Stenographisches Protokoll

11. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 14. März 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

11. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 14. März 1996

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. März 1996: 9.02 – 20.28 Uhr

*****

Tagesordnung

Debatte über die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 2

Erklärung der Bundesregierung

*****

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein, Dr. Johannes Ditz, Dr. Caspar Einem, Dr. Werner Fasslabend, Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner, Elisabeth Gehrer, Franz Hums, Mag. Viktor Klima, Dr. Helga Konrad, Dr. Christa Krammer, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Karl Schlögl, Dr. Rudolf Scholten, Dr. Wolfgang Schüssel, Dr. Franz Vranitzky und Johannes Voggenhuber 6

Angelobung der Abgeordneten Werner Amon, Gabriele Binder, Dr. Gertrude Brinek, Verena Dunst, Matthias Ellmauer, Dr. Alfred Gusenbauer, Mag. Doris Kammerlander, Franz Kampichler, Dr. Irmtraut Karlsson, Mag. Johann Maier, Franz Morak, Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Wolfgang Riedler, Dr. Michael Spindelegger, Dr. Johann Stippel und Johannes Zweytick 6

Personalien

Verhinderungen 6

Geschäftsbehandlung

Antrag des Abgeordneten Mag. Johann-Ewald Stadler, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1996 gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 12. Juli 1996 zu setzen 8

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 152

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 der Geschäftsordnung 8

Verlangen des Abgeordneten Dr. Jörg Haider, die Sitzung zu unterbrechen und eine Präsidialkonferenz einzuberufen 58

Unterbrechung der Sitzung 58

Erklärung des Präsidenten Mag. Dr. Willi Brauneder betreffend das Verlangen auf Sitzungsunterbrechung und Einberufung einer Präsidialkonferenz 58

Wortmeldung des Abgeordneten Peter Schieder betreffend tatsächliche Berichtigungen (im Zusammenhang mit der tatsächlichen Berichtigung des Abgeordneten Dr. Jörg Haider) 77

Feststellung des Präsidenten Mag. Dr. Willi Brauneder zur Wortmeldung des Abgeordneten Peter Schieder 78

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 7

Ausschüsse

Zuweisungen 7

Verhandlungen

Debatte über die Erklärung der Bundesregierung

Redner:

Dr. Jörg Haider 8

Dr. Peter Kostelka 18

Mag. Dr. Heide Schmidt 23

Dr. Andreas Khol 31

Mag. Dr. Madeleine Petrovic 35

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 42

Fritz Verzetnitsch 48

Dr. Helene Partik-Pablé 51

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky 54

Bundesminister Dr. Johannes Ditz 59

Ing. Leopold Maderthaner 60

Dr. Friedhelm Frischenschlager 63

Mag. Brigitte Ederer 67

Bundesminister Franz Hums 70

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) 73

Ing. Monika Langthaler 73

Dr. Jörg Haider (tatsächliche Berichtigung) 77

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 78

Mag. Dr. Josef Höchtl 79

Dr. Harald Ofner 82

Peter Schieder 85

Dr. Hans Peter Haselsteiner 87

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 91

Rudolf Schwarzböck 93

Karl Öllinger 95

Dr. Ilse Mertel 99

Dkfm. Holger Bauer 102

Karlheinz Kopf 104

Maria Schaffenrath 107

Eleonora Hostasch 110

Mag. Doris Kammerlander 113

Mag. Helmut Kukacka 115

Helmut Haigermoser 117

Anton Gaal 119

Dr. Volker Kier 122


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 3

Georg Schwarzenberger 123

Theresia Haidlmayr 126

Annemarie Reitsamer 128

Dr. Brigitte Povysil 131

Paul Kiss 133

Bundesministerin Dr. Christa Krammer 135

Mag. Thomas Barmüller 135

Dr. Johann Stippel 136

Hermann Kröll 137

Anton Blünegger 139

Rudolf Parnigoni 141

Mag. Franz Steindl 142

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 143

Ingrid Tichy-Schreder 144

Josef Edler 145

Günter Kiermaier 146

Ing. Mathias Reichhold 147

Dr. Dieter Antoni 148

Herbert Scheibner 149

Andreas Wabl 151

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Monika Langthaler und Genossen betreffend die umweltpolitische Bedeutung der XX. Gesetzgebungsperiode – Ablehnung 75, 152

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Dr. Liane Höbinger-Lehrer und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 und die Exekutionsordnung zur Verbesserung der Rechtsstellung von Opfern geändert werden (132/A)

Edith Haller und Genossen betreffend geschlechtsneutrale Regelung für Nachtarbeit (133/A) (E)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Bundesgesetz über Aktiengesellschaften sowie das Gesetz über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften geändert werden (134/A)

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Privatisierung der Dorotheum GesmbH (135/A) (E)

Helmut Haigermoser und Genossen betreffend die Abschaffung der Eintragungsgebühren in der Wirtschaftskammer (136/A) (E)

Andreas Wabl und Genossen betreffend Aufhebung der Verordnung über den Straßenverlauf der B 146 (Ennsnahe Trasse) (137/A) (E)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend Einführung der 0,5-Promille-Grenze und Licht am Tag (138/A) (E)

Rudolf Anschober und Genossen betreffend generelles Tempolimit 80/100 (139/A) (E)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, BGBl. 1979/139 in der Fassung BGBl. 1993/800, (WGG) geändert wird (140/A)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 4

Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Einrichtung des eigenständigen Studiums der Zahnmedizin mit dem Wintersemester 1996/97 (141/A) (E)

Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992, BGBl. Nr. 825/1992, geändert wird (142/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr betreffend Liberalisierung des CB-Funks (282/J)

Walter Murauer und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Direktbelieferung von Schulen durch landwirtschaftliche Betriebe mit Schulmilch (283/J)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsparungen bei der Gendarmerie für NÖ (284/J)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zusammenlegung von Gendarmerieposten in NÖ (285/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Provisionen von Banken bei Wechselgeschäften mit Valuten (286/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Tätigkeit der PKK in Österreich (287/J)

Rudolf Anschober und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verfehlungen eines Gendarmeriepostenkommandanten (288/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Nutzung des Areals des ehemaligen Straßenbauamtes Spittal/Drau (289/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die Nutzung des Areals des ehemaligen Straßenbauamtes Spittal/Drau (290/J)

Dr. Susanne Preisinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Maßnahmenbündel zur Senkung der Klassenwiederholungen (291/J)

Emmerich Schwemlein und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Straßenbauvorhaben im Bundesland Salzburg (292/J)

Emmerich Schwemlein und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend B 311 – Umfahrung Schwarzach/Pongau (293/J)

Marianne Hagenhofer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Benachteiligung von erwachsenen Lehrlingen an Berufsschulen (294/J)

Paul Kiss und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsparungen im Bezirk Krems (295/J)

Brunhilde Fuchs und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 2008/J-NR/95 Bezug nehmend auf die Weiterentwicklung der Akademien für Sozialarbeit (296/J)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 5

Heinz Gradwohl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Verteilungswirkungen der Agrarförderungen in Österreich (297/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen (24/AB zu 3/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen (25/AB zu 87/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Sigisbert Dolinschek und Genossen (26/AB zu 88/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Walter Meischberger und Genossen (27/AB zu 111/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und Genossen (28/AB zu 8/J)

 


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 6

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle sehr herzlich. Ich begrüße auch die Damen und Herren, die diese Debatte über das Fernsehen und über andere Medien verfolgen.

Ich eröffne die 11. Sitzung des Nationalrates.

Ich darf auch heute den Herrn Bundespräsidenten sehr herzlich in unserer Mitte begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich gebe bekannt, daß die Abgeordneten Dipl.-Ing. Prinzhorn, Elmecker, Dr. Rasinger, Dr. Mock und Dr. Schwimmer verhindert sind.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, daß eine Reihe von Abgeordneten im Zusammenhang mit der Bildung der Bundesregierung auf ihre Mandate verzichtet hat, und zwar die Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein, Dr. Johannes Ditz, Dr. Caspar Einem, Dr. Werner Fasslabend, Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner, Elisabeth Gehrer, Franz Hums, Mag. Viktor Klima, Dr. Helga Konrad, Dr. Christa Krammer, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Karl Schlögl, Dr. Rudolf Scholten, Dr. Wolfgang Schüssel und Dr. Franz Vranitzky, sowie der Abgeordnete Johannes Voggenhuber. Die Mitglieder der Bundesregierung werden also dem Nationalrat nicht länger als Abgeordnete angehören.

Anstelle des Abgeordneten Dr. Bartenstein wurde der Abgeordnete Johannes Zweytick, anstelle des Abgeordneten Dr. Ditz der Abgeordnete Franz Kampichler und anstelle des Abgeordneten Dr. Einem die Frau Abgeordnete Dr. Irmtraut Karlsson in den Nationalrat berufen. Das freigewordene Mandat des Abgeordneten Dr. Fasslabend erhält der Abgeordnete Dr. Michael Spindelegger, das freigewordene Mandat der Frau Abgeordneten Dr. Ferrero-Waldner der Abgeordnete Werner Amon, das freigewordene Mandat der Frau Abgeordneten Gehrer die Abgeordnete Gertrude Brinek.

Weiters wurde auf das freigewordene Mandat des Kollegen Hums der Abgeordnete Mag. Johann Maier, auf das freigewordene Mandat des Abgeordneten Mag. Klima der Abgeordnete Dr. Alfred Gusenbauer und auf das freigewordene Mandat der Abgeordneten Dr. Konrad der Abgeordnete Dr. Wolfgang Riedler berufen. Die Abgeordnete Verena Dunst folgt der bisherigen Abgeordneten Dr. Krammer.

Weiters wurde anstelle des Abgeordneten Mag. Molterer der Abgeordnete Matthias Ellmauer, anstelle des Abgeordneten Mag. Schlögl der Abgeordnete Dr. Johann Stippel und anstelle des Abgeordneten Dr. Scholten die Abgeordnete Gabriele Binder in den Nationalrat berufen.

Das freigewordene Mandat des Abgeordneten Dr. Schüssel erhält der Abgeordnete Franz Morak, das freigewordene Mandat des Abgeordneten Dr. Vranitzky die Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann, und schließlich erhält das freigewordene Mandat des Abgeordneten Johannes Voggenhuber die Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander.

Die Wahlscheine liegen vor, die Anzugelobenden sind im Hause anwesend. Ich bitte Sie daher, daß wir sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach der Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch die Schriftführerin werden die genannten Mandatare ihre Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" leisten.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 7

Ich darf die Frau Abgeordnete Reitsamer bitten, als Schriftführerin die Gelöbnisformel vorzulesen und den Namensaufruf vorzunehmen.

Schriftführerin Annemarie Reitsamer: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

(Die Abgeordneten Werner Amon, Gabriele Binder, Dr. Gertrude Brinek, Verena Dunst, Matthias Ellmauer, Dr. Alfred Gusenbauer, Mag. Doris Kammerlander, Franz Kampichler, Dr. Irmtraut Karlsson, Mag. Johann Maier, Franz Morak, Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Wolfgang Riedler, Dr. Michael Spindelegger, Dr. Johann Stippel und Johannes Zweytick leisten die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe".)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße alle Kollegen herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Herr Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 11. März mitgeteilt, daß er sich heute abend und morgen vormittag für einige Stunden im Ausland befinden wird und in dieser Zeit gemäß Art. 69 Abs. 2 der Bundesverfassung durch den Herrn Vizekanzler vertreten wird. Die Mitglieder der Präsidialkonferenz sind davon im vorhinein informiert worden.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 24/AB bis 28/AB.

B) Zuweisungen in dieser Sitzung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Antrag 131/A (E) der Abgeordneten Ute Apfelbeck und Genossen betreffend Einbeziehung aller Tätigkeiten freiwilliger Hilfsorganisationen in den Unfallversicherungsschutz;

Finanzausschuß:

Bundesgesetz betreffend Veräußerung des Bundesanteils an der Österreichische Weinmarketingservicegesellschaft m.b.H. (48 der Beilagen);

Justizausschuß:

Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Fernmeldegesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (49 der Beilagen);

Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 126/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Verbesserung der Rahmenbedingungen für bäuerliche Direktvermarkter,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 8

Antrag 127/A (E) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Einführung einer Abgabe auf Pestizide;

Verfassungsausschuß:

Gesetzesantrag des Bundesrates vom 29. Feber 1996: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird (54 der Beilagen),

Antrag 128/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, BGBl. Nr. 57/1971, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 339/1993, geändert wird,

Antrag 129/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird,

Antrag 130/A der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 1013/1994, geändert wird;

Wirtschaftsausschuß:

Gewerberechtsnovelle 1996 (47 der Beilagen),

Halbleiterschutzgesetz-Novelle 1996 (51 der Beilagen).

*****

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, daß der Abgeordnete Mag. Stadler beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1996 eine Frist bis 12. Juli 1996 zu setzen.

Ein Debattenverlangen liegt nicht vor. Der gegenständliche Antrag wird daher nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es wurde in der Präsidialkonferenz Konsens über die Gestaltung der Debatte wie folgt erzielt:

Die Debatte soll auf zehn Stunden beschränkt werden, wobei sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 150 Minuten, ÖVP 140, Freiheitliche 130, Liberales Forum und Grüne je 90 Minuten.

Die Redezeit des Erstredners darf 40 Minuten nicht überschreiten. Alle weiteren Redner sollen eine Redezeit von je maximal 15 Minuten haben.

Wenn ein Mitglied der Bundesregierung in der Debatte länger als 20 Minuten spricht, soll das Ausmaß der Überschreitung in die Redezeit der zugehörigen Fraktion eingerechnet werden.

Gibt es gegen diesen Vorschlag Einwendungen? – Das ist, nachdem alle genau zugehört haben, nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 9

Debatte über die Erklärung der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Debatte über die Erklärung der Bundesregierung, und ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Haider das Wort.

9.11

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Entwicklung, die vor uns liegt, weist darauf hin, daß sich in den nächsten Jahren auch für Österreich sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich sehr vieles bewegen und auch verändern wird.

Es ist heute oft von einer Zeitenwende, vor der wir stehen, die Rede, was nicht nur damit zu tun hat, daß die Jahrtausendwende bevorsteht und der Zeitraum davor immer auch eine Zeit der Unsicherheit und der Verunsicherung ist, sondern vor allem damit, daß sich im Rahmen einer immer stärker vernetzten Weltwirtschaft ein Szenarium abzeichnet, das auch uns nicht ohne Sorge lassen kann. Es ist dies ein Szenarium, von dem wir wissen, daß auch in Österreich bei einer steigenden Arbeitslosigkeit die Tendenz zur Zweidrittelgesellschaft, in der nur mehr ein Drittel verläßliche und sichere Arbeitsplätze haben wird, fortschreitet.

Wir wissen aber auch, daß wir eine weitere Herausforderung zu bestehen haben insofern, als die Ostöffnung zu den Reformstaaten und zu weiteren Staaten des ehemaligen Ostblocks und Warschauer Paktes auch zu einer massiven Entindustrialisierung Österreichs führen wird.

Wir wissen darüber hinaus, daß es bei all der Perfektion des Wohlfahrtsstaates, wie wir ihn hier in Österreich haben, auch große Probleme der Verteilungsgerechtigkeit gibt, denn schließlich und endlich sind wir trotz des angeblichen Reichtums unserer Gesellschaft mit wachsender Armut in einem nicht mehr unbeträchtlichen Bereich unserer Bevölkerung konfrontiert. Gleichzeitig ist dieser Wohlfahrtsstaat aber auch sehr stark von Gruppenegoismus gezeichnet und in vielen Bereichen an den Grenzen seiner Finanzierbarkeit angelangt.

Die Gedanken und die Grundsätze der Marktwirtschaft, von der wir geglaubt haben, daß sie mit dem Fall des Eisernen Vorhanges sozusagen auch philosophisch-geistig den Sieg über die östliche Philosophie errungen hat, entpuppen sich immer mehr als ein zum Teil sehr gräßliches internationales Kartell, wo nicht mehr der Wettbewerb der Kleinen, sondern die Vorherrschaft der Großen den Markt, die Arbeitsplätze und die Möglichkeiten der Menschen bestimmt.

Auf diese Globalisierung hat der Herr Bundeskanzler gestern in seiner Regierungserklärung, wie ich meine, zu Recht hingewiesen. Für mich stellt sich aber die Frage, welche Konsequenzen er in seiner Regierungserklärung daraus ableitet. Kann es genügen, zu sagen, die Regierung habe sich entschlossen, über diese oder jene Frage zu diskutieren? Wäre es nicht richtig gewesen, Herr Bundeskanzler, uns wenigstens eine Konsequenz Ihres Erkenntnisprozesses darzulegen, eine Konsequenz, die für die Österreicher und für die Sicherheit der Menschen wichtig ist, nämlich zu sagen, wie es wirtschaftlich wirklich weitergeht?

Eine Globalisierung unserer ökonomischen Verhältnisse, der gigantische internationale Wettbewerb hätten es doch eigentlich erfordert, daß ein österreichischer Regierungschef sagt: Unsere Chance in der Zukunft liegt in erster Linie und vorrangig in einer klaren Schwerpunktbildung zugunsten der mittelständischen gewerblich-industriellen Wirtschaft in Österreich! Das sind nämlich jene Betriebe, die einen verläßlichen Anker für Arbeitsplätze und Sicherheit darstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist jener Mittelstand, Herr Bundeskanzler, den Sie gestern völlig ignoriert haben, der aber wirklich den Anker für Stabilität und Arbeitsplätze darstellt, jener gewerblich-industrielle Mittelstand, der in Österreich sozusagen die wirtschaftliche Struktur darstellt, der nicht heimatlos ist, der nicht wie die internationalen Konzerne heute da und morgen dort produziert. – Dazu möchte ich auch die von dieser Bundesregierung immer wieder stark favorisierte Firma Siemens zählen, die jetzt etwa mit 200 Ingenieuren in Indien das gesamte Software-Programm ihres Hauses produziert. Da ist nicht mehr von den gut ausgebildeten Österreichern die Rede, sondern es wird aus Kostengründen verlagert und bei uns zugesperrt und abgebaut.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 10

Ich hätte mir auch erwartet, daß Sie sagen: Um diesem Mittelstand bessere Rahmenbedingungen bieten zu können, müssen wir einen schlanken Staat schaffen, in dem klare Kostensenkungsprogramme vorgegeben werden! – All das habe ich vermißt. Sie setzen jene Politik fort, die Sie schon 1986 angekündigt haben.

Sie kündigen uns immer wieder an, Sie seien eine Sanierungskoalition. – Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie schon 1986 von den Klötzen am Budgetbein gesprochen haben, und zwar in einem Kommentar, den Sie selbst für ein Wirtschaftsmagazin verfaßt haben. Dort heißt es: "Klotz am Budgetbein: Bereich Personalaufwand, Sozialversicherung, Bundesbetriebe einschließlich ÖBB-Defizit ..." – Meine Damen und Herren, ist das ÖBB-Defizit bis heute kleiner geworden? – Seit der Zeit, seit Sie die Verantwortung übernommen haben, als wir noch rund 30 Milliarden Schilling für die Defizit-Abdeckung der ÖBB investieren mußten, ist der Zuschußbedarf auf 44 Milliarden Schilling gestiegen. Ist das Reform? Ist das Sanierungspartnerschaft, von der Sie schon neun Jahre reden?

Sie sind leider das, was man von Ihnen auch in den Medien immer wieder lesen kann: Sie sind mehr ein Verwalter als ein Gestalter der Zukunft der Österreicher! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir brauchen aber jetzt jene, die gestalten. Das, was Sie uns als Regierungserklärung angeboten haben, war mehr oder weniger ein Friedhof von Schlagwörtern, ein Feuerwerk der Unverbindlichkeit. In Wirklichkeit ist diese Regierungserklärung ein Machwerk geistiger Trostlosigkeit, weil sie keine optimistischen Zukunftsperspektiven für dieses Land beinhaltet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte auch, weil ja Ihre Kohorten, Herr Bundeskanzler, sofort ihren Unmut bekundet haben, den Beweis für diesen Vorwurf, den ich Ihnen mache, nicht schuldig bleiben – wenn Sie so wollen, auch Ihre Prätorianergarden, Kollege Guggenbichler. (Rufe bei der SPÖ: Guggenberger!)

Meine Damen und Herren! Die niedere Kunst der hohlen Phrase ist ja auch in dieser Regierungserklärung auf allen Seiten festzustellen. Es wird seitenweise nicht über die Zukunft Österreichs geredet, sondern über die Frage: Wie knebelt man das Parlament, wie kann man eine wirksame Opposition ausschalten, indem es keinen koalitionsfreien Raum mehr geben soll? Da wird seitenweise darüber philosophiert, wie die Zusammensetzung in den EU-Beiräten und -Kommissionen sein soll, damit der Herr Bundeskanzler und der Herr Außenminister im Rahmen der EU gleichberechtigt Macht ausüben können. Und es werden Leerformeln über die Arbeitsplätze produziert.

Meine Damen und Herren! Sie sagen zwar, wir brauchen eine Beschäftigungsoffensive, machen aber genau das Gegenteil, indem Sie die Rahmenbedingungen so verändern, wie etwa durch den Kahlschlag im Bereich der Verlustvorträge und durch die Streichung wichtiger Investitionshilfen. Das führt dazu, daß das "Wirtschaftsblatt" bereits getitelt hat: Investoren sauer. Österreich verlor an Attraktivität durch dieses Spar- und Belastungspaket der Regierung. – Sie dürfen sich doch nicht wundern, wenn dadurch schlechte Stimmung aufkommt!

Wenn Sie wirklich so gut arbeiten würden, bräuchten Sie nicht 30 und mehr Verfassungsbestimmungen, um Ihr Programm durchzubringen, sondern würden in einer gerechten Weise die Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft so verändern, daß es mehr Arbeitsplätze gibt, daß es vor allem aber auch Optimismus in der Wirtschaft gibt, der Anlaß für viele Investitionen geben könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie müßten auch nicht bei hohlen Phrasen Zuflucht suchen, Herr Bundeskanzler, wie etwa: Der Facharbeiter muß endlich seine ihm längst zukommende Anerkennung bekommen. – Konsequenzen? – Sie sind neun Jahre in dieser Regierung, neun Jahre lang ist Ihnen das nicht eingefallen, aber Sie haben auch heute keine Konsequenzen gezogen etwa in der Form, daß jeder Bauarbeiter, der sich in den Monaten der Winterarbeitslosigkeit bemüht, sich weiterzubilden, und etwa auf die Polierschule an einer HTL geht, so behandelt wird, wie Sie ausgeführt haben. Nein! Dem streicht man sofort die Arbeitslosenunterstützung. Ist das Ihre Anerkennung für die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 11

Facharbeiter? – Sie werden sich mehr einfallen lassen müssen, als weiterhin dasselbe zu wiederholen und keine Lösungen dafür anzubieten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie sprechen so gerne davon, daß diese Regierung über das Jahr 2000 hinaus im Amt sein wird. Ihre Regierungserklärung ist ein Hinweisschild ohne Hinweis, ist eine Sonnenbrille für die Dunkelkammer, aber nicht etwas, woran man den Zukunftskurs dieser Regierung erkennen kann. Oder glauben Sie wirklich, daß Sie mit der Streichung des Verlustvortrags – er soll rückwirkend gestrichen werden – einen Anreiz für Investitionen in Österreich schaffen werden? Glauben Sie wirklich, daß Sie mit Scheingewinnbesteuerungen, über die sich sogar Herr Kollege Stummvoll in der Öffentlichkeit negativ geäußert hat, den Wirtschaftsstandort sichern werden? Glauben Sie wirklich, daß Sie mit einer Besteuerung der Mietzinsreserven, die dazu geführt haben, daß Tausende Arbeitsplätze im Bau- und Baunebengewerbe gesichert worden sind, Beschäftigungserfolge erzielen werden? Glauben Sie wirklich, daß Sie mit einer Streichung des Betriebsausgabenpauschales gerade den klein- und mittelständischen Betrieben Optimismus geben werden? Glauben Sie wirklich, daß Sie mit der Streichung der Absetzmöglichkeiten für Exportkreditforderungen, die noch nicht hereingebracht worden sind, den Export ankurbeln werden? – Sie reden ganz anders, als Sie dann handeln, meine Damen und Herren!

Glauben Sie wirklich, daß Sie mit einer Energiesteuer, von der Wissenschafter sagen, daß sie ohne Senkung der Arbeitskosten zu einem Verlust von 8 000 Arbeitsplätzen führen wird, Beschäftigungspolitik machen? Glauben Sie wirklich, daß Sie mit einer Streichung der Bausparförderung im bisherigen Sinn, von der der Wienerberger "General" sagt, dies kostet uns 10 000 Arbeitsplätze, erfolgreiche Arbeitsplatzpolitik machen werden? Glauben Sie wirklich, daß Sie mit einer Vernichtung der "Bauherrenmodelle" als sogenannte Verlustbeteiligungen, durch die es Tausende Arbeitsplätze im gewerblich-mittelständischen Bereich gegeben hat, Erfolge erzielen werden? 150 Millionen Schilling bei einer durchschnittlichen Investition im Sanierungs- und Wohnbaubereich für Verlustbeteiligungen bedeuten einen Mehrertrag von 10 Millionen Schilling für den Finanzminister in zwei Jahren. Aber er wird auf diese Weise etwa bei einem 150-Millionen-Schilling-Investitionsprojekt auf 200 Arbeitsplätze verzichten müssen, weil das nicht mehr stattfindet.

Überlegen Sie einmal, Herr Minister Klima, was Sie 200 Arbeitslose kosten. – 200 000 bis 220 000 S kostet die öffentliche Hand ein Arbeitsloser. Das sind 40 Millionen Schilling, die Sie diese Maßnahme kostet, und zwar allein bei einem Projekt, damit Sie 10 Millionen Schilling mehr an Steuern einnehmen. Es ist doch verrückt, wie Sie da rechnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie die Wirtschaft arbeiten! Lassen Sie die Menschen investieren, und streichen Sie nicht jene Dinge, die schon bisher für die Beschäftigung wichtig gewesen sind! (Abg. Dr. Nowotny: Welche Lobbies sprechen Sie an? – Abg. Mag. Stadler: Im geschützten Bereich sitzen!) Für Sie als bevollmächtigten und pragmatisierten Universitätsprofessor kann ich nicht sprechen, der Sie sozusagen abgesichert dasitzen und ständig von Wettbewerb reden. Sie wissen nicht, Herr Kollege Nowotny, was Wettbewerbswind heißt. Für Sie gilt nur der Föhn der Pragmatisierung, der uns Kopfzerbrechen macht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat gestern gesagt: Politiker können nicht mehr Antworten auf alle Fragen geben. – Das ist schon richtig, da stimme ich Ihnen zu. Aber ein paar Antworten sollten Sie wenigstens geben. Denn wenn Sie keine mehr geben, so wie das passiert ist, dann ist das, muß ich sagen, ein bißchen dürftig. Wenn Sie keine Antworten auf die wichtigen Fragen ... (Abg. Mag. Stadler: Da ist er schon wieder ang’rührt! Da geht er wieder in den Schmollwinkel!) – Ich bemühe mich ohnedies, ihn nicht allzu sehr zu beleidigen. Aber ich muß ihm das einmal sagen, sonst wird er, wenn er diese Herausforderungen einer Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, so wie ich sie skizziert habe, nicht annimmt, zum Kanzler der Arbeitslosigkeit in dieser Republik werden, wird er der Geschäftsführer sein, der für den Niedergang des Unternehmens Österreich verantwortlich ist. Das wissen Sie alle.

Es wundert mich, daß gerade die Sozialdemokratie in der Frage der Beschäftigungspolitik so unsensibel geworden ist. Was wird sich Herr Altpräsident Benya denken, der heute zuhört? – Es


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 12

hat Zeiten gegeben, in denen man in der Sozialdemokratie um Arbeitsplätze noch gekämpft hat. Heute sitzt hier eine Regierung, die all das, was zu mehr Beschäftigung führt, vernichtet, damit sie kurzfristig die Maastricht-Kriterien erfüllen kann, um im europäischen Gleichklang sagen zu können: Wir sind ein Musterschüler.

Wir wollen das nicht, meine Damen und Herren! Wir wollen eine lebendige mittelständische Wirtschaft, die hier in Österreich Arbeitsplätze sichert! Das muß in unserer künftigen Politik Vorrang haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Reden wir einmal über die großen Strukturreformen, die diese Regierung jetzt angeht, wodurch es eigentlich besser werden sollte. Was sind die Strukturreformen in der Bürokratie? Wie wollen Sie denn für weniger Bürokratie in der Wirtschaft sorgen, wenn Sie bei den Werkverträgen eine Regelung vorsehen, die so kompliziert ist, daß schon wieder zusätzliches Verwaltungspersonal notwendig sein wird, um das überhaupt handlen zu können?

Unsere Fraktion hat Ihnen gestern gesagt, wie kompliziert und wie falsch das Bonus-Malus-System angelegt ist.

Zur Frage der Lohnverrechnung. Herr Ditz redet seit Jahren von der Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage für die lohnabhängigen Abgaben im Bereich der Betriebe. – Nicht ein Sterbenswörtchen über derartige Reformen ist in dieser Regierungserklärung enthalten.

Oder: Man redet von einer Reduzierung der Bürokratie in den Zentralstellen. Und dann kommt einem ein Rundschreiben der Mitarbeiter des Zukunftsministers Scholten vom 20. Februar 1996 in die Hände, in dem die Mitarbeiter seines eigenen Ministeriums dagegen protestieren, daß Herr Scholten schon wieder neue Gruppen und Abteilungen in seinem Ministerium einrichtet. (Abg. Mag. Stadler: Da schau her!) Die Bürokratievermehrung schreitet also voran!

In dem Brief heißt es in der Begründung: "weil diese Anordnung des Herrn Bundesministers nicht nur den von der Bundesregierung angeordneten Sparmaßnahmen widerspricht, sondern unserer Auffassung nach auch gesetzwidrig ist." (Abg. Haigermoser: Das ist starker Tobak!)

Herr Klima erklärt uns, daß jetzt alles reduziert wird, daß ein Bürokratieabbau stattfindet. Aber seine eigenen Mitarbeiter teilen uns mit, wie es in Wirklichkeit läuft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es stellt sich die Frage: Wenn im Bereich der Bürokratie nichts geht, wann geht dann vielleicht etwas im Bereich der Sozialversicherung? Wo sind denn die Bekenntnisse, die vor der Nationalratswahl verkündet worden sind, jetzt grundgelegt? Man hat gesagt, man wird beginnen müssen, die Sozialversicherungsanstalten zusammenzulegen. Wo sind die entsprechenden Maßnahmen? – Sie greifen nur dem Bürger tiefer in die Tasche.

Die Mitarbeiter in den Sozialversicherungsanstalten werden weiterhin bis zu zehn Pensionsjahre zu einem Sondertarif nachkaufen können. Jeder normalsterbliche Sozialversicherte in Österreich wird dafür ein Vielfaches aufwenden müssen. Hat jemand 30 000 S brutto im Monat, dann muß er seine Schul- und Studienzeiten nachkaufen. – Das kostet ihn bei diesem Gehalt rund 350 000 S. Wenn ein Mitarbeiter einer Sozialversicherungsanstalt bei gleichem Gehalt ebenfalls seine Schul- und Studienzeiten nachkaufen will, dann kostet ihn das nicht 350 000 S, sondern rund 35 000 S. Ich frage Sie: Worin liegt diese Begünstigung und die Berechtigung begründet?

Warum beseitigen Sie diese Dinge nicht, wenn Sie in diesem Lande neue Strukturen errichten wollen? Warum reden Sie nicht darüber, daß die Wiener Gebietskrankenkasse in Wirklichkeit pleite ist, weil sie für 450 Millionen Schilling Sonderpensionsrechte der Mitarbeiter und der Bonzen finanzieren muß, während man gleichzeitig die Leistungen für die sozialversicherten Kranken zurechtstutzt und verschlechtert? – Das wären Strukturreformen gewesen, wie wir sie uns vorstellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Warum sagen Sie nicht, daß Strukturänderungen auch im Bereich der Österreichischen Bundesbahnen vorzunehmen wären? (Abg. Edler: Was denn?) Was heißt: Was denn? Er hat


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 13

noch immer nicht kapiert, daß wir heute mehr Zuschüsse an die Eisenbahn zu leisten haben, als wir am Beginn der Reform leisten mußten! Er hat noch immer nicht verstanden, meine Damen und Herren, daß die Eisenbahn nicht einmal eine Eröffnungsbilanz legen kann – passen Sie einmal auf, Kollege! –, weil die Republik Österreich die Altschulden noch nicht bezahlt hat! Da geht es noch um 17 Milliarden Schilling. Dafür haftet dieser Finanzminister, der jetzt angeblich so sehr Ordnung machen will. Das ist doch bitte ein Durcheinander par excellence.

Herr Ditz, der sich so gewehrt hat gegen einen neuen Fonds, mittels dessen man neue Schulden für eine Schieneninvestition machen sollte, hat jetzt zugestimmt, daß wieder Schulden gemacht werden, um das marode Unternehmen über die Runden zu bringen. – Das, meine Damen und Herren, sind Ihre "Strukturreformen"!

Ähnliches gilt für die Post. Sagen Sie doch nicht, daß bei der Post alles zum besten ist! 110 Milliarden Schilling Schulden haben Sie in den letzten Jahren dieser Postexistenz angetürmt, weil Sie Geld, das die Post verdient hat, zum Stopfen der Budgetlöcher verwendet haben. Ergebnis: Ihre "Strukturreform" schaut so aus, daß Sie jetzt eine Pleiteholding für die Post gegründet haben, in die 45 Milliarden Schilling Schulden hineingepackt werden, und hoffen, mit diesem Unternehmen einmal an die Börse gehen zu können. Ich wünsche Ihnen viel Glück mit diesem Unternehmen, das Sie hier begonnen haben!

Wenn die Republik Österreich weiterhin für 21 Milliarden Schilling Pensionsleistungen für ehemalige Postbedienstete in Zukunft haften wird, dann frage ich mich: Wo ist da die Reform, von der Sie reden?

Oder: Wo ist in der Pensionsversicherung die Reform, wenn wir heute ein System haben, wonach der pensionierte Arbeitnehmer pro Jahr 16 000 S von der öffentlichen Hand zu seiner Pension zugeschossen bekommt, die Pension des Gewerbetreibenden bereits mit 96 000 S subventioniert ist, die Pension des Bauern mit 74 000 S subventioniert ist und jene des Beamten mit 206 000 S?

Jetzt frage ich mich: Wäre das nicht ein Grund, einmal wirklich etwas zu ändern, anstatt den Kleinen in die Tasche zu greifen, anstatt den Fleißigen bei den Überstunden etwas wegzunehmen, anstatt jenen, die in dieser Republik fest arbeiten, das Leben sauer zu machen? Da müssen Reformen durchgeführt werden, und zwar durch eine Vereinheitlichung, durch eine Zusammenführung des Pensions- und Sozialversicherungsrechtes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Ich lese in der Regierungserklärung beispielsweise: Ladenöffnungszeiten sind unter Einbeziehung der Sozialpartner bedarfsgerecht zu gestalten. – Um Gottes willen, das ist eine gefährliche Drohung! Die Sozialpartner werden entscheiden, ob aufgesperrt werden darf oder nicht. Das heißt, jene, die bisher fürs Zusperren und Nichtstun gewesen sind, übernehmen die Vormundschaft für diese Regierung! Das ist ein antiquiertes Modell. Da spricht der Herr Bundeskanzler über die Globalisierung, über den weltweiten Wettbewerbswind, und dann werden die Sozialpartner wieder entscheiden, daß nicht aufgesperrt werden darf.

Sie müssen einmal Ihre Denkweise ändern, meine Damen und Herren! Nur mit Arbeiten und mit Wettbewerbsfähigkeit werden wir die Zukunft gewinnen, nicht mit Zusperren, mit Nichtstun und mit Umverteilen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie wollen immer einen Arbeitnehmer, der nichts arbeiten und nichts verdienen darf, damit er von Ihnen abhängig ist. Wir wollen einen, der verdienen darf, damit er frei ist und keine Bevormundung durch Institutionen braucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In der Regierungserklärung steht weiter: Der Zugang zur gewerblichen Tätigkeit ist zu erleichtern. – Köstlich: Er ist zu erleichtern! In jedem anderen Land tritt man für den freien Zugang zur Gewerbeausübung ein. Die Leute sollen, wenn sie etwas selbständig machen wollen, auch selbständig sein dürfen. Sie riskieren ja ihr eigenes Geld. Bei uns entscheidet die Konkurrenz in der Kammer, ob ein neuer Konkurrent auf dem Markt antreten darf. – Das ist ja lächerlich! Am Beginn des 21. Jahrhunderts sitzen die Oberkämmerer Stummvoll und Maderthaner da und verteidigen ihre Kompetenzen im Kammerstaat, statt die Leute arbeiten zu lassen, Herr Kollege


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 14

Maderthaner, damit es wenigstens wirtschaftlichen Erfolg gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Maderthaner: Jahrzehnte hinten!)

In Wirklichkeit ist diese Regierungserklärung ein Dokument dafür, daß der Kammerstaat wieder einmal gesiegt hat. Grundsätzlich ist in diesem Land auch in Zukunft alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist. – Das ist ein Prinzip, mit dem wir nichts anfangen können. Es gibt keine Änderung, es wird alles nur teurer, ein bißchen geringere Qualität und ein bißchen weniger Leistung sind damit verbunden.

Meine Damen und Herren! Das einzige, worauf Sie sich bisher geeinigt haben, ist die Geldbeschaffungsaktion, die kurzfristig stattfinden wird. Es findet eine Zwangsanleihe bei allen Österreichern statt: Verschärfung der Bestimmungen beim 13. und 14. Monatsgehalt, Aufhebung der Freibetragsbescheide und vieles andere mehr. Ein neues Mautsystem ist in den letzten Tagen durch den Raum gegeistert.

Herr Wirtschaftsminister Ditz, der auch Tourismusminister ist, war so sensibel, einen Tag vor Eröffnung der Internationalen Tourismusbörse in Berlin, bei der die Österreichische Fremdenverkehrswerbung ohnedies nur mit einem sehr bescheidenen Stand vertreten ist, die Idee einer Bemautung vom Zaun zu brechen, mit dem Ergebnis, daß Österreich zum Feindbild für jene Gäste geworden ist, die wir eigentlich ins Land holen wollen. Dümmer kann man es wirklich nicht mehr machen, Herr Wirtschaftsminister, als Sie agiert haben! Sie sollten darüber nachdenken, welchen Schaden Sie der Wirtschaft zufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es hat einmal einen Vizekanzler gegeben, der vor der Wahl gesagt hat: Wir werden sparen und keine Belastungen einführen. Er hat Wolfgang Schüssel geheißen. Und dieser Vizekanzler Wolfgang Schüssel sprach vom "intelligenten Sparen". (Vizekanzler Dr. Schüssel: Mein Name hat sich nicht geändert!) Der Name hat sich nicht geändert, aber die Geisteshaltung ist eine andere geworden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Denn vor den Nationalratswahlen wollte dieser dynamische Wolfgang Schüssel intelligent sparen. Was ist daraus geworden? Wo ist das intelligente Sparen?

Ist es intelligent, Herr Wirtschaftsminister, solch einen Vorschlag für eine Maut zu machen, der uns international in so negative Schlagzeilen bringt, daß der Tourismus abstürzt, wenn wir uns dann ohnedies nicht durchsetzen? Ist es intelligent, Subventionen aufrechtzuerhalten, nur damit die Zeitungen freundlich schreiben: Bekommen wir weiterhin 300 Millionen Schilling, die der Herr Bundeskanzler aus seiner Schatulle verteilen wird, um eine Schönwetterberichterstattung zu haben?

Ist es wirklich intelligent, Herr Dr. Schüssel, daß man über die Kindergartenmilliarde streitet, aber elegant darüber hinweggeht, daß sich die Österreichischen Bundesbahnen infolge überhöhter Tarife zusätzliche 700 Millionen Schilling aus dem Familienlastenausgleichfonds herausholen? – Wo ist da Ihr intelligentes Sparen? Wo ist da Ihr Herz für die Familien?

Ich hätte angenommen, daß Sie so intelligent sind, daß Sie wenigstens in diesen Fragen einmal auf den Tisch hauen und sagen: Wenn das nicht beseitigt wird, wenn nicht Kostenwahrheit auch bei der Förderung der ÖBB eintritt, dann sind wir nicht bereit, die Kindergartenmilliarde fallen zu lassen und 700 Millionen Schilling in die ÖBB-Subvention aus Familiengeldern hineinzustecken! – Das wäre ein intelligenter Vorschlag gewesen, den Sie machen hätten können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo ist das intelligente Sparen, die Tatsache, daß man sagt: Auch die Kammern sollten einen Beitrag zur Sanierung dieses Staates leisten, jene, die uns ja bisher reglementiert haben, damit in dieser Republik nichts weitergehen konnte? – Präsident Maderthaner hat ohnedies schon die Flucht angetreten, weil er weiß, daß ich ihm heute einmal sage: Es kann nicht so sein, daß vom Bund und von den Bundesbediensteten die Aufgabe der Pragmatisierung gefordert wird, während für die eigenen Kammerbediensteten die Pragmatisierung zwar abgeschafft, aber als Gegenleistung eine 2 Milliarden schwere Zusatzpension zugesichert wird.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 15

Herr Dr. Stummvoll! Lesen Sie den Kontrollbericht der Bundeskammer! Sie werden sehen, daß Hunderte Millionen Schilling aus der Außenhandelsfinanzierung umgewidmet worden sind, um die Bedeckung für diese Zusatzpensionen zu finanzieren. Sie gehen hier heraus und reden von Wettbewerb, von Kostenwahrheit, von einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft, während Sie der Exportwirtschaft eine Reihe von Unterstützungen entziehen.

Eigentlich zeigt das die ganze Ungeheuerlichkeit, wie die Politik hier läuft. Draußen reden Sie anders, als Sie hier abstimmen. Genau das müssen wir den Österreichern allmählich klarmachen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo ist die Verwaltungsreform? 22 Prozent der Beschäftigten in Österreich sind öffentlich Bedienstete. – Gut, wir haben einen zu hohen Anteil. 15 Prozent sind es in Deutschland, 12 Prozent in der Schweiz. Wir haben zwar kein Bautenministerium mehr, aber wir haben eine Bautensektion im Wirtschaftsministerium, die im wesentlichen unverändert ist. Warum geben wir nicht diese Kompetenzen den Ländern und schaffen das einmal ab?

Oder: Wir haben in Österreich keinen Bergbau mehr, aber wir haben Berghauptleute, und wir haben eine Berghauptmannsverwaltung in ganz Österreich. Diese Regierung entschließt sich nicht dazu, da einmal Ordnung zu machen. Es soll weiterhin so sein, daß ein paar intervenieren können, wenn sie eine Schottergrube brauchen, daß der Berghauptmann, der keine gewerberechtliche Regelung einhalten muß, im Wege der Intervention auch Schottergruben genehmigen kann. Das ist doch die Wirklichkeit, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Offiziell tritt diese Regierung gegen die Pragmatisierungen auf. Aber dieselbe Regierung schafft etwa im Wettbewerbsbereich der Universitäten pragmatisierte Universitätsassistenten durch ein Hochschullehrer-Dienstrechtsgesetz. Wenn ein Assistent nicht fähig ist, sich zu habilitieren und damit den Weg des Wissenschafters anzutreten, dann brauchen Sie ihn ja nicht zu pragmatisieren, sondern da müssen Sie Platz freimachen für Besserqualifizierte, damit die jungen Leute auch wirklich ordentlich unterrichtet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Finanzminister Klima! Sie reden von einer Verwaltungsvereinfachung. Gestern haben wir hier im Haus den Fall gehabt, daß das Kulturinstitut eine Sprach-GesmbH. ausgliedert, wo mehr Personal und zwei Direktoren notwendig sein werden, wodurch die Kosten um ein Drittel steigen werden. – Ist das Ihre Strukturveränderung, von der Sie den Österreichern in den letzten Wochen so viel erzählt haben?

Ich würde ganz gerne eine Antwort darauf haben, warum ständig mit Schlagworten irgend etwas propagiert wird, es in der täglichen Praxis aber dann doch ganz anders läuft.

Ich meine auch, meine Damen und Herren, daß man über folgendes nachdenken muß: Warum, Herr Finanzminister, läßt man eine Vernichtung der HTM zu? Die Gewinne der Austria Tabak bekommen Sie, wenn sie nicht verschwendet werden für das HTM-Debakel. 800 Millionen Schilling sind schon in die HTM geflossen, trotzdem gehört uns nichts mehr. Es steht vielmehr der Konkurs oder der Ausgleich vor der Tür. Das wäre eine Dividende für Sie gewesen, um das Budget zu finanzieren.

Oder: Staatsdruckerei. Es wird jetzt eine neue Offsetlinie in der Staatsdruckerei gebaut. Damit werden die Reserven der Staatsdruckerei, die immerhin zwischen 600 und 700 Millionen Schilling ausmachen, geplündert, diese werden dort investiert, damit 150 Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber in Wien werden durch das Zusperren der Institutionen der Staatsdruckerei 300 Arbeitsplätze beseitigt. – Was ist das für eine Wirtschaftspolitik? Ich verstehe nicht, warum Sie in diese Bereiche nicht hineinfahren.

Sie geben noch eine ERP-Förderung, und der Wiener Stadtrat Edlinger ist Vorsitzender des ERP-Fonds und schaut zu, wie in Wien 300 Arbeitsplätze vernichtet werden, damit an der Grenze zum Burgenland 150 neue Arbeitsplätze mit EU-Förderung entstehen können. Gleichzeitig werden die Reserven der Österreichischen Staatsdruckerei im Umfang von 600 bis 700 Millionen Schilling geplündert.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 16

Warum denken Sie nicht nach über Strukturänderungen bei öffentlichen Aufträgen? – Es tickt eine Zeitbombe, Herr Finanzminister, hinsichtlich der Flughafen-Betriebsgesellschaft in Wien. Diese hat in den letzten Jahren gebaut, als Sie noch Verkehrsminister waren und Ihre Beobachter und Vertreter auch im Aufsichtsrat gehabt haben. Sie wissen ganz genau, daß allein in den letzten Jahren statt 350 Millionen Schilling für das Bauprojekt der Flughafen-Betriebsgesellschaft eine Bausumme von über 780 Millionen Schilling entstanden ist. Sie wissen ganz genau, daß es vernichtende Gutachten der Prüfer darüber gibt, daß freihändig Hunderte Millionen Schilling vergeben worden sind – freihändig! –, daß es Unregelmäßigkeiten bei den Honorarabrechnungen der Architekten gibt, daß die Millionen wie auf einem Verschiebebahnhof hin- und hergeschoben worden sind. Wie können Sie denn das verantworten?

Ihr eigener Experte und Steuerfachmann, der das Belastungspaket entwickelt hat, Herr Dr. Nolz, ist Aufsichtsratschef dieser Flughafen-Betriebsgesellschaft. Dort hat er nicht die Möglichkeit, Ordnung zu machen, aber wenn er als Aufsichtsratspräsident dort Hunderte Millionen Schilling verschwinden läßt, dann zieht er hier die Steuerschraube an, und die Österreicher müssen wieder die Ausfallshaftung übernehmen. So wird das nicht funktionieren, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Bundesimmobiliengesellschaft: Jetzt haben wir eine Bundesimmobiliengesellschaft, daneben noch eine Bundesgebäudeverwaltung I und eine Bundesgebäudeverwaltung II. Erklären Sie mir, wo da die Verwaltungsreform liegt! (Abg. Mag. Stadler: Das ist so wie beim Sprachkurs!) Ganz abgesehen davon glaube ich, daß diese Bundesimmobiliengesellschaft nur dafür da ist, um den Baufirmen im Eigentum der staatlichen Banken die Aufträge zuzuschanzen.

3 Milliarden Schilling sind jetzt von der BIG ausgeschrieben – das wissen Sie alle –, aber solche Aufträge kann man nur bekommen, wenn man eine Finanzierung für 15 Jahre anbietet. Wer kann denn das machen? Kann das der mittelständische Bauunternehmer machen? (Vizekanzler Dr. Schüssel: Ja, sicher!) Sie sagen: Ja, sicher. Reden Sie einmal mit den Mittelständlern! Wagen Sie sich aus Ihrem Elfenbeinturm heraus, Herr Dr. Schüssel! Sie waren noch keinen Tag in der Wirtschaft tätig, aber reden Sie wenigstens mit einem, der dort kämpfen muß, dann werden Sie verstehen, wie die Dinge funktionieren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Tichy-Schreder: Also bitte! Waren Sie, Herr Dr. Haider?)

15 Jahre vorfinanzieren bei Bauprojekten, die Hunderte Millionen Schilling ausmachen, das können die bankeneigenen Baufirmen natürlich besser als der kleine Private, der kein so gutes Standing bei der Bank hat. Da werden dann eben die Universale für die CA und Porr für die Bank Austria und vielleicht Herr Haselsteiner noch ein bißchen für die GiroCredit ihre Möglichkeiten wahrnehmen, aber damit hat es sich schon. Wenn es das Ziel der Regierung ist, jene öffentlichen Aufträge, die noch vorhanden sind, so zu disponieren, daß die bankeneigenen Baufirmen auf Kosten des Ruins der mittelständischen gewerblichen Unternehmen in Österreich saniert werden, dann werden Sie unseren erbitterten Widerstand vorfinden. Da werden wir nicht mitmachen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu erwarte ich mir Aussagen des Herrn Wirtschaftsministers, der sich ja auf diese Weise nicht zum Anwalt der mittelständischen Wirtschaft macht, sondern zum Leichtmatrosen auf dem lecken Schiff der Staatsbanken wird und damit Dienste leistet, die für die Gesamtentwicklung nicht gut sind.

Meine Damen und Herren! Warum haben Sie denn in der Frage des Privilegienabbaus bisher nicht gehandelt? Der "Standard" zitierte gestern die Nationalbank, die Bundeskammer, die Arbeiterkammer, alle sagen: Wir werden uns um den Privilegienabbau nicht kümmern, wir sind ja autonom. – Aber in der Regierungserklärung und im Koalitionsabkommen wird so getan, als könnte man da noch etwas bewegen.

Meine Damen und Herren! Sie werden die Österreicher enttäuschen, wenn sie lesen müssen, daß das Mittagessen des Generaldirektors der Oesterreichischen Nationalbank, der 3 Millionen Schilling, 4 Millionen Schilling, 5 Millionen Schilling im Jahr verdient, mit 100 S subventioniert wird, daß die Herrschaften, die Millionengehälter nach Hause tragen, um 17 S pro Quadratmeter


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 17

in den Gunstlagen der Stadt Wien Dienstwohnungen zur Verfügung gestellt bekommen (Abg. Mag. Stadler: Unglaublich!), während jeder kleine Arbeitnehmer in dieser Republik, vor allem in Wien, unter 70 S pro Quadratmeter keine Wohnung mehr bekommt. Meine Damen und Herren, wo ist denn in diesem Bereich Ihr Ordnung-Machen, das Sie so propagiert haben?

Sie sind viel schneller, wenn es darum geht, bei den Kleinen und den Schwachen anzusetzen. Bei der Nationalbank bleibt alles beim alten, in den Kammern bleibt alles beim alten, über Politikerprivilegien reden wir erst nächstes Jahr – aber für jene Behinderten, die in Heimpflege sind, haben Sie das Taschengeld sofort auf 550 S pro Monat zusammengestrichen. Können Sie sich nicht vorstellen, daß man um 550 S nicht sehr viel Gewand kaufen kann, nicht sehr viel Schuhwerk kaufen kann, sich nicht sehr viel Freizeitvergnügen leisten kann? Auch Behinderte sind Menschen, die ein Recht darauf haben, ihre Freizeit gestalten zu können. (Abg. Reitsamer: Keine Ahnung!)

Sie schütteln den Kopf, weil Sie noch nie in einem Heim waren und nicht wissen, wie es einem jungen Menschen geht, der einen Autounfall gehabt hat und dann auf einmal mit 550 S Taschengeld im Monat leben soll. Darüber sollten Sie einmal nachdenken, meine Damen und Herren (Beifall bei den Freiheitlichen), auch über die Tatsache, daß man den Freibetrag für Behinderte auch noch wegstreicht, und die Tatsache, daß im Nationalfonds für die Behinderten nur mehr 1 000 S als Erinnerungspost angesetzt sind. Das zeigt die wirkliche soziale Gesinnung dieser Regierung.

Das ist eine Voodoo-Politik, die da gemacht wird, Voodoo-Zauber des Herrn Bundeskanzlers: visionslos, ideenlos und zukunftsfeindlich.

Ich sage Ihnen: Es gibt viel bessere Alternativen. Warum gehen Sie nicht den Weg, durch degressive Transferzahlungen, durch einen schlanken, leistungsfähigen Staat, durch eine Senkung der Arbeitskosten die Rahmenbedingungen so zu verändern, daß sich in diesem Land wieder etwas zum Besseren bewegt? – Sie haben ja ein schlechtes Gewissen, denn von all den Maßnahmen, die in den letzten Tagen diskutiert worden sind, haben sich ja schon viele verabschiedet.

Frau Ministerin Konrad etwa: Sie stimmt zwar in der Regierung für das Belastungspaket, geht aber dann zu den Demonstranten und sagt, sie sei sowieso dagegen. Das heißt, sie demonstriert gegen sich selbst, gegen das, was sie selbst beschlossen hat. Sie hätte nur dagegen stimmen müssen! (Abg. Mag. Stadler: Sie hat aber gesagt, dann hätte sie zurücktreten müssen!) Es gibt in der Regierung keinen Beschluß, der nicht einstimmig gefaßt werden muß. Aber dann hätte sie zurücktreten müssen und ihr "Posterl" verloren. Das ist anscheinend noch immer der Sicherungsanker für den Gewissenswurm, Frau Kollegin! (Zwischenruf der Abg. Silhavy .) Ich bitte Sie, mir das schriftlich zu geben, denn der Geschwindigkeit Ihrer Sprache kann ich nicht folgen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Österreichischen Gewerkschaftsbund: Der Österreichische Gewerkschaftsbund, meine Damen und Herren, hat diesen Belastungsmaßnahmen zugestimmt – aber gleichzeitig gehen die Damen demonstrieren. Die Frauenchefin der Gewerkschaft sagt: Das ist ein unsoziales, nicht ausgewogenes Paket! Und in Tirol protestiert die Arbeiterkammer dagegen.

Herr Bürgermeister Häupl ist überhaupt der Beste: Er sitzt im Verhandlungskomitee, stimmt allem zu, aber draußen protestiert er dann gegen sich selbst! (Abg. Haigermoser: Der Maderthaner auch!) Beispiel: 5. Februar 1996: Häupl stimmt im SPÖ-Präsidium den Belastungsmaßnahmen zu. 6. Februar 1996: Häupl erklärt in Wien: Wien stimmt den Belastungen zu! 7. 2. 1996: Erster Widerstand gegen das Sparpaket. Häupl sagt an die Adresse der Bundesgenossen: Ihr werdet mich kennenlernen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) 8. 2. 1996: Häupl stimmt im SPÖ-Vorstand wieder den Belastungen zu. Donnerstag, 2. Februar 1996: Häupl hat mit Karenzregelung keine Freude; Sparpaket nicht ausgewogen. – Also da kenne sich noch einer aus! Da ist wirklich die Frage: Wer ist stärker, ich oder ich? (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 18

Meine Damen und Herren! Wir haben das Gefühl, daß der Herr Bundeskanzler ein bißchen die Rolle des Münchhausen spielt: Vor der Wahl verspricht er den Leuten etwas, von dem er weiß, daß er es gar nicht halten kann.

Baron Münchhausen sitzt heute in der Bundesregierung, erklärt uns, daß uns der EU-Beitritt 1 000 S pro Monat aufgrund entsprechender Verbilligungen ersparen wird – es funktioniert nicht.

Herr Münchhausen-Vranitzky erklärt, daß die Frauenrechte nicht angetastet werden dürfen – und reduziert dann die Karenzzeit und die Kindergartenmilliarde, verschlechtert die Alleinerhaltersituation. (Abg. Parnigoni: Lustiger Witz!)

Herr Münchhausen-Vranitzky erklärt, daß es keine Pensionskürzungen gibt – die "Krone" titelte gestern: "Auch die Pensionen werden durch Ruhensbestimmungen erfaßt" – und vieles andere mehr.

Münchhausen-Vranitzky sagt: Pensionen sichert man am besten mit Arbeitsplätzen! – Aber er hat die höchste Arbeitslosigkeit zu verantworten, die wir in den letzten 35 Jahren in Österreich hatten.

Münchhausen-Vranitzky erklärt uns in Flugblättern, daß eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ein Anschlag auf die Überstundenzuschläge der Mitarbeiter wäre, das läßt er uns im Wahlprogramm der SPÖ ausrichten. Jetzt redet er auf einmal über Flexibilisierung. Plötzlich kann sich auch Herr Sallmutter die Streichung der Überstunden vorstellen. Jetzt kann sich plötzlich auch der ÖGB vorstellen, daß die tägliche Arbeitszeit nicht acht, sondern zehn, zwölf, dreizehn Stunden beträgt.

Was Sie vor der Wahl versprochen haben, ist Schall und Rauch! Sie haben gesagt: Wir müssen dagegen auftreten, daß diese Maßnahmen gesetzt werden, damit die Schüssel-Partei und die Haider-Partie nicht all diese fürchterlichen Dinge machen! Jetzt produziert sie Münchhausen-Vranitzky selbst.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Ja. – Meine Damen und Herren! Ich möchte daher sagen: Mit dieser Regierungserklärung hat Münchhausen wieder ein weiteres Kapitel geschrieben. Die ÖVP ist zum Zopf dieses Münchhausen geworden; sie ist die Perücke am schmucklosen Haupt der Sozialdemokratie, die mitspielt bei all diesen Dingen (Abg. Dr. Khol: Die Redezeit ist beendet!), die hier ja sagt zu jenen Maßnahmen, die die heimische Wirtschaft belasten, die die Fleißigen in die Knie zwingen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit ist beendet, Kollege!

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Das wird letztlich dazu beitragen, daß Österreich keine geordnete Zukunft finden wird. Daher ist es Zeit, daß diese Regierung ihren Kurs ändert – oder die Österreicher werden ihr eine empfindliche Absage erteilen. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Kostelka. Er hat das Wort.

9.52

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! – Herr Abgeordneter Haider! Ihre Reden geben selten wirklich Grund, sich damit auseinanderzusetzen. (Abg. Mag. Stadler: Das schafft er nicht! – Abg. Haigermoser: So ein Schwachmatiker!) Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, daß ich mir das heute erspare, denn ein Aufguß – nicht einmal der erste, sondern der 432. – von Wahlkampfaussagen gibt am Beginn einer vierjährigen Legislaturperiode wirklich nicht Grund, sich damit auseinanderzusetzen. Der einzige Akt der Phantasie, den Sie aufgebracht haben, war, daß Sie in der Schlußphase Ihres Debattenbeitrags in der Literatur Ihrer Jugendzeit – einmal mehr mit dem ausschließlichen und einzigen Ziel, zu beleidigen – gekramt haben.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 19

Herr Dr. Haider! Lassen Sie sich eines gesagt sein: Um die Politik dieser Republik mitzugestalten, bedarf es ein bißchen mehr, als Kindermärchen zu erzählen. Sie müssen sich endlich einmal Alternativen überlegen und nicht nur billige Kritik aus dem Wahlkampf anbringen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das umso mehr, als die Entscheidung, die die Österreicher am 17. Dezember getroffen haben, eine sehr weitreichende war, eine, mit der grundsätzliche Weichenstellungen für die Zukunft der Republik erfolgt sind. Es ist bei dieser Entscheidung nur vordergründig um das Budget 1996 gegangen. In Wirklichkeit wurde nicht abgestimmt, ob in unserer Republik, sondern wie gespart werden soll. Die SPÖ hat sich von Anbeginn nachhaltig zur Sparpolitik bekannt. Wir waren der Meinung, daß das, was wir brauchen, eine Änderung der Ausgabenpolitik ist, aber nicht eine Änderung des sozialen Grundkonsenses unseres Landes. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind für die Budgetsanierung, weil wir Sozialdemokraten Interesse an einem finanziell gesunden und starken Staat haben. Nur ein finanziell gesunder und starker Staat wird in der Lage sein, dem einzelnen jenen Schutz zu bieten, den er braucht, um dann über die Runden zu kommen, wenn er sich aus eigenem nicht mehr helfen kann – wenn er krank wird, wenn er die Arbeit verliert, wenn er behindert ist, wenn er vom aktiven Berufsleben in die Pension wechselt. Es ist unser Verständnis eines Staates, daß dieser dann dem einzelnen zur Seite steht und hilft, und dazu bedarf es einer guten finanziellen Ausstattung.

Nicht irgendwelche abstrakten Währungsunionskriterien von Maastricht sind für uns ausschlaggebend, sondern die Aufrechterhaltung des Sozialstaates. Und Handlungsbedarf hat bestanden, weil wir von 1992 bis 1994 wirtschaftliche Einbrüche zu verzeichnen hatten und – auch das muß man hinzufügen – weil wir soziale Maßnahmen in einem Ausmaß wie kaum je zuvor gesetzt haben, in Erwartung einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung: Familienförderung, Pflegevorsorge und zweites Karenzurlaubsjahr. All das waren richtungweisende zusätzliche Sozialmaßnahmen, für die wir die finanzielle Basis nicht ausreichend vorgefunden haben. Es war daher nicht eine Rücknahme, nicht ein Abbau des Sozialstaates angesagt, sondern notwendige Korrekturen zu seiner Aufrechterhaltung.

Unsere Meinung war und ist – wir haben sie im Wahlkampf in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht –: Ja zum Sparen und nein zum Systemwechsel. Die Sozialdemokratie steht für den Sozialstaat und nicht für einen Wohlfahrtsstaat, so wie Sie ihn heute ausdrücklich erklärt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Um diese Voraussetzungen zu schaffen, treten wir für eine Sparpolitik ein, die von jedem annähernd gleiche Opfer verlangt, was bedeutet, daß die Beträge, die jeder einzelne beizutragen hat, sehr unterschiedlich sein müssen. Diejenigen, die mehr verdienen, die ein höheres Einkommen haben, sollen entsprechend ihrem Einkommen einen höheren Beitrag leisten, die sozial Schwachen sind weitgehend zu schonen. Diese Frage ist der Wahlentscheidung vom 17. Dezember zugrunde gelegen.

Es war eine Richtungsentscheidung. Eine Entscheidung, mit der die Österreicherinnen und Österreicher aber auch keinen Zweifel offengelassen haben: Sie haben die Sozialdemokratische Partei mit großem zusätzlichen Vertrauen ausgestattet. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben darüber hinaus die Österreichische Volkspartei in ihrer Stärke im wesentlichen bestätigt. (Abg. Dr. Khol: Gestärkt!) Sie haben aber den Führungsanspruch, den die Österreichische Volkspartei im Zuge dieses Wahlkampfes angemeldet hat, der der eigentliche Grund dieser Wahlen war, klar zurückgewiesen. Was die Österreicherinnen und Österreicher wollten und wollen, ist eine Zusammenarbeit unter Führung der Sozialdemokratischen Partei und deren Zielsetzungen. (Abg. Haigermoser: Die ÖVP klatscht nicht!)

Aufgrund der Pointiertheit des Wahlkampfes läßt sich aus dem Wahlergebnis auch eine Interpretation der Wählerentscheidung inhaltlicher Natur gewinnen. Die Wähler haben mit ihrem Wahlverhalten ja gesagt zu einem Sozialstaat, und zwar zu einem österreichischen Sozialstaat, dessen Wesen eben gerade darin besteht, nicht nur in Zeiten der Hochkonjunktur bereitzu


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 20

stehen, sondern unabhängig von der wirtschaftlichen Situation – bei aller Notwendigkeit seiner finanziellen Sicherung – dem einzelnen zur Verfügung zu stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dieser Sozialstaat ist letztendlich der Grund dafür, daß die Österreicherinnen und Österreicher mit überwiegender Mehrheit so positiv zu ihrem Land stehen. Sie lieben es auch wegen seiner landschaftlichen Schönheit, aber vor allem, weil es ein guter Platz zum Leben ist. Und ein guter Platz zum Leben ist es vor allem deswegen, weil sie hier soziale Sicherheit vorfinden und nicht den Unbilden des Schicksals gnadenlos ausgeliefert sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher noch einmal: Sparen ja, aber das Sozialsystem erhalten. Korrekturen ja, aber ausgewogen, je nach sozialer Schichtung, dazu beitragen.

Die Österreicher haben uns aber am 17. Dezember noch einen höheren, weiteren Auftrag erteilt, nämlich den Auftrag, entsprechend dem gesellschaftlichen Wandel in unserem Lande auch die notwendigen Reformen mit Konsequenz anzugehen und umzusetzen. Und letztendlich haben sie uns beauftragt, Zusammenarbeit auf breiter Basis zu üben. Das Wahlergebnis war eine Absage an taktische Manöver, an Wahlen und Wahltermine.

Diesen Ansprüchen, meine Damen und Herren, wird das Arbeitsübereinkommen gerecht. Im Vordergrund – aber man sollte es nicht alleine sehen – steht ein Konsolidierungspaket von 100 Milliarden Schilling. Diese 100 Milliarden Schilling werden im Rahmen der Forderungen der Sozialdemokratie nach einer sozial ausgewogenen, gerecht gestaffelten Zuordnung der Beiträge des einzelnen Österreichers aufgebracht. Das war es ja, was wir bei den Verhandlungen in der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober 1995 gefordert haben: daß diejenigen, die es sich leisten können, auch entsprechende Beiträge dazu zu leisten haben. Nennen Sie es Solidarabgabe, nennen Sie es anders, beispielsweise Streichung von Sonderausgaben – der Gedanke, daß bei Einkommen über 700 000 S und darüber in besonderem Maße zur Konsolidierung des Budgets beizutragen ist, ist verwirklicht. Und das ist einer der Gründe, warum ich vorbehaltlos zu diesem Arbeitsübereinkommen ja sage. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gibt in diesem Arbeitsübereinkommen die vor den Wahlen verlangten tiefen Schnitte in das Leistungsrecht nicht, weil es unserer Auffassung von Sozialstaat nicht entspricht, die Schwächsten dieser Gesellschaft dann alleine zu lassen, wenn sie die Hilfe der Gemeinschaft am meisten brauchen. Und daher gibt es auch keine Reduktion und keine Abschläge von bestehenden Pensionen. Es gibt kein generelles zehn und mehr Prozent umfassendes Absenken der Arbeitslosenunterstützung. Es gibt keinen Selbstbehalt bei Arztbesuchen, und es gibt keine Sanierung, die ausschließlich ausgabenseitig erfolgt.

Die Grundlinie dieses Maßnahmenpakets zur Budgetkonsolidierung trägt unsere Handschrift, und das ist ein Grund, warum wir diesem Programm auch unsere Zustimmung geben und es mit tragen werden.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist aber auch darauf hinzuweisen, daß wir vor den Wahlen erklärt haben, wir bekennen uns zum Sparen, warum wir gesagt haben, der Spargedanke hat im Vordergrund der Budgetsanierung zu stehen, aber ergänzende Einnahmen werden notwendig sein.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Sie kennen, so hoffe ich, dieses Paket, und ich bitte Sie, es nach eingehender Lektüre mit uns zu diskutieren.

Lassen Sie mich aber auch einige Worte zu der Diskussionskultur sagen, und zwar deswegen, weil ich in den letzten Tagen wiederholt merke – das, was Dr. Haider gesagt hat, hat ja diesem Beispiel in Reinkultur entsprochen –, daß die Diskussionen über das Budget und über die Budgetkonsolidierungsmaßnahmen abgleiten in einen Lobbyismus: Jede Fraktion dieses Hauses nimmt sich irgendeiner Gruppierung, die sich durch dieses Maßnahmenpaket belastet fühlt, an, unterstützt deren Forderungen und trägt sie mit.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 21

Meine Damen und Herren! Wenn wir diesen Weg gemeinsam – alle zusammen – weitergehen, dann ist das klare Ergebnis, daß wir das Ziel, das vor den Wahlen alle von Ihnen akzeptiert haben – alle! –, aus den Augen verlieren. Dann geht es nämlich nur mehr darum, daß man gegen Einzelmaßnahmen diskutiert, aber die Gesamtsanierung, die Ihnen ja angeblich auch so am Herzen liegt, dabei bewußt außer acht läßt.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Was ich einfordere, ist schlicht und einfach ein nationaler Konsens, ein nationaler Konsens über die Gemeinsamkeit des Sparziels. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kritisieren Sie Einzelmaßnahmen! Das ist nicht nur Ihr Recht, das ist sicherlich als Opposition auch Ihre Pflicht. Tun Sie es! Aber dann seien Sie sich bitte auch bewußt, daß wir von Ihnen Alternativvorschläge werden einfordern müssen, wie denn die Sanierung sonst herbeigeführt werden soll.

Tragen Sie bei zu dieser Sanierung! Tun Sie es nicht, dann müssen Sie sich schon bewußt sein, daß das, was Sie tun, sehr leicht die Etikettierung des Lobbyismus erfährt, und ich glaube, das ist etwas, was wir uns alle nicht verdient haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es wird in den mir zur Verfügung stehenden Minuten nicht möglich sein, alle Maßnahmen durchzugehen. Lassen Sie mich daher zwei oder drei exemplarisch darstellen.

Es stimmt – und das schmerzt uns alle, das schmerzt meine Fraktion zutiefst –, daß wir vor wenigen Jahren das zweite Karenzurlaubsjahr eingeführt haben und nun erkennen müssen, daß wir die Finanzierung einfach nicht leisten können. Wir müssen jenes zweite Karenzurlaubsjahr, das wir als zweiter Staat Europas eingeführt haben, zur Hälfte, nämlich im Umfang eines halben Jahres, zumindest den Frauen gegenüber zurücknehmen.

Fürs erste tun wir dies in einer emanzipatorisch durchaus positiven Weise, nämlich in der Form, daß wir einen Anreiz schaffen, damit auch die Männer ihren Verpflichtungen bei der Kindererziehung nachkommen. Aber, meine Damen und Herren, das ist es ja nicht, worin sich der Umgang der Bundesregierung und des Parlaments mit den Frauen dieses Landes erschöpft. Es wäre im höchsten Maße unfair, wenn Sie die ganze Fülle von sonstigen Maßnahmen nicht sehen würden. 600 Millionen Schilling für Kinderbetreuungseinrichtungen kommen allein aus dem Budget, und das in einem Jahr, in dem Budgetkonsolidierung angesagt ist. Weil die Maßnahmen so wichtig sind, sagt der Bund nicht: Das geht mich nichts an, das ist Angelegenheit der Länder und der Gemeinden!, sondern, ganz im Gegenteil, er greift in seine Taschen, und trotz Budgetkonsolidierung werden 600 Millionen Schilling lockergemacht, um die Frauen nicht alleine zu lassen. Und dazu kommen noch 350 Millionen Schilling aus Mitteln der EU und aus Sozialtöpfen. (Beifall bei der SPÖ.) Die eine Milliarde für die Kinderbetreuungseinrichtungen ist trotz Budgetnot sichergestellt!

Wir schaffen Rechtsgrundlagen für die Teilzeitarbeit, eine wichtige Frage für Frauen. Wir leisten Wiedereinstiegshilfen für die Frauen, um nach der Karenzzeit wieder in das Berufsleben hineingleiten zu können. Wir werden Initiativen setzen, um weibliche Berufe, die bisher von den Frauen nicht so angenommen wurden, in stärkerem Maße propagieren zu können, um eine gewisse Diversifikation, eine größere Selbstverwirklichung für die Frau im Beruf sicherstellen zu können.

Wir werden die Telearbeit rechtlich regeln, um jenen, die zu Hause arbeiten – und das sind in vielen Fällen Frauen –, eine sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung zu gewährleisten. Wir werden das Gleichbehandlungsgesetz novellieren und ausbauen, und wir werden die Frauenservicestellen und die Beratungen intensivieren, meine Damen und Herren.

Das ist insgesamt als Paket alles andere als ein Programm "Frauen, zurück an den Herd!". Ganz im Gegenteil. Das ist eine offensive Maßnahme für die Frauen und im Interesse der Frauen unseres Landes. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 22

Die Studierenden dieses Landes müssen schlicht und einfach zur Kenntnis nehmen, daß wir zwar die Familienbeihilfe an den Studienerfolg binden und daß wir die Heimfreifahrten streichen bei ähnlichen Vergünstigungen der ÖBB, daß wir aber auf der anderen Seite denjenigen, die dies aus sozialen Gründen tatsächlich benötigen, entsprechende Hilfen in der Studienförderung geben.

Eines sollten Sie auch nicht übersehen – und diesbezüglich ist Österreich ein Einzelfall in ganz Europa –: Wir erhalten den Anspruch des freien Zugangs zu den Universitäten nach wie vor aufrecht. Das müssen Sie doch sehen, meine Damen und Herren! Diese Maßnahme – Bindung der Familienbeihilfe an den Studienerfolg – ändert nichts daran, daß Österreich in der Familienförderung auch in Zukunft um 80 Prozent über dem EU-Durchschnitt liegt. Wir bauen den Sozialstaat nicht ab, ganz im Gegenteil, wir sichern ihn auch für die Zukunft. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt auch keinen Sozialabbau. Werkverträge werden in die Sozialversicherungspflicht einbezogen, und zwar deswegen, um auf diese Art und Weise die Flucht aus dem Arbeitsrecht zu unterbinden. Telearbeit und Teilzeitarbeit werden neu, zeitgemäßer geregelt. Es findet Arbeitszeitflexibilisierung unter Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer statt. Die Mißbrauchsbekämpfung der illegalen Arbeit kann endlich stattfinden, weil wir anständige Strafbestimmungen und auch Kontrollen bekommen.

Schritte zur Angleichung von Angestellten- und Arbeiterrechten werden gesetzt werden, und darüber hinaus – und das ist uns Sozialdemokraten am wichtigsten – werden trotz Sparens durch Initiativen der öffentlichen Hand Arbeitsplätze gesichert und neue Arbeitsplätze geschaffen. Dieser Staat unter sozialdemokratischer Führung zieht sich nicht zurück vom Arbeitsmarkt, sondern nimmt seine Aufgabe wahr, Wirtschaftsförderung zur Schaffung von Arbeit zu betreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie fordern mit Recht Reformen ein, meine Damen und Herren, Reformen, die es geben wird. Es wird Verwaltungsreformen und Reformen des gesamten öffentlichen Dienstes geben, eine Verfahrenskonzentration, sodaß es eben nicht mehr passieren kann, daß zuerst eine Behörde kommt, um ein Wasserrechtsverfahren durchzuführen, und drei Tage später die nächste, um ein Fischereirechtsverfahren durchzuführen – und im Glücksfall kommen sie beide zum selben Ergebnis. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Wir werden darüber hinaus die Einhebung eines gerechten Entgeltes für die Benützung öffentlicher Wege in die Tat umsetzen, nicht nur – das sei zugegeben – um die entsprechenden Beträge hereinzubekommen, um die Autobahnlücken schließen zu können, sondern vor allem, meine Damen und Herren, um eine Kostengerechtigkeit zwischen Bahn und Straße herzustellen. Es wird einen neuen Konsultationsmechanismus, einen neuen Umgang zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in finanziellen Angelegenheiten geben, der dazu führen wird, daß wir uns nicht mehr gegenseitig am Sparen hindern, sondern ganz im Gegenteil dabei unterstützen.

Meine Damen und Herren! Es ist eine solide, eine gute Grundlage für eine Zusammenarbeit, eine Zusammenarbeit, die endlich auch außer Streit stellt, daß bei zwei wichtigen offensichtlichen Gewissensentscheidungen eine freie Entscheidung dieses Hauses möglich sein wird, nämlich in Fragen der Homosexualität und ihrer Strafbarkeit und der leidigen, in der Vergangenheit nicht zur Entscheidung gebrachten Frage, ob die Promillegrenze von 0,8 auf 0,5 Promille herabgesetzt werden kann. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist Entscheidung dieses Hauses in aller Freiheit, und das ist koalitionsfreier Raum, aber darüber hinaus werden die beiden Fraktionen dieses Hauses zusammenzuarbeiten haben, und das ist auch gut so! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Auch in der Frage der Neutralität trägt dieses Arbeitsübereinkommen letztendlich sozialdemokratische Handschrift. Wir entziehen uns nicht einer Initiative, einer verantwortungsvollen Mitarbeit am Ausbau eines europäischen Sicherheitssystems vom Ural bis zum Atlantik – ganz im Gegenteil! –, aber die Österreicherinnen und Österreicher haben Anspruch darauf, zu wissen, welche Entscheidungen Österreich mitträgt, und daher kommt für uns ein Vorratsbeschluß schlicht und einfach nicht in Frage. Es mag sein, daß wir in Zukunft im


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 23

Rahmen eines größeren Sicherheitssystems auch unsere innerösterreichischen Sicherheitsvorkehrungen neu zu überdenken und zur Disposition zu stellen haben, dies aber erst dann, wenn die zukünftige Entwicklung in Europa absehbar und erkennbar ist. Daher bleibt das Neutralitätsgesetz als völkerrechtliche Verpflichtung in Österreich weiterhin in Kraft. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das Arbeitsübereinkommen ist eine ideenreiche, eine mutige, eine initiative, eine soziale und eine reformenreiche Basis für die Zusammenarbeit. Ich lade Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ein, mitzuarbeiten. Dazu wird es ein bißchen mehr als eines Aufgusses von Wahlkampfreden bedürfen – Sie werden in uns offene und bereite Gesprächspartner finden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Unter Geschrei werden Flugblätter von der Galerie in den Saal geworfen.)

10.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Heide Schmidt zu Wort. Ihre Redezeit beträgt maximal 40 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Parnigoni: Der letzte Anhänger vom Haider! – Abg. Mag. Stadler: Sie haben aber einen Zynismus gegenüber Behinderten!)

10.16

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich habe dem Kollegen Kostelka aufmerksam zugehört, insbesondere am Schluß. Wovon haben Sie gesprochen, Herr Kollege Kostelka? – Sie haben von "ideenreich", "mutig", "reformreich" gesprochen. – Das ist aber wirklich nicht sehr ernst zu nehmen. Das können Sie selber nicht ernst meinen, das darf nicht wahr sein.

Ich verstehe ja, daß innerhalb dieser Koalition darüber diskutiert und "gerittert" wird, wer sich denn mehr durchgesetzt hat. Ich finde es auch bemerkenswert, daß Sie sich hier auf eine "Zauberformel" geeinigt haben, die der Herr Bundeskanzler unter anderem gestern in der Regierungserklärung formuliert hat, indem er nämlich staatstragend gesagt hat: "Unser Land Österreich hat gewonnen!" – Ich glaube das nicht. Ich glaube vielmehr, daß gewonnen haben Realitätsverweigerung, Inkonsequenz, Reformunfähigkeit und damit Politikunfähigkeit.

Ich verstehe es, wenn die Redakteurin Anneliese Rohrer in der "Presse" schreibt, daß diese Koalition eine Verwaltungskoalition und keine Gestaltungskoalition ist. – Und das ist das Übel daran – genauso ist es! Es gibt nämlich in Österreich nicht nur Gutes zu verwalten, und Sie haben sich vor allem darauf spezialisiert, Besitzstände zu verwalten, vor allem solche, in denen man in erster Linie politischen Einfluß geltend machen kann, Strukturen zu verwalten, die nicht nur der Bevormundung des einzelnen dienen, sondern die vor allem einen Bürokratieapparat notwendig machen, der inzwischen unfinanzierbar geworden ist. Es handelt sich vor allem um Strukturen, die eine "Vollkasko-Mentalität" in unserer Bevölkerung festmachen und fördern, die jede Eigenverantwortung zurückdrängt und den Gedanken an Eigenverantwortung schon als ein Schreckgespenst erscheinen läßt.

Es wäre daher notwendig gewesen, umzudenken und umzugestalten.

Wenn jetzt dauernd davon geredet wird, wie hoch doch die Akzeptanz für dieses Sparpaket wäre, dann glaube ich, daß das ein Mißverständnis ist. Ich glaube, die Akzeptanz der Bevölkerung ist einfach für dieses Umdenken da. Die Akzeptanz ist dafür da, daß sich etwas ändern muß, und zwar ins Positive. Und Sie haben diese Grundstimmung nicht dazu genutzt, endlich jene Reformen anzugehen, die notwendig sind und die möglicherweise deswegen dem einen oder anderen weh tun, weil man sich eben von Altgewohntem trennen muß, sondern Sie haben sie zu einem einzigen genutzt, nämlich zu einem kurzfristigen Sparerfolg – das will ich Ihnen durchaus zugestehen. Sie haben diese Akzeptanz dazu genutzt, jetzt Belastungen einerseits und Kürzungen andererseits durchzuführen, und das alles mit der augenblicklichen Situation des Staatshaushaltes begründet, ohne jene Maßnahmen zu setzen, die uns eine ähnliche Diskussion für die Zukunft ersparen würden. Darauf wäre es angekommen, und das hätte Politikfähigkeit bedeutet! (Beifall beim Liberalen Forum.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 24

Ich habe gestern bei der Regierungserklärung genau zugehört und sie dann noch einmal nachgelesen und muß sagen: Es ist für ein Parlament eine derart dichte Ansammlung von schönen Worten, von völlig nebulosen Absichtserklärungen, dann aber von jenen Wegen, die zu diesen Zielen führen sollen, entweder gar nichts oder aber sogar gegenteilige Maßnahmen zu lesen oder aus den Begleitgesetzen zu kennen, fast eine Beleidigung. Offensichtlich geht man davon aus, daß sich das keiner anhört, daß keiner mitdenkt und sich keiner das anschaut. Ich habe das ja noch wohlwollend als "nicht ernst genommen" eingestuft, aber es ist eigentlich mehr: Es ist wirklich eine Beleidigung, als würde man zu dumm sein, zu begreifen, daß all das, was Sie uns hier ankündigen, nicht drinsteht.

Sie sagen großartig – das ist Ihr Zugang; das zeigt die Geisteshaltung, die dahinter steht –, als wäre das jetzt eine neue Erkenntnis: Der Staat ist nicht mehr für alle und alles zuständig und verantwortlich.

Dazu muß ich folgendes sagen: Der Staat war nie für alles zuständig und verantwortlich, nur: Sie haben ihn immer dafür eingesetzt. Aber eines sollte er auch in Zukunft noch sein: für alle zuständig.

Sie sagen, er sei jetzt nicht mehr für alles zuständig und verantwortlich – das ist eine der Grundwahrheiten, das muß ich zugeben, eine Wortfolge, in die Sie sich haben hineinfallen lassen, in die Sie möglicherweise hineingestolpert sind, die aber auch offenlegt, daß Sie sich wirklich nicht mehr für alle Menschen zuständig fühlen; und so sehen insbesondere auch die Begleitgesetze aus, die wir in den nächsten Wochen zu beraten haben.

Daß Sie sich nicht mehr für alle zuständig fühlen, wissen wir schon seit einiger Zeit – ich werde noch darauf zurückkommen. Sie unterscheiden nämlich zwischen jenen, die sozusagen einen höheren Marktwert in unserer Gesellschaft haben, und jenen, die keinen haben, vielleicht auch zwischen jenen, die Ihre Wählerklientel sind, und jenen, die nicht Ihre Wählerklientel sind.

Sie reden auch davon, daß man eine Beschäftigungsoffensive starten und den Ausbau des Wirtschaftsstandortes Österreich vorantreiben wird. Das klingt sehr schön, aber was machen Sie tatsächlich? – Sie sagen, daß man Unternehmensgründungen erleichtern wird. Sie sagen – Sie haben es mit den Wortspielen –, daß es doch wirklich unglaublich ist, wenn es so weit kommt, daß, wenn das Verfahren so lange dauert, es sich ein Jungunternehmer zum Beispiel schließlich überlegt und sich statt einer Werkstatt ein Wertpapier kauft. Das klingt schön; ich glaube schon, daß Ihnen das gefallen hat, nur: Dieses Kopfnicken für die Zustandsbeschreibung, vielleicht auch der Applaus als Zustimmung für die Zustandsbeschreibung brauchen Sie nicht froh zu machen, denn wesentlich ist, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen.

Die Konsequenzen, die Sie ziehen werden, bedeuten nicht, daß es in Zukunft eine Erleichterung geben wird. Das Gegenteil ist der Fall! Sie sagen, Sie würden eine Liberalisierung der Gewerbeordnung als Instrumentarium dafür verwenden. Es liegt offenbar das, was Sie darunter verstehen, bereits im Hause. Es war schon die letzte Novelle unter dem damaligen Wirtschaftsminister Schüssel alles andere als eine Reform – er verkauft sie bis heute als solche. Die jetzige Vorlage ist eine Nachjustierung jener Reform, die damals schon nicht stattgefunden hat. Mit einem freien Zugang zum Gewerbe hat das aber absolut nichts zu tun.

Es gibt allerdings hier im Parlament von uns einen Antrag. Ich rede also nicht von irgend etwas, sondern von ganz konkreten Vorlagen – Sie können das nachlesen –, in denen wir davon ausgehen, daß ein Befähigungsnachweis in Zukunft nur dort notwendig sein sollte, wo es um Gefahr für Leben oder Gesundheit der Menschen geht. Dort macht es sicher Sinn, einen ordentlichen Kontrollapparat zu haben. In allen anderen Fällen wollen wir es doch der Qualität, dem Markt und der Mündigkeit der Bürger überlassen und es auf diese Weise auch dem einzelnen erleichtern, sich selbständig zu machen.

Jemand, der von seinem Unternehmen gekündigt wird und der dann – leider Gottes – pfuschen geht, könnte sich statt dessen, wäre er nicht durch formale Voraussetzungen gehindert, selbständig machen. Das Ganze wäre nicht mehr im Graubereich der Schwarzarbeit und würde


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 25

auch ein anderes Selbstwertgefühl geben und damit eine andere Gesamtmentalität in diesem Lande. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Nichts davon ist in Ihren Papieren zu sehen! Erzählen Sie uns daher nicht etwas, wenn das, was Sie im Hause eingebracht haben, das Gegenteil beweist – die anderen Vorlagen sind noch nicht einmal hier.

Sie sagen, Sie wollen Jungunternehmer unterstützen und damit Unternehmensgründungen erleichtern. Abgesehen von der Gewerbeordnung führen Sie eine Mindestkörperschaftsteuer von 50 000 S im Jahr ein. Diese 50 000 S muß jeder zahlen, egal ob er einen Gewinn macht oder Verluste schreibt. Man wählt aber gerade deshalb eine GesmbH, weil man die unbeschränkte Haftung ausschalten will, weil das eine Einstiegshilfe ist, um sich schön langsam zu einem erfolgreichen Unternehmen etablieren zu können. Das, was Sie jetzt machen, ist in einem Zeitungsartikel als "Eigentumsvernichtung" bezeichnet worden – es ist ein plakativer Ausdruck, aber er geht in die richtige Richtung.

Auf diese Art und Weise wollen Sie Unternehmensgründungen erleichtern? – Sie tun genau das Gegenteil dessen, was Sie vorher ankündigen. Sie wollen Flexibilität erleichtern, Eigenverantwortung stärken – das schreiben Sie; Sie sagen "ideenreich" –, wissen Sie, wie Ihre Ideen in dieser Hinsicht ausschauen? – Sie nehmen das Instrumentarium der Werkverträge im wahrsten Sinne des Wortes "in den Griff".

Ich weiß, daß es stimmt, daß die Werkverträge zunehmend auch als Umgehungsverträge mißbraucht werden – das will keiner. Ich weiß auch, daß es dazu kommt, daß Leute nicht melden und dann ihre Steuer nicht abführen – das will keiner. Aber das Instrumentarium, mit dem Sie das ändern wollen, ist nicht das richtige. Das, was Sie sozusagen als eine Entwicklung bezeichnen, sind Steuerhinterziehungen, die sowieso strafbar sind.

Wir hatten eine Ausschußsitzung – das ist ein Hinweis auf den doppelten Boden, mit dem Sie arbeiten –, der Kulturausschuß hat getagt, und wollten uns an diesem Tag mit den Werkverträgen beschäftigen, und zwar deswegen gerade in diesem Ausschuß, weil für die Kulturpolitik sehr viel von der Möglichkeit der Werkverträge abhängt. An diesem Tag konnte man über die APA lesen, daß folgende Lösung geplant ist: nämlich nicht alle Werkverträge in die Sozialversicherung einzubeziehen, sondern nur die sogenannten unechten. Das bedeutet, ein Problem, das schon immer vorhanden war, wurde artikuliert, wenn Sie so wollen, eine eigene Vertragssorte sui generis jetzt noch einmal unterstrichen. Dieser unechte Werkvertrag soll in die Sozialversicherung einbezogen werden.

Wir können darüber reden, was das an Aufwand nach sich ziehen wird, an Judikatur, an Schnüffelei, an Streiterei notwendig machen wird – das ist ein Thema für sich –, aber über die APA haben Sie jedenfalls gesagt: Es werden nicht alle Werkverträge in die Sozialversicherung einbezogen werden. Was steht in der Regierungserklärung? – Selbstverständlich sind es alle!

In dem Entwurf, den Sie zum gleichen Zeitpunkt ausgesandt haben, noch dazu mit einer Minimalbegutachtungsfrist – auch das ist ein Thema, auf das ich noch zu sprechen kommen werde; die kurze Frist; damit man es vielleicht nicht so genau anschauen kann –, steht, daß über einer Geringfügigkeitsgrenze einfach angenommen wird, daß eine dienstnehmerähnliche Person damit gemeint ist. Das heißt: nicht als Werkvertrag anerkannt, daher sozialversicherungspflichtig.

Das halte ich für einen doppelten Boden. Es ist unredlich, wie Sie mit diesen Dingen umgegangen sind. Vor allem bewirkt diese Regelung genau das Gegenteil dessen, was Sie wollen, nämlich Eigenverantwortung und Flexibilität des einzelnen zu fördern. Genau das Gegenteil tun Sie! Sie geben irgendwelche schöne Zieldefinitionen ab, machen aber dann etwas ganz anderes und erreichen daher ein anderes Ziel. Deswegen ist das, was Sie hier machen, ein "Hinters-Licht-Führen".

Noch etwas: Glauben Sie wirklich, daß es wirtschaftsfördernd ist, wenn die Verlustvorträge 1996/97 nicht mehr möglich sind? Wenn Sie – das halte ich für besonders skandalös – noch dazu sagen, daß diese Verlustvorträge, mit denen man bisher mit Fug und Recht rechnen durfte, für die Jahre 1989 und 1990 nicht mehr geltend gemacht werden dürfen? (Zwischenruf


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 26

der Abg. Mag. Ederer. ) – Das ist ein Verstoß gegen Treu und Glauben, gegen ein ganz wesentliches rechtsstaatliches Prinzip. Ein Verstoß, den Sie – noch dazu mit Ihrer Zweidrittelmehrheit – absichern wollen, mit der Zweidrittelmehrheit, die es Ihnen ermöglicht, ein Verfassungsgesetz zu beschließen, um die Regelung der Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof zu entziehen, und zu zeigen, was Sie für die Zukunft weiterhin unter "politischer Kultur" verstehen. – Das, was Sie uns hier vorlegen, halte ich für skandalös. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Mich wundert es aber nicht. Vielleicht hat der eine oder andere am vergangenen Sonntag die Fernsehdiskussion in der Sendung "Zur Sache" gesehen, in der noch in der letzten Minute das Thema der Verfassungsgesetze angeschnitten wurde – ich glaube, man sollte alles unter dem Begriff "politische Kultur" sehen, denn zur politischen Kultur gehört mehr, als sich nicht zu beschimpfen, das ist eine wirklich zu niedrige Latte, die wir uns da legen. Ich gebe schon zu: Angesichts einer bestimmten Artikulation ist man schon froh, wenn das nicht passiert. Aber uns ist es jedenfalls zuwenig.

Zur politischen Kultur gehört auch, wofür man Instrumentarien einsetzt. Herr Abgeordneter Khol hat am Schluß, als gerade die Kamera noch da war, gesagt: Aber wir haben eine Zweidrittelmehrheit, und die werden wir auch einsetzen! – Selbstverständlich können Sie das, Herr Abgeordneter! (Abg. Dr. Khol: Danke! Danke für die Großzügigkeit!) Aber Sie werden es sich gefallen lassen müssen, daß daran der Maßstab des politischen Anstandes und der politischen Anständigkeit angelegt werden wird. (Abg. Dr. Khol: Wie viele Abgeordnete haben Sie?)

Herr Abgeordneter Khol! Die Anständigkeit ist nicht in Ziffern zu messen. Sie scheinen Ihren Maßstab danach zu orientieren, wie viele Menschen gegen etwas demonstrieren (Abg. Dr. Khol: Wieviel haben Sie verloren?), wie viele Menschen vielleicht anständig sind, wie viele sich für oder gegen etwas einsetzen. (Abg. Dr. Höchtl: Aber Sie setzen auch Ihre Abgeordneten ein!) Deswegen ist Ihre Frage im Zusammenhang mit dem politischen Anstand, wie viele Abgeordnete wir haben, allein schon entlarvend. (Abg. Dr. Khol: Ein tolles Demokratieverständnis! Wer sollte entscheiden, wenn nicht die Mehrheit?) Die Anständigkeit ist keine Frage der Mehrheit (Abg. Dr. Khol: Das ist richtig!), Herr Abgeordneter, aber Sie leben nach einem anderen Maßstab. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das haben Sie uns ja auch bei einer anderen Gelegenheit demonstriert.

Nun muß man aber wissen, was Sie damit auslösen. Sie haben nämlich so einfach dahingesagt – auch in jener Fernsehsendung, als von Demonstrationen die Rede war –: Wie viele Leute waren denn das schon? Die paar Hundert? Was soll denn das schon? – Damit haben Sie provoziert, daß jetzt andere Aufrufe machen und sagen: Leute! Geht auf die Straße, denn ihr werdet gezählt werden! – Wir haben das von diesem Rednerpult aus gehört.

Herr Abgeordneter Khol! Man muß sich halt vorher überlegen, was man sagt, damit man eben nicht derartiges provoziert. Oder wollen Sie das? – Offensichtlich schon. Denn wenn Sie eine Demonstration organisieren, zum Beispiel eine Bauerndemonstration, dann ist sie ja offenbar ein legitimes Mittel, dann ist sie ein Mittel der Durchsetzung (Abg. Dr. Höchtl: Demonstrieren ist immer legitim!), aber bei den anderen sagen Sie: Die paar Hundert?! – Ihnen geht es anscheinend wirklich nur um die Frage: Können sich die Lobbyisten organisieren oder nicht? – Das wundert mich nicht bei Ihrer Partei, die auch so organisiert ist, die das in Ihren Strukturen hat, Herr Abgeordneter Höchtl! (Abg. Dr. Höchtl: Wir haben uns noch nie gegen Demonstrationen ausgesprochen! – Sie können keine Demonstrationen machen, weil Sie keine Leute haben!) Es wird nicht gemessen, es wird gewogen – das verstehen Sie vielleicht nicht, aber es hat einen sehr wesentlichen Inhalt! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Stummvoll: Ihr Demokratieverständnis ist abenteuerlich!)

Ich erinnere mich an die letzte Debatte nach der Sitzung des Justizausschusses, die hier stattgefunden hat, und daran, daß wir alle uns im Justizausschuß im Zusammenhang mit dem Urheberrecht darauf verstanden haben, eine sogenannte Reprokopierabgabe einzuführen, das bedeutet, die Kulturschaffenden an ihren Werken zu beteiligen; etwas, was schon lange notwendig war, was überfällig war, wo wir nachgehinkt sind. Endlich hatten wir es beschlossen. Und auf einmal gab es eine Lobby der Kopiergerätehersteller, die mit Inseraten – ich weiß nicht, wieviel


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 27

die gekostet haben – in allen Zeitungen geschaltet haben, wie ungeheuerlich das doch sei, sie als Kopiererhersteller würden jetzt benachteiligt werden. Und was tat Ihre Abgeordnete Fekter, Ihre ÖVP-Vorsitzende des Justizausschusses? Sie ging zu allen anderen Fraktionen hausieren und fragte: Wollen wir das nicht wieder ändern? So, wie die sich jetzt organisiert haben, wollen wir nicht den Inkrafttretenstermin verschieben?

Sehen Sie, das ist Ihr Maßstab: Wenn man sich ordentlich organisiert, dann sind Sie redebereit, sonst zählt für Sie nicht der Grundsatz, zählt für Sie nicht die Moral. Es geht Ihnen nur darum, wie Sie etwas verkaufen können! Daher sage ich: Es ist eine üble Regierungserklärung, denn sie trägt auch Ihre Handschrift! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Höchtl: Sie waren auch schon einmal besser, vor allem ehrlicher!) Bitte? (Abg. Dr. Höchtl: Sie waren auch schon einmal ehrlicher, habe ich gesagt!) Ich weiß nicht, ob Sie das überhaupt beurteilen können. (Abg. Dr. Höchtl: Das steht mir genauso als Urteil zu wie Ihnen!)

Es geht in all diesen Punkten um die Sicherheit des Standortes Österreich, und zwar auch des Wirtschaftsstandortes Österreich, denn zu diesem Wirtschaftsstandort Österreich gehört nicht nur, daß bestimmte Rahmenbedingungen materieller Natur vorhanden sind, sondern vor allem auch, daß man sich auf etwas verlassen kann. Man muß sich darauf verlassen können, daß die Regelungen, auf die man sich jetzt einläßt, die die Grundlage für ein bestimmte Verhalten sind, vor allem auch für ein bestimmtes Wirtschaftsverhalten, daß diese Regelungen nur planbar verändert werden. Das bedeutet, daß sie zu einem Zeitpunkt verändert werden, zu dem ich die Änderungen in meine Überlegungen miteinbeziehen kann. Sie machen genau das Gegenteil! Und dieses Gegenteil ist der Maßstab für Ihre Glaubwürdigkeit!

Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit schneiden Sie aber auch bei anderen Dingen mehr als schlecht ab. – Was haben Sie, Herr Kollege Kostelka, die Frauen betreffend gesagt? Ich habe es mir nicht aufgeschrieben und gemerkt habe ich es mir auch nicht, weil es wirklich bar jeder Realität war. Es ist gegangen um irgend etwas "Förderliches", "Ernstgenommenes" oder sonstiges. In der Regierungserklärung hat es uns der Herr Bundeskanzler gestern vorgelesen. (Abg. Dr. Kostelka: Nachlesen!) Ich lese es gerne nach, hätte aber gerne Ihre Worte dazu gehabt, habe sie jedoch vergessen.

Stärkere Förderung der Frauen – was tun Sie tatsächlich? – Jetzt weiß ich es wieder: Sie sprachen im Zusammenhang mit den Kindergartenplätzen von der Entlastung der Frauen! Können Sie endlich einmal begreifen, daß Obsorge für Kinder den Eltern zukommt und es eine Frage der Eltern ist, wie sie es sich aufteilen? Sie müssen sich davon lösen, die Frau weiterhin für bestimmte Aufgaben zu instrumentalisieren, indem Sie ihr ständig einreden: Das ist etwas für dich, liebe Frau, das ich tue, wenn ich für deine Kinder Kindergartenplätze zur Verfügung stelle. – Ich halte das für eine Ungeheuerlichkeit! Sie geben damit für die Kinder etwas; aber nicht einmal das tun Sie, denn Sie kürzen die Kindergartenmilliarde und nehmen damit – nicht den Frauen! – den Kindern etwas weg! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Auch zur Kürzung der Karenzzeit muß ich ein Wort sagen – ich nehme an, meine Kollegin Schaffenrath wird noch näher darauf eingehen. Sie alle reden immer noch vom "Karenzurlaub". Das ist Ihre Geisteshaltung: Das ist ein Urlaub, den sich die Frau nimmt, denn sie darf ja zu Hause sein, darf mit den Kindern spielen, darf mit ihnen in den Kindergarten, ins Schwimmbad oder sonstwohin gehen. Es ist das daher Urlaubszeit.

Vielleicht erinnern Sie sich daran, daß wir in diesem Haus mit klarer Mehrheit – die beiden Regierungsfraktionen waren jedenfalls dabei – den Begriff "Karenzurlaub" umgewandelt sehen wollten. Wir haben mit Ihren Stimmen, wie Sie hier sitzen, beschlossen, daß es künftig "Karenzzeit" zu heißen hat und nicht mehr "Karenzurlaub", daher auch "Karenzgeld" und nicht "Karenzurlaubsgeld". – Daß das noch nicht in Ihren Köpfen ist, wundert mich überhaupt nicht, aber wenigstens an die Entschließungsanträge diese Parlaments haben Sie sich zu halten! (Beifall beim Liberalen Forum.) Und daher – der Herr Minister ist natürlich nicht da! – die Aufforderung an den Herrn Minister, sich daran zu halten und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Abgesehen davon, daß Sie hier den Kindern etwas wegnehmen, sowohl was die Kindergartenmilliarde als auch die Karenzzeit betrifft – noch dazu jenen Kindern, die nur einen Elternteil


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 28

haben; es trifft überwiegend die Frau, sie übernimmt nun einmal die Ausfallshaftung, das ist sie gewöhnt; aber Sie nehmen es den Kindern weg und machen das Los der Frau noch schwieriger, das ist richtig –, treffen Sie die Frauen noch zusätzlich, indem Sie, weil Sie auch bei den Änderungen bei den Studenten nicht sparsam waren, über die Hintertür Studiengebühren einführen. Sie sagen zwar immer, daß es diese nicht gibt, aber es gibt sie indirekt durch die Nachkaufszeiten.

Es ist immer so, daß Sie bei unpopulären Dingen einfach ein schönes Wort dafür erfinden und glauben, auf diese Art alle hinters Licht führen zu können. Dieses Sprachinstrumentarium funktioniert ja normalerweise, aber solche Debatten sind dazu da, das offenzulegen.

Dieser Studienzeitennachkauf ist selbstverständlich auch eine Art Studiengebühr, die auf diese Weise durch die Hintertür eingeführt wird. Und in diesem Zusammenhang sind die Frauen noch stärker benachteiligt, denn alle haben für die Zeit, die sie studiert haben, den gleichen Beitrag zu bezahlen, obwohl jeder weiß, daß die Frauen – das ist erwiesen! – weniger verdienen und daher für ihre Pension weniger lukrieren können; aber zahlen dürfen sie genauso viel! Das ist die Benachteiligung der Frau!

Zum Bonus-Malus-System: Kollege Haselsteiner hat gestern in unübertrefflicher Art und Weise klargemacht – und zwar als Unternehmer, der weiß, worum es geht –, zu welchen Effekten dieses System führen wird: nämlich dazu, daß Sie nicht die 50jährigen schützen, sondern daß es sich bereits gegen die 49jährigen richten wird. Genau das ist der Effekt.

Abgesehen davon haben Sie aber auch damit wieder ein frauenfeindliches Instrumentarium geschaffen. Sie haben nämlich die Rahmenbedingungen folgendermaßen formuliert: Es ist billiger, eine Frau über 50 Jahren zu kündigen als einen Mann über 50, und eine Frau über 50 einzustellen erspart dem Unternehmer weniger, als einen Mann über 50 einzustellen. Wenn Sie davon reden, daß das einen Lenkungseffekt haben soll, muß ich sagen: Das hat natürlich einen einschlägigen Effekt, nämlich daß die Frauen auf der Strecke bleiben! Reden Sie dann auf der anderen Seite doch nicht davon, daß Sie die Frauen verstärkt fördern wollen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. )

Ich verstehe ja überhaupt nicht, mit welcher Selbstverständlichkeit Sie hier sagen, daß Sie angeblich einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit einführen werden. Wenn das so ist – wunderbar! Nur: Wenn Sie sich geeinigt haben, warum steht es dann nicht im Koalitionsübereinkommen? Warum steht es dann nicht in der Regierungserklärung? Mit anderen Worten: Das ist genauso ein Spruch wie alle anderen Sprüche, nur damit Sie hier eben irgend etwas Positives sagen, weil die Filmkamera mitläuft und weil Ihnen manche das vielleicht glauben. Dann muß ich jenen, die das gehört haben, sagen: Nichts davon steht in jenen Papieren, die zur Begutachtung ausgesendet wurden, nicht im Koalitionsübereinkommen und nicht in der Regierungserklärung.

Da reden Sie davon, daß Sie irgend etwas verstärken wollen. Rechtsanspruch? – Kein Wort davon in der Regierungserklärung! Teilzeitbeschäftigung? – Da müßte man auch steuerliche Anreize schaffen, man müßte selbstverständlich auch Maßnahmen treffen, die es einem Unternehmer möglich machen, Teilzeitarbeitsplätze zu schaffen. Sie hätten jetzt Gelegenheit gehabt – wenn das wirklich Ihr übereinstimmender Wille ist –, in Ihre Begleitgesetze genau das hineinzunehmen. – Null! Kein Wort davon ist enthalten, daher erzählen Sie uns hier nicht in schönen Sprüchen, was Sie tun werden, wenn bei Ihnen offensichtlich überhaupt keine Übereinstimmung über diese Zielvorgabe besteht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Bei der Arbeitszeitflexibilisierung wird so getan, als wäre man schon ein Stück weiter als dort, wo wir schon seit Jahren stehen – das kennen wir ja schon alles. Ich meine, wir können die Debatte vom letzten Jahr hier noch einmal deckungsgleich abführen, können die Tonbänder ablaufen lassen, wir können sogar Debatten der vergangenen Jahre nehmen. Wo sind wir denn auch nur einen Millimeter weitergekommen? Sie sagen jetzt dasselbe, was Sie uns seit Jahren sagen: daß man sich eben zusammensetzen wird müssen – das schöne Wort "Dialog" ist eingeflossen, das freut mich, weil das ein Schlagwort von uns ist –, daß man sich jetzt eben in einen Dialog mit den Sozialpartnern begeben wird.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 29

Herr Haider hat gemeint, daß Sie sogar sagen, daß die Sozialpartner über die Ladenöffnungszeiten bestimmen werden. Nicht einmal so weit sind Sie! Die Begriffe "Ladenöffnungszeiten" oder "Ladenschlußzeiten", wie Sie sie verstehen, kommen nicht einmal vor! Sie kommen weder in der Regierungserklärung vor, noch kommen sie im Koalitionsübereinkommen vor! Und es ist so bezeichnend, daß Herr Ditz vor dem Sommer – offensichtlich wissend, wir stehen vor einem Wahlkampf; die ÖVP hat es ja damals schon gewußt, man braucht sich ja nur die Aussagen in Erinnerung zu rufen, die schon genau getimed waren – großartig davon redete, daß man jetzt etwas initiieren wird, was die Ladenöffnungszeiten betrifft. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Frau Dr. Schmidt! Darf ich Ihnen vorlesen, daß das hier sehr wohl drinnensteht?) Ich bin davon überzeugt, daß Sie nachher bei Ihrer Wortmeldung darauf zu sprechen kommen werden. (Abg. Dr. Khol: Sie haben es ja nicht gelesen!)

Herr Abgeordneter Khol! Vielleicht schauen Sie sich einmal die Regierungserklärung an, die gestern vorgelesen wurde. Ich bin sehr neugierig, was mir Herr Minister Schüssel in diesem Zusammenhang sagen wird, denn ich habe sie gelesen, und die Ladenöffnungs- oder Ladenschlußzeiten stehen nicht in der Regierungserklärung. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Haider: Das habe ich sogar zitiert, Frau Kollegin!) Ich wäre sehr froh, wenn es drinnen wäre. (Abg. Dr. Khol geht zur Regierungsbank und zeigt der Rednerin das Arbeitsübereinkommen der Regierung, das Herr Vizekanzler Dr. Schüssel in Händen hält.) Sie können jetzt spielen, wie Sie wollen; Sie glauben doch nicht, daß ich meine kurze Redezeit mit irgend etwas ... (Vizekanzler Dr. Schüssel : Sie haben gesagt, es steht nicht drinnen!) Wenn Sie mir die Seite sagen, ist mir das viel lieber. Ist das das Arbeitsübereinkommen der Regierung? Ist das die Regierungserklärung? Ist das diese? Auf der Seite 11 steht es, bitte, nicht. (Abg. Dr. Stummvoll: Haben Sie eine eigene Fassung, Frau Kollegin?) Auf der Seite 11, und es ist die Seite 11, die Sie mir gegeben haben, steht es nicht. Sie glauben doch nicht, daß ich jetzt anfange, durchzublättern. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Nicht nur ich, sondern auch alle meine Mitarbeiter haben die Regierungserklärung sehr genau gelesen. Vor allem habe ich dem Herrn Bundeskanzler gestern sehr genau zugehört: Ladenöffnungszeiten, Ladenschlußzeiten sind kein Anliegen. Er spricht allgemein von Arbeitszeiten. Soll so sein! Das ist genau das, was wir seit Jahr und Tag gehört haben, nichts anderes ist hier gemeint. Das zeigt die Glaubwürdigkeit beziehungsweise die Unglaubwürdigkeit von Politikern, die natürlich vor einem Wahlkampf irgendeinen Luftballon steigen lassen, weil man weiß, daß man damit eine bestimmte Klientel anspricht, aber sobald es dann darum geht, Farbe zu bekennen, bleibt nichts davon übrig. Das ist jene Glaubwürdigkeit, die Sie auch in anderen Bereichen beweisen.

Dort, wo ich von der stärkeren Förderung der Frauen gesprochen habe, reden Sie in einem Atemzug von einem verbesserten Fremdsprachenunterricht, weil Sie das ja gleich zum Bildungskapitel dazunehmen. Was machen Sie tatsächlich? Was ist der Effekt Ihrer Maßnahmen? – Der Effekt ist der, daß Sie die Schulstunden im Zusammenhang mit dem Fremdsprachenunterricht kürzen. Und warum tun Sie das? – Weil Sie nämlich auch dort nicht die Struktur bei den Lehrern verändern, sondern auf dem Rücken der Kinder insofern sparen, daß diese dann eben weniger Schulstunden haben. Das ist Ihnen die Sache wert, weil das viel leichter geht, da die Kinder keine Gewerkschaft haben, und deswegen kann man das viel leichter durchsetzen, als sich mit der Gewerkschaft der Lehrer auseinandersetzen zu müssen.

Wenn Sie weiters davon reden, daß Sie die Ökologisierung des Steuersystems vorantreiben wollen, dann halte ich das ja überhaupt für einen Schlag ins Gesicht der Wahrheit. Wenn man etwas vorantreiben will, dann muß es bereits da sein – so würde ich das jedenfalls interpretieren. Es gibt keine Ökologisierung des Steuersystems, dafür aber Energieabgaben, und das ist etwas ganz anderes. Daran sieht man, daß man mit unterschiedlichen Begriffsinhalten, für die man die gleichen Worte verwendet, wirklich Verwirrung stiften kann. Ökologisierung des Steuersystems heißt, einen Lenkungseffekt zu ökologischem Handeln herbeizuführen, sodaß wirtschaftliches Handeln zugleich ökologisches Handeln wird und ökologisches Handeln wirtschaftlich ist. Das ist Ökologisierung des Steuersystems. Diesbezüglich gibt es keine einzige Maßnahme. Was Sie tun, ist folgendes: Sie führen wieder einmal Abgaben ein beziehungsweise erhöhen andere. Das heißt, Sie haben hier eine Geldbeschaffungsmaßnahme entdeckt; das hat


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 30

mit Ökologisierung aber auch schon gar nichts zu tun. (Beifall beim Liberalen Forum.) Nur deswegen, weil Energie mit dieser Abgabe belegt wird, von einer Ökologisierung zu sprechen, ist wirklich eine Wortspielerei, die unredlich ist. Daher gehen derartige Worte einfach ins Leere.

Aber Sie sagen halt irgend etwas. Im Zusammenhang mit der EU-Politik reden Sie zum Beispiel von einer Positionierung. Wer positioniert sich denn? Wenn man mit dem Koalitionsabkommen gegenliest – besonders kurios auch in besagter Sendung "Zur Sache" zu erleben –, sieht man, daß sich bezüglich einzelner Formulierungen ja nicht einmal die Koalitionspartner darüber einig sind, welcher Inhalt ihnen zugrunde zu legen ist. Der eine sieht in völkerrechtlichen Verpflichtungen die Neutralität, der andere weist das heftig von sich: Was soll das denn damit zu tun haben? – Es ist jetzt nicht die Zeit, wir werden zu einem anderen Anlaß darüber diskutieren, ob das als ein Neutralitätsvorbehalt zu verstehen ist oder nicht. Tatsache ist, daß Sie Worte verwenden, Worthülsen möchte ich fast sagen, in die jeder das hineingeheimnissen und hineininterpretieren kann, was ihm gefällt. Das war die einzige Möglichkeit, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Nur: Inhaltlich bringt uns das nicht um einen Schritt weiter.

Im übrigen: Wenn Sie von der Osterweiterung reden – und das schmerzt mich deswegen, weil ich gehofft habe, daß das wirklich zu einem ehrlichen Anliegen der österreichischen EU-Politik werden wird –, dann ist das ein Lippenbekenntnis. Denn wenn Sie nichts von einem Zeitplan sagen, wenn Sie einfach nur dazu sagen, Sie werden sich halt dafür engagieren, dann sagen Sie dasselbe, was alle schon seit Jahren sagen. Das ehrliche Engagement und die wirkliche Prioritätensetzung würden darin zum Ausdruck kommen, daß man konkrete Vorschläge macht – seien es konkrete Vorschläge zu einem Zeitplan, seien es konkrete Vorschläge für ein Opting-In und für ein Opting-Out; all diese Dinge, die ja dann auch tatsächlich Grundlage sein müssen, wenn wir zu einer solchen Osterweiterung kommen, denn ansonsten sind es schöne Sprüche und nicht mehr.

Aber diese schönen Sprüche haben Sie ja vor allem dann, wenn es um Grundrechte oder um Menschenrechte geht, immer auf den Lippen. Die Realität sieht allerdings anders aus. Sie sprechen davon, daß – das ist bedauerlich genug – Österreich so wie bisher Asylland für die Menschen bleiben soll. Sie reden davon, daß unnötige Härten im Asylrecht beseitigt werden sollen. Ich frage mich: Was ist eine nötige Härte? Sie sprechen davon, daß die Schubhaft menschenwürdiger geregelt und ausgeführt werden muß. – Null. Nichts davon ist passiert. Davon reden wir seit Jahren!

Diese Lippenbekenntnisse kennen wir auch von diesem Pult aus von allen möglichen Abgeordneten. Wenn Ihnen nach dieser langen Diskussion nicht mehr eingefallen ist, als erneut diese Sprüche zu wiederholen und keine einzige Maßnahme anzuführen, die tatsächlich diesen menschenunwürdigen Zustand beseitigen soll, dann kann ich nicht mit Optimismus, ja nicht einmal mit dem Funken einer Freude auf diese Jahre zugehen, von denen ich mir gedacht habe: Endlich ist es soweit, daß wir wieder eine Regierung haben, ob sie mir gefällt oder nicht, aber es wird etwas weitergehen!, sondern ich habe das Gefühl, daß wir in diesem alten Fahrwasser bleiben werden, und dieses alte Fahrwasser hat uns leider Gottes in vielen Bereichen in einen Sumpf geführt.

Aber wenn Sie konkret werden, dann ist auch das entlarvend. Konkret werden Sie nämlich nicht bei der jahrelangen Diskussion um ein menschenwürdiges Asylrecht, ein menschenwürdiges Fremdenrecht, sondern konkret werden Sie, wenn es um den Lauschangriff und die Rasterfahndung geht. Da gibt es sogar schon einen Entwurf, da ist schon alles ausformuliert. Da steht in der Regierungserklärung – als ob das wirklich die Meßlatte für den Grundrechtschutz wäre! –: Wir haben sogar eine richterliche Genehmigung vorgesehen. Na gut, dann werden wir eben mit richterlicher Genehmigung alle Menschen abhören, egal, ob unschuldig, ob schuldig, ob überhaupt beteiligt oder nicht – genau das ist es nämlich, was möglich gemacht wird –, dann werden wir eben in eine Rasterfahndung im weitesten Sinn potentiell Betroffene einbeziehen, aber wir werden bei allen immer mit einer richterlichen Genehmigung agieren, und damit ist der Grundrechtschutz gewahrt. Wenn das Ihre Meßlatte ist, dann, muß ich sagen, haben Sie es sich allerdings sehr leichtgemacht. Für Liberale wird das jedenfalls nicht ausreichen! (Beifall beim Liberalen Forum.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 31

Es ist Ihre Regierungserklärung in weitesten Teilen schlicht und einfach von einem Wunschdenken getragen. Sie formulieren durchaus positive Ziele, wie zum Beispiel – weil das der nächste Punkt gewesen wäre – bei der Kunst. Was sagen Sie bezüglich der Kunst? – Das klingt ja auch so schön: Wir werden für alle Zukunft klarstellen, daß in Österreich Kunst ungehindert stattfinden kann. – Was heißt das, bitte? Was heißt das wirklich? Sorgen Sie doch dafür, daß sie überhaupt stattfinden kann! Dazu ist es nicht nur notwendig, sich für die Freiheit der Kunst einzusetzen – das ist zwar in der augenblicklichen Situation auch wichtig, besonders nach den letzten Anfechtungen –, es ist vor allem notwendig, die Strukturen zu schaffen, daß Kunst überhaupt entstehen kann.

An einer anderen Stelle ist in Ihrem Koalitionsübereinkommen der entlarvende Satz zu lesen, daß Förderungen, soweit sie nicht einen wirtschaftspolitischen oder arbeitspolitischen Effekt haben, künftig gekürzt werden. Das heißt, ob sie einen kulturpolitischen Effekt haben, das interessiert Sie nicht. Es sei denn, es ist der Marktwert daran zu messen, dann ginge es gerade noch; daß aber Kultur ein eigenständiges Anliegen eines Staates sein sollte, das vermisse ich völlig in Ihren Unterlagen. Aber Sie schreiben großartig davon, daß Sie sich verwahren werden, wenn die Freiheit der Kunst angegriffen wird. Schaffen Sie jene Strukturen, daß sich überhaupt eine Kunstszene entwickeln kann, daß sich eine freie Szene, eine Alternativszene und eine zukunftsorientierte Kunst entwickeln kann! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber bei den Medien ist es nicht viel anders; die gehören nämlich auch zur Kultur, zur politischen Kultur. Was sagen Sie? – Bei den Printmedien wollen wir eine möglichst große Vielfalt an Tageszeitungen, Zeitschriften und Magazinen erhalten, sagen Sie. Erstens: Was heißt "erhalten"? Ist das Ihr Ernst? Ist das Ihre "möglichst große Vielfalt"? Bei den Konzentrationen, die wir haben? – Wenn Sie das erhalten wollen, ist Ihr Satz okay. Dann wissen wir wenigstens, woran wir sind. Sie haben das ja auch gezeigt, als wir das letzte Mal über das Kartellrecht geredet haben. Wenn Sie aber wirklich meinen, daß wir eine Vielfalt brauchen, dann frage ich mich, wieso es überhaupt keinen Hinweis auf eine Änderung des Presseförderungsgesetzes gibt. Wieso gibt es keinen Hinweis auf ein Kartellrecht? Wieso gibt es nicht diese Hinweise, die notwendig sind, um tatsächlich eine Vielfältigkeit bei den Printmedien herbeizuführen? Alles andere sind Sprüche und nichts weiter. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Deswegen sage ich Ihnen – ich höre gleich auf, ich gehe davon aus, daß meine Kollegen noch einiges beitragen werden –: Diese Regierungserklärung ist tatsächlich eine einzige Enttäuschung. Man muß gar nicht sämtliche Journalisten zitieren, die das in den Zeitungen geschrieben haben, ob das "Die Presse" ist, die "Salzburger Nachrichten", oder ob es der "Standard" ist. Barazon hat erst am Wochenende geschrieben: "Die Geisterfahrt geht weiter", weil es wirklich in den Nebel geht. Es ist eine Enttäuschung, die sich die Wählerinnen und Wähler, die Sie zugegebenermaßen mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattet haben, nicht verdient haben.

Wenn ich hier höre, daß Kollege Kostelka großartig verkündet, was wir ohnehin alle wissen, daß die Sozialdemokraten bei den letzten Wahlen einen unglaublichen Vertrauensvorschuß bekommen haben, dann klatschen alle. Wissen Sie, was das ist? – Das ist Selbstgefälligkeit. So etwas ist dann Selbstgefälligkeit, wenn man nichts daraus macht. Ich behaupte, daß Sie aus diesem Vertrauensvorschuß, der wirklich ein respektabler ist, eben nicht das gemacht haben, was sich Ihre Wähler, denen Sie diesen Vertrauensvorschuß verdanken, verdient hätten. Im übrigen bin ich der Meinung, daß diese Regierungserklärung proporzbestimmt, strukturkonservativ, jugendfeindlich und wirtschaftsnaiv ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Er hat das Wort. (Abg. Mag. Stadler: Der hat es jetzt leicht!)

10.54

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir von der Österreichischen Volkspartei wollen das neue Programm der Bundesregierung mit voller Kraft mitgestalten (Beifall bei der ÖVP – ironische Bravorufe beim Liberalen Forum), gemeinsam in einer erneuerten Partnerschaft mit den Sozialdemokraten. Wir werden damit unser soziales


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 32

Netz verändern, um es zu sichern. Wir werden damit den Wirtschaftsstandort Österreich neu gestalten, um möglichst viel Arbeit zu sichern. Und wir werden damit an der Schwelle zum dritten Jahrtausend Österreichs Zukunft nachhaltig sichern. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die neue Bundesregierung ist daher eine Zukunftsregierung, denn die Gestaltung einer guten Zukunft ist unser aller gemeinsame Aufgabe. Wir legen Ihnen in diesen Tagen das Budget 1996 vor, wir legen Ihnen in diesen Tagen das Budget 1997 vor. Wir legen Ihnen außerdem ein Finanzprogramm vor, das an das nächste Jahrtausend heranreicht; zugleich werden Sie Begleitgesetze bekommen, die alle diese Maßnahmen bis ins Detail konkretisieren, damit jeder weiß, wie er dran ist. Wir haben zwei Monate verhandelt, und nun wird ein großes Werk abgeschlossen. Wir von der Volkspartei werden alles tun, dieses in der neuen Partnerschaft auch zügig durchzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Da stören uns auch mieselsüchtige Kommentare nicht, meine Damen und Herren. (Zwischenrufe beim Liberalen Forum.) Wenn gerade jetzt die große "Lehrmeisterin des Liberalismus" – unter Anführungszeichen – kein gutes Haar an dieser Regierungsübereinkunft und an unserem Werk gelassen hat, so bin ich getrost, denn ich halte mich da an bessere Liberale, beispielsweise an die "Frankfurter Allgemeine", Frau Kollegin Schmidt. Das ist das große liberale Blatt von Weltformat, das muß man lesen. Da steht drinnen: "Regierungsamtlich ist wie selten zuvor der Wille zu spüren, Umgestaltung zu besiegeln; festgeschrieben und dokumentiert in einem Übereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP. Österreich erweist sich damit als vorbildliches Land", so schreibt die "Frankfurter Allgemeine", "indem es ohne soziale Wirren gelungen ist, die Stabilitätsanforderungen zu erfüllen". (Abg. Dr. Frischenschlager: Das ist toll!)

Meine Damen und Herren! Das ist für mich ein wichtigerer Kommentar als Kommentare von einer Opposition, die keine Alternative vorzuweisen hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Wann? 1990?) Herr Kollege Barmüller! Die "Frankfurter Allgemeine" hat das heute in ihrem Leitartikel geschrieben, und das ist ein Blatt von Weltruf, das gelesen wird.

Meine Damen und Herren! Ich blende kurz zurück. Im Oktober 1995 gab es keine Einigung über das Budget, es gab keine Einigung darüber, in welchem Ausmaß durch Einsparungen und in welchem Ausmaß durch neue Steuern unsere Finanzproblematik gelöst werden sollte. Es gab keine genauen Zahlen, wie hoch nun der Sanierungsbedarf ist: Beträgt er 30 Milliarden Schilling oder 50 Milliarden Schilling? (Abg. Dr. Frischenschlager: Warum nicht? Was war das für eine Regierung?) Wir wußten aufgrund der damaligen Informationslage nicht, wie hoch das Defizit 1997 werden würde, und man hat damals vom Finanzministerium von 25 Milliarden Schilling an zusätzlichen Einsparungen gesprochen. Wir haben keine fixen Zahlen gehabt, es gab keine Einigung, und daher haben wir gewählt. (Abg. Dr. Frischenschlager: Ach so!)

Meine Damen und Herren! Inzwischen wurde der Kassasturz gemacht, wir wissen, welchen Finanzierungs- und Sanierungsbedarf wir haben. (Abg. Dr. Frischenschlager: Wirklich? Großartig!) Inzwischen wissen wir, was die Maßnahmen, die wir brauchen, kosten und was sie bringen, und inzwischen haben wir auch dauerhafte strukturelle Einsparungen eingeleitet und auch sichergestellt – und das ist wichtig –, daß die Lohnnebenkosten nicht erhöht werden, daß die Wirtschaft also weiter Beschäftigung sichert. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In einer ehrlichen Politik haben wir ein ausgewogenes Paket vorgelegt. Es gibt keine Änderung im Tarif der Lohn- und Einkommensteuer, es gibt keine stärkere Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes, es gibt keinen Zuschlag zur Einkommensteuer in Form der Solidarabgabe. Das haben wir vor der Wahl unseren Wählern versprochen, das können wir halten, und deswegen tragen wir diese Regierung mit. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich immer noch: Wäre denn dieser Sieg der Vernunft nicht ohne Wahl gegangen? Haben wir im Dezember wirklich wählen müssen? War es wirklich notwendig, den Souverän dieses Landes, das Volk, die Österreicherinnen und Österreicher, zu fragen, wie nun dieser Richtungsstreit zu entscheiden ist?

Ich sage Ihnen, nein. Es wäre nicht möglich gewesen, denn wenn nur ein Drittel jener Maßnahmen, die uns die Sozialdemokraten jetzt vorgeschlagen haben und mitverantworten, in jener


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 33

Nacht vom 11. auf den 12. Oktober auf dem Tisch gelegen wäre, dann hätten wir nicht wählen müssen. Nur die Wahl hat das zustande gebracht, und ich bedanke mich bei den Österreicherinnen und Österreichern für das Vertrauen, das sie unserer Politik ausgesprochen haben. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Der Souverän hat es möglich gemacht. Und wenn hier einige zweifelnd schauen, so möchte ich Ihnen noch einmal die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" von heute zitieren, die schreibt: "Rückblickend zeigt sich nun, daß die Wahl notwendig war. Die ÖVP, die sie vom Zaun brach und deren Führung sich ein anderes Ergebnis erhofft hatte, darf sich zugute halten, für die notwendige Bewegung gesorgt zu haben. Das ist nicht eben wenig in einem vergangenheitsverliebten Land, das auf tausend Jahre urkundlich bezeugten Daseins zurückblicken kann." – Das wird hier gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich bitte nun unseren Klubsekretär, diesen Leitartikel der Opposition zur Verfügung zu stellen, damit ich ihn nicht weiter zitieren muß. (Abg. Dr. Haselsteiner: Wir lesen auch die "Frankfurter Allgemeine"!) Dann haben Sie sie nicht verstanden, meine Damen und Herren, wenn Sie sie ohnehin lesen.

Der eine oder andere wird sich fragen: Warum setzt denn die Volkspartei diese große Koalition fort? Warum? Es ist dies die Entscheidung der Wähler. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, daß beide Regierungsparteien stärker geworden sind, an Stimmen und an Mandaten – und daß alle Oppositionsparteien verloren haben, an Stimmen und an Mandaten. Ich glaube, dieses Votum der Wähler ist zu berücksichtigen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: An Stimmen haben wir gewonnen!)

Wir sind auch überzeugt, daß ein wirklich tragfähiges Zukunftspaket, das ins nächste Jahrtausend hinein gestaltet und einen neuen Aufschwung für unsere Wirtschaft bringt, nur von einem breiten Konsens getragen werden kann, und daß es nur dann funktioniert, wenn die Sozialpartner – eine Errungenschaft unserer Realverfassungsordnung – mitgehen und es mittragen. (Beifall bei der ÖVP.)

Und der dritte Grund, warum wir wieder in diese neue Regierungspartnerschaft eintreten, in diese große Koalition, muß Ihnen allen klar geworden sein, wenn Sie gestern die Regierungserklärung unseres Bundeskanzlers gehört haben. (Abg. Scheibner: Da ist uns vieles klar geworden!) – Wenn Ihnen vieles klar wurde, Herr Scheibner, dann werden Sie meine Analyse teilen. Die fünf Ziele, die der Herr Bundeskanzler gestern verkündet hat, sind haargenau identisch mit jenen fünf Zielen, die Wolfgang Schüssel in seinem Brief, womit wir die Verhandlungen aufgenommen haben, für diese Bundesregierung gesetzt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat gestern die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich als erstes Ziel genannt. So hieß es auch seitens der Volkspartei in ihrem Brief aus Goldegg vom 10. Jänner. Der Bundeskanzler hat gestern die Sanierung und Konsolidierung des Staatshaushaltes als Ziel genannt. Das hat auch Wolfgang Schüssel in seinem Brief an den Bundeskanzler vom 10. Jänner erklärt. Der Bundeskanzler hat gestern die initiative Europapolitik als Ziel dieser Regierung genannt. So stand es als Ziel in dem Brief von Wolfgang Schüssel am 10. Jänner, womit wir die Verhandlungen aufgenommen haben. So geht es mit der europäischen Sicherheit, und so geht es auch mit dem Reformkorb.

Meine Damen und Herren! Der dritte und ausschlaggebende Grund, warum wir diese Erneuerungspartnerschaft mit vollem Herzen tragen, liegt darin, daß sie die Handschrift unserer Partei, die Handschrift unserer Wahlwerbung und die Handschrift unserer Grundsätze trägt. (Beifall bei der ÖVP.)

Erstmals haben wir auch die Rolle der Aufwertung des Parlaments stärker hervorheben können. Wir haben einen koalitionsfreien Raum geschaffen, einen abgestuften koalitionsfreien Raum. Darum wurde ja in Wahrheit seit Bestehen der großen Koalitionen – seit 1959 – gerungen. Ein Spalt hat sich aufgetan, und dieses Parlament ist eingeladen, diese initiative Rolle zu nützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Die koalitionsfreie Besenkammer!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 34

Meine Damen und Herren! Wir legen nicht nur eine Regierungsübereinkunft, zwei Budgets und ein umfangreiches Begleitgesetz vor, sondern wir sind sehr konkret in der Ausformulierung all dieser Ziele. (Abg. Mag. Stadler: Wo ist der koalitionsfreie Raum?) Wir wollen einen konsolidierten Staatshaushalt, und zwar nicht nur des Bundes, sondern erstmals ist in einer Regierungsübereinkunft eine gesamtstaatliche Konsolidierungspolitik festgelegt. Wir gestalten die Budgets des Bundes, wir berücksichtigen die Budgets der Länder und der Gemeinden und leisten 66 Milliarden Schilling Einsparungen und 33 Milliarden Schilling neue Einnahmen zur Sicherung eines neuen Aufschwungs, zur Sicherung der Vollbeschäftigung in diesem Land. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir bekennen uns neuerlich dazu, daß eine neue Partnerschaft zwischen den Gebietskörperschaften gefragt ist, eine neue Partnerschaft zur Bundesstaatsreform, wo auch – wenn wir es uns leisten können, und wenn wir Einigung über die Finanzen erzielen – eine Verbesserung des Rechtsschutzes durch die Einrichtung von Verwaltungsgerichten auf Länderebene, näher beim Bürger, erzielt wird, eine Aufgabenreform, ein Finanzföderalismus. Letzteres bedeutet, daß der Bund anerkennt, daß keine neuen Belastungen für andere Gebietskörperschaften beschlossen werden, ohne daß vorher darüber geredet wird, ohne daß vorher die Folgekosten abgeschätzt werden, ohne daß vorher klargestellt ist: Wer trägt welche Kosten? Können wir uns das Ganze leisten? Haben wir dafür die finanzielle Bedeckung? Paßt das in unsere Staatsfinanzen hinein? Das ist sehr, sehr wichtig, weil es Vertrauen schafft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Unterschätzen Sie bitte alle nicht den symbolischen Akt, daß unsere Bundesregierung um vier Mitglieder kleiner geworden ist. Ich weiß schon, daß man damit die Staatsfinanzen nicht sanieren kann, aber die Bürger verlangen von uns, daß die Bescheidenheit, die wir als Maxime dieser Budgetgesetze haben, auch an der Bundesregierung und an uns selbst angelegt wird. Das ist ein Zeichen, daß wir den Bürger verstanden haben.

Wir werden in dieser Legislaturperiode außerdem eine Bezügereform durchführen, eine Einkommenspyramide für alle Bezüge aus dem politischen Bereich und aus dem Bereich der staatlichen Wirtschaft machen. Demnach werden gute Leute angemessen verdienen, aber es wird keine arbeitslosen Einkommen geben, keine Ausgestaltungen, die die Öffentlichkeit nicht versteht und nicht billigt.

Meine Damen und Herren! Wir werden einen schlanken Staat verwirklichen und unseren Staat fit machen. 11 000 Dienstposten werden eingespart, werden nicht nachbesetzt. Wir werden ohne Gefährdung des Berufsbeamtentums, zu dem wir ausdrücklich stehen, unseren Staat so gestalten, daß wir es uns leisten können, hervorragende Beamte für unsere Verwaltung zu haben. Ich möchte mich hier ausdrücklich bei der Gewerkschaft öffentlicher Dienst dafür bedanken, daß in hohem Verantwortungsbewußtsein die Spargesinnung und der Patriotismus gesiegt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe von einer neuen Regierungspartnerschaft, von einer neuen Partnerschaft zwischen den Gebietskörperschaften gesprochen. Zu dieser neuen Partnerschaft gehört auch das Anerkennen, daß es bereits eine erneuerte Sozialpartnerschaft gibt, die sich in dieser Phase unglaublich bewährt hat, nicht nur Verdientes zu verteilen, sondern auch das getan hat, was man Sozialpartnern sonst nirgendwo zumutet, nämlich gerecht einzusparen, mitzuwirken am Tragen der Lasten. Die Sozialpartnerschaft hat sich als tragende Säule unseres politischen Systems hervorragend bewährt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich bin auch sehr stolz darauf – einmal mehr möchte ich es sagen –, daß wir in diesem Land die Reformen rechtzeitig durchgeführt haben, sodaß wir nicht, so wie in Schweden, tief, tief in das Sozialsystem eingreifen müssen; daß wir nicht, wie in Italien, ganze Kategorien von Sozialleistungen einfach abschaffen müssen, sondern wir haben rechtzeitig reformiert, und es ist uns gelungen; ohne soziale Unruhe – wie etwa in Frankreich oder Italien – und auch ohne all die katastrophalen Begleiterscheinungen, von denen Schweden, als es die notwendigen Reformschritte setzen mußte, krampfartig geschüttelt wurde.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 35

Wir haben auch, was Europa betrifft, notwendige Entscheidungen getroffen. In der Sicherheitspolitik ist festgeschrieben, daß wir die gemeinsame Friedensordnung initiativ und dynamisch von Anfang an mitgestalten werden. Wir werden uns also in der Regierungskonferenz, die in wenigen Tagen in Turin beginnt, wo es darum geht, eine europäische Friedensordnung zu schaffen, voll einbringen. Im Geiste der Solidarität werden wir daran mitwirken, daß sich unsere Bürger sicherer fühlen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß wir Konsens erzielt haben, daß wir das, was bei dieser Regierungskonferenz über die europäische Friedensordnung herauskommt, auch in vollem Umfang übernehmen werden und daß wir zu diesem Zeitpunkt auch überprüfen, welcher Instrumente wir uns dabei bedienen.

Wir haben vor, durch ein Verfassungsgesetz neben die Neutralität, die an Aktualität und an Gestaltungskraft immer mehr verliert, weil sie ein Instrument des kalten Krieges war, als neues Instrument die europäische Solidarität zu setzen.

Wir haben heute die Westeuropäische Union, die Organisation über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die Partnerschaft für den Frieden, wo wir überall an Friedenssicherung und Friedenserhaltung mitwirken. Das ist eine gute österreichische Tradition. Wir werden diese Friedenseinsätze verstärken, weil wir Österreicher daran Interesse haben, daß rund um unser Land herum Frieden herrscht, und daß in Europa die Menschenrechte geschützt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! In der Europapolitik haben wir die klare Kompetenzverteilung unserer Bundesverfassung und unseres Bundesministeriengesetzes bestätigt. Unser Regierungssystem sieht vor, daß Aufgaben der Europapolitik beim Bundespräsidenten liegen, daß Aufgaben der Europapolitik natürlich auch beim Bundeskanzler liegen, daß aber der Außenminister der Europaminister schlechthin ist, der uns im allgemeinen Rat der Europäischen Union vertritt und damit auch die natürliche Rolle des Europaministers spielt. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich ist Europapolitik umfassend. Es gibt fast keinen Fachminister, der nicht an Räten der Europäischen Union teilnehmen muß. Die Entscheidungen, die dort gefaßt werden, werden in Zukunft auf der Ebene der Bundesregierung koordiniert. Das ist Chefsache. Der Bundeskanzler und der Vizekanzler in der Bundesregierung werden die wichtigen Entscheidungen, die die Europäische Union betreffen, gemeinsam treffen. Zwei Staatssekretäre werden diese Entscheidungen vorbereiten, die Staatssekretärin im Außenministerium das, was den gesamten Bezug zur Europäischen Union betrifft, der Staatssekretär im Bundeskanzleramt das, was die innerstaatliche Vorbereitung betrifft. Das ist eine klare Regelung. (Demonstrativer Beifall und Ruf der Abg. Mag. Ederer: Das ist wohl logisch!) Ich freue mich, daß sie Ihnen gefällt, Frau Ederer! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Damit ist auch die politische Initiative und die Koordination sichergestellt.

Ich komme schon zum Schluß. All dies, was wir hier vorschlagen, ist einem großen Ziel verpflichtet: In einer neuen Partnerschaft wollen wir Österreich fit für eine gute Zukunft machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. (Oje!-Rufe.)

11.16

Abgeordnete Mag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sehr gut, daß Sie auch vor den Zuseherinnen und Zusehern im Fernsehen einmal live zeigen, wie Sie Ihren Stil und Ihren Ton im Umgang mit der Opposition halten, daß hier gleich, bevor noch ein Wort gesagt wird, Mißfallenskundgebungen kommen, und daß auch bei der Diktion, die hier vorher aus den Bankreihen kam – "Fieslinge", "Mieslinge" –, Worte gewählt werden, von denen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 36

ich glaube, daß sie die Würde dieses Hauses verletzen. Sie, die Sie immer einen korrekten Stil der Opposition beschwören, zeigen, wie Sie in den Wald hineinrufen, und Sie wundern sich, wenn es entsprechend zurücktönt. (Beifall bei den Grünen und bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In den Debattenbeiträgen der Vorredner aus den Regierungsfraktionen war sehr viel von den Zukunftsaufgaben, von den großen Zielen, vor denen Österreich, vor denen Europa steht, die Rede. Die Vertreter der Regierungsparteien sind der Meinung, mit diesem Koalitionsübereinkommen, mit dieser Regierungserklärung, diesen Zielen gerecht zu werden. Wenn man sich Umfragen ansieht, was der Bevölkerung, vor allem der Jugend in Österreich wichtig ist, dann kommen immer wieder dieselben Prioritätenreihungen: Es ist dies Umweltschutz – Umweltschutz verstanden als ein modernes Wirtschaftsprinzip –, es ist dies die Frage der Aufhebung alter Abhängigkeiten, die Frage der Emanzipation von Gruppen in der Bevölkerung, die heute unterdrückt sind, die nicht gleichgestellt sind. Es ist dies drittens die Frage, wie es der Jugend in Österreich geht, wie die Bildungschancen in diesem Lande sind, wie es hier mit der Zukunft der jungen Menschen aussieht, und es ist viertens die Frage der Sicherheit: Wie sicher ist Österreich, wie sicher fühlt sich die Bevölkerung?

Ich glaube, daß die Antworten, die Sie im Rahmen des Koalitionsübereinkommens und der Regierungserklärung gegeben haben, nicht geeignet sind, die wichtigen Probleme dieses Landes zu lösen und den Sorgen der Bevölkerung gerecht zu werden.

Sie haben diese Legislaturperiode schon in einer Art und Weise begonnen, die nicht zukunftsorientiert ist, die nichts Neues an sich hat, sondern bisher an Praktiken erinnert, die wir sattsam kennen. Sie haben bei der sogenannten Verkleinerung der Regierung, die ja eigentlich nur auf der Ebene der Ministerposten, der Staatssekretärsposten ansetzt und nicht mit einer wirklichen Strukturbereinigung verbunden war, uralte Rituale – möchte ich fast sagen – weitergeführt.

Da gab es keine sachlichen Argumente, was denn hier zusammengeführt werden soll. Da hätte man durchaus zum Beispiel über Kompetenzzersplitterungen reden können, über die allzu geringen Kompetenzen des Umweltressorts, das dringend die Energiekompetenz dazu erhalten sollte, da hätten wir über die Frage Gesundheit und Soziales reden müssen, über die Frage der Bildungspolitik und eine mögliche Zusammenführung von Kompetenzen. Nein! Was haben Sie getan? – Sie haben Verkehr und Wissenschaft zusammengelegt! Was das sachlich miteinander zu tun hat, kann ich nicht erkennen, außer vielleicht, daß jetzt ganz offenbar Bestrebungen herrschen, über Wissenschaft und Forschung in Österreich drüberzufahren – im wahrsten Sinn des Wortes.

Sie haben Familie und Umwelt zusammengelegt; Kompetenzbereiche, die Sie vor kurzem erst getrennt haben, mit guten Gründen getrennt haben. Die Autorin und Journalistin Elfriede Hammerl hat es bei der Frauendemonstration am 8. März auf den Punkt gebracht: Wir müssen ja gerade noch froh sein als Frauen in Österreich, daß Sie die Familienkompetenzen nicht gleich der Müllabfuhr angegliedert haben.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich aber zu diesen vier Problemkreisen, die ich eingangs aufgeworfen habe und zu denen die österreichische Bevölkerung Anworten verlangt, kommen. Der wichtigste Bereich, zu dem meine Kollegin Monika Langthaler noch ausführlich Stellung nehmen wird, ist der Umweltschutz, ist die Frage: Wie wird das Überleben künftiger Generationen in diesem Lande und weltweit überhaupt möglich sein? Diese Frage wird im Koalitionsabkommen wahrhaft stiefmütterlich behandelt. Vor allem ist interessant, was nicht im Koalitionsübereinkommen steht, was aber in den vorigen Koalitionsübereinkommen noch stand.

Es findet sich kein Wort mehr darüber, daß Sie das Toronto-Ziel, die Eindämmung der die Atmosphäre gefährdenden Treibhausgase, überhaupt noch anstreben. Offenbar haben Sie dieses Ziel schon lange abgeschrieben und aufgegeben. Sie können es nicht mehr, Sie wollen es nicht mehr. Sie haben diesen Zukunftsaspekt ganz einfach aus Ihrem Abkommen herausgestrichen.

Es findet sich kein Wort mehr von Umwelthaftung, kein Wort mehr über dieses marktwirtschaftliche Instrument zur Belohnung umweltbewußter Unternehmungen. Das ist nicht mehr


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 37

da. Das war in den letzten Abkommen noch enthalten. Sie haben es offenbar abgeschrieben, aufgegeben.

Es findet sich zwar sehr wohl das Wort "Verfahrenskonzentration", aber in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers von gestern sind die Bürgerrechte nicht mehr erwähnt. Das heißt: schnelle, rasche Verfahren – offenbar zu Lasten der Mitsprache der Bevölkerung. Herr Bundeskanzler, das wird nicht aufgehen, das wird einmal mehr Proteste auslösen, und die Grünen sind hier mit Sicherheit auf der Seite der Bürgerinitiativen, die die gerechten Anliegen des Umweltschutzes in Österreich vertreten. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Instrument ist die Energiesteuer, die Sie vor der Wahl immer wieder beschworen haben. Was Sie jetzt vorhaben, ist keine Energiesteuerreform, wie wir sie wollten, das ist eine reine Schröpfung der österreichischen Bevölkerung und teilweise auch der Betriebe. Eine echte Energiesteuer ist ein Systemwechsel. Da hieße es, runter mit den arbeitsabhängigen Steuern, runter mit den Lohnnebenkosten und statt dessen Energieabgaben. Was Sie hier machen, ist eine zusätzliche Belastung, die wir in dieser Form ablehnen müssen, weil Sie so die Akzeptanz jeder Ökosteuer bei der Bevölkerung zerstören.

Es findet sich auch kein Wort über eine Neuverhandlung des Transitvertrages. Sie haben Österreich in die EU gebracht, Sie haben angestrebt – oder zumindest behauptet, es anzustreben –, Europa ökologisch umgestalten zu wollen. Jetzt erleben wir eine Transitlawine sondergleichen. Die achtziger Jahre waren von einer Zunahme des Transitverkehrs durch Österreich um 80 Prozent gekennzeichnet, und Sie sind mit einem ungeeigneten Instrumentarium angetreten, aber jetzt findet sich kein Wort mehr davon, daß Sie hier etwas ändern wollen.

Schließlich noch ein Bereich, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, ein sehr umweltrelevanter Bereich, nämlich der des Tierschutzes beziehungsweise einer kleinbäuerlichen, tiergerechten, flächendeckenden Landwirtschaft. Das findet sich nicht mehr im Koalitionsübereinkommen. Nächste Woche wird es ein großes, auf ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz gerichtetes Volksbegehren in Österreich geben, und es gab immer wieder Stimmen – auch aus den Regierungsparteien –, daß Sie das angeblich wollen. Jetzt steht von diesem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz und von den Zielen der Abschaffung der Massentierhaltung, vom Übergang zur einer wirklich tiergerechten Produktion in Österreich nichts mehr im Koalitionsübereinkommen.

Meine Damen und Herren! Der Umweltbereich, der Zukunftsbereich schlechthin, schafft Arbeitsplätze. Das haben Sie zwar jetzt richtigerweise erkannt, aber es fehlen so viele Aspekte, es fehlt alles, was ich aufgezeigt habe, sodaß mir vorkommt, daß es ein nebuloses Lippenbekenntnis ist, wenn Sie im Koalitionsübereinkommen schreiben: "Umweltschutz schafft Arbeitsplätze", und daß es hier an der Ausführung, an der Umsetzung in allen Punkten wirklich fehlt und mangelt. (Beifall bei den Grünen.)

Zweites großes Zukunftsziel und Anliegen: die Emanzipation. Gerade in Österreich haben wir oftmals festgestellt, wie stark die patriarchalischen Strukturen immer noch verankert sind, wie sehr immer noch versucht wird, Frauen, junge Menschen in Ausbildung, aber auch Menschen, die einfach nicht die gleichen Chancen haben – wie etwa Behinderte –, in Abhängigkeiten zu halten. Es gab in den letzten Jahren durchaus Ansätze, gegen diese Abhängigkeiten anzukämpfen. Die Frauen haben mühsam einen Kompromiß in Form des Gleichbehandlungspaketes errungen. Es ist ein Minimalkompromiß in meinen Augen, aber immerhin noch ein Kompromiß. Den Behinderten ist es gelungen, zumindest einmal eine Pflegevorsorge in Österreich zu erreichen. Auch das ist ein Kompromiß. Bei weitem nicht genug, um wirklich Unabhängigkeit zu erreichen, aber immerhin ein erster Schritt zur Loslösung aus Abhängigkeiten.

Was jetzt passiert, dreht dieses Rad der Geschichte wieder ein Stück zurück, dreht es wieder zurück in die Richtung von verstärkten Abhängigkeiten. Gerade bei den Sparmaßnahmen im Bereich der Frauen, im Bereich der Familienförderungen, im Bereich des Karenzgeldes, im Bereich der Frauenpensionen geht es gar nicht sosehr darum, Sparmaßnahmen zu realisieren – finanziell bringt das relativ wenig; es bringt vor allem enorm mehr Bürokratie, gerade etwa bei


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 38

der Verwaltung des Karenzgeldes –, sondern das eigentliche Ziel, das hiermit angestrebt wird, ist ein Ziel, wie es Ultrakonservative seit langem verfolgen, nämlich Frauen und junge Leute wieder stärker in Abhängigkeiten zu bringen, in Abhängigkeiten von Männern, von sogenannten Familienerhaltern.

Das ist angestrebt, und die Sozialdemokratie muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß sie diese ultrakonservativen Ziele mitgetragen hat und daß auch die Frauenministerin im Rahmen der Beratungen zu diesem Sparpaket nicht versucht hat, sich dagegen zur Wehr zu setzen, daß hier tatsächlich ein einseitiges Belastungspaket zu Lasten der Frauen realisiert wird. (Beifall bei den Grünen.)

Bezeichnend ganz allgemein ist auch das Klima und der Ton, der in diesen Fragen herrscht – auch im Umgang mit den Medien und mit der Öffentlichkeit. Da gerade dieser Tage eine große Aufregung rund um das Cover des Nachrichtenmagazins "profil" von dieser Woche geherrscht hat, so kann man tatsächlich die Frage stellen, ob diese Abbildung des Herrn Bundeskanzlers an die Grenze des guten Geschmacks gegangen ist. (Abg. Dr. Nowotny: Nein, das ist eindeutig!) Diese Frage kann man schon stellen, aber viel wichtiger ist, wie darauf reagiert wurde. Diese enorme Verletzlichkeit, die einen offenbar in seiner Eitelkeit oder ich weiß nicht was gekränkten absoluten Herrscher (Abg. Dr. Mertel: Sie verlieren das Maß!) zu den härtesten Instrumenten der Rechtspflege schreiten läßt, ein Nachrichtenmagazin – noch dazu nicht sehr sinnvollerweise Mitte der Woche – einkassieren zu lassen, das erinnert doch an Zeiten des Vormärz in Österreich, und ich denke, das hat uns einmal mehr zum internationalen Gespött gemacht. (Beifall und lebhafte Zwischenrufe bei den Grünen.)

Noch dazu muß man bedenken – meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, ich erinnere Sie daran –, wie eben dieser Kanzler sich in anderen Bereichen, als es auch um Fragen des guten Geschmacks, als es um mehr noch gegangen ist, nämlich um Fragen der Frauenrechte in Österreich, verhalten hat. (Abg. Dr. Posch: Ich möchte sehen, wie Sie reagieren, wenn man das mit Ihnen macht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da gab es mehr als bildliche Darstellungen – auch wenn Sie sich noch so aufregen, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten –, da gab es tatsächlich Übergriffe gegen Frauenrechte, auch in diesem Haus! (Abg. Koppler: Sie sind ein typisches Millionärstöchterchen!) Ich erinnere Sie daran, wie Frauen auch in diesem Haus beleidigt, verhöhnt und verspottet wurden im Rahmen der sogenannten Mikrophon-Lutsch-Affäre, im Rahmen der Dekolleté-Grapsch-Affäre, und ich erinnere Sie daran, wie sich damals dieser Bundeskanzler verhalten hat. Er ist nicht auf der Seite der Beleidigten, Gekränkten und Verletzten gestanden, sondern er hat gesagt: Nur keine Wellen! Das werden wir schon wieder kalmieren! (Abg. Koppler: Typisch Millionärstochter!) Und was ist passiert? – Frau Abgeordnete Schütz, der all das passiert ist, eine sozialdemokratische Abgeordnete, sie mußte letztlich gehen, während denen, die verletzt haben, die beleidigt haben, die gekränkt haben, nichts passiert ist.

In diesem wirklich antifeministischen Klima wundert es auch nicht, wenn derartige Frauenbelastungspakete so einfach geschnürt werden und wenn man glaubt, sie so einfach durchdrücken zu können.

Meine Damen und Herren! Der dritte Punkt, der dritte große Zukunftsaspekt, der sich durch alle Reden gezogen hat und der der österreichischen Bevölkerung –, vor allem den jungen Leuten – sehr am Herzen liegt, ist die Frage der Zukunftsinvestitionen, ist die Frage der Zukunftsinvestition schlechthin: Bildungspolitik. Auch hierzu waren die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers denkbar vage. Es geht zwar um internationale Anerkennung von Diplomen, um Anrechnungen, aber die Frage, wie es den Universitäten, wie es den Schulen, wie es den Studierenden, wie es dem akademischen Mittelbau in Österreich geht, die spricht der Herr Bundeskanzler nicht an. (Abg. Edler: Das interessiert die Arbeiter auch in den Betrieben!) Das interessiert die Arbeiter auch. Selbstverständlich! Aber das, was Sie hier tun – auch jetzt mit Ihren Zwischenrufen –, das ist etwas, was Sie sonst immer den Freiheitlichen vorwerfen. Sie polarisieren, Sie versuchen, die Arbeiterschaft in Österreich gegen die Studierenden auszuspielen, und das weise ich zurück! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Edler: Sie haben gestern zur Revolte aufgerufen!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 39

Es ist zu wenig geschehen für die Arbeiterinnen und Arbeiter in Österreich. Es ist zu wenig passiert, und vor allem haben Sie als die stärkste Fraktion in diesem Hause mit einem 10-Prozentpunkte-Vorsprung gegenüber der nächststärksten Partei, es die ganze Zeit unterlassen, ein einheitliches Arbeits- und Sozialrecht für Arbeiter, Angestellte und Beamte zu schaffen. Damit wären wir dieses ständige Hickhack, wer mehr Privilegien und wer weniger hat, endlich los. Streben Sie das doch endlich an, statt die Bevölkerungsteile gegeneinander auszuspielen! (Beifall bei den Grünen.)

Und eines vor allem: Alle, die in diesem Land arbeiten, brauchen auch entsprechenden Nachwuchs, sie brauchen junge Leute. Und weil die Wirtschaft nicht stehenbleibt, weil die Qualifikationserfordernisse höher werden, brauchen diese jungen Leute immer höhere und immer bessere Qualifikationen. Österreich hat leider einen im internationalen Vergleich sehr, sehr niedrigen Anteil an Akademikerinnen und Akademikern, nämlich etwas über 7 Prozent; im benachbarten Ausland ist es gut das Doppelte. Diesbezüglich haben wir einen großen Nachholbedarf.

Was tun Sie? – Sie haben auch zu Lasten der Universitäten ein Belastungspaket geschnürt, das wirklich seinesgleichen sucht. Sie haben in einer überfallsartigen Aktion mit wenigen Tagen Begutachtungsfrist für den akademischen Mittelbau Gehaltseinbußen bis zu 30 und 40 Prozent eingeführt (Abg. Schwemlein: Dazu muß man erst einmal hohe Gehälter haben!) , Sie haben tatsächlich Personen mit Füßen getreten, deren Belastung in den letzten Jahren ständig gestiegen ist.

Da hätten wir tatsächlich über Strukturreformen reden müssen. Und was tun Sie? – Sie kürzen im ganzen Bereich einfach brutal herunter und führen gleichzeitig neue Hierarchien ein. In Zukunft wird das Einkommen davon abhängen, ob einer Magister oder Doktor ist, auch wenn er dieselbe Leistung erbringt. (Abg. Schwemlein: Meinen Sie die Assistenten mit 50 000 S?) Das sind neue Hierarchien, von denen ich gehofft hatte, daß insbesondere die Sozialdemokraten nicht für solche unsachlichen Kriterien und solche unsachlichen Trennungen eintreten. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Bei den Studierenden haben Sie tatsächlich die Chancengleichheit gerade für junge Leute, die nicht am Studienort wohnen, die etwa aus den Bundesländern anreisen, dramatisch geschwächt und verringert, und zwar dadurch, daß Sie ihnen die Fahrtenbeihilfen streichen, dadurch daß Sie – übrigens in einer Art und Weise, wie das schlicht und einfach unerfüllbar ist – auch die Familienbeihilfen in Frage stellen oder davon abhängig machen, daß Studienerfolge erzielt werden, die in der Realität einfach nicht mehr erzielbar sind.

Insgesamt werden mit diesen Maßnahmen die Universitäten, die Studierenden, der akademische Mittelbau stärker getroffen als irgendeine andere Bevölkerungsgruppe. Und da Abgeordneter Khol vorhin einmal mehr die österreichische Realverfassung beschworen und das Hohelied der Sozialpartnerschaft gesungen hat, muß ich ihm sagen: Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst hat hier eine Gruppe ihrer Angehörigen, nämlich die Universitätslehrerinnen und Universitätslehrer, mit ihren Interessen verraten, verkauft und im Stich gelassen. (Beifall bei den Grünen.)

Und überall dort, wo man glaubt, daß man so einseitig über Gruppen in der Bevölkerung drüberfahren kann, muß – und ich sage gerne: leider – dieser Konflikt dann auf der Straße ausgetragen werden.

Sie haben in einem ganz wichtigen Bereich der Zukunftsinteressen Österreich gezeigt, daß es Ihnen nicht wirklich um diese Vorbereitung für das dritte Jahrtausend, um die Zukunft geht, sondern Sie haben dort drakonische Sparmaßnahmen verhängt, wo Sie der Meinung sind, daß wenig Gegenwehr kommen wird, wo Sie meinen, daß es um so kleine Gruppen wie die Studierenden oder um so relativ schlecht organisierte Gruppen wie die Frauen geht, bei denen die Solidarität nicht groß genug sein würde, um eine Änderung des Paketes herbeizuführen. Herr Dohr und die Herren Beamtengewerkschafter haben offenbar für die Herren Sektionschefs und Ministerialräte verhandelt, aber nicht für die Jugend in diesem Land, nicht im Sinne eines


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 40

neuen Generationenvertrages und nicht für Bildung und Hochschulen in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

Noch ein weiterer Punkt, der vor allem die Jugend in Österreich betrifft: Wenn man sich anschaut, was zum Wohnrecht in diesem Koalitionsübereinkommen zu finden ist, dann muß ich wirklich sagen, das liest sich wie ein schlechter Scherz, wie ein trauriger Scherz eigentlich. Wortwörtlich heißt es hier im Koalitionsübereinkommen: "Im Wohnrecht werden die Reformüberlegungen insbesondere zur Befristung von Mietverträgen und zur Abrechnung der Bewirtschaftungskosten fortzuführen sein."

Sie führen Reformüberlegungen fort und überlegen und überlegen und überlegen, und Sie scheinen nicht zu merken, daß dramatische Ungerechtigkeiten am Wohnungsmarkt herrschen, daß vor allem diejenigen, die jetzt auf Wohnungssuche sind, daß die jungen Leute, die eine größere Wohnung brauchen, daß die Familien einfach keine leistbaren Wohnungen finden, weil Sie ein Wohnrecht geschaffen haben, das einerseits kompliziert und unübersichtlich ist, das nicht mehr vollziehbar ist und das vor allem das Grundbedürfnis Wohnen unerschwinglich gemacht hat. Statt zu handeln, statt zu schreiben: Wir werden das ändern, und zwar schleunigst!, statt dessen schreiben Sie: Wir werden halt überlegen. Weil Sie wissen, daß die Koalitionspartner in dieser Frage niemals auf einen grünen Zweig kommen, da sie ja völlig unterschiedlicher Meinung sind, deswegen geben Sie auch in diesem Punkt die Interessen der jungen Leute, die Interessen der Wohnungsuchenden preis.

Meine Damen und Herren! Umweltschutz, Defizitbereich, Emanzipation – Sie drehen das Rad der Zeit zurück, Sie schaffen neue Abhängigkeiten für Frauen, für Behinderte. Jugend, Bildung, Wohnen – hier fehlen mir die Zukunftsaspekte, hier sind keine konkrete Handlungen vorgesehen.

Und auch was den vierten und letzten Punkt, den ich ansprechen will, angeht, die Frage der Sicherheit, kann ich nicht erkennen, daß Sie die Zeichen der Zeit wirklich verstehen oder verstanden haben.

In der Frage der Sicherheitspolitik muß man schon fast ein Sprachwissenschaftler oder eine Sprachwissenschaftlerin sein, um das Koalitionsübereinkommen überhaupt lesen zu können. Da finden sich unverständliche Sätze und irgendwelche ganz kryptischen Formulierungen.

Nur an einem haben Sie sich beinhart vorbeigeschwindelt, nämlich an der bloßen Erwähnung des Wortes Neutralität. Wenn Sie der Meinung sind, daß die Neutralität in Österreich ausgedient hat, daß sie obsolet ist, dann haben Sie doch, bitte, den Mut und schreiben Sie das hinein.

Die Grünen sind nicht dieser Meinung. Wir glauben, daß die Neutralität – natürlich in einer immer zeitgemäß adaptierten Form, natürlich unter Beachtung einer zeitgemäßen Neutralitätspolitik – ein sehr, sehr modernes und zukunftsorientiertes Instrument der Sicherheitspolitik ist. Aber es ist unerträglich, daß Sie von SPÖ und ÖVP ganz offenbar verschiedener Meinung sind, und weil Sie das nicht ausdiskutieren können, machen Sie so komplizierte Sätze und hoffen: Es wird eh keiner verstehen, was wir da meinen.

Aber dann finden sich doch einige sehr harte Kerne darin, nämlich daß Sie sagen, Sie wollen voll und ganz bei der Außen- und Sicherheitspolitik der EU mitmachen, Sie wollen, daß die WEU voll aktiv wird im Rahmen der sogenannten Petersberger Aufgaben. In Kombination bedeutet das, daß Sie auch für Österreich diese Teilhabe anstreben, und das heißt im Klartext – und das soll man einmal so deutlich aussprechen, und das sollen auch die Sozialdemokraten endlich einmal zugeben –, daß Sie die Neutralität auf kaltem Wege so weit reduziert haben, daß davon eigentlich nichts mehr übrigbleibt.

Diese Petersberger Aufgaben, die Sie hier im Koalitionsübereinkommen ausdrücklich ansprechen, das sind alle militärischen Aufgaben, von defensiven Verteidigungsaufgaben bis hin zu offensiven, bis hin zu Angriffshandlungen. Hier führen Sie keine Abgrenzung durch, und ich sage, daß das mit der österreichischen Neutralität, so wie sie im Neutralitätsgesetz verankert ist


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 41

und so wie sie der Tradition der österreichischen Neutralitätspolitik entspricht, nicht mehr vereinbar ist. (Beifall bei den Grünen.)

Noch eines füge ich hinzu: Es ist gerade im Lichte des schrecklichen Krieges in Bosnien wirklich klar erkennbar geworden, daß rein militärische Konzeptionen der Friedenssicherung ausgedient haben. Man hat zu spät begonnen, die Menschenrechte am Balkan zu beobachten, man hat sich zu spät eingebunden, man hat es verabsäumt, sich auf die Seite der Gefährdeten, der Bedrohten zu stellen, man hat es verabsäumt, zeitgerecht effiziente Wirtschaftssanktionen zu ergreifen.

Und wenn man diesbezüglich das Koalitionsübereinkommen liest, Herr Vizekanzler, dann fällt schon auf, daß dieses ausdrücklich eine Exportoffensive enthält, die Sie durchführen wollen, von der Sie hoffen, daß sie neue Arbeitsplätze schaffen wird. Nur, in diesem Kapitel über die Exportoffensive findet sich kein Wort zu den Menschenrechten. Österreich ist – leider – schon ein gebranntes Kind. Österreich hat in den ehemaligen Ostblockstaaten sehr viel Geld verloren, weil wir die Frage der Menschenrechte nicht genug bewertet haben.

1989 sind diese menschenverachtenden, unterdrückenden Systeme zusammengebrochen, Gott sei Dank in den meisten dieser Staaten, aber leider nicht allerorts friedlich. Jetzt hat ein Demokratieprozeß begonnen, der noch im Gange ist. Sie haben damals, in der Zeit vor 1989, große Exportstützungen für Geschäfte mit diesen Ländern gewährt, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mußten dafür geradestehen, und als dann der Umbruch kam, hat Österreich sehr viel Geld verloren.

Sie haben aus diesen Verlusten keine Lehre gezogen. Sie schreiben weiterhin von Exportoffensiven, und wir alle wissen, mit welchen Ländern diese Exportoffensiven verknüpft sind: mit Ländern, in denen notorisch und schwerwiegend die Menschenrechte verletzt werden, mit Ländern wie dem Iran, dem Irak und besonders mit China. Nach China beeilen sich österreichische Delegationen zu reisen. Gerade eben ist wieder eine Delegation des Bundesrates unterwegs, elf Personen, von SPÖ, ÖVP und FPÖ. Gemeinsam reisen sie nach China, um dort den chinesischen Herrschern gegenüber eine Ehrerweisung abzugeben, um einen chinesischen Festtag mitzufeiern und um zu zeigen, den Österreichern ist schnelles Geld doch weit wichtiger als die Menschenrechte.

Ich sage Ihnen: Das gilt nicht für diese Opposition in dem Haus, und das gilt auch nicht für die österreichische Bevölkerung! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Puttinger: Wir nehmen sie lieber an die Brust, als daß wir sie ausquetschen!) Reden, Herr Abgeordneter, reden kann man schon. Verhandeln sollen wir. (Abg. Dr. Puttinger: Wir wollen sie wegen der Menschenrechte nicht ausgrenzen! Sie wollen sie ausgrenzen!) Aber was Sie machen, das ist Geschäftemacherei auf Kosten der Menschenrechte.

Wenn ich mir dann anschaue, daß der Herr Bundeskanzler auf der Titelseite der Tageszeitung "Kurier" zu sehen ist, und zwar Hand in Hand im Reigen mit dem Schlächter vom "Platz des Himmlischen Friedens" (Abg. Dr. Puttinger: Ihr macht es nur beim Demonstrieren! Wir wollen konstruktiv sein! Ihr tut nur bei Demonstrationen dasselbe!) , mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng, dann muß ich sagen: Reden und für die Menschenrechte zu kämpfen ist etwas anderes, als sich Händchen haltend mit jemandem abbilden zu lassen, an dessen Händen Blut klebt.

Meine Damen und Herren! Gerade wenn Sie sagen, es geht Ihnen um die Menschenrechte, Sie wollen nicht ausgrenzen, dann frage ich Sie: Wie versteht denn China unsere Signale? Wie versteht China denn die Signale dieser Buckeldelegationen, die da aus Österreich kommen, dieser Buckeldelegationen von SPÖ, ÖVP und FPÖ? (Abg. Dr. Puttinger: Ich würde mich schämen!) China versteht das als Aufforderung, so weiterzumachen. (Abg. Dr. Puttinger: Wir schneiden das Thema an!)

Vor wenigen Tagen, am 6. März dieses Jahres, ist ein 42 Seiten starker Bericht des amerikanischen State Department zur Situation der Menschenrechte in Tibet erschienen, und dieser Bericht spricht eine sehr klare Sprache. Er spricht von alptraumartigen Zuständen, er spricht von


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 42

Folterungen, willkürlicher Haft und Hinrichtungen aus politischen Gründen. (Abg. Dr. Puttinger: Das stimmt!)

China versteht diese Signale, daß dem reichen Europa, auch dem reichen Österreich, ein paar Milliardengeschäfte wichtiger sind als die Menschenrechte. Ich sage Ihnen nur eines: Die jungen Leute in Österreich verstehen das nicht, die verstehen das nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Da wird sogar nicht einmal davor zurückgeschreckt, daß man kleine Kinder verschwinden läßt, wie den Pantschen-Lama, ein religiöses Oberhaupt der Tibeter, der in China einfach verschwunden ist, verschollen – ein siebenjähriges Kind. Es ist mir wichtig, das heute in diesem Haus zu erwähnen, weil ich glaube, wir dürfen diese Personen, wir dürfen die Inhaftierten und Gefolterten nicht totschweigen. Wir sollten eigentlich auf ihrer Seite stehen, auch wenn das zu Auftragseinbußen führt. Das ist gut angelegtes Geld, wenn wir auf die Menschenrechte setzen und dort investieren. (Beifall bei den Grünen.)

China hat das auch recht verstanden, das österreichische Verhalten, wenn es jetzt einmal mehr Drohgebärden aufnimmt in Richtung Taiwan, in Richtung Singapur, und wenn es deutlich zeigt: Wir wissen, daß vom reichen Europa keine Gefahr droht. Die sind so emsig bestrebt, ihr Schärflein ins Trockene zu bringen, daß kein Hahn – jedenfalls nicht von der Regierungsbank aus – nach den Menschenrechten krähen wird.

Meine Damen und Herren! Das sind die eigentlichen Zukunftsfragen für Österreich: Umweltschutz, Emanzipation, Fragen der Bildungspolitik und der Jugend und Fragen der Menschenrechte und ihre Verbindung mit der Außenpolitik. Und solange Sie auf diese Fragen keine ehrlichen Antworten finden, solange Sie glauben, sich da mit Worthülsen oder sogar mit rein kommerziellen, rein profitorientierten Überlegungen aus Ihrer Verantwortung herausstehlen zu können, solange spreche ich als Oppositionspolitikerin Ihnen die Kompetenz ab, daß Sie Österreich auf einem guten, auf einem ökologischen Weg ins dritte Jahrtausend führen. (Beifall bei den Grünen.)

11.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr hat sich Herr Vizekanzler Dr. Schüssel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Vizekanzler.

11.51

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich glaube, es ist wichtig, nachdem die erste Runde der Sprecher der fünf Parlamentsfraktionen absolviert ist, den Blick wieder auf das Ganze zu richten, darauf, worum es denn bei den großen Herausforderungen bei der kommenden Regierungsarbeit überhaupt geht.

Die meisten europäischen Länder leiden unter exzessiven Budgetdefiziten. Österreich ist da ganz sicher nicht allein. Unser Defizit ist allerdings im Jahr 1995 deutlich angestiegen. Wir weisen jetzt nach den internationalen Kriterien in Europa über 6 Prozent Budgetdefizit aus, und wenn wir hier nicht gegensteuern würden – und das muß ich allen jenen Oppositionssprecherinnen und -sprechern sagen, die Einzelmaßnahmen kritisieren, aus dem Gesamtprogramm herausnehmend –, dann passiert genau das – hoch zwei –, was Sie befürchten, nämlich unsoziale Auswirkungen, es würden die Zinsen steigen, die Inflation in die Höhe gehen, und es hätte katastrophale Auswirkungen auf die Arbeitsplätze von heute, mehr aber noch auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit.

Daher ist die Frage nach dem Sinn des Sparens zu stellen. Warum machen wir das alles? Doch nicht als Selbstzweck, um irgend jemanden zu ärgern, nicht aus Profitgier oder um das Rad der Zeit zurückzudrehen, ultrakonservativ, wie Sie offensichtlich einen Teil der Regierung bezeichnen. Mitnichten. Weil uns die Zukunft der kommenden Generation am Herzen liegt, weil wir eine Basis für den kommenden Wohlstand, für die Entwicklungsmöglichkeiten, für die politische Gestaltung schaffen müssen.

Mir ist es zuwenig, wenn man sagt: Alle müssen den Gürtel enger schnallen, aber fangen wir an, am Gürtel des Nachbarn herumzufummeln. Alle sind betroffen, und dies ist die Aufgabe der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 43

Regierung, mit einem Gesamtkonzept allen das Gefühl zu geben, das Richtige zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens dürfen wir die Augen nicht davor schließen, daß im Augenblick die europäische Konjunktur – nicht nur in Österreich – schwächer wird, im Moment überhaupt nicht wächst. Das ist in Deutschland so, in Frankreich, in den skandinavischen Ländern, auch in Österreich. Daher ist es wichtig, daß wir dies nicht als gottgegeben hinnehmen, sondern daß gegengesteuert wird, daß man höhere Arbeitslosenraten nicht einfach hinnimmt, sondern daß wir ein gemeinsames Beschäftigungsoffensivkonzept entwickelt haben, daß durch verbesserte Investitionsförderungsmöglichkeiten – der Investitionsfreibetrag wird angehoben –, durch Initiativen auf den verschiedensten Bereichen, für Schiene, für Straße, durch Umweltinvestitionen, – durch Investitionen im Wohnbau – dem gegengesteuert wird. Und das verbindet diese Regierung, Sozialdemokraten genauso wie die Volkspartei, daß wir hier sehr konstruktiv vorgegangen sind und dies zu einem wichtigen Schwerpunkt unserer kommenden Arbeit machen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Aber es ist wichtig, daß wir das Ganze dabei im Auge behalten und daß wir nicht vor noch so berechtigten Einzelinteressen in die Knie gehen.

Mich hat schon gestört, daß manche Oppositionsredner ein ganz typisches Zielgruppenherauspicken betrieben haben. Da gibt es die Zielgruppe der Bauarbeiter, da gibt es die Zielgruppe der Studenten, dort gibt es die Zielgruppe der Frauen. Für jeden wird ein Wort fallengelassen. Nur, bitte, wo ist dann der Blick auf das Ganze? Da können dann genauso die Bauern, die Unternehmer, die Arbeiter, die Angestellten, die Investoren, die Beamten auftreten und sagen: Wir haben auch berechtigte Interessen!

Ich glaube, was die Regierung und die beiden Koalitionsparteien mit gutem Ergebnis zustandegebracht haben, ist – und das war nicht einfach –, ein 100-Milliarden-Schilling-Sanierungsprogramm so auszugestalten, daß man es sozial vertreten kann, daß wir Ende nächsten Jahres als eines der wenigen Länder Europas die Möglichkeit haben, an der Wirtschafts- und Währungsunion voll teilnehmen zu können, und daß niemand dabei das Gefühl haben muß, über Gebühr bestraft oder gefordert zu sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir tun das Notwendige, und wir wollen es rasch tun. Wir haben ja nicht deswegen acht Monate Nettoverhandlungszeit gebraucht, damit wir uns über die Kompetenzen oder über die Ministerien auseinandersetzen, sondern zum erstenmal in der Geschichte von Regierungsverhandlungen haben wir Ihnen gestern die Regierungserklärung vorgelegt, wird heute darüber debattiert und wird morgen ein Sonder-Ministerrat stattfinden, der bereits zwei Jahresbudgets und Dutzende Begleitgesetze dem Hohen Haus vorlegt. Wir haben also nicht bloße Rhetorik oder Lyrik, wie es manche kritisiert haben, vorgelegt, Blabla oder Sprechblasen, sondern ganz konkrete Umsetzungsmaßnahmen.

Wir haben bereits die Verhandlungen mit dem öffentlichen Dienst, schwere Verhandlungen, abgewickelt, und es ist den Beamtenvertretern zu danken, daß sie einen 16-Milliarden-Anteil am Gesamtsanierungsprogramm mittragen. Das zeugt meiner Meinung nach von Größe, und der Siegi Dohr sollte hier nicht gescholten werden, wie es gerade die Frau Dr. Petrovic gemacht hat, denn er ist ein großer Gewerkschaftsführer, wie etwa der Toni Benya, der uns lange Zeit hier zugehört hat, weil er wußte, daß das Ganze wichtiger ist als noch so begründete Teilinteressen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich will aber nicht nur den Siegi Dohr herausstreichen, sondern auch alle anderen Sozialpartner, die hier weit mehr gemacht haben, als ihnen so viele Kritiker aus der Sozialpartnerschaft zugetraut haben, ob das ein Rudolf Schwarzböck und ein Präsident Nürnberger im Verhandlungsteam gewesen ist oder Verzetnitsch, Maderthaner, Hostasch als Sozialpartner begleitend. Wo gibt es das in ganz Europa, daß ein derartiges Sanierungsprogramm mit Unterstützung der Sozialpartner, ohne Streiks, ohne französische Verhältnisse mitgetragen wird, weil die Sozialpartner wissen, daß das Ganze wichtiger ist als noch so begründete Teilinteressen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 44

Es wurde von den Vorrednern schon darauf hingewiesen, daß das Wahlergebnis in der Demokratie zu beachten ist. Und was wollten denn die Wähler und die Wählerinnen? – Sie wollten – und das kann man wirklich herausinterpretieren – die Zusammenarbeit in Österreich, die Zusammenarbeit zwischen den beiden alten und neuen Koalitionspartnern, die sich auf der Basis eines verbesserten, energischeren und auch umsetzbareren Reformprogramms noch einmal zusammengefunden haben.

Sie wollen aber auch, meine Damen und Herren von der Opposition, die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und allen Parlamentsfraktionen. Und Sie sollten sich hier bitte nicht verweigern, bei noch so berechtigter Kritik, gar keine Frage. Aber versuchen Sie bitte, auch ein bißchen zu differenzieren. Nur neue steuerliche Vorteile, etwa für Teilzeitarbeit, oder für jene Förderungen oder ähnliches zu verlangen, wird angesichts der Sparnotwendigkeiten, meine ich, ein bißchen zu wenig sein. Der Einladung von uns sollte aber hoffentlich auch die positive Antwort von Ihnen folgen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich halte es auch für wichtig, daß die Politiker selber dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Ich sage auch ganz offen: Mir ist sehr wichtig – und ich weiß mich hier auch mit Dr. Vranitzky sicher einer Meinung –, daß wir ein Politikerbild in der Öffentlichkeit haben wollen, das nicht davon geprägt ist, Nehmer zu sein, sondern wir wollen Politiker, die Ihr-Bestes-Geber sind – für das Land, für ihre Wählergruppe und letztlich auch für das Interesse unserer Zukunft. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist für mich auch keine Überraschung, daß eigentlich mehrheitlich – bei vieler Kritik im Detail, aber mehrheitlich – das Gesamtprogramm mitgetragen wird. Warum? – Weil die kleinen Leute manchmal viel besser als sogenannte Eliten wissen, was notwendig ist. Und daher sollen auch manche, die jetzt gerade besonders stark in der Öffentlichkeit mit ihren Protesten sind, nachdenken, ob sie wirklich die einzigen sind, die davon betroffen sind, oder ob sie nicht ein Teil des Ganzen sind.

Das ist an die Adresse der Universitäten gerichtet, die vom 100-Milliarden-Schilling-Sparprogramm mit nicht einmal einer Milliarde Schilling betroffen sind. Aber das ist auch die Antwort auf die sehr vielen Briefe, die wir von Wirtschaftstreuhändern oder von Investoren bekommen haben, die über Abschreibmodelle, über Bauherren-Modelle, über diverseste Einzelbegünstigungen wortreich Klage führen. Ich verstehe das alles.

Aber mein Dank gilt vor allem den Hunderttausenden kleinen Leuten, die bereit sind, ihren Anteil am Opfer zu leisten, es mitzutragen. Ja, es wird schmerzhaft sein. Wir wissen das. Es ist aber wichtig, um in Zukunft besser dazustehen und um die Sicherung der Pensionen, der Sozialleistungen und der Arbeitsplätze optimal zu garantieren. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich sagte, wir stehen heute besser da als noch vor einem Jahr oder im Herbst vergangenen Jahres, denn wir meinen es ehrlich. Es ist bereits in den Budgets festgeschrieben, daß 11 000 Dienstposten abgebaut werden, daß es zu ehrgeizigen Ausgliederungen kommen wird, daß es verschiedene Veränderungen geben wird wie beispielsweise die Streichung des Inflationsausgleichs für Politiker durch vier Jahre hindurch.

Des weiteren ist festgeschrieben, daß es zu einer deutlichen Bremse bei den Frühpensionen kommen soll. Dies wird im öffentlichen Dienst genauso wie beim ASVG, aber auch bei den Eisenbahnern umgesetzt. Aber man soll diejenigen, die diese Maßnahmen verhandelt haben, nicht schelten, sondern ihnen dankbar dafür sein, daß sie bereit sind, uns im Interesse des Ganzen dabei Schützenhilfe zu leisten.

An dieser Stelle möchte ich ein ganz deutliches Bekenntnis zu einem Berufsbeamtentum auch in Zukunft abgeben. Staatsdiener zu sein, ist etwas Besonderes und bedarf daher auch eines bestimmten Schutzes gegen politische Willkür. Das hat der Bundeskanzler ebenfalls zum Ausdruck gebracht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir sind, was die Regierung betrifft, auch mit gutem Beispiel vorangegangen. Jeder, der über eine durchschnittliche Intelligenz verfügt, weiß, daß dadurch nicht das Budget saniert wird, aber


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 45

daß wir gegenüber der letzten Koalitionsvereinbarung die Zahl der Bundesminister um immerhin fünf Regierungsmitglieder reduziert haben, nämlich von 21 auf 16, also um ein Viertel, ist, glaube ich, mehr als ein Symbol. Dieses Zeichen soll sichtbar machen, daß wir bei uns mit gutem Beispiel vorangehen. Ich habe mir eine Statistik angesehen, die die Regierungen Europas in der Europäischen Union in bezug auf Größe, Frauenanteil und was da so alles dazugehört, beschreibt: Wir sind nach Luxemburg jenes Land, das die kleinste Regierung in der ganzen EU hat. Vielleicht sollte man auch das – einmal wenigstens – positiv zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Haselsteiner: Wir sind auch das zweitkleinste Land!)

Die neue Regierung hat nur mehr vierzehn Ministerien. Wir werden in Zukunft versuchen, auch die Doppelkompetenzen beziehungsweise Mehrfachkompetenzen zu reduzieren. Ein Minister gehört weder der SPÖ noch der Volkspartei an: Es ist dies der neue, alte Justizminister Dr. Michalek, der parteiunabhängig ist. Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich: Es ist mir, es ist uns wichtig, daß die Justiz von einem parteiunabhängigen Fachmann geführt wird, der unser aller Vertrauen genießt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Nun komme ich zum zweiten großen Thema – und das kann bitte jeder, der das Regierungsübereinkommen nach objektiven Kriterien liest, selber nachlesen –: Es sind große Veränderungsnotwendigkeiten festgeschrieben, und diesen nachzukommen, wird meiner Meinung nach Österreich nicht umhinkönnen.

Es ist, Frau Dr. Schmidt, natürlich die Flexibilisierung der Arbeitszeit im Arbeitsprogramm der Regierung enthalten. (Abg. Dr. Schmidt: Das habe ich nicht bestritten! Die Ladenöffnungszeiten kommen nicht vor!) Dabei handelt es sich nicht um alte "Lyrik" von vor zehn Jahren oder von vor sechs Jahren oder von vor vier Jahren. Nein, wir sind in den Verhandlungen mit den Sozialpartnern in dieser Frage bereits einen großen Schritt weitergekommen. Es ist doch wohl selbstverständlich, daß diese essentiellen Fragen von der Regierung nur gemeinsam mit den Sozialpartnern lösbar sind – in einem vernünftigen partnerschaftlichen Verhältnis.

Es ist eine Offensive zu mehr Teilzeitarbeit im Arbeitsprogramm der Bundesregierung enthalten. Es sind – entgegen Ihren Befürchtungen – genaue und deutliche Worte über Öffnungszeiten und Liberalisierung in diesem Bereich – natürlich nur unter Einbindung der Sozialpartner – enthalten. (Abg. Dr. Schmidt schüttelt verneinend den Kopf.)

Es findet sich darin des weiteren die Forderung nach einer modernen, vor allem Jungunternehmer und Unternehmensgründungen begünstigenden Gewerbeordnung. Wir wollen in den nächsten Jahren bis zum Jahr 2 000 im Rahmen einer Gründerwelle die Gründung von 50 000 neuen Betrieben ermöglichen. (Abg. Dr. Kier: Das wollen wir alle!) Noch vor dem Sommer werden sich die Minister Ditz und Klima zusammensetzen, um ein solches Gründungsprogramm, das von Garantien über Gründungssparen bis zu administrativen Erleichterungen gehen wird, zu erarbeiten, das sie dann dem Hohen Haus vorschlagen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wissen ganz genau: Es gibt keine Institution, die Arbeitsplätze schaffen kann. Keine Regierung kann Arbeitsplätze, schon gar nicht neue, garantieren. Arbeitsplätze können nur von Unternehmungen geschaffen und dauerhaft gesichert werden. Deswegen ist es so wichtig, daß wir neben dem notwendigen Sparen auch entsprechende Impulse gegeben haben.

Ein ganz wichtiger Punkt wird die Exportoffensive sein. Praktisch jeder zweite Schilling, den wir in Österreich im internationalen Wettbewerb erwirtschaften, kommt von der Exportfront her. Unsere Werte sind da ja gar nicht schlecht. Wir haben im vorigen Jahr, im Jahre eins nach unserem Beitritt zur Europäischen Union, um 10 oder 11 Milliarden Schilling mehr in die übrigen EU-Mitgliedsstaaten exportiert. Wir haben in Richtung Oststaaten im letzten Jahr 10 Milliarden Schilling mehr exportiert und haben dort mittlerweile einen Überschuß von 20 Milliarden Schilling. In Asien gibt es die dynamischsten Wachstumsmärkte der Zukunft. Die Hälfte der Menschheit wohnt und lebt dort, und da gibt es boomende Märkte. So sehr ich wirklich dafür bin, daß sich Österreich manchmal als Nabel der Welt fühlt, aber wir dürfen nicht vergessen, daß


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 46

unser Wohlstand und unsere Wirtschaftsleistung in einem sehr hohen Ausmaß nur über eine Asien-Offensive hereingebracht werden kann.

Wir haben uns deutliche Vorhaben im Bereich der Gesundheit vorgenommen. Es ist richtig, daß im Koalitionsabkommen darüber nur wenige Sätze enthalten sind. Wir haben aber ausdrücklich gesagt, daß dieser Teil einer gesonderten Verhandlungsrunde mit den Vertretern der Länder, der Gemeinden und Spitalserhalter vorbehalten ist, die bis zum Sommer abgeschlossen sein wird.

Es hat gestern der Bundeskanzler darauf hingewiesen, es gebe mehr Geld – es sind 7 Milliarden Schilling, die in den nächsten vier Jahren zusätzlich dazukommen sollen – für den Gesundheitsbereich. Dies jedoch nur unter der Bedingung, daß ehrgeizige Reformen durchgeführt werden, daß tatsächlich eine koordinierte Ausbauplanung betrieben wird, daß man auf Leistungsanreize in der Abrechnung aufbaut. Das Geld wird nicht von vornherein und automatisch fließen, sondern wir werden darauf zu achten haben, daß die notwendigen Akzente in der Reform der Gesundheitspolitik gesetzt werden. Das Programm wird bis Sommer vorliegen. Wir haben in das Regierungsübereinkommen einen Satz hineingeschrieben, der sehr wichtig ist: daß nämlich die Gesundheitsvorsorge – auch Werbemaßnahmen in diesem Bereich – von seiten der Sozialversicherungsträger geleistet werden soll. Denn: Eine vernünftige Aids-Anti-Werbung oder -Information oder -Aufklärung erspart uns Millionen Schilling an Folgekosten. Ähnliches soll geschehen in Richtung richtige Ernährung, Bewegungslehre und so weiter.

Das sind offensive Teile, die in diesem Regierungsübereinkommen enthalten sind. Notwendig ist natürlich auch eine Reform der Sozialversicherungsträger. Organisationsreformen bleiben weiterhin auf der Tagesordnung. (Beifall bei der ÖVP.)

Da viele Redner zum Bereich Familie etwas gesagt haben, möchte ich auch an diesem Punkt nicht vorbeigehen, zumal er gerade meiner Partei sehr, sehr wichtig ist. Die Familien bleiben zentrales Anliegen für die Bundesregierung und für diese Zusammenarbeit. Damit da kein Irrtum entsteht: Das, was ich sage, meine ich auch, es ist durch Fakten untermauert, und es ist die Wahrheit und nichts als das.

Österreich ist das beste Familienland der Welt. Wir haben die besten familienpolitischen Leistungen: Transferleistungen, Geldleistungen, Absicherungen. Daran darf, daran wird sich nichts ändern, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es gibt nirgends auf der Welt ein Land, das zwei Jahre arbeitsrechtlich den Schutz des Rechtes auf den Arbeitsplatz einer Frau, die Kinder gebiert, garantiert. Es gibt kein Land auf der Welt, das durch 18 plus sechs Monate hindurch, je nachdem, wie die Partner frei die Möglichkeiten auswählen, Karenzzahlungen leistet. Es gibt nirgendwo auf der Welt eine derart breite finanzielle Unterstützung. Es gibt nirgendwo auf der Welt ein derart dichtes Netz von Familienberatungsstellen. Es ist erfreulich, daß wir gemeinsam dazu finden konnten, zusätzlich noch 600 Millionen Schilling als einmaligen Startimpuls für die Länder und die Gemeinden zur Verfügung zu stellen, damit das Netz der Kinderbetreuungseinrichtungen besser ausgebaut wird. Das ist Geld, das die Länder haben, und diese haben zugesagt, dieses zweckgebunden im Jahre 1997, angereichert durch eigenes Geld, zusätzlich in Kinderbetreuungseinrichtungen zu investieren.

Nur: Machen wir uns nichts vor! Viele Probleme, die die Familien heute haben, sind nicht mit Geld allein zu lösen. Das betrifft die Frage des Drogenkonsums, und zwar gerade bei jungen Menschen; da können wir noch so viel Geld hineinschütten, diese Frage kann dadurch nicht gelöst werden.

Auch die Frage der Elternbildung ist wichtiger denn je. Dies gilt auch für die Frage des Gewaltkonsums im Fernsehen und in anderen Medien. Wir wissen, daß wir derzeit die erste Generation quasi ausbilden, die in ihrer Jugend, die in der Pubertät zwischen 10 000 und 15 000 Schwerstverbrechen zu sehen bekommt, Dinge, die früher jedenfalls von der Jugend ferngehalten werden konnten. Auch das Problem, daß in vielen Familien zuwenig Zeit für die Kinder da ist, sollte uns genauso zu denken geben wie die notwendige materielle Unterstützung für Familien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 47

Nächster Bereich, der sehr wesentlich ist – er wurde schon in vielen Diskussionen angesprochen –: die Frage Europa und die Frage der äußeren Sicherheit Österreichs. Wir sind jetzt im Jahre zwei unserer Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Man kann sagen: Europäer sind wir, aber Österreicher bleiben wir! Wir haben hervorragende Leute in den Institutionen der Europäischen Union: Kommissär Franz Fischler, Verantwortliche für Beschäftigungspolitik, für Entwicklungszusammenarbeit, für Verkehr, für Regionalförderung. Unser Handlungsspielraum hat sich deutlich vergrößert. Das hat man gesehen beispielsweise jetzt beim Asien-Gipfel, in der Balkanpolitik, in der Frage der Entwicklungshilfe. Ich meine, daß wir diese Spielräume auch offensiv ausnützen sollten. Daher ist es notwendig, daß wir ein klares Bekenntnis dazu abgeben, daß wir an allen Politikbereichen der Europäischen Union von Anfang an vollberechtigt teilnehmen wollen – auch an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Machen wir uns doch nichts vor! Unsere Sicherheit ist in Sarajevo und in Palästina genauso mitbetroffen wie bei uns selber. Daher ist es wichtig, daß wir neben der klassischen verfassungsrechtlichen Neutralität immer stärker die Säule der Solidarität entwickeln. Deswegen schaffen wir ein "Bundesverfassungsgesetz für Solidarität und internationale Kooperation". Das geschieht nicht deswegen, weil wir kriegslüstern sind, nein, weil wir den Frieden sichern wollen – in Europa, aber auch bei uns. Das Beste an Sicherheit ist für Österreich gerade gut genug! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben gerade diese Teile des Koalitionsabkommens sehr präzise niedergeschrieben, Frau Dr. Petrovic, und jeder, der lesen und verstehen kann, weiß genau, was damit gemeint ist: Wir wollen von Anfang an auch an der Außen- und Sicherheitspolitik als vollberechtigtes Mitglied teilnehmen. Das ist unsere gemeinsame Absicht! Wir nehmen keine Diskussion vorweg, aber wir sind übereingekommen, daß wir weiterführende Aspekte, etwa die Frage der Vollmitgliedschaft in der Westeuropäischen Union, gleich nach dem Ende der EU-Regierungskonferenz 1996 und noch vor Übernahme des Vorsitzes Österreichs in der EU diskutieren wollen. Diese Diskussion ist notwendig; sie soll nicht vorgezogen, sie soll aber auch nicht unterdrückt werden. Das, was wir vorhaben, ist klar und präzise, und es dient den österreichischen Interessen! (Abg. Wabl: Ist das vereinbar mit der Neutralität: ja oder nein?)

Manche haben kritisiert, das Arbeitsabkommen sei eine Enttäuschung. Ja, es ist eine Ent- Täuschung in mancher Beziehung, es macht ein Ende mit manchen Illusionen, die offensichtlich auch bei manchen Oppositionsrednern noch vorherrschen, nämlich daß man jedem etwas Neues, Gutes versprechen kann und niemandem wehzutun braucht. Das geht nicht! Ent-Täuschung! Neuer Realitätssinn! Neue Verantwortung! Sicherung der Sozialleistungen durch eine stabile Wirtschaft! Sicherung der Arbeitsplätze durch eine bessere Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherung! Eine neue Ehrlichkeit in der Zusammenarbeit der Koalitionspartner! (Abg. Wabl: Was war die alte Ehrlichkeit?) Neuer Mut, Entscheidungen nicht nur anzukündigen, sondern sie auch wirklich durchzusetzen!

Für mich eigentlich der schönste Satz in dem heute schon zitierten Artikel der "Frankfurter Allgemeinen" ist: "Mit all den Maßnahmen kann sich Österreich im europäischen Vergleich sehen lassen. Wien hat allen Grund, darauf stolz zu sein, in der ersten Reihe derjenigen zu sein, die die Wirtschafts- und Währungsunion vollenden wollen. Österreich erweist sich dabei als vorbildliches Land, in dem es ohne soziale Wirren gelungen ist, die Stabilitätsanforderungen zu erfüllen." – Das sagt ein unabhängiger Beobachter.

Das ist kein Weihrauch. Das soll uns Mut machen, die kommenden Wochen gemeinsam im Interesse unseres Landes zu bewältigen! (Langanhaltender Beifall bei der ÖVP und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 48

12.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Verzetnitsch. – Herr Abgeordneter! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß von nun an für die Debattenbeiträge der Abgeordneten die Redezeit vereinbarungsgemäß 15 Minuten beträgt.

12.16

Abgeordneter Fritz Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Lassen Sie mich vor Eingang in meine eigentliche Rede noch eine andere Feststellung treffen. Frau Abgeordnete Petrovic hat gemeint, der Herr Bundeskanzler reagiere wie ein Beleidigter auf die ihn betreffende Veröffentlichung in einem Wochenmagazin. Das sehe ich völlig anders: Es geht hierbei nicht um die Reaktion eines Beleidigten, sondern es geht dabei in Wirklichkeit in unser aller Interesse – auch in Ihrem – darum, daß die Würde des Menschen durch einen solchen Journalismus nicht verletzt werden darf. (Abg. Dr. Petrovic: Bei den Frauen hat niemand reagiert!) Das sollte unser gemeinsames Anliegen sein! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haider: Warum hast du nicht reagiert, als mir dasselbe passiert ist? In der "Wochenpresse"! Das war euch Wurscht, das war lustig!)

Meine Damen und Herren! Wir haben vor rund 16 Monaten über die letzte Regierungserklärung debattiert. Seither haben in unserem Land viele Debatten über die Zukunft stattgefunden. Viele Programme der politischen Parteien, der Interessenvertretungen wurden einer kritischen Prüfung unterzogen. Ich bin froh, daß einige dieser Programme nicht Realität geworden sind, wie zum Beispiel das Vorhaben, Gratisschulbücher abzuschaffen, die Absicht, das zweite Karenzjahr zu streichen, die Forderung nach Reduktion des Urlaubsanspruchs oder des Arbeitslosengeldes, der Vorschlag, daß Beamte ohne Bezahlung eine Stunde länger arbeiten sollen, die Idee, daß gewisse Feiertage auf einen Sonntag verlegt werden sollen. Das waren alles Forderungen der Freiheitlichen Partei! Heute wurde neuerlich die Forderung erhoben, daß ohne Mitwirkung der betroffenen Handelsangestellten Öffnungszeiten verändert werden sollen.

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß diese Programme nicht die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher hinter sich gefunden haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin auch nicht der Auffassung von gewissen Siemens-Managern – darin wird die neue Linie gesehen –, die sagen, die Österreicherinnen und Österreicher, die bei Siemens arbeiten, sollten in Wirklichkeit ein halbes Jahr lang rund um die Uhr der Firma zur Verfügung stehen, wenn dies notwendig ist. Aber dennoch möchte ich klarstellen: Die Firma Siemens hat zum Beispiel im letzten Jahr 100 Beschäftigte mehr im Bereich der Software-Entwicklung angestellt, und das soll man, glaube ich, als positive Meldung weitergeben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch froh darüber, daß sich jene Programme nicht durchgesetzt haben, die wir im Vorjahr und im Vorvorjahr sehr deutlich auch immer wieder zu hören bekamen, nämlich: Das Arbeitsmarktproblem, die Wirtschaftsprobleme lösen wir, indem wir Sozialleistungen kürzen, indem wir soziale Rechte herunterschrauben, dann wird sich der Arbeitsmarkt schon regulieren.

Nein, wir haben es jetzt mit einer neuen Qualität zu tun, mit einem Weg, der in Österreich schon seit Jahrzehnten gegangen wird, ein anderer Weg als jener, den ich gerade beschrieben habe.

Wenn wir die Jahre 1992/1993 Revue passieren lassen, dann sehen wir, daß wir auch damals einen anderen Weg als den internationalen beschritten haben. Wir haben in Österreich nicht die Arbeitslosenzahl ansteigen lassen, sondern durch gemeinsame Aktionen der Bundesregierung und der Sozialpartner letztendlich dazu beigetragen, daß im Vergleich zu allen anderen europäischen Staaten die Beschäftigung in Österreich gesichert werden konnte. (Beifall bei der SPÖ und der Abg. Tichy-Schreder. ) Das kostet Geld, das kostet sogar sehr viel Geld, das kostete auch im Budget sehr viel Geld.

Meine Damen und Herren! Wenn wir zum Beispiel die aktuelle Debatte über die Frage der Beschäftigung ausländischer Bauarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland verfolgen, wo man jetzt, nach langen politischen Debatten, endlich eine Entsenderichtlinie beschlossen, aber gleichzeitig gesagt hat: Wirksam wird sie nur, wenn sich die Sozialpartner über eine Lohnhöhe einigen!, dann halte ich dem entgegen, daß wir hier in Österreich rechtzeitig gehandelt haben und durch das zwar unaussprechliche AVRAG – Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – in


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 49

Österreich eine dementsprechende Richtlinie bereits haben, in der eben, egal woher der Mitarbeiter kommt, die gleichen lohnrechtlichen Bedingungen vorgeschrieben sind.

Ich glaube, daß das Zeichen dafür sind, daß es auch einen anderen Weg gibt. Da heute schon Zeitungen zitiert worden sind, möchte auch ich eine Zeitung zitieren, nämlich die "Süddeutsche Zeitung" vom 12. März 1996, in der unter der Überschrift "Glückliche deutsch-österreichische Auto-Ehen" angemerkt wird, daß immer mehr namhafte Fahrzeughersteller das hohe Know-how österreichischer Firmen nutzen, um ihre Produktion weiter auszubauen. Das sollte uns eigentlich positiv stimmen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich persönlich stimme all jenen zu, die sagen, wir leben in einer verrückten Welt. Ja, es ist eine verrückte Welt! Wenn ein Unternehmensführer ankündigt, daß er 40 000 Mitarbeiter kündigen wird, und daraufhin die Aktienkurse in die Höhe schnellen, wenn auf der anderen Seite – gerade in der vergangenen Woche – der amerikanische Aktienmarkt negativ darauf reagiert hat, daß mehr Beschäftigung erzielt werden konnte, dann muß ich sagen: Es ist eine verrückte Welt, in der in Wirklichkeit im Vordergrund steht: Wie schauen die Dividenden aus? und nicht das, was wir in unserem Lande jahrzehntelang immer wieder in den Vordergrund gerückt haben: ordentliche Gewinne, aber auch Beschäftigungspolitik als eine gemeinsame Schlußfolgerung. Daher stimme ich auch dem Bundeskanzler zu, der gestern in seiner Regierungserklärung klar und deutlich gesagt hat: Ihm ist es lieber, daß Werkstätten entstehen und nicht nur Wertpapiere gekauft werden. – Ich glaube, daß das die richtige Politik ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht um die Entwicklung der Beschäftigung! Diese macht uns auch in Österreich große Sorgen: Eine Arbeitslosenzahl, die sich der 300 000er Grenze nähert, kann nicht dazu führen, daß man sagt: Im internationalen Vergleich haben wir noch immer eine ausgezeichnete Situation. Ich glaube, daß gerade auch der gestern oder heute früh beschlossene Weg einer Veränderung der Arbeitsmarktpolitik der richtige Weg ist. Wir wissen, daß wir in der Bauwirtschaft Probleme haben. Aber wir haben nicht gewartet, bis eine neue Regierung steht. Bundesregierung und Sozialpartner haben sich vielmehr bereits in den letzten Monaten des vergangenen Jahres und auch in den ersten Tagen des neuen Jahres zusammengesetzt und mögliche Maßnahmen für die Bauwirtschaft besprochen. Es war ja sogar Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage, ob man das überhaupt darf, in einer Zeit, in der es keine neubestellte Bundesregierung gibt. Ich glaube allerdings: Zuzuwarten, zuzusehen, wie der Arbeitsmarkt sich negativ entwickelt, wäre der falsche Ansatzpunkt. – Ich glaube vielmehr, daß es richtig ist, eine offensive Politik zu fahren und damit eine entsprechende Entwicklung zu erzielen.

Wenn Abgeordneter Haider fragt: Was ist denn das für ein Arbeitsmarktservice, das kein Arbeitslosengeld mehr bezahlt, wenn jemand die Baupolierschule besucht?, dann möchte ich dem nur das Faktum entgegenhalten, Kollege Haider: Es gibt einen Kollektivvertrag der Bauwirtschaft, der vorsieht, daß das Unternehmen dem Baupolier die Entschädigung dafür bezahlt und nicht die Arbeitsmarktverwaltung. (Abg. Dr. Haider: Wenn er im Unternehmen verbleibt!) Das steht im Kollektivvertrag, klar und deutlich. (Abg. Dr. Haider: Aber funktionieren tut es offenbar nicht!) Es ist erfreulich, daß sich der Bundesinnungsmeister des Baugewerbes zu diesem Kollektivvertrag bekennt, leider machen das einige steirische und Kärntner Unternehmer nicht. (Abg. Dr. Haselsteiner: Wieso schaut er dabei mich an?) Das ist das Problem in diesem Zusammenhang, aber nicht das Arbeitsmarktservice, Herr Kollege Haider. (Beifall bei der SPÖ.)

Für die Maßnahmen der Beschäftigung brauchen wir Mittel, dafür ist ein handlungsfähiges Budget notwendig. Daher hat auch der ÖGB nach langen Beratungen prinzipiell diesem neuen Weg die Zustimmung gegeben. Das ist keine Zustimmung ohne Wenn und Aber. Wenn Sie verfolgt haben, was in den letzten Tagen und Wochen noch letztendlich da oder dort in den grundsatzpolitischen Erklärungen der beiden Regierungsparteien verändert worden ist, dann konnten Sie sehen, daß die Forderungen der Gewerkschaften sehr stark berücksichtigt worden sind.

Kollege Haider! Es gibt auch keine Zustimmung des ÖGB zu zehn, elf, zwölf oder dreizehn Stunden täglicher Arbeitszeit. Sie wissen, daß das eine Forderung der Unternehmer ist. Dem ÖGB geht es bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit darum, daß sie beiden Seiten etwas bringen muß – dem einzelnen Arbeitnehmer, der Familie und den Wirtschaftstreibenden gemeinsam –


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 50

und daß das keine einseitige Maßnahme sein darf. (Beifall bei der SPÖ.) Den Inhalt der Debatten kann man übrigens auch in den Reihen der FPÖ nachfragen, Kollege Blünegger sitzt ja auch im ÖGB-Bundesvorstand und kann das entsprechend klarstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in meiner letzten Rede zur letzten Regierungserklärung klar und deutlich hier gefragt: Wem hier in diesem Saal tut das Sparpaket weh? – Damals war die Antwort ein ziemlich betroffenes Schweigen. Wenn wir heute die neuen Vorschläge der Budgetkonsolidierung ansehen, dann können wir mir Fug und Recht behaupten, daß hiemit der Versuch unternommen worden und, wie ich glaube, auch gelungen ist, die Belastung nicht auf einzelne Bevölkerungsgruppen allein zu verteilen, nicht auf ganz bestimmte Bevölkerungsgruppen abzustellen, sondern diese Belastung doch gleichmäßig und nach Leistungsfähigkeit zu verteilen. Ich glaube, daß das der richtige Weg in diesem Zusammenhang ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Letztendlich geht es doch darum, mit diesen Budgetmaßnahmen den Bewegungsspielraum zu erhalten, und zwar den Bewegungsspielraum für neue Beschäftigung. Es geht nämlich letztendlich auch darum, daß man sich gegen eine Politik zur Wehr setzt, bei der allein die Verhältnisse diktieren. Wenn zum Beispiel ein Vorarlberger Unternehmer der Süßwarenbranche im Fernsehen ganz trocken erklärt: Wenn das Gesetz nicht so und so geändert wird, dann kündige ich morgen Mitarbeiter!, dann ist das eben eine falsche Politik, bei der aufgrund von Einzelinteressen gesagt wird: So wollen wir es haben, und wenn die Politik nicht entsprechend reagiert, dann werden wir dagegen auftreten. Gegen eine solche Unternehmensführung trete ich und tritt auch der Gewerkschaftsbund auf.

Was wir brauchen, ist vielmehr eine ordentliche Debatte über die Fragen: Ist Nacharbeit eine erwünschte Arbeitszeitform? – Welche Schäden haben wir längerfristig durch die Nachtarbeit eigentlich zu gewärtigen? – Ich sehe auch im Arbeitsübereinkommen den richtigen Weg dafür, daß die Sozialpartner gemeinsam darüber diskutieren. Nachtarbeit – unter welchen Bedingungen? Nachtarbeit – unter welchen Ausgleichsmaßnahmen? Denn eines ist erwiesen: Langfristige Nachtarbeit schädigt den Körper, schädigt den Organismus und schädigt auch die Familie, daher sollte das nicht zum Normalzustand werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir erwarten uns auch – und der Bundeskanzler hat das gestern in seiner Regierungserklärung angesprochen –, daß wir endlich diesem Ziel des gleichwertigen Arbeitsrechtes näher kommen und es erreichen. Es sind nur mehr ganz wenige Schritte, die uns davon trennen. Diesbezüglich sollte eine große Anstrengung unternommen werden, um das tatsächlich umzusetzen.

Es geht ferner auch darum, daß mit den Werkverträgen nicht eine Flucht aus dem Arbeitsrecht entsteht. Das mag für den einzelnen im Moment da oder dort eine Belastung sein. Aber in dem Augenblick, in dem er dann Arztkosten hat und eine soziale Versorgung braucht, ruft er nach dem sozialen Netz. – Daher glaube ich, daß der Weg, der jetzt eingeschlagen wird, der richtige ist. (Beifall bei der SPÖ und der Abg. Tichy-Schreder. )

Nutzen wir die Zeit der parlamentarischen Beratung doch in verschiedenen Richtungen! Der Herr Vizekanzler hat gesagt: Vorbeugen ist besser, als dann die Kosten im Zusammenhang mit Ernährungs- und anderen Krankheiten zu übernehmen. Ich glaube ebenfalls, daß es mehr denn je notwendig ist, gerade auch die Gesundheit in der Arbeitswelt, die Prävention, die Vorsorge vor Arbeitsunfällen, vor ungesunden Arbeitsverhältnissen in den Vordergrund zu rücken.

Ich glaube auch, daß es wert ist – auch wenn das der eine oder andere nicht gerne hört –, neuerlich über das Taschengeld für Pflegegeldbezieher nachzudenken. Ich glaube, es geht dabei auch um die Würde des einzelnen Menschen. Wir sollten durchaus auch die parlamentarischen Beratungen dafür nützen. Das gilt übrigens auch für die Karenzzeit. Auch da, glaube ich, geht es darum, daß man mit vernünftigen Lösungen die anstehenden Probleme – denn das sind Probleme, wenn eine Frau oder ein Mann keine Betreuungsmöglichkeit für das Kind hat – letztendlich einer Lösung zuführt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 51

Es geht uns auch letztendlich bei der Frage des Budgets darum, ob es gelingen wird, die da oder dort mißverstandene Ausnutzung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten – wenn zum Beispiel dauernd Rekurse eingelegt und damit in Wirklichkeit nur die Zahlungsziele verschoben werden – einzuschränken.

Auch die Frage des Fruchtgenusses sollte hier einmal einer ehrlichen Debatte unterzogen werden. (Beifall und Rufe bei der SPÖ: Jawohl!)

Wenn wir das Verkehrsministerium neu gestalten, dann geht es uns darum, auch die Wachstumsbranchen abzusichern. Eine Art österreichischer "Swatch" wäre zum Beispiel wünschenswert. Exportmarketing, initiative Unternehmensgründung et cetera sind hier nur einige Stichworte.

Meine Damen und Herren! Ein Wort auch noch zur Europäischen Integration: Die neue Bundesregierung wird in wenigen Wochen Gelegenheit haben, bei der Europäischen Regierungskonferenz in Turin genau den Schwerpunkt, den sie in ihrem eigenen Regierungsprogramm angesprochen hat, nämlich die Frage der Beschäftigung, auch in der EU umzusetzen. Dabei geht es nicht darum, daß das Schlagwort irgendwo steht, sondern es geht zum Beispiel darum, daß die tatsächlich vorhandenen Milliarden der europäischen Strukturfonds für beschäftigungspolitische Maßnahmen eingesetzt werden.

Lassen Sie mich, zum Schluß kommend, sagen: Der Wähler, der Bürger hat den Regierungsparteien einen hohen Vertrauensvorschuß gegeben. Das Regierungsprogramm formuliert die Zielsetzungen, die geeignet sind, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. – Es liegt an uns, rasch zu handeln. (Beifall bei der SPÖ und der Abg. Tichy-Schreder. )

12.31

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

12.31

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Vizekanzler Schüssel! Was Sie gesagt haben, das klingt ja teilweise ganz schön, aber es findet in der parlamentarischen Realität überhaupt keinen Niederschlag. Sie haben gesagt, daß die Wähler die Zusammenarbeit wollten. – Nur: Die Wähler wollen auch, daß die Opposition mitbestimmt und daß Anträge von der Opposition im Parlament auch Beachtung finden. Aber tatsächlich ist es ja so, daß die Anträge der Opposition überhaupt nicht gehört werden. Es liegen zig Anträge im Parlament, ohne daß sie überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt werden. (Abg. Dr. Haider: Richtig!) Und hier im Parlament müssen wir uns dann auch noch vorhalten lassen, daß unsere konstruktiven Vorschläge fehlen! – Das stimmt ja überhaupt nicht. Es ist vielmehr so: Unsere Vorschläge sind da, aber sie werden ganz einfach nicht gehört. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Vizekanzler Schüssel! Mittlerweile haben Sie sich ja wirklich herausgemausert und reden schon so salbungsvoll wie ein Pfarrer, aber wie einer aus einer anderen Welt. Sie sagen beispielsweise, daß die Familie in dieser Regierungserklärung eine zentrale Beachtung findet. – Sie kürzen aber alles, was die Familie finanziell bisher bessergestellt hat! Sie sagen, wie wichtig Ihnen die Wirtschaft ist. – Tatsächlich aber streichen Sie die Verlustvorträge und schaden damit den Unternehmen ganz enorm! (Abg. Tichy-Schreder: Das stimmt nicht!) Sie schaden den Unternehmen auch damit, daß Sie die Werkverträge jetzt sozialversicherungsrechtlich behandeln. Das fällt ja wieder dem Unternehmer zur Last, weil ja sicher der Werksnehmer vom Unternehmer etwas dafür verlangen wird, daß er jetzt Sozialversicherungsbeiträge zahlen muß.

Diese schönen Worte kennen wir alle schon, sie sind ja auch in der Regierungserklärung enthalten. Ich bin einem Journalisten sehr dankbar, der im "Report" dieser Woche Herrn Staatssekretär Schlögl mit der Frage konfrontiert hat: Wie ist das eigentlich, wie kommt so eine Regierungserklärung eigentlich zustande? Wird da nur das abgeschrieben, was in der vorherigen Regierungserklärung gestanden ist? – Und später sagte Herr Brandstätter, dessen Meinung ich meistens nicht teile: Wenn man die Regierungserklärung liest, dann glaubt man nicht, daß man


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 52

sich dabei etwas gedacht hat. – Da kann ich ihm wirklich nur völlig beipflichten, meine sehr geehrten Damen und Herren (Beifall bei den Freiheitlichen), wobei meine erste große Begründung für diese Zustimmung die Zusammensetzung der neuen Bundesregierung ist.

Herr Bundeskanzler! Sie wollen ein Zukunftspaket in dieser Legislaturperiode erledigen. Sie wollen die großen Aufgaben der Zukunft meistern. – Sie haben aber Minister in Ihrer Regierung, die nicht einmal mit den Gegenwartsaufgaben fertigwerden. Wie wollen Sie denn dann die großen Zukunftsaufgaben meistern? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Beispielsweise geben Sie einem Minister Scholten, der in der Forschungspolitik so versagt hat, daß wir heute in Europa das Schlußlicht bilden, auch noch das Ressort Verkehr dazu. Dieser Minister ist ja völlig überfordert!

Und wie, Herr Bundeskanzler, kommen Sie eigentlich auf die Idee, einen Caspar Einem wieder zum Innenminister zu bestellen? Das ist doch wirklich der sprichwörtliche Bock, den man zum Gärtner macht, um nachher einen verwüsteten Garten vor sich zu haben. Was hat eigentlich Caspar Einem als Innenminister qualifiziert – außer vielleicht seine Spende ans "TATblatt"? – Nichts! kann ich Ihnen nur sagen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich möchte wirklich gerne von Ihnen wissen: Wie soll dieser Innenminister Einem mit den großen Herausforderungen der Zukunft fertig werden? Wie soll er mit den Gefahren der organisierten Kriminalität fertig werden?

Dieser Minister hat in seiner fast einjährigen Amtszeit überhaupt keinen konstruktiven Vorschlag für eine bessere Bekämpfung der Kriminalität gemacht. Dieses Innenministerium dümpelt vor sich hin, man hört nichts, außer hin und wieder einen Rülpser, der dann etwa so lautet: Das Bundesheer, der Präsenzdienst gehört abgeschafft! Oder: Man muß mehr für den Zivildienst machen! Oder: Es müssen mehr Ausländer nach Österreich herein. Aber konstruktive Vorschläge zur Sicherheitspolitik, die gibt es ganz einfach nicht. Und diesen Minister bestellen Sie wieder! Ich begreife das überhaupt nicht, Herr Bundeskanzler!

Und die ÖVP – damit bin ich schon bei Ihnen – schaut zu, Sie schauen zu! Herr Kiss hat vor den Wahlen noch die Ablöse des Innenministers wegen Unfähigkeit verlangt, aber nach der Wahl ist er wieder vollkommen mit seiner Wiederbestellung einverstanden! Die ÖVP stimmt zu, daß dieser Minister wieder im Kabinett ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß der Bundeskanzler kapituliert hat. Er hat vor den Linken in seiner Partei kapituliert (Abg. Öllinger: Wo sind die Linken?), denen mußte er den Caspar Einem zugestehen, denn die sehen in ihm offenbar eine Möglichkeit, ihre Ideen zu verwirklichen, zum Beispiel ein Sicherheitsressort mit einer Exekutive, die möglichst klein gehalten wird. Man muß ja Personal reduzieren – um 1 000 Exekutivbeamte wird es weniger geben – und man möchte auch die Exekutive möglichst entmachten. Die neue Sicherheitsakademie, die ja schon geplant war, hat jetzt der Herr Minister selbst in die Hand genommen. Dort wird der Politologe Pelinka das Sagen haben. – So stellen Sie sich vor, daß die Exekutive arbeitet. (Abg. Dr. Haider: Gehirnwäsche!) Eine Gehirnwäsche, ja, so kann man es auch bezeichnen.

Wenn ich mir die Regierungserklärung von 1994 anschaue und die jetzige Regierungserklärung, dann muß ich überhaupt zu dem Schluß kommen, Herr Bundeskanzler, daß Ihnen der Innenminister nicht einmal ausreichende Vorstellungen für die Regierungserklärung gegeben hat. Was in der Regierungserklärung über die Sicherheitspolitik steht, das ist ja derart dürftig, daß man sich schon fragen muß: Wozu brauchen wir überhaupt den Innenminister? Geben wir das Ressort auch noch dem Scholten, denn ärger kann es überhaupt nicht mehr werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Das ist meiner Meinung nach der schwerste Fehlgriff, den Sie bei der Bildung dieses Kabinetts gemacht haben. Sie bestellen jemanden zum Sicherheitsminister, zum Innenminister, der in seinem Herzen nach wie vor ein Bewährungshelfer ist und das auch bleiben wird, dem die Anarchisten näherstehen als die rechtstreue Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 53

Unter der Führung des Innenressorts durch Caspar Einem ist bereits vorprogrammiert, daß sich die organisierte Kriminalität – mit Geldwäsche, mit Drogenhandel, mit Korruption –, die das gesamte Staatswesen unterwandern möchte, ungehindert ausbreiten wird. Und Sie von der Österreichischen Volkspartei stimmen zu. Herr Schüssel klopft Bundeskanzler Vranitzky noch auf die Schulter und umgekehrt. Sie brüsten sich ununterbrochen, daß Sie eine Bundesregierung haben, die wirklich arbeitsfähig ist und über die Jahrtausendgrenze hinweg noch tätig sein wird.

Ich bin der Meinung, daß Sie die großen Probleme nicht lösen werden. Sie, Herr Bundeskanzler, brüsten sich auch in der Regierungserklärung damit, eine Regierung zu haben, die auf einem guten Fundament ruht und ein Zukunftspaket erledigen wird. (Abg. Dr. Haider: "Mogelpaket", hat Sallmutter gesagt!) Wie ich schon gesagt habe: Scholten ist ein Minister, der bereits eine starke Unterminierung dieses Fundamentes darstellt. Eine noch gewaltigere Unterminierung ist Caspar Einem, das habe ich auch schon gesagt. Aber eine mindestens genauso gefährliche Unterminierung ist der Sozialminister. Ich werde Ihnen gleich sagen, warum. – Ja, er ist ganz sympathisch, der Sozialminister, ich gebe ja zu, mir ist er auch sympathisch! Ich nehme ihm auch das ehrliche Bemühen ab. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zahlreiche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Aber in dieser Zeit mit diesen gravierenden Problemen, speziell auf dem sozialen Sektor, da genügen ein ehrliches Bemühen und ein sympathischer Minister nicht, sondern da gehören Menschen her, die wirklich Zukunftsvisionen haben. Da gehören Denker her! (Abg. Leikam: Gaugg vielleicht!) Da genügt es nicht, daß man ein Ministerium verwaltet! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein, vom Einsperren ist keine Rede. Seien Sie doch nicht so unsachlich! Aber dieser Minister verwaltet nur den Bereich Soziales. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie müssen sich doch eingestehen, daß wir heute vor den Trümmern des Sozialstaates stehen. (Abg. Koppler: Das darf doch nicht wahr sein!) Wenn Behinderte zur Kasse gebeten werden, wenn die Familien enorm zur Kasse gebeten werden, dann reden Sie noch von einem funktionierenden Sozialstaat. (Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ.) Und diese Pleite des Sozialstaates trägt die sozialdemokratische Handschrift, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dunst: Gott sei Dank!)

Wissen Sie, warum wir vor einer solchen Pleite des Sozialstaates stehen? – Sie haben sie durch Ihre Mißwirtschaft, durch viele Pleiten in der Wirtschaft heraufbeschworen. Ich erinnere nur an das AMAG-Debakel, an das DDSG-Debakel. Damit haben Sie dazu beigetragen, daß in Zeiten des wirtschaftlichen Wohlstandes alle Kassen leer geworden sind, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Familien sind schwerstens belastet, genauso wie die Betriebe, und die Arbeitslosigkeit ist am Plafond angelangt. (Zwischenruf der Abg. Dunst. ) Sagen Sie einmal, verteidigen Sie noch die hohe Arbeitslosigkeit? Verteidigen Sie die hohen Lohnnebenkosten, die dazu führen, daß die Betriebe im Ausland investieren? (Abg. Reitsamer: Das ist ungeheuerlich!) Und dazu leisten Sie sich einen Sozialminister, der das Sozialressort wirklich nur verwaltet, der noch nie eine Idee gehabt hat, wie man in den nächsten Jahren diesen Sozialstaat weiterfinanzieren wird; einen Sozialminister, der sagt, daß das Pensionssystem ohne irgendwelche Einschnitte weiterhin finanzierbar sei. Das ist doch wirklich grotesk!

Ich war bei einer Diskussionsveranstaltung, bei der der Sektionschef des Sozialministeriums folgende fundierte Worte gesagt hat: Wenn es bei den Pensionen bisher so gegangen ist, dann wird es in Zukunft auch so gehen. – So etwas sagt der höchste Beamte im Sozialministerium, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich brauche Ihnen doch nicht zu sagen, wie das Auditorium darauf reagiert hat. Die Leute haben nur ungläubig den Kopf geschüttelt über soviel Naivität.

Es ist ja beweisbar, wie die Pensionsentwicklung laufen wird. Im Jahr 1981 sind auf 531 Pensionisten 1 000 Arbeitende gefallen, im Jahr 1994 waren es schon 593 Pensionisten, die auf


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 54

1 000 Arbeitende gefallen sind, 2030 werden es 760 Pensionisten sein, die von 1 000 arbeitenden Menschen erhalten werden müssen. Und angesichts dessen sagt der Minister: Es wird schon gehen, man braucht überhaupt keine tiefgreifenden Reformen zu machen.

Herr Bundeskanzler! Sie haben gestern gesagt: Legen Sie Konzepte vor, wir sind bereit, mit Ihnen zu reden. Wir haben im Jahr 1985 ein Pensionskonzept vorgelegt, und zwar eines, das jenem ähnlich ist, das schon die meisten OECD-Staaten haben, das ein zukunftsorientiertes Modell ist. – Wir haben gesagt, mit einer Vorlaufzeit von 20 Jahren könnte man die ärgsten Härten überwinden. Sie sind nicht darauf eingegangen, obwohl Sie angeblich eine solch große Gesprächsbereitschaft haben. (Abg. Dr. Feurstein: Ein schlechtes Pensionskonzept!) Wir hätten mittlerweile schon elf Jahre dieser Vorlaufzeit abgesessen und hätten jetzt die Chance, in neun Jahren ein Pensionssystem zu haben, das auch die zukünftige arbeitende Bevölkerung in die Lage versetzt, in den Genuß einer Pension zu kommen. Heute müssen die Jugendlichen Angst haben, daß sie keine Pension mehr erhalten.

Wir stehen jetzt vor der Unfinanzierbarkeit dieses Pensionsrechtes. Das, glaube ich, müssen wir uns eingestehen. Sie reden in Ihren Regierungsprogrammen, Herr Bundeskanzler, immer nur von einer ambitionierten Politik, von Zukunftslösungen, von Sanierungsmaßnahmen (Abg. Dietachmayr: Richtig!), tatsächlich aber "wassern" Sie immer nur in den alten Spuren dahin und haben überhaupt keinen Erneuerungswillen. (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr. )

Jedes Umdenken ist für Sie ein Schreckwort, und leider, Herr Bundeskanzler, fehlt Ihnen auch die Kraft, hier entscheidend durchzugreifen, und leider – das hat sich jetzt herausgestellt – haben Sie nicht einmal das Talent, die richtigen Minister an die richtige Stelle zu setzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eines möchte ich Ihnen auch noch sagen: Mich hat wirklich sehr erschüttert, daß in der gesamten Regierungserklärung das Wort "Behinderte" überhaupt nicht vorkommt. Sie wissen ganz genau, daß die Behinderten aufgrund des Sparpaketes enorm verunsichert sind. Immerhin schröpfen Sie die Behinderten mit 4 Milliarden Schilling, und Sie finden es nicht einmal der Mühe wert, ein Wort zu ihnen zu sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im vorigen Regierungsprogramm haben Sie sich noch damit gebrüstet, daß Sie die Pflegevorsorge eingeführt haben – eine Jahrhundertleistung. Jetzt kürzen Sie sie, und andere Verpflichtungen werden für die Behinderten eingeführt – alles mit dem Verweis darauf, daß sie die Pflegevorsorge haben. Diese wird einmal kassiert, aber zehnmal auf verschiedenste Leistungen angerechnet. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist wirklich kein Programm, das wir mitunterschreiben können! Das ist ein Programm, bei dem die sozial Schwachen unter die Räder kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Bundeskanzler Dr. Vranitzky. – Herr Bundeskanzler, Sie haben das Wort.

12.45


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 55

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich habe nicht erwartet, daß die Damen und Herren der Opposition die Regierungserklärung und das Koalitionsabkommen loben würden. Das entspricht erstens nicht der parlamentarischen Erfahrung, zweitens belebt es auch Rede und Gegenrede und das Kräftespiel im Parlament. Aber ebenfalls aus Erfahrung kann ich sagen: Hätte ich eine ganz andere Regierungserklärung gehalten, nämlich ... (Rufe von der Galerie: Weg mit dem Sparpaket! – Von der Galerie werden Flugblätter in den Plenarsaal geworfen.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Ich darf die Bediensteten des Hauses bitten, einzuschreiten, damit das verhindert wird.

Herr Bundeskanzler, bitte fortzusetzen!

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Hätte ich keinen einzigen Satz der gestern gehaltenen Regierungserklärung gesagt, sondern eine völlig andere Regierungserklärung gehalten, dann, so bin ich ziemlich sicher, hätten so manche Damen und Herren der Oppositionsparteien heute genauso ihre vorbereiteten Reden hier gehalten und hätten ihre Vorstellungen, wie sie es gerne hätten, dargelegt.

In einer Regierungserklärung können auch nicht in sämtlichen Einzelheiten alle Details der Regierungsarbeit, der parlamentarischen Arbeit der nächsten vier Jahre in eineinhalb Stunden hier behandelt werden. Sie muß eine grundsätzliche Darstellung der Regierungspolitik sein, und daher stehe ich auch zu dem, was die Österreichische Volkspartei und die Sozialdemokraten im Regierungsübereinkommen erarbeitet und dort festgehalten haben. Wir halten das für richtig, wir halten das für eine zukunftsweisende Politik für die nächsten vier Jahre, und wir danken für Ihre Beiträge, aber wir werden uns von unserer Grundlinie nicht abbringen lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Einige ganz wenige Details, weil ja auch immer wieder gesagt wurde ... (Abg. Ing. Reichhold: Herr Bundeskanzler! Einzelne Regierungserklärungen – wortgleich!) Ich kann jetzt mit Ihnen kein Privatissimum machen, Herr Kollege, vielleicht können wir das später anschließen. Es wurde auch gesagt, es wurden keine strukturverändernden Maßnahmen in das Regierungsabkommen eingebaut. Ich habe das gestern schon gesagt und sage das heute mit größerem Nachdruck: Sehr wohl sind in wesentlichen Bereichen der Politik, der Wirtschafts-, der Finanz-, der Fiskalpolitik, der Politik für die kleinen und mittleren Unternehmungen, der Politik der Altersvorsorge der älteren Menschen Strukturveränderungen und strukturpolitische Maßnahmen gesetzt worden. – Ich nenne einige ganz wenige Beispiele, meine Damen und Herren:

Allein der Umstand – und das wird die Parlamentarier sicherlich besonders interessieren –, daß es gelungen ist ... (Der im Saal Dienst versehende ORF-Kameramann versucht, eines der von der Galerie herabgeworfenen Flugblätter von einem der anwesenden Ministerialbeamten zu erhalten. Dies wird verweigert, worauf mehrere dagegen protestierende Abgeordente der Freiheitlichen dem Kameramann ein Exemplar des Flugblattes gut sichtbar vor die Kamera halten. – Das Flugblatt wird gefilmt. – Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Das ist wirklich ein Parlament voller Leben!

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Verzeihen Sie, was ist denn, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir werden gleich eine Sitzungsunterbrechung verlangen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich bitte jetzt um Disziplin. Ich werde mich um die Sache kümmern.

Herr Bundeskanzler, setzen Sie bitte fort.

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky (fortsetzend): Bitte sehr, Herr Präsident!

Ich war eben dabei, die Damen und Herren des Hohen Hauses freundlich darauf hinzuweisen, daß ein wesentlicher Teil des Koalitionsabkommens im Konsultationsmechanismus zwischen dem Parlament, den Landtagen, den Gemeindeparlamenten und der Bundesregierung besteht. Wir haben auf diese Art und Weise, meine Damen und Herren, dafür vorgesorgt, daß in Zukunft keine gesetzgebende Körperschaft Gesetze beschließen können soll, die für jeweils andere Gebietskörperschaften finanzielle Konsequenzen, finanzielle Benachteiligungen mit sich bringen. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt in der österreichischen Finanzpolitik, und das muß auch so sein, wenn wir uns auf eine gemeinsame Währung in Europa vorbereiten, bei der ja nicht bloß die Finanzdaten des Bundes einzukalkulieren sind, sondern auch die der Bundesländer und Gemeinden. Das ist eine wesentliche strukturpolitische Neuerung in unserem System! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Frau Abgeordnete Dr. Petrovic hat immer wieder Einzelgruppen herausgegriffen und auf diese hingewiesen. Wir haben gerade die Ausgewogenheit in diesem gesamten Konsolidierungspapier an die vorderste Stelle geschrieben. Meine Damen und Herren! Wir haben das in allererster


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 56

Linie deswegen gemacht, weil durch diese Ausgewogenheit auch die Akzeptanz bei einem großen Teil der Bevölkerung erreicht werden konnte, und ohne diese Akzeptanz hätten wir diese Maßnahmen nicht erarbeiten und umsetzen können. Wenn diese Ausgewogenheit nun nicht gegeben wäre, indem man etwa die eine oder andere Gruppe völlig ausgenommen hätte, dann würden wir nicht einem nachgewiesenen mehrheitlichen Empfinden und Wunsch der österreichischen Bevölkerung entsprechen.

Es ist noch anzufügen, daß uns, wie wir aus vielen Untersuchungen und Meinungsumfragen wissen, ein großer Teil der Bevölkerung folgt, aber einige Volksvertreter offensichtlich diese Meinung der Bevölkerung nicht teilen oder hier nicht zum Ausdruck bringen wollen.

Meine Damen und Herren! Wir haben gerade bei dem großen Thema "Verhinderung des Mißbrauchs unserer staatlichen Einrichtungen" auf diese Ausgewogenheit Wert gelegt. Es geht uns nicht nur darum, daß manche, daß einzelne die Sozialsysteme überinterpretieren, sondern es geht uns darum, daß wir auch hier Gleichheit und Ausgewogenheit hergestellt haben. Es geht also nicht nur um den Mißbrauch der Sozialeinrichtungen, um den Mißbrauch des Steuersystems, um den Mißbrauch des Förderungssystems, sondern auch um die Zusammenarbeit über die Grenzen der Gebietskörperschaften hinweg und dort, wo es notwendig ist, auch über die Landesgrenzen hinweg, um Schlupflöcher für einige, die es sich besser richten können als andere, in Zukunft zu verhindern. Meine Damen und Herren! Das ist ein wichtiger Aspekt der künftigen politischen Arbeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir bekennen uns auch, obwohl wir wissen, daß das eine nicht für alle ohne weiteres und leicht zu tragende Maßnahme ist, zu einem Ausbau der Energiebesteuerung. Frau Abgeordnete Petrovic, Vertreterin der Grünen, hat heute hier daran Kritik geübt. Über Jahre haben die Grünen immer wieder dafür plädiert, die Preise im Energieverbrauch zu erhöhen. Ich erinnere mich noch an Vorschläge, ein Liter Benzin soll 20 oder 22 S kosten. (Abg. Wabl: Das haben wir nie verlangt! Nein!) Und ich erinnere mich daran, wie Sie immer wieder eine höhere Besteuerung der Energie verlangt haben. (Abg. Wabl: Cap hat das vorgeschlagen!) Und jetzt sagen Sie, das ist kein ökologischer Effekt, nur weil die Lohnnebenkosten nicht berührt wurden. Erklären Sie mir, was die Lohnnebenkosten mit dem ökologischen Effekt einer Energiebesteuerung zu tun haben. Ich sage es Ihnen: Nichts, aber überhaupt nichts haben sie damit zu tun. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Oder: Meine Damen und Herren von den Grünen – auch diese Debatte kann man führen –, Sie sagen, diese Gruppe soll ausgenommen werden, jene Gruppe soll ausgenommen werden. Dann würde aber die Ausgewogenheit nicht mehr hergestellt sein. Da sollten Sie gleich sagen, daß Sie überhaupt keine Konsolidierung der öffentlichen Finanzen wollen. Das ist es nämlich, wenn Sie zu Streik aufrufen, wenn Sie zu Gegenbewegungen aufrufen. Sagen Sie gleich, daß Ihnen eine gesunde Finanzverfassung, ein gesundes Finanzwesen in Österreich nicht wichtig ist, dann wissen wir das wenigstens genau, dann wissen wir, daß wir in dieser Angelegenheit mit Ihrer Zusammenarbeit nicht rechnen können, aber betreiben Sie keine Zielgruppenpolitik, um etwas vorzutäuschen, was Sie gar nicht bezwecken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Wabl: Sie sollten einmal mit Frau Konrad sprechen!) – Wenn Sie mit Frau Dr. Konrad sprechen wollen, dann müssen Sie mich doch nicht unterbrechen. Sprechen Sie später mir ihr, und es ist alles in Ordnung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zum großen Thema der Europäischen Integration: Frau Dr. Schmidt hat hier beklagt, Österreich oder die Bundesregierung hätte keine klaren Vorstellungen zur Osterweiterung. Ganz im Gegenteil: Österreich gehört zu den wenigen unter den 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die diesbezüglich nicht nur klare Vorstellungen haben, sondern die sich auch in den Gremien, in den verschiedenen Ratstagungen immer wieder dafür einsetzen. Wir vertreten nämlich die Auffassung, wenn das europäische Integrationsmodell ein Stabilitäts- und ein Friedensmodell ist, dann sollten so viele Länder wie nur möglich, insbesondere die Länder in unserer Nachbarschaft, dazugehören. Aber es reicht nicht aus, wenn die österreichische Bundesregierung allein klare Vorstellungen dazu hat. Es ist festgelegt, daß nach dem Abschluß der EU-Regierungskonferenz, die am 29. März in Turin beginnen wird, die Kommission über jedes einzelne Beitrittskandidatenland einen Bericht schreiben wird, und zwar einen Bericht über die


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 57

Fortschritte, die die einzelnen Länder bisher erzielt haben, um als Kandidaten für Verhandlungen in Frage zu kommen. Dann ist im Rahmen des Europäischen Rates eine politische Entscheidung darüber zu treffen, mit welchen Ländern unmittelbar, mit welchen nach einer gewissen Frist Verhandlungen zwecks Beitritt aufgenommen werden sollen und können. Das ist eine völlig klare Vorgangsweise.

Die österreichische Bundesregierung unterstützt diese Vorgangsweise, weil wir nicht nur, was die Sicherheit betrifft, EU-Außengrenze sind und das für einen Übergangszustand halten, sondern weil wir auch die wirtschaftliche, kulturelle und sonstige Zusammenarbeit mit diesen Ländern in unserer Nachbarschaft vorangetrieben wissen wollen und den Zeitpunkt, zu dem wir auf gleicher Ebene und auf gleicher Basis mit ihnen zusammenarbeiten können, nicht in zu ferner Zukunft wissen wollen.

Meine Damen und Herren! Frau Dr. Partik-Pablé hat Gefallen daran gefunden, einige Kolleginnen und Kollegen aus der Bundesregierung herauszupicken und ihr Mißfallen zum Ausdruck zu bringen. Frau Abgeordnete! Ich werde jetzt nicht der Versuchung unterliegen, über jeden einzelnen ein Curriculum zu halten und mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich sage Ihnen aber trotzdem folgendes: Ich meine, daß es auch im Zusammenspiel von Opposition und Regierung durchaus zur politischen Praxis, zum politischen Handwerk dazugehört, daß man für eine vor uns liegende Arbeit jedem eine Chance gibt, das, was er sich vorgenommen hat, durchsetzen zu können, das, was er sich vorgenommen hat, auch umsetzen zu können. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Was den Innenminister betrifft, so wissen wir alle hier, daß er beispielsweise in der Bekämpfung der Kriminalität Fortschritte erzielt hat. Die einschlägigen Statistiken sind bekannt, der Innenminister hat – das steht auch im Koalitionsabkommen – zum weiteren Ausbau der inneren Sicherheit maßgebliche Vorhaben. Diese sind hier im Hohen Haus in den Ausschüssen zu beraten, und es sind Gesetzesvorlagen zu erarbeiten. Machen Sie das, Sie sind Mitglieder dieser Ausschüsse, und beurteilen Sie dann, wie gut oder wie wenig gut laut Ihrer Beurteilung der eine oder andere Minister arbeitet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Das gilt ebenso, weil Sie sich auch mit ihm liebevoll beschäftigt haben, für den Herrn Sozialminister. Ich bitte Sie und lade Sie ein, im Koalitionsabkommen nachzulesen, daß gerade auf dem Gebiet der Pensionssicherung, auf dem Gebiet der zukünftigen Gestaltung der Altersvorsorge und der Finanzierung sehr wichtige und interessante Projekte vorgemerkt sind. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind uninformiert!) Ich bin überhaupt nicht uninformiert, aber Sie haben gesagt, er ist ehrlich und sympathisch. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Er ist aber nicht geeignet!) Ich sage Ihnen, ich werde Ihnen zuliebe keinen unehrlichen und unsympathischen Sozialminister in die Bundesregierung berufen. Arbeiten Sie in den Ausschüssen, und dann werden wir weitersehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist aber nett, daß wir das dürfen! Das ist aber nett, daß Sie uns das erlauben!)

Sie stellen sich hierher und kritisieren einen Kollegen von mir, und ich nehme mir die Freiheit, diesen Kollegen zu verteidigen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Es geht nicht um Kollegen, sondern um Ressorts!)

Meine Damen und Herren! Ich habe den ganzen Vormittag in meinen Unterlagen nachgelesen, ob es irgend etwas auf die heutige Wortmeldung des Herrn Dr. Haider zu antworten gibt, nämlich in irgendeiner Weise eine konstruktive Politik. Es ist mir beim besten Willen nichts eingefallen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Es ist – ich habe auf die Uhr geschaut – immerhin erst nach der siebenten Redeminute das erste Schimpfwort gekommen, dann aber hat es sich ausgezahlt, ihm weiter zuzuhören. Ich beschäftige mich damit gar nicht mehr im Detail. Aber eines lasse ich auf mir nicht sitzen, und das ist dieser blumenhafte Vergleich vom Baron Münchhausen. – Herr Dr. Haider! Sie sind wirklich der Ungeeignetste, auf dieser Kanonenkugel durch die Gegend zu hopsen. (Abg. Dr. Haider: Es hat Sie offenbar getroffen!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 58

Ich erteile Ihnen taxfrei den Titel eines österreichischen Staatsmeisters im schlampigen Umgang mit der Wahrheit (Beifall bei SPÖ und ÖVP) – von Ihrer "Schildlaus"-Flunkerei in einer Fernsehdiskussion mit mir bis dahin, daß Sie gesagt haben, der Innenminister sei in Zwettl eingesessen. Es gibt eine ganze Liste von Unwahrheiten. (Abg. Dr. Haider: Das war harmlos gegenüber Ihren Unwahrheiten bei der Wahl! Eine eigene Wahlpropaganda!) – Also Sie sind sicher der am schlechtesten Geeignete, irgend jemanden anderen der Unwahrheit zu zeihen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Baron Münchhausen!)

Ich werde auch nicht eingehen auf die Bemerkung der Frau Petrovic über das "profil"-Cover, aber ich werde mich sicher, sollte sie einmal in eine solche Situation kommen, nicht dazu äußern, denn da muß man jeden mit dem, was ihn bewegt, mit dieser Thematik alleine lassen.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir – die Bundesregierung, die beiden Regierungsparteien – haben, im Koalitionsabkommen, in der Regierungserklärung, in Wortmeldungen des Vizekanzlers und in vielen anderen Meinungsäußerungen ein Programm für Österreich ausgearbeitet, von dem ich überzeugt bin. Ich weiß, daß wir sehr hart daran arbeiten müssen. Es ist mit dem Niederschreiben des Programms noch lange nicht getan. Es ist mit der Formulierung der Vorhaben noch lange nicht getan.

Aber ich habe auch gestern in der Regierungserklärung gesagt, wir stehen nun vor einer harten Arbeit der gesetzgeberischen Umsetzung unserer politischen Vorhaben. Wir haben den Zeitplan vorgegeben. Wir haben ihn bisher eingehalten, wir werden ihn auch in Zukunft einhalten.

Meine Damen und Herren! Wir werden uns in einer Zeit, in der insbesondere in ganz Europa die Arbeitsplatzangst grassiert, in der wir in Österreich viel besser dran sind als die meisten anderen Europäer, trotzdem nicht zurücklehnen und nur, weil es bei uns besser ausschaut, in diesen Bemühungen in irgendeiner Weise erlahmen. – Ganz im Gegenteil!

Ich sage noch einmal, so wie gestern in der Regierungserklärung: Es sind alle Damen und Herren des Hohen Hauses eingeladen, uns, die Regierungsparteien, die Bundesregierung, die einzelnen Regierungsmitglieder, dabei zu unterstützen. Es geht um einen großen Auftrag im auslaufenden 20. Jahrhundert. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.03

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Haider hat sich zur Geschäftsbehandlung gemeldet. – Bitte.

13.03

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich ersuche Sie, die Sitzung zu unterbrechen und eine Präsidialkonferenz einzuberufen. (Abg. Dr. Fuhrmann: Das muß er begründen!) Das muß ich nicht, das werde ich der Präsidialkonferenz unterbreiten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.04

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Klubobmänner kurz zu mir.

(Die Sitzung wird um 13.04 Uhr unterbrochen und um


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 59

13.07 Uhr wiederaufgenommen .)

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Wir setzen die Sitzung fort . Ich darf zur Aufklärung sagen, daß während der Präsidiumsführung von Präsident Neisser ein angeblicher Vorfall hier im Haus gerügt wurde und daß es in Erwägung stand, eine Präsidialkonferenz einzuberufen. Wir werden aber jetzt davon Abstand nehmen. Die Sitzung geht ihren gewohnten Gang weiter fort.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Ditz. – Ich würde Sie bitten, Herr Minister, daß Sie das Wort ergreifen.

13.07

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Österreich hat in knapp zwei Monaten zwei Budgets erstellt, die die wirtschafts- und finanzpolitische Handlungsfähigkeit dieser Bundesregierung national und international unter Beweis stellen. Statt der prognostizierten Defizite für 1996 in der Höhe von 156 Milliarden Schilling werden es rund 90 Milliarden Schilling sein und im Jahr 1997 statt 170 Milliarden Schilling rund 70 Milliarden.

Das heißt, es werden 100 Milliarden Schilling eingespart, und das bedeutet, daß in Österreich die Stabilität gesichert wird. Das bedeutet aber auch, daß, nachdem die Länder in die Konsolidierung eingebunden worden sind, die Maastricht-Kriterien von Österreich voll erfüllt werden und daß das in allen europäischen Instituten ausgewiesen wird. Das bedeutet für uns einen Stabilitätsvorteil. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist der große Irrtum von Ihnen von der Freiheitlichen Partei, daß Sie meinen: Vergeßt Maastricht! Was wir wollen, ist eine lebendige Wirtschaft! – Ohne Vertrauen der internationalen Finanzmärkte gibt es keine lebendige Wirtschaft, gibt es keine positive Wirtschaftsentwicklung. Daher ist es so wesentlich und wichtig, daß dieses Vertrauen in Österreich gesichert wird und daß das international anerkannt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es erfüllt mich persönlich mit einer gewissen Freude, daß dort, wo Herr Haider Chaos vermeint, die Vertreter des internationalen Währungsfonds sagen: Ordnung und Stabilität! – Das ist für dieses Land wichtig und wesentlich. (Beifall bei der ÖVP.)

In knapp zwei Monaten ist es gelungen, die österreichische Wirtschafts- und Finanzpolitik auf eine neue und, wie ich meine, tragfähige Grundlage zu bringen – mit drei zentralen Punkten, die erfüllt werden.

Erstens: National wird die Handlungsfähigkeit zurückgewonnen. Wir können nach Beschlußfassung dieser Budgets wieder Impulse setzen, Beschäftigungsoffensiven beginnen und zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder die Steuern senken.

Zweiter Punkt: Das Triple-A wird mit dieser Politik abgesichert.

Dritter Gesichtspunkt: Die internationale Stabilität, die anerkannt wird, die Leistung, die hier heute schon mehrfach zitiert wurde, bedeutet im Endeffekt, daß wir die Zinsen niedrig halten können, daß der Wirtschaftsstandort Österreich attraktiver wird und daß wir alle Möglichkeiten haben, wenn wir jetzt hausgemacht noch Impulse setzen, auch die prognostizierte Arbeitslosenrate nicht eintreten zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt, der meiner Meinung nach im Rahmen dieser Regierungsdebatte zur Sprache gebracht werden muß, ist die Frage der Strukturreformen. Ich habe den Eindruck, daß die Opposition unter Strukturreform offenbar Lösungen und Einsparungen versteht, die niemand bemerkt, die niemandem weh tun, die aber ein Riesenvolumen bringen. Ich sage ganz ehrlich: Diese Art der Politik gibt es nicht. Es ist ein Illusionismus, eine solche Politik machen zu wollen. Wenn das Ihr Anforderungsziel ist, dann gebe ich zu, daß dieses Anforderungsziel nicht erreichbar ist.

Andererseits – und das ist mir wesentlich – ist sofort in den Zeitungen gestanden: Was die Bundesregierung hier gemacht hat, ist ein Notprogramm, aber kein richtiges Reformprogramm. – Ich sage ganz ehrlich, 100 Milliarden Schilling einzusparen, neu zu gewichten, ist nicht einfach.

In dieser Regierung wurde im Zuge der Budgeterstellung eine Fülle von Reformmaßnahmen beschlossen, die auch – das scheint mir wesentlich zu sein – in den kommenden Jahren positiv wirken und sicherstellen, daß in Österreich vor allem auch der Generationenvertrag gesichert bleibt. Es ist nicht richtig, daß hier erstmals der Generationenvertrag gefährdet wurde, sondern der Generationenvertrag wird – im Gegenteil – gesichert durch ein ambitioniertes Programm im Sozialbereich, mit dem man versucht, ohne soziale Härten, mit Augenmaß, aber auch mit Konsequenz das Frühpensionsalter im öffentlichen Dienst, im ASVG-Bereich, generell im


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 60

gewerblichen Bereich nach oben zu schieben und damit sicherzustellen, daß auch die Jugend in Österreich Chancen hat. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn jemand behauptet, daß es sinnvoll ist, 10 000 oder 11 000 Dienstposten einzusparen, ohne auch die Aufgaben kritisch zu prüfen, dann irrt er. Dieses Einsparungsziel zu verwirklichen, heißt, einen schlanken Staat zu verwirklichen, heißt Verfahrensbeschleunigung, heißt Verwaltungsvereinfachungen. Genau das wird umgesetzt und durchgesetzt.

Im Lehrerbereich, so glaube ich, ist der wesentliche Ansatz, daß die Autonomie gestärkt wird. Die Schulaufsichtsbehörden müssen endlich auch begreifen, daß sie Managerfunktion haben, daß sie das Geld, das durchaus reichlich fließt, effizient einsetzen müssen. Wenn das geschieht, können wir eine Bildungsoffensive sogar mit weniger Geld erreichen.

Ich meine, daß es im Arbeitsmarktbereich notwendig ist, mehr Fairneß durchzusetzen und gleichzeitig Fehlentwicklungen zu bekämpfen. Aber dort, wo Dinge ausgenützt werden, wo Schwarzarbeit initiiert wird, muß besser kontrolliert, muß ein Riegel vorgeschoben werden. – Auch diesbezüglich sind, glaube ich, grundlegende Reformen angebracht. Wenn sie durchgeführt werden, müßte es uns gelingen, die strukturelle Arbeitslosigkeit in diesem Land abzubauen und Jugendarbeitslosigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen.

Bei den Kuren bedeuten Selbstbehalte auch ein Steuerungsinstrument, genauso wie ich glaube, daß die Familienbeihilfe, gebunden an den Studienerfolg, ein wenig die Studienplanung beeinflussen wird. Ich möchte nicht, daß in Österreich studiert wird und es am Ende keine Arbeitsplätze gibt. Es hat mich erschreckt, daß einfach gesagt wurde: Wenn der öffentliche Dienst spart, dann gibt es Jugendarbeitslosigkeit. – Ich glaube, wir müssen unser Bildungssystem so verändern, daß die Leute dann in der privaten Wirtschaft ihre Möglichkeiten finden.

Wir haben in umfassenden Bereichen Privatisierungen vorgesehen. Wir haben im Steuerbereich – erlauben Sie mir, auch das noch kurz anzumerken – die ärgsten Schwächen weggebracht. Es hat einige Schwächen gegeben, aber den Verlustvortrag, Herr Haider, gibt es weiter, er ist nicht gestrichen worden. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser .) Insgesamt sind Österreich die wirklich positiven Steuersätze erhalten geblieben.

Ich bin überzeugt, daß der Wirtschaftsstandort Österreich auch nach diesem Steueränderungsgesetz attraktiv bleibt. (Abg. Haigermoser: Stummvoll sagt etwas ganz anderes!) Ich sage Ihnen, viele der Steuerausnahmebestimmungen – das sollten Sie sich einmal genauer ansehen, vieler dieser Steuerausnahmebestimmungen haben ihren Sinn verloren und müssen daher geändert werden. (Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.)

In meinem eigenen Bereich – ich komme schon zum Schluß – geht es in den kommenden Jahren um zwei generelle Prinzipien, nämlich Liberalisierung und Qualifizierung, wobei ich meine, daß sich beide wechselseitig bedingen. Ich halte nichts davon, zu sagen: keine Gewerbeordnung mehr, alles frei zugänglich machen. Dann gibt es auch keine duale Ausbildung, dann gibt es auch keine Qualität. – Andererseits müssen wir sehen, Qualität braucht auch Wettbewerb, weil nur so sichergestellt wird, daß wir uns auf den Märkten auch bewähren.

Abschließend zur Energiepolitik. Hier ist mit der Energiesteuer ein Signal gesetzt worden, ein Signal in Richtung Effizienz, in Richtung Sparsamkeit, in Richtung Ökologie.

Insgesamt meine ich, daß die neue Bundesregierung zu einer Reformpolitik zurückgefunden hat, von der ich überzeugt bin, daß sie ein gutes Fundament für die nächsten Jahre für Österreich legen wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.17

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Ing. Maderthaner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.17

Abgeordneter Ing. Leopold Maderthaner (ÖVP): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ehe ich in meine Ausführung


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 61

eingehe, darf ich doch eine Anmerkung machen, auch wenn Frau Dr. Petrovic jetzt nicht anwesend ist, aber ich glaube, man muß dies tun, weil das mit dem eben erlebten Vorfall zusammenhängt. (Abg. Wabl: Sie hört mit!)

Es war sicherlich nicht in Ordnung, daß es Mißfallenskundgebungen einiger Fraktionskollegen gegeben hat, als sie das Rednerpult betreten hat. Dafür möchte ich mich auch entschuldigen. Aber sie waren möglicherweise nur eine Reaktion auf die gestrigen Ausführungen der Frau Dr. Petrovic, als sie von diesem Rednerpult aus zur Demonstration der Jugend auf der Straße aufgefordert hat. Dabei müßte gerade sie wissen, wohin es führt, wenn man die Menschen aufhetzt und sie auf die Straße schickt. Schauen Sie nur über die Grenzen in das ehemalige Jugoslawien!

Meine Damen und Herren! Es ist nicht der richtige Weg, Konflikte auf der Straße auszutragen, denn dort wird sehr schnell etwas ausgelöst, was man vielleicht nicht mehr im Griff haben kann. (Abg. Scheibner: Was sagt der Bauernbund dazu?) Auch diese Reaktion, dieser Vorfall hier in diesem Haus ist eine Folge einer solchen Aufforderung. Das möchte ich hier ganz deutlich feststellen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Bei der nächsten Bauern-Demo werden wir uns das ansehen! Ganz genau!)

Meine Damen und Herren! Der studierenden Jugend wird nicht die Möglichkeit zu einer guten akademischen Ausbildung genommen. Sie wird es sich auch in Zukunft, wie gesagt, leisten können, weil das Studium nach wie vor kostenlos ist. Aber wir müssen etwas gegen die Zunahme der Langzeitstudenten unternehmen, meine Damen und Herren! Wir können nicht das Volk der Langzeitstudenten und der Frühpensionisten werden. Damit werden wir die Zukunft nicht meistern! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben das für jene leistungsbewußten Studenten zu tun, damit nicht andere, die es nicht so ernst nehmen, ihnen den Platz versitzen und möglicherweise auch Prüfungstermine vermasseln. Das ist meine grundsätzliche Einstellung, und da wird es eben auch mit dieser neuen Regierungserklärung zu einer Kurskorrektur kommen, und das ist erfreulich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Was ist denn da für eine Kurskorrektur dabei?)

Hohes Haus! Unser Land, so darf ich sagen, verfügt wieder über eine breite Regierungsbasis, die vom überwiegenden Teil der österreichischen Bevölkerung aufgrund der Nationalratswahlen vom Dezember getragen wird. Das ist deutlich erkennbar. Es ist sehr positiv, daß in der Regierungserklärung, die natürlich von der Opposition kritisiert werden muß – dazu ist die Opposition auch da –, ein echter Kurswechsel und längst notwendige Strukturmaßnahmen festgeschrieben sind.

Ich freue mich, daß vieles festgeschrieben wurde, was die Wirtschaftsvertretung schon seit Jahren gefordert hat. (Abg. Haigermoser : Was denn zum Beispiel?)

Meine Damen und Herren! Natürlich läßt sich gerade jetzt, Herr Kollege Haigermoser, wo allen Bevölkerungsgruppen Opfer abverlangt werden, sehr erfolgreich polemisieren und lassen sich verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen. Mit dem Neidkomplex kann man, wie wir wissen, natürlich leicht auf Wählerfang gehen. (Abg. Wabl : Sie wissen ganz genau, wie das geht!) Aber, meine Damen und Herren, die Wahlen sind vorbei. Wir müssen an die Arbeit gehen – diese Aufforderung geht an alle –, denn die Bevölkerung erwartet das von uns. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich appelliere deshalb an Sie, an die Oppositionsparteien, den Versuchungen der billigen Polemik zu widerstehen, und ich bitte Sie auch, die Zukunft unseres Landes und der Menschen, die hier leben, im Auge zu haben.

Alle sind aufgefordert, mitzuwirken, daß das, was festgeschrieben wird, auch umgesetzt wird, denn das wird der noch schwierigere Weg werden, und da müssen alle mittragen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 62

Und Sie sollten eines auch bedenken: Zur Konsolidierung tragen nicht nur jene bei – ich sage das einmal ganz deutlich –, die in intensiven, nächtelangen Verhandlungen mutige Schritte zu dringend notwendigen Korrekturen eingeleitet und niedergeschrieben haben, sondern alle verantwortlichen Politiker sind zur Umsetzung aufgefordert. Es haben alle ihren Beitrag dazu zu leisten, auch jene, die jetzt streiken oder demonstrieren. Meine Damen und Herren! Es sind alle aufgerufen, an der Gestaltung der Zukunft unseres Landes teilzunehmen.

In der künftigen Wirtschaftspolitik geht es, wenn sie erfolgreich sein soll, vor allem darum, das Budget in erster Linie durch Ausgabenreduktion zu sanieren – also Gesundsparen statt Kaputtsteuern –, und zweitens darum, daß unser Land als Wirtschaftsstandort weiter attraktiv gehalten wird. Dazu braucht es eine aktive Wirtschaftspolitik und ähnliche Wettbewerbsbedingungen wie im Ausland, vor allem wie in den Staaten der Europäischen Union.

Ich bin davon überzeugt – und ich sage das hier sehr deutlich –, daß wir nach diesem Stahlbad – lassen Sie es mich ruhig so sagen – der Budgetsanierung jene Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer halten werden können, die wir zur Bereitstellung von Arbeit und zur Sicherung für sozial Schwächere dauerhaft brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der Ernst der Lage verlangt von uns und von der neuen Bundesregierung rasches Handeln – im Interesse Österreichs. Diese Aufgabe wird durch die jüngsten Konjunkturprognosen nicht gerade erleichtert, daher sind Mut zur Reform und Bereitschaft zu konsensualen Lösungen ein Gebot der Stunde.

Meine Damen und Herren! Es ist daher auch wichtig und sehr positiv zu werten, daß es zu einer strukturellen Veränderung und zu Einsparungen im öffentlichen Dienst kommt. Die Umsetzung der längst fälligen Verwaltungsreform und die Straffung der Verwaltungsabläufe würden sicherlich die Zahl der benötigten Planstellen reduzieren und damit einen Beitrag zur Konsolidierung leisten.

Es wurden auch erste Schritte zu einer Anhebung des tatsächlichen Pensionsalters gesetzt. Meine Damen und Herren, das ist dringend notwendig, denn vor 25 Jahren erfolgte noch jeder zweite Pensionsantritt zum normalen Pensionsalter. Jetzt natürlich stieg der Anteil der Frühpensionen bis 1994 auf 80 Prozent (Abg. Böhacker : "Natürlich" ist das nicht!) Angesichts dieser Entwicklung haben wir zu handeln, haben wir Schritte zu setzen. (Abg. Böhacker : Was ist mit den Lohnnebenkosten?) – Auch die Lohnnebenkosten werden damit natürlich positiv beeinflußt.

Meine Damen und Herren! Für eine Arbeitsmarktpolitik, die Beschäftigung fördert sowie Schwarzarbeit und Pfusch erschwert oder verhindert, sind hier ebenfalls Ansätze enthalten, die es umzusetzen gilt.

Für die Beschleunigung von Privatisierungen... (Abg. Dr. Haider: Ist ja nicht viel drin in der Regierungserklärung! – Abg. Böhacker: Diese Rede hat nicht der Stummvoll geschrieben!) Ja, es ist ja gut, wenn du das liest, wenn du dich auseinandersetzt damit, sozusagen auch im Detail. Ich werde mir die Details ersparen.

Für die Beschleunigung von Privatisierungen und Ausgliederungen aus der Hoheitsverwaltung gibt es ebenfalls konkrete Ansätze. Und gerade dieses Geld, meine Damen und Herren, haben wir dazu zu verwenden, eine offensive Forschungs- und Technologiepolitik voranzutreiben, um eben die Wirtschaft in ihrer Entwicklung zu fördern, um den Wirtschaftsstandort Österreich noch attraktiver zu machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wird auch eine Neuorientierung in der Unternehmensförderung geben. Bei der Förderung gerade der Klein- und Mittelbetriebe, meine Damen und Herren, sollten alle Chancen genutzt werden, die die Förderungsprogramme der EU bieten, und es müssen auch die notwendigen Mittel zur Kofinanzierung zur Verfügung gestellt werden; das ist eine wesentliche Aufgabe.

Im Rahmen der Schwerpunktaktionen – das wurde heute schon ausgeführt – ist die Gründungsförderung wesentlich, zum Beispiel Gründungssparen oder sonstige Aktivitäten, die die Unternehmensgründung noch zusätzlich unterstützen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 63

Meine Damen und Herren! Das Bekenntnis zur Exportförderung ist für mich ganz wichtig; das wurde heute auch schon deutlich vom Vizekanzler ausgeführt. Es gilt, die wachsenden Märkte noch mehr zu nutzen, als das bisher vielleicht geschehen ist.

Es ist auch erfreulich, meine Damen und Herren, daß wir feststellen können – und daher vor allem Unterstützung der Klein- und Mittelbetriebe –, daß gerade die kleineren und mittleren Unternehmen auch in weit entfernten Exportländern anzutreffen sind. Ihnen gilt auch die besondere Aufmerksamkeit der Wirtschaftskammern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist eine ganze Menge Umsetzungsarbeit zu leisten, meine Damen und Herren, um die internationale Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft auch in Zukunft zu sichern. (Abg. Haigermoser : Zum Beispiel? Wie schauen diese konkreten Beispiele aus?)

Meine Damen und Herren, der Staat muß die mittelständische Wirtschaft von unnötigen Belastungen befreien. Wir reden ständig davon und setzen auch Schritt für Schritt, aber es wird in Zukunft notwendig sein, noch konkretere Schritte zu setzen, zum Beispiel eine effiziente und praxisnahe Verwaltung und eine Konzentration der Genehmigungen, der Anlagengenehmigungen. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser .) Es wird dazu kommen, und Sie können daran mitarbeiten, das ist gar keine Frage. Sie sind dazu aufgerufen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Der Staat, und das ist aus diesem Regierungsprogramm deutlich ersichtlich, wird wirtschaftsgerechte, bessere Regeln schaffen. Die Arbeitswelt, meine Damen und Herren, hat sich aber natürlich auch zu verändern, Schlagwort: Neue Chancen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Flexibilisierung der Arbeitszeit. Hier wird es sicherlich noch konkreter Gespräche bedürfen, und sie werden natürlich auch geführt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben der aufmerksamen Beobachtung der Lohnnebenkosten muß unser besonderes Interesse der Flexibilisierung der Arbeitszeit gelten. (Abg. Haigermoser: Was ist mit einer Senkung, Herr Präsident?) Wir müssen auch darauf schauen, daß die Arbeit nicht zu teuer wird. Wohl müssen wir alles tun, um die Produktion zu fördern, aber noch viel wichtiger ist es, die neuen Produkte zu fördern, denn nur die Produktion zu fördern, führt oft zur Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen, weil hier zu viel Kapital in die Produktionsentwicklung gesteckt wird.

Meine Damen und Herren! Wir haben nach wie vor gute Voraussetzungen, wir haben sie aber auch wahrzunehmen.

Hohes Haus! Setzen wir uns mit den Zukunftsthemen ernsthaft und sachlich auseinander. Versuchen wir, das, was in dieser Regierungserklärung steht, auch umzusetzen. Sie sind alle eingeladen. Unterlassen wir Unterstellungen und gestehen wir einander wenigstens den guten Willen zu, gemeinsam und ernsthaft daran zu arbeiten, Arbeit zu schaffen und damit auch das soziale Netz abzusichern. Jede weitere Überforderung des Staates würde uns, hätten wir die Entwicklung so weiterlaufen lassen, unweigerlich in die Spirale der Geldentwertung treiben, die bekanntlich die kleinen Sparer, die Pensionisten, die Bezieher niedriger Einkommen und sozial Schwächere am stärksten trifft.

Wir müssen gemeinsam versuchen, das Beste für die Zukunft unseres Landes, für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft zu tun, nach dem Leitsatz: Das Wohlbefinden der Gesellschaft hängt von der Gesundheit der Betriebe ab. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.29

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet wäre nun Herr Bundesminister Dr. Scholten. Er ist aber nicht im Sitzungssaal. So erteile ich das Wort dem Nächstgemeldeten, Herrn Abgeordneten Dr. Frischenschlager.

13.30

Abgeordneter Dr. Friedhelm Frischenschlager (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler war offenbar


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 64

leicht enttäuscht, daß sich der Jubel über diese Regierungserklärung seitens der Opposition in Grenzen hält, und ich kann das auch irgendwie nachvollziehen. Ich muß allerdings hinzufügen: Wenn wir skeptisch sind, so sind wir es nicht deshalb, weil wir von Haus aus alles als schlecht bezeichnen oder heruntermachen wollen, was die Regierung sagt, sondern weil wir feststellen müssen, daß diese große Koalition doch unter einer mangelnden Glaubwürdigkeit leidet.

Herr Vizekanzler, der Sie in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers da sind, eines muß ich Ihnen schon sagen: Alles oder zumindest vieles von dem, was Sie in dieser Regierungserklärung ankündigen, haben wir seit 1987 wieder und wieder gehört. (Abg. Dr. Khol : Nicht alles!) Lieber Kollege Khol, die Glaubwürdigkeit steigt natürlich nicht gerade, wenn ein Spitzenrepräsentant dieser Koalitionsparteien, nämlich der Klubobmann der ÖVP, auch noch wortwörtlich sagt, die Reformen seien rechtzeitig eingeleitet worden – das hast du wortwörtlich gesagt! (Abg. Dr. Khol : Richtig!) Du hast dich sogar dazu hinreißen lassen, davon zu sprechen, die Sanierung nach den Konvergenzkriterien wäre erreicht. Also davon kann ja wirklich nicht die Rede sein. (Abg. Dr. Höchtl : Zwischen 1987 und 1992 sicherlich der Fall! – Abg. Dr. Khol : Goldene Worte!) Goldene Worte, aber sie sind deshalb so unglaubwürdig, weil Ihr Vizekanzler, Herr Dr. Schüssel, noch im vergangenen Herbst, im September, davon gesprochen hat, daß wir vor einem drohenden Staatsnotstand stehen. – Nach acht Jahren großer Koalition, am 22. September, Kollege Khol, spricht der Vizekanzler von einem drohenden Staatsnotstand?!

Aber noch ärger ist der jetzt nicht anwesende Alt-Staatssekretär im Finanzministerium und jetzige Wirtschaftsminister, der es immerhin zustande gebracht hat, unlängst im Wahlkampf... (Abg. Dr. Khol : Ihr befaßt euch nur mit der Vergangenheit, nicht mit der Zukunft! Kein Konzept!)

Wenn ihr euch für die Vergangenheit lobt, dann muß man sich damit auseinandersetzen, aber ich komme schon zur Gegenwart – sei beruhigt! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lieber Kollege Khol! Wirtschaftsminister Ditz (Abg. Dr. Khol: Guter Mann!) hat noch im vergangenen Herbst gemeint – in einer Fernsehsendung, vor Millionen Österreichern! –, er möchte keinem dritten Schwindelbudget seine Hand leihen. Er hat von seinem "dritten Schwindelbudget" gesprochen. (Abg. Dr. Khol: Das war der Vizekanzler!) Noch ärger: Der zweithöchste Repräsentant ... (Abg. Dr. Khol: Nichts von dem stimmt, was du sagst! In den Details ist alles falsch!)

Kollege Khol! Ein Spitzenrepräsentant einer Koalitionsregierung, die seit neun Jahren an der Macht ist, nämlich der Vizekanzler – ich berichtige – spricht davon, daß es drei Schwindelbudgets gegeben hat. Das ist ein starkes Stück, und deshalb ist die Glaubwürdigkeit dieser großen Koalition, was ihre Reformbereitschaft, was ihre Effektivität betrifft, nicht groß. Das wirst du zur Kenntnis nehmen müssen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns jetzt die laut Aussage des Kollegen Khol bereits stattgefundenen Strukturreformen an. Es gibt nämlich eine ganze Reihe sehr grundlegender jahre-, wenn nicht jahrzehntelanger Probleme in dieser Republik, die diese große Koalition als Sanierungspartnerschaft zu lösen versprochen hat. Aber es scheint ja geradezu so zu sein, daß diejenigen, die diese Strukturreformen durchführen sollten, auch diejenigen sind, die die Ursache für die wirklich großen Probleme dieses Staates sind.

Meine Damen und Herren! Schauen wir uns das einmal im öffentlichen Dienst an: Der öffentliche Dienst belastet den Bundeshaushalt mit weit über 200 Milliarden Schilling. Warum diese hohe Belastung , warum diese überproportionale Steigerung in den vergangenen Jahren?

Ganz einfach: Diejenigen, die in diesem Bereich das Sagen hatten – nämlich die ÖVP mitsamt ihrem ÖAAB, sie und ihre FCG-Kameraden – sind verantwortlich dafür, daß in diesem Land seit Jahrzehnten keine Verwaltungsreform stattgefunden hat. Gerade die ÖVP hat einen Minister nach dem anderen, von Neisser abwärts, in der Regierung verbraucht. Konzepte wurden erstellt (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl ), aber, lieber Pepi Höchtl, es waren eure Personalvertreter, die "njet!" gesagt haben und die verhindert haben, daß es zu einer Verwaltungsreform kommt. Das ist die Realität. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Höchtl: Haben sich nicht der Sigi Dohr und die gesamte Kollegenschaft verantwortungsbewußt benommen?)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 65

Jetzt habt ihr euch vielleicht aufgerafft, aus der Not eine Tugend machend. Weil Maastricht tatsächlich die Daumenschrauben angesetzt hat, habt ihr euch wenigstens zu Budgetreduzierungen aufgerafft. – Das ist ja schon etwas, man soll das wenige Positive auch aussprechen.

Aber habt ihr eine Verwaltungspersonalstrukturreform gemacht in diesem Zusammenhang? – Null! Ich kann aber auch erklären, warum: Einer der größten Mißstände ist es ja zum Beispiel, daß die jungen Beamten einen Dreck verdienen in Österreich, aber die älteren mit weit überdurchschnittlichen Einkommen nach Hause und dann anschließend in Pension gehen. – Ich vergönne ihnen das, aber es ist ein Strukturmangel, daß der junge Beamte, der sich noch ausbildet, der in der Familiengründung steht, nach wie vor einen Dreck verdient. (Abg. Dr. Höchtl: Deswegen machen wir ja diese parallele Einkommenskurve!)

Jetzt komme ich zum Kollegen Dohr, lieber Freund. Es wundert mich auch gar nicht, daß das bißchen Strukturreform, das ihr vorgehabt habt bei den Pensionen, indem man einen Bemessungszeitraum aufbaut, verhindert wurde. Und ich weiß auch, warum: weil die Bosse des ÖAAB und der Beamtenvertreter der FCG – ich sage es einmal höflich – ältere Herren sind und das nicht wollten. Dort spielt es so etwas einfach nicht – das ist der Grund!

Rafft euch auf, gebt den jüngeren Beamten etwas mehr und spart bei denjenigen, die relativ gute Einkommensverhältnisse durch das Biennalsystem haben; denen nehmt ein bisserl weg. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das wäre eine Strukturreform, die gerechter wäre, die sozialer wäre, die junge Beamte motivieren würde und letzten Endes womöglich sogar zu einer Einsparung führen würde. (Abg. Dr. Höchtl : Das zeigt wieder, daß du nicht bereit bist, ein Koalitionsabkommen zu lesen! Jammern über etwas, was einfach der Grundlage entbehrt!)

Nächster Bereich: Ein Jammerspiel, Kollege Khol – und ich wende mich wieder einmal an die ÖVP – ist der gesamte Spitalsbereich. Ein Jammerbereich! Ihr wißt ganz genau, daß hier die Gesamtbelastung für Bund und Länder weit über 200 Milliarden Schilling beträgt. Die Bundesbeiträge, Frau Ministerin, liegen bei 80 Milliarden Schilling, sie sind Jahr für Jahr überproportional um rund 10 Prozent gestiegen.

Ist eine Spitalsreform in dieser Regierungserklärung enthalten, die Kollege Khol für erreicht betrachtet? – Null! Vage Ansagen – nach fast einem Dezennium große Koalition! Dort hättet ihr euch durchsetzen müssen, bei den Landeshauptleuten, die die Ursache dafür sind, daß in diesem Bereich nichts weitergegangen ist – Jahrzehnt für Jahrzehnt! Und ich möchte die Frau Bundesministerin auffordern, weiterhin mit aller Vehemenz auf diese Spitalsreformen zu dringen, auch wenn die Länder bockbeinig sind. Es ist notwendig, denn wir können uns diesen Wildwuchs nicht leisten! Das ist einer der ganz wesentlichen Punkte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich habe volles Verständnis für Sie, Frau Bundesministerin, wenn es hier heißt (eine Zeitschrift vorweisend) : Krammer reißt die Geduld. Länder lügen die Bürger an. Da ist etwas Wahres daran, und ich traue es mich auszusprechen, auch wenn der Föderalismus bei uns eine der heiligen Kühe ist. Die Ursache für die Spitalsmisere und für die gigantischen Abflüsse in diesem Bereich sind die Länder, und zwar aus sachlich nicht begründeten Länderegoismen – das ist die Realität! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren, zum dritten großen Bereich: Sozialpolitik. Dort haben Sie – auch das sei gesagt – mit einer Art Rasenmähermentalität Reduktionen vorgenommen, aber wiederum haben Sie sich um eine Strukturreform geschraubt. Hier müßten Sie, auf einen einfachen Nenner gebracht, bei allen sozialen Transferleistungen die Vermögens- und Einkommenssituation der Mitbürger in Betracht ziehen und zum Maßstab für staatliche Unterstützung hernehmen.

Das ist für jene, die etwas bekommen haben und denen nun etwas weggenommen wird, unangenehm, aber für jene, die dadurch in der Zukunft gesicherte soziale Verhältnisse haben, eine Wohltat.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 66

Unser Modell, das Transfermodell des Liberalen Forums, hätte drei Vorteile. Es wäre gerechter, da diejenigen, die bereits etwas haben, also vermögend sind, nicht noch etwas dazubekommen. Jene, die wenig haben, bekommen mehr. Trotzdem wäre nach unserem Modell eine Einsparung in Milliardenhöhe möglich gewesen.

Ich habe heute mehrfach von der Regierungsbank geradezu eine Einladung gehört, die in die Richtung ging: Wo sind denn die Vorschläge der Opposition? Man möge doch konstruktiv mitarbeiten. Selbstverständlich sind wir bereit, aber etwas ist Voraussetzung, nämlich die Gesprächbereitschaft, und zwar bereits dann, wenn etwas noch veränderbar ist. Daher habe ich große Bedenken, was diese große Koalition – besonders in dieser neuen Form – betrifft. Sie kehren zurück zu all den sturen, mit Punkt und Beistrich abgesprochenen Dingen, das ist das Ergebnis der Debatte um den koalitionsfreien Raum. Da gibt es noch einige Nebbichsachen, wo man das Parlament geradezu pflanzt, wie Denkmalschutz und so weiter, wo man den koalitionsfreien Raum verkündet. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Frau Dr. Schmidt hat den koalitionsfreien Raum massiv kritisiert!) – Aus einem besonderen Aspekt, Herr Vizekanzler! Ich muß schon sagen, daß die Bereitschaft gegeben sein muß, aus einer Diskussion auch Konsequenzen zu ziehen. Wenn Ihre Bereitschaft da ist, dann wird es in diesem Parlament, selbstverständlich auch von den Oppositionsfraktionen Bereitschaft geben. Das, was wir wollen, ist eben ein lebendigeres und deshalb die inhaltlichen Dinge bestimmendes Parlament.

Deshalb, Herr Vizekanzler, lade ich Sie ein: Greifen Sie den Entwurf, den Vorschlag des Liberalen Forums in Sachen soziale Transferleistungen auf! Sie halten ihn für falsch. Debattieren wir eben darüber, aber noch bevor es entschieden wird. Das wäre mein Wunsch. Da könnten wir Sie tatsächlich auch beim Wort nehmen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Ein Punkt scheint mir noch unter demokratiepolitischen Gesichtspunkten sehr wichtig zu sein, nämlich daß diese große Koalition mit den sogenannten Strukturgesetzen wiederum mit der Keule der Zweidrittelmehrheit Verfassungsaushöhlung betreiben will. Selbst der Präsident des Verfassungsgerichtshofes hat in dieser Situation davor gewarnt, daß eine Anhäufung von derartigen Verfassungsbestimmungen letzten Endes verfassungswidrig sei. Ich möchte die große Koalition, die nun wieder – leider, sage ich – im Besitz der Zweidrittelmehrheit ist, davor warnen, hier die Grundsätze ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol .) – Auch die Mehrheit kann verfassungszerstörend sein, das weißt du, Kollege Khol, als Verfassungsrechtler ganz genau, und gerade auf das möchte ich dich hinweisen. – Dieses Auswuchern der Verfassungsbestimmungen, nur um den Verfassungsgerichtshof von seiner Gesetzeskontrolle auszuschalten, ist zurückzuweisen, und zwar bei sämtlichen Verfassungsbestimmungen. (Abg. Dr. Khol: Das wäre die Richtung!)

Letzter für die Demokratiepolitik wichtiger Punkt aus der Regierungserklärung: Sie kündigen eine ORF-Reform an, und zwar die Umwandlung des ORF in eine Aktiengesellschaft. (Abg. Dr. Khol: Da freuen wir uns!) Darüber läßt sich durchaus debattieren. Aber gegen etwas, Kollege Khol, werden wir erbitterten Widerstand leisten, und zwar gegen das, was Sie vorhaben: nämlich daß sich im Aufsichtsrat die Regierungsmächtigen tummeln und der ORF de facto den Mächtigen in diesem Land ausgeliefert wird, wenn es nur noch zwei Vertreter der Bundesregierung gibt, den Kanzler und Vizekanzler, sowie neun Palladine der Landesfürsten. Dem werden wir ganz entschiedenen Widerstand entgegensetzen, denn das wäre die Umwandlung des ORF in ein Auftragsinstitut der Mächtigen in diesem Lande.

Der ORF ist demokratiepolitisch ganz wesentlich. Jetzt gibt es wenigstens formal eine gewisse Pluralität im Kuratorium, Mitglieder sind Vertreter der Kunst bis hin zu Vertretern der im Parlament vertretenen politischen Parteien. Zumindest formal, möchte ich sagen, gibt es Pluralität. Ähnlich ist es bei der Hörer- und Sehervertretung. Sie planen nun die Zusammensetzung des bestimmenden Gremiums, des Aufsichtsrates, aus Regierungs- und Landesvertretern, also aus ÖVP und SPÖ. – Das wird nicht gespielt werden! Wir werden alle Instrumente des legalen Widerstandes anwenden, wenn Sie derart auf die mächtigste Medienanstalt dieses Landes zugreifen. Das wäre ein Verlust an Demokratie, Pluralität, Öffentlichkeit und Objektivität, den wir nicht hinnehmen werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 67

Diese große Koalition hat viel angekündigt, sie hat manches im Auge, von dem ich hoffe, daß es tatsächlich passiert. Jedenfalls hoffe ich, daß wenigstens das, was Kollege Khol gesagt hat, nämlich daß die Strukturreformen stattfinden werden, tatsächlich eintreten wird. Das hoffe ich tatsächlich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.46

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Mag. Ederer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.46

Abgeordnete Mag. Brigitte Ederer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren Minister! Hohes Haus! So wie sehr, sehr viele Österreicherinnen und Österreicher bin auch ich erleichtert, daß es wieder eine gemeinsame stabile Regierung gibt. Es war nicht leicht, diese Regierung zu bilden, weil es zwei ganz enorme Anforderungen gegeben hat: Zum einen die Anforderung, das Budget zu konsolidieren, und zum anderen die Schaffung von Arbeitsplätzen beziehungsweise deren Erhaltung.

Bei der Budgetkonsolidierung ist es nun darum gegangen, zu schauen, daß die Belastung gerecht verteilt ist, das heißt, daß jene, die es sich leisten können, mehr zum Sparpaket beitragen als jene, die weniger verdienen. Ich glaube, das ist uns mit vielleicht einigen wenigen kleinen Kanten sehr gut gelungen.

Die Budgetkonsolidierung führt aber oft zu dem Problem, daß man hier so spart, daß die Gefahr besteht, daß Arbeitslosigkeit entsteht oder Beschäftigungsschwierigkeiten dadurch erst zutage treten.

Nun ging es darum, zu sagen, wir wollen sparen, wir wollen das Budget konsolidieren, weil es auch Sinn macht, daß wir einen funktionierenden Staat haben, aber wir wollen gleichzeitig das Ziel der Beschäftigungspolitik nicht aus den Augen verlieren, wir wollen weiter Arbeitsplätze sichern und schaffen.

Dieses Koalitionsabkommen zeigt in einigen wichtigen Bereichen, daß das auch gelungen ist. Es zeigt zum einen, daß man sich für eine Exportoffensive entschieden hat, durch die genau jene Arbeitsplätze in der Industrie, die für die Wertschöpfung dieses Landes notwendig sind, gefördert werden. Man entschließt sich aber auch für Infrastrukturinvestitionen, denn diese sind vielleicht heute und vielleicht auch morgen nicht wichtig, aber in fünf Jahren würden sie uns fehlen, würden wir sie heute nicht tätigen. Es ist eben für ein Unternehmen nicht gleichgültig, ob Österreich über gute Straßen, über ein gutes Eisenbahnnetz, über gute Telefon- und Computernetze verfügt. Eine funktionierende Infrastruktur ist Voraussetzung, um letztendlich Standortqualität zu haben. Die Bundesregierung hat sich dazu entschlossen, und ich halte das für eine wichtige Voraussetzung, um auch in Zukunft Arbeitsplätze in Österreich zu erhalten und sogar zu fördern. (Beifall bei der SPÖ.)

Der dritte Bereich, der meiner Meinung nach ebenfalls sehr wichtig ist, ist, daß ein entwickeltes Industrieland immer sehr, sehr weit vorne sein muß, um wirklich konkurrenzfähig zu sein. Der Beschluß, in Forschung und Entwicklung zu investieren, bedeutet langfristig die Absicherung von Arbeitsplätzen in der Industrie, und das ist ebenfalls eine wichtige Maßnahme.

Ich möchte aber auch betonen – und dem wird das Koalitionsabkommen auch gerecht –, daß das größte Kapital, das wir in unserem Land haben, die Menschen sind. Ich halte daher relativ wenig von dem Vorschlag des Herrn Dr. Haider, der sagt: Senken wir die Kosten für die Arbeitskraft, dann sind wir wieder wettbewerbsfähig. Was heißt denn das? Wir können doch nicht mit den niedrigen Löhnen anderer Länder konkurrieren, sondern es geht doch in erster Linie darum, unsere Beschäftigten so gut auszubilden, auf einem so hohen Niveau Produktionen durchzuführen, daß letztendlich auch trotz hoher Löhne absolute Wettbewerbsfähigkeit gegeben ist.

Wie wird nun dieses Koalitionsabkommen genau dieser Frage Ausbildung gerecht? – Zum einen, indem es vorsieht, daß es lebensbegleitendes Lernen geben sollte. Wir müssen umden


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 68

ken. Es kann in Zukunft nicht so sein, daß wir diese starre Trennung: Erstausbildung, Berufstätigkeit, Pension beibehalten, sondern es wird notwendig sein, sich immer wieder zusätzliche Qualifikationen anzueignen, um letztendlich damit auch die Gefahr der Arbeitslosigkeit im Alter zu bannen.

Wenn man sich heute ansieht, wer in diesem Land arbeitslos ist, dann zeigt sich, daß ältere Arbeitnehmer umso rascher arbeitsloser werden und auch länger arbeitslos bleiben, je weniger sie ausgebildet sind, je weniger Qualifikationen sie haben. Das heißt, es ist auch eine gute Investition für die Zukunft, wenn Menschen immer wieder neue Qualifikationen erwerben, damit sie auch im Alter nicht so rasch arbeitslos werden. – Das ist der eine Bereich.

Der zweite Bereich ist, daß man sich in der Politik nicht damit begnügen darf, einfach nur zuzugestehen, wenn jemand arbeitslos wird, dann wird Arbeitslosengeld ausbezahlt, das ist meiner Meinung nach eine sehr passive Grundeinstellung. Es geht vielmehr darum, daß man sagt, es ist jemand arbeitslos, aber es muß alles getan werden, um ihn so rasch wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt hineinzubringen. Da ist eben aktive Arbeitsmarktpolitik gefragt, wo es Maßnahmen gibt, damit Menschen gar nicht aus ihrem Arbeitsrhythmus herausgerissen werden, sondern von Beginn an wieder leicht in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können.

Dritter Punkt ist die Frage der Kinderbetreuungseinrichtungen. Ich stimme zu, daß Kinderbetreuung nicht eine Sache der Frau ist, sondern natürlich eine Sache von Mann und Frau, denn beide sind für ihre Kinder verantwortlich. In der Realität ist es aber immer noch so, daß die Berufstätigkeit der Frauen eingeschränkt ist, weil es zu wenig Kinderbetreuungseinrichtungen gibt. Wir müssen sehen, daß es da sowohl ein Stadt-Land-Gefälle als auch zu wenig Kinderbetreuungseinrichtungen gibt.

Kollegin Silhavy hat gestern gesagt: Frauen sind in erster Linie zwischen 30 und 40 arbeitslos. Warum? – Weil sie nach der Geburt von Kindern, nach der Karenzzeit sehr, sehr schwer eine Beschäftigung finden. Da ist es Aufgabe von uns Politikern, letztendlich eine ausreichende Zahl von Kinderbetreuungseinrichtungen zu schaffen, und zwar nicht nur solche, in denen die Kinder am Vormittag betreut werden oder zu Mittag abgeholt werden müssen und am Nachmittag wieder gebracht werden können, sondern da geht es darum, daß man wirklich ganztägige Betreuung anbietet, daß man Müttern und Vätern die Chance gibt, berufstätig zu sein, wenn sie es wollen, und damit auch eine gewisse Gleichberechtigung schafft.

Ich glaube, das Koalitionsabkommen kann man als einen Kompromiß zweier völlig unterschiedlicher Parteien bezeichnen, aber ich bin der Meinung, daß dieser Kompromiß ein guter ist.

Nun kann ich mir vorstellen, daß das eine Opposition stört. Ich versuche, mich kurz beispielsweise in die Situation der FPÖ hineinzudenken. Es war doch so, daß 1987, 1990, 1995 und 1996 eine Regierungserklärung abgegeben wurde. Und jedesmal ist der Chef – so will er ja genannt werden, er will ja nicht als Führer bezeichnet werden – der größten Oppositionspartei ans Rednerpult getreten und gesagt hat: Diese Regierung wird es nicht lange machen, da wird es Riesenprobleme geben, die schafft es nicht, es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer anderen Konstellation kommt. – Gemeint hat er damit, er wird sozusagen in die Regierung kommen.

Tatsache ist, es gibt erstens diese Bundesregierung, und es gibt sie unter anderem auch deshalb, weil vor allem die Sozialdemokratie bei den letzten Wahlen gewonnen hat. Im Gegensatz dazu haben alle Oppositionsparteien bei den letzten Wahlen verloren. Das heißt, es gab ein eindeutiges Votum der österreichischen Bevölkerung für diese Koalition, nicht zuletzt auch, glaube ich, deshalb, weil wir gesagt haben, wofür wir stehen, was wir nach den Wahlen machen werden, und nicht plakatiert haben – so wie das eine große Oppositionspartei gemacht hat –, daß der Spitzenkandidat nicht gelogen hat.

Das ist, glaube ich, ein bißchen wenig. Erstens entspricht es meiner Erziehung, daß es eine Selbstverständlichkeit ist, daß man nicht lügt. (Abg. Dr. Schmidt: Bei ihm nicht!) Das zweite ist, daß es offensichtlich niemand geglaubt hat, denn sonst hätten Sie bei den letzten Wahlen nicht zwei Mandate verloren. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 69

Andreas Mölzer, ein Freund aus alten Tagen, sagt heute in "NEWS", daß Haider ein Volkstribun ist und von den Menschen geliebt werden will. Und wie muß es einen Menschen schmerzen, der geliebt werden will, wenn er als Spitzenkandidat einer Partei zwei Mandate verliert! (Abg. Scheibner: Da habt ihr gute Erfahrungen in den letzten zehn Jahren!) Das muß tiefe Schmerzen verursachen, wenn er noch dazu in seiner Heimat verliert – er hat nämlich 0,8 Prozent in Kärnten verloren. Das heißt, er hat sich offensichtlich als Spitzenkandidat nicht wirklich durchgesetzt, und er wird nicht in diesem Ausmaß geliebt, wie es notwendig wäre, um etwas Positives für sich herauszuholen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der FPÖ! Ich glaube auch, daß ich Ihnen sagen kann, warum Sie bei den letzten Wahlen verloren haben. – Weil letztendlich die österreichische Bevölkerung nicht wirklich glaubt, daß Sie ihre Interessen vertreten. (Beifall bei der SPÖ.) Ich glaube, daß die österreichische Bevölkerung sehr genau weiß, wie sie Sie einschätzen muß, wie sie mit Ihnen umzugehen hat.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel des heutigen Tages zeigen. Herr Dr. Haider geht heraus und sagt hier: Dieses Koalitionsabkommen ist ein Skandal, es gibt weniger Verlustabschreibungen, die Chancen von kleinen und mittleren Unternehmen werden dadurch geschmälert. Er sagt nicht dazu, daß ihm wahrscheinlich die kleinen und mittleren Unternehmen gar nicht so wichtig sind. Wissen Sie, wer ihm wichtig ist? – Dr. Haider und seine Möglichkeiten, weiter Verluste abzuschreiben. Das ist genau der Punkt, der ihm wichtig ist. (Beifall bei der SPÖ.) Und das spüren, glaube ich, die Leute. Sie spüren auch genau, daß sie von euch immer wieder zum Narren gehalten werden.

Sie wissen schon, daß genau jene Verlustabschreibemöglichkeit, deren Abschaffung in einem gewissen Ausmaß Herr Dr. Haider heute hier so beweint hat, dazu geführt hat, daß ein Klubobmann dieser Republik mit einem Grundvermögen von zirka 165 Millionen de facto in den letzten Jahren keine Steuern bezahlt hat. – Das wollen wir nicht, sehr geehrte Damen und Herren von der FPÖ! Das ist ungerecht, das wollen wir nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Eine Lex allein für einen Klubobmann! Sehr weitsichtige Politik!) Nein, Frau Dr. Partik-Pablé, das ist nicht eine Lex für oder gegen einen Klubobmann. Da geht es darum, daß nur gut Verdienende diese Verlustabschreibungsmöglichkeit überhaupt in Anspruch nehmen können.

Wenn ich 10 000 S oder 15 000 S im Monat verdiene, dann kann ich das gar nicht lukrieren, denn dann rechnet es sich gar nicht, Frau Dr. Partik-Pablé. Das rechnet sich ja nur für Gutverdiener. Und das wollen Sie beibehalten. Das haben Sie ja auch gesagt. Sie haben ja auch hier vom Rednerpult gesagt, Verlustabschreibemodelle gibt es nicht mehr. Sie wollen die gut Verdienenden bevorzugen, weil sich genau da Ihre persönlichen Interessen widerspiegeln. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mentil hält einen 1 000-S-Schein in die Höhe. – Abg. Scheibner: Wo sind die 1 000 S? – Abg. Blünegger: Frau Abgeordnete! Pensionsverzicht haben Sie versprochen! – Ist nichts geworden!) Ich hoffe, Sie beruhigen sich wieder. Warum ärgert Sie das so, wenn ich sage, Sie sind die Vertreter der Besserverdienenden?

Wir haben versprochen, es gibt keinen Eingriff in bestehende Pensionen, das haben wir gehalten. Im Gegensatz zu Ihnen halten wir das, was wir versprechen. Darum wählen uns die Leute und nicht Sie, das ist der Unterschied zwischen uns. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Gebt uns den Josef wieder zurück! Er hat wenigstens drei Fragen gestellt!)

Herr Dr. Haider ist herausgekommen und hat hier wortreich gesagt, wer denn aller nicht Wirtschaftserfahrung und Wirtschaftskompetenz hat. Er versuchte sozusagen zu dokumentieren, daß er die absolute Wirtschaftskompetenz hat.

Es steht mir nicht zu, über das zu sprechen, wie Sie Ihre Partei führen oder wie Sie es anlegen. Aber einen Parteivorsitzenden und Generalsekretäre, die nicht einmal in der Lage sind, eine Wahlkampfrückerstattung von 30 Millionen Schilling anzufordern, würde ich hinauswerfen. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist nicht nur


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 70

Unfähigkeit, das ist auch zum Schaden Ihrer Partei. Sie schaffen es nicht einmal, einen ganz normalen kleinen Antrag zu stellen, so ist Ihre wirtschaftliche Kompetenz.

Daher bin ich froh, sehr geehrte Damen und Herren, daß es diese Bundesregierung gibt. Sie garantiert soziale Sicherheit in unserem Land, Stabilität und eine aktive internationale Rolle. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Hums. – Bitte, Herr Bundesminister.

14.00

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Ressort Soziales: Es ist, glaube ich, für alle hier unbestreitbar, daß Österreich im internationalen Vergleich einen herausragend hohen Sozialstandard hat.

Auch nach den jetzt kommenden Reformen zur Finanzsicherung wird es weiter so sein, daß Österreich einen gut abgesicherten, im internationalen Vergleich exzellenten Sozialstandard hat. Sie können das dann bei der Debatte über die Budgetbegleitgesetze, die Sie ja inzwischen, glaube ich, bereits haben, mitverfolgen.

Wir haben gerade in den letzten Jahren unser Sozialsystem mit einer Reihe von Sozialoffensiven noch weiter verbessert, beispielsweise mit der Anrechnung der Kindererziehungszeiten, der Einführung des Pflegegeldes, mit massiven Anhebungen der Mindestpensionen – viele Maßnahmen, die unser System wesentlich weiter verbessert haben.

Die international schlechtere Wirtschaftsentwicklung macht es auch bei uns notwendig, daß wir zur Budgetkonsolidierung auch im Sozialbereich die Finanzierbarkeit mit sinnvollen, sozial logischen und sozial ausgewogenen Reformen für die Zukunft absichern. Wir haben diese Reformen mit allen Beteiligten – mit den Gewerkschaften, mit den Kammern, mit der Wirtschaft, mit den Behindertenverbänden, mit Jugendorganisationen – ausdiskutiert, erörtert und auch Vorschläge angenommen.

Natürlich ist es nicht möglich, eine Budgetkonsolidierung von zirka 100 Milliarden Schilling so durchzuführen, daß niemand davon betroffen ist, daß niemand etwas spürt. Wir haben aber diese Reformen so konzipiert, daß sie, wie gesagt, sozial ausgewogen und verständlich sind, daß jene, die mehr verdienen, auch mehr zur Konsolidierung des Budgets beitragen und daß die sozial Schwachen davon nicht betroffen sind. (Beifall bei der SPÖ.) Das waren die Elemente, die für uns bei dieser Konsolidierung im Bereich des Sozialsystems entscheidend waren.

Wenn hier davon gesprochen wird, daß es keine Strukturreformen gibt, dann muß ich sagen: Das ist absolut unrichtig. Was Ihnen von den Freiheitlichen vielleicht fehlt, ist der Wirbel, denn aufgrund dieser vielen Gespräche, die es gegeben hat, aufgrund des hohen Verständnisses der Bevölkerungsgruppen ist es so, daß diese Maßnahmen – auch wenn sie für manche, ja für viele spürbar sind – akzeptiert werden.

Eine der wesentlichen Fragen war: Wie gehen wir künftig im Bereich der Beschäftigungspolitik vor?, denn eine gute Beschäftigung ist eine der wesentlichsten Säulen nicht nur für die Existenz des einzelnen, sondern für unser gesamtes Sozialsystem. Daher war es ganz entscheidend für uns, daß trotz Budgetkonsolidierung im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik keine Kürzungen vorgenommen werden, im Gegenteil: Weil zusätzlich aus Brüssel ESF-Mittel zurückfließen – Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds –, werden wir im heurigen und im kommenden Jahr gegenüber 1995 im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik wesentlich mehr Mittel zur Verfügung haben als bisher. (Abg. Blünegger: Zahlen wollen wir wissen!)

Zahlen: 5 Milliarden plus 1,5 Milliarden aus dem Europäischen Sozialfonds, das sind 6,5 Milliarden gegenüber 5 Milliarden im vorigen Jahr; also rund 1,5 Milliarden mehr, die zum Teil über das Arbeitsmarktservice, zum Teil über andere Bereiche fließen werden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 71

Aktive Arbeitsmarktpolitik ist danach orientiert, für jene Personen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sein könnten oder betroffen sind, etwas zu tun. Ganz entscheidend ist aber nicht nur, daß diese Mittel fließen, sondern auch, darauf zu schauen, daß die Wirtschaft in der Lage ist, Beschäftigung zu sichern. Und da ist es notwendig – und das wird auch geschehen –, daß die Exportoffensive verstärkt wird, daß Forschung auch den Klein- und Mittelunternehmen mehr zur Verfügung steht. Es ist notwendig, daß wir die Infrastruktur im Hinblick auf die Zukunft zeitgemäß gestalten. Bereits Ende des Vorjahres wurden Mittel in Milliardenhöhe beschlossen – beispielsweise 12 Milliarden für den Ausbau der Infrastruktur im Eisenbahnbereich sowie Mittel für den Ausbau und die Schließung von Lücken im Autobahnbereich. Für Telekommunikation werden zusätzliche Milliarden fließen, die der Wirtschaft der Zukunft dienen und heute Arbeitsplätze, gerade in der Bauwirtschaft, schaffen. Daher ist es ungeheuer wichtig, daß wir der Beschäftigungspolitik ein besonderes Augenmerk zuwenden – auch in Zeiten der Budgetkonsolidierung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Im Bereich der Arbeitsmarktförderung werden wir vor allem darauf achten, daß die niedrige Jugendarbeitslosigkeit auch in Zukunft nicht steigen wird. Wir haben in Österreich die mit Abstand niedrigste Jugendarbeitslosigkeit Europas, und das muß auch in Zukunft so bleiben.

Weitere Schwerpunkte sind besondere Maßnahmen für Frauen – auch unterstützend im Bereich der Kinderbetreuung – und für ältere Menschen. Heute um 2 Uhr früh haben wir hier Maßnahmen beschlossen, die für die Älteren bessere Möglichkeiten bieten sollen, im Beschäftigungsleben zu bleiben. Und wir haben gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice eine besondere Aktion vorbereitet, um jenen Menschen zu helfen, die schon lange arbeitslos sind.

Zurzeit gibt es in Österreich zirka 29 000 Menschen, die seit 1993 und länger Notstandshilfe beziehen. Ihnen wollen wir helfen, und zwar indem wir ihnen unterstützend beistehen, damit sie in die Wirtschaft zurückkommen können. Wir wollen ihnen aber auch dann helfen, wenn das nicht sofort der Fall ist. Dafür gibt es Sonderaktionen gemeinsam mit der Wirtschaft, die bereits laufen. Über gemeinnützige Beschäftigungsprogramme können sie zusätzlich Geld verdienen und wieder den Einstieg ins Berufsleben finden – eine Maßnahme zur Hilfe für diese Menschen, die verstärkt im heurigen und im nächsten Jahr durchgeführt werden wird.

Ich habe vorher vom Vermeiden der Jugendarbeitslosigkeit gesprochen. Eine diesbezügliche Maßnahme ist auch, daß wir bei der Reform im Pensionsbereich das gesetzliche Pensionsantrittsalter von 55 und 60 Jahren bei langer Versicherungsdauer nicht angehoben haben, denn ein Anheben dieses Alters – 60 für Männer, 55 für Frauen – hätte in der jetzigen Situation massiv dazu geführt, daß Jüngere keine Beschäftigung finden.

Wir haben aber mit den Reformen im Bereich der Pensionsversicherung verstärkt Wert darauf gelegt, daß Versicherungszeiten – die Anzahl der Versicherungsmonate, die Anzahl der Beitragsmonate – stärker berücksichtigt werden, und zwar nicht abrupt, sondern in einem vernünftigen Übergangszeitraum. Bis zum Jahr 2001 wird die lange Versicherungszeit, welche für Personen, die mit 55 beziehungsweise mit 60 Jahren in Pension gehen, notwendig ist, von 35 Versicherungsjahren auf 37,5 Versicherungsjahre angehoben: ein überblickbarer, disponierbarer Zeitraum mit Schutz für die einzelnen Jahrgänge. Ich glaube, daß das vertretbar ist. Gleichzeitig haben wir festgelegt, daß 35 echte Beitragsjahre auch in Zukunft ausreichen, daß eine Frau mit 55 und ein Mann mit 60 Jahren in Pension gehen können.

Wir haben neuerlich besonders darauf hingewiesen, daß Rehabilitation im humanen Interesse und Sinn vor Pension zu gehen hat. Wir wollen das tatsächliche Pensionsantrittsalter dadurch anheben, daß wir die Menschen davor schützen, daß sie vorzeitig aus dem Berufsleben gedrängt werden. Wir wollen verstärkt Gesundheitsvorsorge und Arbeitnehmerschutz in den Vordergrund stellen, und das wird auch geschehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Dr. Partik-Pablé hat bezweifelt, daß die Pensionen auch in Zukunft sicher sind. – Frau Abgeordnete! Ich habe das schon so oft erklärt und kann es auch mit Zahlen beweisen. Die Produktivität ist ja wesentlich entscheidender, berücksichtigen Sie nur diesen einen Punkt. Im


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 72

ASVG-Bereich lag der Zuschuß des Bundes 1970 bei rund 23 Prozent. Weil wir stets zeitgerecht Reformen durchgeführt haben, betrug er im Vorjahr nicht mehr 23 Prozent wie 1970, sondern nur mehr rund 12 Prozent. Das System ist abgesichert, auch für die Jungen!

Ich bin gerne bereit, in Ihren Klub zu kommen, wenn Sie mich einladen – hier reicht nämlich die Zeit nicht aus –, und Ihnen die Sicherheit dieses Systems für heute und für die Zukunft langsam, zum Mitdenken, zu erklären. Ich erkläre Ihnen das gerne in Ihrem Klub. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Blünegger: Wir werden darauf zurückkommen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wir nehmen Experten mit, die sich auskennen!)

Entscheidend ist sicher auch, weitere Harmonisierungsschritte im Pensionsbereich zu setzen, mit dem Ziel der gleichwertigen Harmonisierung der einzelnen Systeme für die Zukunft, insbesondere für jene, die neu ins Berufsleben eintreten. Wir haben also mit diesen Reformen eine Reihe von strukturellen Änderungen vorgenommen, die die Finanzierbarkeit auch für die Zukunft besser absichern.

Ausbildung, lebensbegleitendes Lernen werden weitere wesentliche Themen sein, denn wir wollen den Wirtschaftsstandort Österreich mit Hilfe der bisherigen Qualität – mit der Qualität der Arbeitskräfte, mit der Qualität der österreichischen Infrastruktur – absichern, aber nicht mit Lohn- und Sozialdumping. Das kommt für uns nicht in Frage. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Im Arbeitsrecht ist es notwendig, daß wir uns vermehrt mit neuen Arbeitsformen beschäftigen. Arbeitsformen ändern sich, und daher ist es auch notwendig, daß wir atypische Beschäftigungsformen, dienstnehmerähnliche Verträge, die oft als Werkverträge deklariert werden, im Interesse der Betroffenen, aber auch im Interesse der gesamten Riskengemeinschaft in die Sozialversicherung einbeziehen, weil es keine Schlupflöcher zum Nachteil des einzelnen und der Gemeinschaft geben darf. Dies ist besonders wichtig in einer Zeit, in der wir mit Telearbeit und vielen anderen Arbeitsformen konfrontiert sind, welche wir sonst nicht in die Sozialversicherung einbeziehen könnten.

Ich verstehe daher die Kritik nicht, die immer wieder gerade zu diesem Punkt aus den Reihen der Freiheitlichen kommt. Natürlich ist es im Interesse der Arbeitnehmer und der Wirtschaft erforderlich, im Bereich der Arbeitszeit mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu bieten, und zwar beiden Teilen, partnerschaftlich. Diesbezüglich laufen bereits Verhandlungen, und ich hoffe, daß wir sie bald abschließen können. Im Sinne einer guten Sozialpartnerschaft muß eine Einigung für beide Teile etwas bringen. Wir wollen im Arbeitszeitgesetz wesentlich größere Spielräume für Abschlüsse in den Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen anbieten. Ich hoffe, daß wir noch vor dem Sommer zu einer gemeinsamen Regelung kommen, die beiden Teilen, den Unternehmern und den Arbeitnehmern, bessere Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitszeitbereich bietet.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit nochmals bei allen Gesprächspartnern bedanken, die in den letzten Wochen wirklich gefordert waren. Wie gesagt: Der Konsolidierungsbedarf ist da, aber ohne daß jemand etwas spürt, ist eine Konsolidierung nicht erreichbar. Wir haben uns aber bemüht – und das, wie ich glaube, auch durchgesetzt –, ein sozial ausgewogenes und sozial verständliches Paket zu finden. (Abg. Dr.  Schmidt: "Bemüht" ist nicht genug!)

Frau Dr. Partik-Pablé! Auch im Bereich der Behinderten sind wir auf betrieblicher Ebene, im Bereich des Wohnens und in allen anderen Bereichen bemüht, den Behinderten ein adäquates Leben in Österreich zu sichern. Das Pflegegeld wurde eingeführt, was einen wesentlichen Schritt in diese Richtung darstellt. Es gibt keinen zweiten Staat in Europa, der ein derart hervorragendes System für Behinderte vorweisen kann. Und auch die jetzigen Reformen ändern nichts an der Qualität dieses Systems. Es werden lediglich Korrekturen vorgenommen, damit dieses System auch in Zukunft hält, beispielsweise hinsichtlich Doppelbegünstigungen: Wenn jemand im Spital ist, wird das Pflegegeld künftig nicht weiterbezahlt. Ich glaube, das ist logisch.

Es wurde hier auch angezogen, daß das Taschengeld gekürzt wird. Dieser Punkt wird immer wieder kritisiert. Das Pflegegeld ist jedoch nicht dazu gedacht, wie etwa Herr Dr. Haider gemeint hat, daß der Betreffende etwas zum Anziehen kaufen kann. Das ist ein kapitales Miß


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 73

verständnis! Dafür ist die Einkommenssicherung notwendig, und wir haben auch das Mindesteinkommen durch das Anheben der Ausgleichszulagenrichtsätze in den letzten Jahren etliche Male maßgeblich erhöht. Und im Pensionsbereich werden auch im nächsten Jahr gerade die geringen Pensionen mit der Einmalzahlung von 2 000 beziehungsweise 3 000 S wesentlich angehoben.

Abschließend möchte ich Sie im Interesse der sozialen Sicherheit zu einer sachlichen Zusammenarbeit und konstruktiven Arbeit in dieser Periode einladen. Unser Ziel lautet: Jeder Frau und jedem Mann wollen wir die Beschäftigungsmöglichkeit bieten, die ihm entspricht, und gleichzeitig soziale Sicherheit. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.15

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner gemeldet.

Redezeit: 3 Minuten. Der geschäftsordnungsmäßige Vorgang ist bekannt. – Bitte.

14.15

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Zentralsekretärin Ederer hat behauptet, daß der Klubobmann der Freiheitlichen, Dr. Haider, de facto keine Steuern bezahle.

Ich berichtige tatsächlich: Diese Äußerung ist unrichtig. Herr Dr. Haider hat schon mehrmals nachgewiesen, daß er sowohl als Unternehmer als auch als Klubobmann unserer Fraktion alle ihm vom Gesetz auferlegten Steuern pünktlich und vollständig beglichen hat. (Abg. Dr. Fuhrmann: Ja, aber wieviel?)

Frau Zentralsekretärin Ederer hat weiters behauptet, daß die Generalsekretäre der Freiheitlichen es verabsäumt hätten, die Wahlkampfkostenrückerstattung zu beantragen. – Frau Kollegin! Es dürfte Ihnen entgangen sein, daß sich die Freiheitliche Partei in eine Bewegung gewandelt hat. Es gibt keine Generalsekretäre mehr, deshalb können die Generalsekretäre auch nichts versäumen. (Abg. Schieder: Das ist keine tatsächliche Berichtigung mehr! Das ist Wortklauberei!) Das ist eine tatsächliche Berichtigung!

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Bitte tatsächlich zu berichtigen.

Abgeordneter Herbert Scheibner (fortsetzend): Das war, glaube ich, tatsächlich berichtigt. – Klar ist weiters, daß dieses Geld nicht dem Steuerzahler zugute kommt, sondern daß die anderen Parteien diese freiwerdenden Mittel für sich beansprucht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.17

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.17

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Gestern war hier, wenn man so will, der Tag der Regierung. Die Regierungserklärung fand hier statt. Der Bundeskanzler hat uns über eineinhalb Stunden lang diese Regierungserklärung vorgetragen. Heute, meine ich, ist der Tag des Parlaments, der Tag der Abgeordneten.

Ich halte es daher für eine Mißachtung des Parlaments, daß sich heute permanent Minister von der Regierungsbank zu Wort melden und keine ausführliche Debatte zwischen den Abgeordneten – zwischen den Abgeordneten der Oppositionsparteien und jenen der Regierungsparteien – zulassen, und es daher zu keinem Wechselspiel der Ideen kommen kann.

Es ist uns klar, daß selbstverständlich nur deshalb so vorgegangen wird, weil diese Debatte im Fernsehen live übertragen wird. Es geht Ihnen nicht darum, uns jetzt Ihre Ideen, die Sie uns in den letzten Wochen ohnehin schon mindestens zehnmal mitgeteilt haben, noch einmal zu


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 74

präsentieren. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wovon reden Sie jetzt, Frau Kollegin?) Sie machen es auch deshalb, um – was Sie gestern der Opposition vorgeworfen haben – zur richtigen Zeit ins Fernsehen zu kommen. Ich halte das für eine Mißachtung des Parlamentarismus und der Abgeordneten, die heute hier sind und die sich mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers beschäftigen wollen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger .)

Daß Sie von der ÖVP und SPÖ kein Interesse daran haben, daß hier Oppositionsabgeordnete zu Wort kommen, das ist mir ja noch verständlich. Aber daß Sie als Abgeordnete nicht soviel Selbstwertgefühl haben, hier wirklich auch zu Wort kommen zu wollen, das ist mir eigentlich unverständlich. (Abg. Schwarzenberger: Sie wollen ja auch Antworten auf Ihre Fragen!) – Ja, das ist Ihr Verständnis von Parlamentarismus. Das hat man schon daran gemerkt, was mit dem koalitionsfreien Raum passiert ist.

Aber zur Sache selbst: Der Bundeskanzler hat es gestern hier angesprochen, und da ist natürlich sehr viel dran: Wir befinden uns in einer der schwierigsten Phasen der Zweiten Republik. Nicht nur, daß das herannahende Ende dieses Jahrtausends auch psychologisch einiges unserer Probleme erst jetzt offensichtlich werden läßt, vor allem die Globalisierung des Welthandels hat insgesamt eine Dynamik entwickelt, die wir wahrscheinlich alle unterschätzt haben.

Der Kapitalismus hat in den letzten Jahrzehnten immer wieder gewisse Sprünge gemacht. Mit der Entwicklung der GATT-Verträge, mit der Entwicklung des Binnenmarktes in Europa hat sich aber eine Dynamik ergeben, die bisher viele Regierungen – und die österreichische Regierung ganz besonders – überfordert hat, weil sie eben nicht gewappnet waren gegen all die Konsequenzen, die sich aus diesem freien Wettbewerb, diesem enormen Liberalisierungsschub ergeben haben.

Und daß dieses angebliche Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung auf nicht ungeteilte Zustimmung in der österreichischen Bevölkerung stößt, davon konnte und kann sich gerade heute jeder überzeugen. 40 000 Studenten haben demonstriert und demonstrieren zum Teil noch immer hier in Wien. Insgesamt sind in Österreich heute über 50 000 Studenten auf der Straße, die sich gegen dieses Belastungspaket für die Studierenden beziehungsweise die Lehrkörper, die Assistenten und Professoren zur Wehr setzen.

Wir haben es schon gestern in der Debatte immer wieder thematisiert: Gerade in solchen Umbruchszeiten nicht in die Lehre, nicht in die Wissenschaft, nicht in die Studenten an sich und in die Fortbildung zu investieren, das ist ein krasser Fehler und wird für dieses Land in einigen Jahrzehnten noch viele negative Konsequenzen haben.

Die Globalisierung der Wirtschaft ist ja auch in Österreich unmittelbar und permanent spürbar. Die Arbeitslosenrate steigt – und sie wird weiter steigen. Große österreichische Unternehmen, beispielsweise die Austrian Airlines, die österreichische Fluglinie, haben längst lohnkostenintensive Bereiche ausgelagert. Die Buchhaltung der AUA wird in Indien gemacht, online. Überall auf der Welt lagern Großunternehmen ihre lohnkostenintensiven Bereiche speziell in den südostasiatischen Raum aus, wo es einfach viel, viel billigere Arbeitskräfte, wo es Kinderarbeit gibt, und wo auch unter unglaublichen ökologischen Bedingungen gearbeitet wird. Diesen Fragen muß man sich viel offensiver stellen, als das bisher passiert ist.

Die Grünen haben sich sehr intensiv mit diesem Bereich des neuartigen Wirtschaftens beschäftigt und immer wieder darauf hingewiesen, daß man in einem globalen Markt versuchen muß, dem Prinzip der nachhaltigen Wirtschaft gerecht zu werden, daß es uns gelingen muß, zu erreichen, daß es aufgrund dieses globalisierten Welthandels nicht noch weiter zu einem enormen Ökodumping, zu einem enormen Sozialdumping kommt. Wenn es um die Wirtschaft geht, spielen Menschenrechte plötzlich keine Rolle mehr, wir sind nur gierig darauf, mit all diesen Ländern Handel zu treiben, unabhängig davon, daß in diesen Ländern – sei das in China oder in anderen südostasiatischen Ländern – Menschen unterdrückt und gefoltert werden.

Wir haben deshalb einen Antrag formuliert, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, diese Gesetzgebungsperiode unter das Leitbild "Nachhaltiges Wirtschaften" zu stellen:


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 75

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Langthaler, Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend die umweltpolitische Bedeutung der XX. Gesetzgebungsperiode

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, diese XX. Gesetzgebungsperiode unter das Leitbild "Nachhaltiges Wirtschaften" (Sustainable Development) zu stellen.

*****

Wenn man sich nämlich dieses Koalitionsübereinkommen und auch die Regierungserklärung des Bundeskanzlers im Detail ansieht, dann muß man sagen, es ist gerade in dem für uns so wichtigen Bereich der Umweltpolitik sehr, sehr viel offen, und es ist im Grunde ein Rückschritt.

Es ist heutzutage mehr als Reparaturpolitik zu betreiben. Und wenn der Bundeskanzler gestern gesagt hat, Umwelt schafft Arbeitsplätze, dann kann ich dem nur zustimmen. Das ist genau das, was in einer Publikation der Grünen seit vielen Jahren steht, wo wir immer wieder nachweisen, daß mit einer Investition in vernünftige Projekte, in Umweltprojekte, selbstverständlich Arbeitsplätze geschaffen werden, und daß das eben nicht nur ökologisch, sondern vor allem ökonomisch sinnvoll ist. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Was Sie uns aber hier angeboten haben, das ist nicht viel mehr als eine Art Öko-Blabla, eine Aneinanderreihung von Absichtserklärungen, die ich jetzt schon zum dritten Mal in einer Regierungserklärung höre – die konkreten Projekte gehen aber in eine ganz andere Richtung. Sie sprechen davon – und das steht sogar in Ihrem eigenen Koalitionsübereinkommen –, daß nachhaltiges Wirtschaften und das Streben nach einer gesunden Umwelt richtig und vernünftig sind. Aber über den Umstand, daß wir gerade im Bereich des Verkehrs überhaupt keine Kostenwahrheit haben, sehen Sie einfach hinweg. Wenn man heute etwas aus einem Versandkatalog einer österreichischen Firma bestellt, dann kommt das nicht aus einer naheliegenden Gemeinde, sondern das wird, weil eben der Transport nichts kostet, aus Singapur, Vietnam oder von wo immer hergekarrt. Das alles ist möglich, weil Betriebe ihre Lagerkosten in diese Länder auslagern, in denen es so gut wie nichts kostet, weil Transportkosten natürlich vernachlässigt werden können, solange Energie so billig ist.

Der Schlüssel für dieses Problem, den wir Ihnen seit so vielen Jahren versuchen, schmackhaft zu machen, wäre natürlich die Ökologisierung des Steuersystems und die konsequente Besteuerung von Ressourcen bei gleichzeitiger steuerlicher Entlastung der Arbeitskraft. Sie machen es nicht. Was Sie tun – und das machen Sie nur aus budgetären Gründen, weil Sie Geld für Ihr Budget brauchen –, das ist die Anhebung der Besteuerung mancher Energieträger. Man wird sehen, ob das überhaupt Lenkungseffekte hat. Es ist ein Skandal, daß alternative Energieerzeuger davon nicht ausgenommen werden, daß Windenergie, Biomasse, Sonnenenergie, daß heißt Strom, der dadurch entsteht, nicht von der Besteuerung ausgenommen werden. Das ist nicht nachvollziehbar.

Sie haben immer gesagt, Sie seien für ein atomkraftfreies Mitteleuropa. – Plötzlich ist jede Art der Besteuerung gleich. Egal, ob der Strom aus Atomkraftwerken oder aus Windkraftwerken stammt, er wird gleich besteuert. Sie wissen aber, daß es ein anderes Modell gäbe. Die Grünen haben schon in der letzten Gesetzgebungsperiode einen Gesetzesantrag eingebracht, wo man ganz genau nachvollziehen kann, daß eine Unterteilung natürlich möglich ist, daß eine Förderung alternativer Energieträger und damit ein nachhaltiges Wirtschaften und eine moderne Energiepolitik möglich sind.

Zum Bereich Verkehr. Seit vielen Jahren bauen Sie Straßen durch Österreich. Jetzt sind Sie plötzlich unter dem angeblichen Titel "Kostenwahrheit" auf die sogenannte Vignette gekommen. – Das ist ein Humbug. Ich bin nicht der Meinung des ÖAMTC und der Autofahrerklubs, die sagen, daß die Autofahrer ohnehin schon die Melkkühe der Nation sind. Das sind sie meiner


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 76

Meinung nach überhaupt nicht. Die Kosten, die durch den Autoverkehr verursacht werden, sind so riesengroß, daß man – ich sage das hier, auch wenn das unpopulär ist – noch ganz andere Kostenfaktoren miteinrechnen müßte.

Notwendig wäre eine echte Kostenwahrheit in diesem Bereich, das heißt, daß derjenige, der viel fährt, auch mehr zahlt. Es müßte also eine kilometerabhängige Berechnung geben. Diesbezüglich gibt es schon Modelle, ausgereifte Systeme – aber Sie führen hier etwas ein, was es zwar in anderen Ländern schon gibt, aber deshalb nicht besser ist, nämlich eine Vignette, die letztlich nur dazu dient, Geld hereinzubekommen. Dieses Geld wird aber nicht für den Umweltschutz eingesetzt, wie Sie behaupten, sondern um das Straßennetz zu schließen, um weiter Autobahnen zu bauen. Und das ist wirklich absurd.

Wie können Sie auf der einen Seite davon reden, daß Sie Umweltschutz betreiben wollen, und andererseits eine Autobahnvignette einführen und das Geld, das damit lukriert wird, nur dazu verwenden, weiter Autobahnen zu bauen? – Wo sind die konkreten Projekte für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene, für die Forcierung und Förderung von Nebenbahnen, für eine moderne ÖBB? – In diesen ÖBB gäbe es sehr, sehr viel zu reformieren. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein sogenannter Zukunftsminister das alles machen soll. Er hat die Kunst, er hat die Wissenschaft, er hat die ÖBB. Vielleicht hören wir jetzt Dichterlesungen in den Eisenbahnwaggons. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Warum nicht, Frau Kollegin?) Ja gut, ich wäre sehr dafür, aber ich meine, es wären doch andere Probleme vielleicht vordringlicher zu lösen. – Auch der riesige Bereich der Telekommunikation gehört zu diesem Ressort.

Und was passiert genau zu der Zeit, in der über angeblich mehr Umweltschutz geredet wird und uns der Herr Bundeskanzler zu mehr Mitarbeit eingeladen hat? – Da klagen Sie beziehungsweise der Bund Bürger, die sich zu Recht gegen ein illegales Projekt gewehrt haben, nämlich gegen den Bau der Ennstrasse. Bauern, Studenten, viele junge und ältere Menschen, die dort wohnen, haben gegen ein Projekt demonstriert, das illegal war. Es hat keine rechtsgültigen Bescheide gegeben, und trotzdem hat man dort gebaut. (Abg. Kröll: Drei Viertel der Bevölkerung sind dafür, Frau Kollegin!) Ja, aber trotzdem wird auch für Sie hoffentlich der Rechtsstaat gelten, und Sie müssen zur Kenntnis nehmen, auch wenn Sie die Zweidrittelmehrheit haben, daß es rechtskräftige Bescheide geben muß, damit Sie etwas bauen dürfen. (Beifall bei den Grünen.)

Dort haben Leute demonstriert, und was passiert jetzt? – Der Staat hat sie geklagt. Ich zitiere aus einem Zeitungsartikel: Ennstrasse: Bauern sollen zwei Millionen Schilling aus ihrer privaten Kasse zahlen. Je 200 290,70 S sollen zehn Ennstaler Bauern zahlen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Ist der Rechtsstaat zwischen Oberösterreich und Steiermark teilbar?) Aber nicht nur sie sollen zahlen, sondern die Finanzprokuratur hat auch drei Studenten, die bei der Demonstration anwesend waren, auf 126 180,56 S verklagt.

Ist das die neue Umweltpolitik, die Sie hier propagieren? Ist das das Angebot zur Zusammenarbeit? – Bei einem Projekt, für das es keine rechtskräftigen Bescheide gegeben hat, wo illegal gebaut wurde – es handelt sich um einen Schwarzbau sozusagen –, haben Bürger, Bauern – auch ein ÖVP-Gemeinderat war dabei, Herr Abgeordneter Khol – demonstriert. (Abg. Dr. Lukesch: Lambach meinen Sie nicht?) Auch dieser Gemeinderat ist auf diese Summe verklagt worden. Also das kann nicht die neue Umweltpolitik sein! (Abg. Dr. Khol: Sie haben ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung!)

Nein, Sie haben ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung! Ich bin ja für die Einhaltung des Rechtsstaates, Herr Abgeordneter Khol! (Abg. Dr. Khol: Die Selbsthilfe ist in diesem Staat nicht erlaubt!) Herr Abgeordneter Khol! Wir wollen, daß Bescheide eingehalten werden, und für dieses Projekt hat es keinen rechtskräftigen Bescheid gegeben – trotzdem wurde gebaut. (Abg. Dr. Khol: Das ist die Aufgabe der Behörde und nicht der Demonstranten!) Sie können sich doch nicht dagegen verwahren, daß der Rechtsstaat eingehalten wird, gerade Sie als Verfassungsjurist doch nicht! Das wundert mich wirklich sehr. Leute haben dort ihren Lebensraum geschützt, sich gegen ein illegales Projekt zur Wehr gesetzt, und jetzt sollen sie pro Person mehr als 200 000 S zahlen. (Abg. Dr. Khol: Mit der Selbsthilfe hat es angefangen!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 77

Wenn man sich das Regierungsübereinkommen ansieht, so fällt einem auf, daß viele Bereiche der Umweltpolitik, die in der letzten Regierungserklärung noch enthalten waren, fehlen, etwa ein Umwelthaftungsgesetz, einer der wichtigsten Bereiche in einer modernen Umweltpolitik, ein Gesetz, das die Beweislastumkehr in unserer Rechtsordnung verankern soll. – Kein Wort davon ist mehr drinnen.

Ebenso ist keine Rede mehr von einem einheitlichen Anlagenrecht, das notwendig wäre, um diese zersplitterte Umweltmaterie, bei der sich kein Mensch mehr in Österreich auskennt – niemand weiß, wo was verhandelt werden soll –, endlich zu ordnen. Nichts davon ist drinnen.

Bezüglich Abfallrecht steht drinnen, daß in diesem Bereich etwas novelliert werden soll, und natürlich finden sich die "wunderbaren" Worte, man solle Abfall vermeiden. Es wird aber immer mehr Abfall in Österreich anfallen, vor allem wenn man diese Politik fortsetzt. Es fällt zum Beispiel dieses Jahr das Glasflaschengebot. Wir werden also ab 1. Jänner 1997 überall nur mehr Plastikflaschen haben. Überall in diesen Bereichen wären konkrete Maßnahmen zu setzen, aber nichts davon findet sich in der Regierungserklärung.

Es ist enttäuschend – gerade heute, an einem Tag, an dem von der Bundesregierung und vom Bundespräsidenten abwärts das "Jahr der Nationalparke" ausgerufen wurde –, daß besonders im Naturschutz in diesem Land vieles im argen liegt. Wir sind diesbezüglich bei weitem kein Vorreiterland, wie Sie das immer behaupten, wir sind vielmehr ein Schlußlicht, und gerade in der Umweltpolitik werden wir das immer mehr werden. Ich würde Ihnen empfehlen, lesen Sie sich die aktuellen OECD-Berichte durch, da können Sie erkennen: Österreich hat längst jeden Anspruch verloren, sich als fortschrittlich in der Umweltpolitik zu bezeichnen. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

14.33

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Haider gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. Sie haben 3 Minuten. Bitte geschäftsordnungsgemäß vorzugehen.

14.33

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Die Frau Abgeordnete Ederer hat behauptet, Dr. Haider zahlt de facto keine Steuern. – Ich berichtige. (Abg. Schieder: Das ist schon berichtigt! Das ist schon entgegnet! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Interessiert es Sie nicht? Ich berichtige, daß ich ....

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Es ist für mich noch nicht feststellbar, wie berichtigt wird. – Herr Dr. Haider ist am Wort.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): Ich berichtige, daß das nicht stimmt. Ich zitiere aus einem Wirtschaftstreuhändergutachten eines beeideten Wirtschaftstreuhänders, daß ich in der Zeit zwischen 1986 und 1993 über 4 Millionen Schilling Steuern an die Republik Österreich entrichtet habe. Die Einkünfte aus dem Bärental im konkreten: von 1986 bis 1993: 2,1 Millionen, davon 967 000 S Steuern (Abg. Achs: Haben Sie sich aber wieder zurückgeholt!), Einkünfte meines Onkels, der der Nutzungsberechtige ist, von 1986 bis 1993: 4,6 Millionen Schilling, Einkommenssteuer: 1,2 Millionen Schilling.

Ich hoffe, daß damit endgültig die Lügenpropaganda jener, die ständig Unwahres behaupten, nämlich daß Haider keine Steuern bezahlt, entkräftet ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Zur Geschäftsordnung!)

14.34

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Bitte, zur Geschäftsordnung.

14.34

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich ersuche, dafür zu sorgen, daß jetzt nicht alle 15 Abgeordneten der FPÖ, die noch im Saal sind, das


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 78

gleiche noch einmal berichtigen. Das ist nicht der Sinn einer tatsächlichen Berichtigung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Die Wahrheit tut euch weh! – Abg. Dr. Haider: Die Lügenpropaganda tut euch weh!)

14.35

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Sie können die Versicherung haben, daß ich geschäftsordnungsgemäß vorgehen werde.

Am Wort ist nun Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Ich erteile es ihm. (Abg. Dr. Haider: Ihr wollt die Wahrheit nicht hören, ihr wollt nur lügen!)

14.35

Bundesminister für Umwelt, betraut mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für Jugend und Familie, Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Kollegin Langthaler! Wir dürften zwei unterschiedliche OECD-Berichte gelesen haben, denn der OECD-Bericht, der auch dem Hohen Haus vorliegt, der erste, den die OECD zum Thema Umwelt für Österreich verfaßt hat, stellt Österreich ein hervorragendes Zeugnis aus und weist Österreich in seiner Zusammenfassung als Umweltmusterland aus. Also es dürfte hier einen zweiten Bericht geben, offenbar eine Exklusivfassung für Sie, Frau Kollegin Langthaler. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Völlig richtig ist, daß es in der Umweltpolitik in den nächsten Jahren zu einer Trendänderung kommen wird. Wir werden von der End-of-pipe-Umweltschutzarbeit wegkommen müssen. Wir werden sehr viel stärker ökonomische Instrumente in der Umweltpolitik einsetzen müssen. Ein Instrument, das in den letzten Tagen verschiedentlich gewürdigt wurde, die Öko-Auditierung von Unternehmungen, hat in Österreich großartig eingeschlagen. Bereits fünf hervorragende Unternehmungen sind öko-auditiert und haben damit ein Umweltzeugnis erlangt. Und auch die Entwicklung von Clean Production Centers, von Zentren für die Information über reinere Umwelttechnologien – im Regierungsprogramm selbstverständlich beinhaltet –, wird uns einen Schritt weiter nach vorne bringen.

Aber nun zu der Aussage des Herrn Bundeskanzlers, Umweltschutz schafft Arbeitsplätze: Natürlich haben wir dafür gesorgt, daß in Zeiten, wo einerseits die Rückstände bereits besonders groß sind, andererseits aber auch dringend Arbeitsplätze gebraucht werden, in den Bereichen der Siedlungswasserwirtschaft, also des in ganz Österreich benötigten Kanal- und Wasserbaus, aber auch im Bereich der Altlastensanierung zwei Sondertranchen von je einer Milliarde Schilling bereitgestellt werden, die insgesamt für rund 3 000 zusätzliche Arbeitsplätze sorgen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auch wenn ich mir in einem anderen konjunkturellen und einem anderen budgetären Umfeld eine Ökologisierung des Steuersystems im Sinne einer echten Aufkommensneutralität und damit einer Senkung von Lohnnebenkosten vorgestellt und gewünscht hätte, so betrachte ich es doch als beachtlich, daß wir mit einer deutlichen Besteuerung der fossilen Energie – einerseits durch die Besteuerung von Mineralölen zum 1. Mai des letzten Jahres und jetzt mit einer Energieabgabe – zumindest einen Schritt in die richtige Richtung tun, und zwar einen Schritt, der dadurch unterstrichen wird, daß Österreichs Ländern ab nächstem Jahr nicht weniger als 800 Millionen Schilling pro Jahr für die Durchführung von Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden.

Meine Damen und Herren! Wenn Frau Kollegin Langthaler als Umweltsprecherin der Grünen hier anzieht, daß heute unter den Auspizien des Herrn Bundespräsidenten das "Jahr der Nationalparke" ausgerufen wurde, dann meine ich, daß wir uns gemeinsam darauf freuen können, daß wir am 26. Oktober dieses Jahres als Milleniumsprojekt den Nationalpark Donauauen spät, aber doch eröffnen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Wabl hält eine Zeitung mit der Überschrift "SOS Ennstal" in die Höhe.)

Herr Kollege Wabl! Wenn Sie hier mit "SOS Ennstal" darauf verweisen, daß da das eine gilt und dort das andere, dann frage ich mich schon, wie Sie den Rechtsstaat teilen wollen. Das, was im


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 79

Ennstal nicht rechtsstaatlich ist, ist dann in Oberösterreich rechtsstaatlich? Man kennt sich bei Ihnen mit der Rechtsstaatlichkeit gemeinhin wirklich nicht aus. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Pühringer genehmigt sich selber seine Bescheide!)

Bevor ich zu meiner neuen Aufgabe Familien- und Jugendpolitik dem Hohen Haus einige Sätze sagen darf, möchte ich Frau Kollegin Langthaler darauf hinweisen, daß selbstverständlich das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung im Regierungsprogramm verankert ist und daß es nur wenige Staaten auf der Welt gibt, die das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung bereits so konsequent in ihre allgemeine Querschnittspolitik eingebaut haben wie wir in Österreich.

Nun aber zur Familien- und Jugendpolitik. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn heute Studenten auf der Straße sind und vor einigen Wochen Frauen demonstriert haben, so meine ich, daß es auch wichtig war, daß die Familienverbände und Familienvertreter aufgezeigt haben, daß auch die Familien vom Sparpaket betroffen sind, das dieses Hohe Haus in den nächsten Wochen beschließen wird.

Sie sind davon betroffen, das ist keine Frage, aber ich meine, es ist gelungen, die gröbsten Belastungen von den Familien abzuwenden, die zumindest im Diskussionsprozeß nicht ausgeschlossen worden sind, wenn ich zum Beispiel daran denke, daß die Familienbeihilfe für Studenten insgesamt in Diskussion gestanden ist, abgeschafft zu werden, oder wenn ich daran denke, daß es unseren Koalitionsverhandlern gewissermaßen erst in letzter Sekunde gelungen ist, einerseits 600 Millionen Schilling für das Jahr 1997 für Kinderbetreuungseinrichtungen in ganz Österreich zur Verfügung zu stellen und andererseits für Familien mit drei Kindern und mehr einen gesonderten Sonderausgabenrahmen von 20 000 S in diesen schwierigen Zeiten einzubauen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich warne an dieser Stelle aber auch sehr deutlich davor, die Familienpolitik einerseits zur Sozialpolitik machen zu wollen – das wäre falsch – und andererseits in hohem Maße finanzpolitisch orientiert sehen zu wollen, und meine, daß wir in den nächsten Jahren mindestens ebensoviel Augenmerk darauf wenden müssen, daß ein zentraler Punkt der Familienpolitik sein muß, einer Frau sowohl das Mutter- und Hausfrausein als auch eine berufliche Tätigkeit, eine berufliche Karriere zu ermöglichen.

Ich meine, daß es in den nächsten Jahren Familien in Österreich leichter als bisher möglich sein sollte, sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Wir wissen, daß sich junge Menschen in Österreich heute mehr Kinder wünschen, als sie nachher aufgrund materieller und anderer Randbedingungen dann tatsächlich verwirklichen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Grabner. )

Ohne jetzt programmatisch weiter in dieses Thema einzusteigen – aus Zeitgründen, weil es auch der Tag des Parlaments und nicht der Tag der Regierung im Rahmen dieser Debatte ist –, lassen Sie mich mit folgender Anmerkung schließen: Für mich ist mindestens gleichgewichtig, die derzeitige Diskrepanz zwischen der gesellschaftlichen Anerkennung einer Frau, die arbeits- und erwerbstätig ist, und einer Frau, die – unter Anführungszeichen – "nur" Hausfrau und Mutter ist, abzubauen. In diesem Bereich hat es in den letzten Jahren eine falsche Entwicklung gegeben. (Beifall bei der ÖVP.) In den letzten Jahren ist es geradezu zu einer Diskriminierung der – unter Anführungszeichen – "Nur"-Hausfrau und -Mutter gekommen. Dem ist entgegenzuwirken! – Ich danke Ihnen, Hohes Haus, und Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident, für die Worterteilung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.42

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Josef Höchtl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.42

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Höchtl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren Regierungsmitglieder! Die Koalitionsregierung hat in Form der gestrigen Regierungserklärung einen Katalog von Maßnahmen angeboten, in dem Lösungen und Antworten für gegenwärtige Herausforderungen enthalten sind und mit dem für das Land und die Menschen der verschiedenen sozialen Gruppen eine positive Zukunft gesichert werden


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 80

soll. (Abg. Wabl: Wie ist das mit dem verlogenen Sieg der SPÖ? – Wie haben Sie das gemeint?) Das heißt, diese Regierung ist nach sehr intensiven Verhandlungen angetreten, eine Regierung der echten Zukunftssicherung zu sein – ich glaube, das muß betont werden! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schieder. )

Dieses Angebot an Lösungsmöglichkeiten für zweifellos existierende Herausforderungen sollte heute von allen Mitgliedern, die sich zu Wort melden, genützt werden, um darüber zu diskutieren, aber auch um beispielsweise seitens der Oppositionsparteien Lösungen, Vorschläge, Ideen – durchaus kontroversieller Natur – einzubringen, die man den Herausforderungen ebenfalls entgegenstellen kann.

Wenn ich nach einigen Stunden der Diskussion die einzelnen Beiträge der Oppositionsredner Revue passieren lasse, muß ich sagen: Dieses Angebot ist nicht genützt worden. (Abg. Wabl: Erlogen oder erfunden?) Herr Kollege Wabl! Sie haben sicher auch zugehört, daher frage ich Sie: Was haben die Oppositionsredner tatsächlich gemacht? – Es ist zwar die Notwendigkeit des Sparens zum Ausdruck gebracht worden, gleichzeitig aber jede einzelne Maßnahme, die von der Regierung vorgeschlagen wurde, als nicht passend, als unmöglich, als zu belastend empfunden und dargestellt worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann nicht einerseits die Notwendigkeit des Sparens sehen, weil sie die größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte ist, aber andererseits jede einzelne Maßnahme, die zur Lösung der Probleme vorgeschlagen wird, verurteilen. Das ist unseriös! Das ist unverantwortlich! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin froh darüber, daß der ORF die bisherige Debatte übertragen hat, weil dadurch nicht nur wir hier in diesem Haus, die wir dauernd miteinander diskutieren, uns ein Bild von der Qualität der Vorschläge machen können, sondern weil sich auch die Zuseherinnen und Zuseher ein Urteil bilden können. Diskussion heißt, einem Vorschlag einen anderen Vorschlag gegenüberzustellen und die Qualität der Vorschläge abzuwägen.

Die Herausforderungen, die wir derzeit zu bewältigen haben, sollten seriös und glaubwürdig angegangen werden, nur so ist Politik als verantwortungsbewußt zu bezeichnen. Wir, die beiden Parteien, die die Koalitionsregierung bilden, wollen dieser Verantwortung gerecht werden. Das verdienen die Menschen in diesem Lande! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vom Kollegen Frischenschlager wurde doch ein Vorschlag gemacht. Herr Kollege Frischenschlager hat darauf hingewiesen, daß das Liberale Forum ein anderes Modell der Familienförderung vorschlägt. Er hat aber nicht hinzugefügt, welche Auswirkungen dieses Modell gehabt hätte. In der Diskussion sollte man aber auch das deponieren.

Wir haben uns dieses Modell angesehen. Das Modell des Liberalen Forums wäre jedoch nicht eine Familienförderung , sondern das Entnehmen von 7 Milliarden Schilling aus der Familienförderung gewesen. Das ist die Wahrheit! Und gegen solche Überlegungen, gegen solche Vorschläge müssen wir uns im Interesse der Familien wehren – das haben wir auch getan! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe der Abg. Dr. Schmidt und Öllinger. ) Kollege, ich habe für meine Rede nur zehn Minuten zur Verfügung und möchte mich daran halten.

Was sind denn die großen Herausforderungen, die wir sehen? – Ich möchte darauf kurze Antworten geben.

Erstens: Alle Wirtschaftsforscher und all jene, die sich mit der wirklichen budgetären Situation beschäftigen, sind der Meinung, daß wir eine Wiedergesundung unseres Haushaltes erreichen, und auch erreichen müssen. Was wäre die Alternative? – Das hat nämlich auch noch nicht so sehr Eingang in die Diskussion gefunden. Die Alternative wäre nichts anderes, als daß wir durch eine Defizitspirale ein immer stärkeres Anwachsen des Schuldenstandes erreichen würden, dadurch ein immer höheres Quantum an Zinsen und Zinseszinsen zu bezahlen hätten und somit immer weniger Finanzmittel für produktive Maßnahmen zur Verfügung hätten. Das wiederum würde die Wettbewerbsfähigkeit gefährden, wodurch wieder unsere Arbeitsplätze gefährdet würden, und damit wäre die zentrale Errungenschaft, die wir in diesem Lande gemeinsam erreicht haben, nämlich der Wohlstand, gefährdet! Diese Regierung tritt nicht an, um den Wohlstand zu


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 81

gefährden, sondern um den Wohlstand zu stabilisieren und ihn dort, wo dies notwendig ist, weiter auszubauen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweite Herausforderung: Wir könnten das Konsolidierungsprogramm nicht erreichen, würden wir nicht die Gefahren des Einbruchs am Arbeitsmarkt rechtzeitig erkennen und offensive Maßnahmen dagegen ergreifen. Wir haben jene Prognosen, die in den letzten Tagen von Wirtschaftsforschern präsentiert worden sind, nicht einfach hinzunehmen, sondern müssen durch ein aktives Gegensteuern dafür sorgen, daß sie nicht Wirklichkeit werden. (Zwischenruf des Abg. Öllinger. )

Für uns als Volkspartei – ich glaube, das gilt für beide Regierungsparteien – ist jeder Arbeitslose ein Arbeitsloser zuviel. Man muß die menschliche Tragödie, die familiären Auswirkungen, die sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Phänomens Arbeitslosigkeit sehen; und es ist zweifellos nicht mehr ein Einzelphänomen.

Deswegen haben wir uns dazu durchgerungen, nicht nur Verteilungsformen für vorhandene Arbeit vorzuschlagen, sondern natürlich auch einen wesentlichen Aspekt in der Neuschaffung von Arbeitsplätzen, in der Neugründung von Unternehmungen zu sehen. Ich als Bundesobmann des ÖAAB sage: Wir als Arbeitnehmervertreter haben größtes Interesse daran, daß möglichst viele neue kleine und mittlere Betriebe geschaffen werden, denn jeder kleine und mittlere Betrieb, der gegründet wird, schafft in den ersten drei bis fünf Jahren vier bis fünf zusätzliche Arbeitsplätze.

Ein partnerschaftliches Zusammenwirken kann diesen Arbeitsmarkt stabilisieren, vorhandene Arbeitsplätze sichern und neue schaffen. Dafür soll unsere Politik einen Beitrag leisten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir wollen das Freisparen oder Gründungssparen bringen. Wir wollen eine Exportoffensive starten. Wir wollen für ältere Arbeitnehmer, wie der Sozialminister gesagt hat, ein Modell des Bonus-Malus, das wir gestern beschlossen haben, verwirklichen. Sollte es sich als nicht so effizient herausstellen, müßten wir weitere Maßnahmen überlegen. In der Politik kann nie alles perfekt sein, man muß aber wenigstens den Versuch starten, vorhandenen Herausforderungen Lösungen entgegenzusetzen.

Wir müssen auch die Möglichkeit der Teilzeitarbeit besonders forcieren. Ich glaube, auf diesem Gebiet haben wir großen Aufholbedarf, und es gibt auch große Nachfrage, insbesondere von zwei Gruppen: Viele junge Frauen, die Beruf und Familie kombinieren wollen, bevorzugen Teilzeitarbeit, aber auch ältere, die die Überlegung des Aufteilens von Zeit und Einkommen immer stärker vorantreiben und sagen, sie brauchen nicht den Zuwachs an Einkommen, sondern möchten mehr an Freizeit genießen.

Neben dieser zweiten Herausforderung ist die dritte zweifellos der Bereich Familie. Ich habe kurz darauf hingewiesen, daß vieles von dem, was Minister Bartenstein hier erwähnt hat, nur durch einen zähen Kampf, durch eine zähe Auseinandersetzung erreicht und gehalten werden konnte.

Eines ist klar: Für uns als Österreichische Volkspartei ist die Familie als zentrale Kernzelle unserer Gesellschaft die Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. Wir werden alles dazu beitragen, daß funktionierende Familien für eine funktionierende Gesellschaft auch in Zukunft möglich sind! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme zum Schluß. Politik muß in Zukunft noch viel mehr noch als Vernetzung empfunden werden. Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik, Familienpolitik, Sozialpolitik, Bildungspolitik sind nicht einzeln zu sehen, sondern jede politische Maßnahme, die in einem Bereich gesetzt wird, hat selbstverständlich auch Konsequenzen für die anderen Bereiche. Wenn wir diese Vernetzung in unserer Politik in der Umsetzung sehen und glaubwürdig durchführen, dann werden, davon bin ich überzeugt, auf der Grundlage des Regierungsprogramms, das gestern präsentiert worden


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 82

ist, auch die kommenden Jahre wieder gute, zukunftssichere Jahre für die österreichische Bevölkerung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.53

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Ich erteile es ihm.

14.54

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Mein unmittelbarer Vorredner macht es sich etwas zu einfach: Das Beheben von Mängeln ist immer noch Sache der Regierung. Es ist Aufgabe der Opposition, Fehlentwicklungen aufzuzeigen – sie aus der Welt zu schaffen, kann der Regierung niemand abnehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Höchtl: Aber Alternativen aufzeigen!)

Wer das Gegenteil will, der geht nach dem alten lustigen Rezept vor, von der Regierungsbank aus den Rücktritt der Opposition zu verlangen. – So einfach kann man es sich auch bei der Diskussion über eine Regierungserklärung nicht machen, meine Damen und Herren!

Aber eines ist richtig. Wir diskutieren schon längst nicht mehr über das schon legendär gewordene Sparpaket, sondern schon über ein Konsolidierungspaket. Das ist nur zutreffend, denn vom Sparen ist in diesem Zusammenhang ja schon längst nicht mehr die Rede.

Was bedeutet denn Sparen? – Sparen bedeutet, daß ich mich selbst in meinen Bedürfnissen und in meinem Verbrauch einschränke. Auf die Republik bezogen bedeutet das, daß sie sich selbst in ihrer Verwaltung, in allem, was sie selbst in sich unternimmt, auch in den Ausgaben zurücknimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber was macht die Bundesregierung? – Die Bundesregierung erzielt Mehreinnahmen von allem und jedem, mehr Abgaben, höhere Steuern, höhere Abgaben, und sie läßt denen, die es bitter notwendig hätten – den Familien, den Behinderten und anderen – wesentlich weniger zukommen. Von Sparen kann keine Rede sein! Man greift auf der einen Seite den Bürgern in die Tasche, nimmt mehr an Steuern und Abgaben heraus, und auf der anderen Seite gibt man denen, die es bitter notwendig hätten, weniger aus dem Steuertopf. Das ist nicht Sparen, das ist Verschwenden auf eine andere Art und Weise und auf einem anderen Weg. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Republik spart nicht – sie spart nur bei jenen, denen sie eigentlich unter die Arme greifen müßte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Höchtl. )

Tatsächlich gibt es nur Belastungen. Aber wer hätte wirklich glauben können, daß sich irgend etwas zum Besseren ändert? – Ich habe mir gestern aus Anlaß der Abgabe der Regierungserklärung die Regierungsbank genau angeschaut: kein neues Gesicht! Kein einziger neuer unverbrauchter Politiker, keine neue unverbrauchte Politikerin! Alle sind schon dagewesen! Alle haben das verschuldet, was zu den vorgezogenen Neuwahlen geführt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Alle sind schuld daran gewesen, daß es überhaupt zu diesen Neuwahlen und zu dieser Regierungsbildung hat kommen müssen. Von keinem hat man erwarten können, daß er mit etwas Neuem aufwarten kann. Sie alle kommen wieder mit den aufgewärmten, alten Kalkhäferln daher, niemand kann erwarten, daß Sie es besser machen! Entweder Sie haben es vorher nicht besser gewußt oder Sie haben nicht die Kraft besessen, es durchzusetzen, oder Sie haben es gar nicht durchsetzen wollen . Sie werden es auch in Zukunft nicht können. Ich fürchte es, würde mich aber freuen, wenn ich mich geirrt haben sollte, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daran kann auch nichts ändern, daß man einen Unterrichtsminister beziehungsweise Wissenschaftsminister von mäßigem Erfolg auf einmal auch mit dem Verkehrsressort betraut. Dazu kann man nur sagen: Wenn Scholten jetzt auch für die Bundesbahnen zuständig ist, geht das nach dem alten Motto: Künstler helfen Künstlern! – Man kann sich vorstellen, was dabei herauskommt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 83

Wenn man in die Regierungserklärung hineinschaut, in diese Aneinanderreihung von Worthülsen, dann wird einem auch klar, was in Wahrheit nicht geglückt ist: Es gibt nach wie vor keine echte Privatisierung, ja nicht einmal Ansätze dazu. Privatisierung heißt ja nicht, daß man weiter das Familiensilber verscheppert. Privatisierung heißt, daß man Aufgaben, die private Institutionen, private Personen bewältigen können, auch von diesen bewältigen läßt und sie nicht vom Staat, den Ländern, den Gemeinden machen läßt.

Wie sieht das in der Praxis aus? – Nur ein Beispiel sei herausgegriffen: Das Land Niederösterreich installiert Verkehrsbetriebe mit Dutzenden neuer Autobusse, die den Transport der Beamten in die neue Hauptstadt St. Pölten, in der sie bald arbeiten werden, bewältigen sollen und auch den Rücktransport in die Heimatorte. Anstatt herzugehen und, wenn es schon die neue Hauptstadt gibt, wenn man schon mit den Beamten dorthin übersiedelt, den ohnehin schwer ringenden privaten Transportunternehmern diese Linien zu überlassen, richtet man sich eigene Verkehrsbetriebe ein. Pröll will sie offenbar so haben wie in Wien und baut damit Defizitbetriebe für die Zukunft aus. Das ist nicht Privatisieren, meine Damen und Herren, sondern das ist ein Schritt zurück! Das geht nach dem alten Motto: Der Österreicher blickt froh und optimistisch in die Vergangenheit. – So geht es auch bei der Privatisierung nach dem Stil der Regierungserklärung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vorgegangen wird auch – nach dem, was man jetzt vorhat – nach dem Gießkannenprinzip. Noch immer findet man nicht dazu, daß man nur den fördert, der es wirklich notwendig hat – aber diesen ordentlich –, sondern man geht nach dem Motto: Alle Menschen sind gleich! mit der Gießkanne über alle hinweg, sodaß auch der Minister, der Generaldirektor, der Abgeordnete und jeder finanziell ähnlich strukturierte Mensch dieselben "Trinkgeldablösebeträge" an Familienbeihilfe und ähnlichem bekommen wie jener, der sie wirklich bitter braucht, sodaß daher für jene, die das notwendig haben, nichts oder zuwenig übrigbleibt. Wo soll da, meine Damen und Herren, ein Ansatz zum Besseren sein? – Das frage ich Sie!

Aber interessant ist bei solchen Dingen – bei Regierungserklärungen wie dieser – immer weniger, was drinnen steht, als das, was nicht drinnen steht. Da sind wir einmal bei der Justiz. Die Justiz ist in diesem Papier von 47 Seiten eine Aneinanderreihung von leeren Phrasen. Da hat man Justizminister Michalek wirklich nicht gut behandelt bei der Redaktion dieses umfangreichen Konvoluts. Kein Wort steht da drinnen über die notwendigen neuen Wege im Strafrecht, die einzuschlagen sind in bezug auf die längst überfällige Differenzierung in der Behandlung von Straftätern. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Auf der einen Seite gibt es die "Armutschkerln", die vor dem Strafrichter landen, die dann – so wie jeder Unternehmer, der mit 1 Million Schilling an Verbindlichkeiten zugrunde geht – wegen fahrlässiger Krida eine Freiheitsstrafe erhalten, ohne daß irgend jemand wüßte, wofür das gut sein soll, und die schweren Kaliber auf der anderen Seite, denen man rat- und machtlos gegenübersteht und die sich ehebaldigst wieder auf der Straße finden. Der Geschädigte macht seine Anzeige und ist froh, daß er den Betreffenden hinter Schloß und Riegel bringen kann – so glaubt er –, aber am nächsten Tag begegnet er auf der Gasse dem Täter wieder und ist ganz verblüfft und zweifelt am Rechtsstaat. Dagegen gibt es keine Ansatzpunkte in diesem Programm. Ich glaube nicht, daß der Minister dafür maßgeblich ist, man wird ihn wahrscheinlich nicht gefragt haben bei der Redaktion dieses Papiers.

Kein Wort darüber, daß es um die Beschleunigung der Verfahren, vor allem auch in Zivilrechtsfragen geht, daß das aber bei allem Sparen, bei der Notwendigkeit, hauszuhalten, nicht gehen wird, wenn man nicht dafür sorgt, daß es trotz aller verfassungsrechtlicher Grenzen, die da gesetzt sind, nur besetzte Richterplanstellen geben darf und nicht solche, die aus irgendwelchen Gründen auf Wochen, Monate oder Jahre gerade nicht besetzt sind und vielleicht nach der Rechtslage gar nicht besetzt sein können. Da muß man die Rechtslage eben ändern.

Kein Wort steht in diesen 47 Seiten über Mieten und Wohnen. Bitte, wenn Sie verfolgen, was sich auf dem Wohnungsmarkt abspielt, aus der Sicht junger, ein Dach über den Kopf suchender Menschen, und dann erleben Sie ein dickes Papier, aus dem salbungsvoll vorgelesen wird und über das vor allem die Regierung stundenlang diskutiert, in dem aber kein Wort darüber drinnen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 84

steht, wie es jungen Menschen ermöglicht werden soll, zu einer Wohnung zu kommen, ohne sich und ihre ganze Familie restlos zu verausgaben, dann kann man nur sagen: Es sind dieselben Personen dafür verantwortlich, die schon die Neuwahl verschuldet haben, sie haben aber auch nichts dazu gelernt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn wie ist heute die Situation? – Wenn heute eine Familie Kinder bekommt, dann muß einer der beiden Partner, meistens ist es die Frau, spätestens beim zweiten Kind zu Hause bleiben bei den Kindern – und schon ist das Einkommen halbiert. Wenn sie sich aber eine Wohnung anschaffen mußten – auf dem freien Markt oder in welcher Form immer – und die letzten Reserven bis zur Ersparnis der Großmutter hineingebuttert haben, dann sind sie nicht mehr in der Lage, sich ein Kind anzuschaffen. Denn dann müßte einer der beiden Partner zu Hause bleiben, und sie könnten die Beträge, die sie jeden Monat brauchen, um die Wohnung erhalten zu können, nicht mehr aufbringen. Da vergießt man dann Krokodilstränen darüber – so wie wir es jetzt in den Zeitungen gelesen haben –, daß die Zahl der Geburten in Österreich von einem Jahr zum anderen weiter sinkt, aber nicht ein bißchen, sondern ordentlich sinkt, und zwar in einer für unsere ganze Volkssubstanz, für den sogenannten Generationenvertrag, für alles, was wir von der nächsten Generation erwarten, einfach verheerenden Art und Weise.

Meine Damen und Herren! In dieser Regierungserklärung steht diesbezüglich überhaupt nichts drinnen. Ich höre da Lippenbekenntnisse von einem Redner der Regierungspartei nach dem anderen: Die Familie ist für uns die Säule, auf der wir alles aufbauen, sie soll nicht zu kurz kommen. – Gleichzeitig machen Sie aber der Familie das Leben unmöglich und erschweren ihr auch das Kinderkriegen und das Weitergestalten des Lebens. Das ist scheinheilig, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren – vielleicht höre ich schon das Gras wachsen –, daß – wie wir von einem Jahr zum anderen feststellen müssen – die Zahl der Geburten zwar sinkt und sinkt, es aber Kreise gibt, die diese Entwicklung mit einem gewissen Wohlgefallen betrachten, die sich gar nicht darüber ärgern, daß es in Zukunft einfach weniger Österreicher geben wird, als das derzeit der Fall ist. Wir Freiheitlichen stehen aber auf dem Standpunkt: Wir haben dafür zu sorgen, daß wir die Herren im eigenen Haus bleiben, daß wir die Frauen im eigenen Haus bleiben und daß wir unsere jungen Mitbürger in die Lage versetzen, Familien zu gründen, Kinder zu bekommen, diese auch ordentlich zu ernähren und ihnen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. – Davon lese ich allerdings nichts in der Regierungserklärung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich lese auf 47 Seiten geduldigem Papier kein Wort über die Volksgruppen. Es gibt sechs anerkannte Volksgruppen in Österreich, die zum Teil mit viel zu geringen Beträgen aufgrund des Volksgruppengesetzes gefördert werden. Ich denke etwa an die Roma und Sinti, die nicht bei Null, sondern unter Null anfangen müssen, wenn es um die strukturellen Gestaltungen auf politischer und kultureller Ebene et cetera geht. Wird da etwa in der Regierungserklärung auch nur mit einem Wort darauf Bezug genommen? Wird vielleicht sogar ins Auge gefaßt, ihnen mehr zukommen zu lassen als bisher? – Nein! 47 Seiten Regierungserklärung, und nicht ein einziges dürftiges Wort über die Volksgruppen.

Meine Damen und Herren! Aber das betrifft nicht nur die Volksgruppen im Inland, es geht auch mit keinem Wort um die Altösterreicher deutscher Zunge, die in den Nachbarländern leben. 47 Seiten geduldigen Papiers der Regierungserklärung – und mit keinem Wort wird erwähnt, daß es Südtirol gibt und daß Österreich eine Schutzmachtfunktion für unsere Landsleute jenseits der Brennergrenze auszuüben hat. (Abg. Mag. Steindl – die Regierungserklärung in die Höhe haltend –: Da ist es!) Du hast möglicherweise das Parteienübereinkommen. Wir diskutieren da über die Regierungserklärung und nicht über das Parteienübereinkommen, das könnt ihr im Parteisekretariat machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich es richtig im Gedächtnis habe – und es ist die sechste oder siebente Regierungserklärung, die ich hier ritualisiert erlebe –, so ist das die erste, in der die Schutzmachtfunktion Österreichs gegenüber der Gruppen der Altösterreicher deutscher Zuge jenseits der Grenzen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 85

überhaupt nicht erwähnt wird. Das sind Entwicklungen, mit denen wir uns nicht abfinden können, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie schaut es mit den Auslandsösterreichern aus? Immer wenn Wahlen vor der Tür stehen, bemüht man sich, sie, weil sie doch ein paar Tausend Stimmen repräsentieren, für die jeweils eigene Parteilandschaft zu mobilisieren. Viel zu kompliziert ist das Wahlrecht für jene, die im Ausland leben. Lese ich in der Regierungserklärung auch nur ein einziges Wort über die Auslandsösterreicher? – Nein, nicht ein einziges, meine Damen und Herren!

Ich glaube, daß man all diese Fehler mit dem Musterschülerverhalten, das der eine oder andere Redner von der Regierungsbank oder aus den Reihen der Regierungsparteien heute hier heraufbeschworen hat, nicht wettmachen kann. Es geht uns nicht um ein Musterverhalten gegenüber Brüssel. Es geht uns darum, daß unsere eigenen Bürger in die Lage versetzt werden müssen, ein ordentliches Aufkommen zu haben, ein ordentliches Leben zu führen, auch wenn sie nicht in der Lage sind, das ohne Unterstützung zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) Ältere Menschen, Behinderte, Familien mit Kindern – um sie müssen wir uns kümmern – aber nicht darum, eine besonders gute Figur in Richtung Maastricht zu machen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Er hat das Wort.

15.08

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Hohe Bundesregierung! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat gestern in der Regierungserklärung darauf hingewiesen, daß es in Europa um die Schaffung einer Außen- und Sicherheitspolitik geht, die tatsächlich gemeinsam ist und sich nicht nur an Interessen einiger Mitgliedsstaaten der Europäischen Union orientiert.

Er hat darauf hingewiesen, daß Sicherheit und Stabilität in Europa weit über die Strukturen der EU hinausreichen und die Bundesregierung die Zusammenarbeit in allen Sicherheitsforen aktiv ausbauen wird, um so einen Beitrag dazu zu leisten, daß auf unserem Kontinent keine neuen Trennungslinien entstehen, sondern ein gemeinsamer Raum des Friedens und der Sicherheit. Europa als gemeinsamer Raum des Friedens und der Sicherheit, ein Europa, in dem jeder Staat künftig vor seinem Nachbarn sicher ist, ein Europa, das gezielt daran geht, jene Unsicherheitsfaktoren, die über den militärischen Bereich hinaus bestehen, gleichermaßen vordringlich zu behandeln und zu lösen.

Ich glaube, es lohnt sich für unser Land, es lohnt sich für Österreich und es lohnt sich für die Politik in Österreich, gezielt für ein solches Europa einzutreten. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, welche Voraussetzungen dafür innerhalb und zwischen den Staaten Europas notwendig sind. Es lohnt sich das Nachdenken, wie wir auf diesem Kontinent eine permanente Friedenssituation schaffen können.

Ich weiß schon, es wird dies immer als ein idealistisches, illusionäres Vorhaben abgewertet. Ich weiß, daß manche sehr oft sagen, es handle sich um Träume einer fernen Zukunft, und es sei vergebliche Liebesmüh, sich für etwas so Unrealistisches zu engagieren.

Meine Damen und Herren! Wir wissen aus vielen Bereichen der Wissenschaft, daß es ein schwerer methodischer Fehler ist, wenn man Versuche nicht startet, bloß weil man deren Erfolg für unsicher oder unwahrscheinlich hält. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre fatal, wenn uns künftige Generationen den Vorwurf machen könnten, daß eine europäische Friedensordnung auch deshalb unrealisierbar war, weil man sie für unrealistisch hielt und deshalb gar keine ernsthaften Schritte zu ihrer Realisierung setzte.

Vielleicht sind wir, meine Damen und Herren, bei unserem Mut in diesem Bereiche der Sicherheitspolitik auch ein wenig das Opfer unserer Erfahrung und unserer Geschichte. Im


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 86

Dezember vergangenen Jahres hat der deutsche Konfliktforscher Professor Czempiel in einem Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen" auf diese Problematik aufmerksam gemacht. Er schrieb: "Das europäische System provozierte immer nur Konflikt-, wenn nicht sogar Kriegsordnungen. Dem 40jährigen kalten Krieg ging der Zweite Weltkrieg voran, der Aggressivität des nationalsozialistischen Deutschlands das Bündesystem, das sich an den Ersten Weltkrieg anschloß. Ihm wiederum war das Bündnissystem Bismarcks und seiner Nachfolger vorgelagert. Selbst die Ordnung des Wiener Kongresses war keine Friedensordnung im modernen Sinn, sondern wurde durch Machtgleichgewichte verwirklicht, die sich in der Regel auf Verteidigungsbündnisse stützten."

Diese Tradition, so Professor Czempiel, meldete sich 1946 zurück und erleichterte den mühelosen Übergang vom Alternativversuch der Vereinten Nationen zu den vertrauten Organisationsformen der Militärallianzen. "NATO und Warschauer Pakt waren ungleich in ihrem internen Charakter. Ihre Potentiale waren asymmetrisch und ungleichgewichtig. Identisch aber waren sie darin, daß sie eine jahrhundertalte Tradition der Gleichgewichtspolitik widerspiegelten: Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor. Dieser Satz ist so falsch, schließt Professor Czempiel, wie er alt ist, bringt aber die vertraute Konzeptionalisierung europäischer Ordnungspolitik auf den Begriff."

Meine Damen und Herren! Österreich muß dem Leitbild einer global orientierten, umfassenden Sicherheits- und Friedenspolitik folgen. Unser strategisches Hauptziel in der EU hat nicht bloß die Bewahrung von nationaler Unabhängigkeit und Sicherheit zu sein, vielmehr liegt es im Aufbau einer gesamteuropäischen Sicherheits- und Friedensordnung. Die Neutralität ist auch als spezifischer Beitrag zur Schaffung eines integrierten Systems kooperativer oder kollektiver Sicherheit zu verstehen.

Ich bin froh darüber, daß sich die Bundesregierung in ihrer Erklärung zu einer aktiven Außenpolitik bekannt hat. Denn eine aktive Außenpolitik ist einer der Faktoren, der wesentlich zur Krisen- und Kriegsvermeidung beitragen kann.

Meine Damen und Herren! Zu einem zweiten Punkt: Was das beabsichtigte Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität über die Entsendung von Einheiten in das Ausland betrifft, so wurde sofort nach Bekanntwerden der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen verschiedentlich – hier im Haus von den Grünen – in der Öffentlichkeit der Eindruck zu erwecken versucht, mit diesem Bundesverfassungsgesetz werde die Neutralität Österreichs in irgendeiner Weise relativiert. (Abg. Wabl: Richtig!) Dem ist nicht so, wie aus dem klaren Wortlaut – warten Sie ab, Herr Kollege! – des Übereinkommens hervorgeht. (Abg. Wabl: Wieso?)

Zunächst wird hier auf die volle Mitwirkung an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union verwiesen, wie sie sich bereits aus dem Vertrag von Maastricht ergibt, und wie sie – mittlerweile unbestrittenerweise – mit der Neutralität vereinbar ist.

In weiterer Folge wird ausdrücklich betont, daß diese Mitwirkung im Rahmen der völkerrechtlichen Pflichten Österreichs erfolgt. Und darunter ist zunächst einmal die Neutralität zu verstehen, die durch die Notifizierung gegenüber den anderen Staaten eine von Österreich freiwillig übernommene Pflicht gegenüber der Staatengemeinschaft geworden ist (Abg. Scheibner: Der Außenminister ist da anderer Meinung!) , und zwar auch die Neutralität, aber – dies muß betont werden – nicht nur die Neutralität, denn Österreich hat sich im Rahmen seiner dynamischen Außenpolitik in ein ganzes Geflecht von sicherheitsrelevanten und den Frieden fördernden völkerrechtlichen Pflichten eingeordnet.

Dazu gehört insbesondere das kollektive Sicherheitssystem im Rahmen der UNO, in deren Rahmen alle Staaten – auch neutrale – aufgerufen sind, gemeinsam gegen Friedensbrecher vorzugehen. Schon bisher hat sich Österreich, wie Sie alle wissen, an solchen Friedenseinsätzen beteiligt. Es wird dies auch in Zukunft tun, insbesondere aber auch im Dienste der Sicherheitspolitik der Europäischen Union, soweit diese im Rahmen der kollektiven Friedenssicherung tätig wird.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 87

Im neuen Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung von Einheiten in das Ausland wird daher ebenfalls verankert, daß Einheiten nur zu genau umrissenen Zwecken ins Ausland entsandt werden dürfen: neben Übungs- und Ausbildungszwecken nur zu Maßnahmen der Friedenssicherung, auf Ersuchen einer internationalen Organisation oder der OSZE sowie der humanitären und der Katastrophenhilfe.

Die Teilnahme an Friedenseinsätzen wird bis auf weiteres wegen der Neutralität Österreichs nur auf Beschluß der UNO erfolgen können. Bis auf weiteres heißt: bis durch entsprechende Vertragswerke ein europäisches System kollektiver Sicherheit geschaffen wird.

Neu wird sein, meine Damen und Herren, daß unter der Voraussetzung des UNO-Beschlusses österreichische Einheiten auch unmittelbar Organisationen der Europäischen Union oder von dieser beauftragten Organisationen ohne weiteres unterstellt werden können.

Bei der bestehenden Struktur der WEU oder der NATO wird dieses Bundesverfassungsgesetz aber nicht ermöglichen, daß Österreich Pflichten einer Mitgliedschaft bei diesen Organisationen, die durch das Neutralitätsgesetz verboten ist, übernimmt – auch nicht im Rahmen von bloßen Auslandseinsätzen.

Für eine allfällige Mitgliedschaft Österreichs bei der WEU wäre eine weitere Verfassungsänderung erforderlich, für die wir meiner Auffassung nach erst zur Verfügung stehen sollten, wenn die Europäische Union tatsächlich ein Instrumentarium der kollektiven Sicherheit entwickelt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Niemand weiß heute schon, meine Damen und Herren, wie sich ein solches System endgültig entwickeln wird. Ich bin aber der Auffassung, daß es wert ist, daß sich Österreich vehement dafür einsetzt. Ich bin auch der Auffassung, wir sollten erst dann für eine Änderung der Neutralität zur Verfügung stehen, wenn wir wissen, daß uns das System, das wir dafür eintauschen, die gleiche beziehungsweise eine vergleichbare Sicherheit wie die Neutralität bietet. (Beifall bei der SPÖ.)

15.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haselsteiner. Er hat das Wort.

15.20

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren im Plenum! Herr Bundeskanzler! Gerne möchte ich Ihnen einen Vertrauensvorschuß geben und feststellen, daß ich glaube, daß das, was Sie hier in Ihrer Regierungserklärung zu Papier gebracht haben, von Ihnen so gemeint ist. Bedauerlicherweise muß ich Sie aber auf einige Widersprüche hinweisen, und diese sollten, so hoffe ich wenigstens, einen kleinen Anlaß zum Nachdenken geben, wie man es darstellen kann, auf die eine oder andere Weise, und wie man es sehen muß.

Sie sagen in Ihrer Einleitung, Gewinner sei Österreich, und Österreich habe wieder eine berechenbare und stabile, auf gutem Fundament ruhende Bundesregierung erhalten. Ich hoffe das für uns und für unser Land – in einer Zeit, die uns in den nächsten Jahren alles abverlangen wird. Es wäre eine wichtige Voraussetzung, eine solche Regierung zu haben, auch wenn wir dieser nicht angehören und die Arbeit in der Oppositionsrolle beobachten und auch kritisieren.

Herr Bundeskanzler! Aber vorerst haben Sie mit einem psychologischen Phänomen fertigzuwerden: Im Zuge des Wahlkampfes und im Zuge dieser Regierungsbildung ist ja große Verunsicherung über unser Land gebracht worden. Sie können es in objektiv meßbaren Daten ablesen. Sie kennen die Entwicklung des Konsumverhaltens, Sie kennen die Weigerung der Menschen, ihr Geld auszugeben statt zu sparen. Das ist ein Zeichen der Angst, und das ist meßbar. Sie kennen das Investitionsverhalten inländischer und ausländischer Investoren, und Sie alle lesen die Tageszeitungen und kennen die ernsten wirtschaftlichen Probleme namhafter


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 88

Unternehmungen in diesem Lande. Und das sind keine Einzelfälle mehr, sondern das ist täglich zu finden.

Da heute der Herr Vizekanzler und auch Herr Abgeordneter Khol eine liberale internationale und von uns sehr geschätzte Zeitung zitiert hat, erlaube ich mir der Fairneß halber, Herr Dr. Khol, ein eher konservatives Blatt, nämlich die "Neue Zürcher Zeitung" zu zitieren, die ja international auch einiges an Stellenwert hat. Hier steht ... (Abg. Dr. Khol: Herr Dr. Haselsteiner! Das ist die Zeitung der schweizerischen "Freisinnigen"! Das ist eine Parteizeitung und keine unabhängige Zeitung!)

Herr Kollege Khol! Wenn Sie sie schon gelesen haben, dann schenke ich sie Ihnen, aber lassen Sie mich das Zitat bringen:

"Wirtschaftliche Zwänge und ein neu gefundener Wille, sich noch einmal gemeinsam aufzuraffen, sind die Basis für die Sanierung der Staatsfinanzen und für bescheidene Reformen im öffentlichen Dienst. Dies wurde in den bisher neun Jahren der großen Koalition unter Vranitzky schon mehrmals in Koalitionsvereinbarungen festgenagelt, aber nie so ernsthaft angepackt, daß die Ergebnisse sehenswert gewesen wären."

Und dann heißt es in der "Neuen Zürcher Zeitung": "Was nun in diesem Fall?"

Herr Bundeskanzler! In Ihrer Regierungserklärung haben Sie gesagt – ich zitiere Sie –: "Wir finden uns also bewußt nicht mit dem Satz ab, den der Deutsche Gunter Hofmann neulich schrieb: ,Heute diktieren die Verhältnisse die Gesetze.’" – Ich meine, Sie haben eine Sisyphusarbeit vor sich, das auch glaubhaft zu machen. Ich glaube Ihnen ja, daß Sie sich nicht damit abfinden wollen, aber das Erscheinungsbild, die Maßnahmen, die jene Menschen, die heute demonstrieren, zu spüren bekommen, zeigen das nicht, die Menschen, die darunter leiden, sehen das nicht, sondern die glauben – ja müssen es glauben, müssen diesen Eindruck bekommen –, daß sehr wohl die Verhältnisse die Gesetze diktieren, denn sonst wären ja diese Sparmaßnahmen, dieses Sparpaket und andere Dinge nicht erklärbar.

Es gibt keine Strukturreformen, keine visionären, in die Zukunft gerichteten Überlegungen, sondern es sind das Gesetze, die Reparaturcharakter, die Notcharakter haben, und die daher von den Verhältnissen diktiert werden und hier nicht als Gesetz visionär vorgebracht werden.

Weiteres Zitat aus Ihrer Regierungserklärung, und zwar zum Thema Beschäftigungsoffensive: "Dabei verstehen wir Sparen nicht als Selbstzweck, sondern als notwendige Voraussetzung dafür, Bewegungsspielraum zu haben, um politisch handlungsfähig zu bleiben."

Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Bedauerlicherweise ist das ja nicht so! Das, was Sie hier machen, gibt Ihnen nur minimalen zusätzlichen Bewegungsspielraum. Sie haben ja die Befolgung eines weisen Wahrspruchs in den vergangenen neun Jahren verabsäumt, und dieser heißt: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. – Sie fangen ja in der Not an, zu sparen und erwarten sich dann einen zusätzlichen politischen Spielraum – und das wird leider Gottes nicht aufgehen! Wir alle werden darunter zu leiden haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie sagen dann weiters, neben der Bildungspolitik sei es Ihnen auch ein Anliegen, die stärkere Förderung der Frauen zu berücksichtigen. Einige Seiten später sagen Sie dann – und hiezu möchte ich Ihnen ein Kompliment machen: der Ehrlichkeit halber, nicht des Inhaltes wegen –:

"Ergänzt und abgefedert wird diese Einsparungsmaßnahme" – sprich das halbe Karenzjahr – "und ich diskutiere nicht weg, daß die Änderungen beim Karenzgeld primär solche sind ..." und so weiter. Erstmals, Herr Bundeskanzler, haben Sie das zugegeben. Alle Ihre Kollegen von den Regierungsparteien – Herr Khol, Herr Kostelka, Herr Nowotny und so weiter – haben immer gesagt, das gesellschaftspolitische Ziel, sozusagen die Weichenstellung zu mehr Gleichberechtigung, war die Ursache dieses Passus.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 89

Heute, Herr Bundeskanzler, geben Sie erstmals zu – und das ist Ihnen wirklich hoch anzurechnen –, daß es die pure Not war und daß das eine reine Sparmaßnahme ist, die auf dem Rücken der Frauen ausgetragen wird.

Wenn Sie also in Ihrer Regierungserklärung zunächst sagen, Sie möchten die Frauen fördern, dann aber bekennen, daß Sie leider gezwungen sind, eine Sparmaßnahme in diesem Bereich zu setzen, dann muß ich Sie auf diesen Widerspruch hinweisen. – Meine Kollegin Schaffenrath wird dann noch auf diese spezifische Frauenproblematik eingehen und auch auf das gestern diskutierte "Unter-Schutz-Stellungs-Gesetz" für ältere Arbeitnehmer, von dem wir glauben, ja überzeugt sind, daß das die gegenteilige Wirkung haben wird: Nicht die über 50jährigen werden Sie schützen, sondern Sie werden jene, die in die Nähe dieses Alters kommen, gefährden. Jene, die diese Altersgrenze erreichen, werden gefährdet sein; sie werden psychologischem Druck ausgesetzt werden, und zwar in einem nicht unerheblichem Maße. Herr Bundeskanzler! Sie können ökonomische Gesetze nicht durch solche Regularien beeinflussen!

Herr Bundeskanzler! Sie sagten dann weiters, es gelte, die längst fällige Anerkennung der Facharbeiter in der Gesellschaft endlich vorzunehmen. Gleichzeitig haben Sie sich all diesen Versuchen, eine klassenlose Arbeitnehmerschaft – nicht: Angestellte, Beamte und Arbeiter – zu schaffen, immer widersetzt. Sie haben sich nicht getraut, dieses fundamentale Problem anzugreifen, zu lösen. Sie meinen: Den Facharbeitern steht das zu. – Dazu muß ich sagen: Es tut mir leid, aber da widersprechen Sie sich.

Es wäre ein großer Wunsch von uns, wenn Sie sich gerade dieser Frage, die auch mit der Privilegiendebatte zu tun hat und die auch Privilegienabbau zum Inhalt haben muß, widmen würden. Hier in Ihrer Regierungserklärung ist das ein Widerspruch. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie sagen weiters: Wir werden privatisieren, wir werden auf diesem erfolgreichen Weg der Privatisierung fortschreiten. – Ich mache Sie darauf aufmerksam, zumindest in den letzten beiden Jahren waren die Ergebnisse der Privatisierungen mehr als mäßig und bescheiden. Sie leben davon, daß Sie in vergangenen Jahren einiges mit Erfolg – das gebe ich gerne zu und anerkenne es, weniger aber Ihnen als vor allem gegenüber den dort Tätigen und nunmehr politisch weitgehend unabhängigen Managern – begonnen haben und daß es diesen Managern gelungen ist, namhafte österreichische Industriebetriebe erfolgreich zu führen und Gewinne zu erzielen. Das ist eine große Leistung, und das ist für unser Land gerade in dieser Situation wichtig.

Wenn Sie aber in Ihrer Regierungserklärung sagen: Wir werden ausgliedern und privatisieren, wo es sinnvoll ist, wo es für die österreichischen Interessen und selbstverständlich vor allem für die Arbeitnehmer von Vorteil ist, dann, bitte, muß ich Sie fragen, Herr Bundeskanzler: Wie meinen Sie das? Sie wissen doch, daß eine Privatisierung und eine Ausgliederung für die betroffenen Arbeitnehmer niemals von Vorteil sein kann, denn es ist einer der wesentlichen Punkte, daß wir diese Crux und diese Probleme in der verstaatlichten Industrie hatten, daß geschützte Bereiche geschaffen wurden – (Zwischenruf des Abg. Koppler ) Herr Koppler! Sie wissen es! –, die sich den ökonomischen Grundsätzen wirksam entzogen haben und daher der Staatskasse mit Milliardenbeträgen zur Last gefallen sind. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie sagten weiters in Ihrer Regierungserklärung: Es gibt eine sehr wichtige Reformmaßnahme bei den Werkverträgen, und zwar "nicht nur deshalb, weil Werkverträge oftmals dazu mißbraucht wurden, Beschäftigungsverhältnisse zu kaschieren, sondern weil zudem anzunehmen ist" – das ist jetzt sehr wichtig, meine Damen und Herren, und ich schließe mich dem an –, "daß sogenannte atypische Arbeitsverhältnisse die typischen Arbeitsverhältnisse am Arbeitsmarkt des nächsten Jahrtausends sein werden".

Herr Bundeskanzler! Das haben Sie richtig erkannt, wie vieles in dieser Analyse richtig ist – aber Ihre Schlußfolgerung daraus verstehe ich nicht. Ich würde noch verstehen, wenn Sie sagten, wir können echte Dienstverhältnisse im Vergleich zu atypischen Dienstverhältnissen nicht so unterschiedlich behandeln, daß es sozusagen einen ungewollten Lenkungseffekt oder zu ungleich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 90

mäßige Belastungen gibt. In Ihrem Entwurf ist jedoch vorgesehen, daß Sie die Sozialversicherungsbeiträge für atypische Werksverträge auf das 35fache der Höchstbemessungsgrundlage anheben wollen. Das verstehe ich nicht! Das kann doch nur heißen: Sie wollen diese typischen Arbeitsverhältnisse des nächsten Jahrtausends nicht.

Da muß ich als Liberaler Ihnen entschieden widersprechen: Es ist das eine der ganz wenigen Chancen, wo Sie aktive Arbeitsmarktpolitik betreiben, wo Sie jungen und dynamischen Menschen eine Chance geben können, außerhalb des heute beschränkt zur Verfügung stehenden Arbeitsmarktes Beschäftigung und Einkommen zu finden.

Daher bitte ich, sich solche Punkte, wie es sie in den Entwürfen gibt und die Ihrer eigenen Regierungserklärung deutlich widersprechen, zu überlegen.

Meine Damen und Herren! Eine solche Debatte kann nicht vorbeigehen, ohne wenigstens die wichtigsten und nach meinem Dafürhalten einfach kontroversiellen Meinungen einiger Vorredner aufzugreifen.

Herr Kollege Khol! Budgetprogramme müssen nicht vorgelegt werden. Das ist kein Verdienst. Sie können eines vorlegen, zwei vorlegen, drei Budgets. Sie können auch vier Programme vorlegen, das ist nicht wichtig. (Abg. Dr. Khol: Budgets!) Sie müssen stimmen, Herr Kollege Khol! Ich darf Sie daran erinnern: Ihre letzten Budgets und Ihre letzten Budgetprogramme haben nie gestimmt! Bei den Abweichungen im letzten Budget ging es um Milliarden.

Sie, meine Damen und Herren, von den Regierungsfraktionen, haben damals Stein und Bein geschworen, daß es 102 Milliarden und nicht mehr sind. Es ist das noch nicht lange her! Die haben Sie aber um mindestens 15 Milliarden überschritten. Das sind 15 Prozent des Paketes, das Sie heute schnüren müssen. Das müssen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Kollege Khol! Sie sagten, es sei ein großes Verdienst, daß die Lohnnebenkosten nicht steigen. Wir haben doch schon fast die höchsten in Europa. Die Lohnnebenkosten dürfen nicht nur nicht steigen, sondern sie müssen sinken , damit die Probleme der Zukunft bewältigt werden können! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Kollege Khol! Der koalitionsfreie Raum, den Sie den österreichischen Wählern verkaufen wollen – uns hier im Plenum können Sie das ohnehin nicht, denn wir glauben Ihnen das nicht mehr; wir haben ja die Koalitionsvereinbarungen gelesen –, ist nicht nur ein Rudiment, sondern ich würde sagen: Es ist geradezu ein Hohn, daß Sie diesen an und für sich positiv besetzten Begriff in dieser Art und Weise mißbrauchen! Das, was Sie diesbezüglich vereinbart haben, hat mit einem koalitionsfreien Raum überhaupt nichts zu tun, sondern das sind lediglich "Spielregeln", damit Sie der andere nicht haxelt, Herr Kollege Khol! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Öllinger: Besenkammerl!)

Herr Kollege Khol, Sie sagen, Sie seien konkret in der Formulierung der Ziele. – Ja, das sind Sie, aber Sie sind nicht konkret in der Formulierung der Wege. Es kommt nicht auf das Ziel an, das ist doch weitgehend konfliktfrei. Herr Kollege Khol, um die Wege geht es. – Aber darauf geben Sie keine Antwort.

Es gäbe noch viele Dinge zu sagen, aber aus Zeitgründen nur ein letztes, weil mich das besonders geärgert hat. Herr Kollege Höchtl! Sie haben sich das Transfers-Modell offensichtlich angesehen, aber es gibt zwei Interpretationen. Entweder Sie haben es nicht verstanden – oder Sie wollen es nicht verstehen. Das, was Sie von hier aus verkündet haben, stimmt nicht. Aber ich gebe Ihnen das gerne noch einmal in einem Privatissimum weiter. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Höchtl: Ich habe es ganz genauso verstanden! Es ist so, wie ich es hier geschildert habe!)

Meine Damen und Herren! Diese Regierung erinnert mich an einen Vorstand, der nach einem Börsengang einen großen Erfolg zu verzeichnen hatte, nämlich eine beträchtliche Zufuhr von Kapital. (Abg. Dr. Höchtl: 7 Milliarden wollten Sie den Familien wegnehmen!) Sie haben auch


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 91

eine Zufuhr von Kapital bekommen, eben in Form von Wählerstimmen. Normalerweise müßte man annehmen, daß jetzt – mit diesem Vertrauensvorschuß ausgestattet – ein mutiger Schritt in die Zukunft erfolgt, etwas, was man vom Vorstand erwarten kann. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Genau das geschieht jetzt!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit beachten!

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (fortsetzend): Ich bin beim Schlußsatz. Herr Schüssel! Das ist nicht erkennbar! Sie sind zögerlich! Sie sind nicht visionär! Sie sind nicht zukunftsorientiert!

Ceterum censeo: diese Regierungserklärung ist proporzbestimmt, strukturkonservativ, jugendfeindlich und wirtschaftsnaiv. – Ich danke Ihnen vielmals, auch Ihnen, Herr Präsident. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Khol: Und einen Handkuß, die gnädige Frau hat er vergessen! – Abg. Dr. Haselsteiner: Das machen wir und sagen es nicht!)

15.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit ist die Redezeit endgültig abgelaufen.

Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte.

15.36

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wer die Regierungserklärung und das Koalitionsübereinkommen mit positiver Einstellung liest, wird darin zahlreiche Maßnahmen, Vorschläge und Initiativen feststellen können.

Ich kann mir natürlich vorstellen, daß es für die Opposition schwer ist, eine solche positive Einstellung dazu zu haben. Ich kann Ihnen das sogar nachempfinden; ich war selbst einmal Oppositionspolitikerin, und ich weiß daher, daß man eben nichts Gutes finden darf, wenn die Regierung etwas vorlegt. (Zwischenruf beim Liberalen Forum.)

Ich meine aber, daß in vielen Bereichen viele Initiativen genannt wurden, die dann im Laufe der kommenden vier Jahre umgesetzt werden. – Mein Vorredner, Herr Kollege Haselsteiner, hat davon gesprochen, daß es keine Strukturreformen gibt. – Herr Kollege Haselsteiner! Es wird eine Menge an Strukturreformen in allen Bereichen vorgeschlagen. Ich werde Ihnen nur ein Beispiel dafür nennen. Wenn im Schulbereich von den Eltern gewünscht wird, daß Schüler und Schülerinnen in der Unterstufe der AHS, in der Hauptschule entlastet werden, wenn wir einige Stunden streichen und wir es in die Autonomie der Schule legen, Schwerpunkte zu setzen, selbst festzulegen, welche Stunden man streichen will, so ist das eine Strukturreform. Und wenn durch diese Strukturreform auch noch Kosten gespart werden, dann ist das, so meine ich, in Zeiten wie diesen nichts Unanständiges. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Haselsteiner! Sie haben die Frauenförderung in einen Zusammenhang gebracht mit der Familienförderung weiter hinten in der Regierungserklärung. Ich meine, daß es sehr wohl eine Frauenförderung ist, wenn Männer zu partnerschaftlichem Verhalten gebracht werden. (Ironische Heiterkeit beim Liberalen Forum.) Ich meine, daß es sehr wohl wichtig ist, die Partnerschaft auch zu dokumentieren, und ich würde mir wünschen, daß in Wirtschaftskreisen diese Partnerschaft viel ernster genommen wird. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Gerade im Bildungsbereich sind in den kommenden vier Jahren zahlreiche neue Ziele anzustreben. Wir müssen echte Strukturreformen durchführen, vernünftige Strukturreformen, durch die die Qualität des österreichischen Bildungswesens erhalten wird, durch die aber intelligentes Sparen möglich ist. Es kann mir niemand erklären, daß nicht jeder Betrieb seine Strukturen immer wieder hinterfragen muß. Das ist wichtig, das ist notwendig – und genauso muß das im Bildungsbereich der Fall sein.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 92

Wichtige Ziele im Kultur- und Bildungsbereich sind: Die Feststellung der notwendigen Bildungselemente für die Erstausbildung und die Feststellung, was man ins lebensbegleitende Lernen verlagern kann.

Wir müssen das hohe Bildungsniveau durch effizienten Einsatz bestehender Ressourcen aufrechterhalten. Wir müssen die Sicherung der momentanen, der innovativen Weiterentwicklung durch neue Schwerpunktsetzungen ermöglichen. Es kann ja nicht sein – auch nicht im Bildungsbereich –, daß immer mehr und mehr dazukommt. Das halten die Schüler nicht aus, das halten die Lehrer nicht aus, und das hält das Budget nicht aus.

Wir müssen uns wirklich einmal überlegen: Was ist alt? Was brauchen wir nicht mehr? Wo können wir neue Akzente setzen?

Wir müssen Zentralismus und Bürokratie im Schulbereich abbauen, wir müssen vor allem auch die kulturelle Identität fördern und die gewachsene kulturelle Tradition Österreichs im europäischen Raum festigen, und wir müssen im Bildungsbereich erreichen, daß wir Europa als Zukunftschance sehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie von der Opposition werden jetzt natürlich wieder sagen: Das sind lauter schöne Ziele, aber wie wollen Sie das machen? – Ich kann Ihnen das ganz genau sagen, ich kann Ihnen einzelne Maßnahmen nennen, die wir bereits eingeleitet haben, die wir umsetzen werden: Wir werden die Schulautonomie ausbauen. Wir werden die Durchlässigkeit verbessern. Wir werden die Fachmatura schaffen, damit es eine echte Chance für die Lehrlinge gibt, für diejenigen, die eine Fachschule besuchen.

Weiters: Wir werden die innere Schulreform weiterbetreiben durch die Einteilung der Lehrpläne in Kernbereiche und Erweiterungsbereiche. Es werden Schlüsselqualifikationen in Zukunft mehr in die Schule einfließen müssen. Die neuen Lehr- und Lernmethoden werden bereits umgesetzt. Wir werden die Angebote beim lebensbegleitenden Lernen optimieren.

Die Internationalisierung im Bildungsbereich soll durch Unterricht in Englisch, in Französisch gefördert werden, und zwar zum Beispiel Geschichte auf englisch, Geographie auf französisch. Dazu braucht es natürlich eine Vorlaufzeit, eine dementsprechende Lehrerbildung. Wir werden besonders auch die Kreativität und den musischen Schwerpunkt an den Schulen im Auge behalten.

Ein Anliegen ist mir auch die gezielte Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten, besonders auch mit den Staaten des ehemaligen Ostblocks. Diese brauchen unsere Hilfe im Bildungsbereich.

Die Teilrechtsfähigkeit für die Schulen soll umgesetzt werden und genauso auf die Nationalbibliothek, auf die Museen und auf das Bundesdenkmalamt ausgeweitet werden.

Die bauliche Sanierung der Museen muß weitergeführt werden; vorrangig dabei ist die Albertina. Die internationalen Ausstellungen werden heuer fortgesetzt. Ich nenne "Der Traum vom Glück – Historismus in Europa", "Die Botschaft der Musik – 1 000 Jahre Musikgeschichte". Das "Museumsquartier" wird umgesetzt, verwirklicht (Abg. Motter: Aber wann?) – es wird gebaut –, und es wird mir auch ein Anliegen sein, die Synergieeffekte zwischen Bildung, Unterricht und den kulturellen Einrichtungen zu verstärken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Diese großen Herausforderungen in den kommenden Jahren, besonders im Bildungs- und Kulturbereich, können nur durch gemeinsame Arbeit erreicht werden, nur durch ein Miteinander und nicht durch ein justament praktiziertes Gegeneinander. Für mich sehr wichtig ist die offene Zusammenarbeit mit allen Schulpartnern: mit Lehrern, Lehrerinnen, Eltern, Schülern. Die Lehrer und Lehrerinnen sind ja schließlich diejenigen, die die Zukunft unseres Landes mit ihrer Arbeit gestalten.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 93

Unter der Führung der Gewerkschaft findet derzeit eine breite Diskussion zu einem Lehrerleitbild, zu einer Jahresarbeitszeit statt. Mit dieser Diskussion kann transparent dargestellt werden, was Lehrer und Lehrerinnen leisten, wie sehr sie sich – weit über das übliche Maß – engagieren und welch positive Arbeit sie leisten.

Meine Damen und Herren! Politik ist Arbeit für die Gesellschaft, für die Gemeinschaft, für die Menschen unseres Landes. Bildungspolitik, Kulturpolitik ist Arbeit für die Zukunft unseres Landes. Ich lade Sie alle zu dieser gemeinsamen Arbeit ein! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Die Freiheitlichen werden die Einladung leider nicht annehmen können! Es sind nämlich nur drei da!)

15.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schwarzböck. Er hat das Wort.

15.44

Abgeordneter Rudolf Schwarzböck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Der Gegenstand unserer Diskussion, die Regierungserklärung, fußend auf dem Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien, ist ein gutes Stück Reformarbeit als Grundlage für die Regierungsziele der nächsten vier Jahre, getragen vom Geist, mit der Sanierung und Konsolidierung unserer Staatsfinanzen den österreichischen Wirtschaftsstandort zu sichern und damit eine wirkungsvolle Antwort auf die Arbeitsmarkt- und Arbeitsplatzprobleme zu geben, die uns momentan Sorge bereiten.

Die Akzeptanz der breiten Bevölkerung zu diesen Reformmaßnahmen zeigt, daß es gelungen ist, eine sehr breite Ausgewogenheit dieser Reformmaßnahmen auszuverhandeln, und es geht nun darum, in konsequenter Arbeit diese Zielsetzungen gemeinsam umzusetzen. Ich freue mich, daß es diese soziale Ausgewogenheit in dieser Breite gibt, weil ich mit den Vorstellungen des Kollegen Haselsteiner, der jetzt leider Gottes nicht mehr im Saale ist, aufgrund meiner persönlichen Wertorientierung nicht mitkönnte. Ich respektiere als Demokrat seine sehr liberale Grundhaltung zur Lösung wirtschaftspolitischer und gesellschaftspolitischer Probleme, ich möchte ihm aber ins Bewußtsein rufen, daß die breite Masse der Österreicher von einer derartigen Liberalität nichts hält, sondern der Erfolgskurs Österreichs in den vergangenen Jahrzehnten von einer beispielhaften, international beachteten Partnerschaft geprägt war. Es war daher sehr erfreulich, daß die Sozialpartnerschaft in den vergangenen Monaten auch zum Zustandekommen dieses Regierungsübereinkommens einiges einbringen konnte. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das scheint auch den Damen und Herren von der Opposition nicht entgangen zu sein, denn wir haben uns in den letzten Jahren des öfteren als Sozialpartner hier Vorwürfe anhören müssen, daß die Sozialpartnerschaft viel zu weit ausgewuchert wäre und das Geschehen im Hohen Haus oder in der Regierung übermäßig beeinflusse. (Abg. Mag. Firlinger: War das nicht so?) Umso mehr hat mich heute gefreut, daß uns Klubobfrau Petrovic sogar die Kompetenz zur Lösung der universitären Probleme, der Hochschulprobleme zugesprochen hätte. Ich sage Ihnen als überzeugter Sozialpartner ganz offen: Ich sehe diese Kompetenz beim Herrn Wissenschaftsminister, und ich lasse ihm diese gerne. Wir haben in ursächlichen Bereichen der Sozialpartnerschaft breite Aufgabengebiete. Wenn wir uns denen widmen und sie erfolgreich bewältigen, dienen wir dieser Republik sicherlich ähnlich wie in der Vergangenheit, und es wird der Regierung bestimmt gelingen, in jenen Bereichen, wo die Kompetenzen der einzelnen Ministerien zielgerichtet zur Problemlösung angesiedelt sind, auch wirkungsvoll Reformen umzusetzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Es gab heute überhaupt interessante Entwicklungen; das hat sich bereits gestern abgezeichnet. Mich verwundert etwas, daß in einem großen Vorhaben mit einem Gesamtrahmen von 100 Milliarden Schilling die Opposition im Grunde genommen von einem Detailproblem zum anderen fast stolpert und fast durchgehend – im Gegensatz zur traditionellen Rollenteilung – laufend nach mehr Staat schreit, obwohl sie vom politischen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 94

Rollenspiel her die Regierung und die Regierungsparteien kontrollieren müßte, damit diese ihre Regierungskompetenz nicht zu sehr in einer Erweiterung der staatlichen Aufgaben wahrnehmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Schlecht zugehört! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und den Grünen.) Kollege Haselsteiner war einer der wenigen, die hier einen anderen Standpunkt eingenommen haben. Ich kann diesen dennoch nicht teilen. Ich habe begründet, was mich daran hindert.

Als Bauernvertreter freue ich mich vor allem, daß mit diesen Reformmaßnahmen darauf Rücksicht genommen wurde, daß wir im Zusammenhang mit der EU-Integration – das hat der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung auch angesprochen – gezwungen waren, eine tiefgreifende Systemumstellung der österreichischen Agrarpolitik vorzunehmen, die auch in Richtung mehr Eigenverantwortung des einzelnen, in Richtung Leistungsorientierung geht, daß aber ein Förderungspaket zur Flankierung und für entsprechende Rahmenbedingungen geschnürt worden ist, das diese Systemumstellung in den nächsten Jahren verkraftbar machen soll. Das erste Jahr hat gezeigt, daß wir da auf gutem Wege sind, und daher ist es auch sehr erfreulich, daß dieses Regierungsübereinkommen davon geprägt ist, daß im Kernbereich der agrarpolitischen Rahmenbedingungen im Europaabkommen Kontinuität gewahrt ist und wir diese Ziele, die wir mit der Integration festgelegt haben, gemeinsam nun weiter verwirklichen wollen.

Der Kernpunkt dieser Rahmenbedingungen – auch mit beachtlicher finanzieller Ausstattung; das werden wir in den nächsten Wochen auch in den Budgetberatungen in den Ausschüssen und hier im Plenum sicherlich noch diskutieren – ist die Förderung einer ökologisch orientierten Landwirtschaft im sogenannten ÖPUL-Programm, das den Bauern in bisher noch nie dagewesener Weise Anreize bietet – in Rücksichtnahme auf die Konsumentenerwartungen, auf die strukturellen und topographischen Voraussetzungen der österreichischen Produktionsgrundlagen in der Land- und Forstwirtschaft und auch in enger Verbindung mit der Bedeutung der österreichischen Tourismuswirtschaft –, im harten Wettbewerb mit anders organisierten Landwirtschaften im EU-Binnenmarkt noch stärker in die Ökologisierung und damit in die Qualitätsproduktion und Konsumentenerwartung zu gehen.

Die Bauern haben bereits im ersten Jahr großartig daran teilgenommen, über alle Erwartungen, und es ist damit gelungen, etwas zu verhindern, was Skeptiker zur EU-Integration vor der Volksabstimmung und auch bis in die letzten Tage immer wieder – fast in einer Greuelpropaganda – befürchtet haben: Es ist nicht zu einer Industrialisierung und Chemisierung der Landwirtschaft gekommen. Im Gegenteil: Im ersten Jahr der EU-Integration und des EU-Binnenmarktes ist das größte Ökologieprogramm der österreichischen Wirtschafts- und Umweltpolitik umgesetzt worden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir wollen in der konsequenten Umsetzung dieser Ziele selbstverständlich weitergehen. Aus den Erfahrungen des ersten Jahres können wir gemeinsam mit dem Landwirtschaftsminister natürlich eine Reihe von Weiterentwicklungen vornehmen. (Abg. Aumayr: Die Gentechnik!) Wir haben es geschafft, die hohen administrativen Erfordernisse einer derartigen Systemumstellung – zugegebenermaßen mit Schwierigkeiten und mit vielen Anstrengungen – zeitgerecht umzusetzen. Für 1996 wollen wir das noch bürgernäher, mit noch weniger Bürokratie, mit stärkerer Einbindung der betroffenen Bauern und durchaus auch in Wahrnehmung einer öffentlichen Verantwortung effizienter machen. (Abg. Aumayr: Mit der Gentechnik!)

Das ist eine ehrgeizige Zielsetzung, weil wir im internationalen Vergleich im ersten Jahr bereits sehr viel weitergebracht haben. Ich sage durchaus, daß es für uns als Interessenvertreter keine einfache Aufgabe war, uns in Mitverantwortung in diese Zielsetzung hineinzustellen, und ich würde Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, einladen, in vielen Bereichen, wo Sie unter Umständen mit diesem Regierungsübereinkommen aus Ihrer parteipolitischen Sicht, aus Ihrer Interessensicht heraus Probleme haben, diese kleinliche Auseinandersetzung, die sich heute durch diese Debatte zieht, abzulegen und in die konstruktive Mitarbeit zu gehen, nämlich selbst einmal – über den eigenen Schatten springend – auch Verantwortung einzubringen. (Abg. Ing. Reichhold: Haben Sie schon vergessen, daß wir das Umweltprogramm mit Ihnen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 95

mitbeschlossen haben? Da hat Sie Ihr Koalitionspartner, da hat Sie die SPÖ im Stich gelassen! Wir haben mit Ihnen gestimmt! – Zwischenrufe der Abg. Aumayr. )

Kollege Reichhold! Ich bin gewohnt, daß die FPÖ-Redner den Alleinanspruch an der Opposition für sich reklamieren. Ich anerkenne durchaus, daß hier einmal eine konstruktive Mitarbeit der Freiheitlichen gegeben war. Ich hoffe nur, daß sie in der nächsten Zeit ähnlich spürbar ist und das nicht nur eine Eintagsfliege war. Das möchte ich hier durchaus anmerken. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Abg. Achs . – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese vier Jahre, die vor uns liegen, sind sicherlich – ähnlich wie die vier Jahre, die hinter uns liegen – geprägt von tiefgehenden dynamischen internationalen Veränderungen. Ich denke da beispielsweise nur an die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, an die Maßnahmen, die nach der Europäischen Regierungskonferenz im Hinblick auf Osterweiterung und Institutionenreform zu ergreifen sein werden. Vor allem auch die Weiterentwicklung des Welthandelsabkommens wird uns in dieser Regierungsperiode noch einiges aufzulösen geben, und wir müssen uns daher mit tiefgreifenden weiteren Reformen beschäftigen.

Was mich freut, ist, daß das, was zur Zukunftssicherung notwendig ist, in diesem Regierungsübereinkommen und in der Regierungserklärung deutlich spürbar und im Grunde genommen vom ersten bis zum letzten Wort erkennbar ist. Zukunftssicherung braucht Mut zur Veränderung, Mut zum Gestalten – und das ist der Auftrag, den wir in den nächsten vier Jahren gemeinsam zu bewältigen haben. Es ist für mich nicht überraschend, sondern eine weitere Einsicht, die sich nahtlos an vergangene anreiht, daß im Gegensatz zur Regierung, die gestalten will, die Opposition in einigen Wortmeldungen deutlich zum Ausdruck bringt, daß sie ihre Aufgabe eher im Bewahren sieht. Daher freue ich mich, daß unser Regierungsübereinkommen von dem Geist getragen ist, der die Politik der Österreichischen Volkspartei in den letzten Jahren bestimmt hat: Wer Gutes bewahren will, muß vieles verändern! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Er hat das Wort.

15.54

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß ja nicht, wie lange der Abgeordnete Haider gebraucht hat, bis ihm die Worte "soziale Symmetrie" und "Verteilungsgerechtigkeit" so glatt von den Lippen gegangen sind, wie er sie heute und gestern verwendet hat. Es ist aber immerhin erstaunlich, daß diese Worte bisher ausgerechnet von einem Vertreter der FPÖ zu hören waren, nicht aber von den Vertretern der Regierungsparteien. (Abg. Koppler: Gestern schon!)

Soziale Symmetrie und Verteilungsgerechtigkeit haben keinen Platz in diesem Koalitionsübereinkommen, haben auch keinen Platz in der Regierungserklärung gehabt! Das kommt einfach nicht vor! Das ist für Sie kein Thema, daß wir heute hier eigentlich nicht darüber diskutieren, wie es aufwärts geht, sondern wie es abwärts geht in diesem Land. Da finden sich noch Formulierungen in dieser Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers, in denen davon die Rede ist, daß der Aufschwung kommen werde. Aber wir wissen doch alle hier in diesem Haus, es kommt der Abschwung. Wir sind ja schon mitten drinnen, zumindest bei den Arbeitsplätzen.

Das ist das Interessante, daß das Thema Massenarbeitslosigkeit – und ich übertreibe hier garantiert nicht; Massenarbeitslosigkeit ist das, was wir in den nächsten Jahren hier in diesem Land zu erwarten haben – in der Regierungserklärung ebensowenig vorkommt wie das Thema Armut, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist doch erstaunlich, daß ein OECD-Bericht auch für Österreich feststellt: Die Reichen werden immer reicher und die Armen werden immer ärmer. Auch für Österreich stellt dieser Bericht das fest. Und dann kommt der "Sparverein" Bundesregierung daher und schröpft die Armen durch das Konsolidierungspaket noch mehr. Aber die Themen Verteilungsgerechtigkeit, Armut spielen keine Rolle in der Erklärung der Bundesregierung.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 96

Das ist doch die Realität, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Sie sprechen nicht über die Dinge, die die Leute draußen tatsächlich bewegen, die nicht nur die Studierenden draußen bewegen, weil es um ihre letzten Schillinge geht, an die die Bundesregierung auch noch herankommen will, sondern die viele bewegen, weil es wirklich um Armut geht.

Was fällt Ihnen ein zu diesem Thema? – Arbeitslosigkeit wird dadurch bekämpft, daß Pflichtarbeit für Langzeitarbeitslose eingeführt werden soll. In der Kritik an dieser Forderung der Freiheitlichen haben Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, noch vor einem Jahr gesagt, das sei eine Diktion, die an unselige Zeiten erinnere, das erinnere an die NS-Zeit. – Jetzt ist das das gemeinsame Regierungskonzept! – Es steht zwar nicht drinnen, aber es droht uns möglicherweise in den nächsten Wochen und Monaten.

Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Sie sind nicht nur ein Sparverein, sondern Sie sind ein Sparverein mit besonderer Zweckwidmung: zur Erfüllung von FPÖ-Forderungen. Und das ist das Problem, das wir mit Ihnen haben, meine Damen und Herren, daß Sie nämlich – man könnte es abhaken – eine FPÖ-Forderung nach der anderen erfüllen. Die FPÖ merkt es nicht, sie regt sich trotzdem auf, aber im wesentlichen wird ein Punkt nach dem anderen aus deren Sparpaket abgehakt, ein Punkt nach dem anderen aus ihrem Ausländervolksbegehren geht in Erfüllung. Die Bundesregierung versucht, das umzusetzen.

Ich habe schon die Pflichtarbeit für Langzeitarbeitslose genannt. Die Verschärfungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz gehören ebenso dazu, desgleichen die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das verbindet Sie beide. Beide sagen Sie: Wir wollen 50 000 Arbeitsplätze schaffen!, aber keiner sagt dazu, wo und wie und mit welchen Mitteln. Da werden dann nebulose Formulierungen von Bürokratieabbau und Förderung von mehr Selbständigkeit auf den Weg geschickt (Abg. Tichy-Schreder: Ja!) , aber es wird nicht gleichzeitig gesagt, wie auf diesem Weg 50 000 Arbeitsplätze entstehen sollen. (Abg. Tichy-Schreder: Genau auf diesem Weg!)

Meine Damen und Herren! Sie werfen der Opposition vor, sie kümmere sich nur um die Details und nicht um das große Ganze. Das haben Sie, Herr Abgeordneter Schwarzböck, soeben gesagt. Ich sage Ihnen: Wenn man den Blick auf das große Ganze wirft, dann wird es nur umso erschreckender im Hinblick darauf, was wir in diesem Land in den nächsten Jahren von Ihnen, von den Koalitionsparteien zu erwarten haben.

Es macht keinen Spaß, zu sehen, wie eine Bundesregierung einen Punkt des FPÖ-Konzeptes nach dem anderen umsetzt und nicht einmal bereit ist, das zuzugeben und offen darüber zu reden, daß sie im Prinzip, in wichtigen politischen, gesellschaftspolitischen Fragen eigentlich nur der Handlanger oder der Wasserträger einer FPÖ-Opposition ist, die in bestimmten wichtigen Bereichen die Regierung vor sich herzutreiben versucht. – Trotz des Ergebnisses, das Sie bei den Wahlen erzielt haben.

Meine Damen und Herren! Es ist heute ganz groß davon gesprochen worden – es war Abgeordneter Kostelka, der das gesagt hat –, daß keine Änderung des sozialen Grundkonsenses mit dieser Bundesregierung verbunden sei. Wir beharren auf dem sozialen Grundkonsens und wollen diesen weiterhin durchsetzen, hat er gemeint und dann sehr blumige Formulierungen verwendet.

Ich meine, nicht nur dadurch, daß eine Koalitionsregierung FPÖ-Forderungen Punkt für Punkt umsetzt, sondern indem sie in ganz wichtigen, zentralen Fragen ihr Grundverständnis vom sozialen Grundkonsens ändert, demonstrieren Sie, wohin Sie gehen, daß Sie einen anderen Weg gehen, daß Sie Perspektiven haben, die mit einer Weiterentwicklung des Sozialsystems nichts, aber schon rein gar nichts zu tun haben.

Ich kann Ihnen das auch illustrieren. In Zeiten wie diesen, in denen immer mehr Arbeitslosigkeit entsteht und wir auf der anderen Seite ein Sozialversicherungswesen haben, das auch personenorientiert ist, auf personenbezogener Finanzierung basiert, in Zeiten wie diesen, in denen wir wissen, daß die Einnahmen für die Sozialversicherung wegen der personenbezogenen Finanzierung immer geringer werden – ausgenommen, es werden die Beiträge erhöht –, in Zeiten wie diesen also muß man natürlich über neue Grundlagen für das Sozial


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 97

system, im speziellen für das Sozialversicherungssystem, nachdenken. In Zeiten wie diesen, in denen es nach wie vor Hunderttausende gibt, die trotz Ihrer Reformen im Pensionsversicherungsbereich ohne Eigenpension ihr Alter leben müssen, wäre es notwendig, über eine Pensionsreform zu diskutieren, die tatsächlich allen ein Altern in Würde ermöglicht. (Beifall bei den Grünen.)

In Zeiten wie diesen wäre es auch notwendig, darüber zu reden: Was können wir tatsächlich machen, um die Armutsgefährdung – ganz egal, ob es nur 500 000 Personen sind, wie es die eine Studie besagt, oder ob es doch schon 1,3 Millionen armutsgefährdeter Personen in Österreich gibt – dieser großen und nicht kleinen Gruppen einzudämmen? Was machen wir dagegen? Wird es ausreichen, daß sich der Bund – so wie das ja in der Regierungserklärung demonstriert ist – sukzessive aus der Sozialpolitik zurückzieht und die Verantwortung an die Länder abgibt, die sie dann wiederum an die Gemeinden abgeben, die sie letztendlich dann an die einzelnen, an die Familien abgeben? Wird das ausreichen? Wird das die Perspektive für den sozialen Grundkonsens sein, den Sie erhalten wollen? – Ich sage Ihnen: Nein, das kann es nicht sein! Das wird nicht die Perspektive sein können. Aber das ist das, was wir erkennen können: Die Ausgaben der Länder für die Sozialhilfe sind in den letzten Jahren deswegen so explodiert, weil sich der Bund zurückgezogen hat.

Mit jenen Maßnahmen, die Sie beispielsweise im Bereich der Arbeitslosenversicherung setzen, wird dieser Trend noch weiter anhalten. Sie verlagern Kosten. Sie verlagern Kosten von der Bundesebene auf die Gemeindeebene, und dort, wo die Gemeinden ihre Anforderungen, ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können, soll das die Familie übernehmen.

So wie zum Beispiel beim Karenzurlaub. Da kommt Herr Abgeordneter Khol daher und sagt: Na ja, es hat ja früher auch die Oma gegeben. Warum soll nicht die Oma in Zukunft die Kinderbetreuung übernehmen? – Ich meine, die Oma kann sie nicht übernehmen, denn in Zukunft muß die Oma für ihre eigene Pension länger arbeiten.

Das ist Ihre Verantwortung, Ihre Verantwortung in dieser Erklärung, in Ihrem Arbeitsübereinkommen, daß Sie ältere Personen an einem Arbeitsplatz sozusagen festschrauben wollen, für den es aber teilweise keine Perspektive mehr gibt, und daß auf der anderen Seite die Jugend auch Schwierigkeiten hat, Arbeit zu finden.

Ich finde das bisherige Modell von Frühpensionierungen nicht das schlechteste, das gebe ich offen zu. Natürlich muß man darüber diskutieren. (Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Dr. Schüssel. ) Ja, Herr Vizekanzler Schüssel, das glauben Sie gern. Das ist schon gut, daß Sie das gerne glauben. Sie haben eine andere Meinung, das weiß ich auch. Nur: Sie müssen mir erklären, woher die Jugend die Arbeit nehmen soll. Woher bekommt sie sie? Die Jugend steht ohne Arbeit da.

Wir wissen jetzt schon – es ist bereits im Detail erkennbar –, daß die Jugendarbeitslosigkeit anzusteigen beginnt. Wir können uns ausrechnen, wenn Ihre Maßnahmen mit dem Bonus-Malus-System greifen – wenn sie greifen sollten; ich halte das ja für falsch, aber Sie versuchen es immerhin –, wenn das also greift mit dem Ende der Frühpensionierungen, dann haben wir ein Problem mit den Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt. – Aber das ist offensichtlich für Sie kein Thema, Herr Vizekanzler Schüssel! Ich meine jedoch, daß Sie sich auch darüber Gedanken machen sollten, wie es weitergehen soll.

Ich glaube aber nicht, daß Sie das tatsächlich getan haben. Man braucht sich ja nur dieses Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung anzuschauen, man braucht es ja nur zu vergleichen mit dem vorhergehenden Arbeitsübereinkommen. Was steht da drinnen? Etwas mehr an Forderungen – und etwas weniger verbindender Text. Was vor allem fehlt, sind die Strukturreformen.

Ich bringe Ihnen noch ein Beispiel. Da wird ganz groß vom Kampf gegen Frühpensionierungen als eine der wichtigsten Maßnahmen der Bundesregierung geredet, obwohl überhaupt keine Perspektive damit verbunden ist, aber was nicht drinnen ist, was in allen anderen Koalitions


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 98

vereinbarungen stand, ist zum Beispiel die Harmonisierung der Pensionssysteme. Kein Wort mehr von einer Harmonisierung der Pensionssysteme! Das haben Sie offensichtlich vergessen.

Ich zitiere aus dem Arbeitsübereinkommen von 1990: "Alle Änderungen müssen in gleicher Weise für alle Alterssicherungssysteme gelten. Damit das System der Pensionsvorsorge auch weiterhin verständlich bleiben und als gerecht empfunden werden kann, sind die derzeit verschiedenen Pensionssysteme nur parallel fortzuentwickeln und langfristig zusammenzuführen. Nicht mehr begründbare Unterschiede sind auszugleichen." – 1990 haben Sie das gesagt.

1994 haben Sie sich dann auf die Schultern geklopft und gesagt: "Die Regierungsparteien werden den Weg der Harmonisierung und längerfristigen Absicherung im Pensionssystem fortsetzen."

1996 steht nichts mehr drinnen davon! Kein Wort. Keine Harmonisierung der Pensionssysteme. Das ist offensichtlich nicht mehr Ihr Thema.

Die Wiedereinführung der Ruhensbestimmungen – so liest man in den heutigen Zeitungen – ist inzwischen für die ÖVP kein Thema mehr, interessiert sie nicht mehr. Nicht einmal die kleinen Ansätze, die Sie zeigen könnten, die wir im Sinne sozialer Gerechtigkeit zeigen sollten, werden von Ihnen gemacht. Sie scheitern ja schon in den Anfängen der Strukturreformen! Sie haben ja überhaupt nicht die Absicht, Strukturreformen zu intendieren! Das läßt sich klar aufzeigen.

Ich war heute, während hier im Plenum diskutiert wurde, eingeladen, vor Studenten zu referieren. Und die haben zu mir gesagt: Erklären Sie uns bitte, was denn der Sinn dieser Budgetkonsolidierung ist. Wir verstehen ihn nicht. Wir sehen keinen Sinn darin. Worauf soll das Ganze hinaus? In welche Richtung soll konsolidiert werden?

Ich habe dann versucht, einige Sinnhaftigkeiten für diese Budgetkonsolidierung den Studentinnen und Studenten aufzuzeigen, und der wichtigste Sinn dieser Budgetkonsolidierung läßt sich bei einzelnen Maßnahmen durchaus darstellen. Wenn man sich einige steuerliche Maßnahmen, wenn man sich einzelne sozialpolitische Maßnahmen anschaut, dann kann man erkennen: Sinn ist es, bis Ende 1997 für Maastricht die Erfüllung der Konvergenzkriterien demonstrieren zu können. – Was nach 1997 ist, ist Ihnen völlig egal! Spielt keine Rolle! Auch wenn die Maßnahmen letztendlich nach 1997 mehr Geld kosten: spielt keine Rolle!

Es sind einnahmenseitig eine Reihe von Maßnahmen enthalten, die dann 1998 ausgabenseitig von Ihnen wieder bewältigt werden müssen. Spielt alles keine Rolle! Hauptsache ist, 1997 kann die Bundesregierung die Erfüllung der Maastricht-Konvergenzkriterien nach außen hin demonstrieren.

Meine Damen und Herren! Das ist zu wenig für Strukturreformen! Was wir von Ihnen verlangen, was wir auch bei der Budgetkonsolidierung von Ihnen verlangt hätten, wäre schon, in Alternativen zu denken. Aber wenn man es so macht, wie es der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vorgeführt hat, daß in Alternativen denken so langatmig daherkommt wie in dem Satz: "Verantwortungsvolle Politik wird sich daher immer wieder in das Feld der Alternativen zu begeben und sich dort, Wege markierend, zurechtzufinden haben", wenn man es also so anfängt, nach Alternativen zu suchen, dann wird man solche natürlich nicht finden können, meine Damen und Herren. Dann werden diese Alternativen schon nicht einmal als solche erkannt werden können.

Es wäre natürlich notwendig und wichtig gewesen, auch in Fragen der Budgetkonsolidierung nach Alternativen zu suchen. Sie wären zu finden gewesen. Wir von den Grünen, meine Damen und Herren, haben als kleine Oppositionspartei ein Budgetkonzept erstellt, in dem Alternativen aufgezeigt wurden. (Beifall bei den Grünen.) Sie haben sich das nicht einmal angeschaut! Sie waren nicht einmal bereit, mit uns darüber zu debattieren! (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Sie haben die Alternativen, die die Opposition aufgezeigt hat, nicht einmal ansatzweise zur Kenntnis genommen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 99

Sie sollten sich daher wirklich nicht alterieren über die Opposition, die Ihrer Meinung nach keine Alternativen bieten und nur kleingeistig dahindiskutieren könne.

Sie von den Regierungsparteien sind nicht imstande, Alternativen zu finden, zu erkennen, geschweige denn, solche auch zu setzen. (Beifall bei den Grünen.)

16.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Sie hat das Wort.

16.10

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Nicht um die Festschreibung, wie es abwärts geht, Herr Kollege Öllinger, geht es, sondern um die Festschreibung des Standards und um die Erhaltung des Standards. Es geht auch darum, wie die vorhandenen Mittel effizienter eingesetzt werden und zur Verteilung gelangen können.

Ich glaube, daß das Programm, das sich die Bundesregierung gegeben hat, ein durchaus ambitioniertes Programm ist, ein Programm ist, das Perspektiven hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir der Kritik begegnen – und die besteht unzweifelhaft, denn das Programm tut weh, es tut aber jedem weh –, so ist den Kritikern entgegenzuhalten: Nach wie vor verfügt Österreich über ein Förderungssystem auf höchstem Niveau, das sich in Europa sehen lassen kann, und auch nach dem Konsolidierungsprogramm wird sich dieses Förderungssystem auf einem sehr hohen Niveau befinden.

Wir haben ja das heutige kombinierte System der direkten Transfers, der Sachleistungen, der steuerlichen Maßnahmen erhalten können. Im steuerlichen Bereich haben wir Verbesserungen eingeführt für Mehrkinderfamilien, und zwar durch die Erhöhung des Sonderausgabenrahmens für Familien mit mehr als drei Kindern um 20 000 S.

Unangetastet geblieben sind die Altersstaffel bei der Familienförderung, die Mehrkinderstaffelung im Steuersystem, der Alleinverdiener- und Alleinerhalterabsetzbetrag, und ebenso ist die Mitversicherung der Studenten bei den Eltern gesichert.

Familienpolitik besteht nicht nur im Bereitstellen von Geldleistungen. Das haben wir SozialdemokratInnen in der Vergangenheit gesagt, und wir sagen das auch jetzt.

Nach sechs Frauen folgt mit dem neuen Bundesminister, Familienminister, das erstemal ein männlicher Familienminister. Es wird sich also in der Familienpolitik wahrscheinlich einiges ändern – oder auch nicht, wir werden sehen –, sechs weiblichen Vorgängerinnen hat er doch einiges entgegenzuhalten.

Es geht also nicht nur darum, daß finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, sondern es geht auch um die Rahmenbedingungen. Das ist das Wesentlichste, denn gerade die Rahmenbedingungen sind die entscheidenden Momente, jene Leistungen, die es Frauen und Männern ermöglichen, ihre individuellen Lebensbedürfnisse und ihre Lebensplanung zu vereinbaren, nämlich Beruf und Kinderbetreuung besser miteinander zu vereinbaren.

Wenn der Herr Bundesminister sagt, wir dürfen die Hausfrauen beziehungsweise die nicht berufstätigen Frauen nicht diskriminieren lassen, dann stimme ich dem zu. Wir dürfen keinen Keil hineintreiben lassen zwischen berufstätigen Frauen und nicht berufstätigen, nicht erwerbstätigen Frauen.

Nur eines kann man natürlich auch entgegenhalten, daß auch berufstätige Frauen diskriminiert werden. Denn oft ist es für berufstätige Frauen schwer, sich der Versuchung zu entziehen, einfach die Berufstätigkeit aufzugeben, und zwar angesichts fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen, angesichts der Arbeitsbedingungen und Einkommen, die Frauen bedeutend härter treffen. Sie möchten dann oft die Berufstätigkeit aufgeben, um Männern und Kindern ein


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 100

sogenanntes ordentliches Heim, wie es meistens formuliert wird, zu bieten. Wenn ich das argumentum a contrario ziehe, so ist das wohl der Gegensatz zum unordentlichen Heim, das berufstätige Frauen aufzuweisen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn nun der Herr Abgeordnete Ofner hier behauptet, daß die Geburtenzahlen ständig sinken, dann darf ich eines anfügen: In Österreich sind die Geburtenzahlen seit 1985, auch in der Zeit von 1988 bis 1994, also in den sogenannten sozialpolitisch besonders guten Jahren, gleichbleibend, nämlich zwischen 1,45 und 1,5 Kindern pro Frau.

Das Übereinkommen sieht auch flankierende Maßnahmen, ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor, das notwendig geworden ist durch die Neuregelung der Karenzzeit. Dazu zählt für uns an erster Stelle die ausreichende Bereitstellung qualifizierter Einrichtungen für Kinder aller Altersgruppen. Selbstverständlich gehören dazu nicht nur Kindergärten, sondern auch Kinderkrippen, Krabbelstuben, Tagesmütter, Privatinitiativen, Netzwerke, Betriebskindergärten und eine enge Kooperation mit der Privatwirtschaft. Entscheidend für uns sind aber auch ganztägige Öffnungszeiten mit sozial gestaffelten Tarifen.

Eines möchte ich an dieser Stelle schon herausstreichen, nämlich daß es SPÖ-Frauen und ihrer Hartnäckigkeit zuzuschreiben ist, daß nun 600 Millionen Schilling für Kinderbetreuungseinrichtungen, zum Ausbau von konkreten, gezielten Projekten zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPÖ.) Frau Ministerin, ich muß sagen, das war ein großer Erfolg. Dieser Beitrag von 600 Millionen Schilling zur strukturellen Familienpolitik darf nicht unterschätzt werden.

Wenn die Frau Abgeordnete Schmidt sagt, von 1 Milliarde Schilling war die Rede, und jetzt sind es nur noch 600 Millionen Schilling, so möchte ich darauf hinweisen: Diese Milliarde war für drei Jahre in Aussicht gestellt. Die 600 Millionen Schilling stehen bis 1997 zur Verfügung, und dann können wir abwarten, ob es nicht noch einen Zuschlag gibt.

Bei privaten und individuellen Lösungen hinsichtlich der Kinderbetreuung, also zum Beispiel bei Tagesmüttern, muß eine professionelle, qualifizierte Betreuung und die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung der Betreuenden gewährleistet sein.

Durch die zunehmende Berufstätigkeit der Mütter und der Väter – es sind mehr als die Hälfte aller Frauen mit Kindern berufstätig – haben sich die Lebensräume und die Lebensweisen der Kinder und der Jugendlichen verändert, aber auch dadurch verändert, daß die Betreuung durch andere Familienmitglieder abnimmt. Damit sind die zitierten Großmütter gemeint, die der Herr Khol sehr gern zum Einsatz bringen würde. Aber ich will mich gar nicht auf das Gebiet der Flora und Fauna und der "Orchideenthemen" begeben und mich auch nicht über "Milchkannen" unterhalten, sondern ich möchte nur eines festhalten: Frauen sind keine Manövriermasse, die einmal ins Berufsleben geschickt und dann wieder zurückgenommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten interessiert vordringlich die Situation der Frau in der Berufswelt. Es geht um die Überwindung der Lebensmuster, dieses Kreislaufes: geringes Einkommen, geringe Bemessungsgrundlagen, unterbrochene Erwerbslaufbahn, geringe Versicherungszeiten: wegen Kindererziehungszeiten, wegen Pflege von Angehörigen. Die Folge dieser Diskriminierungsspirale, wie ich sie nun einmal nennen möchte, sind niedrige Pensionen, aber auch niedrige Sozialleistungen, wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Krankengeld.

Gegen das "Risiko" Frausein haben wir in den letzten Jahren Maßnahmen gesetzt. Ich möchte das Gleichbehandlungspaket, die Anrechnung der Kindererziehungszeiten auf die Pensionszeiten der Frauen und das zweite Karenzjahr in Erinnerung rufen.

Die neue Karenzzeitregelung ist notwendig, kann aber nur begleitet werden durch effiziente Reformschritte.

Ich würde auch die Anregung der Frau Abgeordneten Schmidt aufgreifen, daß wir nicht mehr vom "Karenzurlaub" reden, sondern von einer Karenzzeit, und uns dazu entschließen, gemeinsam diese Änderung im Gesetz vorzunehmen. Wir wissen nämlich auch, daß die bisherige Karenzzeitregelung – die übrigens einmalig in Europa ist; Frankreich hat mehr Monate


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 101

Karenzzeit, aber unbezahlte – nicht weiter zu finanzieren ist. Das muß man ehrlicherweise zugeben.

Wir wissen aber auch, daß Frauen auf dem Arbeitsmarkt nach langer Familienpause Probleme haben. Die Frauen müssen 39 Versuche starten, um wieder einen Job zu finden, einen Arbeitsplatz zu erringen – zu erringen! –, und über 40 000 bis zu 50 000 Frauen gelten als nicht vermittelbar, weil es keine Kinderbetreuungseinrichtungen gibt. Das kann auf die Dauer keine Lösung sein.

Daher wurde im Übereinkommen festgehalten: verstärkte Bemühungen zur Schaffung von qualifizierten Teilzeitarbeitsplätzen – auch kein Allheilmittel, denn wir wissen, daß derzeit diese Arbeitsplätze schlechter bezahlt, instabiler sind, geringere Qualifikationen verlangen, aber dennoch ein Schritt –, weiters Sonderprogramme für Wiedereinsteigerinnen, flexible Arbeitszeiten, arbeitnehmerfreundliche Flexibilität durch Zeitkontomodelle, Gleitpensionen, Teilzeitbeschäftigung.

Dazu gehört aber auch ein Bündel von Maßnahmen, die die Gleichstellung der Frauen im Beruf deutlich verbessern sollen, und zwar spezielle Förderungen von Frauen und Mädchen bei der Ausweitung des weiblichen Berufsspektrums, also Zugang zu nicht typischen Frauenberufen, und eine effiziente Unterstützung der betrieblichen Aus- und Weiterbildung der Frauen.

Es geht nicht darum, aus familienpolitischer Sicht die Neuregelung der Karenzzeit zu beschönigen. Ich könnte das auch gar nicht. Aber es geht auch nicht darum, zu verschweigen, daß diese Maßnahme für Alleinerzieherinnen wahrscheinlich ungeahnte Härten zur Folge haben wird. Doch Alleinerzieherinnen gibt es nun einmal, und deren Zahl wächst auch in Österreich – wie in allen anderen westlichen Industriestaaten.

Aber es gibt bei der Familienpolitik neben dem familienpolitischen Ansatz auch einen frauenpolitischen Ansatz, einen emanzipatorischen Ansatz, und diesen sollte man nicht außer acht lassen. Da haben wir uns nun für eine durchaus sinnvolle Variante entschieden, nämlich für die Übernahme von mehr Erziehungsverantwortung durch Väter, durch Männer. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Erziehungsverantwortung sollte allerdings nicht beim sonntäglichen Frühstück enden, so wie man es im letzten "profil"-Heft lesen konnte. (Abg. Haigermoser: Beim täglichen Frühstück!) Beim "sonntäglichen" hat der Herr Khol gesagt. (Abg. Haigermoser: Ich bin für das tägliche!) Ich bin auch für das tägliche. Aber Herr Khol hat nur vom "sonntäglichen" Frühstück gesprochen. Da macht er das. – Doch zurück zur Erziehungsverantwortung. Diese sollte wahrgenommen werden im Familienalltag. Dazu gehört auch, Haushaltsaufgaben zu übernehmen, die Erfahrung des Ausstiegs aus der Erwerbstätigkeit zu machen. Diese Verantwortung trugen bis dato nur die Frauen. Diese Regelung könnte ein Umdenken und in der Folge eine andere gesellschaftspolitische Praxis einleiten.

Zu den Rahmenbedingungen, von denen ich gesprochen habe, die die Entscheidung für eine Familie positiv beeinflussen könnten, gehört auch die Erleichterung der Erziehungsaufgaben für Mütter und Väter durch konkrete Projekte wie vorbereitende und begleitende Elternbildung dazu. Die Steigerung und Verbesserung der Lebensqualität von Frauen und Familien ist aber durch den Ausbau von Frauenservice- und Familienberatungsstellen erforderlich.

Es geht aber nach wie vor – und das ist der Kernpunkt – um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen durch eine Verbesserung der Rechtsbestimmungen im Zivilrecht, im Familienrecht. Es geht um die Stärkung und um die Realisierung endlich, meine Damen und Herren, des Partnerschaftsgedankens bei der Haus- und Familienarbeit. Wir wollen das Gleichbehandlungsgesetz novellieren und die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen regionalisieren. Diese beiden Maßnahmen sollen der Konkretisierung und Überprüfung dienen, wie Gleichstellung in der Praxis geschieht.

Zuletzt noch eine Anmerkung: Durch alle familienpolitischen Maßnahmen zieht sich der Aspekt der aufklärenden Information – das reicht von der Elternvorbereitung bis hin zur Frauen- und


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 102

Familienberatungsinformation – wie ein roter Faden. Meiner Ansicht nach gehört dazu aber auch die gesundheitspolitische Vorsorge. Selbstverständlich bleibt das Untersuchungsprogramm des Eltern-Kind-Passes ebenso kostenlos wie jenes des Mutter-Kind-Passes. Mir ist es aber dennoch ein großes Anliegen, das bewährte gesundheitspolitische Konzept des Mutter-Kind-Passes auch ohne finanziellen Anreiz für die Vorsorgeuntersuchungen aufrechtzuerhalten. Um den Wegfall des finanziellen Anreizes zu kompensieren, bedarf es daher wohl einiger begleitender Maßnahmen an Informations- und Aufklärungsarbeit. Erst die Zukunft – und das ist wichtig! – wird zeigen, ob die Eigenverantwortlichkeit und der Informationsstand der Eltern ausreichen und so ausgeprägt sind, daß das hohe Vorsorgeniveau erhalten bleibt.

Unsere Aufgabe ist es, dies zu beobachten, und wenn es sinkt, hat meiner Auffassung nach der Gesetzgeber korrigierend einzugreifen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.24

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Nicht überraschend beinahe plötzlich geleerte Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis, daß ich die neue alte Koalition, ihr Regierungsprogramm und ihr Belastungspaket nicht so positiv beurteilen kann wie meine Vorrednerin. (Abg. Kopf: Das hätte uns gewundert!) Ich bitte um Verständnis. (Abg. Auer: Wir haben Verständnis!) Ich möchte dieses Regierungsprogramm und die neue alte Koalition vielmehr mit folgenden Sätzen kurz charakterisieren:

Erstens: schamlos beim Brechen von Wahlversprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Der Satz eines prominenten Koalitionsverhandlers: "Wir haben uns nicht an den Wahlversprechen, sondern an der Sachlage zu orientieren!", dürfte nicht nur mir noch sehr grell in den Ohren klingen. Sie können sich darauf verlassen: Wir werden an diesen Satz in den nächsten vier Jahren immer wieder erinnern, bis zur nächsten Wahl, damit die Leute dann wissen, was sie von Ihren Wahlversprechen zu halten haben. (Abg. Haigermoser: Das meiste wissen sie ohnehin schon!)

Zweiter Satz zur Charakterisierung der neuen alten Koalition und ihres Programms: unbekümmert bis rücksichtslos beim Belasten und Steuereintreiben. – Wir werden uns darüber noch im Rahmen der Budgetdebatte im einzelnen auseinanderzusetzen haben. Ich möchte Ihnen und auch der Öffentlichkeit, die überraschenderweise opferbereit zu sein scheint, in diesem Zusammenhang folgendes sagen: Das, was jetzt die Öffentlichkeit, der Steuerzahler auszubaden hat, ist ja nicht wie ein unabwendbares, überraschendes Gottesurteil aus heiterem Himmel über Österreich hereingebrochen, sondern das ist die Konsequenz einer zehn Jahre dauernden großen Koalition, einer liederlichen Finanz- und Budgetpolitik. (Abg. Haigermoser: Gelinde gesagt!) Das soll immer wieder in Erinnerung gerufen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Drittens ist diese neue alte Koalition, wie gehabt, unverbindlich bis lustlos bei echten Strukturreformen, soferne sie über reine Streichungs- und Belastungsorgien hinausgehen sollen und müssen. – Wenn ich sage "unverbindlich", dann möchte ich Ihnen damit in Erinnerung rufen, daß wahrscheinlich nicht nur wir, sondern auch Sie alle Sätze wie – ich zitiere –: "Eine umfassende Reform im österreichischen Gesundheitswesen soll seine Finanzierbarkeit sicherstellen", nicht zum ersten, sondern schon zum fünften Mal – in den Regierungserklärungen der Kabinette Vranitzky I bis V – lesen. Geschehen ist in diesem Bereich – aber auch in anderen Bereichen – bekanntermaßen nichts.

Viertens ist diese Regierung alt/neu visionslos und gestaltungsunwillig oder vielleicht auch gestaltungsunfähig – ganz einfach, weil die Auffassungsunterschiede der neuen/alten Koalitionspartner in für die Zukunft Österreichs entscheidenden Fragen einander diametral gegenüberstehen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 103

Ich denke dabei etwa an die Frage der Neutralität Österreichs und an seine Einbettung in ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem: entweder im Rahmen der WEU oder im Rahmen der NATO überhaupt. Es gibt keine andere Möglichkeit! Für Sie stellt sich ja nur mehr die Frage, meine lieben Freunde und Freundinnen von der linken Seite dieses Hauses, wie Sie das Ihren Wählerinnen und Wählern beibringen können, wie Sie Ihrer linken Klientel begreiflich machen können, daß plötzlich alles anders ist, als Sie ihr in den letzten 50 Jahren in bezug darauf gesagt haben.

Hohes Haus! Damit Sie diese meine negative Einschätzung dieser Regierung und ihres Programms – da werden wir wahrscheinlich übereinstimmen – nicht ohne weiteres und von vornherein nur als oppositionelle Pflichtübung abtun können, möchte ich jetzt jemanden zitieren, von dem Sie das wohl nicht, nie und nimmer, behaupten können, dessen Einschätzung sich aber mit meiner hier kurz dargelegten weitestgehend deckt.

Dieser Mann sagte – und ich bitte wirklich um Gehör bei den beiden Koalitionsfraktionen, es ist nämlich jemand aus Ihren Reihen – zu dieser neuen/alten Koalitionsregierung und ihrem Belastungspaket folgendes – ich beginne mit dem Zitieren –:

"Ich glaube, daß das Sparpaket das Problem der Verschuldung nicht löst, sind doch strukturelle Reformen im öffentlichen Dienst, bei den Lehrern oder im Gesundheitsbereich, nicht passiert."

Ich zitiere weiter: "Viele Probleme werden und wurden nicht ausgetragen, aber das ist ja charakteristisch für die Ära Vranitzky. Es ist immer nur ein Weiterhanteln. Lange Ausdauer im Amt bedeutet noch lange nicht, daß man auch tiefe Spuren in einem Land hinterläßt." – Ende des Zitats.

Wissen Sie, wer das gesagt hat? – Nicht der Androsch! (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Nicht nervös werden, Herr Parnigoni! Dieses Zitat könnte zwar vom Androsch sein, ist es aber nicht (Abg. Parnigoni: Mein Gott!), Kollege Parnigoni, es ist aber auch nicht von irgendeinem der freiheitlichen oppositionellen Radikalinskis und notorischen Koalitionshassern. Nein! Wissen Sie, wer das gesagt hat? – Ihr ehemaliger Vizekanzler Erhard Busek, und ich nehme doch an, er wird, da er sehr lange mit Ihnen gemeinsam in einer Koalition gesessen ist (Abg. Parnigoni zeigt in Richtung ÖVP), diese jahrelang ohne Wenn und Aber mitgetragen und verteidigt hat, doch wissen, was er sagt, wenn er meint, es sei nichts los mit den Kabinetten Vranitzky, es sei immer nur ein Weiterwursteln, immer nur ein Weiterhanteln, und eine lange Amtsdauer bedeute noch lange nicht, daß man auch tiefe Spuren im Land hinterläßt.

Busek wird es ja wissen, nehme ich an, und ich bin froh, daß er es jetzt endlich einmal, nachdem er sich von dieser Ihrer Umklammerung befreit hat, auch ausspricht. Er hätte es schon früher tun sollen, das gebe ich schon zu. Aber besser spät, als gar nicht, Herr Kollege Parnigoni. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Vor diesem Hintergrund ist es meiner Ansicht nach auch relativ unerheblich, wer wen bei den Koalitionsverhandlungen über den Tisch gezogen hat. Ich will mich in diese Sache wirklich nicht einmengen. Ich will auch niemandem die Hauptverantwortung für dieses Regierungsprogramm, das Ihr ehemaliger Vizekanzler so treffend charakterisiert hat – und dessen Meinung ich mich voll anschließe –, streitig machen.

Ich möchte nur noch folgendes dazu sagen: Sollte es tatsächlich so sein, liebe Genossinnen und Genossen (Rufe bei der SPÖ: Hallo!), wie es "profil" schreibt und wie es die ÖVP glaubt – die ÖVP hat ja angeblich, wie ich es nachlesen konnte, schon in der letzten Verhandlungsnacht koalitionär recht einfühlsam den Choral angestimmt: "Bruder Franzi, schläfst du schon?"; also die ÖVP bildet sich schon ein, daß sie Sie über den Tisch gezogen hat –, nämlich daß der Herr Vizekanzler Schüssel – nicht Holger Bauer! – dem Herrn Vranitzky Hemd und Hose ausgezogen hat (Abg. Dr. Mertel: Das hat man doch im "profil" gesehen!) – mir gefällt Titelbild und Bericht gar nicht so schlecht, ich weiß gar nicht, warum er geklagt hat, so schlecht finde ich sein Bild gar nicht, aber bitte sehr (Abg. Reitsamer : Seien Sie doch nicht so ungehalten!); nein, bin ich nicht; warum sollte ich denn ungehalten sein, Frau Kollegin? Also ich weiß nicht, was ich jetzt Falsches an die Adresse der Kollegin Reitsamer gesagt habe –, aber: sollte es so sein, daß der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 104

Herr Vizekanzler dem Herrn Bundeskanzler tatsächlich Hemd und Hose ausgezogen hat, wie die ÖVP es meint und wie es das "profil" laut Kollegin Reitsamer geschmacklos darstellt (Abg. Reitsamer: Jetzt paßt es!) – entschuldigen Sie, mir ist die prüde Welt der Sozialdemokratie nicht so ganz geläufig, nämlich daß es etwas ganz Furchtbares ist, wenn eine Photomontage... (Abg. Reitsamer: Das ist mir schon klar!) Ich sage es Ihnen nur, also daher nicht erröten (Heiterkeit bei den Freiheitlichen); es wurde nicht Ihr großer Herr Bundeskanzler nackt abgebildet, es war eine Photomontage, daher nicht erröten und nicht in die alte Prüderie der Sozialdemokratie zurückfallen (Beifall bei den Freiheitlichen), wo Sie doch die große Freiheit propagieren, gerade auch im sexuellen Bereich (Abg. Reitsamer: Im Unterschied zum "profil" sind wir nicht so geschmacklos!), Frau Kollegin Reitsamer; nicht Sie persönlich, fürchte ich, aber allgemein sind Sie doch für die große Freiheit (weiterer Zwischenruf der Abg. Reitsamer ) , und jetzt pudeln Sie sich auf und finden es geschmacklos, wenn ein Nachrichtenmagazin so eine Photomontage vom Herrn Bundeskanzler macht; aber bitte, das sind nicht meine Probleme. (Abg. Reitsamer: Über Geschmack läßt sich streiten!) Da gebe ich Ihnen recht, Frau Kollegin Reitsamer, unser beider Geschmack dürfte sich nicht decken. (Abg. Parnigoni: Ihr Beitrag ist geschmacklos! – Weiterer Zwischenruf der Abg. Reitsamer. ) Da bin ich auch froh, Frau Kollegin Reitsamer, es würde mich beunruhigen, wenn wir den gleichen Geschmack hätten. Sie haben mich jetzt wirklich über Gebühr mit der Photomontage des Herrn Bundeskanzlers, dem man angeblich Hemd und Hose ausgezogen hat, abgelenkt. – Also sollte es tatsächlich so sein, dann sollte, glaube ich, die linke Reichshälfte einmal in einer stillen Stunde darüber nachdenken, wie so etwas möglich ist.

Ich glaube, einer der Gründe dafür wird der sein, daß man bekanntlich wenig Verhandlungsspielraum hat, wenn man eine dritte mehrheitsfähige Partei seit Jahren systematisch ausgrenzt (Abg. Dr. Mertel : Sich selbst ausgrenzt!) – was die andere Partei nicht so ganz perfekt getan hat. Ich bin der Meinung, spätestens in der heraufkommenden Nach-Vranitzky-Ära sollten Sie einen Nachdenkprozeß darüber einleiten, ob das, was Sie seit zehn Jahren den Freiheitlichen gegenüber praktizieren, weil Ihnen nichts anderes einfällt, wirklich das demokratie- und auch parteipolitisch richtige Rezept ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Karlheinz Kopf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.37

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Bauer hat hier vorhin Erhard Busek zitiert. Dazu möchte ich sagen: Erhard Busek hatte wahrscheinlich schon recht, als er jene Selbsttäuschung angesprochen hat, der ein Teil der letzten Bundesregierung unterlegen ist, nämlich in der Einschätzung unserer eigenen Situation (Abg. Haigermoser : Jetzt ist alles paletti?) – natürlich, Kollege Haigermoser –: Ein wohlhabendes Land wie Österreich hat sich ja ein System staatlicher Versorgung, Förderung und Verwaltung aufgebaut, das in seiner Struktur- und Ausgabendynamik nicht mehr zu finanzieren war und die Generationen nach uns finanziell exponentiell zu belasten drohte.

Es hat schon der "Ent-täuschung", wie es Vizekanzler Schüssel in seiner ihm eigenen Diktion bezeichnet hat, bedurft, nämlich der "Ent-Täuschung" durch Neuwahlen und durch einen Kassasturz, durch die man erst imstande war, diese Selbsttäuschung zu beseitigen.

Nun zu meinem eigentlichen Thema: Eine ähnliche "Ent-Täuschung" war vor etlichen Jahren im Bereich der Umweltpolitik notwendig, und Gott sei Dank ist diese bereits vor 10, 15, 20 Jahren eingetreten, nämlich dahin gehend, daß wir uns vom Glauben daran, daß Ressourcen beliebig verbraucht werden können, verabschiedet haben. Zugedeckt durch wirtschaftliches Wachstum haben wir uns unserer Umwelt in einem Maße bedient, wie sie es sicher langfristig nicht vertragen hätte.

Ich verhehle auch nicht, daß einen großen Beitrag zu dieser "Ent-Täuschung", also der Beseitigung der Selbsttäuschung, die Grünen und auch die NGOs geleistet haben, daß sie zu


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 105

dieser Entwicklung beigetragen haben. Es waren aber doch vor allem ÖVP-Umweltminister, die in Zeiten starken wirtschaftlichen Wachstums und der Prosperität die Notwendigkeit der Ressourcenschonung nicht nur erkannt, sondern auch entsprechende Maßnahmen gesetzt haben.

Es hat eigentlich des OECD-Länderberichtes nicht mehr bedurft, aber er war eine Bestätigung dafür, in welch an sich guter Umweltsituation wir uns befinden: 70 Prozente unserer Haushalte sind bereits an biologische Kläranlagen angeschlossen; die SO2-Emissionen sind seit 1990 um 80 Prozent reduziert worden; die deponierte Hausmüllmenge konnte seit 1990 um 40 Prozent reduziert werden; die Deponieverordnung, die jetzt in Kraft gesetzt wurde, wird ein übriges zur Verbesserung dieser Situation beitragen; der Energieeinsatz und das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts konnten frühzeitig entkoppelt werden; und schlußendlich haben wir in Österreich einen unvergleichlich hohen Anteil an Primärenergie aus erneuerbaren Energiequellen, nämlich schon 27 Prozent. – Wie gesagt: Das alles kommt nicht von ungefähr. ÖVP-Umweltminister haben in den letzten Jahren die Basisarbeit dafür geleistet.

Wenn ich diesen Blick in die Vergangenheit getan habe, so eigentlich nur deshalb, um vor Augen führen zu können, daß diese belegbaren Erfolge uns natürlich jetzt nicht selbstzufrieden machen sollen, sondern daß – und das ist auch im Regierungsübereinkommen niedergeschrieben – wichtige Bereiche und wichtige Themen im Bereich der Umweltpolitik einer Lösung harren und bedürfen, und zwar Klimaschutz, Luftreinhaltung, Abfallwirtschaft, Altlastensanierung, um nur einige zu nennen. Wir haben die Erfolge, die wir bisher erzielt haben, im wesentlichen durch ordnungspolitische Maßnahmen erzielen können, stoßen aber jetzt mit diesen ordnungspolitischen Maßnahmen an Grenzen der behördlichen Vollzugsüberwachung, das müssen wir ganz eindeutig eingestehen. Ich glaube, angesichts eines inzwischen auch veränderten Bewußtseins in der Bevölkerung kann sich künftige Umweltpolitik auch verstärkt mit ökonomischen Anreizen und vor allem auch mit freiwilligen Vereinbarungen mit den einzelnen Interessengruppen behelfen, um effektiv und effizient sein zu können.

Es ist im Regierungsübereinkommen ein Ziel festgehalten, das "Vereinfachung und Konzentration von Verfahren" heißt, und es wird hier gemeinhin vor allem von Oppositionspolitikern die Befürchtung geäußert und auch geschürt, daß das zu einem Abbau von Standards und auch zu einer Reduktion von Bürgerrechten führen könnte. Das Gegenteil soll der Fall sein! Aber wie gesagt: Heute, in einer Zeit, in der wir eben an den Grenzen dieser behördlichen Vollzugsüberwachung angelangt sind, ist es, glaube ich, ein Gebot der Stunde, diese Instrumente in ihren Auswirkungen vernünftig zu redimensionieren, weil sonst durch diese Instrumente, durch die Überbürokratisierung, genau das Gegenteil erreicht würde, nämlich eine Flucht aus der Anwendung dieser Instrumente.

Noch ein Satz zur Ökologisierung des Steuersystems: Ich glaube, daß unsere jetzt im Regierungsübereinkommen in den Gesetzentwürfen festgehaltene Energiesteuer durchaus ein erster Schritt in Richtung Ökologisierung des Steuersystems ist (Abg. Haigermoser: Das glaubst du doch wohl selber nicht!), und zwar schlicht und einfach deshalb, weil die Verlagerung von Steuerbelastung auf die Energie mittelfristig sicher einen Lenkungseffekt, vor allem aber natürlich auch ganz bestimmt Beispielwirkung in anderen Ländern haben wird. Und seien wir doch ehrlich ... (Abg. Haigermoser: Vorarlberg!)

Herr Kollege Haigermoser! Lassen wir die Kirche im Dorf! In einer budgetär so prekären Situation – mir wäre es auch lieber gewesen, wir hätten die Lohnnebenkosten im Zuge dieser Energiesteuereinführung oder -erhöhung senken können – ist es aber durchaus als Erfolg zu werten, daß es gelungen ist, eine weitere Steigerung der Lohnnebenkosten zu vermeiden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe des Abg. Mentil und anderer Abgeordneter der Freiheitlichen.) Noch einmal: Lassen Sie bitte die Kirche im Dorf bei der Betrachtung der Lohnnebenkosten!

Schauen Sie sich doch, bitte, einmal die Gesamtsituation der Arbeitskosten an: Wir befinden uns mit der Gesamtarbeitskostenbelastung durchaus in guter Gesellschaft mit anderen westeuropäischen Industriestaaten, und zwar nicht unbedingt mit Konkurrenten in der Frage der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 106

Standortproblematik, vor allem nicht, wenn es um die Diskussion der Auslagerung geht. (Abg. Edler: Das ist die Wahrheit! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Haigermoser! Wenn Sie hier immer wieder Birnen mit Äpfeln vermischen und von Auslagerungen mancher Textilbetriebe im Lande reden (Abg. Mentil: Ist Großbritannien eine Birne oder ein EU-Mitglied? – weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), wenn Sie also von Auslagerungen von Textil- und Bekleidungsbetrieben in Länder sprechen, die ein Zehntel der Arbeitskostenbelastung von Österreich haben, wenn Sie diese Dinge miteinander vergleichen, dann, glaube ich, wissen Sie nicht, wovon Sie reden! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Thema Energiepolitik noch ganz kurz: Ich habe schon darauf hingewiesen, daß es in den letzten 10, 15, 20 Jahren gelungen ist, eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch zu erreichen, und daß wir auch einen sehr hohen Anteil an erneuerbaren Energieträgern in unserer Energiebilanz aufweisen können, was natürlich die Zielsetzung Toronto-Ziel – also CO2-Reduktion – maßgeblich unterstützt. Abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung wird aber unser Energiebedarf nach allen Prognosen – nicht nach allen, aber nach den meisten Prognosen – doch weiterhin leicht steigen.

Wir müssen aber in den nächsten Jahren im wesentlichen drei Ziele bei der Energiepolitik verfolgen. Das erste heißt für uns eindeutig: weitestgehende Nutzung heimischer und dabei vor allem erneuerbarer Energieträger, was auch besonders durch Förderungsinstrumentarien wie die ÖKK unterstützt und begleitet wird. Ein wichtiges Prinzip ist dabei, auch weiterhin die Versorgungssicherheit im Inland in einem hohen Maße sicherstellen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein zweites Ziel muß sicher in einer Effizienzoptimierung der Energienutzung liegen – und das gilt für alle Bereiche der Energienutzung, also beginnend bei der Erzeugung über den Transport bis hin zum Verbrauch. Hierin liegen noch gewaltige Potentiale, die uns der Erreichung des Toronto-Zieles um einiges näherbringen können.

Das dritte Ziel ist schließlich – um auch da die Effizienz in der Energienutzung steigern zu können – vor allem eine Anpassung der organisatorischen Strukturen, was nicht zwingend eine Änderung der Eigentumsstrukturen bedeuten muß. Die föderalistisch geprägte Struktur der Energiewirtschaft, wie wir sie zum Beispiel in Vorarlberg haben, wollen und müssen wir deshalb nicht aufgeben. Im besonderen ist ein Ausverkauf zu verhindern. Selbstverständlich müssen wir aber versuchen, die Einzelaktivitäten zu bündeln, schon allein als Reaktion auf die geänderte Wettbewerbssituation, die durch die EU-Richtlinie zur Schaffung eines Elektrizitäts-Binnenmarktes entsteht.

Einen ganz anderen Bereich möchte ich noch ganz kurz ansprechen – sozusagen von einem energiegeladenen Bereich zu einem anderen energiegeladenen Bereich –, und zwar den Sport. Sie alle wissen, wir hatten über 15 Monate in der Bundesregierung ein Staatssekretariat für Sport. Unserem Staatssekretär Mag. Schäffer ist es in dieser kurzen Zeit gelungen, wirklich einige sehr wertvolle Initiativen für den Sport zu setzen. Ich darf zum Beispiel nur kurz erwähnen die Initiative "Jugendsport-Multiplikatoren" oder den Ansatz, auch Frauen, die im Spitzensport tätig sind, eine soziale Absicherung zu geben. – Durch die Vereinbarung, daß auch Frauen künftig zum Bundesheer kommen können, wird jetzt sicher auch Frauen der Zugang zur Heeressport- und Nahkampfschule ermöglicht werden können – ein ganz besonders wichtiger Punkt für den Sport!

Einen kleinen Wermutstropfen in Zeiten von Sparpaketen gibt es natürlich auch für den Sport, und zwar dadurch, daß die besonderen Sportförderungsmittel in den nächsten zwei Jahren nicht valorisiert werden können. Aber ich glaube, es ist nur recht und billig, daß der Sport – wenn er sich auch mit seinen bescheidenen Mitteln schwer tut – seinen Beitrag zum Sparpaket leistet.

Nochmals zurück zum Budget und zur Umweltpolitik. Ich möchte hier einen Vergleich ziehen: Die Erfahrungen in der Umweltpolitik, die Erfolge der letzten zehn Jahre, die wir durch ein konsequentes Beschreiten eines Weges nachhaltiger Sanierung erzielen konnten, machen mich persönlich sehr zuversichtlich, daß dieser Regierung auch im Bereich der Budgetsanierung, mit


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 107

ähnlichen Strukturmaßnahmen, wie sie jetzt eben im Regierungsübereinkommen festgehalten sind, daß dieser Regierung also, die sich auf die Fahnen geheftet hat, die Zukunft Österreichs, die Zukunft für unsere Kinder und unsere Nachkommen zu sichern, die Sanierung auf ähnlichem Wege, wie es in der Umweltpolitik in den letzten zehn Jahren gelungen ist, jetzt auch bei der Budgetpolitik gelingen wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Maria Schaffenrath. – Bitte sehr.

16.51

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der Regierung! Hohes Haus! Herr Kollege Kopf! Lassen Sie mich gleich an Ihre Ausführungen anschließen: Damit sich die ÖVP, wenn es um die sozialrechtliche Absicherung von Frauen geht, überhaupt Gedanken macht, muß es sich zumindest um Spitzensportlerinnen handeln, sonst haben Sie nämlich in dieser Richtung bisher noch nicht nachgedacht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich möchte auch noch gerne auf ein paar Äußerungen von Kolleginnen der SPÖ eingehen: Wenn die Frau Abgeordnete Ederer sich stolz darauf bezieht, daß die SPÖ gewonnen hat, so stimmt das. Aber die SPÖ hat leider auch verloren – sie hat nämlich ihre Grundsätze verloren, die Grundsätze der sozialdemokratischen Politik im Bereich der Frauenpolitik und leider auch im Bereich der Bildungspolitik. Sie hat das an die ÖVP abgetreten.

Wenn die Frau Abgeordnete Ederer als Schwerpunkt der Frauenpolitik einmal mehr die Kinderbetreuung nennt und diese 600 Millionen Schilling einmal mehr als soziale Gabe an die Frauen darstellen will, so muß ich auch das vehement zurückweisen. Da hat die Gesellschaft einen Anspruch, da haben vor allem die Kinder einen Anspruch!

Ich war auch damals schon enttäuscht, als sie die Mitversicherung für kinderlose Ehefrauen in Diskussion gebracht hat. Damit hat sie auch einen ganz wichtigen gesellschaftspolitischen Ansatz für die sozialrechtliche Absicherung von Frauen verpaßt, damit hat sie Frauen gegen Frauen ausgespielt und einen so wichtigen Ansatz nur als Sparmaßnahme diskutiert. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber Frau Abgeordnete Ederer ist dabei in bester Gesellschaft mit Herrn Bundesminister Hums, der ebenso als einzigen Frauenschwerpunkt nur die Kinderbetreuung genannt hat. Ich bedauere, daß Frau Kollegin Mertel jetzt nicht hier ist. Sie hat wirklich jene Schwerpunkte in der Frauenpolitik angesprochen, die ich auch gerne unterschreiben würde. Ich gratuliere ihr zu ihrem persönlichen Engagement! Bedauerlich ist nur, daß sich keiner beziehungsweise so gut wie keiner dieser Schwerpunkte im Koalitionsübereinkommen wiederfindet. Es hat ihr eben leider offensichtlich genauso wie der Frauenministerin an der notwendigen Durchsetzungskraft gefehlt.

Ich teile insbesondere die Meinung von Frau Kollegin Mertel, wenn sie sagt, daß das Berufsfeld für Frauen verbreitert werden muß. Wir haben ein stark segmentiertes Berufsfeld, aber wir müssen mit der Verbreiterung früher ansetzen. Wir müssen bereits bei der anscheinend nicht funktionierenden Koedukation ansetzen, diese Koedukation evaluieren und ihre Schwachpunkte endlich ausmerzen, um ein Umdenken in den Köpfen von Jungen und Mädchen, von Männern und Frauen letztendlich zu ermöglichen.

Jetzt aber ganz konkret zum Koalitionsübereinkommen: Es wurde hier von einem "offensiven Reformprogramm" gesprochen. – Das ist kein offensives Reformprogramm! Es ist das ein Kniefall, es ist eine Verbeugung vor der nicht existenten Frauenpolitik der ÖVP. Es kommt einer Selbstaufgabe gleich, es ist ein deutlicher Rückschritt für alle Frauen. Und dabei war es die SPÖ, meine Damen und Herren, die plakatiert hat: "Wir werden nicht zulassen, daß ...", es aber leider getan hat.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 108

Ich brauche nur die beiden Koalitionsübereinkommen zu vergleichen, und zwar das Übereinkommen des Jahres 1994 mit dem aktuellen. Allein an der Seitenanzahl wird es an und für sich schon deutlich: Vier Seiten waren Frauen und Familie 1994 noch wert, dieses Jahr ist es knapp eine Seite. Ich weiß schon, daß Qualität und Quantität ganz unterschiedliche Bedeutung haben, aber auch die Qualität dieser einen knappen Seite läßt sehr zu wünschen übrig! Mit Servicestellen und Beratungseinrichtungen allein kann man in Österreich keine vernünftige Frauenpolitik betreiben, meine Damen und Herren! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie mich anhand dieses Koalitionsübereinkommens einmal durchgehen, was die SPÖ alles an Grundsätzen aufgegeben hat: Die Neugestaltung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes findet sich nicht mehr. Das Thema "Gleichstellung der Frauen im Rahmen der Grundrechtsreform" ist nicht mehr existent.

Es findet sich auch die partnerschaftliche Teilung der Familienarbeit nicht mehr. – Das war zwar nie unsere Position – ganz im Gegenteil –, aber es war das immerhin geradezu ein Lieblingsthema der SPÖ-Frauen, vor allem der ehemaligen Frauenministerin Dohnal.

Es finden sich leider auch keinerlei Maßnahmen in Richtung Gleichstellungspolitik als fester Bestandteil von Wirtschafts- und Strukturpolitik. Es gibt keine Maßnahmen im Rahmen eines arbeitsmarktpolitischen Frauenprogramms, um den beruflichen Einstieg, vor allem den Wiedereinstieg den Frauen zu erleichtern. (Abg. Verzetnitsch – schriftliche Unterlagen in die Höhe haltend –: Seite 42 und 43 des Koalitionsübereinkommens!) Herr Abgeordneter Verzetnitsch! Ich sage Ihnen jetzt gleich etwas: Sie beschränken sich hier primär unter dem Kapitel "Frauen und Familie" auf Teilzeitarbeit. (Abg. Verzetnitsch : Nein!) Ganz im Gegenteil: Sie machen es noch schlimmer! Nicht nur, daß Sie den Wiedereinstieg nicht fördern, Sie sparen auch noch ganz klammheimlich bei den Wiedereinstiegshilfen, indem Sie nämlich – dazu liegt bereits ein aktueller Vorschlag vor – diese Wiedereinstiegshilfe nur dann gewähren, wenn ein Elternteil volle zwei Jahre Karenzzeit konsumiert.

Dabei wissen Sie, daß Sie eine De-facto-Kürzung der Karenzzeit vorgenommen haben. Sie wissen, daß der Anteil der Männer bei der Inanspruchnahme der Karenz nur bei knapp 0,8 Prozent liegt. Und Sie wissen ganz genau, daß nur durch Tod oder Pflegebedürftigkeit der Vater sozusagen von seinem Anteil an der Karenzzeit befreit werden kann. Das Kind wird nämlich bei Gefängnisaufenthalt des Vaters sogar noch in Sippenhaftung genommen, weil Haftstrafen in diesem Fall nicht angerechnet werden. – Welche Frauen kommen denn dann noch in den Genuß der Wiedereinstiegshilfen? – Vielleicht werden Sie mir das später doch noch erklären.

Es ist Ihnen auch nicht gelungen, bei dieser De-facto-Kürzung der Karenzzeit zumindest einzelne Rahmenbedingungen zu schaffen, die letztendlich gewährleisten würden, daß es zumindest im Ansatz zu einer partnerschaftlichen Teilung dieser Karenzzeit kommt.

In Ihrem letzten Koalitionsübereinkommen hatten Sie noch einen Punkt, der hieß: "Verlängerung der Frist für die Meldepflicht bei der Inanspruchnahme der Karenzzeit". – Das haben Sie herausgenommen, das ist nicht geschehen. Das ist eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau zu Lasten der Frau – wie nicht anders zu erwarten.

Sie haben auch diesen wichtigen Punkt: "Im Eherecht ist ein Versorgungsausgleich für den Erwerb von Pensionsansprüchen im Falle der Scheidung zu gestalten", entfernt. – Das war eine Absichtserklärung, die sich vermutlich mit der Absicht des ÖVP-Klubobmannes Khol als Schützer der Ehe nicht gedeckt hat.

Sie sprechen nicht mehr von sozialrechtlichen Absicherungen der Frau, außer – ich habe eingangs schon darauf hingewiesen – man zählt zu den Hochleistungssportlerinnen, dann hätte man vielleicht noch relativ gute Chancen.

Sie sprechen auch nicht mehr von der Problematik der geringfügig Beschäftigten, die zum großen Teil Frauen sind. Sie sprechen nicht mehr davon, daß dort der Grundstein dafür gelegt


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 109

wird, daß die Altersarmut bei Frauen besonders eklatant ist. – Sie haben also all diese Grundsätze und noch viele andere mehr aufgegeben!

Tatsache bleibt, daß die De-facto-Kürzung der Karenzzeit ohne Begleitmaßnahmen die Frauen trifft. Tatsache ist, daß auch der Nachkauf von Pensionszeiten überproportional Frauen trifft. Tatsache ist, daß keine Maßnahmen und Hinweise darauf zu finden sind, wie Sie den Anteil der Frauen an der Erwerbsarbeit zu steigern gedenken. Ganz im Gegenteil: Sie haben gestern hier ein Bonus-Malus-System beschlossen, durch das der Erwerbsanteil der Frauen sogar noch reduziert werden wird.

Sie sind immer noch säumig, wenn es um die Aufhebung des Nachtarbeitverbotes geht. Ich kann nur hoffen, daß Sie dieses bruchstückhafte Fragment, das jetzt in Begutachtung ist, nicht realisieren, weil das wird das Problem der Frauen leider auch nicht lösen.

Das Problem ist aktueller denn je. Vielleicht haben Sie es in der "Presse" gelesen, daß viele Frauen ihren Job verlieren, in Vorarlberg haben ihn schon einige verloren, daß heißt, Gefahr ist tatsächlich im Verzug. Der Erwerbsanteil der Frauen in Österreich liegt nur im OECD-Durchschnitt. Wir liegen in etwa auf gleicher Höhe mit Portugal. Wenn hier nicht raschest Maßnahmen gesetzt werden, wird Österreich wahrscheinlich relativ rasch zum Schlußlicht werden.

Es ist, wenn ich mir dieses Programm ansehe, wenn ich mir diese Absichtserklärung ansehe, anscheinend nicht politischer Wille dieser Koalitionsregierung, den Frauen ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu ermöglichen.

Ich möchte noch gerne zu einem zweiten Punkt kommen, und ich bedauere, daß Frau Bundesministerin Gehrer jetzt nicht mehr hier ist. Ich hätte ihr sehr gerne sehr viel Positives bezüglich Schule gesagt, das man in dieses Koalitionsübereinkommen mithineinnehmen hätte können. Es hat mir persönlich leid getan – Bildung ist mir ein großes Anliegen, und Bildung ist allen Liberalen ein großes Anliegen –, daß es nicht mehr als vage Absichtserklärungen gegeben hat und daß sie sogenannte "No-na"-Erklärungen als großartige pädagogische Erkenntnisse verkauft hat. Die einzige Verbesserung gegenüber dem Jahr 1994 war letztendlich, daß die Formulierung von diesen "Leerhülsen" tatsächlich stark verbessert werden konnte. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Die Frau Unterrichtsministerin hat schon recht: Die Stundenkürzungen im Sekundarbereich 1 hätten durchaus die Chance gehabt, eine Strukturmaßnahme zu werden. Die Chance wäre dagewesen. Wir haben dieses Thema schon einmal diskutiert, und zwar im Rahmen der 45-Minuten-Stunde. Aber auch damals ist die Chance auf diese Strukturreform letztendlich an den christlichen Gewerkschaftern, an den Lehrergewerkschaftern gescheitert. Das Problem dieser Strukturreform ist die Reihenfolge. In diesem Fall stand zuerst die Sparmaßnahme und dann das Kürzen der Stunden, und das hat zur Folge, daß die notwendigen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind.

Was passiert denn mit all den jungen, ausgebildeten Lehrern, die während der nächsten 10 bis 15 Jahre aufgrund der Altersstruktur der Lehrer keinen Job mehr finden werden? Was hat das für Auswirkungen, wenn wir einen überalterten Lehrkörper haben? Wie schaut es denn mit den notwendigen Rahmenbedingungen, mit den Lehrplänen aus? – Vor zwei, drei Jahren wird da nichts zu erwarten sein, und das kann sich letztendlich sehr schnell zum Nachteil unserer Schüler auswirken.

Ich sage, diese Sparmaßnahme wurde gewählt, weil dabei der geringste Widerstand der Lehrergewerkschafter zu erwarten war. In der "Presse" konnte man es ja deutlich nachlesen: Die Lehrervertreter haben sich noch damit gebrüstet, daß sie doch bereit wären, auf einen Anteil von Überstunden zu verzichten – als ob sie darauf einen rechtlichen Anspruch hätten! (Beifall beim Liberalen Forum.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 110

Ich hätte gerne mehr Positives gefunden, als ich das Wort "Schulautonomie" gelesen habe. Ich hatte dabei vage Hoffnungen. Aber Schulautonomie muß man natürlich auch ernst meinen. Ich finde im neuen Koalitionsübereinkommen nichts mehr über mehr Mitbestimmung der Schulpartner bei Personalentscheidungen. Ganz im Gegenteil: Es liegt offenbar in Ihrem Interesse, den Parteienproporz an den Kollegien des Landesschulrates aufrechtzuerhalten, um wesentliche Leiterstellen im Schulbereich von oben besetzen zu können.

Es hat ja nicht einmal für 10 Prozent Autonomie bei den Schulbuchbudgets gereicht – nicht einmal für 10 Prozent Autonomie! Auch das wurde noch abgeschafft, unabhängig davon, daß sich beide Parteien bereits darüber einig waren, daß diese Mittel für Schulbücher, für Unterrichtsmaterialien der autonomen Verwaltung der Schule übergeben hätten werden sollen.

Ich lese "Fremdsprachenoffensive" und sehe auf der anderen Seite die vorgesehenen Stundenkürzungen. Ich lese "lebensbegleitendes Lernen" und weiß, daß bereits letztes Jahr die Mittel für die Erwachsenenbildung um 10 Prozent gekürzt wurden. Ich warte wirklich schon sehr gespannt darauf, wie das heuer sein wird.

Es gibt auch kein wirkliches Reformkonzept für die Lehrlingsausbildung. Es gibt massive Einbrüche bei den Lehrlingsstellen. Wir werden diesbezüglich noch ein ausführliches Konzept noch vorlegen. Die Knappheit der Mittel hätte eine Chance für wirkliche Reformen sein können, sie wurde aber leider nicht genützt.

Ich sehe, meine Zeit reicht leider nicht aus, viele Punkte wären hier noch zu besprechen gewesen, aber meine Klubobfrau, meine Vorredner sind bereits darauf eingegangen. Ich kann mich dem anschließen und mich damit identifizieren. Jene Vorschläge jedoch, die Sie gebracht haben, sind wirtschaftsnaiv, proporzbestimmt, jugendfeindlich und strukturkonservativ. Und glauben Sie mir: Im Sinne Österreichs hätte ich sehr gerne andere Worte verwendet. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.06

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hostasch. Ich erteile es ihr.

17.06

Abgeordnete Eleonora Hostasch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kollegin Schaffenrath! Ich kann mir Ihre Ausführungen nur dahin gehend erklären, daß Sie nicht die Letztfassung des Koalitionsabkommens in Händen haben und daher nicht nachlesen konnten, was zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen in diesem Abkommen beinhaltet ist. Ich möchte jetzt nicht auf die einzelnen Details eingehen, weil die Minister Gehrer und Scholten schon ausführlich zu den Fragen der Schule, Bildung und Universitäten Stellung genommen haben. Aber zu den Fragen der Frauen, die Sie angesprochen haben, verweise ich nur auf die Seiten 8, 42, 43 und 44. Ich bitte Sie, dieses Abkommen wirklich nur danach zu beurteilen, was tatsächlich in diesem Abkommen steht. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern wurde von Herrn Abgeordneten Dr. Haider die Bemerkung gemacht, er bedauere das Zustandekommen der Bundesregierung (Abg. Scheibner: Dieser! ) und auch das Koalitionsabkommen dieser. Wir haben nur diese, Herr Kollege! Wir haben keine andere. Ich bin davon überzeugt, daß Sie mit dieser Meinung zu einer verschwindenden Minderheit zählen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin froh, daß wir diese Bundesregierung haben. Ich bin froh, daß es zu diesem Koalitionsabkommen gekommen ist, und ich bin davon überzeugt, daß ich mit dieser Meinung die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung hinter mir habe. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was Österreich braucht, ist eine handlungsfähige Regierung, ein Arbeitsprogramm, das transparent ist, das nachvollziehbar ist. Österreich braucht stabile politische Verhältnisse. Daher glaube ich, daß es ganz wichtig war, daß es in Zusammenarbeit und in gemeinsamer Anstrengung der Sozialpartner, der Interessenvertretungen, aber auch der Gebietskörperschaften gelungen ist, einerseits ein Konsolidierungsprogramm aufzuarbeiten, andererseits aber auch


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 111

klare Vorgaben für zukünftige Reformen und klare Schwerpunkte zu formulieren, wohin der Weg geht. Schwerpunkt muß dabei die Beschäftigung sein, auf die ich dann noch später zurückkommen möchte.

Es wurde auch gestern sehr kritisch gesagt, wie aus der Warte der Freiheitlichen nicht anders zu erwarten war: "Der Kammerstaat hat obsiegt." – Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, Österreich ist sehr gut beraten, Österreich kann stolz sein und wird darum beneidet, daß es dieses gesellschaftliche System hat. Viele Länder schauen mit Interesse auf die Art des Interessenausgleiches, wie sie in Österreich funktioniert, und wir sind sehr stolz darauf, daß die Sozialpartner in diesem Land eine starke Kraft sind, die viel für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gleichermaßen aber auch für die Wirtschaft und damit für die gesamte Volkswirtschaft bewirken kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verstehe aber, daß diese starke Kraft Sie in Ihrem politischen Konzept stört. (Abg. Mag. Stadler: Es ist nur gut, daß Benya schon weg ist! Er hätte sich das nicht anhören können!) Herr Kollege Stadler! Ich denke, daß Kollege Benya mit noch überzeugenderen Worten als ich diese Ausführungen unterstrichen hätte. (Abg. Mag. Stadler: Kollege Benya hat sich Kollegen Haider angehört, und dann ist er gegangen! Das hat ihm genügt!) Herr Kollege Stadler! Das, was die Sozialpartner auszeichnet, ist: einen Interessenausgleich zustande zu bringen (Abg. Mag. Stadler: ... den Rest kann man vergessen!), sowohl nach innen als auch nach außen, in der Zusammenarbeit das Ziel zu sehen und Konsens und Ausgleich zu finden. Das sind Vokabel, die Sie in Ihrem politischen Programm nicht vorfinden. Sie zielen nicht auf Ausgleich und Konsens, sondern Sie zielen auf Widerspruch, auf Polarisierung. Das ist nicht unser Stil! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler. )

Herr Kollege Stadler! Der Zusammenhalt einer Gesellschaft ist dann gegeben, wenn dieser durch Toleranz, gegenseitigen Respekt, soziales Verständnis und dementsprechend auch durch die besten Voraussetzungen für Fortschritt und Bewältigung der großen Herausforderung der Zukunft geprägt ist. (Abg. Mag. Stadler: Sie haben jede einzelne Phrase herunterlesen müssen!)

Herr Kollege Stadler! Für mich sind es keine Phrasen. Wenn es für Sie Phrasen sind, dann läßt das tief blicken, Herr Kollege! Sie können mit diesen Inhalten nichts anfangen, weil das keine Inhalte Ihrer Politik sind, sondern wir konkrete ... (Abg. Mag. Stadler: Ich lebe sie!) Dann tun Sie mir leid, Herr Kollege Stadler! Mit diesen Aspekten möchte ich nicht leben. (Beifall bei der SPÖ.)

Folgendes, sehr geschätzte Damen und Herren, muß man auch sagen: Wir stehen vor großen Herausforderungen. Die Wirtschaft ist von der Globalisierung der Märkte geprägt. Wir stehen vor großen Strukturveränderungen. Die Gesellschaft ist geprägt von Wertewandel, von Individualismus. Wir haben Wirtschaftsphilosophien, die eine extensive Ausnützung der Arbeitskraft, eine extensive Einsetzung des Kapitals zum Inhalt haben. Wir haben eine Überbetonung der Finanzmärkte. Wir haben Unternehmensstrategien, wonach immer weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer mehr Produktivität erwirtschaften sollen. Es gelten jene als besonders erfolgreich, die mit immer weniger Mitarbeitern mehr erwirtschaften. Ich denke, gerade in einer solchen Zeit ist es wichtig, daß stabilisierende Kräfte im nationalen Bereich wirken, daß mittels klarer politischer Rahmenbedingungen im Inland auf Entwicklungen im Ausland reagiert wird. Und es ist bezeichnend, daß vor wenigen Tagen im "Kurier" folgendes gemeldet wurde: Aufgrund einer positiven Entwicklung des amerikanischen Arbeitsmarktes ist ein Chaos auf den Finanzmärkten entstanden. – Ich denke, das muß uns sehr nachdenklich stimmen, und es ist auch eine Aufforderung an uns, in den Wirtschaftsphilosophien ein Umdenken zu bewirken und auch als kleines Land überall dort, wo wir Einfluß haben, sei es bei der OECD, sei es in der Europäischen Union, Bewußtsein dafür zu wecken und darauf aufmerksam zu machen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es ist auch richtig, was in der heutigen "Presse" gesagt wird, und zwar daß das strukturierende Element und System der Interessenvertretungen Politik berechenbar und vorhersehbar macht. – Genau das ist es, was wir in diesem Land auch brauchen. Daher bin ich sehr froh darüber, daß diese Bundesregierung zusammengefunden hat und daß bereits ein Arbeitsprogramm auf dem Tisch liegt.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 112

Sehr geschätzte Damen und Herren! Dieses Programm muß prioritär beherrscht sein von beschäftigungspolitischen Offensiven. Und das sind keine Schlagworte, Herr Mag. Stadler, um das gleich vorwegzunehmen, sondern lesen Sie jene Unterlagen nach, die am 19. Februar als Arbeitspapier der Sozialpartner, als Maßnahmenkatalog der Sozialpartner auf den Tisch der Bundesregierung gelegt wurden. (Abg. Mag. Stadler: Ein altes Mißverständnis, Frau Präsidentin, ein altes Mißverständnis! Sie glauben immer, wenn ein Beschluß beim Parteitag erfolgt, daß es dann in Wirklichkeit schon geschehen ist!) Dieses Programm beinhaltet ganz konkrete Vorstellungen, wo Beschäftigungsinitiativen gesetzt werden sollen, welche Infrastrukturinvestitionen kurzfristig, mittel- und langfristig in Angriff genommen werden können (Abg. Mag. Stadler: Alter sozialistischer Trugschluß!), welche Exportoffensiven vorgenommen werden können. Außerdem werden Maßnahmen zur Entbürokratisierung vorgeschlagen, und es wird betont, daß wir eine Qualifikationsoffensive und auch mehr Flexibilität in der Arbeitswelt in Richtung Arbeitszeitpolitik benötigen.

Aber ich möchte gerade zu diesem Thema sagen, daß Flexibilität aus der Arbeitnehmersicht nur bedeuten kann, daß sie auch von Vorteil für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein muß (Beifall bei der SPÖ), daß auch bei dem, was wir unter Zeitsouveränität, unter mehr Zeitautonomie, unter mehr Gestaltungsmöglichkeiten, unter besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie verstehen, die Arbeitszeit herangezogen werden muß und daß wir aus manchen starren Konzepten, in denen auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefangen sind, herauskommen müssen.

Sehr geschätzte Damen und Herren von den Freiheitlichen! Wenn sich hier Herr Dr. Haider öfter als Vertreter der Kleinen und Schwachen aufspielt, dann frage ich mich (Abg. Mag. Stadler: Er ist es!), wie er die Situation der Handelsangestellten sieht. Er fordert nämlich Formen der Liberalisierung, die nur zu Lasten dieser Arbeitnehmergruppe gehen. Ich denke auch, daß man dabei überlegen sollte, was das für die Nahversorgung bedeutet, denn gerade die Nahversorgung ist für die schwächeren Mitglieder unserer Gesellschaft eine ganz besonders wichtige Voraussetzung. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich habe schon einmal auf die Wichtigkeit einer Beschäftigungsoffensive verwiesen und möchte noch auf eine zweite, ganz konkrete Initiative verweisen. Wir hatten vor wenigen Tagen – es war am 28. Februar – eine große Konferenz der Bundesarbeitskammer gemeinsam mit den Gewerkschaften der Privatangestellten, Metall, Bergbau, Energie und auch Bau-Holz, im Rahmen derer wir ein sehr konkretes Konzept für die Bundesregierung, für die Gebietskörperschaften, aber auch für die Privatwirtschaft erarbeitet haben, welche Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur, im Bereich des Verkehrs, im Bereich des Hoch- und Wohnbaus und auch im Umweltschutz in Angriff genommen werden können. Gerade der Bau hat innerhalb der Volkswirtschaft eine Schlüsselstellung, sorgt für die stärkste Inlandsnachfrage und auch für die entsprechende Wirksamkeit, und durch die Investitionen im Bau werden auch die höchsten Multiplikatoreffekte erzielt. Daher ist es ganz entscheidend, daß hier kurzfristig Maßnahmen gesetzt und jene konkreten Punkte, die wir angesprochen haben, auch umgesetzt werden.

Lassen Sie mich zum Schluß, sehr geschätzte Damen und Herren, noch etwas als Gesamtbewertung sagen: Das Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung ist hart, es ist notwendig, es verdient aber die Bewertung der Ausgewogenheit. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Wir sind in den nächsten Tagen und Wochen aufgefordert, in den Ausschußberatungen die entsprechenden Gesetze einer Beschlußfassung im Hohen Haus zuzuführen. Ich bitte Sie, bei dieser Beratung eines zu berücksichtigen: Diese Gesetzentwürfe sind als ein Paket zu sehen. Wenn Veränderungen in einem Bereich zustande gebracht werden sollten, dann haben diese auch in anderen Bereichen Auswirkungen. Das heißt, wenn eine Interessengruppierung Veränderungen in den Betroffenheiten erzielt, dann hat dies Auswirkungen auf andere Interessengruppierungen. Es darf aus meiner Sicht zu keiner Verschiebung zu Lasten unselbständig Erwerbstätiger, zu Lasten Schwächerer in unserer Gesellschaft kommen. Die gesteckten Ziele müssen in einem Maße erreicht werden, daß wir das Prädikat "Ausgewogenheit" nach wie vor anwenden können.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 113

Sehr geschätzte Damen und Herren! Wir haben schon sehr oft von einem österreichischen Weg gesprochen, von einem erfolgreichen österreichischen Weg. Es ist ein schweres Programm, das wir vor uns haben. Es liegt viel Arbeit vor uns, aber ich bin davon überzeugt, dieser österreichische Weg wird auch in den nächsten vier Jahren erfolgreich fortgesetzt werden – für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in unserem Land, für unsere Bevölkerung! (Beifall bei der SPÖ.)

17.19

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

17.19

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerinnen und Herren Minister! Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte in meinem Beitrag auf die Situation der Frauen nach diesem Regierungsübereinkommen eingehen und auf das, was uns als nächstes bevorsteht, wenn Sie Ihr gemeinsames Budget vorstellen werden. Ich halte es auch zu vorgeschrittener Stunde, nach längerer Debatte und vor schon etwas lichteren Reihen für wichtig, dieses Thema trotzdem anzudiskutieren und anzuschneiden. Wenn ich mir den Inhalt des Übereinkommens, die Debatte in den letzten Tagen und Wochen und die Meldungen, die über die Medien gegangen sind, ansehe, dann kommt es mir so vor, als ob es zu einem Paradigmenwechsel bezüglich der Situation der Frauen oder Frauenpolitik überhaupt gekommen ist. Wir kommen offensichtlich zu Situationen – das kann man an Aussprüchen, die getätigt werden, ablesen –, die an die fünfziger Jahre erinnern, als wir noch weit weg waren von jeder Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen sowohl im Beruf als auch im öffentlichen Leben.

Zuletzt hat mich ein Interview wieder daran erinnert. Wenn es möglich ist, daß ein Klubobmann einer Parlamentspartei, in der immerhin nicht so wenige Frauen vertreten sind, die sehr aktiv sind, wenn es um die Anliegen der Frauen geht, und die sich sehr dafür einsetzen, ein Interview in einem Nachrichtenmagazin geben kann und dort – fast will ich es so sagen – Stilblüten von sich gibt, aber keineswegs auch nur irgendwelche Formen von Politik, von frauenpolitischen Ansichten, dann hat mich das erschüttert, umso mehr noch, als es überhaupt keine Antwort, keine Reaktion von den Frauen dieser Partei über das gegeben hat, was ihr Klubobmann da gesagt hat. Es hat mich erschüttert, daß es heute möglich ist, daß der Klubgehorsam so stark und so groß ist, daß nicht mehr die Interessen derer vertreten werden, die sie vorgeben, sonst zu vertreten, oder die sie sonst einnehmen.

Zurück zum Regierungsübereinkommen: Sie haben hier – und das völlig zu Recht – im Prinzip auf einer Seite zusammengeschrieben, was sie in bezug auf die Frauenpolitik tun werden und das noch gereiht unter Frauen, Familie und Jugend. Alle anderen Seiten beinhalten nahezu keine wesentlichen Vorhaben der Regierung in bezug auf die Frauenpolitik.

Sie schreiben: Die Regionalisierung – zum Beispiel nur der Anwaltschaft für die Gleichbehandlungsfragen – dient die der Konkretisierung und der Überprüfung der Praxis. – Wie wahr, wie wahr! Ich kann nur sagen, Papier ist geduldig, denn einen solchen Vorsatz haben Sie schon vor langem gefaßt. Wir fordern immer wieder und bei jeder nur möglichen Gelegenheit, das auch wirklich umzusetzen. Diese Regionalisierung der Gleichbehandlungsanwältinnen in den Bundesländern ist dringender denn je, aber im Festgeschriebenen allein und in papierener Form wird sich nichts ändern.

Sie schreiben: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie soll mit Kindern aller Altersgruppen durch bedarfsgerechte Einrichtungen gegeben sein. – Es ist heute bereits öfters darüber gesprochen worden, und es ist hier noch einmal zu sagen, daß diese Einrichtungen nicht vorhanden sind, daß sie vor allem dort nicht vorhanden sind, wo es um ganztägige und auch dem Bedarf entsprechende Öffnungszeiten geht. Die 600 Millionen Schilling, die Sie jetzt bereitstellen, sind eine Farce, wenn man weiß, daß Sie seit Jahren damit Wahlkampf machen, daß Sie zuerst von der "Kindergartenmilliarde" reden, und sie dann sang- und klanglos


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 114

untergehen lassen wollen, schließlich streichen und dann 600 Millionen Schilling in Aussicht stellen für etwas, was eine Selbstverständlichkeit sein müßte und sein sollte.

Es fehlen in Ihrem Vorhaben zwei Anträge völlig, die bereits behandelt und im Vorfeld im Haus diskutiert wurden. Es fehlen Maßnahmen für die tatsächliche Gleichstellung der Frauen im Verfassungsrang, das heißt, alle positiven Maßnahmen, die eine Bevorzugung für Frauen auf befristete Zeit vorsehen, um die Gleichstellung im Verfassungsrang tatsächlich zu erreichen. Dieses Vorhaben fehlt überhaupt in Ihrem Koalitionsübereinkommen.

Es fehlen alle Maßnahmen, die zu einer tatsächlichen Quotenregelung führen, zu einer Gleichstellung von Frauen und Männern in der Politik. Sie haben sich überhaupt keine Mühe gemacht, darüber nachzudenken, wie es dazu kommen kann, daß der Anteil von Frauen – zum Beispiel hier in diesem Haus wie auch in Landtagen und in anderen politischen Gremien – auf die 50-Prozent-Quote gehoben wird. Das scheint Ihnen gar kein Anliegen mehr zu sein, und das spiegelt sich auch in dieser Art von Politik wider, wie Sie sie hier auch im Koalitionsübereinkommen wiedergeben.

Wenn Sie schreiben, daß, um Frauen und Männern ihre schwierige Erziehungsaufgabe zu erleichtern, entsprechende Angebote gefördert werden sollen, dann kann ich nur in Anspielung auf das Interview mit Klubobmann Khol fragen, ob sich diese "Angebote" vielleicht darauf beschränken, daß man in Zukunft sonntägliche Frühstücke machen soll, um die Erziehungsaufgabe zwischen Mann und Frau aufzuteilen, oder ob Sie denn in der Tat noch irgendwelche anderen Förderungen im Auge haben.

Zuletzt schreiben Sie, daß Frauenservicestellen und -beratungsstellen weiter ausgebaut und eingerichtet gehören. Da frage ich mich: Wo tun Sie das? – Ich höre nur von allen Bundesländern, daß solche Einrichtungen eingespart, drastisch reduziert, eingeschränkt werden und vom Zusperren bedroht sind. Alle für Frauen tatsächliche wichtigen Einrichtungen – vor allem Ämter, autonome Einrichtungen der Frauenberatung wie auch Frauennotrufe bis hin zu Frauenhäusern – sind extrem gefährdet durch diese verantwortungslose Sparpolitik, die Sie betreiben. (Beifall bei den Grünen.)

Was bleibt Ihnen noch übrig als Antwort, und was fällt Ihnen als Antwort zur Gleichstellung von Frauen beziehungsweise zur angeblichen Gleichstellung von Frauen ein? – Nur, daß Sie jetzt Frauen auch ermöglichen wollen, Berufskarrieren im Bundesheer einzuschlagen. Aber das ist für mich überhaupt kein Ansatz einer Gleichstellung, denn bisher war es ein Privileg, daß Frauen zum Ausgleich für viele andere Nachteile und Belastungen, die sie haben, vom Militärdienst ausgenommen waren. Und jetzt wollen Sie zu all diesen Belastungen, zu all diesen Nachteilen das auch noch als angebliche Gleichstellung! (Abg. Großruck: Freiwillig! Nur für die, die wollen!)

Zur Freiwilligkeit etwas: Wenn freiwillig, dann für alle freiwillig! Und wenn Gleichstellung im Bundesheer, dann fangen wir doch beim Minister und nicht irgendwo bei den Putzfrauen an. Schauen Sie in andere Länder, in denen Frauen beim Heer sind: Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen, wo es Frauen gelungen ist, im Militärbereich in tatsächlich gehobene Positionen zu kommen, Karriere zu machen, ist die überwiegende Mehrheit von Frauen dort typischerweise in Versorgungsposten, im Sanitätsbereich und im Büro beschäftigt. Es ist keine Rede von einer Gleichstellung von Frauen beim Bundesheer, was hier vorgespiegelt wird. Tatsächlich geht es nur darum, zu versuchen, geburtenschwache Jahrgänge und einen stärkeren Trend zum Zivildienst durch Frauen auszugleichen – mit einem Mascherl, das man dem Ganzen umhängt.

Wenn ich schon zuvor vom Paradigmenwechsel und vom Verlust von Visionen geredet habe, der mit dieser Art einhergeht – nicht einmal Politik kann man das nennen, denn Politik hätte ja einen gestaltenden Charakter, aber das hat dieses Papier nicht, das Sie als Koalitionspapier vorlegen –, wenn wir also schon vom Verlust von Visionen reden, dann muß ich sagen: Es war auch das wie eine Vision oder, wie es eine Tageszeitung ausgedrückt hat, ein Zeichen der Hoffnung, daß es einmal eine Gesellschaft geben könnte, in der auch die Männer nicht mehr zur


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 115

Waffe greifen und nicht mehr Militärdienst machen müßten. Aber von dieser Vision haben Sie endgültig Abschied genommen.

Es geht Ihnen nicht darum, Politik und Gesellschaft zu entmilitarisieren, sondern es geht Ihnen offensichtlich darum, sie weiterhin zu militarisieren und diese Militarisierung, diese durchziehende Bewaffnung und auch strukturelle Formen von Gewalt noch weiter aufzubauen, indem Sie diesen Bereich öffnen und dann das Ganze noch als "Gleichbehandlung" und "Gleichberechtigung" verkaufen. – Das hat überhaupt nichts mit Frauenpolitik zu tun!

Alles in allem: Was Sie in diesem Koalitionspapier als Frauenpolitik darstellen, ist meiner Meinung nach ein Armutszeugnis für die Regierung, aber kein Beitrag zur Gleichstellung! (Beifall bei den Grünen.)

17.29

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte.

17.29

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Bundesminister Scholten ist mit dem gewiß nicht kleinen Anspruch angetreten, der auch gleich von den Medien übernommen wurde, der "Zukunftsminister" dieser Bundesregierung zu sein. (Abg. Haigermoser: Da muß einem angst um die Zukunft werden!)

Ich verhehle nicht, daß ich glaube, daß dieser Anspruch natürlich erst eingelöst werden muß. Nicht, daß wir ihm diese Fähigkeit, die persönliche Fähigkeit zu seinem Ministeramt nicht zutrauen würden, aber die Kombination dieser unterschiedlichen Aufgaben und Kompetenzen, Wissenschaft, Kultur, Verkehr, läßt mich doch einigermaßen mit Skepsis reagieren, ob diese Kompetenzverteilung tatsächlich optimal von einem Ministerium und einem Minister optimal repräsentiert und vereinigt werden kann. Aber diese Verantwortung trifft nicht uns. Das ist Sache der Sozialdemokratischen Partei, wie sie glaubt, ihre Ministerien und Kompetenzen aufteilen und konzentrieren zu müssen.

Tatsache ist, daß dadurch ein sehr großes Ministerium mit sehr heterogenen Aufgaben entstanden ist. Ich wünsche Herrn Minister Scholten jedenfalls im Interesse unseres Landes und der Verkehrspolitik die notwendige Durchschlagskraft, die politische Weitsicht und die fachliche Kompetenz, um die gesellschaftlich sehr divergierenden und komplexen Verkehrsprobleme, die demnächst zur Lösung anstehen, auch zukunftsorientiert bewältigen zu können. Das wird keine leichte Aufgabe sein.

Wie wichtig Verkehrsfragen zur Lösung der Zukunftsprobleme sind, hat erst vor zwei Tagen Peter Michael Lingens im "Standard" festgestellt. Er hat dort gesagt: Die Zukunft des Verkehrs ist um Zehnerpotenzen wichtiger als die Zukunft der Bundestheater. – Dieser Meinung kann ich sehr viel abgewinnen, wenn ich an die Verkehrsprobleme denke, die wir in jenen Städten haben, die zunehmend im Verkehr ersticken, wenn ich an die Pendlerströme denke, die sich immer mehr vergrößern, oder an die Gütertransporte, deren Umstieg von der Straße auf die Schiene immer weniger gelingt. Ganz sicher wird deshalb die Verkehrspolitik nicht als Anhängsel der Wissenschafts- und der Kulturpolitik geführt werden können, sondern sie muß ein ganz zentraler Bereich der österreichischen Regierungspolitik sein, aber ich bin mir sicher, daß Herr Minister Scholten das ähnlich sieht wie ich. (Zwischenruf des Abg. Wabl. )

Meine Damen und Herren! Ein ganz wichtiger Bereich dieser Verkehrspolitik ist die Mautpolitik, die derzeit in Österreich und in Europa, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, für Emotionen sorgt. Ich möchte sagen, es ist geradezu schon eine Hysterie, die es über den Beschluß Österreichs, Mautgebühren einzuführen, gibt. Aber diese Hysterie entbehrt wahrlich jeglicher Grundlage, wenn man sich anschaut, wie die diesbezüglichen Regelungen in den anderen Ländern sind. (Abg. Wabl: Verkehrssteuer!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 116

Es ist nicht nur so, daß Länder wie Frankreich, Schweiz, Italien, Spanien und etliche andere auch Mautgebühren haben, sondern daß im Regelfall die Tarife im Ausland auch höher sind und deshalb auch für ausländische Urlaubsgäste sehr viel mehr ausmachen, als das etwa bei den österreichischen Tarifen der Fall ist.

Tatsache ist, daß Touristen, die durch Österreich fahren oder in Österreich Urlaub machen, mit unserem Tarif im Vergleich zu den Preisen anderer europäischer Staaten günstig davon kommen. In der Schweiz gibt es zum Beispiel ausschließlich die Jahresvignette, auch wenn man nur einmal kurz durchfährt. In Österreich gibt es zumindest die Zweimonatsvignette und auch weitere Abstufungen.

Ungarn kassiert auf der M 1 eine Maut von 65 S für eine Fahrt. In Italien und Frankreich gibt es Mautsysteme, bei denen der Autobenützer sehr viel mehr zahlt, als dies beim österreichischen Vorschlag der Fall wäre. In Italien kostet jeder Autobahnkilometer im Schnitt 60 Groschen, und allein die Fahrt von der Grenze bis Padua kostet schon 220 S. In Frankreich sind die Mautgebühren noch höher, dort machen sie gar 80 Groschen pro Kilometer aus.

Also alles in allem, meine Damen und Herren, haben wir in Österreich eine sinnvolle und moderate Lösung gefunden. Die Angst, daß die Maut deutsche Urlauber von einem Aufenthalt in Österreich abhalten könnte, ist sachlich nicht gerechtfertigt, sondern sie wird geschürt – auch als Teil des politischen Kampfes gegen die Bundesregierung und gegen ihr Sparpaket. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) – Aber wer dies tut, meine Damen und Herren, schadet nicht nur dieser Bundesregierung, sondern er schadet auch dem österreichischen Tourismus, und er schadet damit der österreichischen Volkswirtschaft!

Meine Damen und Herren! Diese Vignette ist auch die einzige Möglichkeit, den schon lange angestrebten Lückenschluß tatsächlich finanzieren zu können. Diese Vignette ist auch die einzige Möglichkeit, die 3,7 Millionen ausländischer Lenker ebenfalls zur Finanzierung heranzuziehen. Bei einer zweckgebundenen Mineralölsteuer etwa wäre das nicht möglich, weil viele einfach nur durchfahren. Die Höhe des Preises dieser Vignette ist unserer Meinung nach auch moderat genug, um ein stärkeres Ausweichen auf Bundes- oder Landesstraßen zu verhindern.

Meine Damen und Herren! Ausnahmen zu schaffen, wie das etwa der Wiener Bürgermeister Häupl verlangt hat, wäre unserer Meinung nach ungerecht und unfair gegenüber Pendlern auf anderen Autobahnen und in anderen Regionen Österreichs. Das würde nur dazu führen, daß das ganze Mautsystem unfinanzierbar und durchlöchert würde und nicht mehr zur Finanzierung des so dringend notwendigen Lückenschlusses dienen könnte. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist auch wirklich sehr eigenartig, daß sich Herr Bürgermeister Häupl für diese Ausnahme von den 550 S für die Wiener Stadtautobahnen so stark macht und das als unvertretbare Belastung der Wiener Autofahrer ansieht. Auf der anderen Seite muß man nämlich darauf hinweisen, daß der Wiener Bürgermeister Häupl keinerlei Bedenken oder Skrupel hatte, etwa für die Wiener Innenstadtbewohner ein Jahresparkpickerl in der Höhe von 2 200 S festzulegen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.) – Also ein wenig mehr Zurückhaltung beim Parkpickerl oder gar eine Reduzierung um den Preis des Mautpickerls, und alle Probleme wären gelöst. (Zwischenruf des Abg. Edler. )

Auch hier zeigt sich, meine Damen und Herren, es ist leichter, bei anderen, beim Bund, zu sparen als bei sich selbst, schon gar, wenn Landtags- und Gemeinderatswahlen vor der Tür stehen.

Meine Damen und Herren! Dieser Lückenschluß ist aus vielen Gründen notwendig, auch – das sage ich gerade Herrn Kollegen Wabl – aus Gründen der Verkehrssicherheit. Denn Sie wissen, daß überall dort, wo neue Autobahnen gebaut werden (Abg. Dr. Petrovic: Mehr Verkehr entsteht!), auch sofort die Unfallzahlen gegenüber den Bundesstraßen sinken (Abg. Dr. Petrovic: Das stimmt nicht! Das ist falsch!), und zwar um bis zu 80 Prozent, das ist längst international und auch in Österreich durch viele Studien erwiesen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Petrovic: Das ist falsch! – Abg. Mag. Haupt: Außer auf den "Sparautobahnen"!) – Außer auf


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 117

den "Sparautobahnen", selbstverständlich, und wir sind auch ganz entschieden dagegen, daß solche "Sparautobahnen" gebaut werden.

Meine Damen und Herren! Damit möchte ich auch schließen, um die zehn Minuten nicht zu überschreiten, weil wir uns in den nächsten Monaten noch mit vielen verkehrs- und infrastrukturpolitischen Vorhaben beschäftigen werden, etwa auch mit dem kommenden Schieneninfrastrukturgesetz, mit einer Novellierung des ÖBB-Gesetzes oder gar mit der Ausgliederung der österreichischen Post, also mit wichtigen Bereichen der österreichischen Infrastrukturpolitik und der österreichischen Verkehrspolitik.

Ich glaube, diese Regierung und ihre Koalitionsparteien haben jedenfalls in ihrer Regierungserklärung und in den im Koalitionsabkommen festgelegten Vorhaben bewiesen, daß sie in der Lage sind, die Probleme der Zukunft in der Verkehrspolitik sowohl zu erkennen, als auch entschieden solche Lösungsvorschläge anzustreben, die geeignet sind, diese Probleme auch auf Dauer zu bewältigen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.39

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Haigermoser. Ich erteile es ihm.

17.40

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das Raunen im Plenum beweist eigentlich das, was sich heute abgespielt hat. Die Debatte war nahezu ein Offenbarungseid. Die Sozialdemokratische Partei hat nach dem Motto "Wir haben die ÖVP über den Tisch gezogen", und "Mir san mir!" gehandelt, die ÖVP hat eine schwache Pflichtübung abgegeben (ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP), das lebende Unglück ohne Dampf, saft- und kraftlos, nur damit man halt wieder einmal ein Stricherl in der Rednerliste einheimsen kann. So hat sich die Sache abgespielt. Daran ändert auch das Schattengefecht Kukackas nichts, der zwar ein bißchen probiert hat, dem Scholten eins mitzugeben, auf der anderen Seite aber wieder in die alten Pflichtübungen verfallen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher ist offenbar geworden, daß die Sprechblasen Vranitzkys in seiner Regierungserklärung von gestern, von den Ministern angereichert, den Österreichern eigentlich alles gesagt haben: Es gab die alten Versprechungen, keine Visionen, nichts Neues. Und da ist es ganz interessant, wahllos beispielsweise aus der Regierungserklärung 1987 Vranitzkys einen Satz zu zitieren. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Das ist ganz wichtig, Kukacka, alter Freund! Denn in derselben Wortwahl ist gestern und ist im Koalitionsübereinkommen folgendes der staunenden Öffentlichkeit mitgeteilt worden:

Dokumentation 1987 also; da sagt der Herr – Münchhausen, haben wir heute gehört – Vranitzky: Die Bundesregierung wird daher durch Maßnahmen der Startfinanzierung eine Verbesserung der Gründungsbedingungen herbeiführen. – Bei den klein- und mittelständischen Unternehmungen!

Das war 1987. Bis dato ist diesbezüglich nichts geschehen, im Gegenteil, ein Verschlechterung ist eingetreten: BÜRGES, ERP, steuerliche Maßnahmen. Überall Verschlechterungen, Frau Tichy-Schreder.

Und dann kommt noch ein ganz interessanter Satz, der sich wiederfindet auf Seite 11 des Koalitionsübereinkommens aus 1987: Die Zugangsvoraussetzungen für den Gewerbeantritt müssen bei der Novellierung der Gewerbeordnung den heutigen technisch-innovatorischen Gegebenheiten angepaßt werden. – 28. Jänner 1987. Jetzt sagt der Herr Bundeskanzler beziehungsweise unterschreibt die Frau Tichy-Schreder als Verantwortliche seitens der ÖVP mit: Eine Liberalisierung bei der Gewerbeordnung und die Zugangsbedingungen seien zu verbessern.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 118

1987 – 1996. Dieser Blick zurück war deswegen notwendig, weil damit deutlich wird, daß Sie jede Glaubwürdigkeit bei den österreichischen Bürgern verloren haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es kommt noch dazu – und es sind ja die Wirtschaftskämmerer Präsident Maderthaner, Stummvoll, Tichy-Schreder nahezu ein Medium für diese Dinge (Abg. Tichy-Schreder: Für Sie sind wir ein Medium!) –, daß Maderthaner gesagt hat, er würde diesem Paket nur zustimmen, wenn hauptsächlich bei den Ausgaben gespart würde. Und das sei der Fall, meint er, zu mehr als zwei Dritteln würde ausgabenseitig gespart.

Schauen wir uns jetzt, Herr Präsident Maderthaner, die Meinung der Wifo-Experten an – siehe "Presse" vom 13. März, vor wenigen Stunden also –: Da sagt Herr Georg Busch, der zuständige Konjunkturexperte – und jetzt aufpassen, Herr Präsident Maderthaner, denn da werden Sie Lügen gestraft hinsichtlich Ihrer Ausführungen und Ihrer Absichtserklärungen –, die von der Regierung behauptete Relation von zwei Dritteln Einsparungen und einem Drittel Mehrbelastungen entspreche tatsächlich aber einem Verhältnis von 1 : 1. – Also nichts mit der ganzen Geschichte, es würde ausgabenseitig mehr gespart. Und man braucht kein Prophet zu sein, Frau Tichy-Schreder, Herr Stummvoll, Herr Maderthaner, um festzustellen, daß das über das halbe Jahr 70 : 30 sein wird. Da werden sich die Unternehmer schön bedanken für Ihre Zustimmung zu diesem Belastungspaket ohne Wenn und Aber, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist bemerkenswert, wie die Wirtschaftskammer, allen voran Präsident Maderthaner, die Zwangsmitglieder vorführt: wie Schulbuben. Die Zwangsmitglieder werden vorgeführt wie Schulbuben – mit Ihren Äußerungen in der Öffentlichkeit, denn Sie sind nicht einmal bereit, Herr Präsident Maderthaner, im Unternehmerparlament über diese Belastungen zu diskutieren. Der Herr Dohr ist wenigstens in sein gewähltes Gremium gegangen und hat dort abstimmen, hat dort diskutieren lassen. – Sie sagen: Ich bin die Wirtschaft, ohne Wenn und Aber, sozialistische Wege werden weiter beschritten, uns ist das Wurscht, Hauptsache, wir haben wieder unsere Zwangsburg eingerichtet und bleiben dort unter uns.

Sie haben dadurch bewiesen, daß Sie der Wirtschaft Sand in die Augen streuen. Sie lassen in einer Ihrer Leitpostillen bunte Bildchen verbreiten und führen dort unter dem Titel "Offensive Strategie" folgendes aus – das ist ganz interessant, es stammt vom Feber 1996 –: Es darf in den nächsten drei Jahren keine Steuererhöhungen und Erhöhungen der Lohnnebenkosten geben.

In den nächsten Tagen und Stunden werden Sie diese Steuererhöhungen mitbeschließen, wiewohl Sie vor wenigen Wochen den steuerzahlenden Unternehmern ausrichten ließen, daß es mit Ihrer Zustimmung keine Steuererhöhungen geben würde, meine Damen und Herren!

Sie haben die Stirn, den Arbeitnehmern zu sagen, in den nächsten drei Jahren darf es zu keinen Reallohnsteigerungen kommen, und auf der anderen Seite sagen Sie, bei den Lohnnebenkosten, da frieren wir nur ein, da gibt es keine Senkungen. Das ist die eigentliche Gemeinheit gegenüber der Wirtschaft und den Arbeitnehmern, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Total entlarvend ist es – das ist wirklich entlarvend und zeigt deutlich auf, wie Sie mit den Zwangsmitgliedern umgehen, nämlich mit einer Ignoranz und Arroganz sondergleichen –, wenn Sie sagen, die Wirtschaft sei bereit, die geplante Öko-Steuer mitzutragen. Wo ist denn das eine Öko-Steuer, wenn sie erhöht wird und auf der Belastungsseite überhaupt nichts passiert, Kollege Puttinger? Bei der Kommunalabgabe nichts, bei der Lehrlingssteuer nichts! – Sie tragen also eine neue Steuer mit, wiewohl Sie anderes versprochen haben.

Aber es kommt noch dicker: Gibt es eine definitive Zusage, daß weder eine Solidarabgabe eingeführt noch die Sozial- und Pensionsversicherungsbeiträge erhöht werden, dann kann man überhaupt den Steuererhöhungen zustimmen, sagen Sie weiter. – Auf der Seite vorher sagt man, die Wirtschaftskammer Österreich fordert eine Erhöhung der Beiträge der Pensionisten. Also genau das Gegenteil auf zwei gegenüberliegenden Seiten, meine Damen und Herren!


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 119

Das heißt, daß der Sozialpartner Wirtschaftskammer hier enttarnt ist. Man möchte fast sagen: Sallinger, schau oba! Der alte Sallinger, seines Zeichens einer der Väter der Sozialpartnerschaft, würde sich im Grabe umdrehen, wenn er seine Nachfolger beobachten müßte, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie, Kollege Puttinger, 150 000 Unterschriften bei der Getränkesteuer-Geschichte gesammelt haben und das stolz verkünden – 3 Millionen Kosten aus den Zwangsbeiträgen, im Parlament dann aber genau gegen die Anliegen derer stimmen, die diese 150 000 Unterschriften geleistet haben, dann frage ich Sie, ob Sie sich noch in den politischen Spiegel schauen können, meine Damen und Herren! – Ich sage nein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Steueranimator Maderthaner versucht natürlich jetzt, mit dem Sandküberl den Unternehmern Sand in die Augen zu streuen, damit sie sich blindlings auf die Arbeit stürzen und vergessen, was hier auf dieser Regierungsbank angestellt wird.

Und wenn Sie der steirischen Wirtschaft existenzgefährdende Sparmaßnahmen, Kritik am Budgetkonsolidierungsplan verkünden, im selben Atemzug die Punkte auflisten, die wir Freiheitliche bekritteln müssen, mit Ihren Zwangsmitgliedern, wenn dann der Wirtschaftsbund noch verkünden läßt, Regierungsmaßnahmen bringen mehr Bürokratie, und wenn Maderthaner heute gesagt hat, die Bürokratie wird jetzt endlich abgebaut, dann frage ich mich wirklich, wo da der Hase im Pfeffer liegt.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Nach der anfänglichen Begeisterung in der Öffentlichkeit über die Sparmaßnahmen ist dieser Sickerprozeß jetzt so weit, daß die Bürger hellhörig geworden sind. Wir werden ein weiteres Mal dazu beitragen, daß die Wahrheit offenbar wird und klar wird, wer hier die klein- und mittelständischen Betriebe am Altar der sozialistischen Koalition ein weiteres Mal verraten hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen Ronald Barazon zitieren, "Salzburger Nachrichten", Leitartikel vom 9. März zum Sparpaket, zur Regierungserklärung: "Die Geisterfahrt geht weiter. Das neue Sparpaket ist eine Fortsetzung der hilflosen Politik, die SPÖ und ÖVP seit Jahren betreiben und die die Staatsfinanzen in die aktuelle Krise getrieben hat."

Die Geisterfahrt geht weiter, meine Damen und Herren! Wir werden jedenfalls dafür sorgen, daß in diese Geisterbahn Licht hineinkommt, damit die Bürger sehen, welche Götzen ihnen vorgegaukelt haben, daß sie im Dienste der Wirtschaft positive Arbeit leisten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.49

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gaal. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.50

Abgeordneter Anton Gaal (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Die sicherheitspolitischen Herausforderungen unseres Landes und Europas – heute ja bereits angesprochen – sind vielschichtiger und umfassender geworden. Daher steht im Vordergrund unserer Politik das Ziel, umfassende Lösungen für die Sicherheit der Bürger zu finden. Das Koalitionsabkommen beider Regierungsparteien trägt diesem sicherheitspolitischen Aspekt in vollem Umfang Rechnung.

Es ist uns gelungen, meine Damen und Herren, mit dem vereinbarten Maßnahmenkatalog all jene Projekte zu initiieren, die zur Stärkung der Tätigkeit des einzelnen Sicherheitsorganes, also des Polizeibeamten, des Gendarmen oder Kriminalbeamten, beitragen und zur Entlastung von bürokratischen Hürden führen.

Es geht uns einfach um weniger Bürokratie und um mehr Sicherheit. Das heißt, daß auch Aufgaben, die nicht ausschließlich von der Sicherheitsexekutive wahrgenommen werden müssen, auszugliedern sind. Wir sind in der Vergangenheit bereits in diese Richtung gegangen. Das hat sich positiv ausgewirkt. Wir haben mehr Polizisten auf der Straße, was ja letztlich auch


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 120

ein Mehr an Sicherheit bedeutet. Die dann freiwerdenden Planstellen in der Größenordnung von etwa 1 000 Positionen können dem sicherheitspolizeilichen Bereich und der Tätigkeit der Exekutive zugeordnet werden.

Meine Damen und Herren! Die vielfältigen polizeilichen Aufgaben erfordern aber auch eine zeitgemäße und dem internationalen Standard entsprechende Ausbildung und Schulung der Führungskräfte. Das gilt natürlich insbesondere für den Bereich des mittleren und höheren Sicherheitsmanagements. Daher ist eines der wichtigsten Reformprojekte des Innenressorts die Einrichtung einer Sicherheitsakademie für die Weiter- und Fortbildung von Führungskräften.

In diesem Arbeitsübereinkommen wurde auch vereinbart, daß der Grenzdienst im Rahmen der Bundesgendarmerie konsequent weiter ausgebaut wird. Für die 1 260 Kilometer lange EU-Ostaußengrenze sind derzeit 38 Grenzüberwachungsposten geplant. 15 sind bereits geöffnet, und mit Ende des Jahres 1996 werden wir bereits 32 solcher Grenzüberwachungsposten in Betrieb haben.

Österreich muß ja nicht nur aufgrund des Wegfalls der Binnengrenzkontrolle innerhalb der Europäischen Union, sondern auch im eigenen Interesse bemüht sein, daß die Überwachung und Kontrolle seiner Außengrenzen wirksam durchgeführt werden. In relativ kurzer Zeit, nämlich seit Anfang Oktober 1985, kann der Grenzdienst bereits auf eine beachtliche Erfolgstatistik verweisen. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß zu diesem Erfolg auch die Assistenz leistenden Soldaten einen sehr wichtigen Beitrag geleistet haben. Ich möchte ihnen daher von dieser Stelle aus herzlichen Dank aussprechen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ein weiteres wichtiges Thema ist natürlich die organisierte Kriminalität. Es wird derzeit unter Beachtung des Grundrechtschutzes der Bürger ein verbessertes Instrumentarium geschaffen, damit die Sicherheitsorgane im Kampf gegen das organisierte Verbrechen erfolgreich sein können.

Diese Verbrechensbekämpfung muß natürlich internationalisiert werden, denn die Kriminalität macht an den Grenzen nicht halt. Daher werden wir in dieser Legislaturperiode die volle Teilnahme an Europol realisieren. Das wird eine Vielzahl von Maßnahmen in personeller, in technischer, aber auch in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht notwendig machen.

Ein nächster Schwerpunkt, meine Damen und Herren, ist die Weiterentwicklung der Wanderungs- und Asylpolitik und der Ausländerbeschäftigungspolitik. Das ist eine solide Basis dafür, daß es in Zukunft gesicherte und klare Verhältnisse in diesem sehr sensiblen, schwierigen Bereich gibt.

Wir werden an der kontrollierten und geregelten Zuwanderung festhalten. Diese Politik, meine Damen und Herren, wird von zwei Prinzipien bestimmt: vom Ordnungsprinzip – das heißt, daß die Einhaltung unserer Gesetze sichergestellt wird, und wir natürlich jegliche Form der Illegalität bekämpfen – und vom Prinzip der Menschlichkeit, das auf der Basis unserer humanistischen Tradition dafür Sorge trägt, daß jene, die Hilfe benötigen, diese auch bekommen.

Meine Damen und Herren! Die Vollziehung des Fremdenrechtes ist eine besonders schwierige und sehr verantwortungsvolle Aufgabe, denn Entscheidungen, die hier gefällt werden, betreffen menschliche Existenzen. Daher hat das Innenministerium, hat Herr Dr. Einem bereits im Herbst veranlaßt, daß wir mit einem Ausbildungsprojekt beginnen, das neben der juristischen Weiterbildung auch die psychologische Schulung garantiert und gewährleistet, daß die Mitarbeiter auch mit den internationalen Gegebenheiten vertraut gemacht werden.

Was den internationalen Bereich betrifft, so wird sich Österreich natürlich initiativ an einer Entwicklung hin zu einem gemeinsamen europäischen System zur Bewältigung von Flüchtlingsströmen und deren Lasten beteiligen, denn Migration und Flüchtlingsströme können nur in gemeinsamer Verantwortung bewältigt werden. Es darf nicht so sein, daß nur jene Staaten, die einem Krisenherd am nächsten liegen, einen Beitrag leisten, sondern es muß in abgestimmter Form europaweit nach einer europäischen Lösung gesucht und an ihr gearbeitet werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 121

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Thema, das in den letzten Monaten und Jahren auf der politischen Tagesordnung hier im Haus gestanden ist, ist die Causa Zivildienst. Hier ist es nun gelungen, die endgültige Abschaffung der Gewissensprüfung durch eine Kommission zu erreichen und einen Modus zu finden, der einem Gewissenswandel möglichst Rechnung trägt.

Meine Damen und Herren! Diese Einigung stellt für mich eine grundlegende, zeitgemäße und gesellschaftspolitisch sinnvolle Reform des Zivildienstes dar. Es ist dies eine Regelung, die sowohl den Erfordernissen der Landesverteidigung Rechnung trägt, als auch denen, die aus Gewissensgründen die Ableistung des Militärdienstes ablehnen, gerecht wird.

Ich möchte hier in aller Klarheit festhalten, daß wir nach wie vor dazu stehen, daß der Zivildienst kein Alternativdienst ist. Er soll so wie in der Vergangenheit auch in Zukunft die Ausnahme von der Regel bleiben, denn wir Sozialdemokraten bekennen uns zur militärischen Landesverteidigung, zur allgemeinen Wehrpflicht und zum Milizsystem. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Einem nicht!)

Was Europa betrifft, meine Damen und Herren, so ist auch da der sicherheitspolitische Weg ganz klar. Österreich wird weiterhin keinem Militärbündnis wie der WEU oder der NATO beitreten. Es besteht diesbezüglich kein Bedarf, und wir haben auch bestätigt gefunden, daß das Bundesheer seinen Auftrag, nämlich die Grenzen der Republik zu schützen, tatsächlich eigenständig wahrnehmen kann. Damit erfüllt es die Sicherheitsinteressen Österreichs.

Meine Damen und Herren! Mit dem Arbeitsübereinkommen wird eine Reihe von sozialdemokratischen Forderungen zur Verbesserung der Effizienz des Bundesheeres eingebracht. Künftig müssen in den Bereichen Operation, Ausbildung, Beschaffung militärische Grundsatzplanungen vorliegen. Damit wird es möglich sein, diese Vorgänge mit mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit auszustatten.

Rationalisierungsreserven müssen mobilisiert werden. Beim Bundesheer ist, wie überall, intelligentes Sparen angesagt. Das Heer braucht eine echte Verwaltungsreform. Meine Damen und Herren! Das heißt, daß Planstellen tatsächlich eingespart werden, daß sie nicht nur umgeschichtet, sondern, wie gesagt, reduziert werden; darauf werden wir auch drängen.

Daher geht es uns um die Weiterführung dieser so wichtigen Verwaltungsreform im Bundesheer. Da haben wir ganz konkrete Vorstellungen, die wir mit dem Regierungspartner diskutieren werden, und ich hoffe, es wird diesbezüglich ein sinnvolles Miteinander geben, was die Reduktion von Planstellen, besonders in den Zentralstellen, aber auch im gesamten Verwaltungsbereich betrifft.

Diese aufgeblähte Verwaltungsstruktur bindet natürlich auch einen großen systemerhaltenden Betriebsaufwand. Da ist eine Reduktion in besonderem Maße dringend erforderlich. Mit einer dem Aufgabenumfang angepaßten Friedensorganisation und Einsatzorganisation wird es möglich sein, die Führungsstruktur des Bundesheeres zu straffen.

Es liegt durchaus im Bereich der Möglichkeiten, die Führungsebenen zu verkleinern und die Zahl des Kaderpersonals in dem so wichtigen Ausbildungsbereich zu erhöhen. Dann ist die Möglichkeit gegeben, meine Damen und Herren, daß die Truppenkörper in Zukunft eine ausreichende Zahl von Grundwehrdienern zur Ausbildung zugeteilt bekommen.

Es wurde eine weitere sehr wichtige Forderung in das Regierungsprogramm übernommen; es geht um ein Neuüberdenken der Dislozierung des Bundesheeres: Kasernen, Truppenübungsplätze und Lagereinrichtungen müssen als Gesamtkonzept gesehen werden. Dabei sind natürlich militärstrategische Überlegungen, aber auch gesamtwirtschaftliche Erfordernisse zu berücksichtigen: Grundwehrdieneraufkommen, Kaderpersonal, Infrastruktur müssen in Zukunft besser aufeinander abgestimmt werden. Diese neuen Kasernen-, Lager- und Truppenübungsplatzkonzepte sollen möglichst rasch entwickelt werden, damit sich das Bundesheer von nicht mehr benötigten und von wirtschaftlich nicht erforderlichen Objekten und Liegenschaften trennen kann.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 122

Abschließend möchte ich sagen: Meine Damen und Herren! In den nächsten Jahren werden auf die Exekutive und auf das Bundesheer eine Reihe von Herausforderungen zukommen. Die im Regierungsprogramm festgelegten Schritte bieten eine solide Grundlage dafür, daß wir diese Herausforderungen im Interesse und zum Wohle der Sicherheit Österreichs gemeinsam bewältigen können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.02

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Herr Dr. Kier! Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Ihre Redezeit neun Minuten beträgt.

18.02

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Verehrter Herr Präsident! Meine Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Die Kürze der mir zur Verfügung stehenden Redezeit gebietet eine Zuspitzung, und ich möchte an die Spitze meiner Überlegungen eine Feststellung setzen: Ich habe von vielen meiner Kollegen aus den Oppositionsparteien gewisse Verwunderung und Enttäuschung über die Regierungserklärung gehört und bin der Meinung, diese Enttäuschung und Verwunderung sind sehr plausibel, und zwar aus dem einfachen Grund, daß beide Regierungsparteien mit Programmen, Ansagen, Ankündigungen und Versprechungen in den letzten Wahlkampf gegangen sind und zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Ankündigungen, Ansagen und Versprechungen gemacht wurden, bereits erkennbar war, daß sie nicht einhaltbar sind. Es war zu keinem Zeitpunkt möglich, ohne jede Veränderung des Steueraufkommens das Budget zu sanieren, und es war zu keinem Zeitpunkt möglich, ohne Reformen, die zu Rückstufungen und dergleichen führen, das soziale Netz so zu verändern, daß es wieder leistungsfähig ist.

Es ist daher die gesamte Regierungserklärung gekennzeichnet von dem Merkmal, zu Maßnahmen zu finden, die an der Schauseite des Papiers den Anschein erwecken, es wären diese Versprechungen eingehalten worden. So wurde zum Beispiel der Steuertarif unverändert gelassen, die Steuerbemessungsgrundlagen wurden aber radikal verändert, oder es wurde zum Beispiel eine 50 000-S-Mindest-KÖSt eingeführt.

Es wurde zum Beispiel auch die Lenkungsmaßnahme in die Wege geleitet, die einen vorzeitigen Auslöser der Altersarbeitslosigkeit bedeuten wird – sprich: Bonus-Malus-System.

Es wurde aber zum Beispiel auch gesagt, daß zwei Karenzjahre bleiben – bei einer gründlichen Analyse stellt man jedoch fest, es sind nur noch 1,5.

All diese Dinge sind dann plausibel, wenn man begreift, daß dann, wenn man Versprechungen und Ankündigungen macht, die nicht durchzuhalten sind, Potemkinsche Dörfer gebaut werden müssen, statt direkt, ehrlich und unmittelbar zu sagen: Das ist so, und das brauchen wir! – Das ist ganz deutlich erkennbar, wenn man sich bewußt macht, daß wir einerseits das Problem der Altersarbeitslosigkeit und andererseits das Problem der frühen Pensionsantritte haben.

Zur Erhaltung einer einigermaßen erträglichen Arbeitslosenstatistik ist nun folgende Maßnahme vorgesehen: In Zukunft werden 4,9 Milliarden Schilling aus dem Bereich des Arbeitsmarktservice in den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungen transferiert. Das bedeutet: Mit Arbeitslosengeld werden Pensionen finanziert. Das hat natürlich den positiven Effekt, daß in der Statistik tatsächlich weniger Arbeitslose stehen, in Wirklichkeit aber zu Lasten der Arbeitslosen Pensionen finanziert werden. Hier wird also ein kommunizierendes Gefäß aufgebaut, das für sich voll den Anspruch erheben kann, daß es sich um ein Potemkinsches Dorf handelt, denn nur durch dieses "rechte Tasche – linke Tasche" verändert sich der Arbeitsmarkt überhaupt nicht.

An den Schluß meiner Überlegungen möchte ich etwas stellen, was mir besonders unangenehm aufgefallen ist und besonders weh tut, und zwar geht es um den Bereich der Werkverträge. Ich möchte das jetzt ganz kurz und präzise zuspitzen und die Kollegen von den Regierungsparteien herzlich bitten – noch ist es ja nicht zu spät –, sich anzuhören, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 123

Ich bin völlig auf der Seite derer, die der Auffassung sind: Nur deswegen, weil "Werkvertrag" draufsteht, muß es noch lange keiner sein. Es gibt eine große Zone, wo es sich de facto um freie Dienstverträge und daher um arbeitnehmerähnliche Verhältnisse handelt oder überhaupt um Verhältnisse, die man üblicherweise als Dienstverhältnisse bezeichnet – freier Dienstvertrag oder wie der Name auch lautet –, wobei es sich um Umgehungsgeschäfte handelt. Es ist völlig legitim, Überlegungen anzustellen, solche Dinge abzustellen und diese Verträge in die Sozialversicherungspflicht hineinzunehmen – da finden Sie uns völlig an Ihrer Seite.

Es wäre dieses Projekt jedoch viel glaubwürdiger, wenn nicht eine bestimmte Ausnahme im ASVG – und zwar § 5 Abs. 1 Z. 5 – völlig unbeschädigt weiterbestünde. Es geht dabei um die Herausnahme aus der Sozialversicherungspflicht für die Lehrenden an Einrichtungen, die vorwiegend der Erwachsenenbildung dienen, insofern diese Tätigkeit keinen Hauptberuf – und so weiter – ausmacht.

Wir hatten in der letzten Legislaturperiode die Gelegenheit, an den Bundesminister für Soziales eine Anfrage zu richten und das zu thematisieren. Wir haben die ausführliche Antwort bekommen – ich bedanke mich noch einmal herzlich dafür –, aus der wir erkennen können, daß genau die Experten, die an diesem Papier mitgewirkt haben – nämlich die Experten aus den großen berufsständischen Kammern: Bundeskammer und Arbeiterkammer –, daß diese Experten, die eben auch Lehrtätigkeit im definierten Sinn in den WIFIs und BFIs entfalten, weiterhin von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen bleiben. Dabei handelt es sich um keine Umgehungsgeschäfte – freie Dienstverträge, die sich "Werkverträge" nennen; möglicherweise heißen diese Verträge gelegentlich auch "Werkverträge", das ist mir aber gleichgültig –, sondern das sind eindeutig unselbständig Lehrende, und die werden weiterhin ausgenommen.

Vor diesem Hintergrund ist die gesamte Werkvertragsdebatte eine scheinheilige Debatte, weil sie die Experten der Regierung, die hier mitgewirkt haben, weiterhin draußen läßt. Man hat offenbar in der Hoffnung gelebt, daß diesen § 5 Abs. 1 Z. 5 niemand kennt – bei der Unübersichtlichkeit des ASVG wäre die Chance immerhin vorhanden gewesen. Wir haben es gewußt, und daher sage ich Ihnen: Die Werkvertragsdebatte wird heikel sein, es wird Abgrenzungsschwierigkeiten geben – manchmal wird es vielleicht doch ein echter Werkvertrag sein, und es wird dann vielleicht Meinungsverschiedenheiten mit dem Sozialversicherungsträger geben; also ich sehe in diesem Bereich eine Fülle von Abgrenzungsproblemen, die wir bekommen werden.

Solange diese Ihre eigenen Experten sich selbst weiter aus der Sozialversicherungspflicht ausnehmen, werde ich Ihnen die Redlichkeit Ihrer Bemühungen, hier für mehr Solidarität und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, nicht abnehmen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.09

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Ich erteile es ihm.

18.09

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Herren Bundesminister auf der Regierungsbank! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Bundesministerin Dr. Krammer: Muß ich gehen?) Entschuldigung! Dame und Herren! – Ich habe nur auf die von mir aus linke Seite der Regierungsbank gesehen. Also: Frau Gesundheitsministerin!

Logischerweise waren es die Stimmen der Opposition, die die kritischen Punkte der neuen Regierungsvereinbarung angeführt haben. Ganz anders klingen aber hier ausländische Kommentare.

Zum Beispiel in der heutigen Abendausgabe der morgigen "Kronen Zeitung" ist zu lesen: "Stimmen aus dem Ausland über Koalition. ,Österreich als Vorbild.‘ Ein im Grund positives Echo hat das neue Koalitionsübereinkommen in den ausländischen Medien gefunden. In einem Leitartikel wird den Österreichern vorbildliches europäisches Verhalten bescheinigt."


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 124

Klubobmann Khol hat ja bereits die "Frankfurter Allgemeine" genannt. Ich darf eine weitere Zeitung nennen, die "Neue Zürcher Zeitung", und weiter zitieren: " ... ein Neuanfang, dem gelungen ist, die Vorhaben niet- und nagelfest zusammenzuzimmern ... Das wurde in den bisher neun Jahren ... Vranitzky schon mehrmals in Koalitionsvereinbarungen festgenagelt, aber nie so ernsthaft angepackt ..."

Die neue Regierung hat bereits gestern mit der Regierungserklärung, aber auch mit dem Koalitionsübereinkommen dokumentiert, daß es der Regierung wirklich ernst ist, unsere Budgetprobleme zu meistern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Regierungsverhandlungen hatten zum Ziel, die 100 Milliarden Schilling an Budgetabgang pro Jahr in den kommenden Jahren zu verringern. Das erfordert natürlich von allen Österreicherinnen und Österreichern Opfer – auch von den Bauern. Obwohl diese durch den EU-Beitritt ohnedies bereits eine erhebliche Last zu tragen haben, ist doch die derzeit niedrige Steigerung des Lebenshaltungskostenindex in erster Linie darauf zurückzuführen, daß im vergangenen Jahr gerade die Preise der Grundnahrungsmittel gesenkt wurden und damit die Preissteigerung des gesamte Warenkorbes auf unter 2 Prozent Preissteigerung zurückgegangen ist. Mit weniger als 2 Prozent an Preissteigerung gehören wir zu den stabilsten Ländern Europas.

Insbesondere drei Themen sind im Bereich der Land- und Forstwirtschaft Verhandlungsgegenstand gewesen: Die Einhaltung des Europaabkommens, das mit den Bauern vor der Volksabstimmung vereinbart wurde, wurde budgetmäßig vollinhaltlich abgesichert. Mit der Umweltförderung – das ist heute bereits vom Kollegen Schwarzböck angeschnitten worden – haben wir in Österreich betreffend die Ökologisierung der Landwirtschaft einen Quantensprung machen können. Die wichtigste Forderung, bezüglich derer es im vergangenen Herbst noch massiven Streit gab, auch zwischen den Koalitionsparteien, konnte im neuen Regierungsübereinkommen einvernehmlich geregelt werden: Es wird dieses Europaabkommen für die gesamte Legislaturperiode vollinhaltlich ausfinanziert.

Ein zweiter Bereich, der für uns Bauern sehr wichtig ist, ist der Einheitswert. Die Bauern reagieren sehr sensibel in der Einheitswertfrage, ist doch der Einheitswert für die Landwirtschaft eine wichtige Grundlage. Fast alle Steuerleistungen, aber auch die Abgaben und die Sozialversicherungsbeiträge bauen auf diesen Einheitswert auf. Daher hat die Forderung, den Einheitswert in einen Verkehrswert umzuwandeln, viele Bauern verunsichert. Es konnte nun vereinbart werden, daß der Einheitswert ein Ertragswert bleibt und daß die Einkommensentwicklung in der österreichischen Landwirtschaft nach dem EU-Beitritt als Grundlage für die nächste Neubewertung, die nach dem Bewertungsgesetz alle neun Jahre zu erfolgen hat, herangezogen wird.

Das Strukturanpassungsgesetz sieht auch vor, daß die Einkommen der Bauern vor allem im Bereich der Bergbauern, aber auch in anderen Bereichen durch besondere Hilfen gesichert werden können.

Abgeordneter Kier hat vorhin die Werkverträge angesprochen. Auch für uns ist dieses Thema sehr wichtig, da die Maschinenringe in Wirklichkeit eine Form der Werkverträge sind. Und die Maschinenringe sind die einzige Möglichkeit, bei kleinstrukturierten Betrieben auch eine De-facto-Vollmechanisierung zu erreichen, da eben die Nachbarn einander mit den Spezialmaschinen aushelfen. Daß diese Tätigkeit der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe von der Sozialversicherungspflicht ausgenommen wurde, war eine wichtige Forderung der Bauernschaft, die erfüllt wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Sozialversicherungsbereich haben wir in der Landwirtschaft eine besonders ungünstige Struktur. Es wird uns immer vorgehalten, daß der öffentliche Anteil an den bäuerlichen Pensionen sehr hoch ist – und zwar prozentmäßig, nicht aber, wenn man es auf die einzelne Pension umlegt. Der Großteil der Pensionisten auf unseren Bauernhöfen erhält nämlich die Pension von der Pensionsversicherungsanstalt der Bauern, während die Hofübernehmer oft außerhalb der Landwirtschaft einer Tätigkeit nachgehen und daher ihre Pensionsbeiträge in andere Versicherungsanstalten einzahlen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 125

Würden die rund 2,5 Milliarden Schilling, die von den rund 120 000 Nebenerwerbsbauern bei anderen Versicherungsanstalten, hauptsächlich der ASVG-Versicherung, an Pensionsbeiträgen einbezahlt werden, auf die Pensionsversicherungsanstalt der Bauern umgerechnet, hätten wir keine schlechtere Struktur als die Arbeiter oder Angestellten. Da einen Ausgleich zu schaffen, ist eine Frage der Gerechtigkeit.

Unsere Altersversorgung ist doch ein Generationenvertrag, bei dem die aktiv beschäftigte Bevölkerung mit ihren Beiträgen und mit ihren Steuerleistungen den im Ruhestand Befindlichen sozusagen den Lebensabend finanziert. Für diesen Bereich haben wir in den letzten Jahren eine Reihe von Verbesserungen beschließen können: Ich erinnere an das Pflegegeld, an die Anrechnung der Kindererziehungszeiten für die Frauen, aber auch an die Bäuerinnenpension in der Landwirtschaft. Jetzt geht es darum, daß wir das Budget so gestalten, daß wir diese Leistungen auch für die Zukunft absichern können.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Bauern brauchen insbesondere die Solidarität der Konsumenten. Wenn die Konsumenten beim Einkauf vornehmlich auf österreichische Lebensmittel greifen, dann sind die Arbeitsplätze auf den Bauernhöfen und in der nachgelagerten lebensmittelverarbeitenden Wirtschaft nachhaltig gesichert. Und noch nie zuvor haben die Bauern den Tisch des Volkes so üppig und in solch hoher Qualität gedeckt wie heute. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Nowotny. )

Als Bauern haben wir aber auch großes Interesse daran, daß die Lebensmittel europaweit möglichst naturnah produziert werden. Wir haben in Österreich bereits so viele biologisch wirtschaftende Bauern wie alle anderen 14 EU-Staaten zusammen. Daran erkennt man die Sensibilität der österreichischen Bauern.

Wir haben größtes Interesse daran, daß in der Lebensmittelproduktion europaweit keine Hormone und Antibiotika eingesetzt werden. Wir haben auch keinen Bedarf an genverändertem Saatgut, wodurch die Konsumenten nur verunsichert würden, wenn vielleicht die daraus erzeugten Lebensmittel nicht entsprechend gekennzeichnet wären. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Ing. Reichhold: Warum stimmen dann die ÖVP-Mitglieder im Europaparlament für die Gen-Richtlinien?)

Wir haben auch in diesem Haus ein Gentechnikgesetz beschlossen, damit überhaupt – das betrifft ja nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch den medizinischen Bereich; es gibt sehr viele gentechnisch erzeugte Medikamente – ein geordnetes Verfahren möglich ist und die Wissenschaft nicht völlig freie Hand in diesem Bereich hat. Dieses Gentechnikgesetz dient dazu, daß vom Gesetzgeber her gewisse Verfahren und Kontrollen vorgeschrieben sind. (Beifall der Abg. Tichy-Schreder. )

Da Minister Molterer auch wieder der neuen Regierung angehört, sind wir zuversichtlich, daß die Interessen der österreichischen Landwirtschaft auch in der neuen Bundesregierung entsprechend vertreten werden. Man könnte das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft eigentlich auch als Lebensministerium bezeichnen, da in seinem Bereich ja die Lebensmittelproduktion, aber auch das Wasserrecht verankert ist – Wasser ist auch ein Lebensmittel.

Die Bauern haben – das sei abschließend gesagt – größtes Interesse an stabilen Verhältnissen und an geordneten Budgets, weil wesentliche Bereiche, gerade auch die neue Agrarpolitik, künftige Herausforderungen für die Bauern bedeuten, die von den beiden Regierungsparteien gemeinsam unterstützt werden müssen. Das bedeutet natürlich auch, daß Leistungen der Bauern, die über die Produktion von Lebensmitteln hinausgehen, wie etwa die Erhaltung der Kulturlandschaft, die Erhaltung gesunder Böden und auch gesunden Grundwassers, Leistungen für die Allgemeinheit sind, die man ja nicht auf den Markt tragen kann. Deshalb muß eine andere Art und Weise gefunden werden, diese Leistungen der Bauern abzugelten. Und ich rechne damit, daß diese Bundesregierung in den nächsten vier Jahren die Probleme der Bauern ernst nehmen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

18.22


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 126

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder:
Zum Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. Ich erteile es ihr.

18.23

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Koalitionsübereinkommen der Bundesregierung zeigt ganz deutlich auf, was wir behinderte Menschen in den letzten Monaten bereits befürchtet haben: Ganze zweimal sind wir im Koalitionsübereinkommen in Erscheinung getreten, nämlich dort, wo es darum geht, das Behinderteneinstellungsgesetz zu ändern, und dort, wo es darum geht, schulische Integration zu fördern. Alle anderen Maßnahmen, die zeigen, daß man sich zu behinderten Menschen bekennt, sind zur Gänze herausgefallen.

Von diesen zwei Passagen, bei denen es um die Behinderteneinstellung und um die schulische Integration geht, wissen wir alle seit langem ganz genau, daß das leere Worthülsen sind und daß sich in den letzten Jahren in dieser Richtung so gut wie nichts zum Positiven verändert hat. Wenn Sie, Herr Höchtl, heute sagen: Jeder Arbeitslose ist ein Arbeitsloser zu viel!, dann frage ich Sie, warum Sie meinen Antrag zur Erhöhung der Ausgleichstaxe, um für behinderte Menschen Arbeitsplätze zu schaffen, den ich immer und immer wieder einbringe, generell ablehnen. Wie können Sie das ablehnen, wenn es dabei um Arbeitsplätze für behinderte Menschen geht? Sie sind unglaubwürdig. Sie bemühen sich vielleicht, für sogenannte nichtbehinderte Menschen Arbeitsplätze zu finden, wobei Sie auch diesbezüglich noch nicht wissen, wie es gehen soll. Aber mit behinderten Menschen haben Sie schon lange nichts mehr am Hut. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Auch im Bereich der schulischen Integration kann man Ihnen schon seit Jahren nicht mehr glauben. Alle sprechen von schulischer Integration und sagen, daß schulische Integration gefördert werden muß. Ich zeige Ihnen ein Papier der ÖVP (die Rednerin zeigt eine Broschüre: Die "Erfolgsbilanz der ÖVP"), in dem die Erfolgsbilanz der XVIII. Gesetzgebungsperiode drinnen steht. Ich möchte Ihnen daraus etwas vorlesen: "Der Erfolg der ÖVP: keine Integration geistig behinderter Kinder in der AHS." – Das ist Ihre Schulintegration! Sie verbuchen es als Erfolg, daß Sie verhindern konnten, daß behinderte Menschen in die Regelschule kommen.

Wir glauben Ihnen schon lange nicht mehr. Und Sie haben für uns behinderte Menschen mit Ihrer sogenannten sozialen Treffsicherheit nur eines erreicht: daß Sie uns noch mehr schwächen, als wir es bereits sind.

Sie wollen uns wieder weghaben aus der Gesellschaft. Die Zukunftsorientierung und Zukunftssicherung, die Sie in Ihrem Koalitionsübereinkommen festgeschrieben haben, zielen für Behinderte und pflegebedürftige Menschen genau in Richtung zurück ins Pflegeheim, zurück zur Almosenversorgung, weg vom selbstbestimmten Leben.

Sie haben es in der Frauenpolitik wieder nicht geschafft, pflegende Angehörige sozialversicherungsrechtlich abzusichern, obwohl die SPÖ uns seit Jahren versichert hat, daß es ein ganz, ganz dringendes Anliegen ist, diese Personen endlich sozialversicherungsrechtlich abzusichern. – Nichts ist passiert!

Da frage ich mich: Wieviel sind Ihnen Frauen denn inzwischen wirklich noch wert, wenn Sie in all diesen Jahren nicht einmal erreichen konnten, pflegende Angehörige auch nur mit einem Minimum abzusichern?

Im universitären und schulischen Bereich haben Sie behinderte Menschen geschwächt wie noch nie. Sie alle wissen, daß behinderte Menschen länger brauchen, um ein Studium zu absolvieren, weil einfach die Rahmenbedingungen fehlen, die behinderte Menschen auch an den Unis brauchen. Es gibt keine Gebärdendolmetscher an den Unis. Es gibt auch keine entsprechenden Lesegeräte für sehbehinderte Menschen an den Unis. Es besteht keine Chancengleichheit für behinderte Menschen an den Unis. Und trotzdem sehen Sie für behinderte Menschen dasselbe Label vor wie für nicht behinderte Menschen. Sie machen es damit behinderten Menschen unmöglich, jemals zu studieren.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 127

Gehen Sie doch einmal davon aus, daß behinderte Menschen in den meisten Fällen sowieso nur die Chance haben, in eine Sonderschule zu gehen – nicht, weil sie nicht die Reife hätten, in die Regelschule zu gehen, sondern weil man ihnen dort nur Restplätze anbietet, falls welche vorhanden sind. Behinderte Menschen müssen sich meistens in Form von Abendmatura oder Studienberechtigungsprüfung die Reife für ein Studium erwerben. Im Durchschnitt steigen behinderte Menschen erst mit 24,9 Jahren ins Studium ein. Das brauchen sie in Zukunft gar nicht mehr zu tun, weil sie es sich einfach nicht mehr leisten können. – Auch das ist ein ganz gezielter Schritt, uns aus der Gesellschaft wieder zurückzudrängen, uns die Bildung wieder zu vermiesen und uns ja nicht so weit kommen zu lassen, daß wir für unsere Rechte selber eintreten. (Beifall bei den Grünen.)

Ich und wir alle kennen das seit Jahrzehnten: Es war Ihnen immer recht, wenn behinderte und pflegebedürftige Menschen gut, lieb, brav und dankbar waren. Mit dieser Methodik wollen Sie uns wieder in diese Richtung bringen, so nach der Kopfstreichelmethode: Wir tun alles für dich, aber bitte, wie wir es machen, sagen wir dir. Und du hast nur dankbar zu sein für das, was wir dir irgendwie zugute kommen lassen. Aber bitte stelle keine Ansprüche. – Genau in diese Richtung wollen Sie behinderte Menschen wieder drängen.

Sie wollen es nicht nur psychisch tun oder indem Sie ihnen alle Möglichkeiten zu studieren nehmen, sondern Sie tun es auch finanziell. Es war Ihnen nicht zu blöd – ich habe es bereits in meiner letzten Rede erwähnt –, pflegebedürftigen Menschen, die im Heim wohnen, das Pflegegeld auf 569 S zu reduzieren. (Bundesministerin Dr. Krammer: Taschengeld!) Aber das war noch nicht alles. Inzwischen ist auch klar, daß sich die Länder weitere 10 Prozent der Pension einbehalten. (Abg. Dr. Feurstein: Stimmt doch nicht! Sie sagen immer falsche Dinge!) In der Steiermark – Herr Dr. Feurstein, hören Sie mir zu! – ist es bereits so, daß Menschen, die in Heimen wohnen, nur mehr 10 Prozent ihrer Pension als Taschengeld erhalten sollen.

Bitte, wenn Sie sich einmal ausrechnen, was das für behinderte Menschen oder Menschen, die zwangsweise im Heim leben, bedeutet, dann sehen Sie, daß das ein so menschenunwürdiges Handeln ist, daß Sie sich dafür nur schämen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Feurstein: Zuerst informieren, dann reden!)

Wenn Sie das Taschengeld für behinderte Menschen, die keinen Anspruch auf Pension haben oder noch keine Waisenpension et cetera erlangt haben, auf 569 S im Monat reduzieren, dann frage ich Sie: Wie können Sie ernsthaft vertreten, daß Sie auf dieser Grundlage behinderte Menschen zur Selbständigkeit hinführen wollen? – Sie wollen sie zurückdrängen, aber nicht in die Selbständigkeit führen.

Noch eines: Es hat sich erst gestern wieder gezeigt, wie feindlich man uns behinderten Menschen gegenüber eingestellt ist. Abgesehen davon, daß wir nicht mehr erwähnt werden, versucht man jetzt auch, uns direkt auszuweichen. Gestern, als wir vor Tor 4 des Parlaments gestanden sind – viele Hunderte behinderte Menschen! – und mit den Abgeordneten und der Regierung sprechen wollten, hat man sich ein anderes Tor gesucht, wo man hineingegangen ist, unabhängig von der Fraktion. Und als wir dann auch noch Tor 2 vereinnahmten, gingen eben alle beim FPÖ-Eingang hinein. – Nur um uns auszuweichen, nur um nicht mit behinderten Menschen in Kontakt treten zu müssen! So weit sind wir schon wieder. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kröll: Das stimmt aber nicht generell! – Abg. Dr. Graf: Wenn wir das gewußt hätten, dann hätten wir sie nicht hineingelassen!)

Es wäre für behinderte Menschen viel einfacher und wir könnten uns viel besser orientieren, wenn Sie nicht ständig so tun würden, als ob Sie für uns wären. Sagen Sie, daß Sie mit uns nichts mehr zu tun haben wollen und daß Sie sich behinderte Menschen nicht mehr leisten können und wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Als Sie es damals zugelassen haben, daß Dr. Singer in Österreich eine Debatte über Euthanasie führen konnte, spürten wir schon, was auf uns zukommt. Aber wir glaubten, daß unsere Bundesregierung doch so fair ist, nicht wieder unser Lebensrecht zu diskutieren. Aber


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 128

die Euthanasiedebatte und die Debatte über Sterbehilfe gehen weiter. Und das ist ein gezielter Angriff auf pflegebedürftige und behinderte Menschen! (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, behinderte Menschen zumindest soweit zu unterstützen, daß endlich ein Behinderten-Antidiskriminierungsgesetz geschaffen wird, das uns behinderte Menschen wegbringt aus der ständigen Bittstellerrolle und der Rolle der Almosenempfänger, daß wir endlich Rechte bekommen, damit wir unsere Forderungen auch einklagen können und nicht mehr auf den Goodwill der uns gut oder weniger gut gesinnten Menschen angewiesen sind. (Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Graf .)

Obwohl sich alle fünf Fraktionen dazu bekennen, ein Behindertengleichstellungsgesetz oder -antidiskriminierungsgesetz unterstützen zu wollen, und auch den Petitionsantrag gemeinsam unterschrieben haben, haben sie sich nicht dazu bereit gefunden – obwohl alle fünf Parteien sich dafür aussprechen! –, gleich einen Initiativantrag zu formulieren. Dazu waren sie nicht bereit. Das heißt: ein Stückerl ja, aber in der Konsequenz nein, Behinderte. (Beifall bei den Grünen.)

Wir Grünen und die behinderten Menschen in Österreich fordern diese Bundesregierung deshalb auf, von den Sparmaßnahmen an behinderten Menschen, die Sie wieder ins Heim zurückdrängen, Abstand zu nehmen und uns endlich unser Recht auf selbstbestimmtes Leben zu gewähren. Es steht uns zu. Es steht uns genauso zu, wie Sie es für sich in Anspruch nehmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Graf .)

18.35

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Reitsamer. Ich erteile es ihr.

18.35

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ) : Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Daß die österreichische Bevölkerung Verständnis für ausgewogenes Sparen hat, das hat sich spätestens am Wahlabend gezeigt; und trotzdem war Skepsis angesagt, ob eine Regierung zustande kommen wird.

Die Latte war ja ziemlich hoch gelegt: ein 100-Milliarden-Schilling-Konsolidierungspaket im Rahmen der Budgets 1996 und 1997, sozial ausgewogen, nachhaltig, ausgaben- wie einnahmenseitig. Das zustande zu bringen, war immerhin schwierig. Und die Oppositionsparteien – insbesondere jene am äußerst rechten Rand – haben sich nach einem anfänglichen Schock – ich möchte nur an den Auftritt des Herrn Rumpold im Fernsehen erinnern – zurückgelehnt, gewartet und gehofft, daß nichts zustande kommt. Und daß sie tatsächlich gehofft haben, daß nichts zustande kommt, wurde ja gestern auch bestätigt.

Meine Damen und Herren! Wir alle kennen das Sprichwort: Geben ist seliger denn nehmen. Kollegin Hostasch hat es schon gesagt: Die Auswirkungen des Pakets sind hart. Und wir haben gewußt, daß es schwierig sein wird, die Akzeptanz der Bevölkerung zu erreichen. Es hat sich dabei allerdings als hilfreich erwiesen, daß wir schon im Wahlkampf ganz klar Position dazu bezogen haben. Und wir waren sehr erleichtert und froh, als das Regierungsübereinkommen endlich stand.

Spätestens seit den Rundumschlägen des Erstredners heute früh wissen wir, daß wir richtig unterwegs sind. Der "F"-Vorsitzende hat unserem Bundeskanzler Allgemeinplätze vorgeworfen. Seine Allgemeinplätze, meine Damen und Herren, waren aber auch nicht zu verachten, unter der Devise: Wir wissen zwar nichts Genaues, aber Hauptsache, wir sind dagegen, und ganz wichtig ist es natürlich, wenn wir die Menschen verunsichern. (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind zu jedem Bereich nur einzelne Punkte herausgenommen worden. Man spricht zum Beispiel vom Taschengeld der Pflegegeldstufen. Es hat sich offensichtlich bis zur "F" noch nicht durchgesprochen, daß es nur ein Taschengeld der Pflegegeldstufe 3 gibt, meine Damen und Herren! Aber das macht nichts. Man spricht ja auch von einem Einkommen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 129

Es ist mir heute ein Flugblatt ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Hauptsache, es sind nur 550 S!) Warten Sie ab, Frau Kollegin Partik-Pablé, ich will es Ihnen ja gerade erklären! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das wissen wir schon! Es sind nur 550 S!) Ja, aber jetzt lassen Sie mich einmal ausreden. Es nützt ja nichts, wenn Sie sich künstlich aufregen. Das haben Sie ja schon hinter sich gebracht. (Beifall bei der SPÖ.)

Auf jeden Fall ist mir heute ein Flugblatt in die Hände gekommen, wo von einer 50prozentigen Einkommenskürzung die Rede gewesen ist. Meine Damen und Herren! Wir alle wissen ganz genau, daß Pflegegeld eine Pauschalabgeltung für pflegebedingte Leistungen ist und nichts anderes. Und wenn wir immer von diesen 550 S Taschengeld sprechen, was richtig ist, dann dürfen wir bitte auch nicht vergessen, daß Heiminsassen auch ein Taschengeld von ihren Pensionen bekommen, daß ihnen das 13. und 14. Gehalt bleibt (Zwischenrufe der Abg. Dr. Partik-Pablé ) und daß eben für Neuzugänge dieses Taschengeld von 20 Prozent der Pflegegeldstufe 3 auf 10 Prozent reduziert wurde, und dazu bekennen wir uns. Und wenn Sie noch so dazwischenschreien: Ich lasse mich nicht davon abhalten, meine Rede hier fertigzuhalten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das verlangt ja niemand!)

Konstruktive Vorschläge von Ihrer Seite unterbleiben ja meistens. Aber als Anwalt der fleißigen Österreicher brauchen Sie solche ja auch nicht einzubringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie bitte einmal über den Tellerrand hinaus. Andere Länder haben die gleichen, oftmals schwierigere Probleme (Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie auch nur 550 S Taschengeld?), aber sie haben offensichtlich eine verantwortungsbewußtere Opposition. Bei uns wird immer nur verbal auf die Regierung hingeprügelt, Niveau unterste Schublade, und der Aufruf zu einer konstruktiven Zusammenarbeit verhallt ungehört. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Haben Sie auch nur 550 S Taschengeld?)

Lassen Sie mich bitte auch noch auf die Ausführungen von Kollegin Petrovic eingehen. Sie erklärte uns hier, was sie alles in der Regierungserklärung nicht gefunden hat. Sie unterläßt es aber, zu bemerken, daß viele Punkte, die sie hier bemängelt hat, im Koalitionsübereinkommen sehr wohl festgeschrieben sind. Und es muß auch angeführt werden, daß all das, wozu wir uns schon in der Vergangenheit bekannt haben, was wir schon in Angriff genommen haben und was durchaus positiv läuft, hier nicht noch einmal aufgelistet zu werden braucht.

Liebe Frau Kollegin Haidlmayr! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieviel Taschengeld brauchen Sie?) – Ich brauche gar kein Taschengeld, Frau Kollegin Partik-Pablé, weil ich in der glücklichen Situation bin, nicht Heiminsassin zu sein. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gott sei Dank! Da können Sie froh sein!) Ich habe ja gesagt, ich bin in der glücklichen Situation. Drehen Sie mir nicht immer das Wort im Mund um! (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ja, es hat überhaupt keinen Sinn.

Frau Kollegin Haidlmayr hat hier herunten gesagt, es wäre in der Vergangenheit überhaupt nichts für die Behinderten geschehen. So kann man das auch nicht sehen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Höbinger-Lehrer. ) Was ich mit der Frau Kollegin Haidlmayr bespreche, dürfte Sie, Frau Staatsanwältin in Ruhe, überhaupt nichts angehen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Na sagen Sie einmal, Sie drehen ja total durch!) Oder wer dreht da durch?

Liebe Frau Kollegin Haidlmayr! Ich gebe zu, daß es immer noch zuwenig ist. Und ich glaube auch nicht, daß man die Akzeptanz und die Anerkennung Behinderter extra festschreiben muß. Das ist wohl eine Selbstverständlichkeit. (Abg. Haidlmayr: Das ist es eben nicht!)

Ich gebe es zu, es ist immer noch zuwenig, und man könnte immer noch mehr tun, aber diesem "Darf es ein bisserl mehr sein?" können wir im Moment nicht nachkommen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja widerwärtig, was Sie da sagen! Beenden Sie Ihre Rede, und setzen Sie sich hinein!) Daß wir eine Euthanasie-Diskussion gutheißen, die irgendwo stattfindet, das können Sie uns bitte hier wirklich nicht unterstellen. Das hat mich wirklich sehr betroffen gemacht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ja entsetzlich! Das ist ja unerträglich, was Sie da von sich geben!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 130

Sie waren nicht weniger entsetzlich, aber ich habe mir das, was Sie gesagt haben, angehört und mich damit auseinandergesetzt. Es wäre vielleicht angebracht, Sie würden mir auch zuhören. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich bin schon bei einem ganz anderen Thema. Wenn Sie jetzt erst wach werden, kann ich nichts dafür.

Ich sehe es als besonders wichtig an, daß man sich in Zeiten steigender ... (Abg. Haigermoser: Warum sind Sie so aggressiv, Frau Kollegin?) Herr Kollege Haigermoser! In Salzburg sind Sie immer freundlich, beschränken sich auf "Guten Tag!" und fallen nie durch besondere Lautstärke auf, und hier spielen Sie sich auf wie der große Zampano. – Das kann ich schon lange nicht mehr ernst nehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie ich schon gesagt habe, meine Damen und Herren: Ich sehe es als besonders wichtig an, daß man sich in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit intensivst mit der Arbeitsmarktpolitik auseinandersetzt. Eine neue Offensive für Wachstum und Beschäftigung wurde ins Leben gerufen. Wir setzen uns mit den Problemen Unterbeschäftigung und Überproduktivität auseinander. Der Wirtschaftsstandort Österreich soll durch Maßnahmenbündel gesichert, weiter ausgebaut und attraktiviert werden. Wir starten eine Qualifikationsoffensive, die vorwiegend auch den Frauen helfen soll, und stellen 600 Millionen Schilling für die Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung, um Familie und Beruf besser in Einklang bringen zu können. – Ich hätte auch gern mehr gehabt, aber dem "Darf’s ein bisserl mehr sein?" muß ich entgegenhalten: In Zeiten, in denen Sparen angesagt ist, muß man sich eben nach der Decke strecken.

Sehr positiv zu vermerken ist für mich auch das Bekenntnis zur Integration Arbeitsloser gegenüber den passiven Versorgungsleistungen und zur sozialrechtlichen Absicherung von Telearbeit und anderen atypischen Arbeitsverhältnissen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir dürfen nicht vergessen, daß die soziale Absicherung in einem Land immer mit dem Grad der Beschäftigung vernetzt ist und daß es eines ständigen Reformierens bedarf, um Sinnvolles, für die Menschen Wichtiges zu erhalten und den ständig wechselnden Rahmenbedingungen unter Ausschaltung von Mißbrauchsmöglichkeiten anzupassen.

Wir sollten jedenfalls damit aufhören, meine Damen und Herren, verschiedene Gruppierungen gegeneinander auszuspielen. Der eine oder andere Abgeordnete von den Oppositionsparteien hat sich einzelner Zielgruppen mit dem Ergebnis, daß jetzt gegeneinander aufgewiegelt wird, angenommen. Österreichs Bevölkerung wird es aber zu schätzen wissen, eine berechenbare, stabile Regierung zu haben, die möglichst bald die Arbeit aufnehmen kann.

Ein besonderes Gustostückerl, meine Damen und Herren, waren heute die Angriffe der Frau Abgeordneten Partik-Pablé gegen den Herrn Sozialminister Hums. Sie wirft ihm einerseits vor, daß er glaubt, das Pensionssystem ohne tiefe Einschnitte aufrechterhalten zu können – das hat er nicht gesagt –, und auf der anderen Seite prügelt sie uns wegen ebenso tiefer Einschnitte. Sie hatte gesagt, er wäre nur ein Verwalter und hätte keine Visionen, Denker wären gewünscht. In der "F"-Fraktion gibt es Denker genug. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Gott sei Dank!) Sie überlegen Tag und Nacht, wie sie all das, was die Regierung macht, miesmachen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Der "F"-Vorsitzende hat die Regierungserklärung als "ein Machwerk geistiger Trostlosigkeiten" bezeichnet. Trostlosigkeit versuchen Sie zu verbreiten (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), und es verunsichert Sie zutiefst, weil die Menschen nicht mehr ganz auf Ihre Haßparolen hereinfallen. (Abg. Haigermoser: Die jubelnde Reitsamer!) – Ich brauche nicht zu jubeln, und Sie brauchen nicht zu meckern.

Der Herr Bundeskanzler hat gestern richtig gesagt – und es wäre wichtig, daß sich das alle merken –: Politik der Zukunft wird darin bestehen, den Menschen einen Leitfaden zu geben (Abg. Haigermoser: Einen roten!), ihnen die Chancen zu eröffnen, aus einer guten ökonomischen und sozialen Absicherung heraus sich selbst zu entfalten, ihre eigenen Möglichkeiten wahrzunehmen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen (Abg. Haigermoser: Das müssen


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 131

sie bei dieser Regierung sowieso!), aber doch zu wissen, im Ernstfall nicht allein zu sein. – Sie sind ja nur zornig, weil Sie nicht in der Regierung sind, und das möge Gott noch lange verhindern, Herr Kollege Haigermoser. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Diese Frau hat ein psychisches Problem!)

18.45

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Ich erteile es ihr.

18.45

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht wie meine Vorrednerin Trostlosigkeit verbreiten, sondern ich freue mich ganz außerordentlich, heute zum ersten Mal zu Ihnen zu sprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP und des Liberalen Forums.)

Geht man als Arzt in die Politik, so muß man sein gesamtes Denken umpolen. Eine Diagnose ist plötzlich keine Diagnose mehr, sondern lediglich eine leere Beschwichtigung, daß alles in Ordnung ist, selbst wenn der Patient schwer krank ist. Eine Therapie ist keine Behandlung mehr, sondern lediglich das Herbeiführen neuer Erkrankungen aufgrund falscher Indikationsstellung. – So stellt sich betrüblicherweise die Politik der Regierungsparteien dar, von mir aus der unbefangenen Position eines Arztes gesehen.

Sie täten gut daran, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, einen hippokratischen Eid abzulegen zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Und Sie täten gut daran, darüber nachzudenken, worüber Sie abstimmen, anstatt als gewählte Volksvertreter blind darüber abzustimmen, was Ihnen von der Regierung vorgelegt wird. (Abg. Dr. Nowotny: Den haben Sie ja selber geschworen! – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich kann Ihnen nämlich dann den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie Abstimmungscomputer einer veralteten Generation sind, Herr Abgeordneter! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Wer hat Ihnen denn diese Rede aufgeschrieben?) Ich schreibe meine Reden – zu Ihrer Information – mein ganzes Leben schon selbst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ende letzten Jahres hat dieses Haus ein deutliches Lebenszeichen von sich gegeben. Eine euphorische Stimmung kam auf, es bildeten sich wechselnde Mehrheiten, und es war eine freie Willensbildung zu bemerken. Es war Parlamentarismus in Reinkultur. Und was ist passiert? – Die SPÖ hat die ÖVP in den politischen Schwitzkasten genommen, und die Idee des koalitionsfreien Raumes wurde zur Idee der koalitionsfreien Zündholzschachtel.

Ich frage mich: Warum sitzen wir eigentlich hier, wenn der Herr Kanzler und der Herr Vizekanzler öffentlich verlauten lassen, daß das Hohe Haus ohnehin keinen Spielraum mehr hat? Und ich frage Sie, ob Sie als Gesetzgeber bereit sind, katastrophale Vorschläge abzuändern, oder wird Ihnen die politische Geschäftsfähigkeit ohnehin völlig abgesprochen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber heute bei meiner Einstandsrede nicht nur auf Konfrontationskurs gehen. Ich möchte Sie nicht damit konfrontieren, daß im Budgetvorhaben zur Gesundheitspolitik weder strukturelle noch finanzielle, noch bewußtseinsändernde Maßnahmen in notwendiger Form vorhanden sind. Wir haben allerdings – ich möchte Ihnen da nämlich nicht unrecht tun – jetzt eine Strukturkommission im Programm. Und ich zitiere: Diese Strukturkommission hat zur Aufgabe, "die Entwicklung des österreichischen Gesundheitssystems zu beobachten". – Wahrlich ein österreichischer Fall der "Kommissionitis"!

Ich möchte Sie auch nicht damit konfrontieren, daß die Einführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung wieder nicht terminisiert wurde. Und jetzt lese ich Ihnen eine Überschrift aus der "Arbeiter-Zeitung" vor: "Die Spitalsreform geht in die Endrunde". Wann, glauben Sie, wurde das geschrieben? – 1978! (Abg. Dr. Graf: Die hat der Cap nicht gelesen! Da war er demonstrieren!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 132

Ich will Sie auch nicht damit konfrontieren, daß Sie den extramuralen Bereich so schwach wie möglich halten und damit ein Einsparungsvolumen in zweistelliger Milliardenhöhe nicht lukrieren.

Und ich will Sie auch nicht damit konfrontieren, daß sich in den Regierungserklärungen des Herrn Bundeskanzlers von 1987 bis 1996 – ich haben sie verglichen – inhaltlich nichts geändert hat.

Wo ich Sie aber als Ärztin nicht aus der Verantwortung entlassen kann, ist die Abschaffung der Geburtenbeihilfe, die an den Mutter-Kind-Paß gebunden ist. Ich möchte keiner Mutter fehlende oder falsche Motivation unterstellen, daß sie nicht das Beste für ihr Kind will, aber in Österreich nehmen nur 5 Prozent der Bevölkerung regelmäßig vorsorgemedizinische Untersuchungsprogramme in Anspruch. Legt man das nun auf die Schwangerschaft, auf die Neugeborenenperiode, auf die Säuglingszeit, auf die frühe Kindheit um, dann kann und muß ich als verantwortungsvoller Politiker mit einem Einbruch in der Vorsorge aufgrund der Streichung der Geburtenbeihilfe rechnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vor allem aber als Kinderradiologin und als Mutter eines 9jährigen Buben ist es mir ganz wichtig, Ihnen zu sagen, daß nur die Früherkennung von motorischen Störungen durch kontinuierliche ärztliche Überwachung und schnelles Einsetzen von Förderprogrammen Folgeschäden wirklich verhindern können und daß gerade Erkrankungen, die zur Chronizität neigen, einer frühen Diagnosestellung und einer frühen Therapie bedürfen, damit den Eltern und den Kindern viel Leid erspart wird und der Gesellschaft letztendlich enorme Folgekosten.

Ich darf Ihnen ein Beispiel geben: Es ist im Mutter-Kind-Paß im zweiten Lebensjahr des Kindes eine augenärztliche Untersuchung vorgesehen. Das ist die wichtigste augenärztliche Untersuchung im gesamten Leben. – Warum? – Wenn Sie ein Kind haben, das auf einem Auge schwachsichtig ist, und Sie erkennen es nicht früh genug, dann wird dieses Auge nicht gefördert, und Sie verursachen damit schlußendlich die Blindheit Ihres Kindes. – Wollen Sie das? Ich nehme an, nein.

Ich will aber nicht nur Ihre emotionale Seite ansprechen, sondern auch die Kostenseite betrachten. Wenn Sie einen Schilling in die Vorsorge investieren, haben Sie mittelfristig einen Einsparungseffekt bis zu 90 S. Ein Einbruch in der Mutter-Kind-Paß-Untersuchung würde einen erhöhten Pflegeaufwand nach verabsäumter Pflegebehandlung bedeuten, extensive Krankenhausaufenthalte, hohe Kosten durch Nachfolgeoperationen und die sauteure sonderpädagogische Förderung, weil der Mutter-Kind-Paß auch psychosoziale Mißstände aufdecken kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mit jedem Schilling Wegfall bei der Geburtenbeihilfe haben Sie einen Verlust in den nächsten Jahren, der diesen um ein Vielfaches übersteigt. Unter dem Strich kommt damit eine Welle von Zusatzbelastungen im Gesundheitssektor auf Sie zu.

Es gab bereits eine schuldbewußte Wortmeldung der Familienministerin Moser, die Sie ja schon wegrationalisiert haben. Sie hat nämlich gesagt, schauen wir uns halt einmal an, ob es wirklich und in welchem Maße es zu einem Einbruch bei der Mutter-Kind-Paß-Untersuchung kommt. Sie haben allerdings das Problem nach dem Motto: "Aus den Augen – aus dem Sinn!" bereits auf Ihre Weise gelöst.

Ich sehe diese Politik als konsequente Arbeit gegen die Gesundheit unserer Bevölkerung, und ich appelliere an Sie: Begeben Sie sich auf die Suche nach Ihrem Gewissen als Mensch und Politiker, bevor Sie sämtliche Initiativen zur Korrektur eines Regierungsvorschlages abschmettern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bitte Sie inständig: Vergessen Sie nicht, daß Tausende Menschen davon betroffen sind, ob Sie sich von Ihren Sesseln erheben oder nicht. – Danke. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.54


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 133

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Haigermoser: Kiss! Der Beifall hat der Frau Povysil gegolten, nicht dir! – Abg. Kiss: Leider! – Aber mein Kompliment kommt!)

18.54

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ja, es ist eine andere Facette der Präsentation gewesen, wie ich sie von der Vorrednerin gehört habe. Sie war angenehm, sympathisch, kompetent, wie ich annehme. Ich würde mir mehr Freiheitliche von diesem Niveau wünschen, werte Kollegen! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Gerade Sie haben es notwendig, wo Sie noch in einer Pressekonferenz vor der Wahl den Rücktritt von Einem gefordert haben! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich komme auf das noch zu sprechen. Nur Geduld, Herr Kollege, ich komme noch genau darauf zu sprechen!

Ich halte es mit unserem Klubobmann Andreas Khol, der heute vormittag gesagt hat ... (Abg. Ing. Meischberger: Wie ist das jetzt mit dem Einem?) Ich komme darauf zu reden. Geduld! Ich werde das, was zu sagen ist, jetzt hier in den nächsten Minuten deponieren. Bitte, hört mir zu! (Abg. Haigermoser: Du bist ein Wendehals geworden!)

Ich halte es also mit dem Klubobmann der ÖVP, mit Kollegen Khol, der über die alte neue Koalition zwischen ÖVP und SPÖ heute vormittag gesagt hat, es sei eher eine Vernunftehe. – Ja, dieses Urteil teile ich. Auch für mich ist es keine Liebesheirat, die ich jetzt einzugehen habe, auch ich habe noch das Wahlkampfgetöse in meinem Hinterkopf, und ich weiß, daß ich natürlich durchaus kein friktionsfreies Verhältnis zu Innenminister Einem gehabt habe – und auch weiterhin nicht habe. Aber die Zeit des Wahlkampfes ist vorbei. Es gilt, Bilanz zu ziehen, es gilt, in die Zukunft zu schauen, und meine Aufgabe ist es unter anderem, gemeinsam mit dem verantwortlichen Innenminister als Ansprechpartner der ÖVP jene Politik zu zimmern, die Österreich sicherer macht. Das ist meine Aufgabe, so verstehe ich meine Funktion. (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Wenn die Kollegen von der Freiheitlichen Partei glauben, daß Wahlkampf ad infinitum fortgeschrieben werden könnte, dann irren sie, dann irren sie deswegen, weil Wahlkampf eben eine ganz besondere Zeit ist. – Jetzt ist die Zeit des Arbeitens da, jetzt ist die Zeit da, konkrete Sachinhalte einzubringen, jetzt ist unter anderem die Zeit da, daß Kiss beispielsweise auch mit Einem in einer sehr sachlichen, moderaten und damit, wie ich glaube, auch für dieses Land konstruktiven Art und Weise harmoniert. Das verstehe ich unter meiner Aufgabe! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wer sagt mir, daß innerhalb der Freiheitlichen Partei grundsätzlich immer alles eitel Wonne und Waschtrog ist? Sie selbst werden mir den besten Beweis führen, daß man nicht grundsätzlich mit jedem Parteifreund in harmonischer Art und Weise umgeht. Manchmal spürt man gerade vom Parteifreund, daß man das Hackl hint’ im Kreuz hat. Lassen Sie doch mir bitte auch meine Linie, um mit dem Innenminister persönlich ins reine zu kommen, um mit ihm die beste Politik für die Sicherheit in diesem Land zu machen! (Beifall bei der ÖVP. – Vizekanzler Dr. Schüssel betritt den Saal und begibt sich zur Regierungsbank.)

Ich spreche es bewußt an: Wir haben zwei große Reformabschnitte vor: die Reform der Sicherheitsexekutive und natürlich den gesamten Bereich der Ausländergesetzgebung. (Abg. Haigermoser: Dein Parteiobmann hat das Hackl mit!) – Der Parteiobmann hört mir zu, der wird das bestätigen, das ist seine Linie.

Im Bereich der Reform der Sicherheitsexekutive gilt das, was wir festgeschrieben haben: Wichtig ist, daß der Mann auf der Straße, der sichtbare, präsente Gendarm und Polizist, wahrgenommen wird – nicht der Mann im Ministerium zählt. Dort haben wir abzuschlanken, dort müssen die Kräfte gebündelt werden. Es gilt, unser Land, unsere Städte, unsere Dörfer für die Bevölkerung sicherer zu machen. (Abg. Dr. Graf: Gemeinsam mit Einem!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 134

Wir planen unter anderem, daß wir dezentralisieren, daß wir Aufgaben von der Verwaltungsebene aus dem Ministerium, aus dem Gendarmeriezentralkommando, aus den Bundespolizeidirektionen auslagern in die niedrigsten Instanzen – im budgetären Bereich, im personellen Bereich, im strukturellen Bereich, im organisatorischen Bereich, im Bereich des Managements. (Abg. Dr. Graf: Wieviel werden Sie für das "TATblatt" spenden?) Das ist eine Form der Dezentralisierung, die unserer Sicherheitsexekutive zugute kommt, und ich bin davon überzeugt, daß auch mit Maßnahmen der Ausgliederung Wichtiges, Neues, Gutes für die Menschen geschaffen werden kann, denn wer Unnötiges an andere, private Einrichtungen abgibt, der wird seine Kräfte auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren können.

Wenn wir dann ein weiteres großes Bündel an Aufgaben vor uns haben, das Sicherheits-Akademie heißt, dann ist das etwas, wo der Minister mit unserer vollen Unterstützung rechnen kann. Es gilt, die Qualifikation der Sicherheitsexekutive nach Möglichkeit auf jenen Standard zu heben, daß wir uns international sehen lassen können, daß überhaupt im Bereich der Internationalität die Kollegialität gelebt wird, daß im Bereich der Internationalität Erfahrungsaustausch, Meinungsaustausch, Informationsaustausch betrieben werden.

Daß der Grenzdienst einer Lösung zugeführt werden muß, ist uns allen bewußt. Unsere Grenze muß sicher sein – das ist eine Vorgabe innerhalb der Europäischen Union.

Der Assistenzeinsatz des Bundesheeres leistet unschätzbare Hilfe. Daß darüber hinaus aber natürlich auch die Grenzgendarmen und die Zollwache ihren Anteil an einem sicheren Österreich in hohem Maße beizutragen haben, versteht sich von selbst.

Auch mit der Tatsache, daß darüber hinaus 1 000 Planstellen im Bereich des Innenministeriums – und ich sage es ganz bewußt: 1 000 Planstellen im Bereich des Innenministeriums – der Rationalisierung zum Opfer fallen werden, identifizieren wir uns. Denn eines ist klar: Wenn die Verwaltung insgesamt im Bereich des öffentlichen Dienstes schlanker wird, wenn in den nächsten Jahren 11 000 Planposten eingespart werden müssen und wenn der Anteil aus dem Bereich des Innenministeriums 1 000 umfaßt, dann haben die Verwaltungseinrichtungen, dann haben die Zentralstellen, dann haben die Personen im Ministerium, im Gendarmeriezentralkommando, in den Bundespolizeidirektionen daran zu glauben, aber nicht die Kolleginnen und Kollegen in den Wachstuben, in den einzelnen Gendarmerieposten, denn die sind dafür da, die Sicherheit des einzelnen Bürgers zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: 7 500 bei der Post und 1 000 bei der Exekutive sind 8 500!)

Wir sind uns dessen bewußt, daß in einer sehr sensiblen Frage für die kommenden vier Jahre ebenfalls ein neuer Weg gesucht werden muß, der auf altem und, wie ich glaube, sehr gutem Fundament aufbaut.

Wir sind der Auffassung, daß die Entwicklung der gesamten Ausländergesetzgebung, ob es jetzt das Asylgesetz, das Aufenthaltsgesetz oder das Fremdengesetz ist, menschlicher gestaltet werden muß. Unter diesem humanen Zugang wollen wir in den nächsten Wochen und Monaten miteinander reden. Wir haben die Bedingungen der Schubhaft neu zu überdenken. Wir wollen aber, daß die Beseitigung der Härten nicht in der Form erfolgt, daß auf dem Arbeitsmarkt auf Dauer Defizite durch Ausländer entstehen.

Auch in diesem Bereich wird es notwendig sein, in einer Abstimmung mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz neue, gute, ja für dieses Land, wie ich glaube, bestmögliche Wege zu gehen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich schließe mit unserem Bundesparteiobmann Wolfgang Schüssel. Er hat heute vormittag in seiner Rede unter anderem über den öffentlichen Dienst gesprochen und gemeint, das, was Siegi Dohr geleistet hat, was die Kollegen innerhalb der Gewerkschaft gebracht haben, ist eine vorbildliche Gesinnung gewesen, denn es ist ja nicht so selbstverständlich, wenn 16 Milliarden Schilling eingespart werden müssen. Es ist ja nicht so selbstverständlich, ja zu sagen zur Einsparung von – ich habe es bereits erwähnt – 11 000 Planstellen. Es ist ja nicht so selbstverständlich, daß ein Gewerkschafter sagt, ich bin bereit,


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 135

Nullohnrunden de facto zu akzeptieren, noch dazu, wo dies ja nicht deren originäre Aufgabe ist. So selbstverständlich ist das nicht.

Darum ein großes persönliches Dankeschön auch meinerseits an den öffentlichen Dienst, an die Verantwortlichen in der Gewerkschaft. Ich bin persönlich überzeugt – ich weiß es aus den Gesprächen mit den Menschen –, daß ein Land sich gut und glücklich schätzen kann, das eine Gewerkschaft hat, die sich ihrer Verantwortung bewußt ist, die mit den Menschen mitdenkt, mitträgt und damit zur Gesundung dieses Landes in Zukunft beiträgt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Bundesministerin Krammer hat sich nunmehr zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Minister, Sie haben das Wort.

19.03

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz, weil sich die Frau Abgeordnete – Sie ist jetzt leider nicht im Saal –, die ihre erste Rede gehalten hat, zur Gesundheit geäußert hat. Ich mache ihr das Angebot, Herr Kollege Haupt und Herr Kollege Pumberger, setzen wir uns einmal mit ihr zusammen, sodaß wir die Gewähr haben, daß sie wenigstens in Rudimenten weiß, wo die Kompetenzen liegen, und daß gewisse Dinge dann eben nicht gesagt werden, die uns einfach nicht gesagt zu werden haben. – Das zur Gesundheit.

Ich möchte aber grundsätzlich zur Streichung der Geburtenbeihilfe etwas sagen: Natürlich ist es für eine Regierung nicht angenehm, sich hinzustellen und zu sagen, es tut uns leid, wir können die Geburtenbeihilfe nicht mehr geben, wir können die Untersuchungen im Mutter-Kind-Paß nicht mehr bezahlen. Nur eines darf man, bitte, nicht vergessen: Die Untersuchungen an sich bleiben gratis, nur die Belohnung dafür, daß eine Mutter oder ein Vater mit dem Kind zum Arzt geht, wird es nicht mehr geben.

Ich kann Ihnen aus der heutigen Zeitung eine wirklich unverdächtige Zeugin zitieren, die gesagt hat: "Ich finde es traurig, wenn jemand nur des Geldes wegen mit seinem Baby zum Arzt geht." Und jene, die das gesagt hat, ist wahrlich eine unverdächtige Zeugin – da wird niemand sagen können, sie redet der Bundesregierung nach dem Wort –, das ist nämlich Frau Dr. Marina Markovich. Ich halte sie für sehr kompetent, sich diesbezüglich zu äußern. Sie ist als Ärztin von vielen Leuten anerkannt.

Ich finde es traurig, daß hier in diesem Haus darüber diskutiert und eigentlich den Müttern etwas eingeredet wird, was nicht notwendig wäre. Das möchte ich dazu sagen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.05

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Herr Abgeordneter, die Ihnen verbleibende Redezeit beträgt exakt 2 Minuten.

19.05

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Umweltpolitik wird von den Liberalen in dieser Debatte über die Regierungserklärung entsprechend behandelt, nämlich ganz zum Schluß, aber dafür umso kürzer. Das Tragikomische an dieser Regierungserklärung für den Bereich Umwelt ist aber – und das können Sie selbst nachlesen, ich kann es Ihnen leider nicht mehr vorlesen –, daß allein in der Regierungserklärung weniger Maßnahmen enthalten sind als im Vorwort, das der Herr Umweltminister für den Jahresbericht 1994 der österreichischen CO2-Kommission geschrieben hat. Der Jahresbericht enthält mehr Maßnahmen, konkretere Maßnahmen, mehr Visionen, als Sie in der Regierungserklärung finden werden.

De facto hat trotz markiger Worte die Regierungserklärung eigentlich mit der Umweltpolitik Schluß gemacht. Denn es wird von ökologischer Strukturoffensive geredet, es wird von höchstmöglichen beschäftigungspolitischen Effekten geredet, die Wahrheit sieht aber anders aus.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 136

Wenn nämlich – und ich nehme nur das Beispiel der Energiesteuer auf Strom und Gas her – diese Energieträger belastet werden, aber etwa fossile Brennstoffe nicht, damit auch nicht zum Beispiel Heizöl extraleicht, das den gleichen Preis wie vor 22 Jahren hat, bedeutet das de facto – und das müßte gerade auch die ÖVP wissen – ein Aus für alle Biomasseanlagen in den ländlichen Bereichen. Diese sind damit de facto abgedreht.

Das heißt, meine Damen und Herren, das, was hier als ökologische Strukturoffensive bezeichnet wird, ist eine Offensive der alten Strukturen, genauso wie diese Koalition bloß eine Neuauflage einer alten ist.

Herr Abgeordneter Kiss! Da meine Redezeit ausläuft, darf ich Ihnen mein Fazit sagen: Aufgewärmte Suppen schmecken nicht. Mit dieser Koalition ist es ähnlich. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Stippel. – Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit beträgt noch 15 Minuten.

19.07

Abgeordneter Dr. Johann Stippel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Ich beginne meine Ausführungen mit einem Zitat aus der gestrigen Regierungserklärung von Bundeskanzler Vranitzky – ich zitiere –:

"Ein häufig wiederkehrendes Thema ist die stärkere Verbindung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung. Nicht zuletzt deshalb will die Bundesregierung mit der Schaffung eines Verkehrs- und Wissenschaftsressorts neue Wege gehen. Hier werden die Bereiche Innovation, Technologie, Infrastruktur, Wissenschaft, Forschung und Kultur miteinander verknüpft. Jedenfalls alles Bereiche, die für die zukünftige Gestaltung unseres Landes von Bedeutung sind. Es sind Bereiche, die mit Mut und Phantasie in einem Zukunftsministerium gut aufgehoben sind und neue Impulse auslösen werden."

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Damit ist klar umrissen, wie sich die Forschungslandschaft in Österreich in den nächsten Jahren gestalten soll. Der Forschungssektor ist auch von den Sparmaßnahmen der Bundesregierung kaum betroffen. Natürlich könnte es bei den Ausgaben auch in diesem Bereich mehr sein. Das wissen wir. Doch haben wir gerade in Österreich, was die F- und E-Förderung betrifft, ein spezielles Problem, nämlich das Verhältnis von öffentlichen Ausgaben zu privaten Ausgaben.

Der private Sektor ist schwach ausgebildet, dies zeigt ein Vergleich mit anderen Ländern. Wir haben in Österreich in dem von mir genannten Verhältnis eine Fifty-fifty-Finanzierung, während in vergleichbaren Ländern, wie beispielsweise in der Schweiz, in Belgien oder Finnland, der private Anteil bis zu 70 Prozent ausmacht. Dazu kommt noch, daß – und das bedauere ich keinesfalls – wir in Österreich keine militärische Forschung haben, in vergleichbaren Ländern hingegen durch die militärische Forschung die Forschungsausgaben höher anzusetzen sind. Wichtige Instrumente der Forschungsförderung in Österreich sind die Fonds, der FWF, der FFF und der ITF.

Die Ziele der österreichischen Forschungspolitik müssen sein: Prioritäten setzen, Synergien erzeugen, Effizienz steigern sowie die Internationalisierung unserer Forschungslandschaft betreiben. Zu letzterem sei besonders bemerkt, daß eine verstärkte Wechselwirkung zwischen national und international die Weiterentwicklung unserer Forschung entscheidet.

Es wird in der kommenden Woche in Brüssel die diesjährige EUREKA-Konferenz stattfinden, die Konferenz der Europäischen Forschungsinitiative. Es gereicht mir zur Ehre, daß ich das Hohe Haus bei dieser Konferenz vertreten darf. Österreich profitiert von dieser europäischen Forschungsinitiative bereits sehr deutlich. Zirka 300 Forschungsprojekte werden über EUREKA mitfinanziert.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 137

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Sparmaßnahmen der Bundesregierung sind im großen und ganzen ausgewogen und werden daher auch von der Bevölkerung im großen und ganzen akzeptiert. Natürlich gibt es da oder dort Gruppen, die meinen, stärker belastet zu sein als andere. Dazu zählt der gesamte Hochschulbereich. Wir merken es in den letzten Tagen, es herrscht im Hochschulbereich Unruhe, weil es in diesem Bereich durch die Sparmaßnahmen tatsächlich da und dort zu Härten kommen kann und kommen würde.

Dem möchte ich aber gegenüberstellen, daß es in Österreich auch weiterhin einen freien Zugang zu allen Bildungseinrichtungen gibt, auch zu den Universitäten und den Kunsthochschulen, was in fast keinem anderen Land der Fall ist. Dasselbe gilt für das kostenlose Studium. Aber wir müssen uns dessen bewußt sein, die Ressourcen sind knapp. Wir müssen uns allerdings in diesem Zusammenhang die Frage stellen: Nützen wir diese knappen Ressourcen an unseren hohen Schulen auch tatsächlich, was Räume anlangt, was Geräte anlangt, aber auch was den Zeitfaktor anlangt?

Ich glaube, wir sollten uns wirklich überlegen, ob wir nicht an den Universitäten zu einer Trimestereinteilung kommen sollten, um damit auch Schnellstudierern die Möglichkeit zu geben, wenn sie alle Trimester inskribieren, rascher ihr Studium zu beenden, als das derzeit der Fall ist.

Ich setze auch sehr viel auf das Universitätsstudiengesetz, das zwar in der Begutachtung sehr stark kritisiert wurde, das aber in seiner Zielsetzung unbestritten ist und zum Ziel hat, daß man in Hinkunft in Österreich kürzer, schneller studieren kann, ohne daß darunter die Qualität leidet.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Um die etwas angespannte Situation im Hochschulbereich zu entspannen, finden derzeit Gespräche zwischen dem Bundesministerium und den Universitäten und Kunsthochschulen zwecks Minderung vorhandener echter Härten statt. Im Rahmen der universitären Autonomie sollen die einzelnen Universitäten, die sich ja sehr differenziert darstellen, selbst entscheiden, wie sie ihre Mittel einsetzen. Dann können die einzelnen Universitäten auch Härten, die sie speziell treffen, mindern oder überhaupt wegbringen.

Insgesamt, meine sehr geschätzten Damen und Herren, ist jedoch unbestritten, daß alle Bevölkerungsgruppen dazu beitragen müssen, das Budget zu konsolidieren und damit Österreich in die Europäische Währungsunion hineinzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster Redner ist Abgeordneter Kröll zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

19.14

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren Minister! Hohes Haus! Auch ich stehe hier zum erstenmal an diesem Rednerpult des Hohen Hauses und nütze die Möglichkeit, zur Erklärung der Bundesregierung auch aus der Sicht eines Bürgermeisters nach mehr als 20jähriger Tätigkeit und auch aus der Sicht des Gemeindebundes, also unserer Interessenvertretung, somit aus der Sicht der Gemeinden, das Wort zu ergreifen.

Ich bedauere es sehr, daß Frau Kollegin Haidlmayr jetzt nicht hier ist. Ich bin direkt betroffen, denn man kann hier nicht so allgemein sagen, daß alle Leute bei einer anderen Tür hereingegangen sind. Ich zum Beispiel habe mich sehr lange mit den Behinderten vor dem Tor 2 beschäftigt, weil ich eine echte Beziehung zu ihnen habe und weil gerade in den Gemeinden diesen Menschen auch viel Sympathie entgegengebracht wird. Es war direkt ein Untergriff, den ich nicht erwartet hätte. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade wir, die wir ja täglich in engstem Kontakt mit den Bürgern stehen, ihre Sorgen und Probleme hören, wissen selbstverständlich, was die Bürger von diesem Paket und den notwendigen Sparmaßnahmen halten.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 138

Aber wenn man mit den Menschen spricht, dann hören sie einem zu und verstehen, daß das ja nicht ein Programm für Jahrzehnte ist, sondern eine Notwendigkeit, um später wieder etwas zulegen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Entscheidend, meine Damen und Herren, ist aber die Gesamtsicht, die Gesamtverantwortung, die für Gemeinden, Länder oder für den Staat zum Ziel des politischen Handelns gemacht wird. Und die 2 350 österreichischen Gemeinden, die Dörfer, die Märkte und die Städte inklusive Wien mit 136 000 Beschäftigten – ohne Wien sind es immerhin 78 200 Bedienstete laut offizieller letzter Statistik aus dem Jahre 1993 – sind ein bedeutender Faktor in bezug auf Arbeitsplätze und für ganz Österreich.

Die Gemeinden sind auch der größte öffentliche Investor. Sie werden daher verstehen, daß wir ein großes Interesse daran haben, daß durch die Sparmaßnahmen auf der einen Seite Ressourcen geschaffen werden, damit es in der Zukunft wieder zu Investitionen kommt. Die letzten verfügbaren umfassenden Zahlen für Investitionen stammen aus 1993. Die Bruttoinvestitionen der öffentlichen Hand, also von Bund, Ländern und Gemeinden, betrugen 1993 64,4 Milliarden Schilling. Davon entfallen auf die Gemeinden ohne Wien 33,8 Milliarden, also mehr als die Hälfte der gesamten Investitionen der öffentlichen Hand entfallen auf die Gemeinden, und zwar ohne Wien.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie können daran messen, daß, ob es sich um Hochbau- oder Tiefbaumaßnahmen handelt, die Gemeinde als Arbeitgeber oder als Auftraggeber auch ein entscheidender Faktor ist.

In der Regierungserklärung wird auch zu Recht auf den Finanzausgleich verwiesen. Die grundsätzlich erfolgreiche Einigung über die Verlängerung und die Anpassung dieses Finanzausgleichs bis Ende des Jahres 2000 ist auch für die Kommunen das Fundament für die finanzielle Ordnung und für die finanzielle Sicherheit all ihrer Aufgaben, die ein Leben lang den Menschen begleiten.

Das ist daher neben der Gemeindeautonomie und der Selbstverwaltung die dritte Säule, die die Gemeindepolitik bestimmt. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Ländern und dem Bund muß jeder für sich auch in bezug auf das Konvergenzprogramm denken, beschließen, aber auch den anderen Partner einbeziehen, um das Defizit des öffentlichen Haushalts auf die gültigen Maastricht-Kriterien zu reduzieren. Das bedeutet auch, daß bei 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes die Gemeinden mit den Ländern 10 Prozent jenes des Bundes, nämlich von 3 Prozent, zu tragen haben. Das bedarf wahrlich großer gemeinsamer Anstrengungen.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt für die Vertrauensbildung der Gebietskörperschaften ist der vorgesehene Konsolidierungsmechanismus. Unser Klubobmann hat heute in gebührender Weise auf dieses Element hingewiesen. Und ich weiß auch, wovon ich rede. Es besteht die Aufgabe, die finanziellen Auswirkungen von Beschlüssen und Gesetzen für die Partner, die des Bundes für die Länder oder der Länder für die Gemeinden, zu behandeln und zu berücksichtigen, ebenso die Staatsreform im Sinne des Föderalismus zu beachten.

Die Bundesregierung bietet aber auch – in ihrer Erklärung und im Finanzausgleich vorgesehen – Anreize für die Lösung nach vielen Jahren der KRAZAF-Einigung, indem man Geld in Aussicht stellt, wenn man eine Einigung erzielen kann. Ich glaube daher, daß das auch für viele Kommunen und natürlich auch für die Länder und die Träger unserer Krankenanstalten von großer Bedeutung ist. (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Die Förderung der Kinderbetreuung mit 600 Millionen wurde angesprochen. Das wird sicherlich auch zu Folgeeffekten auf kommunaler Ebene führen.

Der Siedlungswasserbau, die Abfallwirtschaft, die Sondernotstandsanliegen sind nicht nur finanzielle Anliegen, sondern stellen auch Aufgabenstellungen im menschlichen Bereich einer Gemeinde gegenüber ihren Bürgern dar – also Herausforderungen für uns alle.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 139

Die finanziellen Regelungen im Wege des Finanzausgleichs sind, wie gesagt, wichtig, ja sie sind sehr wichtig, aber Gemeinde heißt mehr als nur, daß ein Finanzausgleich allein das Bedeutende für die Gemeinde ist. Gemeinde ist in erster Linie Heimat: Heimat für den Gemeindebürger, für den Landesbürger, für den Staats- und den Europabürger. Und hier finden die Gespräche statt, die Begegnungen mit den Menschen, die Diskussionen, die Mitarbeit – ehrenamtlich oder in den Gemeindestuben, in den Kirchen, in den Vereinigungen –, Bürgerentscheidungen, die auch außerhalb als Anregung dienen. Die Umwelt ist eine Herausforderung und Partnerschaftsverträge waren lange Zeit Wegbegleiter, bis wir nach Europa gekommen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Seit Kriegsende haben die Gemeinden einen wichtigen Beitrag zum Aufbau dieses blühenden Staates, unseres Vaterlandes Österreich, geleistet, weil wir zu jeder Zeit und in solchen Zeiten, in denen es schwieriger war als jetzt – viel, viel schwieriger! –, an dieses Land und an dieses Österreich geglaubt haben, als wichtiges Fundament des Aufbaues in drei Prinzipien: Gemeinden, Länder, Republik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

So wollen wir auch die Zukunft gemeinsam gestalten. Dazu ist wahrscheinlich nicht ein Zukunftsministerium notwendig, aber die Sicht in die Zukunft von uns allen und das Motto: in Partnerschaft zwischen Gemeinden, Ländern und Bund für ein glückliches Österreich im Herzen Europas zu arbeiten. Die Gemeinden sind dazu bereit. Sie waren es immer, sie sind ein verläßlicher Partner, und die ÖVP mit Vizekanzler Schüssel als die Bürgermeisterpartei bringt in diese Partnerschaft auch Verläßlichkeit ein. In diesem Sinne stehen wir zur Verantwortung für die Gemeinden und für Österreich. (Beifall bei der ÖVP.)

19.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Blünegger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

19.24

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzter Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Meine sehr geschätzten Damen und Herren Abgeordnete! Die gestrige Regierungserklärung des Kabinetts Franz Vranitzky V war für mich derart beeindruckend, daß ich mich als Facharbeiter in der heutigen Debatte zu dieser Regierungserklärung zu Wort melden muß, und zwar deshalb, weil nämlich die Facharbeiter, die Bezieher von mittleren Einkommen, die Leidtragenden bei diesem Belastungspaket, das von der Regierung geschnürt wird, sind. Das Belastungspaket ist arbeitsplatzvernichtend und sozial unausgewogen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Edler. )

Die Wahlversprechen Ihrer Partei und Ihrer Funktionäre haben mich auch dazu bewogen, daß ich einen Brief zitiere, den die Familie Blünegger vom Herrn Bundeskanzler bekommen hat, in dem nämlich steht, daß die ÖVP, mit der die SPÖ jetzt wieder eine gemeinsame Regierung bildet, eigentlich derjenige Teil ist, der das Pensionsalter überfallsartig erhöhen, die Pensionen gesetzlich kürzen und alles mögliche will. (Ruf bei den Freiheitlichen: Unwahrscheinlich!) – So steht es in diesem Brief. Und die SPÖ garantiert mir meine Pension und will sie sichern.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren der Regierungspartei! Das alles sind Wahlversprechen, die nicht gehalten werden, und wie jetzt vorgegangen wird, ist einfach nicht gerecht. Die Pensionisten werden hier getäuscht. Das Wahlergebnis hat es ja auch gezeigt, daß nämlich die Pensionisten dadurch vermehrt der SPÖ ihre Stimme gegeben haben. Aber wir werden aufzeigen, daß dieses Wahlversprechen von Ihrer Partei nicht gehalten wurde. Ich empfehle Ihnen, Ihren Parteinamen zu ändern; Sie könnten das Wort "sozialdemokratisch" dahin gehend ändern, daß Sie sagen, Sie sind "schröpfungsdemokratisch" vorgegangen. Das ist, so glaube ich, der passendere Ausdruck. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Warum ist dieses Belastungspaket nicht sozial ausgewogen? – Ich habe es unter anderem schon einmal erwähnt: durch die Abschaffung des allgemeinen Absetzbetrages, die Belastung des 13. und 14. Monatsgehaltes, die Streichung der Sonderausgaben und die Einführung der berühmten Energiesteuer. Das alles sind Maßnahmen, die von der Regierungskoalition


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 140

gesetzt werden und wodurch locker 26 Milliarden Schilling auf Kosten der Arbeitnehmer und Familien eingetrieben werden.

Jetzt kommt natürlich noch eines hinzu – das hat der Herr Bundeskanzler gestern auch in seiner Erklärung gesagt –: Alle sollen gleich belastet werden. Wo werden da alle gleich belastet? – Bei einem Bruttoeinkommen von 13 000 S beträgt die Belastung 2,9 Prozent, bei einem Bruttoeinkommen von 30 000 S beträgt die Belastung 3,5 Prozent, und bei einem Bruttoeinkommen von 150 000 S beträgt die Belastung 2,1 Prozent. (Ruf bei der SPÖ: Geh! Schaut euch die Nachrichten an!) Wo ist hier eine Gleichbehandlung? – Ich sehe anhand dieser prozentuellen Anteile eigentlich, daß die Belastung nicht gleich verteilt ist.

Tatsache ist, daß die realen kleinen und mittleren Einkommen der Arbeitnehmer geschmälert werden. Ein Reallohnverlust bedeutet in unserem wirtschaftlichen System gleichzeitig auch Arbeitsplätzeverlust. Und das EU-Weißbuch zeigt, daß 2 Prozent Wirtschaftswachstum notwendig sind, um unseren Lebensstandard sichern und erhalten zu können.

Der Herr Bundeskanzler hat auch versprochen, rasch Arbeitsplätze zu schaffen. Was sind diese SPÖ-Versprechen eigentlich wert? – Herr Verkehrsminister Klima hat in Tirol in den Jenbacher Werken das schon bewiesen. Er hat dort gesagt, er möchte den Industriestandort sichern. Er hat ihn insofern gesichert, als im Bereich der Fahrzeugindustrie der Industriestandort Tirol heute nicht mehr existiert. Und was hat der Herr Bundeskanzler noch dazu getan? (Ruf bei den Freiheitlichen: Das Ministerium wurde aufgelassen, das ist die Bilanz!) Er hat auch versprochen, daß in den Jenbacher Werken weiterhin eine Fahrzeugindustrie besteht, aber die 140 Arbeitsplätze, die er dort garantiert hat, gibt es heute nicht mehr. Daher ist es sicher so, daß die raschen Versprechen, die Arbeitsplätze zu sichern, in Ihrer Partei nichts anderes als Seifenblasen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und wie stehen Sie zum Tourismus, der tragenden Säule unserer Wirtschaft? Wie stehen Sie zur Mautpolitik, meine sehr geschätzten Damen und Herren der jetzigen Koalitionsregierung? Glauben Sie wirklich, daß Sie mit dieser Vignette das Allheilmittel zum Stopfen von Budgetlöchern gefunden haben? Da werden Sie sich wahrscheinlich täuschen! Ganz Deutschland, ganz Bayern fährt heute über uns drüber und sagt: Die österreichische Bundesregierung betreibt Raubrittertum, indem sie auf allen Autobahnen Maut mittels Vignette verlangt.

Doch was wird in Wirklichkeit passieren? – In Wirklichkeit wird passieren, daß bei Kufstein keiner mehr auf die Autobahn auffährt, daß jeder die Bundesstraßen und die Landesstraßen benützt, um in St. Johann Schi fahren zu gehen. Dadurch wird eigentlich genau das erreicht, was wir nicht wollen: daß durch unsere Orte Blechlawinen rollen. (Abg. Ing. Tychtl: Wie in Italien! Ganz gleich, da fährt auch niemand auf der Autobahn!)

Wie ist es, wenn heute über das schöne Achental herein die Schifahrer aus Bayern kommen? – Die werden jetzt über das Achental hereinfahren, überqueren das Inntal und gehen ins Zillertal Schi fahren. Niemand benützt mehr die Autobahn. (Abg. Ing. Tychtl: Wie in der Schweiz und Italien! Da fährt auch niemand mehr auf der Autobahn!)

Das ist Ihre Politik, die Sie heute verantworten müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, mit diesen Maßnahmen haben Sie wieder nicht die Richtigen getroffen.

Weil ich schon von den Autofahrern spreche, noch einige Zahlen zur Untermauerung: Sie nehmen von den Autofahrern insgesamt – da möchte ich gar nicht die Versicherung und Mineralölsteuer und all diese Punkte einzeln nennen – 50,7 Milliarden Schilling ein. Laut ARBÖ, der den Sozialdemokraten nahesteht, beträgt die Gegenleistung nur 18 Milliarden Schilling. Da stelle ich wieder fest: Die Geschröpften Nummer eins der Nation sind in diesem Fall wiederum die Autofahrer. Das glaube ich, ist bei dieser Regierungserklärung ebenfalls anzukreiden.

Es handelt sich bei dieser Regierungserklärung um eine Bankrotterklärung des Vranitzky- und Schüssel-Kurses. Sie sprechen gerne von Infrastrukturinvestitionen, Entbürokratisierung, Privatisierung, Exportoffensive, Qualifikationsoffensive und – das habe ich auch schon gehört – von Bildungsoffensive. Dazu kann ich Ihnen nur eines sagen: Das alles sind Schlagworte ohne


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 141

Inhalt. Darüber werden wir die Bevölkerung aufklären – zum Wohle unseres Staates Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.32

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort ist nunmehr gemeldet Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

19.32

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe selten so viele Schlagworte gehört wie gerade in den letzten fünf Minuten, sehr geehrter Herr Kollege Blünegger. Wenn Sie von der Energiesteuer sprechen, erinnere ich mich nur an den Vorschlag der "F": 42 Milliarden Schröpfungsvorschlag auf die Masseneinkommen! Das wäre in Wirklichkeit eine schlimme Angelegenheit gewesen.

Des weiteren ist festzuhalten: Sie sprechen davon, daß es hier bei der Besteuerung der höheren Einkommen ungerecht zugeht, und meinen, daß man mit Einkommen über 150 000 S nur mit 2,1 Prozent – wie Sie sagen – geschröpft wird. Ich sage Ihnen – und das sollten wir doch in einer fairen Diskussion auch sehen –, daß Sie in Wirklichkeit geflissentlich verschweigen, daß man hier natürlich auch die entsprechenden Verlustabschreibungsmodelle berücksichtigen muß. Und wenn man das mit einbezieht, dann kommt man bei diesen Einkommen auf eine Belastung von 5,11 Prozent.

Zum dritten, Herr Kollege Blünegger: Ihre Sorge um die Arbeitsplätze teilen Sie hoffentlich nicht mit Ihrem Parteiführer, denn der ist mit dem Hubschrauber zur Zuckerfabrik Hohenau geflogen, hat dort eine halbe Stunde eine große Rede gehalten und ist dann abgetaucht und war nie mehr wieder gesehen. (Abg. Blünegger: Was hat der Bundeskanzler alles versprochen! Ich habe das heute noch in meinen Ohren!)

Darüber hinaus wissen wir doch, was wir von Ihren arbeitsplatzsichernden Maßnahmen zu halten haben, denn damals ist der Herr Haider in der Obersteiermark auch herumspaziert und hat gemeint, man müßte diese Werke zusperren, die heute positiv bilanzieren, die heute Gewinne schreiben und in Wirklichkeit für den Industriestandort Österreich von besonderer Bedeutung sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Diese Debatte über das Arbeitsübereinkommen ist natürlich eine über Reformschritte, die diese Regierung plant und setzt. Schwerpunkte sind unter anderem die Verbesserung des Wirtschaftsstandortes, die Sicherung der Arbeitsplätze. Hier ist es auch notwendig, daß man bei der Errichtung der Infrastruktur, beim Infrastrukturausbau in die Offensive geht. Dabei ist einerseits sicher der Lückenschluß beim hochrangigen Straßennetz vordringlich, der durch eine flächendeckende Maut finanziert werden soll. Hier halte ich natürlich fest, daß für uns eine Vignette nur eine Übergangslösung sein kann und daß eine PKW-Vignette nur dann kommen kann, wenn es zeitgleich ein LKW-Road-Pricing-System gibt. Das möchte ich sehr deutlich und klar aussprechen, weil wir dafür sind, daß die Kostenwahrheit im Straßengüterverkehr ganz eindeutig geschaffen wird, weil wir gegen jede Quersubventionierung durch den PKW in Richtung LKW sind und weil wir wissen, daß die Straßenabnützung durch den LKW – das ist abhängig von der Größe des LKW – 500- bis 10 000mal höher ist als durch einen PKW.

Ich möchte daher dem Herrn Bundesminister Ditz unsere volle Unterstützung dabei ankündigen, daß er EU-konform mit dem Jahr 1997 eine elektronische Abbuchung der Öko-Punkte durchsetzt, organisiert und sicherstellt, weil das der erste Schritt zu einem Road-Pricing-System im LKW-Bereich ist.

Unsere besondere Zuwendung im Infrastrukturbereich wird der Ausbau der Schieneninfrastruktur haben. Wir werden daher als Budgetbegleitgesetz auch ein Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz beschließen und damit sicherstellen, daß die Standortsicherung Österreichs gewährleistet ist, daß es zu einer ökologischeren Bewältigung des Handels im immer größer werdenden Europa kommt und damit auch beschäftigungspolitische Effekte erzielt werden. Bei etwa 12 Milliarden Schilling Investitionen in diesem Bereich können 18 000 Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen werden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 142

Meine Damen und Herren! Es ist ganz einfach unser Ziel, die Kostenwahrheit durch schrittweise Internalisierung der externen Kosten durch ein gerechtes Maut- und Road-pricing-System zu erreichen und die Verlagerung des Gütertransportes von der Straße auf die Schiene durchzusetzen.

Eine kurze Bemerkung noch zur Post: Hier, glaube ich, haben sich die SPÖ-Überlegungen durchgesetzt, daß wir durch die Ausgliederung der Post als ein gesamtes Unternehmen auch diesem Unternehmen für die Zukunft die notwendigen Chancen einräumen. Es wird eine große Herausforderung für die Beschäftigten dieses Unternehmens sein. Herr Kollege Bartenstein! Sie haben sich hier mannhaft einige Zeit gewehrt, haben sich aber dann einer sinnvollen Überlegung angeschlossen. Wir werden dabei sehen müssen, daß die Postlerinnen und Postler natürlich Leistungen in höchster Qualität für die Kunden in einem größeren Wettbewerb zu erbringen haben, daß sie für den Staat im Jahr 1997 etwa 23 Milliarden aufbringen werden müssen und nur eine Summe von knapp 12 Milliarden zurückbekommen. Der Staat lukriert daher de facto etwa 9,5 Milliarden an Dividende und 4 Milliarden an Mehrwertsteuer. Damit trägt auch die Post sehr wesentlich zur Budgetkonsolidierung bei.

Meine Damen und Herren! Ich möchte schon zum Ende kommen, weil sich noch einige meiner Kollegen zu Wort gemeldet haben. Nur einen Satz noch: Wenn Herr Abgeordneter Dr. Haider von Münchhausen gesprochen hat, wenn er zugleich gemeint hat, daß der Staat für die Post 21 Milliarden an Pensionsleistung zu erbringen hat, aber aufgrund einer Anfragebeantwortung vom 13. März 1996 feststeht, daß für das Jahr 1995 in Wirklichkeit nur 11 Milliarden notwendig sind, dann hat er sich entweder um 100 Prozent geirrt, oder man muß annehmen, er ist jener, der auf Münchhausens Kugel durch die Gegend saust – und so wird es wahrscheinlich auch sein.

Meine Damen und Herren! Diese Regierung ist eine, die ein ambitioniertes Programm hat, die im Konsolidierungsbereich versucht, die Lasten gerecht zu verteilen, und damit auch die Chancen dieses Landes für die Zukunft eröffnet. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steindl. – Bitte.

19.39

Abgeordneter Mag. Franz Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Hohes Haus! Wir leben wahrlich in einer spannenden Zeit, in der in wirtschaftlicher Hinsicht, aber auch in gesellschaftlicher Hinsicht vieles in Bewegung geraten ist. Wir haben jetzt bereits mehr als ein Jahr Erfahrung als Mitglied der Europäischen Union. Wenn man sich sehr vieles, was hier und heute betreffend Sparsamkeit, Strukturwandel gesprochen wurde, in Erinnerung ruft, auch die Regierungserklärung, dann muß man sagen, diese Diskussionen finden natürlich auch in den anderen Ländern der EU statt. Also es ist nichts Österreich-Spezifisches, sondern diese Diskussionen über Strukturreformen, Sparsamkeit finden in ganz Europa statt. Die wenigsten Ländern erfüllen alle Maastricht-Kriterien. Deshalb kann man auch die Kritik der Oppositionsparteien dementsprechend relativieren – man muß sie sogar relativieren.

Aber nun zur Europäischen Union. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, der Schritt war der richtige. Erstens: Der EU-Beitritt hat eine Preissenkung gebracht. Auf diese Thematik ist bereits Abgeordneter Maderthaner eingegangen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Haupt. ) Herr Kollege Haupt! Das kann man ganz eindeutig feststellen. Die Inflationsrate betrug Anfang 1995 2,6 Prozent. Ende 1995 lag sie unter 2 Prozent.

Zweitens: Im Bereich der Landwirtschaft kann man nach einem Jahr schon eine Bilanz ziehen. Ich kann das selbst als einer, der aus dem landwirtschaftlichen Bereich kommt, behaupten, daß diese Zahlungen von der Europäischen Union einen gewaltigen Schub gebracht haben. Allein das EU-Ausgleichsprogramm 1995 hat hier einiges geleistet. Für das Burgenland allein gab es bis zu 2 Milliarden Schilling.

Und das dritte – und auf das möchte ich eingehen –: Das Burgenland, als jüngstes Bundesland, ist Ziel-1-Gebiet geworden. Nicht weil wir so schön sind (Abg. Dr. Khol: Auch!), sondern


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 143

deswegen, weil wir einen Aufholprozeß vor uns haben. Bis 1999 können wir EU-Mittel von insgesamt 2,3 Milliarden Schilling lukrieren, wenn wir dementsprechende Projekte einreichen. Das haben wir auch gemacht. Die Bilanz kann sich sehen lassen. Wir haben ein Planungsdokument erstellt. Auf Basis dieses Planungsdokumentes sind 488 Projekte eingereicht worden. Wenn man diese Projekte bewerten würde: Gesamtsumme zirka 30 Milliarden Schilling.

Wir haben bereits mit vielen Projekten begonnen. Es besteht nur – das sage ich jetzt gleich als Burgenländer – die Gefahr, daß wir Zeit verlieren. Wir befinden uns im Jahre 1996. Bis 1999 haben wir Zeit. Also hier gibt es noch einiges durchzuführen. Aber ich bin mir sicher, daß wir diese Möglichkeiten ausschöpfen können, um diesen Aufholprozeß beginnen zu können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Möglichkeiten für das Burgenland gibt es nur deswegen, weil die Bundesregierung schon vorher dementsprechende Rahmenbedingungen geschaffen hat und weil zweitens wieder Grundlagen für die nächsten vier Jahre geschaffen werden, in denen wir unsere Arbeit fortsetzen können. Drittens auch deswegen, weil es innerhalb der Burgenländischen Landesregierung zwischen ÖVP und SPÖ eine gute Kooperation gibt, und viertens, möchte ich fast behaupten, weil die Freiheitlichen nicht Politik im Burgenland machen, sondern immer und pausenlos mit Interna beschäftigt sind: Sozialfonds, Wohnbaudarlehen, Streit und so weiter. Auch das trägt zum guten Klima bei, weil sie eben nicht "reinschießen" können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nächster Schritt ist die Bewältigung der vorgegebenen Maastricht-Kriterien und die Staatshaushaltssanierung. Das heißt, 100 Milliarden Schilling rigoros einzusparen in den nächsten zwei Jahren, Reformen schnellstens voranzutreiben und die Währungsunion vorzubereiten. Denn gerade die Währungsunion wird uns Österreichern auch etliches bringen. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Denken wir nur an die Währungsschwankungen. Herr Kollege aus den freiheitlichen Reihen! 20 Prozent bedeuten natürlich Unsicherheit für Wirtschaftsakteure, Belastungen, Dämpfung der Investitionstätigkeiten und Verlangsamung des Wachstums.

Das heißt, wir werden auch von dieser Währungsunion, die vorbereitet wird, garantiert in vielen Bereichen – Außenhandel, Tourismus seien nur genannt – profitieren. Deshalb ist es wichtig, daß alle Gebietskörperschaften, Gemeinden, Länder und natürlich der Bund – hier spreche ich auch als Bürgermeister – zur Ordnung gerufen werden. Kollege Kröll hat es ja ausgeführt, ich brauche es also nicht mehr zu wiederholen und kann mich dem anschließen. Wir haben hier eine Festlegung, tragen natürlich auch dazu bei, daß wir dieses Maastricht-Kriterium im Defizitbereich erreichen, und wir bekennen uns daher zu diesem Regierungsübereinkommen als gute Grundlage für die Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte.

19.46

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Mir bleiben nur etwa 5 Minuten. Trotzdem einige Anmerkungen zur Umweltpolitik, wie sie sich in diesem Koalitionsübereinkommen und in der angekündigten Regierungspolitik darstellt.

Ich bin zunächst einmal einigermaßen zufrieden, denn die Umweltpolitik findet in diesem Regierungsübereinkommen relativ viel Platz, in den Bereichen Verkehr, Landwirtschaft, Energie und im Kapitel Umwelt selbst. Mir ist völlig klar, daß es sich hier um Rahmenvorgaben handelt. Manches ist detaillierter angesprochen. Manches ist mit einigermaßen Spielraum versehen und eher als Absichtserklärung zu verstehen. Wir, die wir im Umweltausschuß, in der Umweltpolitik in den letzten Jahren tätig waren, wissen aber selbst alle, wo die besonderen Schwerpunkte zu setzen sind. Es wird sicherlich gerade auf die Kolleginnen und Kollegen, die im Umweltbereich tätig sind, viel Arbeit zukommen.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 144

Vielleicht einige Schwerpunkte, wie sie mir persönlich wichtig erscheinen, herausgriffen. Ich glaube, wir haben im Sinne des Umweltschutzes mit Augenmaß die vorhandenen und nicht beliebig vermehrbaren Mittel möglichst effizient – auch im Sinne von Kosten-Nutzen-Überlegungen – einzusetzen, möglicherweise auch Verschiebungen durchzuführen, beispielsweise vom Abwasserbereich hin zum Altlastenbereich. Das muß vernünftig diskutiert werden. Es geht mir vor allem um einen, wie ich das nenne, schlankeren Umweltschutz, was die Überschaubarkeit, die Vollziehung der Gesetze und Verordnungen, auch die Zusammenlegung von Kompetenzen betrifft. Es sind also sowohl die Kosten für die Wirtschaft als auch für die öffentliche Hand zu berücksichtigen. Hier haben wir einiges zu tun, ohne daß die Qualität für die umweltbeeinträchtigte Bevölkerung leiden soll. Ich glaube, wir können das schaffen, wenn wir das wollen.

Als Sozialdemokraten bekennen wir uns aber auch grundsätzlich zu einem weiteren Fortschritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung aller Wirtschaftszweige, insbesondere auch der Tourismus, der Landwirtschaft, der Energieversorgung und vor allem auch des Verkehrs. Besonderes Augenmerk ist auf die Entwicklung österreichischer Umweltindustrie, die sich ja auch dann exportieren läßt, zu richten.

Und vierter Schwerpunkt, natürlich ganz wichtig: verstärkte Bemühungen im internationalen Bereich. Es geht nicht darum, hier Vorreiter zu sein, aber wir sollten Vorbild und Motor sein und alle Möglichkeiten diesbezüglich in der Europäischen Union und in anderen Bereichen nützen, um auch im Interesse unserer exportierenden Wirtschaft zu mehr Chancengleichheit zu kommen. Ich glaube, daß dieses Programm in der Lage ist, die österreichische Umweltpolitik erfolgreich weiterzuentwickeln, so wie wir es gewohnt sind, daß wir damit weiterhin im Spitzenfeld der Industrienationen als Umweltschutzmusterland bleiben. Ich glaube, das wird uns gelingen.

Herr Bundesminister! Ich biete Ihnen namens meiner Fraktion hier die beste Zusammenarbeit an. (Beifall bei der SPÖ.)

19.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.49

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ein Tag der Diskussion über die Regierungserklärung zeigt uns, daß die Auseinandersetzung, die Diskussion sehr sachlich verlaufen ist, aber zeigt uns als neue und alte Koalitionsparteien, daß die Opposition den Wandel, den diese Regierung vollzogen hat, noch nicht begriffen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie vergleichen die einzelnen Regierungserklärungen und sagen dort und da: Die Wortwahl ist die gleiche, man will die Taten sehen. Meine Damen und Herren! Die Taten sehen Sie in den nächsten Tagen, wenn Sie mit uns in den Ausschüssen die Begleitgesetze diskutieren werden. Sie sehen, daß diese Begleitgesetze bereits vorhanden sind, dem Parlament zugemittelt werden, was in früheren Zeiten nicht der Fall war. Sie sehen aber auch die neue Art der Zusammenarbeit daran, daß es konkrete Festlegungen und ein konkretes Sparprogramm gibt, wie wir uns in dieser Ausformung vor einem Jahr noch nicht gedacht haben. Ich bin sehr froh, daß wir jetzt eine neue Qualität der Zusammenarbeit gefunden haben. Das beweist mir auch der Abgeordnete Dr. Keppelmüller, der jetzt gemeint hat, wir müßten uns in dieser Regierungsperiode mit den Verfahrensfragen im Umweltbereich auseinandersetzen, wir sollten sie konzentrieren, überschaubarer und schneller umsetzbar machen, nämlich auch für neue Anlagen im Umweltbereich.

Ich glaube, wir müßten einen Schritt weiterkommen, daß nicht der Ausspruch von Bismarck heute auch noch gilt: "Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit". Dieses Zitat von Bismarck ist heute noch gültig, aber diese Bundesregierung hat keine Scheu vor der Verantwortung, und es sollen auch die Entscheidungsträger in den einzelnen Behörden, Bezirkshauptmannschaften et cetera beim Anlageverfahren keine Scheu vor Verantwortung zeigen, sondern Verantwortung übernehmen im Sinne und Interesse zukünftiger Investitionen im Umweltbereich und im wirtschaftlichen Bereich.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 145

Wir sind in einer Krisensituation. Gerade diese Krisensituation ist eine enorme Herausforderung und eine Chance für die Zukunft. Die mittelständische Wirtschaft ist mehr denn je ein Rückgrat unserer Wirtschaft, und es mangelt sehr wohl nicht allein daran, wie vielfach von Oppositionsparteien behauptet wird, daß der Zugang zum Unternehmertum so schwer ist. Was wir brauchen, sind Menschen, die Unternehmer werden wollen, die Verantwortung übernehmen wollen. Darum geht es. Wir müssen von seiten der Regierung die Rahmenbedingungen schaffen, daß Menschen wieder selbständig werden und eigene Verantwortung übernehmen wollen. Das brauchen wir für die Zukunft! Und das gelingt uns nicht, indem wir sagen, es ist furchtbar schrecklich, sondern indem wir Mut geben. Ich glaube, diesen Mut können wir mit diesen Rahmenbedingungen, die wir beschließen werden, geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Deshalb haben wir auch neue Ansätze in der Ausbildung gelegt. Wir brauchen Überlegungen in der Berufsausbildung, beim lebensbegleitenden Lernen, wie Frau Ministerin Gehrer gesagt hat. Wir brauchen dringend kürzere Studienzeiten, damit unsere jungen Menschen die gleichen Chancen haben wie ihre Kollegen im übrigen Europa. Minister Scholten hat darauf hingewiesen, daß er noch vor dem Juni einige Vorlagen einbringen wird. Das gibt auch den Menschen Hoffnung, daß hier Reformen weitergehen. Nur eines müssen wir auch feststellen: Alle diese Reformen gehen dort und da nur Schritt für Schritt. Wir haben jetzt schon viele Schritte gemacht. Wir sind auch dabei, weitere Schritte zu tun, denn wir wollen es so halten wie Fontane: "Am Mute hängt der Erfolg." (Beifall bei der ÖVP.)

19.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Edler. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

19.54

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube auch, daß diese Bundesregierung Vranitzky-Schüssel Mut zur Entscheidung hat und Mut zu Maßnahmen, aber in die richtige Richtung, wenn es lautet, Sparen ja, aber ausgewogen, aber auch Sparen deshalb, weil es notwendig ist, Arbeitsplätze zu erhalten und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir derzeit viele Diskussionen in den Dienststellen in den Betrieben durchführen, so sagen uns viele Kolleginnen und Kollegen, jawohl, wir sind bereit, auch unseren Beitrag zu leisten, aber unsere Erwartungen sind, daß es auch zu einer Sicherung der Arbeitsplätze kommt und besonders daß neue geschaffen werden. Das ist eine sehr wesentliche Herausforderung! Diese wurde heute schon einige Male angesprochen.

Ich glaube eines: Daß wir dieses gemeinsame Konsolidierungspaket zusammenbringen, ist ein Verdienst der Bundesregierung, beider Regierungsparteien, aber auch besonders der Sozialpartner. Ich darf hier darauf hinweisen: Schauen wir ein bißchen hinaus in die anderen Länder, was da in Frankreich passiert ist. Daher war es wesentlich, daß die Sozialpartner von Haus aus eingebunden waren. Wir haben gesagt, jawohl, wir wollen mitentscheiden und werden das auch mitverantworten im Interesse auch unserer Kolleginnen und Kollegen, die wir zu vertreten haben.

Arbeit zu schaffen – das Modell, das vor einigen Wochen vorgestellt worden ist –, Arbeit für die Zukunft zu schaffen, ist für uns wichtig. Herr Kollege Parnigoni hat schon die Investitionen in die Infrastruktur angesprochen. Daß Bundesminister Klima jetzt in Abstimmung mit Bundesminister Ditz neue Finanzierungsformen sucht – wir haben hier dann ein Gesetz zu beraten –, ist auch ein Schritt in die richtige Richtung, weil auch die private Wirtschaft, die Privaten angesprochen sind, Kapital einzubringen und mitzufinanzieren. Es kann heute nicht so sein, daß Kapital auf den Banken maximiert wird und auf der anderen Seite nicht in die Wirtschaft investiert wird. Die Investitionen brauchen wir unbedingt.

Wir brauchen für den guten Wirtschaftsstandort Österreich eine gute Verkehrsinfrastruktur. Wir können nicht nur von der Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene sprechen. Hier sind zuerst Ausbauten im Schienenverkehr und weitere Maßnahmen durchzufüh


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 146

ren. Ich glaube, das ist die Herausforderung für uns in der Zukunft. Das müssen wir gemeinsam schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Natürlich wäre vieles noch anzumerken, sicherlich auch Positives, was in der Regierungserklärung enthalten ist. Aber es kommen noch einige Kollegen von meiner Fraktion. Damit sie auch die Möglichkeit haben, ihren Standpunkt einzubringen, möchte ich heute nur noch einen Schlußsatz sagen, meine Damen und Herren. Ich glaube, die Bereitschaft der österreichischen Bevölkerung und der österreichischen Arbeitnehmerschaft ist gegeben, das Konsolidierungspaket mitzutragen. Bemühen wir uns gemeinsam in unserer politischen Verantwortung, ganz egal, ob in der Regierung, ob in der Opposition oder in der Sozialpartnerschaft, aufklärend zu wirken, daß dies eine große Chance ist für unser Heimatland Österreich! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte.

19.58

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, daß ich mich als ein Vertreter der kleinen und mittelständischen Wirtschaft noch ganz kurz zu Wort melde. Ich möchte an die Tradition meiner Vorredner anschließen, die sich so kurz gehalten haben. Ich glaube, die Beschäftigungsoffensive und der Ausbau des Wirtschaftsstandortes Österreich gehören zu den Eckpunkten dieses Regierungsprogramms. Und gerade die klein- und mittelständischen Betriebe sind damit natürlich sehr gut bedient und sind davon sehr positiv betroffen.

Wenn zum Beispiel auf Seite 6 der Hinweis nachzulesen ist, daß die fortschreitende Arbeitsteilung dazu führt, daß die großen Betriebseinheiten immer mehr und mehr in kleinere Einheiten zerlegt werden und immer größere Anteile der Produktion bei kleinen Zulieferern landen, dann muß man sagen, das ist für das kleine Gewerbe und den Handel sicherlich eine sehr, sehr positive Entwicklung. Es ist ein Anliegen der klein- und mittelständischen Wirtschaft, daß für die Kleinbetriebe auch der Export mehr und mehr zum Tragen kommt. Sehr oft haben die kleinen Firmen Scheu davor, in den großen europäischen Markt einzutreten. Hier ist es wichtig, ihnen entgegenzukommen.

Es ist eine Freude, daß die Wohnbauförderungsmittel zum Tragen kommen, daß mehr Wohnungen gebaut werden. Die Bauwirtschaft und das Baunebengewerbe werden sicherlich davon auch sehr profitieren. Ich möchte auch – wie mein Vorredner Kollege Edler – der Sozialpartnerschaft für diese Verhandlungen, für das Verständnis, das hier aufgebracht wurde, ein Dankeschön sagen. Ebenso möchte ich auch allen betroffenen Verhandlern danken. Das ist heute noch nicht oder nur sehr wenig angesprochen worden. Es wurde sehr oft und sehr lange und auch nächtelang verhandelt, und das ist sicherlich kein Vergnügen gewesen. Das geschah nur zum Wohle unseres Landes. Das sollte man auch nicht unterschätzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch ein Punkt: das Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer. Das halte ich für eine richtige Maßnahme. Es ist nämlich schon sehr wesentlich, daß in Firmen auch noch ältere Arbeitnehmer beschäftigt werden. Weil das System finanziell einigermaßen interessant ist, wird es sicherlich zum Tragen kommen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend, vielleicht als Succus, folgendes festhalten: Ich habe mir auch über viele Aussagen, die die Opposition heute hier getroffen hat, Gedanken gemacht. Es ist das Geschäft der Opposition, daß sie negative Kritik anbringen muß. Aber wesentlich wichtiger ist meiner Meinung nach die Tatsache, daß heute bei den Menschen draußen großes Verständnis für das In-Ordnung-Bringen der Finanzen des Staates gegeben ist. Ganz entscheidend sind auch die heutigen Meldungen in den ausländischen Zeitungen, und da kann man eingestellt sein, wie man will, denn das sind keine Boulevardblätter, sondern das sind angesehene Zeitungen aus dem Wirtschaftsbereich. Auf die Zeugnisse, die uns da ausgestellt


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 147

werden, können wir Österreicher, kann die Bundesregierung und können wir alle stolz sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Reichhold. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit: 23 Minuten.

20.02

Abgeordneter Ing. Mathias Reichhold (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zwar heute schon sehr viel gesagt worden, trotzdem möchte ich noch ganz kurz einige Bemerkungen machen.

Ich war eigentlich im vergangenen Herbst vom Parlament, von diesem Haus und von der Art und Weise, wie Parlamentarismus in Österreich auch möglich sein kann, sehr berührt: Im Vorfeld der Nationalratswahlen hat es hier ein Parlament gegeben, das die parlamentarische Demokratie wirklich belebt hat. Ich war zwar nicht hier (Abg. Gatterer: Aber seelisch!), habe aber mit Freude beobachtet, wie hier um Standpunkte gerungen worden ist, daß in diesem Haus wirklich ein Wettbewerb der Ideen stattgefunden und es wechselseitige Mehrheiten gegeben hat und daß offenbar tatsächlich der Wille des Volkes auch durchgesetzt und umgesetzt wurde. (Abg. Dr. Mertel: Wessen Wille?)

Aber dieses zarte Pflänzchen der parlamentarischen Demokratie ist mit der gestrigen Regierungserklärung des Bundeskanzlers wieder von der rot-schwarzen Koalition niedergewalzt worden. Ich wundere mich wirklich, daß die ÖVP da mitspielt, deren Traum es ja war, daß der koalitionsfreie Raum sozusagen die demokratische Kultur in diesem Land verbessern soll. Das ist leider nicht eingetreten, denn die ÖVP ist in dieser Frage leider in die Knie gegangen. Nochmals: Mich wundert das.

Es hat Herr Präsident Schwarzböck heute in seiner Rede gemeint, daß gerade die Umweltpolitik in der Landwirtschaft in Zukunft eine größere Rolle spielen wird. Da muß ich ihn daran erinnern, daß gerade das Umweltprogramm nicht in dieser Form hätte umgesetzt werden können, wenn nicht auch die Freiheitlichen mit ihren Stimmen die Mehrheit dafür beschafft hätten. Ihr heutiger Koalitionspartner hat Sie nämlich damals im Stich gelassen. Ich hoffe, daß Sie in Zukunft nicht ähnliche Erfahrungen werden machen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist eigentlich bedrückend, daß eine Handvoll Menschen in Österreich dieses Haus so im Griff hat: Die Regierung, zwei Klubobmänner, vielleicht auch die Präsidenten werden die Entscheidungen treffen, das Parlament selbst aber ist aufgrund der neuen Koalitionsvereinbarung eigentlich ausgeschaltet. Ich rede ja gar nicht so sehr von der Opposition, der Sie zwar geduldig zuhören, aber von der Sie von vornherein wissen, daß sie in diesem Haus aufgrund Ihres Regierungsabkommens ohnehin nichts wird bewegen können, sondern ich rede vielmehr von den anderen Abgeordneten, von Abgeordneten der ÖVP und der SPÖ, die in vielen Fragen wahrscheinlich gar nicht wissen werden, daß die Entscheidungen längst in anderen Gremien gefallen sind. Dieses demokratiepolitische Problem ist es wert, einmal aufgezeigt zu werden, weil ich glaube, daß das zarte Pflänzchen vom Herbst vergangenen Jahres, vom dem ich zuvor gesprochen habe, eigentlich eine bessere Zukunft verdient hätte. Das ist kein Fortschritt, sondern bedeutet einen Rückschritt, einen Schritt in Richtung parlamentarische Steinzeit dieses Hauses.

Zur Landwirtschaft möchte ich noch ein paar Punkte erwähnen, die mir aufgefallen sind. Es ist so, daß ich im neuen Koalitions- beziehungsweise Regierungsabkommen sehr lange blättern mußte, bis ich auf das Kapitel Landwirtschaft gestoßen bin. Die Landwirtschaft wird ganz zum Schluß, kurz vor dem Kapitel Sport, mit ein paar Zeilen erwähnt, wobei in fast jeder zweiten Zeile ein Verweis auf die Europäische Union vorkommt. Das zeigt, daß die Agrarpolitik leider nicht mehr in Österreich und in diesem Haus gemacht wird, sondern daß jede kleinste Entscheidung in diesem Bereich von der Europäischen Union in Brüssel hinterfragt wird. Das zeigt auch, daß der Minister, der hier auf der Regierungsbank sitzt, im Prinzip entmündigt ist, keine Kompetenzen mehr wahrnehmen kann, ja wahrzunehmen hat. Dieser Minister, den ich zwar persönlich schätze, weil ich glaube, daß er sehr kompetent ist, kann kaum eine Wirkung in Österreich


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 148

erzielen. Er ist eigentlich ein politischer Pflegefall, weil er entmündigt und in seiner politischen Aktivität behindert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auch fehlt in dieser Regierungserklärung der Kern der EU-Politik, der vor allem uns Freiheitliche interessiert. Uns geht es in erster Linie darum, daß der zentralistische Zuschnitt der europäischen Agrarpolitik vermindert wird. Es geht uns darum, daß die Brüsseler Politik entmachtet wird, daß das, was im Maastrichter Vertrag bereits unter dem Subsidiaritätsprinzip festgeschrieben ist, von der Bundesregierung auch wirklich ausgenützt wird. Das fehlt jedoch im Regierungsübereinkommen. Ich glaube, daß in Zukunft Arbeitsplätze – auch in der Landwirtschaft – nur dann gesichert werden können, wenn die Einkommenspolitik nationale Kompetenz wird, nationale Angelegenheit wird, wenn sich der Gestaltungsspielraum der österreichischen Agrarpolitik stärker am Prinzip der Arbeitsplatzsicherung in der Landwirtschaft orientiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Ziel, dem wir Freiheitliche uns in Hinkunft sehr stark verschreiben werden. Wir werden unsere agrarpolitischen Aktivitäten vor allem nach dem Prinzip der Arbeitsplatzsicherung, aber auch jenen der Ökologisierung vorantreiben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.08

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Werter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Lassen Sie mich als wahrscheinlich letzter Redner meiner Fraktion resümierend festhalten, daß die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers und das Koalitionsabkommen zwischen SPÖ und ÖVP zu Recht in vielen Wortmeldungen als ambitioniert und zukunftsweisend bezeichnet worden sind. Es wurden taugliche und feste Grundlagen dafür geschaffen, daß Österreich den Sprung zur Jahrtausendwende als moderner, sozialer und erfolgreicher Staat bewältigen kann.

Für mich als Volksgruppensprecher unserer Fraktion ist es besonders erfreulich, daß auch im neuen Koalitionsabkommen ausdrücklich die österreichischen Volksgruppen erwähnt sind, ihr positiver Beitrag für die Entwicklung und für die Identität unseres Landes hervorgehoben wird (Ruf bei den Freiheitlichen: Vier Zeilen! Echt mager!) und daß besonders betont wird, daß die Rechte der Volksgruppen gesichert sind und gesichert bleiben müssen. Den bewährten Institutionen der Volksgruppenbeiräte wird für die Zukunft volle Unterstützung zugesagt.

Ich meine, geschätzte Damen und Herren, daß Volksgruppenpolitik – das Verhalten ethnischen Volksgruppen und Minderheiten gegenüber – in Europa in den letzten Jahren wesentlich an Bedeutung zugenommen hat und wahrscheinlich auch weiterhin zunehmen wird. Für Österreich ist es wichtig, daß jene großzügige Volksgruppenpolitik, die in der Vergangenheit betrieben wurde, auch in Zukunft festgeschrieben wird.

Eine moderne, präventive Volksgruppenpolitik ist daher zu gestalten, eine Volksgruppenpolitik, die sich grundsätzlich gegen jede Spielart des Nationalismus richtet. Denn kaum eine Geisteshaltung hat sich in der jüngeren Zeit in Europa verheerender ausgewirkt als das Gift des Nationalismus.

Ich meine daher, daß auch das österreichische Volksgruppengesetz nunmehr in der sich ändernden Zeit einer gewissen Weiterentwicklung bedarf. Wir wollen nach dem bisher gepflogenen und absoluten Grundsatz vorgehen, daß diese Weiterentwicklung in intensivem und engem Dialog mit den Organisationen der österreichischen Volksgruppen erfolgt.

Das war nicht immer leicht und wird es wahrscheinlich auch in Hinkunft nicht sein, denn, wie wir alle wissen, bestehen innerhalb der österreichischen Volksgruppen über die Richtung der notwendigen Weiterentwicklung doch verschiedene Auffassungen. Es herrscht derzeit die Situation vor, daß der größte Teil der österreichischen Volksgruppenorganisationen den Schwerpunkt der


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 149

Entwicklung in einer deutlichen Aufwertung der Volksgruppenbeiräte sieht, in diesem Zusammenhang auch die Errichtung einer Konferenz der Vorsitzenden der Volksgruppenbeiräte plant und darüber hinaus den Wunsch äußert, im Volksgruppengesetz eine Art Zielbestimmung zugunsten der österreichischen Volksgruppen zu verankern.

Die andere Position, die in der Volksgruppenszene zu beobachten ist, die allerdings eher als isoliert dastehend zu betrachten ist, will ein neues Volksgruppengrundgesetz, und zwar eine Volksgruppenkammer und gesicherte Volksgruppenmandate in einer eigenen gesetzgebenden Körperschaft.

Ich glaube, geschätzte Damen und Herren, man kann grundsätzlich über alles reden, aber im Endeffekt wird wohl eher jenes Anliegen legistisch umzusetzen sein, was von der Mehrheit der Volksgruppen mitgetragen wird und was mit unserer Verfassung im Einklang steht.

Geschätzte Damen und Herren! Österreich bekennt sich zu seinen Volksgruppen und sieht diese als eine Bereicherung für unser Land an.

Ich bin der Auffassung, daß die österreichische Bundesregierung in den letzten Jahren eine großzügigere Volksgruppenpolitik betrieben hat, und dieses hohe Niveau unserer Volksgruppenpolitik gilt es zu halten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort hat sich noch Herr Abgeordneter Scheibner gemeldet. – Bitte. Redezeit: 17 Minuten.

20.13

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn der heutigen Debatte waren es zwei Punkte, die sehr interessant gewesen sind. Der eine wurde von Abgeordneten Khol, der andere von Abgeordneten Kostelka und vom Außenminister vorgebracht. Da hat es einerseits geheißen, es handle sich bei dieser Bundesregierung um eine Zukunftsregierung, um eine neue Art der Zusammenarbeit, die in Hinkunft die Arbeit für Österreich zukunftsorientiert regeln wird. Die zweite Meldung war eine eigentlich interessant klingende Einladung an die Opposition, gemeinsam die Probleme der Zukunft zu bewältigen, eine Einladung an die Opposition, sich auch mit Anträgen und mit Diskussionen an der Arbeit hier zu beteiligen.

Meine Damen und Herren! Wir haben im Laufe dieser Debatte gesehen, wie die Realität in Wahrheit aussieht: Die alten Gesichter sieht man auf dieser Regierungsbank, aus alten Konzepten, nur etwas dünneren, besteht das Arbeitsübereinkommen. Das ist die Zukunftsorientiertheit der neuen Regierung? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Kiermaier. )

Man fragt sich ja wirklich, Herr Kollege: Warum haben wir denn diese Wahlen gebraucht? Das fragen Sie sich doch genauso, Herr Kollege. Oder? 10 Milliarden Schilling haben diese Wahlen die Bevölkerung gekostet; so hat es Wifo-Chef Kramer vermeldet. 10 Milliarden Schilling nur deshalb, daß der Herr Außenminister draufkommt, daß die große Koalition alten Schlages doch die beste Art der Zusammenarbeit darstellt. (Widerspruch bei der ÖVP. – Abg. Dr. Stummvoll: Aufhören!) 10 Milliarden Schilling in einer Zeit, in der wir nicht wissen, woher wir das Geld bekommen sollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweiter Punkt: die Art der Zusammenarbeit. Der koalitionsfreie Raum war groß in Diskussion, und wir Parlamentarier haben alle gehofft, daß vielleicht diese eine Parlamentswoche vor den Wahlen Beispielwirkung gehabt haben könnte. (Zwischenruf.) Ja, Herr Kollege, das hat uns – und hoffentlich auch Ihnen – gefallen, nämlich daß es erstmals in diesem Parlament freie Mehrheiten gegeben hat, wo wirklich jeder Abgeordneter, jede Fraktion nach dem Inhalt einer Vorlage abgestimmt hat und nicht nach dem, was vielleicht irgendwelche Regierungsvertreter und Klubobmänner im stillen Kämmerlein ausgehandelt haben. Wir hätten uns erhofft, daß es auch in Zukunft möglich sein wird, parlamentarischen Spielraum zu finden, bei dem wirklich Inhalte eine Rolle spielen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 150

Die ÖVP hat es ja auch verlangt. Nur: Was ist übriggeblieben von dem geforderten koalitionsfreien Raum? Bei den 0,5 Promille und in der Frage des Homosexuellenparagraphen darf es einen koalitionsfreien Raum geben. In allen anderen Belangen ist es, soweit wir aus Zeitungsmeldungen erfahren haben, sogar untersagt, gemeinsame Anträge mit der Opposition zu machen.

Meine Damen und Herren! Wo bleibt denn dieses Angebot der Zusammenarbeit, das heute hier von diesem Rednerpult aus gemacht wurde? Wo bleibt es denn, wenn Sie sagen, mit der Opposition gebe es überhaupt keine gemeinsamen Abstimmungen, gebe es überhaupt keine Zusammenarbeitsmöglichkeiten?

Meine Damen und Herren! Das sind doch wirklich alles nur Lippenbekenntnisse. Es wird eine noch engere Zusammenarbeit, eine noch engere Verschwägerung der beiden Koalitionsparteien geben. Herr Kostelka hat es ja sehr offen ausgesprochen: Messen Sie uns nicht an den Wahlversprechen, an den Wahlprogrammen. Sie, Herr Kostelka, haben gesagt, das seien Zitate aus dem Märchenbuch, als wir Sie daran erinnert haben. Wir nehmen es zur Kenntnis, daß Ihre Wahlprogramme Märchenbücher sind. Wir werden auch Sie immer daran erinnern, Herr Klubobmann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Noch ein paar Worte zur Sicherheitspolitik. Meine Damen und Herren! Auch diesbezüglich wurden große Ankündigungen gemacht: Das wird ein wichtiger Punkt in der Zukunft sein. Wir müssen unsere Landesverteidigung neu ordnen. Wir müssen mehr für die Sicherheit unseres Landes machen.

Da gab es die Forderung nach Schaffung eines Solidaritätsgesetzes, den Wunsch des WEU-Vollbeitritts und auch der NATO-Kooperation.

Es gibt diesbezüglich eine Reihe von Pressediensten von Außenminister Schüssel: einmal dafür, einmal dagegen, im Jänner dafür, im Februar wieder dagegen, im Juli dafür, im August schon wieder dagegen. So schaut die konsequente Politik in der Sicherheitsfrage aus!

Welchen Stellenwert man dieser Frage beimißt, zeigt sich ja auch in der Regierungserklärung sehr deutlich: Ein halber Absatz, eine Zeile wird darin der Landesverteidigung gewidmet. (Abg. Dr. Kostelka: Stimmt nicht! Weiterlesen! Weiter hinten!) "Die Bundesregierung wird daher trachten, neben einer effizienten militärischen Landesverteidigung vor allem die Verfügungsbereitschaft des Bundesheeres für internationale Einsätze zu erhöhen." Das heißt: ein Halbsatz für die innere Landesverteidigung – ansonsten alle Konsequenz und alle Konzentration, Herr Kollege Kostelka, für internationale Einsätze. (Abg. Dr. Kostelka: Bis zum Ende durchblättern!)

Minister Einem hat sich anscheinend wirklich durchgesetzt mit seiner Meinung, daß man das Bundesheer, wenn schon nicht in einem, so doch schrittweise abschaffen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Kostelka! Auch Sie haben sich anscheinend in dieser Koalition durchgesetzt – leider zum Schaden dieser Republik!

Wir sehen es ja beim Budget, Herr Kollege. Da wird noch Einsparungsbedarf gesehen. Mit 500 Millionen Schilling wird sich jedoch allein der IFOR-Einsatz in diesem Budget zu Buche schlagen. Sie hungern unsere Landesverteidigung aus. Sie haben auch nicht den Mut, im Bereich der internationalen Sicherheitspolitik endlich die Weichen neu zu stellen: daß wir mit allen Rechten und mit allen Pflichten eine sicherheitspolitische Kooperation eingehen. Jetzt geht man einen merkwürdigen Weg: Wir übernehmen zwar die Pflichten bei internationalen Einsätzen, ohne aber durch eine Vollmitgliedschaft auch unter das Schutzschild der internationalen Organisationen kommen zu können.

Meine Damen und Herren! Es hat sich wieder einmal gezeigt: Vorher machen Sie große Ankündigungen, bei den Wahlreden sind Sie alle sehr mutig, aber wenn es darum geht, wirklich Flagge zu zeigen, wirklich auch dann konsequent zu bleiben, wenn es um Ihre Machtpotentiale geht, dann fallen Sie wieder um, und dann bleibt alles beim alten.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 151

Wir nehmen das mit Bedauern zur Kenntnis. Aber wir werden in den nächsten Jahren all jene, die Sie jetzt schon, in den letzten Wochen, enttäuscht haben, zu unseren Vertretern machen und sie auch hier in diesem Hohen Haus so wie bisher vertreten. Und ich kann Ihnen schon jetzt eines garantieren: Sie werden an dieser Regierungserklärung noch ordentlich zu kiefeln haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt noch Herr Abgeordneter Wabl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Restredezeit: 5 Minuten.

20.20

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Umwelt und Familie! Herr Wirtschaftsminister! Herr Sozialminister! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich nicht mehr zu Wort melden, aber der Umweltminister hat einen Geheimbericht angesprochen, nämlich den Geheimbericht im Zusammenhang mit dem OECD-Bericht, den offensichtlich nur die Grünen zugespielt bekommen haben.

Herr Umweltminister! Ich habe diesen Geheimbericht jetzt druckfrisch vor mir liegen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Das ist er nicht!) – Ich habe nicht den ganz dicken Bericht genommen, sonst hätten Sie ihn gleich als Ihren eigenen Bericht wiedererkannt. Darin ist folgendes vermerkt für das große "Umweltmusterland" Österreich: Von 1980 bis 1991 gab es in Österreich einen Zuwachs des Straßenverkehrs von 80,3 Prozent. Unser "Umweltmusterland" wird im Geheimbericht, den nur die Grünen von der OECD zugespielt bekommen haben, als großer "Umweltschützer" im Bereich des Verkehrs bezeichnet. – Ich glaube, nur Griechenland ist noch schlechter. – Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, Herr Umweltminister.

Beim Straßenverkehrsaufkommen, auf das Individuum bezogen, sind wir mit 8 100 Kilometer wieder an erster Stelle – aber von hinten, Herr Umweltminister! (Der Redner spricht teilweise nach hinten, zur Regierungsbank gewendet. – Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. ) – Ja, ich wende mich so hin und her, weil Sie einmal dort gesessen sind, und jetzt sitzen Sie seit kurzem da. Ich tue mir noch ein bisserl schwer: Einmal sitzen Sie da drinnen und einmal da draußen. – Aber das ändert nichts an dem Geheimbericht. Wie stehen Sie denn dazu?

Herr Minister! Wir haben ein anderes Problem, das Sie heute hier angesprochen haben. Sie haben gesagt, daß Sie sich bei der Rechtsauffassung der Grünen im Zusammenhang mit Lambach und dem Ennstal nicht auskennen. Ich habe Ihnen in einer der letzten Sitzungen bereits erklärt, wie die Rechtsauffassung des Herrn Landeshauptmannes Pühringer ist und welche ÖVP-Verfahren er dort als Betreiber eines Kraftwerks durchführt. Wenn Sie das als rechtskonform, als verfassungskonform bezeichnen wollen – geschenkt! Bleiben Sie dabei! Aber zu dem, was im Ennstal passiert ist, kann ich nur sagen: Es ist hier gelogen worden, es ist hier auch manipuliert worden und es ist von den Politikern falsch berichtet worden. – So sagt es zumindest ein Landtagsabgeordneter der SPÖ, ich zitiere ihn wörtlich (Abg. Dr. Graf: Wer?) – Abgeordneter Dipl.-Ing. Getzinger, Umweltsprecher der SPÖ-Steiermark –: "Politiker und Beamte haben im Zusammenhang mit diesem Projekt mehrfach gelogen." – Ich weiß nicht, ob er Sie gemeint hat, Herr Bartenstein, oder Herrn Schüssel oder Herrn Ditz oder gar nur Herrn Hirschmann oder Frau Klasnic oder Landeshauptmann Krainer. Ich weiß nicht, wen er mit dem Politiker, der da gelogen hat, gemeint hat. Ich nehme an, er wird nicht seine eigenen Parteifreunde gemeint haben. Das glaube ich nicht, weil er ein anständiger Sozialdemokrat ist, daher wurde er in der Steiermark auch als Feigenblatt benutzt. So jemand beschimpft nicht seine eigenen Leute. Also muß er die ÖVP-Politiker gemeint haben!

Aber Sie, Herr Minister Bartenstein, haben ja immer die Wahrheit gesagt im Zusammenhang mit dem Ennstal. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Ich habe gar nichts gesagt zum Ennstal!) Nichts haben Sie gesagt? Das ist auch gescheit, denn da können Sie nicht lügen im Sinne des Herrn Getzinger. (Abg. Kopf: Jetzt geht ihm ein Licht auf!)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 152

Herr Umweltminister! Wenn Sie etwas tun wollen im Zusammenhang mit dem Ennstal, dann sollten Sie hier massiv die Varianten vertreten. Sie sollten sich fragen, ob Sie der Lügner sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Liberalen, Herr Kier und Frau Heide Schmidt, sollten sich auch überlegen, welche Politik sie bezüglich des Ennstales vertreten beziehungsweise ob sie den Wendehals spielen wollen, wie das Herr Getzinger feststellt. Herr Brünner meint nämlich, die Enns-Trasse muß endlich durchgezogen werden, Herr Barmüller hingegen sagt: Das wäre eine ökologische Schande. – Sie sollten sich irgendwann einmal in Ihren Parteigremien absprechen, welchen Standpunkt Sie tatsächlich vertreten. Aber ich glaube, Herr Wirtschaftsminister Ditz möchte diese Bundesstraßenverordnung möglichst bald aufheben – mit Ihrer kräftigen Unterstützung, nehme ich an – weil er nämlich, wenn er dieses Projekt weiter durchzieht, mit dem EU-Recht in Konflikt geraten wird, und zwar mit dem LIFE-Förderungsprogramm. Da gibt es einen eigenen Vertrag, der von der Steiermark mit der EU abgeschlossen worden ist. Da ist genau dieser Teil drinnen. Das sollten Sie sich überlegen. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein und Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Herr Minister! Sie wissen sogar einige Dinge darüber, das ist ja großartig! Bei Lambach haben Sie sich ja noch nicht ausgekannt.

Präsident Dr. Heinrich Neisser (das Glockenzeichen gebend): Es ist Zeit für den Schlußsatz, Herr Abgeordneter. Das rote Licht leuchtet permanent.

Abgeordneter Andreas Wabl (fortsetzend): Ich danke Ihnen, Herr Präsident. – Herr Umweltminister! Ich würde Sie wirklich bitten, daß Sie Ihre Rolle als Umweltminister wahrnehmen und nicht so wie in der Sache Lambach agieren, sonst passiert Ihnen wieder das Unglück, daß Sie von den Umweltgruppen beleidigt werden. Sie sollten diesmal den Lügnern wirklich auf der Spur sein. Ich weiß nicht, vielleicht war es der Herr Khol, ich habe keine Ahnung, wen der Herr Getzinger gemeint hat, aber das wird sicher noch aufgeklärt werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zu zwei Abstimmungen. – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen zunächst über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Langthaler und Genossen betreffend die umweltpolitische Bedeutung der XX. Gesetzgebungsperiode ab.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage 14 der Beilagen (Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1996) eine Frist bis 12. Juli 1996 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt .

Die Tagesordnung ist erschöpft

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 132/A bis 142/A eingebracht wurden.


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
11. Sitzung / Seite 153

Ferner sind die Anfragen 282/J bis 297/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 20.29 Uhr – das ist also im Anschluß an diese Sitzung – ein.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 20.28 Uhr