollte nicht passieren, auch nicht bei den Reisewarnungen. Deshalb bitte ich Sie, Herr Minister, wirklich nur evidenzbasierte Informationen an die Bevölkerung weiterzugeben. Reisewarnungen sollten wirklich nur - -


Vizepräsident Michael Wanner: Frau Bundesrätin, auch deine Redezeit von 5 Minuten ist zu Ende.


Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (fortsetzend): Ja, aber noch ein Lob für die Rückholaktionen: Sie sind wirklich gut gelungen. Das war eine immense Herausfor­derung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.22


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile es ihm.


11.22.07

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Minister! Kollegen Bundesräte! Ja, das Thema der Aktuellen Stunde lautet „Auswir­kun­gen der Coronakrise auf die österreichische Außenpolitik“. Ihr hättet das aber auch unter den folgenden Titel stellen können: Wir werden nun in Zukunft für alles, was wir seitens der Regierung nicht sehen oder tun wollen, Corona als Ausrede verwenden.

Ich weiß natürlich, mir sitzt hier die beste Regierung aller Zeiten gegenüber. (Rufe bei der ÖVP: Bravo! – Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Eine Wortmeldung der Opposition wird natürlich als lästiger Fleck am Regierungs-Slim-Fit-Anzug angesehen. Allerding glaube ich kaum, dass die Corona­krise schuld daran sein soll, dass außenpolitisch momentan nur wenig weitergeht.

Sie schreiben selbst auf Ihrer Seite des Bundesministeriums, Herr Minister, dass Außen- und Europapolitik mit sichtbarem und beständigem Profil gemacht werden müssen. Das unterschreibe ich sofort, nur: Dieses Profil sehe ich leider nicht. Ich glaube auch nicht, dass die Coronakrise schuld daran ist, dass es an der türkisch-griechischen Grenze immer noch ein großes Problem mit angeblichen Flüchtlingen gibt. Nur, weil die Bericht­erstattung darüber durch Corona ins Hintertreffen geraten ist, hat sich dieses Problem nicht in Luft aufgelöst. Die EU muss endlich den Außengrenzschutz sicherstellen, um auch für die Sicherheit der EU-Bürger sorgen zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Was macht man aber jetzt? – Man will doch allen Ernstes wieder zusätzliches Geld in diesen – ja, wie sagt man da – Staat Türkei, der von einem Sultan regiert wird, senden; zusätzlich zu den – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – 6 Milliar­den Euro, die ja der unsägliche Flüchtlingsdeal an Steuergeldern schon kostet, will man noch 485 Millionen Euro senden. Wo ist denn da die Stimme unseres Ministers, des Verteidigers der österreichischen Interessen, wo wir doch das Geld im eigenen Land, aber auch das europäische Steuergeld in Europa dringend brauchen, um Ländern wie Spanien, Griechenland, Italien zu helfen? Es geht nicht an, unser europäisches Steuer­geld in den Rachen Erdoğans zu schmeißen!


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 39

Setzen Sie vielleicht aus Österreich kommend einmal ein deutliches außenpolitisches Zeichen: keine finanzielle Zuwendungen mehr in Richtung Erdoğan, keine finanziellen Zuwendungen mehr an türkische Vereine in Österreich, keine Verleihung unserer so wertvollen Staatsbürgerschaft in Österreich an Türken, keine weiteren Heranführungs­hilfen der EU an die Türkei und eine umgehende Einstellung aller sonstigen Zahlungen, die seitens der EU an die Türkei fließen! – Das wäre einmal ein deutliches außen­politisches Zeichen, mit dem Sie wirklich Profil zeigen könnten und das Sie nicht nur auf Ihrer Seite kundtun müssten. In all diesen Bereichen wären Sie als Außenminister ge­fragt. Sie sehen, Sie haben viel zu tun. Gehen Sie bitte die großen Brocken im Außen­ministerium an, Herr Minister!

Um den Kreis zu schließen: Ich weiß, die Vorschläge seitens der Opposition interes­sieren die Regierung nur wenig, ob es nun die schwarz-grüne Regierung im Bund oder die schwarz-grüne Regierung in Tirol ist, die ja über die österreichischen Grenzen hinaus mittlerweile sehr bekannt ist. Ich darf zitieren: Wir haben alles richtig gemacht. – Nein, Herr Minister, diese beiden Regierungen im Bund und in Tirol machen sehr vieles falsch. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.26


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Adi Gross. Ich erteile es ihm.


11.26.31

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Außenminister! Außenpolitik ist Europapolitik, und da steht jetzt vor allem der Recoveryplan der Kommission auf der Tagesordnung. Ein Konzept liegt vor, initiiert von Macron und Merkel, und seit Ende Mai gibt es auch einen ganz konkreten Verord­nungsvorschlag der Europäischen Kommission dazu. Das ist wirklich eine extrem wichtige Initiative. Wir haben es gehört, es geht um ein Gesamtvolumen von 750 Milliar­den Euro. Davon sollen 430 Milliarden Euro nicht rückzahlbar sein, 250 Milliarden Euro sollen als Darlehen und 66 Milliarden Euro als Garantien zur Verfügung stehen.

Entgegen Behauptungen, die jetzt schon gefallen sind, geht dies nicht einfach nur in Kassen, sondern diese gesamten Mittel sind an konkrete Zwecke gebunden. Schauen Sie in den Verordnungsentwurf hinein! Dort gibt es eine Liste, wofür diese Mittel verwen­det werden können, weil es ja schließlich um eine ganz konkrete Erholung der Wirtschaft und vor allem darum geht, Investitionen auszulösen.

Damit verbunden ist natürlich auch eine Refinanzierung dieser Gelder, die die EU auf­nimmt, nämlich – und das ist längst notwendig – durch Stärkung der eigenen Res­sourcen der Europäischen Union, und auch das durch sehr, sehr sinnvolle Maßnahmen, durch Maßnahmen, die wir eigentlich schon lange brauchen, auf die wir schon warten. Das ist zum Beispiel der Emissionshandel. Endlich kommt es zu einer Ausweitung auf die Schifffahrt und auf die Luftfahrt. Das ist wirksam, es kommt sinnvoll Geld herein. Es wird eine Carbon-Border-Tax vorgesehen, also eine CO2-Steuer für Importe, wenn sie viel CO2 verursachen. Dies ist übrigens eine ganz wichtige Maßnahme, um unsere eigene Industrie, die energieintensive Industrie, zu schützen. Weiters ist beispielsweise eine Digitalsteuer vorgesehen. Dies ist eine wichtige Initiative, um die EU zu stärken. Das wären etwa 30 Milliarden Euro pro Jahr, was auf die ganze EU gesehen eigentlich auch kein Riesenbrocken ist.

Leider – ich sage das auch ganz offen in Richtung unserer Freunde in der Koalition – unterstützen Teile der Regierung diesen Vorschlag noch nicht. Ich finde das sehr schade. Ich hoffe, das schaffen wir noch. Auch Kollege Karas – er ist ja auch nicht der unwichtigste Europapolitiker – setzt sich wirklich ganz klipp und klar für diesen Vorschlag ein.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 40

Nehmen wir ein anderes Beispiel: Ein Land, das uns sehr nahesteht, Deutschland, ein Land, das sicher sehr sorgsam mit Geld umgeht, sparsam ist und auch ein Exportland ähnlich wie Österreich, hat natürlich verstanden, dass sein Wohlstand, sein Export­niveau, sein Exporterfolg davon abhängt, dass andere Länder importieren können. Importieren kann ein Land nur, wenn es ihm wirtschaftlich gut geht. Das ist einfach rein rational. Die Hilfe an diese Staaten, die jetzt wirtschaftlich stark mitgenommen sind, ist letztlich eine Hilfe für die eigene Wirtschaft, für den eigenen Wohlstand, indem man anderen Leuten in anderen Ländern Einkommen verschafft. Diese Vorgangsweise müsste man also nicht einmal altruistisch sehen, wiewohl der Gedanke einer euro­päischen Solidarität essenziell für das Fortbestehen ist.

Nehmen Sie sich doch Österreich selbst als Beispiel! So wie wir in Österreich helfen – man kann meinetwegen über Details diskutieren –, nämlich betroffenen Gruppen, Betrie­ben und so weiter, die wirtschaftlich vielleicht eh auch schon schwach waren, so wie man jetzt Gemeinden hilft, so muss es auch in der EU geschehen, und zwar ohne mit dem Finger auf Dritte zu zeigen oder Gegenleistungen einzufordern.

Das möchte ich jetzt klar in Richtung FPÖ sagen: Ich meine, das Übelste, das man jetzt tun kann, ist, abschätzig auf Länder im Süden zu zeigen und populistisch auszurufen, man habe nichts zu verschenken. Ich sage es ganz direkt, Frau Kollegin Mühlwerth: Das, was Sie da machen, ist Kulturchauvinismus, und das sollte eigentlich keinen Platz haben. (Bundesrat Steiner: Was? Kultur was? – Bundesrat Schennach: Kulturchau­vinismus! – Bundesrätin Mühlwerth: Jo mei!)

Es ist jetzt auch besonders wichtig – das gehört mit zur Außenpolitik –, am europäischen Green Deal festzuhalten. Das ist eine Frage der Außenpolitik, wie gesagt. Auch das ist grundvernünftig. Es ist unabdingbar, die wirtschaftliche Erholung auch ökologisch auf nachhaltige Beine zu stellen. Das stärkt die EU. Gerade der Bereich Umwelttechnologien ist eine Sparte, ein Bereich, in dem die Europäische Union im Vergleich zu vielen anderen Sachen weltweit eine Führungsposition einnehmen kann. Es ist auch eine Versicherung für künftige Wettbewerbsfähigkeit.

Wir haben eine ganz wichtige und dringende Aufgabe vor uns – im Vergleich dazu ist die Herausforderung durch Corona, so schlimm sie ist, ein Minizwerg –, nämlich den Klimawandel und seine Folgen in den Griff zu bekommen, Klimaschutz so zu machen, dass wir auch weltweit unter 1,5 Grad liegen können, dass sich Europa - -


Vizepräsident Michael Wanner: Herr Bundesrat, auch Ihre Redezeit ist zu Ende.


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (fortsetzend): Wir haben auch im Regierungs­pro­gramm verankert, dass sich Österreich in der EU sehr aktiv für eine progressive Klima­schutzpolitik einsetzt.

Das heißt zusammengefasst: Eine kluge Außenpolitik in Zeiten nach Corona unterstützt eine solidarische Europäische Union und eine ökologische und soziale nachhaltige Entwicklung mit aller Kraft. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.32


Vizepräsident Michael Wanner: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

11.32.16Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Michael Wanner: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mit­teilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Ste­no­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 41

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortung

(Anlage) (siehe auch S. 5)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Außen- und Europapolitischer Bericht 2019 der Bundesregierung (III-720-BR/2020)

zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten

und

Verkehrstelematikbericht 2020,vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-721-BR/2020)

zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr

*****

Anlage:

B U N D E S R A T

Liste der Anfragebeantwortungen

3486/AB-BR/2020      Mag. Gernot Blümel, MBA                                                                BMF

3760/J-BR/2020          Sicherung der Gemeindefinanzen in der Krise

*****


Vizepräsident Michael Wanner: Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Ent­schließungsantrag, die beziehungsweise der Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Behandlung der Tagesordnung


Vizepräsident Michael Wanner: Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegen­stände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 42

Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 2 bis 4 unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist auch nicht der Fall.

Verlangen auf Durchführung einer Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020


Vizepräsident Michael Wanner: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass das gemäß § 60 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen vorliegt, eine Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 der schriftlichen Anfrage 3760/J-BR/2020 an den Herrn Bundesminister für Finanzen durchzuführen.

Im Sinne des § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung verlege ich die Besprechung der Anfra­gebeantwortung an den Schluss der Sitzung, nicht jedoch über 16 Uhr hinaus.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

11.34.361. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungs­finanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird, und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (22. COVID-19-Gesetz) (589/A und 218 d.B. sowie 10350/BR d.B. und 10356/BR d.B.)


Vizepräsident Michael Wanner: Wir gelangen zu Tagesordnungspunkt 1. Dazu be­grüße ich die Frau Staatssekretärin recht herzlich bei uns. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


11.35.10

Berichterstatter Marco Schreuder: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den  Bericht des Ausschusses für Tourismus, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bun­des­gesetz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selb­ständige Künstlerinnen und Künstler erlassen wird, und Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird, 22. COVID-19-Gesetz, zur Kennt­nis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Michael Wanner: Da Sie als Erster zu Wort gemeldet sind, Herr Bundesrat, dürfen Sie gleich hierbleiben. Ich erteile es Ihnen. (Bundesrätin Mühlwerth: Kannst eh gleich draußen bleiben!)


11.36.00

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herzlich willkommen, Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Gestern fand in Wien ein Schweigemarsch statt. Dieser wurde von Gerhard Ruiss angeführt – wer in der Kulturpolitik aktiv ist, kennt


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 43

ihn seit Jahrzehnten –, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich zum H.-C.-Artmann-Preis gratulieren kann. Er hat auf die Situation von Künstlerinnen und Künstler hingewiesen.

Heute zu Beginn der Sitzung war der Salzburger Landeshauptmann da und hat, wie ich fand, sehr eindrucksvoll, sehr historisch, erzählt, wie die Situation nach dem Ersten Weltkrieg war, als keine Touristen reingelassen wurden, als man schlicht und ergreifend gehungert hat, als Not herrschte und Menschen in die Zukunft geblickt haben, Weitblick hatten, sich getraut haben, einmal voranzuschreiten und Grenzüberschreitungen in den Vordergrund zu rücken. Das waren Künstlerinnen und Künstler, in dem Fall beispiels­weise Max Reinhardt, den ich immer sehr gerne nenne, war ich doch einmal Max-Reinhardt-Seminarist, oder Hugo von Hofmannsthal und wie sie alle heißen, die gesagt haben: Wir machen ein Festival in dieser Not, wir machen Kultur, wir machen Kunst!

Ich glaube – ohne dass ich die Zeit damals mit heute irgendwie vergleichen möchte; das wäre, glaube ich, völlig unzulässig –, immer dann, wenn es Bruchlinien in der Gesell­schaft gibt, wenn es Krisen gibt, wenn es neue Fragen und neue Herausforderungen gibt, sind die Antworten, die Fragestellungen, die Gedanken, die Schilderungen, die Gefühlsausdrücke der Kunst so wichtig. Deswegen war das Motto des gestrigen Schweigemarsches, „ohne Kunst wird’s still“, so wichtig, denn gerade jetzt brauchen wir die Stimmen der Künstlerinnen und Künstler, möglicherweise mehr denn je.

Wir haben Künstlerinnen und Künstlern geholfen, aber noch nicht genug, deswegen beschließen wir das heute. Ich sage das gleich vorab, weil es ja durchaus Kritik gab, dass diese Summe viel kleiner wäre als in anderen Ländern. Ich möchte aber auch hinzufügen: Der Härtefallfonds wurde bereits eingerichtet, da wurde schon ausbezahlt. Die Verwertungsgesellschaften haben da einen ganz hervorragenden, ganz wertvollen Teil beigetragen. Mit diesem Beschluss – es freut mich auch, dass wir das im Ausschuss einhellig geschafft haben – schaffen wir Überbrückungshilfen für die Künstlerinnen und Künstler. Es ist ein Topf von 90 Millionen Euro, und dieses Geld – ungefähr 1 000 Euro im Monat – geht an Künstlerinnen und Künstler, die bei der SVS versichert sind. Damit wird man wohl auch nicht alle erreichen, das ist uns bewusst; aber es war jetzt auf jeden Fall die gescheiteste Vorgangsweise, die wir wählen konnten.

Es freut mich aber auch für viele VeranstalterInnen, zum Beispiel von den gemein­nützigen Vereinen, jetzt bekannt geben zu können, dass heute die Richtlinien fertig geworden sind und man auf npo-fonds.at bereits Anträge stellen kann. Das sei an dieser Stelle auch festgehalten, weil das ja nicht nur, aber auch den einen oder anderen Kulturverein oder Kulturveranstalter – Kulturveranstalterin – betrifft.

Die Richtlinien sind, wie schon im Ausschuss gesagt wurde, im Grunde fertig. Man hat auf einen Beschluss im Bundesrat gewartet, deswegen will ich diesen Beschluss auch gar nicht weiter verzögern, damit wir schnell zu diesem Beschluss kommen, die Richt­linien veröffentlichen und die Künstlerinnen und Künstler Anträge stellen können. Ich freue mich darauf. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)

11.40


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.40.11

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer und Zuseher vor den Bildschirmen! Es geht nun um den Fonds für eine Überbrückungs­finanzierung für selbstständige Künstlerinnen und Künstler in der Höhe von 90 Millionen Euro.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 44

Künstler sind „Personen, die Kunst und Kultur schaffen, ausüben, vermitteln oder leh­ren“. – An dieser Definition sieht man schon die Vielfalt in der Kunst und Kultur und der im Bereich Kunst und Kultur Tätigen. Es hat sich gezeigt, dass es verschiedene Unter­stützungsmaßnahmen braucht, um diese besonders schwer getroffene Branche durch die Krise zu führen.

Kultur ist meiner Meinung nach systemrelevant, nämlich für unsere Gesellschaft, für den Austausch, als Bereicherung, als Brücke, besonders aber für Kinder und Jugendliche, für uns Senioren, aber auch für den Tourismus, für die Wertschöpfung und generell, glaube ich, für unser Menschsein. Kultur ist ein Wert an sich, da werden mir alle zustim­men, die gestern Abend am Festakt anlässlich der Vorsitzübernahme Salzburgs im Bun­desrat teilgenommen haben und die wunderbaren Künstler der Salzburger Festspiele erleben durften. Ich möchte der Frau Präsidentin für diese Möglichkeit noch einmal danken. (Allgemeiner Beifall.)

Die Antragstellung für diesen Unterstützungsfonds wird ab sofort möglich sein, möglichst unbürokratisch, aber natürlich kontrollierbar, wobei die Abwicklung digital über die Sozialversicherung der Selbständigen erfolgen soll. Sie hat Erfahrung im Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern und besitzt das entsprechende Know-how. 6 000 Euro wird die Höhe sein, und anspruchsberechtigt sind alle, die in der Sozialversicherung der Selbständigen freiwillig versichert oder pflichtversichert sind. Diese Gruppe umfasst ungefähr 15 000 Personen.

Gott sei Dank steht Kultur ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung; das hat die Frau Staatssekretärin selbst auch erst kürzlich dankenswerterweise wieder betont. Ja, die Bundesregierung kümmert sich um die Kultur, und sie hat es geschafft, den Kunst- und Kulturbetrieb in Österreich wieder zu öffnen. Sie hat Maßnahmen zur Unterstützung von gemeinnützigen Kultureinrichtungen und kommerziellen Kulturanbietern festgelegt. Ich möchte hier – auch wenn Kollege Schreuder schon zwei, drei erwähnt hat – noch einige erwähnen, weil im Zuge der gesamten Maßnahmenpakete das eine oder andere leider untergeht.

Die Künstlersozialversicherung, der Künstler-Sozialversicherungsfonds hat bisher schon zusätzlich 5 Millionen Euro für Notfälle bereitgestellt.

Die Filmwirtschaft bekommt eine Rückversicherung in der Höhe von 25 Millionen Euro an nicht rückzahlbaren Ausfallszuschüssen. Die Filmwirtschaft ist meiner Meinung nach ein wichtiger Zweig der Kreativwirtschaft, und die Zusammenarbeit zwischen Wirt­schafts­ministerium, Kulturstaatssekretariat, der Wirtschaftskammer, dem ORF und den heimischen Filmschaffenden hat dazu geführt, dass dieses Modell auch funktionieren wird.

Ich möchte auch noch einmal auf den 700-Millionen-Euro-Fonds für gemeinnützige Organisationen zurückkommen, zu dem heute eben die Richtlinien präsentiert wurden. Auch ich war ein bisschen unglücklich darüber, dass es so lange gedauert hat (Bun­desrätin Schumann: Ja!), aber es war eine extrem komplexe Materie. Sie werden wissen, ich habe im Ausschuss auch danach gefragt und darum gebeten. Heute sind die Richtlinien veröffentlicht worden. Die Öffentlichkeit weiß nun, wann man sich wo und wie bewerben kann. Diese Maßnahme wird sicher vielen, vielen Vereinigungen in Stadt und Land Hilfe bringen.

Die Richtlinien des Härtefallfonds wurden ebenfalls im Laufe der Zeit verändert, er­wei­tert, verbessert, auch der Bezieherkreis wurde erweitert. Ich möchte kurz ein paar Zahlen betreffend diesen Fonds nennen: In Phase 1 und Phase 2 wurden über 16 000 An­träge aus Kunst und Kultur bearbeitet und bereits 9,5 Millionen Euro ausgezahlt.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 45

Als Punkt fünf möchte ich noch auf das neue Sonder- und Entlastungspaket der Bun­desregierung für den Tourismus, die Gastronomie und die Kultur, zu sprechen kommen: Die Umsatzsteuersenkung auf 5 Prozent für Kunst und Kultur, Theater, Konzerte, Kinos, aber auch für Bücher bis Ende des Jahres bringt eine große Hilfe.

Natürlich werden noch weitere Maßnahmen notwendig sein, vor allem für die Bundes­theater – Staatsoper, Burgtheater, Volksoper – und die Bundesmuseen. Wir sind aber auf einem guten Weg, weil es der Bundesregierung und deren hervorragendem Krisen­management gelungen ist, dass Österreich früher als andere Länder schrittweise wieder zur Normalität zurückkommen kann.

Am 24. Juni veröffentlichte der ORF online die Nachricht, dass Schwedens Chef­epide­miologe Anders Tegnell sagte, dass man in Schweden den Senioren zu wenig Schutz gegeben habe. Er bereute „einen Teil seiner Strategie im Umgang mit dem Coronavirus. Der Schutz vor einer Ansteckung der Älteren [...] sei gescheitert“, sagte er „und die Todesrate ‚schrecklich‘ [...]. Schwedens lockere Coronavirus-Strategie, für die Tegnell federführend verantwortlich war, wird kritisiert. [...] In Schweden mit seinen etwas mehr als zehn Millionen Einwohnern wurden laut der staatlichen Gesundheitsbehörde bisher rund“ 68 000 „Menschen positiv auf das Virus getestet. Mehr als“ 5 300 „Menschen sind im Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion gestorben.“ Der Epidemiologe sagte, dass „vor allem die vielen Toten unter den Senioren hätten vermieden werden müssen“, und er bedauerte, „dass das Land zu wenig Maßnahmen im Kampf gegen das Virus ergriffen habe.“ – Diese Worte hat er im schwedischen Radio am 24. Juni selbst gesagt. (Bundesrat Rösch: Wir haben die besseren Ärzte gehabt!)

Warum gehe ich darauf so ausführlich ein? – Weil wir in Österreich im Gegensatz dazu infolge der treffsicheren Maßnahmen der Bundesregierung und dank der Österreiche­rinnen und Österreicher, die sich vorbildlich daran gehalten haben (Bundesrat Rösch: Die Ärztekammer auch!), nun Lockerungen machen können und uns auf Veran­stal­tungen freuen dürfen, vor allem natürlich auch auf kulturelle Highlights. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Einen Schlusssatz möchte ich Ihnen noch sagen, meine Damen und Herren: Machen Sie Urlaub in Österreich! Das sage ich vor allem für die Damen und Herren vor den Bildschirmen. Besuchen Sie so bald wie möglich alle Kulturveranstaltungen! Zum Schluss möchte ich einen Satz, den Gust Wöginger im Nationalrat gesagt hat, abwan­deln. Er sagte, heuer „Almen statt Palmen“ (Bundesrat Rösch: Da würde Tirol passen!), und ich möchte ergänzen: Bitte genießen wir zu unserer schönen Natur auch die Kultur! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.48


Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Eva Prischl zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.


11.48.58

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Meine werten Kolleginnen und Kollegen Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die Kulturschaffenden und alle in der Kultur tätigen Personen tragen mit ihrer Arbeit, ihrem Engagement und ihrer Kreativität wirklich sehr zum Wohl der Kulturnation Österreich bei, daher möchte ich von dieser Stelle aus allen, die in der Kultur tätig sind, einmal herzlich danken: Danke schön! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Die Krise hat uns viel gelehrt, unter anderem auch, wie wesentlich Kunst und Kultur sind. Unter dem Motto „ohne Kunst wird’s still“ hat gestern, wie meine Vorredner schon er­wähnt haben, ein Schweigemarsch auf der Wiener Ringstraße mit fast 800 Teilnehmern


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 46

stattgefunden. Kunst und Kultur sind in vielerlei Hinsicht ein wesentliches identitäts­stif­ten­­des Merkmal für einen Ort, eine Region und für Gesamtösterreich. Auch die Wert­schöp­fung ist nicht zu verachten. Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung gibt in diesem Zusammenhang Zahlen von immerhin 9,8 Milliarden Euro bekannt, 150 000 Leute sind im Bereich Kultur beschäftigt.

Die österreichische Kulturwirtschaft zählt zu jenen Branchen, die unter den im Kampf gegen die Pandemie erforderlichen gesundheitspolitischen Maßnahmen wie Betretungs­verboten, Reise- und Versammlungsbeschränkungen am meisten gelitten haben. Die Auswirkungen sind noch immer zu spüren, sonst würden die Leute, glaube ich, nicht unbedingt auf die Straße gehen. Die Kulturbetriebe waren die ersten, die durch diese notwendigen Maßnahmen des Shutdowns von der Ausübung ihrer Tätigkeit ausge­schlossen wurden, und sind die letzten, die auf lebensnotwendige Unterstützungen warten. Aufgrund der langen Schließdauer und der unsicheren Perspektive dieser vielen Kulturinstitutionen auch nach en Lockerungsphasen gibt es immer noch welche, die von Insolvenz bedroht sind.

Gerade die in dieser Branche tätigen Personen gehörten schon vor der Pandemie zu jenen, die unsicher beschäftigt sind und in sehr, sehr vielen Fällen kein regelmäßiges Einkommen haben. Viele Künstlerinnen und Künstler haben seit mehr als drei Monaten – drei Monate sind ein langer Zeitraum – kein Einkommen. Wir ersuchen daher um schnellstmögliche Abgeltung des Verdienstentgangs, Frau Staatssekretärin! Es ist zu befürchten, dass der gesamte Kunst- und Kulturbereich rund ein Viertel seiner im letzten Jahr erbrachten Wertschöpfung durch die pandemiebedingte Krise einbüßen wird.

Die Überbrückungsfinanzierung – die wir natürlich sehr begrüßen – für die 15 000 frei­schaffenden Künstlerinnen und Künstler, die ab 3. Juli online gehen soll, die man wird beantragen können, ist zwar schön, betrifft aber nur Personen, die bei der Sozial­ver­sicherung der Selbständigen, bei der SVS, versichert, angemeldet sind. Diese können dann für sechs Monate monatlich 1 000 Euro beanspruchen. Gut, es gibt auch noch den Härtefallfonds, der ja neu gestaltet wurde und all jenen zur Verfügung steht, die nicht von diesem Überbrückungsfonds erfasst werden – alle, die im kulturnahen Bereich tätig sind, wie Kameraleute, TontechnikerInnen, MaskenbildnerInnen und so weiter; das ist ein breites Feld.

Es gibt auch noch den Unterstützungsfonds für Non-Profit-Organisationen. Dieser wurde bereits im März in Aussicht gestellt, und erste gesetzliche Regelungen wurden auch schon beschlossen. Laut der Aussage des Experten im Ausschuss – Herr Kollege Schreuder hat es schon erwähnt – ist der Fonds zu 98 Prozent startklar, die ersten Künstler sollen in zwei Wochen endlich Geld am Konto haben.

All diese Maßnahmen sind zu begrüßen, jedoch ist ein Rettungsschirm für das österreichische Kulturleben notwendig und wichtig. Das Ziel für uns als sozial­demo­kratische Fraktion ist ein umfassendes und langfristiges Investitionsprogramm für KünstlerInnen, Kulturinstitutionen und Unternehmen in der Kreativwirtschaft in der Höhe von 1 Milliarde Euro für die nächsten drei Jahre. Es gilt, die langfristige Existenz des Kulturlandes Österreich und seiner Kreativen zu schützen. Innerhalb der nächsten Wochen und Monate wird die finanzielle Lage für viele Theaterbetriebe und Kulturor­ganisationen eine kritische Marke erreichen. Da gilt es unbedingt gegenzusteuern.

Lernen wir von anderen Ländern wie Deutschland oder der Schweiz und arbeiten wir an möglichst einfachen, praktikablen Lösungen nach dem Motto: Wer schnell hilft, hilft doppelt! Zeigen wir gemeinsam, dass uns die Künstlerinnen und Künstler nicht egal sind und die Kunst auf der Agenda der Bundesregierung ganz oben angesiedelt ist!

Die Kernaussage ist für mich: Kultur ist die Basis des Zusammenlebens, das Fundament unserer Gesellschaft. Daher habe ich noch ein paar Punkte, die mir sehr am Herzen


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 47

liegen, zusammengeschrieben: Wichtig wäre eine Anhebung aller Unterstützungshilfen bis zur Armutsgefährdungsschwelle – 1 000 Euro sind zwar schön, aber eigentlich unter dieser Gefährdungsschwelle –; ein Ausgleich aller Einnahmenausfälle seit März; ein KünstlerInnen-Sozialversicherungsgesetz, das den zeitgenössischen Erwerbsrealitäten entspricht; eine sofortige und dauerhafte Verdoppelung des Budgets für Kunst und Kultur auf 1 Prozent des BIP – das ist ein seit Langem vorgebrachter Wunsch, hoffentlich geht er in Erfüllung –; und, wenn es möglich wäre, die Installierung eines eigenständigen Ministeriums für Kunst und Kultur – wünschen darf ich es mir.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und möchte schließen mit dem Satz: „Kunst- und Kulturschaffende müssen von ihrer Arbeit leben können“ und sind keine Almosen­emp­fänger! (Beifall bei der SPÖ.)

11.55


Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Als Nächster ist Bundesrat Reinhard Pisec zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


11.55.21

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Bundes­kanz­ler Kurz in einer der vergangenen Sitzungen hier im Auditorium, im Plenum von der Kulturnation Österreich gesprochen hat, hatte er sicherlich recht. Mich wundert es nur, dass es nach dem Lockdown drei Monate dauert, bis unsere Künstler und Künstlerinnen und Kulturschaffenden gerade einmal 90 Millionen Euro aus einem Fonds erhalten. Das ist aber kein neues Bild für uns Freiheitliche. Das passt genau in das Bild, dass es viele Ankündigungen gibt, Hilfe irgendwie zusammengesammelt wird und die Auszahlungen irgendwann Monate und Wochen später erfolgen.

Gut ist an diesem Gesetz sicherlich – das ist wahrscheinlich eine Erkenntnis im Zusam­menhang mit dem Härtefallfonds –, dass die WKO da als Abwickler außen vor bleibt und die SVA eingesetzt wird. Die WKO, das muss man auch ganz offen sagen, hat es nicht verdient, als Fußabstreifer für nicht erfolgte Auszahlungen herhalten zu müssen, weil einfach die Gesetzgebung fehlerhaft und lückenhaft ist, was ein Versäumnis der Bundesregierung und nicht zwingend der WKO ist. Allerdings ist auch die WKO selber in die Schuldfrage miteinzubeziehen, denn diesen Dienstleistungsvertrag zwischen Bun­desregierung und WKO hätte Präsident Harald Mahrer – so gut er betreffend Diagnose auch ist – im März nicht eingehen dürfen.

Im Ausschuss wurde interessanterweise von der SPÖ zu Recht die Frage gestellt, warum in der Schweiz 250 Millionen Euro zur Auszahlung kommen und in der Kultur­nation Österreich um mehr als die Hälfte weniger. Das ist ja das, was ich seit Jahren, seit ich hier im Bundesrat sein darf, sagen muss. Da haben wir jetzt einen Vergleich, und dieser Vergleich ist auch ein Beweis: Die Schweiz ist von der demografischen und geopolitischen Struktur her ungefähr mit Österreich zu vergleichen, hat eine um zwei Drittel höhere Wirtschaftsleistung als unser Land und eine im Vergleich zu Österreich um ein Drittel geringere Steuerbelastung für ihre Bürgerinnen und Bürger. Und bei allem, was man vergleicht – auch jetzt in dieser Krisensituation im Zusammenhang mit Corona –, kommt man zu dem Ergebnis: Die Schweiz zahlt schneller aus, mit wesentlich höheren Beträgen, mit wesentlichen Garantien, und daher wird sie die Wirtschaft und damit auch die Kulturschaffenden wesentlich früher auf die Beine bringen als Österreich. Das ist aber dem Ergebnis von 50 Jahren Sozialismus in Österreich geschuldet. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie, Frau Staatssekretärin, haben in Ihrem Ministerium ein interessantes Gutachten in Auftrag gegeben, und zwar beim Wirtschaftsforschungsinstitut. Ich finde es sehr, sehr


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löblich, dass sich die zu Unrecht in Bedrängnis geratenen Kulturschaffenden nun auf die Wirtschaft berufen müssen. Die Grünen waren ja nie wirklich wirtschaftsfreundlich ge­sinnt, aber jetzt in der Not kommen sie offensichtlich zur Erkenntnis, dass die Wirtschaft ja auch für die Kulturschaffenden von Bedeutung ist.

Dieses Gutachten ist ein ausgezeichnetes Gutachten, dafür muss man dem Wirt­schaftsforderungsinstitut wirklich eine Gratulation übermitteln, denn dort wird von den positiv-identitätsstiftenden Merkmalen, die Kunst und Kultur für Österreich haben, gesprochen, und zwar in jedem Sinne. 4,7 Milliarden Euro ist die Wertschöpfung in Österreich, und wenn man die indirekte Wertschöpfung dazuzählt – dazu gehören auch die Gastronomie, die Hotellerie und der Tourismus –, ist man bei fast 10 Milliarden Euro.

Die wesentlichste Domäne im Bereich Kunst und Kultur, und das beschreibt dieses Gutachten sehr gut, die österreichischen Cashcows, bilden die Museen – ich erinnere als Wiener an das Technische Museum, das Naturhistorische Museum, das Kunst­historische Museum, die kaiserlich-habsburgischen Sammlungen, von denen wir Hun­derte Jahre später noch immer zehren, die einen unglaublichen Return on Investment erbringen –, die historischen Stätten, die Barockschlösser, die Klöster, und natürlich unsere Landschaften. Diese drei Assets werden ganz klar als einige der wichtigsten kulturellen und wertschöpfungsbringenden Elemente beziehungsweise Domänen be­schrie­ben.

Kunst muss aber auch nachgefragt werden, das ist wichtig. Die Förderungen müssen irgendwann auch einen Ertrag im weiteren Sinne bringen. (Vizepräsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Wenn man jetzt anlässlich des Wechsels des Staatsoperndirektors beobachtet, dass diesem allen Ernstes Auslastungsfetischismus vorgeworfen wird – er verlässt die Staatsoper mit einer sagenhaften Auslastung von 99 Prozent und geht an die Mailänder Scala –, und das dem heruntergewirtschafteten Volkstheater mit gerade 50 Prozent Auslastung oder dem Burgtheater mit 80 Prozent Auslastung – wobei noch viele Karten verschenkt werden – gegenüberstellt, so fragt man sich doch, was das für eine absurde Diskussion ist. Einem Staatsoperndirektor eine zu hohe Auslastung vorzuwerfen, das muss man sich einmal vorstellen! Das gehört also auch optimiert, um es einmal sehr diplomatisch zu formulieren, Kunst muss sich auch rechnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt bin ich bei der indirekten Wertschöpfung der Gastronomie, bei der gesamten Summe. Da kommt man auf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Österreichs. Da gibt es zum Beispiel diesen Gastrogutschein, 25 Euro, der 950 000 Wienerinnen und Wie­nern mit einem persönlichen Schreiben von Bürgermeister Ludwig ins Haus geflattert ist – finanziert von uns Unternehmern, von der WKO Wien. (Bundesrätin Schumann: Finanziert von wem? Na geh! Wo sind wir denn? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Mitfinanziert, mitfinanziert!

Da frage ich mich schon, wie wir Unternehmer dazu kommen, eine Gratiswerbung für Herrn Ludwig zu machen, der in kürzester Zeit zur Wahl steht, der 950 000 Menschen beglückt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn jemand fragt: Warum macht ihr denn das?, dann sage ich: Die Frage musst du bitte dem Wirtschaftsbund stellen, dem Präsidium in der Person des Herrn Präsidenten Ruck, wieso es möglich ist, mit Geldern von Unter­nehmen eine Werbung für einen sozialistischen Bürgermeister zu machen! Das wollen wir Freiheitliche sicherlich nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Wirt­schaftsförderung!) Daher ist der 1 000-Euro-Gutschein für alle, für jeden einzelnen Österreicher und jede einzelne Österreicherin, aus dem Staatsbudget, in das alle ein­zahlen und aus dem alle etwas bekommen, wesentlich gerechter, ehrlicher, seriöser. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ein Faktor von Kunst- und Kulturpolitik betrifft nicht nur materielle Kultur, sondern auch visuelle Kultur. Jetzt bin ich bei Wien, mit einem Blick auf die wienerische Symbolpolitik; die entgeht nicht jedem. Das ist der Verweis auf das austromarxistische Wien. Das muss man einmal betonen, das muss man echt einmal aussprechen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Jawohl, richtig! Richtig, Reinhard!)

Diese Form des realen Sozialismus wurde 1992 weltweit verlassen. Es gibt nur noch die Länder Kuba, Nordkorea und China mit Abstrichen, das ist es. Was passiert in Wien? – Es gibt einen Karl-Marx-Hof – Chemnitz hat früher Karl-Marx-Stadt geheißen, ist wieder in Chemnitz umbenannt worden –, es gibt einen Friedrich-Engels-Platz. Haben beide Akteure irgendeinen Österreichbezug? – Ich glaube nicht. Es gibt allen Ernstes ein Denkmal für Che Guevara, ganz offiziell von Bürgermeister Häupl und seiner Vizebür­germeisterin enthüllt. Che Guevara, das brauche ich nicht zu erklären, es sollte jedem bekannt sein, was er hinterlassen hat, um es einmal so zu formulieren; die Wörter, die man da verwenden müsste, wären nicht druckreif.

Realer Sozialismus, Kommunismus, bringt Elend, Not und Tod. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist auch ein Virus, mit dem wir uns in Österreich, vor allem in Wien, beschäftigen müssen.

Ich möchte noch einmal betonen: Es gibt dieses exzellente Gutachten, von der Frau Staatssekretärin – besser gesagt: ihrem Ministerium – in Auftrag gegeben, wonach wir positiv-identitätsstiftende Merkmale und nicht negativ-identitätsstiftende Merkmale fördern müssen. George Berkeley, der wunderbare britische Aufklärer, hat gemeint, Schönheit sei das, was gefällt. Darum geht es: Was ist schön? (Bundesrat Kovacs: Wien ist schön! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) – Wien ist schön, und das historische Wien wollen wir uns erhalten. Es ist weder Karl Marx noch Friedrich Engels noch Che Guevara schön. (Beifall bei der FPÖ.)

Aufklärung ist notwendig, und – da bin ich mit der Frau Präsidentin in Einklang – es gibt eine Verbindung zwischen Politik und Kultur, sie bedingen einander, sie sind aber nicht dichotom, es sind komplementäre Beziehungen. Der Nebel muss sich lichten, die Aufklärung ist notwendig, damit unsere historischen Stätten, unsere Landschaften, aber auch unsere Kulturschaffenden sich wieder positiv in Szene setzen können und vor allem dürfen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.05


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Frau Klubobfrau Korinna Schumann hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


12.05.22

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Herr Abgeordneter Pisec hat in seiner Rede die Stadt Wien mit Diktaturen wie Kuba und Nordkorea gleichgesetzt. – Das ist unrichtig und grundsätzlich abzulehnen.

Es ist mir völlig klar, dass die FPÖ in Wien aufgrund ihrer Spaltungstendenzen große Probleme hat (Bundesrat Steiner: Wir haben eine Spaltung, keine Tendenzen!), aber solche Äußerungen zu bringen und damit ein erfolgreiches Regieren in der Stadt Wien zum Wohle der Menschen zu diskreditieren, Wien mit Diktaturen gleichzusetzen, das ist grundsätzlich abzulehnen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.05


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Andrea Mayer. Ich erteile ihr dieses.


12.06.09

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesrätinnen und


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Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Für mich ist heute ein Tag der Freude, ein Tag der Zuversicht. Ich habe vor sechs Wochen mein Amt als Staatssekretärin für Kunst und Kultur angetreten, und mir war von Beginn an klar, dass ein Finanzie­rungsinstrument für Künstlerinnen und Künstler jetzt, für diese Zeit, ganz prioritär ist. Heute wird dieser Künstlerfonds, diese „Überbrückungsfinanzierung für selbständige Künstlerinnen und Künstler“, wie es offiziell heißt, beschlossen. Wir werden damit sehr viele Menschen unterstützen können, Menschen, die zu jenen gehören, die am stärksten von dieser Krise betroffen sind, Menschen, denen die Pandemie jede Möglichkeit ge­nommen hat, ein Einkommen zu erwirtschaften. Dieser Künstlerinnen- und Künstler­fonds ist sozusagen das Herzstück des Maßnahmenpakets im Kunst- und Kulturbereich, das wir als Bundesregierung in den letzten Wochen geschnürt haben.

Ich darf an dieser Stelle auch auf die vielen anderen Maßnahmen verweisen, die wir jeweils zielgerichtet für die verschiedenen Arten von Kulturanbietern in Österreich um­gesetzt haben oder noch umsetzen werden – für die freischaffenden Künstler, die gemeinnützigen Kultureinrichtungen, die kommerziellen Kulturunternehmen und auch die Bundeseinrichtungen.

Ich weiß, der Kulturbetrieb ist noch nicht so zurück, wie wir alle uns das wünschen würden, und es wird sicher noch eine Weile dauern, aber in dieser Zeit und in einem gemeinsamen Akt der Kraftanstrengung ist bereits viel gelungen. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit diesem breit gefächerten Paket die gesamte Kulturlandschaft in all ihrer Vielfalt durch diese Krise bringen können; auch durch die Kraft, die von den Kulturschaffenden in diesem Land ausgeht. Das ist ganz essenziell.

Eines darf ich noch sagen, weil es immer wieder heißt, die Maßnahmen gerade im Kulturbereich würden nicht greifen und nicht funktionieren: Dieser Fonds, mit bis zu 90 Millionen Euro gespeist, wird heute im Bundesrat beschlossen; ich hoffe auf breite Zustimmung, so wie im Nationalrat. Die Antragsstellung wird ab morgen möglich sein, und nächste Woche wird es die ersten Auszahlungen geben. – Ich glaube, dieses Tempo kann sich angesichts von nur sechs Wochen sehen lassen, und ich denke doch, dass wir damit viele Künstlerinnen und Künstler unterstützen können.

Zum Abschluss, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich Ihnen für den Sommer noch eine kulturelle Anregung geben – es wurde schon erwähnt, im Sommer kann man die Zeit nutzen und Kultur genießen –: Es gibt eine Sommeraktion in den Bundes­mu­seen, eine Sommer-Bundesmuseen-Card. In einem Zeitraum von zehn Wochen kann man alle acht Bundesmuseen um insgesamt 19 Euro besuchen, also 19 Euro für acht Eintritte. (Allgemeiner Beifall.)

Sie sind alle große Meinungsbildner, bitte seien Sie so gut, verbreiten Sie diese positive Nachricht! Es ist wichtig, dass wir ein Signal setzen, Zuversicht geben, dass wir auch wieder Kunst und Kultur genießen können. Die Häuser freuen sich auf Ihren Besuch. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

12.10


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile ihm dieses.


12.10.40

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die via Livestream dabei sind! Zum Ersten möchte ich Folgendes anmerken: Ich möchte unserer neuen Präsidentin für die nächsten sechs Monate alles erdenklich Gute wünschen. Viel Erfolg, viel Glück! Unserem oberösterreichischen Altpräsidenten möchte ich zurufen: Ja, so schnell wird man alt! – Nein, Spaß beiseite, ich möchte ihm zurufen:


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Du hast die Sache gut gemacht, vielen herzlichen Dank für deine Präsidentschaft! Und unserem Kollegen und Vizepräsidenten Michael Wanner wünsche ich viel Erfolg im Salzburger Landtag.

Zweite Anmerkung, meine Damen und Herren, die aus meiner Sicht sehr ernst gemeint ist: Lieber Kollege Pisec, eine Bundesratssitzung ist keine Wahlkampfveranstaltung der FPÖ. Das war eine klare Themenverfehlung. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Na geh! Wir werden euch im Oktober daran erinnern!) Noch dazu müssten Sie sich als Wiener Bundesrat für das, was Sie über die Stadt Wien und deren Be­wohnerinnen und Bewohner gesagt haben, eigentlich schämen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Über die Regierung!) Ich sehe natürlich die Nervosität, die bei Ihnen herrscht, weil der 11. Oktober nicht das beste Ergebnis für die FPÖ bringen wird; da brauche ich kein großer Prophet zu sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Schaut für euch auch nicht rosig aus!) – Keine Aufregung, Kollegin Mühlwerth!

Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Mitglieder des Bundesrates! Es wurde schon angemerkt: Gestern gab es ein äußerst seltenes Ereignis, nämlich einen Schwei­gemarsch, der unter dem Motto „ohne Kunst wird’s still“ stand. Ich finde, das sollte die Bundesregierung zu gegebener Zeit – und diese Zeit ist jetzt – eigentlich wachrütteln, denn die Kunst- und Kulturschaffenden verlangen zu Recht ein klares Bekenntnis zur Finanzierung von Kunst und Kultur in Österreich.

Auch die Studie des Wifo wurde hier schon des Öfteren erwähnt. In dieser Wifo-Studie betreffend die ökonomische Bedeutung dieses wichtigen Bereiches wird klar, welche Auswirkungen die Pandemie auf den Kunst- und Kulturbereich hat. Betrachtet man den gesamten Sektor, sieht man, dass es um einen Wertschöpfungsbetrag – und auch das wurde schon erwähnt – von insgesamt 9,8 Milliarden Euro und um insgesamt rund 150 000 Beschäftigungsverhältnisse geht. Das Wifo befürchtet, dass der gesamte Kunst- und Kulturbereich aufgrund der Covid-Krise im Vergleich zu der im letzten Jahr erbrachten Wertschöpfung rund ein Viertel seiner Wertschöpfung einbüßen wird. Viel schlimmer als die finanziellen Auswirkungen wäre es natürlich, wenn es einen Zusammenbruch der Kulturszene gäbe.

Meine Damen und Herren! Der Direktor eines großen Wiener Theaters, mit dem ich letzte Woche sprach, hat es auf den Punkt gebracht: Es braucht einen Schutzschirm für die Kulturlandschaft. Egal mit wem man redet – ob es Theatermacher sind, ob es Künstler sind, ob es Kulturschaffende sind –, der Tenor ist recht klar: Wir sind stolz auf Kunst und Kultur in Österreich, aber jetzt braucht es dringend nachhaltige Hilfe für diesen Bereich, denn die Realität ist, dass es bisher zu wenig Unterstützung seitens der Regierung gibt. Das führt zu Unsicherheit betreffend die Zukunft dieses Bereiches.

Lassen Sie es mich ein bisschen politisch beleuchten! Da sich der Herr Finanzminister in den letzten Tagen an vieles nicht mehr erinnern kann, gehe ich davon aus, dass er sich auch nicht daran erinnern kann, dass er einmal, vor nicht allzu langer Zeit, für den Kunst- und Kulturbereich verantwortlich war; sonst hätte er wohl schneller reagiert, was diesen Bereich betrifft.

Ich habe schon einmal gesagt, ich schätze unsere neue Staatssekretärin sehr, aber, liebe Frau Staatssekretärin, ich muss bei dieser Gelegenheit sagen: Ankündigungen – und das betrifft ja nicht nur Sie, sondern die gesamte Regierung –, Ankündigungen sind aus meiner Sicht zu wenig. (Beifall bei der SPÖ.) Sie wissen eh: Was archiviert ist, das wird einem dann vorgehalten. Ich zitiere Sie, Sie haben erst vor Kurzem gesagt: „Es ist ein gemeinsames Anliegen der Bundesregierung, dass wir Kunst und Kultur so finan­zieren, dass wir so gut wie niemanden in der Coronakrise verlieren.“


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Davon, dass Kunst und Kultur ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung stehen, merken leider viele Künstlerinnen und Künstler – bisher zumindest – nichts. Frau Staats­sekretärin, ich sage es ganz offen: Sich zu bemühen ist zu wenig. Sie wollen – am Freitag beziehungsweise am Samstag gibt es Zeugnisse – doch nicht irgendwann einmal ein Regierungszeugnis haben, in dem steht: Sie war bemüht, aber leider ist zu wenig passiert. Ich bitte Sie wirklich – und ich sage noch einmal, das richtet sich nicht gegen Sie als Person –: Erheben Sie Ihre Stimme gegenüber dem Finanzminister! Kollegin Prischl hat es schon erwähnt: „Wer schnell hilft, hilft doppelt!“

Auch die Schweiz wurde heute schon mehrmals erwähnt. Dort hat der Bundesrat in der ersten Woche der Coronakrise – ich sage es noch einmal: in der ersten Woche der Coronakrise – 280 Millionen Schweizer Franken für Kunst und Kultur lockergemacht. Ich habe immer gedacht, Österreich definiert sich als die europäische Kulturnation – die Schweiz hat uns eines Besseren belehrt. Wenn ich bisher an die Schweiz gedacht habe, habe ich an die Uhrenindustrie, an Banken oder an andere Dinge gedacht, aber nie und nimmer an Kultur. Und ich sage es ganz offen: Eigentlich müssten wir beschämt sein. Ich finde, das ist eine Niederlage für Österreich, für den österreichischen Kunst- und Kulturbereich. Ich sage es noch einmal: Wie peinlich ist das denn?! (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Frau Staatssekretärin! Was ich ehrlich gesagt auch nicht wirklich verstanden habe – vielleicht können Sie es mir erklären; da war ich wirklich irritiert –, ist die Tat­sache, dass die befristete Umsatzsteuersenkung auf der Agenda der Regierung steht, denn am meisten profitieren davon nationale und internationale Großkonzerne, und zwar in Millionenhöhe. Natürlich macht man sich als politisch denkender Mensch Gedanken und fragt sich: Wem nützt das eigentlich? – Die Antwort gleich vorweg: Es nützt nicht in erster Linie jenen, die am schwersten betroffen sind, sondern eben, wie ich gesagt habe, Großkonzernen.

Meine Damen und Herren! Zum Schluss kommend möchte ich sagen: Auch wenn es viele berechtigte Vorbehalte gibt und wir als sozialdemokratische Fraktion meinen, dass dieses Bundesgesetz betreffend Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungs­finan­zierung nicht als Best-Practice-Modell in die österreichische beziehungsweise euro­päische Geschichte eingehen wird, stimmen wir deswegen zu, weil es ein weiterer Tropfen auf den heißen Stein ist.

Es gilt aber aus unserer Sicht weiterhin: Die Regierung ist Ankündigungsweltmeister – ich sage nur als Stichwort: 100 Pressekonferenzen –, die Hilfe, die erhofft und erwartet wird, kommt aber eher schleppend, wenn überhaupt – das sagen zumindest Künstle­rinnen und Künstler –, und viele schauen überhaupt durch die Finger, vor allen Dingen die Solokünstler.

Zum Schluss möchte ich sagen: Ich möchte nicht, dass es am Ende des Tages heißt: Die Operation ist gelungen, aber der Patient ist tot. Wir erwarten daher von der Regie­rung künftig ein entschlosseneres Umsetzen der Maßnahmen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.20


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Reinhard Pisec zu Wort gemeldet. Ich erteile dieses.


12.20.58

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): An den ehemaligen Arbeiter­kammerpräsidenten Kaske: Wenn ich die Regierung aufgrund ihrer austro­faschistischen, austromarxistischen – Pardon, austromarxistischen – Symbol­politik kritisiere (Bundesrat Schreuder: Das ist aber ein Unterschied!), kritisiere ich nicht die Bevölkerung.


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Sie meinen, ich darf eine Regierung nicht kritisieren? – Dabei habe ich die Erinnerungs­tafel für Josef Stalin in Wien noch gar nicht erwähnt. (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

12.21


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Mayer. Ich erteile ihr dieses.


12.21.47

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur noch kurz zur Umsatzsteuersenkung im Bereich Kunst und Kultur Stellung nehmen, weil da einfach immer wieder falsche Tatsachen unterstellt werden: Die Senkung der Umsatzsteuer im Bereich Kunst und Kultur von 13 Prozent auf 5 Pro­zent beziehungsweise von 10 Prozent auf 5 Prozent bringt der gesamten Kunst- und Kulturbranche wirklich sehr viel und ist ein wichtiger Bestandteil des Rettungsschirms, den die Bundesregierung schon durch verschiedene Maßnahmen für Kunst und Kultur aufgespannt hat.

Wenn die Rede von großen Konzernen ist, die da profitieren sollen, dann ist das eine Anspielung auf Amazon und deren Buchhandel. Ich möchte dazu nur kurz ein paar Zahlen nennen: 70 bis 80 Prozent des österreichischen Buchhandelsumsatzes erzielt der stationäre Buchhandel. Es bleiben also 20 bis 30 Prozent für den Onlinebuchhandel, und da haben die tollen österreichischen Buchhändler in den letzten Jahren sehr viel Mühe investiert und gerade in den Wochen der Coronakrise haben sich viele Buch­handlungen so aufgestellt, dass sie auch Onlinehandel betreiben und so einfach auch ihren Markt weiter ausbauen können. Es ist ganz wichtig, dass die österreichischen Buchhändler auch online tätig sind. Viele sind also stationär wie online tätig. Sie werden das vielleicht schon selbst erprobt haben: Man bestellt bei einem österreichischen Buchhändler online und holt sich dann ein oder zwei Tage später das Buch in der Buchhandlung ab. Die österreichischen Buchhändler sind da sehr kundenorientiert.

Der Buchpreis in Österreich ist an den deutschen Buchpreis gebunden. Das war eine Maß­nahme, die zur Stützung des Kulturgutes Buch getroffen wurde, sodass die Buch­händler und Verleger untereinander nicht in einen ruinösen Wettkampf gehen, wer ein Buch billi­ger verkauft; deshalb gibt es die Buchpreisbindung. Wenn jetzt am deutschen Markt – rund 70 bis 80 Prozent der Bücher, die wir in Österreich kaufen, kommen von dort – die Mehr­wertsteuer nur mehr 5 Prozent beträgt und wir diese Senkung in Öster­reich nicht vorgenom­men hätten, dann wäre das das Aus für viele Buchhändler in Öster­reich gewesen. Ich glaube nicht, dass das irgendjemand hier verantworten oder auch so erleben möchte.

Wir brauchen die österreichischen Buchhändler für das Kulturgut Buch; es ist undenkbar, dass es in Österreich keine Buchhandlungen mehr gibt, daher war diese Maßnahme für den Buchhandel ganz essenziell. Das sagen nicht nur wir von der Bundesregierung, sondern das sagt auch der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels, dass diese Umsatzsteuersenkung ein wesentliches Instrument zur Sicherung des Buch­handels in Österreich war. Es bringt auch den Schriftstellerinnen und Schriftstellern etwas, weil die natürlich ihre Honorare abgeleitet vom erzielten Nettopreis beziehen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.25

12.25.40


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Ich begrüße Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemeiner Beifall.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 1 lie­gen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 54

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher ge­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig. Der Antrag ist somit angenommen.

12.26.212. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweck­zuschussgesetz) (605/A und 228 d.B. sowie 10351/BR d.B. und 10357/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend Änderung des Bun­des­gesetzes über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona-COVID-19-Pandemie (620/A und 229 d.B. sowie 10358/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (622/A und 230 d.B. sowie 10359/BR d.B.)


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungs­punkten 2 bis 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Peter Raggl. – Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung.


12.27.04

Berichterstatter Dr. Peter Raggl: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2020 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 18. Juni 2020 betreffend Änderung des Bundesgesetzes über das Inver­kehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona-COVID-19-Pande­mie.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2020 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich bringe ich noch den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epide­miegesetz 1950 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 55

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2020 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile ihm dieses.


12.28.47

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss den sonst sehr gut disponierten Außenminister Schallenberg ausnahmsweise einmal korri­gieren, weil er meint, dass wir uns in einer Wirtschaftskrise befinden oder das Faktum Krise als Wirtschaftskrise zu bezeichnen ist. Ich muss ihn korrigieren, denn es ist eigentlich eine eindeutig politische Krise. Es ist eine klare politische Krise. (Beifall bei der FPÖ.)

Als ich vor Kurzem zu einer sehr gut organisierten Veranstaltung der Akademie der Wis­senschaften eingeladen war, hat der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Pro­fessor Zeilinger, in seiner Rede gesagt, es sei klar gewesen, dass eine Epidemie kommen werde – das war jedermann klar –, die Frage war nur: Wann? – Das ist für mich der beste Beweis dafür, dass es eindeutig eine politische Krise ist, weil die politischen Akteure versagt haben. Das ist aber nicht nur ein österreichisches Problem, sondern eigentlich ein weltweites.

Auf Österreichs Gesundheitssystem können wir wirklich stolz sein. Jeder zweite Euro aus dem Budget fließt in das Sozialsystem. Man könnte auch sagen, es ist völlig überteuert, aber die hohe Steuerbelastung unserer österreichischen Bevölkerung hätte einen Sinn haben können, wenn wir auf unser Gesundheitssystem vertraut hätten, was Bundeskanzler Kurz leider nicht getan hat. Er und seine Bundesregierung meinen, die Bilder aus Italien – und das sagt er ja dauernd, beziehungsweise die Regierung, nicht immer er ad personam – haben die Entscheidung für diesen viel zu langen Lockdown beeinflusst, sodass wir alle jetzt geschlossen – das ist ja keine Wirtschaftsdepression, das ist ja eine globale Depression – den Bach runtergehen. Da muss man fragen: Warum hat er dem Gesundheitssystem nicht vertraut? Warum hat er das nicht gemacht?

Wie hat Landeshauptmann Haslauer gesagt? – Wir dürfen uns keinen zweiten Lock­down leisten, denn das überleben wir nicht mehr, wir sind dann beschädigt. – Auch ihn muss ich da korrigieren: Wir sind bereits vom ersten Lockdown massiv beschädigt. Wir haben uns bei Weitem nicht erholt. Die Wirtschaft hat einen 20- bis 30-prozentigen Umsatzeinbruch und ist stabil unten, die ist stabil unten. Es weiß keiner, egal welchen Sektor man nimmt, wie man das Ganze wieder in die Gänge bringt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Die Regierung hat, glaube ich, auch nicht gewusst, was sie damit verursacht hat, welche Wirkung sie damit ausgelöst hat. Eine Woche hätte gereicht, von mir aus zehn, zwölf Tage, aber doch nicht vier Wochen, in manchen Branchen zwei Monate! Und was machen Sie jetzt, da die Infiziertenzahl höher ist als im März? – Nichts! Nichts, weil das ganze Pulver verschossen ist!

Die Kurzarbeit zeigt es ja. Das ist ja jetzt praktisch bereits die dritte Verlängerung der Kurzarbeit, bis in den Jänner hinein. Warum? – Diese Kurzarbeit kostet ein Milliarden­vermögen. Eine Million Österreicher in Kurzarbeit! Das Budgetdefizit wird nicht zum Aushalten sein. Dass Herr Bundesminister Blümel nervös ist, hat schon seine Ursachen, seine Berechtigung. Sie haben Angst, die Arbeitslosigkeit auszuweisen, deswegen stecken alle in Kurzarbeit. Wir hätten wahrscheinlich eine Million Arbeitslose, so unge­fähr bei 20, 25 Prozent, und das ist dann eine Krise, die enorm ist. Einmal muss man sie


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aber ausweisen, wenn die Wirtschaft nicht und nicht in die Gänge kommt. (Bundesrat Schennach: Hätte man die arbeitslos werden lassen sollen?)

Warum bringen Sie die Wirtschaft nicht endlich in die Gänge? Oder folgen Sie dem Modell Survival of the Fittest, einem brutalen Überlebenskampf? Wer überlebt, ist der Beste, der schafft es, und alle anderen sollen bankrottgehen und von irgendwelchen Großunternehmen oder Konzernen weltweit aufgekauft werden. – Das kann es doch nicht sein! Sie müssen doch an die Regionalität, an die Kleinstrukturiertheit der öster­reichischen Wirtschaft denken; die ist nicht mit der Internationalität der Großkonzerne zu vergleichen. Das ist ein speziell österreichisches Modell, und die Betriebe brauchen Hilfe, aber jetzt! (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Finanzminister schreibt auf seiner Homepage zu Recht – ich glaube ihm ja wirklich, dass er das Ganze gut diagnostiziert, genauso wie es Harald Mahrer gut dia­gnostiziert, aber keine Medikamente verabreichen kann oder will –: Die Fremdfinan­zierungsstruktur in Österreich hat sich seit der Krise verdoppelt. – Das heißt, die Bankkredite für die Unternehmen sind doppelt so hoch, als sie vor der Krise, vor März waren. Das muss einem doch zu denken geben. Das heißt, die Unternehmen haben einfach kein Geld.

Der Minister meint, man könne stunden – ja, das ist löblich –, man kann durch eine 100-Prozent-Ausfallshaftung des Staates Kredite bekommen – ja, das ist löblich. Eines Tages muss man es aber zurückzahlen, und was bleibt dann über? – Nichts!

Auch der Verlustrücktrag, der soeben als Möglichkeit verlautbart wurde, ist eine gute Idee, ist aber auch der Not geschuldet, weil Sie genau wissen, dass die gestundeten Beträge ja eh keiner zurückzahlen kann; also kann man die Verluste, die jetzt entstehen, auf die Erträge der Jahre davor – 2018, 2019 ist angedacht – rückrechnen und sal­dieren. – Ja, das ist eine gute Lösung, natürlich, das ist das Mindestmaß. Warum aber erst nach drei Monaten? – Sie hätten die Verunsicherung schon längst zurückdrängen und der Unternehmerschaft schon längst Hoffnung geben können, wenn Sie das schon im Mai verlautbart hätten, so wie es die Deutschen ja auch getan haben. Deswegen hängen Sie sich ja immer an die Deutschen an, weil Sie gar nicht mehr wissen, wie es weitergeht.

Anreize sind zu schaffen, damit Eigenkapital mobilisiert wird. Die Österreicher sind ja nicht arm, das kann man nicht sagen, es liegen ja 380 oder 400 Milliarden Euro auf den Sparbüchern, mit den ganzen Stiftungen ist man wahrscheinlich irgendwo bei 1 Billion Euro; also die Österreicher sind ja aus ihrer Vergangenheit heraus nicht arm. Sie müssen dieses Geld aber freischaufeln, damit es irgendwie in die Unternehmen kommt, und das machen Sie nicht, aus welchen Gründen auch immer.

Masken und Schutzausrüstung: Das ist ein Versäumnis des Gesundheitsministers. Wenn er jetzt angesichts des Coronawahnsinns, was ich schon gar nicht mehr hören kann, eine Paranoia aufweist, dann ist das auch seinem – wie soll man sagen? – schlechten Gewissen geschuldet, dass er es verabsäumt hat, Schutzkleidung zu kaufen, Masken zu kaufen und auch die Ärzte zu schützen. Es hatten ja nicht nur die Geschäfte und die Gastronomie zu, es hatten ja auch die Ordinationen 14 Tage lang geschlossen. Als ich meinen Zahnarzt fragte, ihn zur Rede stellte, warum er eigentlich geschlossen hatte – angenommen, ich hätte ihn in dieser Zeit aus welchem Grund jetzt auch immer benötigt –, sagte er mir: Ich würde aufmachen, ich habe aber keine Schutzkleidung von der Ärztekammer bekommen! – Es war nichts bestellt, es hat nichts gegeben, und das ist ein Versäumnis des Gesundheitsministers. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Und der Ärztekammer!)

Ich bin schon gespannt, wie die Produktivität aussehen wird: 600 000 Arbeitslose, über eine Million in Kurzarbeit und der Rest in Homeoffice. – Homeoffice klingt cool, ist es aber


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nicht immer, ja; Präsenzoffice hat schon seine Vorteile. Wenn ich jetzt die 600 000 Staats­bediensteten abziehe, ist circa jeder 1,2te oder 1,3te nicht auf seinem Arbeitsplatz. – Na, das wird am Jahresende ein Rien-ne-va-plus werden, das schaue ich mir schon an! Auf die Rezession, auf das Budgetdefizit, auf die Firmenübernahmen, auf die Firmenpleiten bin ich schon gespannt!

Das Epidemiegesetz korrigieren Sie zum dritten oder vierten Mal, ich kann es gar nicht mehr nachzählen. Ja, Sie haben es ausgehebelt. Sie wissen schon, warum: Sie hätten das gar nicht bezahlen können, also Österreich hätte das nicht bezahlen können. Dass Österreich schwimmt, ist ja schon bekannt, da Österreich als erstes Land weltweit eine hundertjährige Anleihe mit 0,8 Prozent Verzinsung begeben hat. Also die Schulden, die jetzt entstehen, ziehen sich über 100 Jahre. – Na halleluja für die dritte Generation hier in Österreich!

Die Versäumnisse im Gesundheitsbereich, das mangelnde Vorhersehen, das Ignorieren der Warnungen haben diese Entscheidung zum Lockdown verursacht, das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit wurde weggenommen – auch deswegen ist es eine politische Krise und keine wirtschaftliche –, und in die Selbstorganisationskraft der Menschen hat die Regierung eingegriffen. Weil Sie nicht wissen, wie dieses Wirtschaftssystem funktioniert, können Sie es mit Ihren Entscheidungen auch nicht hochfahren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Ganz vergessen, Wien zu kritisieren! – Bundesrätin Mühlwerth: Das nächste Mal dann!)

12.37


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile dieses.


12.37.38

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Ich versuche, zu den eigentlichen Tagesord­nungspunkten, gemäß den Anträgen, die gestellt wurden, meinen Beitrag zu liefern.

„Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten“ – ein Zitat von Thomas von Aquin. Die heute zu behandelnden Bundesgesetzänderungen sind aufgrund der Covid-19-Krise notwendig geworden und betreffen Letzteres, die Arbeit. Herausfor­dernde Arbeit im Bund, in den Ländern und vor allem auch in den Gemeinden stand und steht auf der Tagesordnung.

Unsere Gemeinden haben in dieser besonderen Zeit sehr viel geleistet. Sie sind ja ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, natürlich auch ein ganz großer Arbeitgeber. Sie erhalten den ländlichen Raum attraktiv, schlagkräftig und krisensicher. Gemeinden haben sehr viele und sehr vielfältige Aufgaben zu erledigen, daher war der Beschluss bezüglich der Ge­meindemilliarde eine Punktlandung. (Bundesrat Schennach: Ein Tropfen auf den heißen Stein!) – Eine Punktlandung! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Wie sehr ehrliche und konstruktive Arbeit die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger findet, haben wir vergangenen Sonntag in der Steiermark anlässlich der Gemeinde­rats­wahl gesehen. (Bundesrat Schennach: Wir auch!) Die Aktiven und die Innovativen, also jene Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die anpacken, die unbürokratisch helfen, wo die Bürgerinnen und Bürgern eben der Schuh drückt, haben ihre Mehrheiten gehalten und ausgebaut. Von 285 steirischen Gemeinden werden nun immerhin 200 von ÖVP-Bürgermeistern und -Bürgermeisterinnen geführt.

Wir in den Ländern haben miterlebt, welch hohe Kosten die Coronakrise in der Zeit ab Anfang März verursachte. Die Covid-19-Pandemie stellte das Gesundheitssystem in Österreich, die Länder und sämtliche Gesundheitsdienstleister vor große Herausforde­rungen. Die Schutzausrüstungen – Masken, Desinfektionsmittel, Handschuhe, Brillen,


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Schutzanzüge et cetera – waren in dieser Zeit ein hohes, aber auch ein rares Gut. Auch wenn der Bund zentral Schutzausrüstungen bestellt und auf die Bundesländer verteilt hat, war es richtig und auch notwendig, dass die Länder, also wir in den Ländern, im Rahmen des Soforthilfepakets zusätzlich auch einen Beitrag dazu leisten. Allein das Land Steiermark stockte seine Budgetmittel für die Beschaffung von Schutz­ausrüstun­gen von 3,5 auf 5 Millionen Euro auf. Mit dem Ankauf durch das Land Steiermark wurden die steirischen Gesundheitsdienstleister – Krankenanstalten, Sanitätsdienste, Pflege­heime, mobile Hauskrankenpflege et cetera – bei der Beschaffung der Schutzaus­rüstun­gen unterstützt, um gemeinsam die Eindämmung des Coronavirus beziehungsweise die Einhaltung der Schutzvorkehrungen als oberste Priorität bewerkstelligen zu können.

Rechnet man die Kosten für die Einrichtung und das Personal für die telefonische Gesund­heitsberatung unter der Rufnummer 1450, welche in der Hochphase täglich 4 500 Anrufe zu bewältigen hatte, die Errichtung von Hallen, auch von Zeltspitälern sowie die Anschaffung medizinischer Produkte, die vom Bund zur Verhinderung der Ausbreitung von Sars-Cov-2 sowie der Behandlung der Covid-19-Patienten benötigt wurden, ein, ist es legitim und vor allem auch richtig, einen Zweckzuschuss des Bundes an die Länder zu gewähren, um die in der Zeit von März bis April 2020 im Rahmen der Bekämpfung der Coronakrise entstandenen Aufwendungen – für die Hotline 1450, für die Schutzausrüstungen und für die Errichtung von Hallen und Zeltspitälern – zu erset­zen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist eben die Änderung des Bundesgesetzes über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona-COVID-19-Pandemie. Die wichtigen und zielführenden Mund-Nasen-Schutzmasken sollen bis 31.12. von den strengen Zertifizierungspflichten gemäß Medizinproduktegesetz und Ma­schinen-Inverkehrbringungs- und Notifizierungsgesetz ausgenommen werden. Es soll weiterhin gewährleistet sein, dass Schutzmasken – mittlerweile auch in regionalen Produktionen – in ausreichendem Maße hergestellt werden können und auch zur Ver­fügung stehen, um eine ausreichende Zusatzbarriere im Alltag zu gewährleisten. Es handelt sich dabei ja nicht um Masken für herausfordernde medizinische Anwendungen. Die, wie wir sagen, einfachen, aber zielführenden Barriereschutzmasken – so wie ich hier eine habe (eine Schutzmaske aus der Innentasche des Sakkos ziehend); manchen ist ja vielleicht überhaupt nicht mehr bekannt, dass es sie gibt – werden daher aus dem strengen Medizinproduktegesetz herausgenommen.

Letzter Punkt: Die Frist für die Geltendmachung des Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentganges als Folge von behördlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 soll von sechs Wochen auf drei Monate verlängert werden. Für Privatpersonen und Unternehmer besteht Anspruch auf Verdienstentgangsentschädigung, wenn ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit untersagt worden ist oder sie ein Unternehmen betreiben, das in seinem Betrieb beschränkt oder gar gesperrt worden ist, oder wenn sie berufstätig sind und in einer Ortschaft wohnen, über welche Verkehrsbeschränkungen verhängt worden sind und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

Setzen wir nun alles daran, diese Änderungen zum Wohle aller umzusetzen, damit nicht nur die gesundheitlichen, sondern auch soziale und finanzielle Aspekte berücksichtigt werden! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ein steirisches Glückauf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 59

12.44


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile dieses.


12.44.50

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren zu Hause! Bevor ich auf die Punkte 2 bis 4 der Tagesordnung eingehen darf, möchte ich eingangs darauf hinweisen, dass unsere Fraktion diesen die Zustimmung erteilen wird.

Zu TOP 2 erlauben Sie mir trotzdem eine kritische Anmerkung: Es ist schon erstaunlich, dass in diesem Antrag kein Betrag enthalten ist, obwohl der Bund den Ländern die im Zeitraum März und April entstandenen Personalkosten sowie die im Zeitraum März bis Mai entstandenen Kosten für Schutzausrüstung und Barackenspitäler abgelten soll, soweit sie auf die Covid-Krise zurückzuführen sind.

Nach Anhörung der Länder wird das BMSGPK eine Richtlinie erlassen und die Mittel sodann aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds ausschütten. Interessant er­scheint auch der Aspekt, dass das Ministerium für Finanzen und das Gesundheits­ministerium bereits vor der Landeshauptleutekonferenz ein Zweckzuschussvorhaben in Aussicht gestellt haben. Es wurde darauf hingewiesen, dass dies unnötig sei, da ja § 36 des Epidemiegesetzes eine allgemeine Kostenregelung enthält. Demnach wären die Kosten für die Schutzausrüstung und die Barackenspitäler sowieso vom Bund zu tragen. Schlussendlich wurde der vorliegende Kompromiss erzielt, jedoch besteht vonseiten der Länder die Befürchtung, dass eine Präjudizierung für künftige Epidemien eintritt und die Länder dann in Folge die entstehenden Kosten selbst tragen müssen. Da der Antrag keine Beträge enthält, ist es eigentlich nicht verständlich, warum dies auf Mittel aus dem Covid-19-Krisenbewältigungsfonds beschränkt sein soll. Die vom Bundesministerium für Finanzen auszuarbeitenden Richtlinien sollten auf jeden Fall im Einvernehmen mit den Ländern und nicht nur nach Anhörung erlassen werden.

Zu TOP 3: Das Bundesgesetz über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnell­masken während der Corona-COVID-19-Pandemie trat mit 4.4. in Kraft und wäre jetzt nach drei Monaten ausgelaufen. Nunmehr soll es jedoch bis 31.12. gelten. Somit ist für die Schnäuztüchln vor dem Gesicht keine Zertifizierung mehr notwendig, da es sich dabei um keine Medizinprodukte handelt, es nicht Masken im medizinischen Sinn sind, wie aus der Begründung hervorgeht, sondern lediglich eine ausreichende Zusatzbarriere für den Alltagsgebrauch. Vielleicht besteht auch die Möglichkeit, die Produktion solcher Masken in Österreich zu forcieren, um nicht vom chinesischen Markt abhängig zu sein.

Schlussendlich zu TOP 4: Die Fristverlängerung für Anträge auf Verdienstentgangs­ent­schädigung nach dem Epidemiegesetz ist sicher sinnvoll, und daher werden wir, wie bereits angekündigt, da unsere Zustimmung erteilen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.48


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Bundesrat Andreas Lackner ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.48.25

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es geht nun unter anderem auch um die Sicherstellung heimischer Produktion im Bereich der Schutzmasken. Das ist wichtig, da wir nur dadurch eine gesicherte Versorgung ge­währleisten können. Man braucht sich nur die aktuelle Entwicklung und die aktuellen Zahlen weltweit anzusehen – ich denke zum Beispiel an Brasilien – und kann sofort daraus schließen, dass diese Produkte derzeit sehr begehrt sind und am Weltmarkt nicht unbedingt jederzeit für uns verfügbar sein werden. Wir sollten uns diesem Risiko nicht aussetzen und durch heimische Produktion auf Eigenversorgung setzen. Es wäre auch


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 60

in anderen Bereichen, zum Beispiel bei Medikamenten, sehr begrüßenswert, wenn wieder mehr in Österreich oder zumindest in Europa produziert werden könnte.

Wenn wir schon beim Thema Versorgungssicherheit sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen, nochmals einen Appell an gewichtige Vertreter der Gastronomie zu richten: Überdenken Sie Ihren Widerstand gegen die Herkunftskennzeichnung in der Gastro­nomie! Gerade die Covid-Krise hat gezeigt, wie wichtig den Menschen gesunde, wert­volle und heimische Lebensmittel sind. Die KonsumentInnen haben ein Recht darauf, zu wissen, woher ihr Schnitzel kommt, sie sind mündig genug, selbst zu entscheiden, ob sie das 5-Euro-Schnitzel von irgendwo, produziert unter irgendwelchen Rahmenbe­din­gungen bevorzugen oder ob sie bereit sind, mehr für bessere Qualität aus heimischer Produktion zu bezahlen. Es ihnen zu verschweigen oder mit kreativen Namensgebungen zu verschleiern ist Rosstäuscherei. Wenn wir in Österreich sichere Versorgung mit qualitätsvollen Lebensmitteln wollen, dann brauchen wir eine verpflichtende Herkunfts­kennzeichnung.

Dem Ursprung auf die Sprünge zu helfen ist das Gebot der Stunde. Ich bin für sichere Versorgung mit heimischer Qualität, egal ob es um Schutzmasken oder wertvolle Lebensmittel geht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

12.50


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundes­rat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte.


12.51.11

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen im Plenum! Meine Damen und Herren, die via Livestream zugeschaltet sind! Es ist von meinen Vorrednern im Wesentlichen alles berichtet worden – alles richtig und wichtig –, erlauben Sie mir aber dennoch einfach ein paar lose Gedanken.

Die Erfahrung, die ich selber gemacht habe, und ich nehme an, so geht es den meisten, ist, dass jede Krise, jede schwierige Zeit – sei es im privaten Bereich, beruflich oder jetzt auch bei dieser Pandemie – zumindest etwas Gutes hat, nämlich den Aspekt, dass irgendwann einmal der Zeitpunkt kommt, zu dem man die Möglichkeit hat, zurück­zublicken und gleichzeitig nach vorne zu blicken.

Wenn wir zurückblicken, gibt uns das auch die Möglichkeit, Dinge zu evaluieren, zu überdenken, vielleicht da und dort nachzujustieren. Ich denke, unter diesem Ge­sichtspunkt muss man auch die drei Gesetze sehen, die wir heute beschließen, denn wenn wir zurückblicken, sehen wir, dass wir unter anderem deshalb so gut durch diese Wochen und Monate gekommen sind, weil wir in Österreich eine Versorgungsstruktur haben, um die wir von vielen, vielen europäischen Ländern, aber auch weltweit beneidet werden, weil wir eine abgestufte Versorgung haben: beginnend mit unserer Hotline 1450, die in diesen Wochen und Monaten wirklich Großartiges geleistet hat, über Visiten­dienste, die in allen Ländern ins Leben gerufen worden sind, um Covid-Patienten vor Ort, zu Hause zu betreuen, weiter zu unseren Hausärzten bis hin zu den Spitälern.

Mein Kollege Schwindsackl aus der Steiermark hat es bereits erwähnt: Allein unser Heimatbundesland hat 5 Millionen Euro in die Hand genommen, um Personal bei der Hotline 1450 aufzustocken, um Schutzmasken und Schutzanzüge anzukaufen. (Bundesrätin Schumann: Coronatausender als Anerkennung für die HeldInnen des Alltags! – Bundesrat Schennach: Das waren aber schon die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hotline und nicht die Hotline!) Daher ist es nur richtig und gut, dass wir heute dieses COVID-19-Zweckzuschussgesetz auf den Weg bringen.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 61

Blicken wir nach vorne! Es geht zum einen um das Epidemiegesetz, das vorhin angesprochen worden ist, die Fristverlängerung für die Geltendmachung des Anspruchs auf Vergütung von Verdienstentgang: Ich glaube, das ist etwas, wozu jeder sagt, es ist ein richtiger Schritt, diese Frist auf drei Monate auszudehnen.

Zum anderen geht es um das Bundesgesetz über das Inverkehrbringen der Mund-Nasen-Schnellmasken. Bis 31.12.2020 soll die Zertifizierung dieser Mund-Nasen-Schutzmasken von den strengen Richtlinien des Medizinproduktegesetzes ausgenom­men werden. Da muss man natürlich zweimal hinschauen, ich stehe aber hier und sage aus voller Überzeugung: Das ist richtig. Warum ist es richtig? – Dabei geht es ja nicht um hochkomplexe medizinische Masken, wie wir sie auf unseren infektiologischen Stationen bei unseren kranken Patienten oder auf den Intensivstationen verwendet haben, sondern da geht es um den alltäglichen Bedarf.

Vorbeugen ist besser als Heulen und Heilen; Sie kennen diesen Spruch sicherlich. Es ist gut, dass wir jetzt strategische Bestände schaffen, dass wir die Produktion forcieren, die unsere heimischen Betriebe durchführen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön. Viele Unternehmen in Österreich haben schnell umgestellt, um jetzt in dieser Krise solche Masken zu produzieren, und es ist wichtig, dass wir sie dabei unterstützen.

In diesem Sinne sage ich Danke. Bleiben Sie gesund! Ein steirisches Glückauf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.55

12.55.25


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein COVID-19-Zweckzuschussgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend Änderung des Bundesgesetzes über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona-COVID-19-Pandemie.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 18. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

12.57.03 5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (722/A und 242 d.B. sowie 10361/BR d.B. und 10362/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 62

Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um den Bericht.


12.57.22

Berichterstatter Otto Auer: Geschätzter Herr Präsident! Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 30. Juni 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird.

Zur Unterstützung der Gastronomie, der Kulturbranche sowie des Publikationsbereichs, die von der Covid-19-Krise in einem besonderen Ausmaß betroffen sind, soll zusätzlich zu den bisher getroffenen Maßnahmen ein ermäßigter Steuersatz von 5 Prozent in diesen Bereichen befristet bis 31. Dezember 2020 eingeführt werden.

Hinsichtlich des kulturellen sowie des Publikationsbereichs soll der ermäßigte Steuer­satz von 5 Prozent bei Lieferungen, sonstigen Leistungen, Einfuhren und innergemein­schaftlichen Erwerben zur Anwendung kommen.

Die detaillierten Informationen darüber sind Ihnen zugesandt worden.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Bitte.


12.58.45

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Um so viele Menschen wie möglich in Arbeit zu halten oder wieder in Arbeit zu bringen, muss das vorrangige Ziel sein, den Standort Österreich zu seiner alten Stärke zurückzuführen. Dies wird unter anderem dadurch gelingen, indem einerseits Schritt für Schritt Lockerungsmaßnahmen durch­geführt werden und andererseits an die Eigenverantwortung der österreichischen Bevöl­kerung appelliert wird, weiterhin vorsichtiger als vor der Coronakrise zu sein.

Der Standort Österreich und damit die Unternehmen und auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen Zuversicht – Zuversicht, dass Covid-19-Ansteckungen durch Eigenverantwortung in Schach gehalten werden. Zuversicht, dass das wirtschaft­liche Comeback gelingt, kann und muss aber auch durch Maßnahmen und Hilfspakete, die ineinandergreifen, erzielt werden.

Dabei ist es ganz besonders wichtig, dass die gesetzten Maßnahmen wirklich ineinan­dergreifen. Ineinandergreifen bedeutet, dass einerseits direkt geholfen wird, wie zum Beispiel mit dem Härtefallfonds, andererseits der Konsum angekurbelt wird und die Unternehmen, aber auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steuerlich entlastet werden.

Jene Branchen, welche von der Covid-19-Krise besonders hart getroffen wurden, brauchen besondere Unterstützung und Entlastung. Zu diesen besonders hart getrof­fenen Branchen zählt neben dem Kulturbereich auch die Gastronomie. Damit bin ich schon beim heute zu beschließenden Gesetz, mit dem der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 5 Prozent, zeitlich begrenzt von Juli bis Dezember 2020 – vom Wirtshaus bis zur Schutzhütte, vom Museum bis zum Tiergarten –, eingeführt werden soll. Dies ist ein weiterer existenzieller Schritt zu den bereits gesetzten Maßnahmen wie zum Beispiel höhere Essensgut­scheine, Erhöhung der steuerlichen Absetzbarkeit bei Geschäftsessen, um den Konsum


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 63

in der Gastronomie anzukurbeln, oder die Abschaffung der Schaumweinsteuer und die Anhebung der Nettoumsatzgrenze bei der Gastgewerbepauschalierung, um eine relevante steuerliche Entlastung zu erzielen.

Die Umsatzsteuersenkung auf 5 Prozent auf Speisen und Getränke und Nächtigungen in der Gastronomie und Hotellerie, aber zum Beispiel auch auf Bücher, Zeitschriften, Theater-, Kino- und Museumsbesuche und auf die Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler bringt eine entscheidende Hilfe für die besonders belasteten Branchen.

Zuversicht für die Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schafft man aber nicht dadurch, indem man – wie von SPÖ und FPÖ vorzugsweise betrieben – jede Hilfsmaßnahme, jedes geschnürte Paket, jede Entlastung schlechtredet – zu kompliziert, zu wenig, zu langsam und vieles mehr; zumal dies ja überhaupt nicht stimmt. (Bun­desrätin Schumann: Die Opposition hat das Recht dazu, zu kritisieren!)

Es haben zum Beispiel 1,4 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch das europaweit einzigartige Modell der Kurzarbeit ihre Löhne und Gehälter in Höhe von 80 bis 90 Prozent jeweils zum Monatsletzten erhalten. (Bundesrat Rösch: Eine Ka­tastrophe! – Bundesrat Schennach: Jeder kennt einen, bei dem die Hilfe nicht ange­kommen ist!) – Entschuldigung, darf ich weitermachen? (Bundesrat Rösch: Na, weil es ja nicht stimmt! Deswegen haben wir uns unterhalten!) – Ja genau, Herr Kollege!

Dies war nur möglich, weil den Unternehmen garantiert wurde, dass der Staat in der Kurzarbeit die Kosten für bis zu 90 Prozent weniger geleistete Arbeitsstunden über­nimmt. Zugegebenermaßen hat es anfangs bei der Antragstellung, bei der Abwicklung und Abrechnung der Kurzarbeit einige Startschwierigkeiten gegeben. Das war für die Unternehmen sicher nicht leicht zu stemmen. Das kann aber im Hinblick auf die komplette Neuaufstellung der Kurzarbeit, die Masse der Anträge und die sowieso äußerst komplizierte Lohnverrechnungsmaterie auch niemanden verwundern. Ich möchte auch gar nicht wissen, was die Opposition nachträglich zu ausgeschütteten Förderungen, Hilfspaketen und Zuschüssen, welche nicht auf Punkt und Beistrich nach­vollziehbar sind, sagen würde.

Um die Umsatzsteuersenkung auf 5 Prozent etwas plakativer darzustellen, habe ich ein Beispiel aus der Praxis mitgebracht. Es handelt sich um ein ganz kleines Unternehmen, ein Restaurant mit einem Jahresumsatz von circa 280 000 Euro. In diesem Unter­neh­men betragen der Küchenumsatz 73 Prozent und der Getränkeumsatz 27 Prozent. Auf­grund der Umsatzsteuersenkung für ein halbes Jahr würde dieses Unternehmen circa 12 000 Euro mehr Einnahmen erzielen. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, das ist für ein Unternehmen mit dieser Struktur sehr, sehr viel Geld und in Zeiten wie diesen auch überlebensnotwendig.

Die Kassenumstellung wird für dieses Restaurant 75 beziehungsweise 225 Euro kosten. Wir haben gestern im Finanzausschuss gehört, dass für die Kassenumstellung, also für die Rückabwicklung am 1.1.2021, eine kulante Lösung zur Verfügung gestellt wird, und diese sollte damit auch kein großes Problem darstellen.

Meine Damen und Herren, ich ersuche Sie namens meiner Fraktion, dieser für die Unter­nehmen im Kultur- und Gastgewerbebereich so wichtigen Gesetzesänderung zuzustim­men, um damit einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Zuversicht und Sicherung der Existenzen der Unternehmerinnen und Unternehmer und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu setzen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 64

13.05


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesrätin Andrea Kahofer ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.05.56

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Es ist noch nicht lange her, da bin ich an dieser Stelle gestanden, um über das Gesetz zur Senkung der Schaumweinsteuer zu reden. Schon damals hat meine Fraktion ganz deutlich darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz zu wenig war und dass es nicht die Breite trifft.

Im Gegensatz dazu ist das Bundesgesetz, das jetzt zu beschließen ist, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird, eines, das durchaus sehr in die Breite geht. Es umfasst, wie wir schon von meiner Vorrednerin gehört haben, einen wirklichen großen Bereich in seiner ganzen Bandbreite: es reicht von der Abgabe von Speisen und Getränken in allen Betrieben, die der Gewerbeordnung § 111 unterliegen, über Bücher, Publikationen und Beherbergung und deckt wirklich vieles ab.

Das ist auch grundsätzlich wirklich sinnvoll und gut, aber eines wissen wir alle: Auch die Senkung der Mehrwertsteuer von 10 auf 5 Prozent ist nicht die ultimative Rettung für unsere Wirtschaft. Diese Mehrwertsteuersenkung ist nicht das Rettungsboot, es ist einmal ein Schwimmreifen. Ich will es damit nicht kleinreden, denn es ist sehr sinnvoll. Es wird vielen das Leben erleichtern, vor allem das wirtschaftliche Überleben erleichtern, aber es wird nicht retten, denn das Grundproblem bleibt, und das Grundproblem ist die Wirtschaftskrise, die aus der Gesundheitskrise resultiert, und diese Wirtschaftskrise ist evident. Die Wirtschaft braucht, um auf die Beine zu kommen, Kundenfrequenz, und zwar Kundenfrequenz mit Kaufkraft. Darauf kommt es an. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Wirtschaft braucht Absatz, die Wirtschaft braucht Umsatz, und der fehlt in vielen Be­reichen nach wie vor. Er fehlt noch immer in vielen gastronomischen Betrieben. Die Einbrüche in der Gastronomie sind nach wie vor enorm. Es wird der Durchschnitts­um­satz lange nicht erreicht, wenn wir jetzt nicht die großen Magneten heranziehen, die große Schanigärten haben, wo viele Leute sitzen.

Wir wissen ja auch aus der Hotellerie, dass dort die Einbrüche nach wie vor ganz arg sind, die Auslastungen nicht vorhanden sind. Hier in Wien haben viele Hotels noch gar nicht geöffnet, in manchen liegt die Auslastung bei unter 10 Prozent. Es ist einfach unvorstellbar, welche Last diese Unternehmerinnen und Unternehmer zu tragen haben. Die Umsatzhöhe ist lange nicht so, dass sie wirklich schon zum Überleben reicht.

Der Veranstaltungssektor leidet natürlich auch noch ganz stark, und natürlich werden all die Bereiche, die von der Änderung in diesem Umsatzsteuergesetz betroffen sind, pro­fitieren – die Frage ist nur, in welcher Höhe. Meine Vorrednerin hat das Beispiel mit dem Restaurant mit 280 000 Euro Umsatz genannt. Ich nehme an, das ist der Umsatz, der im letzten Jahr erzielt worden ist. Ich gehe nicht davon aus, dass das Restaurant im heurigen Jahr den gleichen Umsatz haben wird, und damit relativieren sich auch die Zahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum fehlt der Umsatz? – Der Umsatz fehlt aus zwei Gründen: Einerseits gibt es die Unsicherheiten, die aus der gesundheitlichen Krise kommen, Ängste, die noch da sind – wir hören immer wieder von neuem Aufflackern von Clustern –, andererseits haben die Menschen aber einfach große wirtschaftliche Sorgen und Probleme. Der Arbeitsmarkt hat sich etwas, ganz leicht, entspannt. Die Kurzarbeit ist weniger geworden, aber wir haben noch immer 463 000 Arbeitslose in diesem Land. Wir haben in Niederösterreich noch immer 72 000 Arbeitslose, und mein Heimatbezirk, nämlich Neunkirchen, hat 3 922 Arbeitslose zu verzeichnen, das sind um 881 mehr als im Vorjahr.

Diese Menschen haben keine Kaufkraft, diese Menschen haben die letzten Monate mit Müh und Not mit ihren hart ersparten Reserven über die Runden kommen müssen. Diese Reserven gehen zu Ende, und diese Menschen können nicht kaufen. Deshalb


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möchte ich ganz deutlich noch einmal an dieser Stelle darauf verweisen: Erhöhen wir endlich die Nettoersatzrate für Arbeitslose! Das ist der Wirtschaftsmotor! Damit stützen wir die Wirtschaft, damit befeuern wir sie und damit retten wir auch das Überleben. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber zurück zum Gesetz: Der Grundgedanke, der dahinter steht, ist ein guter, das Rezept ist auch perfekt, aber beim Kochen hat man nicht ganz fertig gegart, denke ich.

Meine Vorrednerin, meine liebe Kollegin, hat auch das Umprogrammieren der Kassen angesprochen. – Ja, natürlich kostet das etwas, aber im Ausschuss wurde uns auch erklärt, wie man mit den Umsätzen umgeht, die am 31.12. gemacht werden. Und dann wird gesagt: Na ja, da denken wir an, dass man den Steuersatz vom Vortag heranzieht. Die Unternehmen können es sich aussuchen, welchen sie nehmen. – Das ist keine Rechtssicherheit! Das gehört verbrieft und festgeschrieben.

Die nächste Rechtsunsicherheit ist Folgende: Wir haben heute den 2. Juli, es gilt ab 1. Juli. Im Bundesgesetzblatt wird diese Gesetzesänderung frühestens in einer Woche Niederschlag finden, und in der Zwischenzeit ist das ein rechtsleerer Raum.

Die nächste Rechtsunsicherheit sind die EU-Gesetze. Wir wissen, die EU erlaubt uns zwei verminderte Steuersätze. Die Auskunft des Experten im Ausschuss zu dieser Frage war, normalerweise werde die EU-Kommission in der derzeitigen Lage keinen Ein­spruch erheben. – Normalerweise, das ist keine Rechtsverbindlichkeit. Die österreichi­sche Regierung will in die EU nicht mehr einzahlen – jetzt werden wir es dann eventuell über Strafgelder machen, das ist dann vielleicht besser.

Was auch nicht durchdacht ist, was die SPÖ ohnedies gefordert hat und leider nicht angenommen wurde, ist eine Höchstgrenze für Großunternehmen. Natürlich werden Amazon, Starbucks, McDonaldʼs überdimensional profitieren, mehr als jeder kleine Unternehmer; deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Steuerbegünstigungen für Amazon, Starbucks und Co“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, sicherzustellen, dass bei einer Senkung der USt. nicht internationale Konzerne Anspruch auf weitere Steuervergünstigungen haben.“

*****

Ganz zum Schluss: Ich habe den Herrn Finanzminister anfangs nicht begrüßt, ich hole es jetzt nach. (Beifall bei der SPÖ.)

13.14


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Herzlich willkommen im Bundesrat, Herr Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Der von den Bundesrätinnen und Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Steuerbegünstigungen für Amazon, Starbucks und Co“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Bernd Saurer. – Bitte.



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13.15.10

Bundesrat Mag. Bernd Saurer (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren via Livestream! Wir Freiheitliche befürworten ebenso diese temporäre Steuersenkung für die Gastronomie, wiewohl wir allerdings beleuchten müssen, in welchem Ausmaß Konsumenten und Gastronomiebetriebe tatsächlich entlastet werden. Was deutsche Untersuchungen ergeben haben, wird sich ein durchschnittlicher Haushalt in Österreich rund 10 bis 20 Euro im Monat ersparen. Inwieweit das Ergebnis dieser Maßnahme in den Konsum rückinvestiert wird, sei einmal dahingestellt.

Auf der anderen Seite ist fraglich, ob Gastronomiebetriebe ihrerseits trotz aller Beteue­rungen die Mehrwertsteuersenkung auch tatsächlich an die Konsumenten weiterleiten, zumal auch ein beträchtlicher Aufwand – wie vorhin schon erwähnt – damit verbunden ist. Die Registrierkassen müssen ebenso wie die Bezahlterminals umprogrammiert wer­den, Buchhaltungssysteme müssen adaptiert und letztendlich Speise- und Getränke­karten neu verfasst werden. Bei Aufhebung der Maßnahme zum Jahresende – auch das wurde schon erwähnt – ist zu bezweifeln, dass alle Gastronomiebetriebe die Anhebung auf den ursprünglichen, also auf den jetzigen Steuersatz nicht zum Nachteil der Konsu­menten nutzen.

Zur Maßnahme selbst: Wie gesagt, ein durchschnittlicher Haushalt erspart sich 10 bis 20 Euro. Der Konsumeffekt für die Gastrowirtschaft selbst wird damit auch überschaubar sein. Anstatt also diese gesamte Sparte durch unbürokratische Schnellhilfe zu entlasten und einen Konsumtausender, der die Wirtschaft tatsächlich im großen Umfang ankur­beln würde, für alle Österreicherinnen und Österreicher nach freiheitlichem Modell aus­zu­schütten, kommt durch die nunmehrige Umsatzsteuersenkung Hilfe in Apotheker­do­sen.

Etwas beängstigend bei dieser Wirtschaftsbelebungsmaßnahme ist vor allem der Um­stand, dass wir Österreicherinnen und Österreicher – auch das wurde schon erwähnt – erst auf das Placet der EU-Kommission warten müssen. Obwohl die Mitgliedstaaten Steuerhoheit genießen, obwohl die Senkung laut Expertenauskunft mit der EU-Mehr­wert­steuersystemrichtlinie kompatibel zu sein scheint, obwohl eine weltwirtschaftliche Notlage vorherrscht und Tausende Arbeitsplätze daran hängen, müssen wir des gott­gleichen huldvollen Sanctus der EU harren.

Wenn wir uns allerdings zurückerinnern, wie unbürokratisch und gesetzwidrig die EU gehandelt hat, als Millionen Migranten illegal die EU-Grenzen gestürmt haben, sieht man mit Bedauern, wo die Kommission ihre Prioritäten setzt: nationale Hilfe: null, Ausbeutung der Sozialtöpfe aus aller Herren Länder: in vollen Zügen.

Wenn wir bei diesem Tagesordnungspunkt schon über wirtschaftsbelebende Maßnah­men diskutieren, möchte ich noch kurz die Bundeshauptstadt Wien streifen. Während die SPÖ zu Recht die schleppende Hilfe der Bundesregierung anprangert, ist die SPÖ Wien in der Hilfestellung für die Wienerinnen und Wiener selbst äußerst säumig. Bislang hat die Gemeinde Wien bei einem 10-Milliarden-Euro-Haushalt seit Beginn der Pande­mie gerade einmal – man staune – 90 Millionen Euro an Direktförderungen springen lassen. Das ist nicht einmal 1 kümmerliches Prozent des Jahresbudgets. 40 Millionen Euro davon, also knapp die Hälfte der ausgeschütteten Summe, entfallen auf den Schnit­zelgutschein, der ja in aller Munde ist, den sich die Wienerinnen und Wiener als PR-Aktion für den Bürgermeister durch überhöhte Gebührenpolitik eigentlich selbst bezah­len.

Auch dazu ein einfacher Vergleich – der macht uns nicht reich, sondern leider arm –, um die Größenordnungen ins rechte Licht zu rücken: Jährliche Integrationsausgaben durch die Gemeinde Wien: weit über 1 000 Millionen Euro; für Wienerinnen und Wiener in


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Notzeiten gibt es halt dann ein Geselchtes mit Kraut und Knödel. – Danke, Herr Bürger­meister, Danke für diese Verhöhnung! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bun­des­rätin Schumann.)

Da die Steuersenkung aber auch den Kultur- und Publikationsbereich umfasst, möchte ich seitens der Freiheitlichen betonen, dass wir die Initiative der SPÖ unterstützen, zumal wir als soziale Heimatpartei kein Anliegen haben, supranationale Konzerne, die ihre Mitarbeiter ausbeuten und ihre Steuern in Steueroasen zum Nulltarif begleichen, mit österreichischem Steuergeld zu alimentieren. Ich freue mich mit Neugier darauf, wie die Grünen argumentieren, dass Ausbeuterfirmen, die ihre Milliardenumsätze unter ande­rem Kinderarbeit in der Dritten Welt verdanken, von einer österreichischen Steuersen­kung profitieren sollen.

Meine Damen und Herren, wir Freiheitlichen erwarten zur Standortsicherung unserer Gastronomiebetriebe in Österreich wirksamere Maßnahmen seitens der Bundesregie­rung. Ich appelliere deshalb nochmals, sich an die Umsetzung unseres freiheitlichen Konsumtausenders für jede Österreicherin und für jeden Österreicher zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Da wir Freiheitliche diesen Antrag bereits mehrmals eingebracht haben, möchte ich zwei weitere Chancen nützen und bringe Entschließungsanträge zur Stärkung der österreichi­schen Wirtschaft ein, zum einen betreffend eine generelle Halbierung der gesamten Umsatzsteuersätze und zum anderen betreffend die Miteinbeziehung privater Vermieter von Ferienwohnungen in den Kreis der Anspruchsberechtigten aus dem Härtefallfonds.

Ich darf verlesen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „generelle Halbierung des Umsatzsteuersatzes“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Halbierung sämtlicher derzeitiger Umsatzsteuersätze bis Ende erstes Quartal 2021 sicherstellt.“

*****

Und der zweite:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringen­de Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häus­lichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefall­fonds“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend jene Schritte zu setzen, die sicher­stellen, dass auch die privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häus­lichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Kreis der Anspruchs­berechtigten aus dem Härtefallfonds aufgenommen werden, und dass die Bemessungs­grundlage für die Berechnung der Höhe der Förderung sowohl für Vermieter im Rahmen


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des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten als auch für Vermieter im Rahmen des ‚Urlaubs am Bauernhof‘ vereinheitlicht wird und damit derzeit beste­hende Benachteiligungen beseitigt werden.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

13.22


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „gene­relle Halbierung des Umsatzsteuersatzes“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der von den Bundesräten Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „dringende Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefallfonds“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte.


13.22.59

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Saurer, ich glaube, Sie haben da etwas falsch verstanden. Bei der USt-Senkung geht es nicht darum, dass das Bier billiger wird, sondern darum, dass den Wirten mehr bleibt. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er schon verstanden!)

Wir beschließen heute eine Umsatzsteuersenkung auf 5 Prozent für den Gastronomie- und Tourismusbereich, für die Medien und für den Kunst- und Kulturbereich. Das ist gut so, denn das alles sind Bereiche, die stark von der Covid-Krise betroffen sind und deren wirtschaftliches Überleben stark gefährdet ist. So weit, glaube ich, herrscht hier im Haus auch Konsens.

Was uns nun aber schon seit mehreren Wochen begleitet, fehlt auch heute nicht: Es werden wieder Haare in der Suppe gefunden und es sind, so kommt es mir vor, immer dieselben, die da entdeckt werden. Fast schon gebetsmühlenartig wird bekrittelt, die Hilfe käme zu spät, und oft gleichzeitig – was bekannterweise einen Widerspruch dar­stellt –, es sei ein unüberlegter Schnellschuss, es sei zu wenig, es sei zu bürokratisch, die Hilfe käme nicht an oder es würden nur die Großen profitieren. Schauen wir uns diese Kritikpunkte in Bezug auf diese Umsatzsteuersenkung näher an!

Nur die Großen würden profitieren: Im Bereich der Gastronomie und Hotellerie gibt es in Österreich 90 000 Betriebe. Davon sind 96 Prozent Klein- und Mittelbetriebe und über 20 Prozent sogar Einpersonenunternehmen. Im Buchhandel  Frau Staatssekretärin Mayer hat das heute bereits ausgeführt, ich möchte das noch einmal wiederholen – sind 70 bis 80 Prozent stationärer Handel, und selbst beim Onlinebuchhandel ist nicht Ama­zon der alles Beherrschende, da haben gerade auch zuletzt in der Lockdownphase viele österreichische Unternehmen neue Kompetenzen erarbeitet und neue Marktanteile gewonnen. Eine Unterscheidung zwischen Onlinehandel und stationärem Handel würde zudem EU-Recht widersprechen und ist daher nicht umsetzbar.

Was würde im Buchbereich passieren, wenn wir nicht auf 5 Prozent reduzieren wür­den? – In Österreich gibt es die Buchpreisbindung. Der Großteil der in Österreich ver-


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kauften Bücher stammt aus deutschen Verlagen. Deutschland hat auf 5 Prozent redu­ziert. Das würde bedeuten, dass die Nettopreise steigen, das heißt, der österreichi­sche Buchhandel müsste die Bücher teurer einkaufen, im Endeffekt würden die Bücher für die Leser teurer werden. Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels hat dringend davor gewarnt, dass dies das endgültige Aus für viele Buchhändler in Österreich wäre. In dem Bereich ist die Maßnahme daher besonders wichtig.

Zum Vorwurf, es sei zu kompliziert, es sei zu bürokratisch, die Hilfe komme nicht oder zu spät an: Gerade die Umsatzsteuersenkung ist eine Maßnahme, die sofort wirkt, die eben keinen nennenswerten Aufwand seitens der Betriebe erfordert, weil eben kein Antrag zu stellen ist. Die Umprogrammierung der Kassa auf den neuen Steuersatz sei weniger Aufwand, als ein geändertes Tagesmenü einzugeben, sagen mir Gastronomen.

Wir beschließen heute eine Steuersenkung, die rasch wirkt, direkt ankommt, für die Betriebe unkompliziert ist und eine echte Entlastung darstellt. (Bundesrat Rösch: In Wirklichkeit sind schon so viele verzweifelt!)

Noch ein paar Worte zur wirtschaftlichen Situation in Österreich, im europäischen Kontext gesehen: Natürlich sind die wirtschaftlichen Schäden massiv, aber sie sind es nicht, weil die Regierung schlecht gehandelt hat, sondern weil die Pandemie in ganz Europa und darüber hinaus zu großen Einbrüchen geführt hat. Im europäischen Vergleich schneidet Österreich sehr gut ab. Die OECD hat in einem aktuellen Bericht bezüglich der Entwicklung des BIP für 2020 folgende Zahlen prognostiziert: Österreich minus 6,2 Prozent. Ja, das ist nicht schön, aber zum Vergleich: Schweden, das weit­gehend auf den Lockdown verzichtet hat, minus 6,7 Prozent (Bundesrat Steiner: Von den Vergleichen haben die Arbeitslosen aber nichts! – Bundesrat Rösch: Das ist ja ihm wurscht, er hat eh genug Geld!), Deutschland minus 6,6 Prozent und die Schweiz minus 7,7 Prozent.

Im Bereich der Arbeitslosen – ich möchte da nichts beschönigen – haben wir circa 140 000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr. Das ist ein großes Problem, und es bedarf da sicher weiterer Anstrengungen, um wieder mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen, aber auch da steht Österreich – nicht zuletzt durch unser Kurzarbeitsmodell – im europäischen Vergleich besser da als viele andere. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die Arbeitslosenrate beträgt in Österreich nach OECD-Berechnung circa 5,8 Prozent, der Durchschnitt im Euroraum liegt bei 9,8 Prozent. (Ruf bei der SPÖ: ... Sozialpartner!)

Liebe Opposition, auch wenn ihr täglich ein Haar in der Suppe findet, der europäische Vergleich zeigt klar, dass Österreich das ganz gut macht.  Danke. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Steiner: Das nützt dem einzelnen Arbeitslosen nichts!)

13.28


Vizepräsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bun­desrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte.


13.29.02

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mehr, höher, weiter: Wenn ich mir die Forderungen der Opposition so anhöre, bin ich mir nicht sicher, ob Ihnen bewusst ist, dass wir uns momentan nicht in einem sportlichen Wettkampf befinden, sondern dass es darum geht, verantwortungsvoll, nachhaltig eine globale Pandemie zu meistern. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bleibe aber gerne beim Vergleich mit dem Sport, denn wenn Corona nicht wäre, wären wir jetzt gerade mitten in einer Fußball­europameisterschaft, mit voll besetzten Stadien in zwölf Ländern Europas, mit jubelnden


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Fanmassen beim Public Viewing und in den Stadien. Ich glaube, so unterschiedlich die Zeiten sind und so wenig wir uns das vorstellen können, so gibt es vielleicht die eine oder andere Emotion, die wir uns mitnehmen können.

Stellen wir uns vor, Österreich wäre tatsächlich jetzt noch dabei, hätte die Gruppenphase überstanden, wäre in der K.-o.-Phase! (Bundesrätin Schumann: Ich glaube nicht, dass wir in die K.-o.-Phase kommen!) Ich glaube, dann wären wir alle, die wir hier sitzen, sehr stolz, wir wären aber auch sehr dankbar und sehr demütig.

Wenn wir auf das zurückschauen, wie Österreich in den vergangenen Wochen und Monaten diese Krise gemeistert hat, dann können wir, glaube ich, auch stolz und dankbar sein. Uns bestätigen alle Experten, uns bestätigen Studien, dass Österreich bisher besser durch diese Krise gekommen ist als ganz viele andere Länder in Europa. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ganz klar, dazu hat unsere Bundesregierung beigetragen, dazu haben wir alle am Beginn dieser Krise beigetragen, dazu haben aber vor allem alle Österreicherinnen und Österreicher mit einer unglaublichen Disziplin beigetragen, damit für unser Gesundheits­system ganz einfach Schlimmeres verhindert wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Ich glaube, es kommt nicht von ganz ungefähr, wenn Freunde von mir, die im Ausland leben, heute zu mir sagen, es ist eigentlich nirgends so sicher wie in Österreich, eigentlich möchte ich schnellstmöglich in meine Heimat zurück­kom­men. (Präsidentin Eder-Gitschthaler übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bleiben wir beim Sport! Da wüssten wir alle genau, was es in dieser Phase braucht: Disziplin, Entschlossenheit, einen klaren Plan. Auch da können wir vielleicht das eine oder andere mitnehmen, wenn es darum geht, dass wir uns weiterhin diszipliniert an all das halten, was uns in den vergangenen Wochen und Monaten so erfolgreich gemacht und uns geholfen hat, das Ansteckungs- und das Infektionsrisiko zu minimieren. Es geht auch darum, dass wir weiterhin mit viel Entschlossenheit und einem klaren Plan unser Land wieder hochfahren und die Wirt­schaft auch wieder auf die Überholspur bringen (Bundesrat Steiner: Was für ein Plan?), schlicht und ergreifend das Comeback für Österreich schaffen. Dazu ist uns in der Akutphase mit der Coronakurzarbeit, mit Maßnahmen wie Steuerstundungen und Über­brückungskrediten, aber auch mit dem Härtefallfonds bis hin zu den Fixkostenzu­schüssen und den Investitionspaketen vieles gelungen, als es darum ging, Unternehmen zu sichern, als es darum ging, Arbeitsplätze zu sichern.

Keine Frage, auch in den nächsten Wochen und Monaten wird es da noch einiges brauchen, beispielsweise die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer, die auch bereits in der Regierungsklausur angekündigt wurde. Gleichzeitig haben wir uns immer dazu bekannt, dass wir Sondermaßnahmen für besonders betroffene Bereiche setzen möchten. Genau so eine Maßnahme beschließen wir heute mit der Mehrwertsteuer­senkung.

Für die Gastronomie, für den Tourismus, für die Freizeitwirtschaft, auch für die Kulturwirtschaft senken wir die Mehrwertsteuer für das nächste halbe Jahr auf 5 Prozent und sorgen damit wirklich dafür, dass den Unternehmerinnen und Unternehmern mehr Netto vom Brutto übrigbleibt.

Herr Kollege Saurer, du hast heute davon gesprochen, glaube ich, wie viel dem durch­schnittlichen österreichischen Haushalt übrigbleibt. Ich kann nur eines dazu sagen: Ich habe mit einer befreundeten Gastronomin gesprochen, die zu mir gesagt hat: Ja, mit der Mehrwertsteuersenkung ist es so weit, dass ich mir einmal einen Lohn herausnehmen kann, ist es so, dass einfach ein bisschen mehr im Monat übrigbleibt. Ich glaube, das ist in dieser Situation ganz, ganz wichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Es ist vieles schon angesprochen worden. Ich freue mich ganz besonders, dass wir mit dieser Maßnahme auch die Freizeitwirtschaft stärken, dass wir die Sehenswürdigkeiten, die touristischen Attraktionen auch ein wenig stützen können und dass wir unsere Kulturbranche unterstützen. Nehmen wir allein die nächsten Monate, wenn im Sommer das ganze Land zu einer großen Bühne wird: Alleine in Niederösterreich, und wer hätte das gedacht, wird es heuer im Rahmen des Kultursommers über 100 Festivals und mehr als 1 000 Einzelveranstaltungen geben.

Ich freue mich darüber, dass wir mit dieser Mehrwertsteuersenkung die Menschen unterstützen, die sich in diesen besonders herausfordernden Zeiten darum bemühen, dass wir trotzdem Kunst und Kultur in allen Teilen unseres Landes erlebbar und spürbar machen. (Bundesrätin Grimling: Erhöhen Sie das Arbeitslosengeld!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen aber alle, dass wir in der Politik nur Rahmenbedingungen schaffen können. Wenn ich beim Fußball bleiben darf, so muss uns, glaube ich, eines klar sein: Diese Maßnahme ist ein Assist, da heißt es den Ball aufzulegen. Jeder einzelne Österreicher und jede einzelne Österreicherin entscheidet darüber, wie viel Erfolg wir damit haben werden und wie groß dieser Erfolg ist und auch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, wen wir damit fördern und unterstützen. Jeder Einzelne hat es in der Hand, statt globaler Konzerne die regionalen Betriebe zu unterstützen. (Bundesrätin Grimling: Erhöhen Sie bitte das Arbeitslosen­geld! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann deswegen nur noch einmal sagen: Besuchen Sie den Wirt ums Eck, Ihr Lieblingsgasthaus! Gehen Sie zum Gemüsehändler, zum Fleischer, zum Bäcker! (Bundesrätin Grimling: Ich muss es mir leisten können!) Lassen Sie sich von Ihrem Buchhändler beraten und suchen Sie sich eine Sommerlektüre! Genießen Sie das eine oder andere Ausflugsziel, und vor allem: Planen Sie Ihren Urlaub in Österreich! Das ist Regionalität, die nicht nur unserer Umwelt zugutekommt, sondern die für uns alle Sicher­heit schafft. (Bundesrat Steiner: Mit was für einem Geld soll man das machen? Welt­fremd!) Dann können wir auch gemeinsam stark wieder aus dieser Krise herauskommen.

In diesem Sinne möchte ich am Schluss auch noch eine Anmerkung machen: Im Na­tionalrat hat es einen Entschließungsantrag gegeben, mit dem sichergestellt werden soll, dass es ab dem nächsten Jahr nach dieser Mehrwertsteuersenkung keine Preis­erhö­hung gibt. Diesen Antrag bringt die SPÖ heute ein. Wir unterstützen diesen Antrag auch gerne, so wie wir es auch im Nationalrat getan haben, weil auch uns das sehr, sehr wichtig ist. Im Sinne des Salzburger Vorsitzes, der Kultur des Miteinanders wäre es schön gewesen, diesen Antrag als sichtbares Zeichen hier gemeinsam einzubringen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Bundesrat Steiner: Die falsche Moralistin schon wieder!)

13.36


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.36.28

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich darf ein paar Worte zum aktuell diskutierten Gesetzes­vor­schlag sagen. Mich freut es sehr, dass wir diese Mehrwertsteuersenkung, die ja befristet ist, um eben diesen besonders betroffenen Branchen zu helfen, heute beschließen kön­nen.

Insgesamt geht es uns ja – das ist heute bei den verschiedensten Redebeiträgen auch schon zum Ausdruck gekommen – um die besonders betroffenen Branchen, unter


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anderem auch die Gastronomie, die ja durch die notwendigen Schließungen, aber auch durch das Konsumverhalten, das nach wie vor natürlich nicht auf demselben Niveau ist wie davor, ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen worden ist.

Wir lesen es ja immer wieder in den Medien: In den verschiedensten Bereichen der Welt, Europas, aber auch in Österreich gibt es immer wieder neu aufflammende Cluster, was das Coronavirus betrifft. Das heißt, der Kampf gegen das Virus ist nach wie vor nicht vorbei. Er wird erst endgültig vorbei sein, wenn es eine entsprechende Impfung gibt. Bis das der Fall ist, wird es auch in den verschiedensten Bereichen ein zurückhaltendes Konsumverhalten geben. Das müssen wir so gut es geht ebenfalls bekämpfen, ohne uns weiteren gesundheitlichen Risiken auszusetzen, aber eine endgültige Normalität wird es erst dann geben, wenn wir wissen, dass das Virus keine Gefahr für das Leben der Menschen mehr darstellt.

Deswegen wollen wir in dieser besonders schwierigen Zeit jenen unter die Arme greifen, die wirtschaftlich eine große Herausforderung zu bewältigen haben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Es gibt nicht nur die Kurzarbeit, mit der wir Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer unterstützen wollen, wofür wir bis zu 12 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt haben – über 3 Milliarden Euro sind an die betreffenden Unternehmen bereits geflossen –, son­dern auch viele andere Maßnahmen, unter anderem die Umsatzsteuersenkung, die ab 1.7. gelten soll.

Da komme ich jetzt vor allem zur Gastronomie: Bei der Gastronomie wird ein Entlas­tungsvolumen von in etwa – genau kann man es ja nicht berechnen, aber in etwa – 700 Millionen Euro bis Jahresende schlagend werden. Wenn man dazu noch das Wirtshauspaket rechnet, das wir ja schon vor einigen Wochen beschlossen haben, bei dem es ja ebenfalls Umsatzsteuersenkungen sowie auch eine Pauschalierung für kleinere Gasthäuser gegeben hat, dann ergibt das ein Volumen, zu dem man sagen kann: Bei den etwa 41 000 Gastwirtschaften, die es in Österreich gibt, wird es im Durchschnitt 23 000 Euro an Entlastung pro Gastwirtschaft geben. Das ist natürlich ein Durchschnittswert, aber das kann sich wirklich sehen lassen, deswegen auch Danke für diese konstruktive Debatte und das Mitwirken an dieser Entlastung! Vielen Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es wird noch weitere Maßnahmen im Kampf gegen die Auswirkungen dieser weltweiten Wirtschaftskrise geben, die werden wir dann ohnehin noch im Bundesrat diskutieren können. Vielleicht nur ein kleiner Ausblick darauf: Wir wollen die Menschen in diesem Land entlasten, die arbeiten gehen, die Lohn- und Einkommensteuer zahlen, deswegen senken wir die unterste Einkommensteuerstufe von 25 auf 20 Prozent; das ergibt ein Volumen von etwa 1,6 Milliarden Euro. Jeder Einzelne wird davon mit bis zu 350 Euro profitieren. Wir werden eine Erhöhung der Negativsteuer umsetzen, das heißt, dass auch Bezieher kleinerer Einkommen, die keine Steuern zahlen, profitieren können, dass ihnen bis zu 100 Euro mehr im Geldbörsel bleiben.

Wir werden für die Unternehmerinnen und Unternehmer, die in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben, Gewinne geschrieben haben, auch die Möglichkeit schaffen, dass sie die Verluste aus diesem Jahr mit den Gewinnen der letzten Jahre in der Höhe von bis zu 5 Millionen Euro rückverrechnen, einen sogenannten Verlustrücktrag machen können. Das reduziert die Steuerlast der letzten Jahre im Nachhinein und soll damit in dieser schwierigen Phase mehr Liquidität in den Unternehmen belassen.

Eine Maßnahme, auf die ich persönlich sehr, sehr stolz bin, weil ich sie für eine kleine wirtschaftspolitische Revolution halte, ist die Neugestaltung der Abschreibungsmög­lich­keiten, die sogenannte degressive Abschreibung. Bis dato ist es ja so, dass Investi­tionsgüter über die Dauer des Lebenszyklus linear abgeschrieben werden. Jetzt wollen wir eine degressive Abschreibung möglich machen, bereits ab dem ersten Jahr sollen


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30 Prozent vom jeweiligen Buchwert abschreibbar sein. Das ist natürlich ein massiver Investitionsanreiz. Das Wichtige ist: Diese Maßnahme gilt nicht nur vorübergehend, sondern unbeschränkt, das heißt, das wird den Standort Österreich in den nächsten Jahren nachhaltig nach vorne bringen und damit Arbeitsplätze schaffen.

Wir werden auch die Steuerstundungen, deren Volumen bisher circa 6,5 Milliarden Euro beträgt, verlängern – das war bis dato ja nur bis Oktober gewährleistet und soll jetzt automatisch bis ins nächste Jahr verlängert werden –, um den Unternehmen in dieser schwierigen Zeit ein wenig unter die Arme zu greifen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.41


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


13.41.42

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin, bevor ich zum vorliegenden Bundesgesetz komme, darf ich Ihnen zur Präsidentschaft gratu­lieren. Ich habe heute in der Früh Ihren Ausführungen gelauscht und habe da Parallelen gefunden.

Es war Kollege Bader, der, als er Präsident war, auch die Dezentralisierung in allen Bundesländern als sehr, sehr wichtig erachtet hat. Damals habe ich schon gesagt: Das ist halt nicht ganz gelungen. – Schaut man die Gebietskrankenkassen – heute die Österreichische Gesundheitskasse – an, sieht man, was da passiert ist, das steht ganz gegen eine Dezentralisierung, das ist eine klassische Zentralisierung.

Ich darf heute kurz die Krankenkassen ansprechen, da der Herr Bundesminister hier ist: Die Krankenkassen haben jetzt schon einen Ausfall von zwischen 600 Millionen Euro und einer 1 Milliarde Euro. Vielleicht können Sie den Gedanken heute mitnehmen, dass die Österreichische Gesundheitskasse dringendst Unterstützung braucht. Das von der Kollegin der ÖVP angesprochene Hilfspaket ist dringendst notwendig. Ich glaube, das brauchen wir mehr als dringend. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Schennach: Das war eine Bauchfleckreform!)

Frau Mag. Zeidler-Beck hat heute gesagt: Schneller, höher, weiter, das ist ja unbe­greiflich, was die SPÖ nicht alles fordert. – Beim letzten oder vorletzten Mal haben Sie über Hermann Maier gesprochen, ich kann mich gut erinnern, da haben Sie Hermann Maier als Vorbild gebracht: Wir alle müssen Hermann Maier nacheifern, wir alle müssen Hermann Maier werden. – Hermann Maier ist Spitzensportler. Welcher Mensch in Österreich steht mehr für höher, schneller, weiter als Hermann Maier? Und heute sagen Sie: Die SPÖ fordert schneller, höher, weiter. – Na was sollen wir denn machen? Unter­irdisch werden wir nicht fordern, wir wollen natürlich weiterkommen. Wir wollen höher kommen und schneller weiterkommen, das ist ja wohl klar. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mir heute auch nicht nehmen lassen, Mag. Pisec und Mag. Saurer Folgendes zu sagen: Ich bin aus dem Burgenland, ich komme aus Eisenstadt und bin sehr, sehr stolz darauf, Burgenländer zu sein, Eisenstädter zu sein. Ich bin aber auch sehr, sehr stolz darauf, keine 50 Kilometer von der schönsten Stadt der Welt zu leben und hier arbeiten zu dürfen. Ich muss wirklich sagen: Dieses Wienbashing, das Sie betreiben, wäre im Burgenland undenkbar, keiner – und da nehme ich die Freiheitlichen in Schutz – würde das Burgenland schlechtreden. Sie als Wiener machen Wien schlecht, das passt einfach nicht. Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung. (Beifall bei der SPÖ.  Bun­desrat Steiner: Das hat ja nichts mit Wien zu tun! Die Regierung darf man aber schon kritisieren! Also so abgehoben!)


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Was hat ein Vorredner von mir, Herr Andreas Lackner von den Grünen, gesagt? – Er hat natürlich alle Vergleiche gebracht, welche Länder schlechter sind: Schweden, alle sind schlechter. – Ich habe heute in der Früh im ARD die Arbeitslosenzahlen von Deutschland gesehen. Wissen Sie, wie viele Arbeitslose in Deutschland durch die Coronakrise verursacht wurden? Wissen Sie das im Vergleich? Wissen Sie das? – 600 000. Wissen Sie, wie viele Einwohner Deutschland hat? – Zehnmal so viele wie Österreich. Also ich denke, die Bewältigung der Gesundheitskrise haben wir gut geschafft, aber jene der Wirtschaftskrise haben wir nicht über die Bühne gebracht. Das schaut nicht so gut aus. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Bader: Stimmt ja nicht!)

Ich komme jetzt zu diesem Bundesgesetz, zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes, viele Thematiken wurden schon erwähnt: Die Abgaben auf Speisen, Getränke im Rah­men des Gastgewerbes werden geändert, der Steuersatz auf Bücher, Zeitungen, Zeit­schriften, Bilderalben, kartografische Erzeugnisse, für die Einfuhr von Kunstgegen­stän­den, für die Tätigkeit als Künstler, alles geht auf 5 Prozent runter.

Wir werden und daher hat mich das auch gewundert, Frau Mag. Zeidler-Beck  heute ja auch zustimmen. Es ist ja nicht so, dass wir heute dagegen sind. (Bundesrat Schennach: Das weiß sie nicht!) Wir werden heute zustimmen, aber – und das ist uns, glaube ich, schon erlaubt – die Geschichte natürlich mit einigen Kritikpunkten versehen.

Die Umsetzung ist nämlich, wie ich meine, aus drei Gründen nicht ganz optimal: Erstens ist sie bürokratisch und viel zu kompliziert, das haben wir in den letzten Wochen, Monaten gesehen. Ich kenne ja auch keinen Unternehmer, der sich jetzt herstellt und sagt: Ich bin so glücklich und so froh darüber, was die Bundesregierung im wirt­schaft­lichen Bereich gemacht hat. – So toll ist ja nicht alles gelaufen.

Warum ist es so bürokratisch und so kompliziert? Weil die Kassensysteme von allen Wirten und anderen Betroffenen zweimal umprogrammiert werden müssen. Das heißt, alle Registrierkassen müssen in einer relativ kurzen Zeit zweimal programmiert werden.

Zweiter Punkt: Es gibt keine Deckelung. Da geht es darum, dass quasi nur noch die halbe Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt wird und der Rest der jeweiligen Firma bleibt. Das bedeutet, dass große Ketten wie Starbucks, die mitunter, wie wir alle wissen, in Österreich gar keine Steuern, jedenfalls keine Gewinnsteuern zahlen, wesentlich mehr davon haben als ein Kaffeehaus oder auch zehn Kaffeehäuser in Wien zusammen. Es gibt keine Deckelung dieser Förderung. Das heißt, die Großen bekommen am meisten und die Kleinen, unsere kleinen Unternehmer, unsere wichtigen Unternehmen bekom­men eigentlich relativ wenig.

Der dritte Grund, meine Damen und Herren, ist, dass das offensichtlich ein euro­pa­rechts­widriges Modell darstellt. Im Europarecht ist geklärt – das wurde vorhin auch schon erwähnt –, dass jedes Land einen normalen Steuersatz hat und zwei niedrigere, be­günstigte Steuersätze haben darf. Das, was die Regierung und die Regierungsparteien jetzt schaffen, ist ein dritter, obwohl das Europarecht ganz klar sagt, dass es nur zwei geben darf. Das bedeutet, es ist offensichtlich europarechtswidrig. (Bundesrat Bader: Warum stimmt ihr dann zu?)

Ja, wir werden heute zustimmen, aber ich möchte schon auf Folgendes hinweisen: Sollte das wirklich europarechtswidrig sein, dann muss sich der Herr Minister oder auch die ÖVP dafür verantworten. Herr Bader, wir geben heute den Vertrauensvorschuss und schauen uns die Sache dann in Zukunft auch ganz genau an.

Ich möchte aber zu diesem Tagesordnungspunkt auch einen Entschließungsantrag einbringen:


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 75

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Preiserhöhung durch USt-Begünstigung per 1.1.2021“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert sicher zu stellen, dass die mit 1.1.2021 vor­gesehene Anhebung der Umsatzsteuersätze nicht zu einer Preiserhöhung für die Kon­sumentinnen und Konsumenten ab 1.1.2021 führt.“

*****

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Preis­erhö­hung durch USt-Begünstigung per 1.1.2021“ ist ordnungsgemäß einge­bracht, ge­nügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Dim. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


13.49.30

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Wir haben heute schon mehrmals gehört, wir haben in Österreich einen gebundenen Ladenpreis für Bücher. Vielleicht kann mir der Herr Bundesminister diesbezüglich eine Antwort auf meine Frage geben: Auf welchen Preis gelten jetzt diese 5 Prozent, auf den Nettopreis oder auf den auf den Büchern angedruckten Bruttopreis, der ja bisher schon unterschiedlich zwischen Deutschland und Österreich war?

Wenn man streng nach dem Umsatzsteuergesetz vorginge, müsste man ab gestern alle Bücher umetikettieren, weil der Preis nicht mehr stimmt. Außerdem ist gesagt worden, man hilft damit den Buchhandlungen. Nettopreis plus 5 Prozent Mehrwertsteuer dazu, wem hilft man damit? – Dem Konsumenten, aber nicht dem Buchhändler! Vielleicht macht er ein bisschen mehr Umsatz, weil die Bücher um 5 Prozent billiger werden, aber das glaube ich nicht.

Ich möchte wissen: Gilt dieser Preis auf den gebundenen Bruttopreis, wie er in Österreich gültig ist und zumindest auf allen Taschenbüchern ausgewiesen ist, oder gilt er auf den Nettopreis?

Zweites Problem: Wir haben eine laufende Schulbuchaktion. Auch die Schulbücher sind somit mit 5 Prozent Mehrwertsteuer zu versteuern. Es gibt ein Budget, das sich jede Schule ausrechnen kann, zum Beispiel an Volksschulen beträgt dieses 50 Euro pro Schüler. Das gilt für den Bruttopreis. Ich möchte wissen: Haben die Schulen jetzt 5 Prozent mehr Budget zur Verfügung oder gilt derselbe Preis und der Buchhändler profitiert davon, wie Sie uns versprochen haben? Das sind zwei signifikante Fragen.

Seit gestern soll das Gesetz gelten, die Buchhändler, wie ich einer bin, kennen sich aber leider noch nicht aus. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätinnen Grimling und Schumann. – Bundesrat Steiner: Er weiß keine Antwort, der Minister, oder was? – Bundesrat Rösch: Er googelt grad!)

13.51

13.51.25


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 76

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „keine Steuerbegünstigungen für Amazon, Starbucks und Co“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (307/E-BR/2020

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „generelle Halbierung des Umsatzsteuersatzes“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit, der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „dringende Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefallfonds“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag auf Fassung der gegenständ­lichen Entschließung ist daher angenommen. (308/E-BR/2020)

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „keine Preiserhöhung durch USt-Begüns­tigung per 1.1.2021“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher angenommen. (309/E-BR/2020)

13.54.066. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien (276/A(E)-BR/2020 sowie 10360/BR d.B.)


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nun zu Tagesordnungs­punkt 6.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck. – Ich bitte um Ihren Bericht.


13.54.18

Berichterstatterin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Entschließungsantrag der Bun­desräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 77

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten den Antrag, der Bundesrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Edi Köck. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


13.55.01

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucher! Die deutsche Volksgruppe in Slowenien kämpft seit vielen Jahren um die offizielle Anerkennung durch die Republik Slowenien. (Bundesrat Schennach: Deutschsprachige!) Anders als die ungarische und die italienische Volksgruppe in Slowenien oder die slowenische Volksgruppe in Öster­reich ist die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien nicht als autochthone Volks­gruppe anerkannt und verfügt daher über keine kollektiven Rechte.

Österreich unterstützt die Forderung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien. Eine solche Anerkennung würde eine nachhaltige Förderung ihrer Sprache und Kultur, die seit Jahrhunderten auf dem Gebiet der heutigen Republik Slowenien beheimatet ist und in engem Austausch mit der slowenischen Mehrheitsbevölkerung stand und steht, ermöglichen und den Angehörigen der Volksgruppe ihre kollektive Würde wiedergeben. Dies wäre eine logische Fortsetzung der bereits getätigten Gesten der vergangenen Jahre.

Gerade im Hinblick auf seine hohen Standards im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Men­schenrechte muss Slowenien sich auch die Frage der Behandlung der deutsch­sprachigen Volksgruppe stellen. In diesem Sinne ist es dringlich, diese schon so lange bestehende unbefriedigende Situation auch im Lichte der guten nachbarschaftlichen Beziehung zu Slowenien endlich einer Lösung zuzuführen.

Österreich ist bereit, als aktiver Partner Sloweniens entsprechende Arbeiten zu begleiten beziehungsweise zu unterstützen. Die autochthonen Volksgruppen in Österreich, zu denen auch die slowenische Volksgruppe zählt, sind eine Bereicherung für die kulturelle Vielfalt unseres Landes. Wir sind daher davon überzeugt, dass auch die deutsch­sprachige Volksgruppe in Slowenien eine Bereicherung für die Kultur und Gesellschaft unseres befreundeten Nachbarlandes Slowenien ist.

Ich möchte Josef Ofner und den Kollegen von der FPÖ für diesen Entschließungsantrag im Ausschuss danken. Bedanken möchte ich mich auch für das Entgegenkommen, den gemeinsamen Antrag zu unterstützen. Ich glaube, dieser Antrag kommt zur richtigen Zeit, er wird auch im Nationalrat in ähnlicher Form gerade behandelt (Bundesrätin Schumann: In gleicher Form!), und wir haben von Bundesminister Schallenberg gehört, dass er erst letzte Woche bei einem Besuch in Slowenien mit den dortigen Vertretern darüber gesprochen hat (Bundesrat Schennach: Am Rande!) – aber doch –, dass dieses Problem endlich angegangen und gelöst werden soll.

Wir haben durchaus auch Unterstützung von internationalen Organisationen. Slowenien hat ja das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten – das ist ein Übereinkommen des Europarates – 1998 unterschrieben. 2007 hat das Ministerkomitee des Europarates die slowenischen Behörden aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Sprechern der deutschen Volksgruppe Gebiete festzulegen, in denen herkömmlich Deutsch gesprochen wird, und damit der Europäischen Charta der Regional- oder


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 78

Minderheitensprachen nachzukommen. 2010 wurde bemängelt, dass eigentlich noch überhaupt nichts passiert ist. Slowenien handelt da eben anders als im Umgang mit seinen italienischen oder ungarischen Volksgruppen, und das ist eben nicht ganz einzusehen.

Es gibt auch eine sehr, sehr lange gemeinsame Geschichte, einerseits jene der ehe­maligen Untersteiermark mit der Steiermark, andererseits jene mit Kärnten, aus sehr früher Zeit schon, angefangen mit Karantanien. Ich denke, man sollte den Menschen vor Ort ihre Identität lassen, so wie das Österreich eben auch tut. In einem gemeinsamen Europa sollte es dafür keine Grenzen und Differenzen mehr geben.

So haben wir uns eben zu diesem Antrag, zu diesem Entschließungstext entschlossen: „Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird ersucht, sich auf bilateraler und europäischer Ebene dafür einzusetzen, die Republik Slowenien zur offiziellen Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe zu bewegen.“

Wir ersuchen den Minister darum. Ich denke, dieses Zeichen, gerade zeitgleich mit der hundertjährigen Wiederkehr der Volksabstimmung in Kärnten, ist ein richtiges und wichtiges. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

13.59


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


13.59.56

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Auch ich möchte dir herzlich zu deiner Präsidentschaft gratulieren und dir alles Gute wünschen! Dem Präsidenten außer Dienst sage ich Danke für seine umsichtige Amtsführung!

Hohes Haus! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause! Mit der Aufforderung seitens des Parlaments wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, „sich auf bilateraler und euro­päischer Ebene dafür einzusetzen, die Republik Slowenien zur offiziellen Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe zu bewegen“. Dies kann vonseiten der Sozial­demo­kratie, aber auch vonseiten des Bundeslandes Kärnten nur vollinhaltlich unterstützt werden.

Bestrebungen hinsichtlich einer Dialogaufnahme der Regierung in Laibach mit Vertretern der deutschsprachigen Volksgruppe sind auf jeden Fall zu begrüßen. Es ist wün­schens­wert, dass dieser Dialog auch tatsächlich aufgenommen wird. Auf jeden Fall soll etwas unternommen werden, damit die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien nicht als Bedrohung, sondern als kultureller Bestandteil wahrgenommen wird. Ein Dialog mit der slowenischen Bundesregierung ist beziehungsweise wäre hier ein guter erster Schritt. Im Mittelpunkt dieser Gespräche sollte vor allem die Zukunft stehen, nicht aber alte Vorurteile oder Nationalismen. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade mein Bundesland Kärnten hat es in den vergangenen Jahren geschafft, diesseits der Grenze die Anliegen und die Anerkennung der slowenischen Volksgruppe im Dialog einer erfolgreichen Lösung zuzuführen. Landeshauptmann Dörfler hat betreffend die Ortstafellösung gemeinsam mit allen beteiligten Bürgermeistern und dem Bundeskanz­leramt unter der Federführung von Josef Ostermayer hervorragende Arbeit geleistet und viele Probleme, die über Jahrzehnte die Beziehung zwischen der deutschsprachigen Volksgruppe und der slowenischsprachigen Volksgruppe in Kärnten belasteten, lösen können. Diesen erfolgreichen Weg hat in der Folge auch Landeshauptmann Peter Kaiser fortgesetzt. So werden im Volksgruppendialogforum, dem ich auch persönlich ange­hören darf, mit den Volksgruppenvertretern laufend anstehende Diskussionspunkte auf­gegriffen und Lösungen gefunden.


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Auch in einem anderen Bundesland wurden diese Fragen der Anerkennung von Volks­gruppen schon lange und unaufgeregt erledigt. Das Burgenland war da vorbildlich, dort sind Fragen betreffend die kroatische und die ungarische Minderheit kein Thema mehr. (Bundesrat Schennach: Und Roma!)

So müsste es heute, im Jahr 2020, oder 100 Jahre nach demokratischen Abstimmungen und nach dem Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union eigentlich möglich sein, die Regierung in Slowenien dazu zu bewegen, alte Grenzen in den Köpfen über Bord zu werfen und den Weg des Dialogs zu suchen. Bis dato haben ja die slowenischen Regierungen beharrlich die staatliche Anerkennung seiner deutschen Minderheiten als autochthone Volksgruppe verweigert – eine Anerkennung, wie sie gemäß Artikel 64 der slowenischen Verfassung für die etwa 8 000 Ungarn des Übermurgebietes oder die 3 000 Italiener des slowenischen Küstenlandes sehr wohl besteht und in einge­schränk­ter Weise gemäß Artikel 65 auch für die 2 500 über das slowenische Staatsgebiet verstreut lebenden Roma, Sinti, Albaner, Serben und Montenegriner.

Das österreichisch-slowenische Kulturabkommen von 2001 nennt zwar eine deutsch­sprachige Volksgruppe in Slowenien, wobei Volksgruppen in Österreich seit 1976 der kodifizierte Ausdruck für die nationalen Minderheiten des Landes ist; im slowenischen Text hingegen ist von einer deutschsprachigen ethnischen Gruppe die Rede. Der Ausdruck etnicna skupina hat in der slowenischen Gerichtsterminologie bislang keine Bedeutung, denn italienische und ungarische Minderheiten in Slowenien heißen in der slowenischen Verfassung narodna skupnost – Volksgruppe –, die Roma werden als romska skupnost – Romagemeinschaft – angeführt.

Zudem verabschiedete das slowenische Parlament anlässlich der Ratifizierung einer interpretativen Erklärung, dass das Recht der deutschen ethnischen Gruppe durch Artikel 61 der slowenischen Verfassung geschützt ist, welcher lautet: „Jedermann steht das Recht zu, seine Zugehörigkeit zu seinem Volk oder seiner Volksgruppe frei zu bekennen, seine Kultur zu pflegen und kundzutun sowie seine Sprache und Schrift zu gebrauchen.“ Diese Bestimmung hat allerdings mit Minderheitenrechten gar nichts zu tun, sie gewährleistet lediglich den freien Gebrauch jeder Sprache im privaten Leben; zum Beispiel dürfen die Chinesen in Slowenien zu Hause Chinesisch sprechen.

Faktum ist, dass die Altösterreicher in Slowenien um ihre sprachliche Existenz bangen und Slowenien die deutschsprachige Volksgruppe nicht als heimische Minderheit aner­kennt. Auch der Beitritt Sloweniens zur EU hat kein Einlenken gebracht. Die Verant­wortlichen in Laibach kümmern sich nicht um die europäischen Regeln im Umgang mit Minderheiten und ignorieren auch die Appelle des Europarates. Es ist an der Zeit, einen gemeinsamen Dialog zu suchen und im Sinne der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien eine Reform einzuleiten. Wir denken, vornehme Zurückhaltung ist nicht mehr angebracht.

Zum Schluss ganz kurz eine persönliche Erfahrung von meiner Seite dazu: Bei meinen offiziellen Besuchen in meiner Funktion als Präsident des Bundesrates in Slowenien oder bei Besuchen von slowenischen Vertretungen war der Hinweis des diplomatischen Dienstes, dieses Thema nicht anzusprechen. Diese Haltung, denke ich, sollte nicht mehr zur Tagesordnung gehören.

Sie sehen – das sage ich auch zum Herrn Bundesminister –, es gibt sehr viel zu tun. Viel Erfolg dabei! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

14.06


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.



BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 80

14.06.46

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolle­gen! Werte Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen! Frau Präsidentin, viel Erfolg für deine Vorsitzführung und alles Gute anlässlich der Übernahme der Präsidentschaft!

Bevor ich auf den Inhalt des Antrages zum Schutz der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien eingehe, ist es, glaube ich, auch wichtig, in einem kurzen Abriss auf die Vorgeschichte der heutigen friedlichen bilateralen Beziehungen zu Slowenien einzu­gehen, nämlich einerseits, um diesen Antrag nachvollziehbar zu machen, andererseits deshalb, weil die Diskussion betreffend die slowenischsprachige Volksgruppe in Kärnten medial oft einseitig geführt wird, sodass man die Hintergründe oft nicht erkennt.

Wir werden am 10. Oktober dieses Jahres wieder einen für die Kärntner Landes­ge­schichte stolzen und denkwürdigen Tag begehen, es ist nämlich das 100-Jahr-Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung. Dieser 10. Oktober ist für uns natürlich ein ganz beson­derer Tag; es ist aber auch ein besonderer Tag für die österreichische Republik, denn diese Kärntner Volksabstimmung war in der damaligen jungen Ersten Republik die erste basisdemokratische Entscheidung, die per Bevölkerungsentscheid und Selbstbestim­mungs­recht herbeigeführt worden ist und noch dazu Bestandteil und Bestimmung des Friedenvertrags von Saint-Germain bildete.

Dass die Erlangung dieser demokratischen Entscheidungsmöglichkeit aber darauf zurückzuführen ist und damit im Konnex steht, dass zuvor auch erfolgreich und tapfer ein Kärntner Abwehrkampf geführt worden ist, das wird oft nicht so gesehen und wird bei dieser Thematik auch gern verschwiegen. Hätte es damals nicht die mutige Ent­schei­dung der Kärntner Landesregierung unter Landesverweser Lemisch gegeben, der ent­gegen den Empfehlungen und auch gegen den Willen der Wiener Regierung gesagt hat, es werde bewaffneten Widerstand gegen die Okkupation von großen Teilen Kärntens geben, dann wäre vielen Kärntnern weder ein SHS-Staat noch der Kommunismus erspart geblieben, und auch das gehört in diese Thematik eingebracht. (Beifall bei der FPÖ.)

In diesem geschichtlichen Zusammenhang ist es aber ebenso wesentlich – weil das auch oft vermengt wird –, die wichtige Funktion der Kärntner Windischen darzustellen, die oft und nur allzu gerne von den Slowenen vereinnahmt werden, dem aber entschie­den widersprechen und das auch mehrmals so festgehalten und zum Ausdruck gebracht haben. Vor allem sie waren es, die den wesentlichen Ausschlag für den Ausgang der Volksabstimmung gegeben haben, sich aber vor allem auch im Abwehrkampf für ein freies und ungeteiltes Kärnten eingebracht haben.

Es muss ebenso ins Bewusstsein gerückt werden, dass nach der Entscheidung, eine Volksabstimmung in Kärnten abzuhalten, seitens des SHS-Staates damals durch Waf­fengewalt versucht wurde, Kärnten vor vollendete Tatsachen zu stellen und Teile Kärn­tens in Beschlag zu nehmen.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hat es einen unvergleichbaren Terror der Tito-Partisanen gegeben, wiederum mit dem Ziel, Kärntner Gebiete an das kommunistische Slowenien und Jugoslawien anzuschließen; ein Ziel, das gar noch in den Siebzigerjahren mit wesentlicher Unterstützung des jugoslawischen Geheimdienstes verfolgt wurde, wie ein Historikerbericht aus dem Jahr 2015 enthüllt hat. Gerade diese Verletzungen, die übrigens bis heute einer restlosen Aufklärung bedürfen, haben natürlich dazu geführt, dass eine angestrebte Lösung der Ortstafelfrage in den Siebzigerjahren in weite Ferne gerückt war.

Trotzdem hat Kärnten den Weg des Aufeinanderzugehens eingeschlagen. In den letzten drei Jahrzehnten wurden hinsichtlich der Förderung der slowenischen Volksgruppe in


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Bezug auf die Zweisprachigkeit sowohl in den Bereichen der Bildung, der Kinder­be­treuung, der Musikschulausbildung, als auch im Bereich der Kultur und vor allem im Bereich der wirtschaftlichen Beziehungen maßgebliche Akzente gesetzt und Förder­maßnahmen vorgenommen. Nicht zuletzt die Lösung der Ortstafelfrage war ein mar­kantes Zeichen für eine vorbildhafte Volksgruppenpolitik in Kärnten, die vor allem den Landeshauptleuten Haider und Dörfler zuzuschreiben ist.

Dass wir Freiheitliche aber einer Intention nicht nachgegeben haben, nämlich jener der Änderung der Kärntner Landesverfassung hinsichtlich der Erwähnung der slowenischen Volksgruppe, hat auch einen klaren Ausgangspunkt, und damit sind wir auch schon beim Inhalt des heutigen Antrages, denn ein Aufeinanderzugehen kann und darf nicht jahrzehntelang eine Einbahnstraße sein. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

So freut es mich besonders, dass unser Antrag auch hier im Hohen Haus einhellige Zustimmung erfährt und wir somit heute den Beschlusstext als Allparteienantrag ein­bringen und auch gemeinsam beschließen werden, denn weder vor der Unabhängig­keits­erklärung noch danach – bis heute nicht – hat sich Slowenien dazu entschließen können, die deutschsprachige Volksgruppe offiziell als solche anzuerkennen. Ebenso wenig konnte man sich dazu durchringen, der Volksgruppe eine entsprechende Auf­wertung – als Beirat – zukommen zu lassen; das entsprechende Gremium wird im slo­wenischen Kulturministerium lediglich als Arbeitsgruppe geführt.

Genau aus diesen Gründen ist es wichtig, dass der Herr Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, an den ich bereits im Februar dieses Jahres eine entsprechende Anfrage gestellt habe, auch unter Einbeziehung der Europäischen Union entsprechenden Druck ausübt. Bei der EU hat man nämlich oft das Gefühl, dass sie nur dafür verantwortlich und dann zugegen ist, wenn es gilt, die Krümmung von Bananen festzulegen oder Glühbirnen zu verbieten, dass es aber in wirklichen Krisenzeiten – so haben wir es jetzt im Zusammenhang mit Corona gesehen oder auch beim Thema Außengrenzschutz – ziemlich schnell ganz still um diese EU wird. Genauso verhält es sich beim Thema Slowenien. (Beifall bei der FPÖ.) Was die Anerkennung der deutsch­sprachigen Volksgruppe betrifft, hat man vonseiten der EU weder bei der Aufnahme Sloweniens in die EU entsprechenden Druck ausgeübt, noch versucht man im Sinne einer gemeinsamen Friedensunion, diese Thematik endlich aus der Welt zu schaffen.

Wenn ich dann lese, dass der Herr Bundesminister Slowenien besucht hat und ihm von der slowenischen Regierung mitgeteilt worden ist, dass man einer verfassungsmäßigen Anerkennung nicht die Zustimmung erteilen möchte, um nicht die Büchse der Pandora zu öffnen, dann muss ich schon ganz klar sagen: Da wird man natürlich auch über die von mir vorhin angesprochenen und noch nicht aufgeklärten Verbrechen sprechen müssen, ebenso wird man über die Avnoj-Beschlüsse sprechen müssen, aber auch über andere Themenbereiche. Das ist ganz wesentlich im Sinne eines Aufeinanderzugehens.

Wenn man immer wieder Forderungen stellt, muss man auch bereit sein, beim Finden von Lösungen betreffend die Anliegen anderer einen proaktiven Beitrag zu leisten. Ich verweise in diesem Zusammenhang nochmals auf die Rolle der Slowenen in der Orts­tafelfrage in Kärnten. Auch da hat man sehr wohl gewusst, dass das für Kärnten das Öffnen der Büchse der Pandora bedeutet; trotzdem ist man hergegangen und hat einen umfassenden Forderungskatalog gestellt. Kärnten hat aber auch da befriedigende Lösungen gefunden.

Daher ist es wichtig, alle nötigen Maßnahmen auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene zu treffen, um die Verantwortung der slowenischen Regierung endlich einzu­fordern, damit dieser längst notwendige Schritt endlich umgesetzt wird. Das 100-Jahr-Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung würde den entsprechenden Rahmen dafür


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bieten. Vor allem könnte Slowenien zeigen, dass es mit den bilateralen Beziehungen zu Österreich ernst gemeint ist. Eine solche Anerkennung stellt im Europa des 21. Jahr­hunderts eigentlich eine Selbstverständlichkeit dar. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

14.15


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Andreas Lackner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.15.58

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte gleich vorausschicken, dass wir Grüne und ich als Person diesem Allparteien­antrag zustimmen.

Von meinem Wohnhaus ist die Mur ungefähr 1,5 Kilometer entfernt; südlich der Mur liegt Slowenien – genauer: das Abstaller Feld; die deutschen Bezeichnungen der einzelnen Ortschaften sind mir bekannt –, und es gibt einen regen und wertschätzenden Austausch zwischen den Gebieten auf beiden Seiten der Mur. Es gibt auch viele regionale institutionelle Kontakte, von denen beide Seiten profitieren. Ich lebe also direkt an der Grenze zu Slowenien, bin immer wieder in Kontakt mit unseren slowenischen Nachbarn und weiß daher, wovon ich hier spreche.

Prinzipiell bin ich, was die Anerkennung von Minderheiten betrifft, immer dafür, das eher großzügig auszulegen. Die entscheidende Frage ist jedoch: Über welchen Weg gelangt man ans angestrebte Ziel?

Slowenien hat schon bisher kulturelle, schulische und andere Aktivitäten der deutsch­sprachigen Bevölkerungsgruppe gefördert, steht jedoch deren Anerkennung als autoch­thone Volksgruppe nach wie vor kritisch gegenüber, und das aus verschiedenen Grün­den. Einerseits hat das historische Gründe, andererseits ist auch ein Grund, dass der Volksgruppe bei Anerkennung als autochthone Gruppe zum Beispiel automatisch ein Sitz im Parlament zustehen würde. (Bundesrat Steiner: Jawohl! – Bundesrätin Mühlwerth: Ja und?) Zudem ist es fast so etwas wie eine politische Grundregel, dass Zurufe und Empfehlungen aus dem Ausland im jeweiligen Inland als provokative Einmischung von außen gesehen werden (Bundesrat Steiner: Wie oft macht ihr Grüne das? – Laufend!) und fast immer das Gegenteil von dem erreichen, was durch diese Zurufe zu erreichen gewünscht wird. Es wird daher wichtig sein, mit Fingerspitzengefühl und im Dialog mit Slowenien vorzugehen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Novak.)

14.18

14.18.12


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag auf Annahme des gegenständlichen Entschließungsantrages in der Fassung des Abänderungsantrages ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der gegenständliche Entschließungsantrag ist somit angenommen. (310/E-BR/2020)

Die Tagesordnung ist erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 83

14.18.47Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Wir gelangen nunmehr zur Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 des Herrn Bundesministers für Finanzen.

Da die Anfrage und die dazugehörige Anfragebeantwortung inzwischen allen Bun­des­rätinnen und Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schrift­führung.

Bevor ich dem ersten Redner/der ersten Rednerin das Wort erteile, mache ich darauf aufmerksam, dass gemäß § 60 Abs. 5 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates/einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.19.39

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Werte Frau Präsidentin, auch von mir Glückwunsch zu Ihrer Präsidentschaft, die gestern begonnen hat! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und vor allem auch liebe Zu­hörerInnen zu Hause! In der Sondersitzung vorige Woche haben wir in diesem Haus das Kommunalinvestitionspaket 2020 breit diskutiert, auch beschlossen und auf die vor allem durch die Coronakrise ausgelöste prekäre finanzielle Situation der Gemeinden und Städte hingewiesen. Wir haben im Zuge dieser Diskussion auch auf die Schwachpunkte Ihres Regierungskonzeptes hingewiesen und diese Schwachpunkte auch aufgezeigt. In unserer Kritik sehen wir uns inhaltlich von Experten bestätigt, unter anderem auch von höchsten Repräsentanten des Gemeindebundes als Interessenvertretung der Gemein­den. Die Präsidenten Riedl und Hingsamer schlagen in dieselbe Kerbe wie wir.

Kurzum, das Kommunalinvestitionsgesetz greift zu kurz, ist vom Umfang her zu klein und wäre eigentlich erst der zweite oder dritte Schritt, wenn man den Gemeinden und Städten den Einnahmenentfall abgegolten hat. Es fehlt also mindestens eine zweite Mil­liar­de für die Gemeinden, um die öffentlichen Leistungen – und die sind sehr vielfältig – nachhaltig absichern zu können.

Wir haben in den letzten Wochen und Tagen auch einen Gegenvorschlag gemacht. Übri­gens, dieser Vorschlag liegt noch immer auf dem Tisch. Wir laden Sie alle ein: Schnüren wir doch gemeinsam ein echtes Hilfspaket für unsere Gemeinden! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.) Unser SPÖ-Modell sieht eine Direktzahlung an die Gemeinden vor, mit Auszahlung noch im August 2020. Dieses Modell ist unbürokratisch, es hilft den Gemeinden in dieser schwierigen Situation sehr schnell.

Was ist bis jetzt passiert? – Wir haben zwei Modelle diskutiert, von denen sich das der Regierenden durchgesetzt hat. Das ist Demokratie und gelebte parlamentarische Gesetzwerdung, das akzeptieren wir auch. Das heißt aber nicht, dass wir uns gleichzeitig sachpolitisch damit abfinden und in dieser Frage stillhalten müssen. Wir werden uns aufgrund unserer Überzeugung weiterhin für die finanzielle Absicherung der Gemeinden und für unseren unmittelbaren Lebensraum starkmachen und natürlich um Verbes­serungen kämpfen. Wir werden bei jeder Gelegenheit mit den Menschen in den Gemein­den reden, sie über die Situation aufklären und den Wettbewerb der besten Ideen mit Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Türkis-Grün, täglich neu leben. Wenn der Druck in der Öffentlichkeit steigt – und glauben Sie mir, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das wird er –, werden Sie letztendlich umdenken und auch aktiv werden müs­sen.


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Weil es in dieser so wichtigen Thematik offene Fragen ohne Ende und nach wie vor berechtigte Sorgen gibt, wollten wir in einer schriftlichen Anfrage vom 30. April und in einer Dringlichen Anfrage vom 24. Juni – das war vorige Woche – an Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, konkrete Antworten für 2 095 Gemeinden erhalten. Was aber haben wir in Ihrer schriftlichen Beantwortung gelesen und in Ihrer mündlichen Beantwor­tung gehört? – Leider wenig bis gar nichts sowie zum Teil Antworten auf Fragen, die wir überhaupt nicht gestellt haben. (Bundesrat Schennach: Unerhört! – Heiterkeit des Bun­desrates Pisec.)

Wir hören von Ihnen Woche für Woche immer die gleichen Reden, man könnte auch sagen: Ausreden. Anhand der Protokolle lässt sich sehr gut nachvollziehen, dass egal, was wir von Ihnen wissen wollen, Sie immer dasselbe von sich geben: stereotype Floskeln ohne Inhalte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Dafür kann es nur zwei Erklärungen geben: Entweder Sie können nicht oder Sie wollen nicht, Herr Bundesminister! (Bundesrat Schennach: Oder vergessen!) Wer aber bitte führt in dieser schwierigen Phase das Land? Wenn Sie nicht bereit sind, uns zu sagen, wohin sich die Finanzen der Gemeinden entwickeln und vor allem, was Sie dagegen tun werden, so kann das ja nur auf Ihre Unsicherheit, Ihre fehlende Expertise oder Ihr Desinteresse zurückzuführen sein.

Wir wollen endlich aktuelle Zahlen hören, und wenn Sie, sehr geehrter Herr Finanz­minister, zum wiederholten Male uns hier im Bundesrat negieren, so sind Sie zumindest den über 2 000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, den vielen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten und den Menschen, die in den Gemeinden wohnen, verpflichtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Minister, Sie haben alle Zahlen, die Sie brauchen, Sie wollen aber in dieser un­sicheren Zeit, wie Sie angekündigt haben, erst im Herbst eine neue Steuerabschätzung machen. Das ist nicht nur unseriös und unprofessionell, sondern obendrein auch grob fahrlässig. Ihnen sind die Steuerstundungen bekannt, Sie kennen auch die Zahlen der Steuerherabsetzungen – all das wissen Sie, all diese Zahlen kennen Sie, Sie können uns aber keine aktuellen Berechnungen vorlegen! Das kann es doch nicht sein!

Jeder Firmenchef in der Privatwirtschaft müsste bei dieser Performance den Hut neh­men. Gerade Sie als Finanzminister müssen ein laufendes Controlling über den Budget­plan sicherstellen. Nur so sind zeitnahe Abweichungen festzustellen und die daraus resultierenden Maßnahmen abzuleiten, und deshalb frage ich Sie noch einmal, Herr Bundesminister: Wer führt eigentlich das Land?

Herr Minister, Sie haben im Untersuchungsausschuss ein sehr merkwürdiges Bild abge­geben; wir kennen es alle aus den Medien. Sie können nicht ständig so tun, als wüssten Sie von nichts, und Sie können sich auch nicht ständig vor Ihrer Verantwortung weg­ducken. Deshalb stelle ich Ihnen hier und heute erneut einige Fragen aus unserer schriftlichen Anfrage vom 30. April 2020:

Von welcher Höhe an Einnahmenverlusten bei den Ertragsanteilen gehen Sie aus?

Von welcher Höhe gehen Sie bei den Kommunalsteuerentfällen aus?

Haben Sie Ihrem Ministerium den Auftrag gegeben, die Finanzsituation der Gemeinden in und nach der Coronakrise zu analysieren und zu bewerten? Diese Frage könnte man mit Ja oder Nein beantworten.

Planen Sie ein Hilfspaket, um die sinkenden Ertragsanteile und reduzierten Einnahmen aus der Kommunalsteuer abzugelten?


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Welche Maßnahmen planen Sie, um eine Situation wie nach der Finanzkrise 2008 zu verhindern, als sich die Investitionen auf Gemeindeebene nur sehr langsam erholten und de facto zehn Jahre brauchten, um wieder an das Vorkrisenniveau anzuschließen?

Können Sie ausschließen, dass es zu Privatisierungen bei Gemeindedienstleistungen kommt, oder was würden Sie dagegen tun?

Gibt es schon Pläne, wie der Finanzausgleich gestaltet werden soll, und was halten Sie von einem aufgabenorientierten Finanzausgleich? Dieses Thema hat übrigens heute Landeshauptmann Haslauer angesprochen, und wir wissen, Sie sagen da gerne, es müssten natürlich Gespräche mit den Gebietskörperschaften, mit den Ländern und so weiter folgen – ja, das ist mir klar, die Frage aber lautet: Welche Pläne haben Sie jetzt und heute?

Zum Schluss: Wie hoch dotieren Sie die Einnahmenausfälle der Gemeinden aus Steuer­einnahmen auf Gemeinde- und Landesebene? Auch da sind wir auf Ihre Zahlen ange­wiesen.

Wie ich schon erwähnt habe, schlagen in Ihrem Ministerium alle Zahlen und Daten auf, die für diese Berechnungen und Schätzungen notwendig sind. Wir wollen keine Alibi­antworten mehr hören und erwarten uns von Ihnen, Herr Bundesminister, seriöses Zahlenmaterial, mit dem wir die Finanzsituation der Gemeinden ernsthaft bewerten können. Dieser Bewertung muss dann eine nachhaltige Hilfe für die Kommunen folgen. Herr Minister, Sie sind am Wort!

Zuvor aber stelle ich noch folgenden Antrag:

Antrag

gemäß § 60 Abs. 6 GO-BR

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen, eingebracht im Zuge der Besprechung der schriftlichen Anfrage am 2. Juli 2020

„Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen den

Antrag:

Die unterzeichnenden Bundesrätinnen und Bundesräte stellen den Antrag, die der Be­sprechung zu Grunde liegende Anfragebeantwortung 3486/AB-BR des Bundesministers für Finanzen gemäß § 60 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Kurze Begründung im Sinne des § 60 Abs. 6 GO-BR

Das verfassungsrechtlich vorgesehene Interpellationsrecht steht Nationalrat und Bun­desrat gleichermaßen zu. Es muss in der parlamentarischen Praxis aber leider fest­gestellt werden, dass die Mitglieder der Bundesregierung ihren verfassungsrechtlichen Verpflichtungen auf volle Beantwortung oder Begründung, warum eine Antwort nicht möglich ist, immer weniger entsprechen. Die der Anfragebeantwortung zu Grunde lie­gende Anfrage beinhaltet präzise Fragen, die auch die Auswirkungen auf die verschie­denen Bundesländer und die Kommunen berücksichtigen sollte. Die Beantwortung ent-


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spricht jedoch nur in ungenügender Art und Weise den verfassungsrechtlichen Vor­gaben, da auch nicht auf die Begründung für eine allfällige Nichtbeantwortung eingegan­gen wurde.“

*****

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.30


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der Antrag der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeant­wor­tung 3486/AB-BR/2020 ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


14.31.18

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Werte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Herr Kollege, es ist natürlich Ihr verfassungsmäßiges Recht, das alles so vorzutragen, wie Sie es getan haben, die Anfragebesprechung so zu machen, wie Sie sie machen, auch unzufrieden zu sein mit der Art und Weise, wie diese Anfrage beantwortet worden ist. Das alles ist Ihr verfassungsmäßiges Recht. Es ist aber auch mein Recht, die Redlichkeit dahinter in Zweifel zu ziehen, sehr geehrter Herr Bundesrat, denn das ist wirklich eine sehr, sehr saubere Anfragebeantwortung. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Also das ist ...!) Jeder, der sie gelesen hat, wird das bezeugen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf trotzdem versuchen, auf ein paar Themen einzugehen und auch konkrete Zahlen zu wiederholen, auch wenn ich weiterhin davon ausgehe, dass das an Ihrer Meinung nichts ändern wird, was ich auch so bewerte, wie ich das vorhin getan habe.

Natürlich sind alle Gebietskörperschaften von den Folgen der Coronakrise umfasst und beeinflusst, auch natürlich betreffend Mindereinnahmen auf allen Ebenen – Bund, Län­der, Gemeinden –, das ist ja völlig klar. Wie dauerhaft diese Auswirkungen konkret sein werden, ist natürlich nicht abschätzbar. Jetzt wird gerade viel darüber diskutiert, ob es eine zweite Welle gibt, wann sie kommt, in Oberösterreich werden gerade wieder in einigen Bezirken Schulen gesperrt, überall gibt es aufflammende Herde.

Es wird auch viel davon abhängen, wie diszipliniert, wie verantwortungsvoll wir alle miteinander mit dem Virus umgehen, und, ehrlicherweise: Da jetzt davon auszugehen, dass man für dieses Jahr jetzt schon klare Zahlen haben kann – das hat niemand! Wenn Sie sich die verschiedensten Prognosen ansehen, dann stellen Sie fest: Die ändern sich mit jeder neuen Ausgabe. Egal ob das das Wifo, das IHS, der „Economist“ oder was auch immer ist, da gibt es momentan einfach viel Unsicherheit, und das werden Sie auch so zur Kenntnis nehmen. (Ruf bei der SPÖ: Wo liegt das Problem? – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben in dieser Anfragebeantwortung bereits festgestellt, dass das Bundes­minis­terium für Finanzen zuletzt im April 2020 auf Basis der damaligen Wifo-Zahlen über die im Jahr 2020 gegenüber der ursprünglichen Planung der Gemeinden um 0,77 Mil­liarden Euro beziehungsweise 6,8 Prozent sinkenden Ertragsanteile der Gemeinden informiert hat.

Tatsache ist natürlich, dass sich sowohl die Daten von April als auch die aktuelle Rechtslage seither verändert haben, und Sie wissen, das hat natürlich massiven Einfluss


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auf die Zahlen. In der aktuellen Konjunkturprognose geht das Wifo, anders als noch im April, davon aus, dass das nominelle BIP im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um 5,8 Prozent sinken wird.

Darüber hinaus: Die Ertragsanteile des Bundes, der Länder und der Gemeinden sind auch von bundesgesetzlichen Maßnahmen abhängig. Eine davon, die Umsatz­steuer­senkung, haben wir ja heute gerade besprochen. Viele andere sind ja noch in Planung, ich habe sie vorhin in meinem Redebeitrag bereits angesprochen: Die Steuer­stun­dun­gen, die über das Jahr hinausgezogen werden, damit mehr Geld in den Unternehmen verbleiben kann, machen alleine 6,5 Milliarden Euro aus. Auch da wird es natürlich in der Folge für den Bund, aber auch für Länder und Gemeinden zu Mindereinnahmen kommen.

Die Reduktion der Einkommensteuer wird natürlich auch Auswirkungen haben, Minder­einnahmen verursachen, ich glaube aber, es ist dennoch wichtig, dass wir das tun, damit wir die Wirtschaft entsprechend ankurbeln, damit wir die Menschen entlasten, damit wir auf der Nachfrageseite mehr Möglichkeiten schaffen, dass Menschen einkaufen gehen können.

Darüber hinaus werden mit dem 1 Milliarde Euro umfassenden Kommunalin­vestitions­gesetz, das in der Geschichte der Zweiten Republik seinesgleichen sucht – noch nie hat es ein derartiges Programm gegeben –, bis zu 50 Prozent von Projekten, die bereits begonnen wurden, vom Bund finanziert. Alleine für Wien beispielsweise gibt es 238 Millionen Euro mehr Geld für verschiedenste Projekte. Das ist beispiellos, und ich glaube, gerade damit werden wir einen großen Beitrag dazu leisten, dass die Arbeits­plätze vor Ort erhalten bleiben und vielleicht neue geschaffen werden. Ich halte das für den richtigen Weg. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Bundesrat Schennach: Nur Provokation! – Bundesrätin Schumann: Das ist Provokation! Was ist da redlich dran?)

14.35


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Herr Bundesrat, ich erteile Ihnen das Wort.


14.35.46

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolle­ginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause! Die Gemeinde­finanzen sind immer ein heikles Thema, und da ich schon seit längerer Zeit Bürger­meister bin, beschäftigt mich dieses Thema auch. Gleich zu Beginn jedoch ein Lob an den Minister, denn er hat versucht, mit kaufmännischer Sorgfalt an das Ganze heran­zugehen. (Bundesrat Schennach: Als Bürgermeister! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Die Einschätzung des Rückganges der Ertragsanteile war 7 Prozent, und wenn ich meine Gemeinde als Beispiel nehme, bekomme ich über die Förderung des Bundes 14 Prozent. Ich muss zwar investieren und muss dazu Geld in die Hand nehmen, im Gesamthaushalt gesehen ist die Summe aber doch eine nicht so schlechte. (Bundesrat Spanring: Das glaubt doch kein Mensch! Das ist doch alles nicht wahr, was Sie sagen! Unfassbar!) Dass es immer mehr sein kann, ist uns allen klar, wenn man aber die Zahlen betrachtet, sieht man: Das ist gar nicht so schlecht.

Das Land Niederösterreich hat zusätzlich ein Paket von 850 Millionen Euro für die Gemeinden geschnürt. Auch bei uns heißt es Interessentenbeitrag – das ist der Nach­folger der Tourismusabgabe –, auch da bekommen wir den Gemeindeanteil zur Gänze ersetzt. Das heißt, dass es in Summe gesehen momentan (Bundesrat Schennach: Im Geld schwimmt!) – schwimmen tun wir nicht darin, Herr Kollege – bei uns so ist, dass wir


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gelernt haben, gut zu wirtschaften, und somit sind wir auch für solche Zeiten ein bisschen gerüstet.

Anders ist es bei den Gemeinden mit der Kommunalsteuer. Da weiß man weder, wie hoch der Ausfall sein wird, noch wie lange der Ausfall dauern wird – da muss man wirklich sagen, man muss abwarten, wie sich das Jahr entwickelt, und mit Ende des Jahres muss man wahrscheinlich die eine oder andere Maßnahme noch zusätzlich setzen. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schennach.)

Die Zulässigkeit der Verwendung der Zuwendungen, die wir vom Bund bekommen, ist sehr vielfältig ausgedehnt worden, auch auf die Kinderbetreuung in den Sommer­mona­ten, die aufgrund des in Covid-Zeiten erzwungenen Urlaubsverbrauches durchaus für viele notwendig sein wird. Da wird ein Zuschuss erforderlich sein. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Die Gemeinden können viele weitere Dinge damit tun. Die Gemeinden sind in den ländlichen Regionen der Wirtschaftsmotor schlechthin, und wenn da die Investitions­sum­men greifen, dann, denke ich, wird auch der Umkehrschluss kommen und die Kommu­nalsteuer kann wieder für die Gemeinden lukriert werden.

Zukunftsprognosen sind Schätzungen. Wir müssen auf die wirklichen Zahlen warten (Bundesrat Schennach: Die hat der Finanzminister nicht!), um endgültig sagen zu können, wie viel den Gemeinden fehlt. Wir haben jetzt eine Fördermilliarde im Raum stehen, die zugeteilt wird, und ich denke, wenn da vernünftig agiert wird, kann man die größten Folgen damit schon abdecken. Für Kommunalsteuerausfälle muss sicher noch die eine oder andere Möglichkeit geschaffen werden, trotzdem aber sind Maßnahmen in die Wege geleitet worden, die das nötige Kleingeld zur Verfügung stellen, um die Gemeinden in ihrer Wirtschaftsweise nicht zu stark einzuschränken.

Wie gesagt, Schätzungen sind immer nur Schätzungen, und wir müssen wirklich auf die tatsächlichen Zahlen warten, um dann zielgerichtet und entsprechend sinnvoll helfen zu können.

Ich bringe daher den Antrag gemäß § 60 Abs. 6 GO-BR der BundesrätInnen Otto Auer, Andreas Lackner, Kolleginnen und Kollegen ein, die Beantwortung des Ministers zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.39


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Der von den Bundesräten Otto Auer, Andreas Lackner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag auf Kenntnisnahme der Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.


14.40.03

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Werte Kollegen! Werte Zuhörer! Ich glaube schon, Frau Präsidentin, dass es dir lieber gewesen wäre, es hätte jetzt ein Kollege aus eurer Regierungskoalition ge­sprochen, aber den Gefallen kann ich euch leider nicht machen. (Heiterkeit des Bun­desrates Pisec.)

Lieber Kollege Auer, wenn ich deine Ausführungen höre, dann kommt es mir schon etwas komisch vor, wie du rechnest. Du nimmst die Ertragsanteile her und sagst, das, was durch dieses kommunale Investitionspaket passiert, ist, so gesehen, die Entschä­digung für die fehlenden Ertragsanteile – sinngemäß –, mit dem kann man das ja toll kompensieren. Ja, hast du vergessen, dass das nur eine Förderung von 50 Prozent für


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Investitionsprojekte ist und die restlichen 50 Prozent erst einmal die Gemeinde aufbringen muss? (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Viele Gemeinden werden vor der Situation stehen, dass sie diese 50 Prozent nur aufbringen können, indem sie Darlehen aufnehmen, denn dazu werden sie durch dieses Kommunalinvestitionsgesetz verdonnert. Ein Darlehen ist aber leider kein Eigenkapital, sondern das ist Fremdkapital, das muss wieder zurückgezahlt werden. Das heißt, das wird nicht besser. Das heißt nicht, dass man damit die fehlenden Ertragsanteile kompensiert hat, sondern das heißt, dass man die Gemeinden bewusst in eine Abhängigkeit und Schuldenspirale treibt. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Herr Bundesminister, wenn Sie und auch Kollege Auer vom größten Investitionspaket, das Österreich je gesehen hat, sprechen – das hat Kollege Bader voriges Mal bereits getan –, dann sage ich Ihnen noch einmal: Das ist nicht das größte Investitionspaket, sondern es ist lediglich eine Wiedergutmachung für den wirtschaftlichen Schaden, den Sie mit Ihren Maßnahmen in Österreich angerichtet haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich Ihre Anfragebeantwortung lese, geschätzter Herr Minister, dann muss ich meine Meinung aus der letzten Bundesratssitzung umgehend revidieren beziehungs­weise korrigieren. Damals habe ich von Verantwortungslosigkeit Ihrerseits gesprochen, als wir erklärt bekamen, dass die aktuellen Daten hinsichtlich des Einbruchs der Ertrags­anteile aus dem April dieses Jahres stammen. Wenn ich in dieser Anfragebeantwortung lese, dass wiederum diese Daten herangezogen werden, dann kann man nicht mehr von Verantwortungslosigkeit sprechen, sondern augenscheinlich von Unfähigkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Bravo!)

Auch wenn Sie, Herr Bundesminister, dazu vielleicht keine Wahrnehmung haben, darf ich Ihnen mitteilen: Sie sind der Finanzminister in dieser Regierung und haben für die finanzielle Planbarkeit der Gemeinden zu sorgen. Das ist eine Verpflichtung, etwas, das von Ihnen erwartet wird, und das funktioniert nicht nach dem Kärntner Spruch, wie Sie es heute gesagt haben: Na ja, schauen wir einmal, dann werden wir schon sehen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Er spielt eh nur mit dem Handy! – Bundesrat Rösch: Weil er keinen Laptop hat!)

Ebenso ist es eine Selbstverständlichkeit für die Gemeinden, dass sie, wie der Kollege bereits gesagt hat, im finanziellen Rahmen natürlich mit angemessener kaufmännischer Vorsicht handeln. Das dürfte der Hintergrund sein, warum die Gemeinden im Gegensatz zum Bund zu großen Teilen auf stabile finanzielle Situationen verweisen können und damit im Gegensatz zum Bund bestrebt sind, finanzielle Mehrbelastungen für den Bürger hintanzuhalten.

Dafür, dass die Gemeinden diese Stabilität erhalten können, ist aber eben die Heran­ziehung von entsprechenden Kennzahlen notwendig, die wir von Ihrem Ministerium erwarten. Das ist eine essenzielle Notwendigkeit, um seitens der Gemeinden den mas­siven Auswirkungen entsprechend entgegentreten zu können. Was aber kommt von Ihnen? – Nichts.

In Ihrer Anfragebeantwortung finden wir ja nicht einmal den Ansatz einer Diskussions­grundlage; sie ist genau nichtssagend. Sie sprechen beispielsweise immer noch von Ein­brüchen von circa 6,8 Prozent bei den Ertragsanteilen, obwohl es die Spatzen schon von den Dächern pfeifen, dass diese Ertragsanteile um 12 bis 15 Prozent einbrechen wer­den; andere Berechnungen gehen sogar von einem Einbruch von bis zu 20 Prozent aus.

Dass der Entfall der Kommunalsteuer in Ihren Berechnungen gar nicht vorkommt und das Finanzministerium gar nicht tangiert, weil es sich ja um eine ausschließliche Ge­meindeabgabe handelt, ist wohl ein weiterer Gipfel gezeigter Ignoranz gegenüber den österreichischen Gemeinden. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das Kommunalinvestitionsgesetz betreffend gehen Sie in Ihrer Anfragebeantwortung überhaupt nicht auf die damit in Zusammenhang stehenden Problematiken ein, denn: Wie sieht es denn aus – wie vorhin gerade von mir angesprochen –, wenn Gemeinden zwar 50 Prozent erhalten, die weiteren 50 Prozent aber über Darlehen finanzieren müs­sen? Wie soll diese Refinanzierung der Darlehen im Hinblick auf die massiven Ein­nahmenausfälle in den kommenden Jahren erfolgen? Wie sieht es damit aus, dass Sie zwar sagen, die Gemeinden seien der wesentliche Wirtschaftsfaktor, Sie ihnen aber genau die Grundlage nehmen, entsprechende Projekte umzusetzen? Entweder haben sie nicht die Liquidität dafür oder sie müssen fremdfinanzieren und werden dann, wie gesagt, wieder in diese Schuldenspirale gestürzt!

Wie sieht es generell mit der Sicherstellung der Liquidität für die Gemeinden aus? Und vor allem: Wie soll künftig die Finanzierung der kommunalen Bereiche erfolgen, egal ob bei der Erhaltung der Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, der freiwilligen Feuerwehren, der Abwasserentsorgung und auch der Wasserversorgung? – Sie wissen ganz genau, dass die Gemeinden in vielen dieser Bereiche gezwungen sein werden, die Bürger zu belasten, um eine entsprechende Finanzierbarkeit gewährleisten zu können – jene Bürger, die vielleicht gerade aufgrund der Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben und nicht wissen, wie sie die Lebenshaltungskosten aufbringen sollen, jene Bürger, die ohne ihr Zutun in persönlich existenzbedrohende Situationen geschlittert sind, und jene Bürger, die trotz aller Widrigkeiten dieser Krise die Umstellung ihrer Lebensge­wohn­heiten und die Einhaltung der gesetzten Maßnahmen zum Wohle aller restriktiv umge­setzt und in Kauf genommen haben.

Wenn ich mir dann Ihre Antwort auf Frage 9 ansehe, in der es darum geht, wie eine mögliche „Ausgliederung der Dienstleistungen von der öffentlichen in die private Hand“ verhindert werden soll, um weitere Unsicherheiten von der Bevölkerung entsprechend abwenden zu können, dann stelle ich fest: Es ist nicht mehr nur Ignoranz, was Sie hier zurückschreiben, sondern es ist viel mehr schriftlich zum Ausdruck gebrachte Arroganz.

Sie schreiben, dass „aus verfassungsrechtlichen Gründen [...] nicht ausgeschlossen werden“ kann, „dass Gemeinden Vermögenswerte veräußern“. – Für viele Gemeinden aber wird sich die Frage gar nicht stellen, ob sie Vermögenswerte veräußern können, sondern es wird sich aus finanziellen Gründen viel mehr so darstellen, dass sie diese Vermögenswerte veräußern müssen, um diese unsägliche Situation entsprechend kompensieren zu können; und für diese Situation tragen Sie die Verantwortung!

Sie werden aufgrund Ihrer Handlungsunfähigkeit auch dann die Verantwortung tragen, wenn die Gemeinden und damit aufgrund der entsprechenden Umlageverfahren schlussendlich die Bürger unseres Landes bluten müssen, wenn die Auswirkungen der Coronakrise erst in den nächsten Monaten mit voller Wucht aufschlagen werden – ein Ende der Fahnenstange ist ja derzeit noch lange nicht erreicht. Daher kann ich meine Worte aus der letzten Sitzung nur wiederholen: Ihre Handlungsunfähigkeit, die Sie mit dieser Anfragebeantwortung wieder einmal bewiesen haben, hat sich Österreich, haben sich die österreichischen Gemeinden nicht verdient.

Daher, Herr Bundesminister – um im ÖVP-Jargon zu bleiben –: Sie sind ein Lebens­ge­fährder für die österreichischen Gemeinden und damit sind Sie auch für die österreichi­sche Bevölkerung ein Lebensgefährder. Ich kann Ihnen aber gerne eine Möglichkeit aufzeigen: Sie würden dieses Gefährdungspotenzial massiv senken, würden Sie sich ein Beispiel an der ehemaligen Staatssekretärin Lunacek nehmen und es ihr gleichtun. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Appé.)

14.48


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen.



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14.49.05

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin, auch von meiner Seite herzliche Gratulation zum neuen Amt! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir sprechen hier noch einmal über das Kommunalinvestitionsgesetz 2020, das die Gemeinden im Umfang von 1 Mil­liarde Euro unterstützt. Es ist ein Investitionspaket, das heißt, es soll die Wirtschaft ankurbeln, und regionale Investitionen haben ökonomisch gesehen eben einen hohen Multiplikator: Jeder Euro, der da ausgegeben wird, bringt unsere Wirtschaft weiter.

Sie sind mit der Beantwortung der Fragen unzufrieden, das verstehe ich. Ich würde auch gerne heute schon wissen, wie das Ganze für die Gemeinden ausgeht, seriöserweise lässt sich das eben zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht abschätzen. (Bundesrat Schennach: Er geht da raus, um so etwas zu sagen! – Ruf bei der FPÖ: Den Grünen ist nichts mehr zu blöd! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wird auf jeden Fall, wenn der Bedarf da ist, nachgebessert werden, da bin ich mir ganz sicher, auch die Bundesländer sind da in der Pflicht. Eines aber ist schon auch klar: Dieses Investitions­paket ist eines, das es in diesem Umfang noch nie gegeben hat. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.50


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Günther Novak zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.51.05

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Es gehört schon wirklich eine Portion Frechheit dazu, sich als Bundesminister - - (Bundesrat Bader: He, he, he, he!) – Ich sage das noch einmal: Es gehört eine Portion Frechheit dazu (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ), sich als Bundesminister hierher zu stellen und die Redlichkeit der SPÖ und unse­res Redners Dominik Reisinger infrage zu stellen. Dafür gibt es keinen Ordnungsruf, das ist etwas, das ein Bundesminister vertragen muss, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie hier sitzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist – und ich bin normalweise in meiner Wortwahl eher zurückhaltend – schon von Igno­ranz und Präpotenz geprägt – Herr Ofner hat das auch schon gesagt –, wenn man sich hierher stellt und als Finanzminister dieser Bundesregierung keine Ahnung hat, wie die Zahlen zum derzeitigen Zeitpunkt ausschauen. Eigentlich tappt der Herr Bun­deskanzler im Dunkeln; also das ist ja die größte Bankrotterklärung einer Regierung, wie ich sie bis heute noch nie erlebt habe. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner.)

Sie sind heute wieder hier gestanden und haben – wir haben uns das ganz genau angeschaut – 10 Prozent der Fragen mit zwei Stehsätzen beantwortet, wie Sie es schon bei der Dringlichen gemacht haben. (Ruf bei der FPÖ: Das ist, weil er kein Laptop hat, ihr versteht das nicht, er muss alles mit dem Handy machen!) Also ich muss wirklich sagen, so wie es heute schon gesagt worden ist: Irgendwo gibt es da eine gewisse Unfähigkeit, die ihresgleichen sucht.

Glauben Sie uns, Herr Bundesminister, wir werden Sie weiter bis in den Herbst hinein mit Fragen bombardieren, um endlich Antworten zu bekommen! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.) Das sind wir den Gemeinden, den Bürgermeisterinnen und den Bürgermeistern, so, wie Sie hier sitzen, und so, wie Sie im Nationalrat sitzen, schuldig.


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Ich denke mir, ein bisschen unwohl muss euch als Bürgermeisterinnen und als Bürger­meister, die ihr auch hier in einer Regierungsfraktion sitzt, schon sein, denn ich glaube nämlich nicht, dass die Gemeinden mit dem Geld, das ihnen zugestanden wird, mit dieser Milliarde – wobei wir alle wissen, dass wir eine Liquiditätslücke von 2,2 Milliarden Euro haben –, auskommen. Es wurde schon wirklich ausreichend erklärt, welche Prob­leme auf uns zukommen werden.

Ich habe immer das Gefühl, euch ist irgendetwas versprochen oder zugesagt worden, von dem wir jetzt teilweise nichts wissen. Warum haben Gemeinden in Tirol und in anderen Bundesländern Gemeinderatsbeschlüsse gefasst und den Herrn Bundes­minis­ter gebeten, zusätzliches Geld aufzubringen? Die Tiroler Landesregierung hat das in drei Punkte aufgegliedert – das habe ich das letzte Mal schon erklärt –, und da sind viele, viele schwarze oder türkise – wie auch immer wir das nennen wollen – Gemeinderäte mit dabei. Das ist beinhart ignoriert worden!

Dazu habe ich auch das letzte Mal keine Antwort bekommen, weil es ein bisschen pein­lich ist – das muss man ja sagen, nicht? –, wenn draußen am Land die Gemeinden etwas anderes machen, als es sich der Finanzminister persönlich vorstellt.

Ich habe da mehrere Zettel vom letzten Mal mit; viel habe ich mich ja nicht vorbereiten müssen, es ist relativ einfach, doch dann ist mir wieder etwas aufgefallen: Gestern hat es eine Aussendung von Mag. Riedl, dem Chef des Gemeindebundes, gegeben. Er hat diese Milliarde natürlich abgefeiert. Gratuliere, Sie haben gut verhandelt, 1 Milliarde Euro ist 1 Milliarde Euro – wir haben dem auch zugestimmt. Er schreibt aber in weiterer Folge: Man muss jetzt schon auch schauen, dass wir zusätzlich irgendwelche Mittel bekommen, damit wir das Ganze ein bisschen abdämpfen können oder dass zumindest diese Investitionen gesichert sind.

Er hat genau das Gleiche gesagt, was ich vor einer Woche hier gesagt habe: Wir sollten versuchen, über die Bundesfinanzierungsagentur Kohle zu bekommen, damit dieses Geld über das Land, über die Gemeinden zugeführt werden kann. – Ich habe vom Herrn Bundesminister die Antwort bekommen, da müssten wir aber das Gesetz ändern, verfassungsrechtlich etwas ändern. – Ich verstehe das jetzt nicht. Ich glaube nicht, dass Herr Mag. Alfred Riedl das nicht weiß. Warum hat er das gestern, am 1. Juli, ge­schrieben? – Das hat er geschrieben, weil gestern die Website geöffnet worden ist, damit die Gemeinden die Formulare ausdrucken können, um das Ganze einzureichen.

Das alles ist im Grunde genommen so unstimmig, dass es mich einfach graust, das muss ich ehrlich sagen.

Um noch einmal zum Finanziellen zu kommen – ich schaue mir jetzt an, wie wir als Bürgermeister dastehen; das ist heute schon mehrfach angesprochen worden –: Wir wissen von der Gemeindeaufsichtsbehörde ganz genau, wo wir stehen. Ich möchte das einfach noch einmal betonen: Der Herr Bundesminister weiß es nicht, aber wir wissen es. Wir wissen, dass wir im Mai 14,7 Prozent hinten waren, was die Ertragsanteile anlangt. Wir wissen, dass wir im Juni 33 Prozent hinten waren. Jetzt haben wir eine Warnung bekommen, dass das insgesamt nicht 10 Prozent sind, sondern dass wir in Richtung 15 Prozent marschieren. Wir wissen in etwa, wo wir sind.

Sie als Bundesminister stellen sich her und sagen: Tut mir leid, das kann ich euch nicht sagen, das kann ich mir erst im Herbst alles anschauen und euch dann die Antwort geben. (Bundesrat Steiner: ... immer alles so schnell!) – Ja, das dauert alles ein bisschen länger.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 93

Was Sie uns zum Beispiel sagen könnten: Durch diese Kurzarbeit ist die Kommu­nalsteuer weggefallen. Das ist schon ein großer Teil an Geld, den die Gemeinden nicht mehr bekommen. Auch über den Finanzausgleich zum Beispiel können wir nicht reden, denn da ist noch nichts verhandelt worden, und wir werden ja nicht im Vorhinein etwas sagen. Sie könnten uns aber zum Beispiel sagen, wohin der Weg führt, was wir machen könnten, was die Länder wollen und so weiter. Wir werden also einfach im Dunkeln gelassen.

Herr Bundesminister, es tut mir leid, aber ich habe in dem Fall, was das Geld anlangt, kein Vertrauen mehr zu Ihnen. Ich würde Ihnen mein Brieftaschl nicht leihen, wenn ich ehrlich bin (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ); es ist zwar nicht so viel drinnen, aber das, was Sie da an den Tag legen, diese Performance, ist eher beschä­mend. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

14.57


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster ist Herr Bundesrat Karl Bader zu Wort gemeldet. – Bitte. (Oh-Rufe bei SPÖ und FPÖ.)


14.58.15

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon klar, dass es unterschiedliche Zugänge und auch Meinungen zu verschiedenen Themen gibt. Hier aber sind Fragen in schriftlicher Form an den Herrn Bundesminister herangetragen worden, die gerade in einer Zeit der schwierigsten Situation in dieser Zweiten Republik seriös nicht ganz einfach zu beantworten sind. (Bundesrat Schennach: Dann beant­wortet er es gleich gar nicht! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Das hat der Herr Bundesminister auch klar gemacht. Dass Sie das nicht hören wollen, ist die eine Sache, dass es aber eine Tatsache ist, müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen. (Bun­desrat Schennach: Müssen wir nicht ..., das können wir offen machen!)

Wir haben heute eine Situation, die sich täglich ändert, in der Maßnahmen von dieser Bundesregierung und von uns als Parlament insgesamt auf den Weg geschickt wurden, die allesamt dazu dienen sollen, diese Situation verantwortungsvoll zu meistern und ein entsprechendes Wiederhochfahren der Wirtschaft sicherzustellen. Wir sehen, dass die Arbeitslosenzahlen jetzt wieder gesunken sind, dass die Maßnahmen teilweise auch wirken, aber dass wir längerfristig natürlich noch genug zu tun haben.

Wenn man konkrete Zahlen an einem Tag einfordert, dann sind diese Zahlen am nächs­ten Tag wahrscheinlich wieder nicht die konkreten und richtigen Zahlen, und ich würde es dann auch verstehen, wenn sich die Opposition hierher stellt und sagt: Herr Bundesminister, vor 14 Tagen haben Sie uns etwas gesagt, und diese Zahlen sind nicht richtig. – Das ist das Thema. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Zahlen, auf die sich jeder Finanzminister in dieser Republik verlassen kann und verlassen muss, sind auch Zahlen des IHS und des Wifo, und selbst dort sind, das wissen wir von den Expertinnen und Experten, die entsprechenden Zahlen immer wieder zu revidieren.

Eines möchte ich trotzdem klar- und richtigstellen, weil es von Kollegen Ofner in Abrede gestellt wurde: Es ist kein Wiedergutmachungsthema. Es ist ja nicht so, dass diese Regierung aus Jux und Tollerei Maßnahmen gesetzt hat, die jetzt wirtschaftlich natürlich große Auswirkungen haben. Aus Jux und Tollerei – so brauchen Sie hier wirklich nicht zu tun, das sage ich Ihnen schon klar und deutlich! Es sind Maßnahmen, die (Bundesrat Rösch: ... dann hätten Sie das Epidemiegesetz gelassen! – Bundesrat Schennach: Wir wollen eine seriöse Anfragebeantwortung, ganz einfach! – Zwischenruf der Bundesrätin


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 94

Grimling) aufgrund der Situation, in der wir sind, gesetzt worden sind; es wird verant­wortungsvoll in die Zukunft gehandelt, und daher wurde dieses kommunale Inves­titions­paket geschnürt.

Es ist – das ist klar und daran gibt es auch nichts zu rütteln – das größte Paket, das in dieser Republik geschnürt wurde, es soll in die Zukunft wirken, den Standort absichern, die Zahl der Arbeitsplätze erhöhen. Das ist das Ziel dieses Pakets und dorthin muss auch die Reise für diese Republik gehen, damit das Comeback für Österreich auch möglichst gelingen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.01

15.01.31


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt mir ein Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 60 Abs. 6 der Geschäftsordnung vor, die schriftliche Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 zur Anfrage 3760/J-BR/2020 der BundesrätIn­nen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherung der Gemeinde­finanzen in der Krise“ nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich für diesen Antrag auf Nicht­kenntnisnahme der gegenständlichen schriftlichen Anfragebeantwortung aussprechen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenom­men.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Otto Auer, Andreas Lackner, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 60 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bun­desrates, die schriftliche Anfragebeantwortung 3486/AB-BR/2020 zur Anfrage 3760/J-BR/2020 zur Kenntnis zu nehmen.

15.02.57 Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tages­ordnungspunkte 1 bis 5 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt. Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls.

„Tagesordnungspunkt 1:

Abstimmung:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stim­meneinhelligkeit).

Tagesordnungspunkt 2, Tagesordnungspunkt 3 und Tagesordnungspunkt 4:

Abstimmungen:

TO-Punkt 2:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stim­meneinhelligkeit).


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 95

TO-Punkt 3:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stim­menmehrheit).

TO-Punkt 4:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stim­meneinhelligkeit).

Tagesordnungspunkt 5:

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Ent­schließungsantrag Beilage 5/1 EA ein.

Die Bundesräte Mag. Bernd Saurer, Kolleginnen und Kollegen bringen die Ent­schließungsanträge Beilage 5/2 EA und Beilage 5/3 EA ein.

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Ent­schließungsantrag Beilage 5/4 EA ein.

Abstimmungen:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stimmeneinhelligkeit).

Der Entschließungsantrag Beilage 5/1 EA wird angenommen (mit Stimmenmehrheit).

Der Entschließungsantrag Beilage 5/2 EA wird abgelehnt.

Der Entschließungsantrag Beilage 5/3 EA wird angenommen (mit Stimmenmehrheit).

Der Entschließungsantrag Beilage 5/4 EA wird angenommen (mit Stimmen­einhellig­keit).“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teiles des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 bis 5 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

15.05.24 Einlauf


Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen, 3782/J-BR/2020 bis 3785/J-BR/2020, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermine werden Mittwoch, der 15. Juli, 14 Uhr – ich bitte um Be­achtung, wir haben zwei Sitzungstage –, und Donnerstag, der 16. Juli, 9 Uhr, in Aussicht genommen.


BundesratStenographisches Protokoll909. Sitzung, 909. Sitzung des Bundesrates am 2. Juli 2020 / Seite 96

Für die Tagesordnung dieser Sitzungen kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 14. Juli, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Nachhausekommen.

Die Sitzung ist geschlossen.

15.06.22Schluss der Sitzung: 15.06 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien