Stenographisches Protokoll

40. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 18., und Donnerstag, 19. Oktober 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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40. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXI. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 18., und Donnerstag, 19. Oktober 2000

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 18. Oktober 2000: 10.01 – 24.00 Uhr

Donnerstag, 19. Oktober 2000: 0.00 – 3.32 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Finanzen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen

2. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 125/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend einen Bericht der Bundesregierung an den Nationalrat über die Einhaltung der Menschenrechte in Österreich (Menschenrechtsbericht)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz über den Umweltsenat (USG 2000) erlassen wird

4. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 121/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren (UVP) für ein Hilfsbetriebsgebäude des in Bau befindlichen Kernkraftwerks (KKW) Temelin in der Tschechischen Republik und

über den Entschließungsantrag 205/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Umsetzung der Abschlusserklärung der Delegation aller neun Landtage zur Verhinderung grenznaher Atomkraftwerke vom 9. Mai 2000 und

über den Entschließungsantrag 206/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Schlussoffensive gegen den Fertigbau des AKW Temelin

5. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 177/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend einen österreichischen Klimaschutzmaßnahmenplan zur Erreichung des Kyoto-Ziels

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Spanische Hofreitschule und das Bundesgestüt Piber rechtlich verselbständigt werden (Spanische Hofreitschule-Gesetz)

7. Punkt: Bericht über den Antrag 262/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen zur Förderung der Maschinen


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40. Sitzung / Seite 2

stickerei im Lande Vorarlberg getroffen werden (Stickereiförderungsgesetz), BGBl. Nr. 222/1956, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 187/1985, aufgehoben wird

8. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 195/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Preisauszeichnung

9. Punkt: Übereinkommen über den unerlaubten Verkehr auf See zur Durchführung des Artikels 17 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anhang und Erklärungen der Republik Österreich

10. Punkt: Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbestände samt Anlagen

11. Punkt: Kündigung des Übereinkommens vom 5. Juli 1890 betreffend die Veröffentlichung der Zolltarife und die Organisation einer Internationalen Vereinigung zur Veröffentlichung der Zolltarife samt seinem Durchführungsregulativ

12. Punkt: Europäisches Übereinkommen über die an Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilnehmenden Personen

13. Punkt: Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 13

Ordnungsrufe 62, 62

Geschäftsbehandlung

Verlangen gemäß § 26 Abs. 7 GOG hinsichtlich des Antrages 59/A (E) 16


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40. Sitzung / Seite 3

Antrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird, gemäß § 43 der Geschäftsordnung eine Frist bis 21. November 2000 zu setzen 16

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 16

Redner:

Dr. Gabriela Moser 121

Rudolf Parnigoni 123

Mag. Reinhard Firlinger 124

Mag. Helmut Kukacka 125

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 126

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 127

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 der Geschäftsordnung, die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen in erste Lesung zu nehmen – Annahme 16, 17

Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates und zur Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 252

Bekanntgabe 30

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 30

Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Pilz und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich, der Organisationsmängel im Bereich der Sicherheitsbehörden, die dazu geführt haben, dass jahrelang unbemerkt Daten an nicht Berechtigte weitergegeben wurden, gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung 252

Bekanntgabe 30

Verlangen gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 30

Gemeinsame Debatte über diese beiden Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen 252

Redner:

Dr. Johannes Jarolim 253

Dr. Peter Pilz 255

Dr. Peter Wittmann 256

Mag. Eduard Mainoni 257

Werner Miedl 259

Ablehnung der beiden Anträge 260

Antrag des Abgeordneten Karl Öllinger im Sinne des § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Ablehnung 59, 60

Wortmeldung der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel im Zusammenhang mit dem Antrag des Abgeordneten Karl Öllinger auf Anwesenheit des Bundeskanzlers 59

Wortmeldung des Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll betreffend Bestimmungen der Geschäftsordnung hinsichtlich der Vertretung des Bundeskanzlers 60

Antrag des Abgeordneten Dr. Michael Krüger auf Durchführung einer Debatte über den Antrag auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Ablehnung 60, 60

Wortmeldung des Abgeordneten Karl Öllinger betreffend Abstimmungsergebnis über seinen Antrag auf Anwesenheit des Bundeskanzlers 61

Mitteilungen des Präsidenten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn betreffend die Abstimmung über den Antrag auf Anwesenheit des Bundeskanzlers 61, 61, 62

Verlangen des Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen auf Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses über den Antrag auf Anwesenheit des Bundeskanzlers 61


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40. Sitzung / Seite 4

Unterbrechungen der Sitzung 62, 81

Wortmeldungen ebenfalls im Zusammenhang mit dem Abstimmungsergebnis über den Antrag auf Anwesenheit des Bundeskanzlers:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 62

Dr. Peter Kostelka 62

Dr. Martin Graf 63

Mitteilung des Präsidenten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn betreffend weiteres Vorgehen im Falle von Anträgen zur Geschäftsbehandlung 63

Wortmeldungen betreffend § 32d (4) GOG:

Paul Kiss 102

Ing. Peter Westenthaler 103

Dr. Peter Pilz 103

Anton Leikam 104

Erklärung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer betreffend allfälliges strafbares Verhalten des Abgeordneten Dr. Peter Pilz 103

Verlangen der Abgeordneten Dr. Ilse Mertel auf Erteilung eines Ordnungsrufes gemäß § 103 der Geschäftsordnung 147

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Andreas Khol betreffend Äußerungen des Abgeordneten Mag. Johann Maier 147

Ersuchen des Präsidenten Dr. Werner Fasslabend betreffend Mäßigung der Sprache in Debattenbeiträgen 159

Mitteilung des Präsidenten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn betreffend Wortwahl einzelner Abgeordneten 225

Ausschüsse

Zuweisungen 14

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend FP-Spitzelaffäre – illegale Weitergabe von Polizeidaten an Dritte (1349/J) 81

Begründung: Dr. Alfred Gusenbauer 85

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 89

Debatte:

Emmerich Schwemlein 92

Dr. Helene Partik-Pablé 94

Paul Kiss 97

Dr. Peter Pilz 100

Mag. Andrea Kuntzl 104

Dr. Helene Partik-Pablé (tatsächliche Berichtigung) 106

Wolfgang Jung 107

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 108

Mag. Terezija Stoisits 109

Patrick Ortlieb 111

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 112

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 113

Hermann Reindl 114


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40. Sitzung / Seite 5

Dr. Josef Cap 115, 118

Ing. Peter Westenthaler 116

Dr. Andreas Khol 119


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40. Sitzung / Seite 6

Dr. Peter Kostelka (tatsächliche Berichtigung) 120

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Finanzen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen – Beschluss auf erste Lesung 17, 16

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 17

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Entschließungsantrag 125/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend einen Bericht der Bundesregierung an den Nationalrat über die Einhaltung der Menschenrechte in Österreich (Menschenrechtsbericht) (301 d. B.) 30

Redner:

Mag. Walter Posch 31

Dr. Helene Partik-Pablé 34

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigungen) 38, 161

Mag. Terezija Stoisits 38

Matthias Ellmauer 41

Inge Jäger 43

Mag. Eduard Mainoni 45

Mag. Ulrike Lunacek 48

Dr. Gertrude Brinek 52

Georg Oberhaidinger 54

Dr. Martin Graf (tatsächliche Berichtigung) 56

Dr. Michael Krüger 56

Georg Oberhaidinger (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 60

Karl Öllinger 64, 154

Ing. Gerhard Fallent 67

Mag. Christine Muttonen 70

Wolfgang Jung 71

Theresia Haidlmayr 74

Dr. Reinhard Eugen Bösch 76

Mag. Barbara Prammer 78

Mag. Karl Schweitzer (tatsächliche Berichtigung) 81

Ilse Burket 127

Dieter Brosz 130

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer 133

Gerhard Reheis 134

Dr. Peter Wittmann 138

Dr. Michael Krüger (tatsächliche Berichtigung) 140

Mag. Brunhilde Plank 141

Mag. Johann Maier 143

Dr. Caspar Einem 147

Dr. Martin Graf 150

Theresia Haidlmayr (tatsächliche Berichtigung) 153

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 155

Ing. Peter Westenthaler 159

Dr. Peter Pilz 162

Mag. Gilbert Trattner 164

MMag. Dr. Madeleine Petrovic (tatsächliche Berichtigung) 165

Dr. Peter Kostelka 166

Mag. Werner Kogler (tatsächliche Berichtigung) 167

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 301 d. B. 167

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 301 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Vorlage eines Berichtes der Bundesregierung an den Nationalrat über die Situation von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und über den Entwurf der Grundrechtscharta der EU (E 37) 167

3. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (280 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz über den Umweltsenat (USG 2000) erlassen wird (333 d. B.) 167

Redner:

Anton Heinzl 168

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 169

Johann Loos 170

Dr. Eva Glawischnig 171

Rainer Wimmer 172

Ing. Herbert L. Graf 173

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 173

Annahme des Gesetzentwurfes in 333 d. B. 173

4. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 121/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren (UVP) für ein Hilfsbetriebsgebäude des in Bau befindlichen Kernkraftwerks (KKW) Temelin in der Tschechischen Republik und

über den Entschließungsantrag 205/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Umsetzung der Abschlusserklärung der Delegation aller neun Landtage zur Verhinderung grenznaher Atomkraftwerke vom 9. Mai 2000 und

über den Entschließungsantrag 206/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Schlussoffensive gegen den Fertigbau des AKW Temelin (334 d. B.) 174

Redner:

Mag. Ulrike Sima 174

Mag. Karl Schweitzer 175

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 178

Dr. Eva Glawischnig 179

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 181

Georg Oberhaidinger 183

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 186

Erwin Hornek 188

Dr. Gabriela Moser 189

Otmar Brix 190

Ing. Gerhard Fallent 191

Hermann Gahr 192

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 193

Katharina Pfeffer 195

Anna Elisabeth Achatz 195

Matthias Ellmauer 196


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40. Sitzung / Seite 7

Ing. Kurt Gartlehner 197

Ing. Herbert L. Graf 198

Arnold Grabner 200

Marianne Hagenhofer 201

Anton Heinzl 202

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 203

Rudolf Parnigoni 204

Rainer Wimmer 205

Dr. Robert Rada 206

Beate Schasching 206

Mag. Kurt Gaßner 207

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 208

Dr. Helene Partik-Pablé (tatsächliche Berichtigung) 209

Mag. Barbara Prammer 209

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 334 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Maßnahmen zur Verhinderung der endgültigen Inbetriebnahme des AKW Temelin (E 38) 211

5. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 177/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend einen österreichischen Klimaschutzmaßnahmenplan zur Erreichung des Kyoto-Ziels (335 d. B.) 211

Redner:

Mag. Ulrike Sima 211

Ing. Gerhard Fallent 212

Hermann Gahr 213

Dr. Eva Glawischnig 214

Otmar Brix 216

Ing. Wilhelm Weinmeier 217

Matthias Ellmauer 218

Dr. Evelin Lichtenberger 219

Ing. Erwin Kaipel 221

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 222

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 223

Kurt Eder 223

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 335 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Vorlage des nationalen Monitoring der Treibhausgasemissionen in Österreich sowie einer Evaluierung der bisher getroffenen Maßnahmen (E 39) 225

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (282 d. B.): Bundesgesetz, mit dem die Spanische Hofreitschule und das Bundesgestüt Piber rechtlich verselbständigt werden (Spanische Hofreitschule-Gesetz) (330 d. B.) 225

Redner:

Sophie Bauer 225

Anna Elisabeth Achatz 226

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber 227

Jakob Auer 228

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 229

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 230

Dr. Sylvia Papházy MBA 231

Mag. Kurt Gaßner 232

Georg Schwarzenberger 233


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40. Sitzung / Seite 8

Emmerich Schwemlein 233

Helmut Haigermoser 234

Johannes Schweisgut 234

Jakob Pistotnig 235

Annahme des Gesetzentwurfes in 330 d. B. 236

7. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 262/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen zur Förderung der Maschinenstickerei im Lande Vorarlberg getroffen werden (Stickereiförderungsgesetz), BGBl. Nr. 222/1956, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 187/1985, aufgehoben wird (332 d. B.) 237

Redner:

Rudolf Parnigoni 237

lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher 237

Annahme des Gesetzentwurfes in 332 d. B. 237

8. Punkt: Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Entschließungsantrag 195/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Preisauszeichnung (331 d. B.) 238

Redner:

Mag. Johann Maier 238

Helmut Haigermoser 239

Dr. Gabriela Moser 239

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 239

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 240

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 331 d. B. 24


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40. Sitzung / Seite 9

1

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (199 d. B.): Übereinkommen über den unerlaubten Verkehr auf See zur Durchführung des Artikels 17 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anhang und Erklärungen der Republik Österreich (303 d. B.) 241

10. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (200 d. B.): Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbestände samt Anlagen (304 d. B.) 241

11. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (201 d. B.): Kündigung des Übereinkommens vom 5. Juli 1890 betreffend die Veröffentlichung der Zolltarife und die Organisation einer Internationalen Vereinigung zur Veröffentlichung der Zolltarife samt seinem Durchführungsregulativ (305 d. B.) 241

12. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (203 d. B.): Europäisches Übereinkommen über die an Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilnehmenden Personen (306 d. B.) 241

13. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (267 d. B.): Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (307 d. B.) 241

Redner:

Mag. Ulrike Lunacek 241, 248

Mag. Johann Maier 242

Dr. Alois Pumberger 244

Dieter Brosz 244

Wolfgang Großruck 246

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 247

Anton Heinzl 248

Dr. Gerhard Kurzmann 249

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend die Nichtnovellierung der Suchtgift-Grenzmengenverordnung – Ablehnung 243, 251

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz und Genossen betreffend Ermöglichung des Konsums von Cannabis nach Schweizer Vorbild – Ablehnung 246, 251

Genehmigung  der  fünf  Staatsverträge  in  199, 200, 201, 203  und 267 d. B. 250, 251

Beschlussfassung im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 B-VG betreffend
200 d. B. 251

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 13

284: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Zählung von Arbeitsstätten (Arbeitsstättenzählungsgesetz) geändert wird

285: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte erlassen wird und das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz sowie das Rundfunkgesetz geändert werden

296: Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 – KindRÄG 2001

297: Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz, die Strafprozeßordnung 1975, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden

310 und Zu 310: Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen

311: Budgetbegleitgesetz 2001 samt Ergänzungen

312: Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG

313: Bundesgesetz, mit dem das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981 und das Kunstförderungsgesetz geändert werden

338: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986) geändert wird (ZDG-Novelle 2001)

Bericht 14

Vorlage 16 BA: Bericht über die Genehmigung von überplanmäßigen Ausgaben im 3. Quartal 2000; BM f. Finanzen


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40. Sitzung / Seite 10

Anträge der Abgeordneten

Paul Kiss, Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz 1997 geändert wird (302/A)

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Mag. Gilbert Trattner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik 1984 geändert wird (303/A)

Dr. Andreas Khol, Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bezügegesetz, BGBl. Nr. 273/1972, geändert wird (304/A)

Ing. Peter Westenthaler und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 (AKG) geändert wird (305/A)

Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Dr. Michael Krüger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Verfassungsgerichtshofgesetz geändert werden (306/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Werner Kogler und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Gebarung der ASFINAG im Zusammenhang mit der Vergabe der Bauarbeiten für die 2. Röhre des Plabutschtunnels (1348/J)

Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend FP-Spitzelaffäre – illegale Weitergabe von Polizeidaten an Dritte (1349/J)

Mag. Andrea Kuntzl und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Herrn Franz Häusler (1350/J)

Josef Edler und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schnellbahnausbau und Lärmschutz in Wien (1351/J)


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40. Sitzung / Seite 11

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1352/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1353/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1354/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1355/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1356/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1357/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1358/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1359/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1360/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1361/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Personalwechsel und Umorganisationen in den Ministerbüros (1362/J)


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40. Sitzung / Seite 12

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Hausdurchsuchung – Beschlagnahme gleichgeschlechtlicher pornographischer Videokassetten in einem Sexshop in Graz (1363/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Novellierung des Kärntner Lehrergesetzes (1364/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Hufeisenplan (1365/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Übertragung der militärischen Liegenschaften (1366/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Übertragung der militärischen Liegenschaften (1367/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Übertragung der militärischen Liegenschaften (1368/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Expertengutachten (1369/J)

Karl Öllinger und Genossen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Expertengutachten (1370/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Expertengutachten (1371/J)

Dr. Johannes Jarolim und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Häftlingsdatei und sensible Daten (1372/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abfragen über EKIS und über andere Dateien des BMI hinsichtlich der Mitglieder und Ersatzmitglieder des Verfassungsgerichtshofes (1373/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abfragen über EKIS und über andere Dateien des BMI hinsichtlich der Abgeordneten zum Europäischen Parlament (1374/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanznot der Rettungsorganisationen (1375/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Stiftungssteuer (1376/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Novellierung des Kärntner Lehrergesetzes (1377/J)

Georg Oberhaidinger und Genossen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Scheitern der österreichischen Stromlösung (1378/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend ÖPUL 2000 – Ackerbaubetriebe und Grundwasserschutzprogramm (1379/J)

Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend geplante Verkäufe von Grundstücken durch die Bundesforste AG (1380/J)

Mag. Ulrike Lunacek und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Maßnahmenvollzug wegen "Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht" nach dem § 209 StGB (1381/J)

Zurückgezogen wurden die Anfragen der Abgeordneten

Dr. Gabriela Moser und Genossen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Einsparungspotential bei BeamtInnen (1313/J) (Zu 1313/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Einsparungspotential bei BeamtInnen (1317/J) (Zu 1317/J)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Manfred Lackner und Genossen (1164/AB zu 1179/J)

 


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40. Sitzung / Seite 13

Beginn der Sitzung: 10.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dritter Präsident Dr. Werner Fasslabend.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen, bitte Sie, die Plätze einzunehmen, und erkläre die 40. Sitzung des Nationalrates, die ich für heute Mittwoch, den 18. Oktober 2000, 10 Uhr, einberufen habe, für eröffnet.

Das Amtliche Protokoll der 39. Sitzung vom 12. Oktober 2000 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen, ohne Einspruch geblieben und gilt daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dobnigg, Lackner, Schieder, Fischl, Dr. Ofner, Wenitsch und Zierler.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfrage: 1348/J.

Zurückziehungen: 1313/J und 1317/J.

2. Anfragebeantwortung: 1164/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Zählung von Arbeitsstätten (Arbeitsstättenzählungsgesetz) geändert wird (284 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte erlassen wird und das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz sowie das Rundfunkgesetz geändert werden (285 der Beilagen),

Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 – KindRÄG 2001 (296 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz, die Strafprozeßordnung 1975, das Finanzstrafgesetz und das Verwaltungsstrafgesetz 1991 geändert werden (297 der Beilagen),

Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen (310 und Zu 310 der Beilagen),

Budgetbegleitgesetz 2001 (311 der Beilagen),

Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG (312 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981 und das Kunstförderungsgesetz geändert werden (313 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986) geändert wird (ZDG-Novelle 2001) (338 der Beilagen).


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B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von überplanmäßigen Ausgaben im 3. Quartal 2000 (Vorlage 16 BA).

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 273/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Anhebung der Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz,

Antrag 275/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung,

Antrag 276/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung durch Schließen der Lücken im Krankenversicherungsschutz,

Antrag 277/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung,

Antrag 278/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich Rehabilitationsmaßnahmen,

Antrag 279/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Hauskrankenpflege,

Antrag 280/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Sozialversicherung durch längere Fristen für Anträge auf Kostenerstattung,

Antrag 281/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Sozialhilfe,

Antrag 282/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich des Pflegegeldes,

Antrag 283/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich des Pflegegeldes durch bessere Absicherung der Pflegepersonen,

Antrag 284/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich des Pflegegeldes in der Pflegeinfrastruktur,

Antrag 285/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung,

Antrag 286/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Sozialversicherung,


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Antrag 287/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Schaffung eines Teilarbeitslosengeldes,

Antrag 288/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch ein Mindestarbeitslosengeld,

Antrag 289/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Anhebung der Freigrenzen bei der Anrechnung der Notstandshilfe,

Antrag 290/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Verbesserung der Zumutbarkeitsbestimmungen,

Antrag 291/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Verbesserung bei den Sanktionen,

Antrag 292/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch den Ausbau der arbeitsmarktpolitischen Instrumente,

Antrag 293/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Einkommenssituation in der Zeit der Karenz und der Kindererziehung,

Antrag 294/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch die Verbesserung der Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds,

Antrag 295/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems Richtung bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch verbesserte Rechte beim Wiedereinstieg,

Antrag 296/A (E) der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen betreffend Hebung der sozialen Sicherheit des Sozialsystems durch die Verbesserung des Angebotes an Kinderbetreuung,

Antrag 300/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Verwendung der Behindertenmilliarde im Budget 2001,

Antrag 301/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Defizite bei der Treffsicherheit des Pflegegeldes;

Bautenausschuss:

Bundesgesetz, mit dem die Bau- und Liegenschaftsverwaltung des Bundes neu organisiert sowie über Bundesvermögen verfügt wird (Bundesimmobiliengesetz) und mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 sowie das ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997 geändert werden (298 der Beilagen);

Finanzausschuss:

Antrag 298/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Abgabe von Zuwendungen geändert wird,

Antrag 299/A (E) der Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald und Genossen betreffend Abstandnahme von der geplanten Besteuerung der Unfallrenten;


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Landesverteidigungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990 geändert wird (300 der Beilagen);

Verkehrsausschuss:

Antrag 297/A (E) der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter und Genossen betreffend die Fassung eines Ministerratsbeschlusses zur Durchsetzung des Semmering-Basistunnels;

Ausschuss für Wissenschaft und Forschung:

Antrag 274/A (E) der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen betreffend freier Zugang zu allen Bildungsinstitutionen.

C) Verlangen gemäß § 26 Abs. 7 GOG hinsichtlich des Antrages:

59/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Maßnahmenpaket für den Naturschutz.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bevor ich in das Meritum der heutigen Sitzung eingehe, darf ich sehr respektvoll unseren Herrn Bundespräsidenten begrüßen, der als Gast des Nationalrates hier im Hause erschienen ist. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub der SPÖ hat nach § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 1349/J der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Fraktion an den Herrn Bundesminister für Inneres betreffend FP-Spitzelaffäre – illegale Weitergabe von Polizeidaten an Dritte dringlich zu behandeln.

Nach jenen Bestimmungen der Geschäftsordnung, die Sie alle kennen, wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr zum Aufruf gelangen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters darf ich vor Eingang in die Tagesordnung mitteilen, dass Frau Abgeordnete Dr. Moser beantragt hat, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird, eine Frist bis zum 21. November dieses Jahres zu setzen.

Es wurde in diesem Zusammenhang nach § 43 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, eine Kurzdebatte über diesen Antrag durchzuführen.

Da in der heutigen Sitzung die dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage, wie soeben bekannt gegeben wurde, erfolgt, wird diese Kurzdebatte nach Erledigung der Dringlichen Anfrage durchgeführt werden. Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird sodann nach der Kurzdebatte vorgenommen werden.

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Es liegt mir ein Antrag vor, die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen in erste Lesung zu nehmen.

Über diesen Antrag hat das Hohe Haus zu entscheiden.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die mit der Durchführung einer ersten Lesung des Bundesfinanzgesetzes einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so beschlossen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir der Vorschlag vor, die Debatte über die Punkte 9 bis 13 der heutigen Tagesordnung zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Daher werden wir so vorgehen und die Debatte über die Tagesordnungspunkte 9 bis 13 zusammenfassen.

1. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Finanzen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 samt Anlagen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf dem Herrn Bundesminister für Finanzen das Wort zu seiner Budgetrede erteilen. – Bitte, Herr Bundesminister.

10.06

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Hochverehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Nationalrates! Werter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Werte Regierungskolleginnen und -kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus!

Die Finanz- und Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung ist Ausdruck eines grundlegenden Paradigmenwechsels. Wir möchten die Globalisierung als Chance für unser Land nützen und nicht Mauern rund um Österreich bauen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir stehen für eine liberale und faire Marktwirtschaft, sehen Wettbewerb und Konkurrenz als positive Herausforderungen, um tagtäglich die eigenen Leistungen zu verbessern. Die Vernetzung unserer Welt, die enorme Dynamik unserer Zeit, die elektronische Revolution – wir müssen diese Entwicklungen für einen attraktiven Wirtschaftsstandort und für gut bezahlte Arbeitsplätze in der Zukunft nützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir sehen die Lösung vieler Probleme unseres Landes daher in weniger staatlichem Dirigismus und mehr marktwirtschaftlichen und privaten Initiativen, in weniger Einschränkung der Freiheit durch ein unglaubliches Ausmaß an Ge boten und Ver boten und mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung im Sinne einer offenen und demokratischen Gesellschaft (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), in weniger Indifferenz bei der Verteilung von Sozialleistungen und mehr sozialer Gerechtigkeit für die wirklich Bedürftigen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Unsere Verpflichtung ist die Erarbeitung einer neuen Qualität eines wirtschafts- und sozialpolitischen Modellfalls Österreich inmitten eines gemeinsamen Europas. Wir müssen neue Benchmarks setzen, in der Finanzpolitik, in der Wirtschaftspolitik sowie in der Sozialpolitik.

Diese Regierung hat den Aufbruch in die Zukunft gewagt! Dieser Aufbruch wird eine Finanzpolitik der Nachhaltigkeit umsetzen, eine Nachhaltigkeit, die es ermöglichen soll,

dass wir auch noch in 30 Jahren Pensionen an unsere ältere Generation werden zahlen können, und das unter steuerlichen Rahmenbedingungen, die den Leistungswillen der jungen Generation fördern (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP),

dass wir weiterhin staatliche Investitionen durchführen können, notwendige Impulse in zukunftsorientierten Bereichen, etwa der Forschung und Entwicklung als auch der Bildung, setzen


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40. Sitzung / Seite 18

können, ohne dass die gigantischen Staatsschulden mehr als ein Fünftel der Steuereinnahmen des Bundes für Zinsen auffressen und jeden Spielraum zunichte machen, wie das gegenwärtig der Fall ist,

dass die Vermögensbildung durch Erwerb von Unternehmensanteilen in allen sozialen Schichten selbstverständlich wird und zu einer neuen Form von Verantwortungsbereitschaft und Miteinander von Mitarbeitern und Management führt (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP),

dass die Klein- und Mittelbetriebe Leistungsanreize durch attraktive und faire Rahmenbedingungen erhalten, denn diese Betriebe sind die Basis unserer Wirtschaft, sie sind diejenigen, die den Großteil der Arbeitnehmer beschäftigen, und sie sind auch diejenigen, die einen guten Teil der Steuern erwirtschaften (neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP),

eine Nachhaltigkeit der Finanzpolitik, die es auch ermöglichen soll, dass in Armut lebende und sozial schwache Menschen wirkungsvolle, unbürokratische und solidarische Unterstützung bekommen.

Nur eine solche Nachhaltigkeit unserer Finanzpolitik wird es uns erlauben, auch in Zukunft Wohlstand und demokratische Einrichtungen unseres Landes zu sichern. Das heißt, es muss uns gelingen, die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Sektors und damit des gesamten Staates zurückzugewinnen, die frühere Regierungen durch klare Reformunfähigkeit verloren haben.

Es geht auch darum, meine Damen und Herren, einen falsch verstandenen Keynesianismus, der in Form des Austrokeynesianismus als Vorwand für eine gewaltige Staatsverschuldung gedient hat, zu beenden und das Land wieder von den Schulden zu befreien. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Daher muss es unser Bestreben sein, wieder Vordenker einer neuen österreichischen Schule der Nationalökonomie heranzuziehen. Das ist umso wichtiger, als man weiß, wozu dieser Austrokeynesianismus, diese Schule des immer mehr Geld Ausgebens, als man einnimmt, dieses Programm der konsequenten Verschuldung, geführt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben unser Land mit mehr als 2 000 Milliarden Schilling an Schulden übernommen. Darüber hinaus gab es enorme außerbudgetäre Schulden: 50 Milliarden Schilling bei den Österreichischen Bundesbahnen, 46 Milliarden Schilling bei der ÖIAG, 82 Milliarden Schilling bei der ASFINAG, 36 Milliarden Schilling bei der Post- und Telekom-Beteiligungsgesellschaft, 16 Milliarden Schilling bei der Bundesimmobiliengesellschaft, 35 Milliarden Schilling bei der Schieneninfrastrukturgesellschaft, 14 Milliarden Schilling beim Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds.

Alle Österreicherinnen und Österreicher müssen daher jeden Tag mehr als 680 Millionen Schilling an Zinsen und an Tilgungen bezahlen, das sind insgesamt gigantische 250 Milliarden Schilling im Jahr! Das sind – nur um die Dimensionen zu veranschaulichen – mehr als die gesamten Bildungsausgaben, darunter die Ausgaben für alle Schulen, Fachhochschulen und Universitäten in Österreich, alle lnfrastrukturausgaben und das gesamte Sozialbudget des Bundes zusammen!

Natürlich führen solch hohe Rückzahlungen für Altschulden zu Manövrierunfähigkeit, zum Verlust von Gestaltungsspielraum und zu massiver Einschränkung von Zukunftsinitiativen. Unangenehmerweise haben derart hohe Rückzahlungen auch eine sehr hohe Steuer- und Abgabenquote zur Folge. Alle österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten um rund 7 000 S netto im Monat mehr verdienen, hätte man nicht 30 Jahre lang eine derart unsoziale und unverantwortliche Politik betrieben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hypothek lautet das Prinzip: Nicht nur die Vergangenheit, nein, auch die Zukunft wurde bereits massiv mit finanziellen Verpflichtungen belastet. Eine Untersuchung einer internationalen Forschergruppe hat gezeigt, dass die Schuldenquote Österreichs eigentlich nicht nur etwas über 65 Prozent, sondern 196 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen würde, würde man die Verpflichtungen miteinbeziehen, die Österreich – gemessen an der Rechtslage von 1995 – für die Zukunft in Form von Schulden und in Form von Pensionszusagen bereits eingegangen ist. Nur wenigen Ländern wurden so hohe künftige Belastungen für nächste Generationen auferlegt,


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wie es für Österreich von vergangenen Regierungen getan wurde. Enorme Schulden, massive finanzielle Belastungen, und das alles in einem internationalen Umfeld, wo bereits jetzt acht Mitgliedsländer der Europäischen Union Überschüsse machen.

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Budgetüberschüsse werden in Europa für notwendig erachtet, damit nicht zu hohe Anteile der öffentlichen Einnahmen für Schuldzinsen ausgegeben werden und Spielraum für eine zukunftsweisende Gestaltung unserer Lebensbedingungen eröffnet wird. Es gilt, unsere nationale Wirtschaftspolitik vorzeigefähig und nachahmenswert für die europäischen Partner zu gestalten, um nicht stets den internationalen Trends hinterherzulaufen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eine Weiterführung der bisherigen Politik hätte also bedeutet, dass Österreich in den nächsten Jahren die mit weitem Abstand höchste Neuverschuldung von über 2,0 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in der Europäischen Union aufweisen würde. Auch die Kreditwürdigkeit Österreichs auf den internationalen Kapitalmärkten wäre beeinträchtigt worden, was eine wesentliche Gefahr für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Österreich bedeutet hätte. Nicht zuletzt wäre mit Zinsaufschlägen zu rechnen, die auf die Investitionen der Wirtschaft und des Staates, aber auch auf unsere Staatsschuld entsprechende negative Auswirkungen hätten. Eine deutliche Schwächung des Wirtschaftsstandortes, rückläufiges Wachstum, höhere Inflation und höhere Arbeitslosigkeit wären die Folgen.

Nicht nur das internationale Umfeld zwingt uns zu einer raschen Konsolidierung, sondern auch die Tatsache, dass wir gegenwärtig die beste Konjunktur seit mehr als zehn Jahren haben. Die Auftragsbücher unserer Unternehmen sind voll, mit einer Arbeitslosenrate von nur 3,1 Prozent im September 2000 haben wir in Österreich beinahe Vollbeschäftigung, die Investitionen in Österreich erreichen Rekordwerte, die Exporte laufen hervorragend, die Wirtschaft boomt, aber der Staat ist ein Sanierungsfall.

Deshalb, meine Damen und Herren, gibt es keine Alternative: Wir müssen diese verantwortungslose, unsoziale und dem Wohlstand abträgliche Entwicklung endlich zum Stillstand bringen. Daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die Staatsfinanzen neu zu ordnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das sind auch die Hintergründe, weshalb Herr Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Frau Vizekanzler Susanne Riess-Passer mit mir gemeinsam zu zwei Reformdialogen eingeladen haben, um einen nationalen Konsens für eine neue Finanzpolitik zu erreichen. Wir stehen für eine Finanzpolitik, die heute bereits an das Morgen denkt, eine Finanzpolitik, die nicht auf Kosten und zu Lasten unserer Kinder und Enkelkinder betrieben wird, für eine Finanzpolitik, die sicherstellt, dass sich die österreichische Volkswirtschaft – wie auch in einer entsprechenden Wifo-Studie erhoben – auch in Zukunft rund 325 Milliarden Schilling im Jahr für Pensionszahlungen an eine verdiente ältere Generation leisten kann (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), dass sie auch in Zukunft rund 250 Milliarden Schilling im Jahr für ein hochwertiges Gesundheitssystem in Österreich ausgeben kann, dass sie sich auch in Zukunft mindestens 73 Milliarden Schilling für Familienleistungen und rund 39 Milliarden Schilling für Unterstützungen bei Arbeitslosigkeit leisten kann. Wir wollen eine Finanzpolitik, die soziale Gerechtigkeit Realität werden lässt und Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder übernimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es gelungen ist, einen nationalen Konsens für eine neue finanzpolitische Zielsetzung mit allen im Parlament vertretenen politischen Parteien, allen Bundesländern, den Vertretern des Städte- und Gemeindebundes, der Bundesarbeitskammer, der Gewerkschaft, der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung, der Landwirtschaftskammer und den zwei Wirtschaftsforschungsinstituten IHS und Wifo zu vereinbaren. Ich bedanke mich sehr dafür, dass alle zu dem Konsens beigetragen haben, denn es ist Zeit für eine grundvernünftige Politik, bei der die Einnahmen und die Ausgaben des Staates mittelfristig übereinstimmen, keine neuen Schulden mehr in einer Zeit der Hochkonjunktur gemacht und daher auch keine neuen zukünftigen Belastungen für die Bevölkerung not


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wendig werden. Das ist eine Wende in der Finanzpolitik, ein Paradigmenwechsel, den wir unseren nachfolgenden Generationen schuldig sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Erfolgsrezepte müssen nicht immer kompliziert sein. So wie der Verlust in einem Unternehmen der größte Feind der Arbeitsplätze ist, so ist das Defizit eines Landes der größte Feind des wirtschaftlichen Wohlstandes. Die Basis für eine gute Sozialpolitik ist immer auch eine effiziente Wirtschaftspolitik. Daher legt die Bundesregierung Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, den Bundesvoranschlag 2001 vor, der einen wichtigen Schritt auf diesem Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt des Gesamtstaates darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Auch die zukünftigen Budgets werden Ergebnis dieser konsequenten Finanzpolitik sein. Nur so sind wir verlässlich und rechtfertigen das Vertrauen der Bevölkerung. Nur so können wir Rahmenbedingungen für Vollbeschäftigung, für volle Auftragsbücher unserer Unternehmen, für inflationsfreies Wachstum, für einen möglichst hohen Lebensstandard unserer Bevölkerung und für die Erhaltung und Verbesserung des Wohlstands in Österreich schaffen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hohes Haus! Ein ausgeglichener Haushalt ist sicherlich kein Selbstzweck, sondern wird neben den positiven Wirkungen auf den privaten Konsum und Investitionen auch neue Spielräume für die wirtschaftspolitischen Schwerpunkte dieser Bundesregierung eröffnen. Diese sind insbesondere:

Erstens: die Einführung des Kindergelds für alle ab 1. Jänner 2002. – Wir sehen dies als kleine Entschädigung der Gesellschaft gegenüber denjenigen, die die Mühen und finanziellen Lasten auf sich nehmen, die Zukunft dieses Landes durch das Aufziehen der nächsten Generationen zu sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, ist stolz darauf, dass wir diesen besonderen Schwerpunkt im Bereich der Familienpolitik werden setzen können. Das ist ein echter Meilenstein, ein Signal an die Familien und Mehrkinderhaushalte, dass Kinder unschätzbar wertvoll sind. Wir können stolz darauf sein, zu einem der kinderfreundlichsten Länder Europas zu zählen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zweitens: Senkung der Lohnnebenkosten. – Seit vielen Jahren diskutiert man in Österreich die sehr hohe indirekte Belastung der Arbeitskraft. Im Vergleich zum Durchschnitt der OECD-Staaten zahlen wir um 9,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes mehr an arbeitsgebundenen Abgaben. Diese Regierung ist überzeugt: Man hat lange genug geredet, jetzt ist es an der Zeit, zu handeln! Wir werden die Lohnnebenkosten bis 2003 um 15 Milliarden Schilling senken und damit den Wirtschaftsstandort Österreich aufwerten und die Arbeitskraft entlasten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Drittens: eine Offensive in der Forschung und Entwicklung zur Zukunftssicherung unseres Landes. – Wir haben neben den 17 Milliarden Schilling, die wir im Vorjahr für Forschung und Entwicklung ausgegeben haben, 10 zusätzliche Milliarden Schilling kumulativ für die kommenden drei Jahre vorgesehen, von denen 7 Milliarden Schilling für Forschung und Entwicklung und 3 Milliarden Schilling für zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Wenn man bedenkt, dass beispielsweise ein Land wie Finnland, das noch vor wenigen Jahren durch den Zusammenbruch der Sowjetunion in größte Schwierigkeiten gekommen ist und Rückgänge des Bruttoinlandsproduktes bis zu 7 Prozent per anno hinnehmen musste, inzwischen einen Budgetüberschuss von 4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreicht, wovon der überwiegende Teil für Forschung und Entwicklung eingesetzt wird, so muss man sagen: Es zeigt sich der dringende Handlungsbedarf, den wir in Österreich auch in diesem Bereich haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Langfristig werden Investitionen in Forschung und Entwicklung auch über die Höhe der Beschäftigung und des Lohnniveaus in unserem Land entscheiden. Es darf nicht zur Abkoppelung unseres Landes von der internationalen Entwicklung kommen. Wir müssen eine Restrukturierung der Wirtschaft hin zur New Economy schaffen. Daher werden wir einen Dialog mit der For


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schung, mit den Universitäten, mit der Wirtschaft und mit den Bundesländern beginnen. Über einen Wettbewerb der Ideen sollen jene Projekte mit der größten Wirkung für unser Land, für mehr Wertschöpfung und für neue qualifizierte Arbeitsplätze gefunden werden. Das Ziel muss die Vervielfachung der vom Steuerzahler bereitgestellten Mittel sein. Wir werden eine F&E-Offensive umsetzen, wie es bislang keine Bundesregierung vor uns geschafft hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es geht dabei, meine Damen und Herren, nicht um abstrakte Visionen, sondern darum, diesen Weg auch ganz konkret Realität werden zu lassen. Was dahinter steht, ist das Lebensschicksal von Menschen, ist die Sicherung der Lebensqualität jüngerer und älterer Generationen, ist ein fairer und gerechter sozialer Ausgleich, ist die Verwirklichung tatsächlicher sozialer Gerechtigkeit.

Diese Zielsetzung können wir nur durch einen konsequenten Konsolidierungskurs mit einer guten Mischung aus überwiegend ausgabenseitigen und zu einem geringeren Teil auch einnahmenseitigen Maßnahmen erreichen. Die Konsolidierungsnotwendigkeit von etwa 90 Milliarden Schilling im Jahre 2001 wird zu etwa 62 Prozent auf der Ausgabenseite und zu nur 38 Prozent auf der Einnahmenseite realisiert.

Der Entwurf für den Bundesvoranschlag 2002 wird die ausgabenseitigen Maßnahmen auf nahezu 70 Prozent anheben. Damit ist ein deutliches Bekenntnis der Bundesregierung zu nachhaltigen Strukturreformen auf der Ausgabenseite verbunden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der Entwurf für den Bundesvoranschlag 2001 sieht Einnahmen in Höhe von 780,7 Milliarden Schilling und Ausgaben in Höhe von 813,5 Milliarden Schilling, somit ein administratives Nettodefizit des Bundes von rund 32,8 Milliarden Schilling oder 1,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beziehungsweise ein Maastricht-Defizit des Bundes von rund 43,2 Milliarden Schilling oder 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vor. Das gesamtstaatliche Defizit wird sich auf etwa 0,75 Prozent des Bruttoinlandsproduktes belaufen.

Dies setzt voraus, dass Länder, Städte und Gemeinden den angestrebten Gebarungsüberschuss von 0,75 Prozent des BIP tatsächlich erreichen können. Die Landeshauptleute und die Finanzreferenten haben einen diesbezüglichen Grundsatzbeschluss bereits am Montag dieser Woche gefasst. Ebenso konnte eine entsprechende grundsätzliche Vereinbarung mit den Vertretern des Städtebundes und des Gemeindebundes geschlossen werden. Damit wird der Abschluss eines neuen, verpflichtenden und sanktionierten Stabilitätspaktes zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden im Wege einer Vereinbarung nach Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz in den nächsten Wochen ermöglicht.

Ich danke allen Landeshauptleuten, allen voran Landeshauptmann Stix, Landeshauptmann Sausgruber und Landeshauptmann Haider, den Finanzreferenten der Länder und den Vertretern der Städte und der Gemeinden, dass sie bereit waren, einen so wichtigen und großen Beitrag zur Sanierung unserer Staatsfinanzen zu leisten. Das ist alles andere als selbstverständlich und zeigt ihre große Verantwortung für das Staatsganze und für die Zukunft unserer Bevölkerung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist ein sehr großer Erfolg der ausgabenseitigen Konsolidierung, dass es gelungen ist, erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik mit den Ländern, den Städten und den Gemeinden den Abschluss eines neuen Finanzausgleiches in dieser Größenordnung zu akkordieren, der in einem Ausmaß von etwa 29,5 Milliarden Schilling helfen wird, unsere Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen – mindestens 23 Milliarden Schilling in Form von Maastricht-wirksamen Überschüssen, weitere 3 Milliarden Schilling in bar im Wege eines Vorwegabzuges bei den Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben und weitere 3,5 Milliarden Schilling durch gemeinsame strukturelle Reformen der Verwaltung, die zu Ausgabensenkungen auf Bundesseite führen sollen.

Hierfür wird eine kleine und effiziente Expertengruppe eingesetzt, die innerhalb von sechs Monaten umsetzbare Strukturreformen für eine bürgernahe und eine serviceorientierte Verwal


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tung nach folgenden Kriterien vorlegen soll: weniger Bürokratie – dafür mehr Entgegenkommen für den Bürger, weniger Verwaltungsebenen – dafür mehr professionelle Kundenorientierung, weniger Einschränkung der Wirtschaft durch unzählige Bewilligungsverfahren – dafür mehr privatwirtschaftliche Leistungsorientierung, weniger Warteschlangen im Amt – dafür mehr elektronische Erledigung von Bürgeranliegen. Das werden die Ziele unserer Reformbemühungen sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Eine umfassende Reform unserer Verwaltung findet in allen Aktivitäten dieser Bundesregierung entsprechenden Ausdruck. Wir müssen es schaffen, unseren noch deutlich von k.u.k.-Hoheitsstrukturen geprägten Staat zu einem Service- und Dienstleistungsstaat umzubauen. Eine ganz wesentliche Voraussetzung hierfür wird die Überführung des anachronistischen, geschützten Sektors in die Wettbewerbsgesellschaft sein. Wir haben leider noch immer eine Mehrklassengesellschaft, und zwar einen geschützten Sektor mit Sozialversicherungen, Kammern, Gemeinde-, Landes- und Bundesbediensteten auf der einen Seite, Privatwirtschaft mit Konkurrenz, Wettbewerb und Leistungsorientierung auf der anderen Seite. Die Perspektive der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und der Bundesregierung sollte es daher sein, diese Strukturen nachhaltig zum Besseren zu verändern. Es gibt keine sachliche Rechtfertigung mehr für ein unterschiedliches Arbeitsrecht und Dienstrecht. Es gibt mit Ausnahme einiger weniger hoheitlicher Bereiche auch keine Begründung mehr für die Pragmatisierung. Chancengleichheit für alle, ein Arbeitsrecht, ein Dienstrecht und ein Pensionsrecht für alle. Die Durchlässigkeit der Systeme, mehr Flexibilität und Leistungsorientierung, ein Wechsel von der privaten in die öffentliche Wirtschaft und umgekehrt, das muss unser mittelfristiges Ziel sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Nur so wird es auch möglich sein, das Image der öffentlich Bediensteten, die vielfach zu Unrecht kritisiert werden, zu verbessern. Wir müssen einen neuen, einen anderen Staat bauen. Dort, wo der Markt die Dinge erledigen kann, brauchen wir keinen Staat. Dort, wo die Ordnungsfunktion des Staates weiter benötigt wird, das heißt überall dort, wo es Marktversagen gibt, wie zum Beispiel im Sozialbereich, im Gesundheitsbereich, müssen wir für die Nachhaltigkeit der Finanzierungskraft des Staates sorgen, brauchen wir sogar einen stärkeren Staat als heute, müssen wir diese Funktionen dauerhaft sichern. (Zwischenruf des Abg. Edler. ) Historisch gesehen, wenn wir an China, wenn wir an Preußen, wenn wir auch an unsere Monarchie denken, waren der öffentliche Dienst und seine Strukturen oft Vorbild für die Gesellschaft und für die Wirtschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Vor diesem Hintergrund haben wir bereits damit begonnen, die Potentiale unserer Verwaltung zu heben und den gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. 11 000 Planstellen sollen bis zum Ende dieser Legislaturperiode abgebaut werden, Ausgliederungen mit Auswirkungen auf mehr als 4 000 Planstellen sind bereits vereinbart.

Wir haben zahlreiche Initiativen zur Verwaltungsreform ins Leben gerufen, die unter Einbindung einer internationalen Unternehmensberatung untereinander koordiniert werden. Wir sind dabei, die aufwendigen Berichtstätigkeiten der Ressorts zu reduzieren, das Beschaffungswesen des Bundes zur Erzielung bestmöglicher Einkaufskonditionen neu zu organisieren, die Immobiliennutzung des Bundes effizienter zu gestalten durch Übertragung der Liegenschaften an die Bundesimmobiliengesellschaft, neue Methoden des Controlling und der Kostenrechnung einzuführen, Leistungskennzahlen zu entwickeln, das Dienstreisewesen neu zu ordnen, das öffentliche Rechnungswesen auf Standardsoftware umzustellen, den Ausbau von E-Government zu forcieren, eine Dienstrechtsreform weiter voranzutreiben, Ausgliederungen so durchzuführen, dass sie Effizienzsteigerungen der ausgegliederten Einheit ermöglichen und "Private-Public-Partnership-Modelle" in der Bundesverwaltung zu realisieren.

Diese Maßnahmen werden Ausgabenkürzungen von rund 5 Milliarden Schilling im Jahr 2001 bringen, rund 11 Milliarden Schilling im Jahre 2002 und rund 15 Milliarden Schilling im Jahre 2003. Das sind die Einsparungsziele für die nächsten Jahre. Die Bevölkerung hat ein Recht auf einen schlanken, einen modernen, einen effizienten Staat, die beste Verwaltung Europas. Das ist die Vision, die wir mit Leben erfüllen müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Überhaupt müssen die Aufgaben des Staates dahin gehend überprüft werden, ob sie nicht effizienter durch eine andere Organisationsform, insbesondere durch private Initiative, gelöst werden können. Damit wird sicher ein Teil der öffentlichen Aufgaben in private umgewandelt werden beziehungsweise der Staat sich in eine regulierende Funktion zurückziehen können. Die verbleibenden Aufgaben des Staates werden mit deutlich erhöhter Produktivität durchgeführt werden müssen. Dies soll einerseits durch Änderungen der Organisationsstruktur des öffentlichen Sektors geschehen, andererseits sollen durch den Aufbau einer durch lnformationstechnologie vermehrt gestützten Verwaltung wesentliche Fortschritte auf diesem Gebiet möglich werden.

Dort, wo der Staat privatwirtschaftliche Funktionen übernommen hat und auf der Basis vieler Benchmarks kein Zweifel daran bestehen kann, dass diese Funktionen besser von Privaten durchgeführt werden können, wie beispielsweise im Falle von Austria Tabak, Telekom Austria, Flughafen Wien, Printmedia AG, Dorotheum und Staatsdruckerei, ist eine sofortige Privatisierung sinnvoll. Die Vorbereitungen sind so weit gediehen, dass die Privatisierungen im nächsten und im darauf folgenden Jahr durchgeführt werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Als erste Privatisierungsmaßnahme in Erfüllung des Privatisierungsprogramms der ÖIAG wurden 100 Prozent der Anteile der P.S.K. an die BAWAG zum Preis von 17,8 Milliarden Schilling verkauft. Ich darf diese Gelegenheit dazu nützen, dem Vorstand und dem neuen Aufsichtsrat der ÖIAG für diese mehr als gelungene Bewährungsprobe sehr herzlich zu gratulieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die durch die Privatisierung angestrebte Reduzierung des Schuldendienstes, der im letzten Jahr gut ein Fünftel der Nettosteuereinnahmen des Bundes in Anspruch genommen hat, war und bleibt ein entscheidendes Ziel dieser Bundesregierung. Die Verwendung eines so großen Betrages für die Rückzahlung der Schulden der Vergangenheit ist eine Hypothek, die wir der kurzsichtigen Politik früherer Regierungen dieses Landes zu verdanken haben. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir uns ohne diese Last einer entsprechend geringeren Steuerquote und damit einer entsprechend höheren wirtschaftlichen Vitalität und eines größeren Wohlstands erfreuen könnten. Mit der Staatsverschuldung und der umlagefinanzierten Pensionsversicherung werden gewaltige Lasten auf künftige Generationen verschoben. Es war und ist unser Ziel, einen Ausgleich der Interessen der heutigen Generationen und jener der künftigen Generationen politisch zu bewerkstelligen und damit die Nachhaltigkeit des Systems sicherzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben mit der Pensionsreform bereits eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die die Dynamik der Pensionsausgaben in Zukunft begrenzen soll. Es ist völlig klar, dass in einer Zeit, in der die demographische Entwicklung zu einer relativ starken Alterung der Bevölkerung führt, gleichzeitig aber auch viele immer länger in Ausbildung stehen und daher kürzer zu einem umlagefinanzierten Pensionssystem beitragen können, Veränderungen des Systems pro futuro in Verantwortung für die nächste Generation notwendig sind.

Dazu brauchen wir den Übergang zu einem Mehrsäulensystem. Die beitragsfinanzierte staatliche Pension muss durch eine kapitalgedeckte Zusatzpension und durch eine weitere, individuell finanzierte dritte Säule ergänzt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit der Zweckwidmung des halben Arbeitnehmerabsetzbetrages ist bereits ein erster wichtiger Schritt in eine hochattraktive Eigenvorsorge bereits gelungen.

Das in Umsetzung befindliche Schuldendienstsenkungsprogramm ist eine weitere wesentliche Initiative, um die Staatsausgaben nachhaltig kürzen zu können. Wir werden die Versteigerungserlöse der UMTS-Lizenzen mehrheitlich und die Privatisierungserlöse von lmmobilienverkäufen an die Bundesimmobiliengesellschaft zur Schuldendienstsenkung verwenden.

Wir arbeiten an der Privatisierung der rund 60 000 Wohnungen, die sich in den vier Wohnbaugesellschaften im Eigentum des Bundes befinden. Auch dieser Beitrag soll für die Schuldenrückzahlung eingesetzt werden.


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Mit dem Verkauf eines kleinen Teils der österreichischen Bundesforste werden wir unseren Bauern die Möglichkeit geben, ihren bäuerlichen Grundbesitz aufzustocken und Arrondierungen vorzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Nürnberger: Jäger Prinzhorn! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Damit wird eine bessere Bewirtschaftung von bäuerlichen Waldflächen sichergestellt. Bei den Verkäufen wird es sich um rund 1 Prozent des gesamten österreichischen Waldbestandes handeln, so dass der private Eigentumsanteil am Waldbesitz von zurzeit 81 Prozent auf etwa 82 Prozent in Zukunft ansteigen wird. Dabei möchte ich betonen, dass es für die österreichische Wasserwirtschaft keine wie auch immer geartete nachteilige Veränderung geben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit diesen Verkäufen wird es möglich sein, unsere Finanzschulden deutlich zu reduzieren und damit die laufende Zinslast um zumindest 3 Milliarden Schilling pro Jahr zu drücken. Im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen habe ich auch an die Bundesländer, an die Städte und an die Gemeinden appelliert, dieses Schuldendienstsenkungsprogramm der Bundesregierung zu übernehmen und auch ihre eigenen Schulden von rund 135 Milliarden Schilling abzubauen. Anstelle eines Landes der Schuldenberge wollen wir ein zukunftsreiches Österreich. Das ist die Herausforderung, damit wir unseren Kindern und Enkelkindern ein reiches Land voller Chancen inmitten eines gemeinsamen Europa übergeben können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mit der Abschöpfung verschiedener Fonds im Jahre 2001 in einem Ausmaß von 15,6 Milliarden Schilling und einem um 2 Milliarden Schilling reduzierten Beitrag zu den Österreichischen Bundesbahnen erreichen die von uns gesetzten ausgabenseitigen Maßnahmen ein Niveau von insgesamt rund 56 Milliarden Schilling oder 62 Prozent des Konsolidierungsbedarfs. Damit erreichen wir schon jetzt beachtliche Effekte und Erfolge auf der Ausgabenseite.

Allen Kritikern, die eine noch stärkere Konsolidierung auf der Ausgabenseite und weitere Strukturreformen einmahnen, sage ich jetzt: Wir werden diese Reformpolitik konsequent fortsetzen. Auch nach Erreichen unseres Budgetziels werden wir jeden Ausgabenbereich kritisch prüfen und weitere Ausgabenkürzungen kontinuierlich vornehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Gleichzeitig möchte ich aber auch betonen, dass der rein ausgabenseitigen Konsolidierung insofern Grenzen gesetzt sind, als die soziale Gerechtigkeit unserer Maßnahmen oberstes Prinzip sein muss. Wir haben erkannt, dass ohne jede einnahmenseitige Maßnahme eine sozial gerechte Verteilung der Beiträge auf die verschiedenen Bevölkerungs- und Einkommensgruppen unmöglich ist. Die Konsolidierung verfolgt daher eine ganz klare Zielsetzung: Wer mehr verdient, wer vermögender ist, soll auch stärker zur Sanierung der Staatsfinanzen beitragen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Sie reden nicht von diesem Budget!)

Auf der Einnahmenseite sind daher bei den Steuern Maßnahmen in einer Größenordnung von rund 28,6 Milliarden Schilling vorgesehen. Es war mir ein besonderes Anliegen, die für die Budgetkonsolidierung notwendigen und für die Betroffenen vorerst sicherlich unangenehmen Maßnahmen fair und gerecht in dem Sinn zu verteilen, dass alle Bevölkerungsgruppen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zur Budgetkonsolidierung beitragen müssen und dass alle Einkommensarten einbezogen werden. Das Paket ist so konzipiert, das die Gebietskörperschaften und die betroffenen Bevölkerungsgruppen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und somit sozial verträglich zur Konsolidierung beitragen.

Einkommenssteuerlich bedeutet das, dass Einkommen unter 30 000 S brutto nicht belastet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Edler hält ein Schriftstück in die Höhe.) Somit bleiben einkommenssteuerlich mehr als 75 Prozent der Arbeitnehmer unbelastet. Ebenso werden Pensionisten unter 20 000 S brutto einkommenssteuerlich nicht belastet, somit bleiben auch mehr als 75 Prozent der Pensionisten unbelastet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ansonsten gilt, dass die Belastungen mit Einschleifregelungen abgestuft wirksam werden. Soziale Härten werden durch Begleitmaßnahmen abgefedert.


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Mehr Steuergerechtigkeit bedeutet aber auch, dass Steuergestaltungsmöglichkeiten, die vor allem Wirtschaftstreibenden und Besserverdienenden zugute kommen, eingeschränkt oder beseitigt werden, Steuerlücken geschlossen, die Steuerbemessungsgrundlage verbreitert und Privilegien beseitigt werden.

Auf Unternehmensseite werden Bilanzgestaltungsmaßnahmen, wie etwa der lnvestitionsfreibetrag und die steuerliche Anerkennung von Rückstellungen, zurückgenommen, die Verrechnungsmöglichkeit von Verlusten auf einen längeren Zeitraum verteilt, die Gebäudeabschreibung auf 33 Jahre verlängert und die LKW-Besteuerung bis zum Inkrafttreten des Road-Pricing deutlich angehoben.

All das sind Maßnahmen, die einen beträchtlichen Beitrag der Wirtschaft zur Sanierung der Staatsfinanzen darstellen. Und gerade deshalb möchte ich den Repräsentanten der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung danken, dass sie diesem Paket zugestimmt haben. Sie konnten das deshalb, weil sie wissen: Der Wirtschaftsstandort Österreich bleibt hochattraktiv, und wir werden nach der Sanierung wieder eine Chance haben, diesem Land eine Perspektive der Entlastung zu eröffnen, eine Perspektive, die sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber notwendig sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich halte es für wichtig, dass auch Vermögende einen kräftigen Beitrag leisten. (Abg. Edlinger: Wir auch!) Dies wird durch ein Verdoppeln des Eingangssteuersatzes bei Stiftungen von 2,5 Prozent auf 5 Prozent und durch die Einführung einer Zwischenbesteuerung auf Kapitalerträge und Gewinne aus Beteiligungsveräußerungen im Ausmaß von 12,5 Prozent erreicht. Gewinne aus Beteiligungsveräußerungen sollen nur dann steuerfrei sein, wenn sie wieder in wesentliche Beteiligungen, idealerweise an österreichischen Unternehmen, investiert werden. Außerdem wird die Bemessungsgrundlage für die Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Immobilien deutlich angehoben.

Von rund 90 Milliarden Schilling Konsolidierungsbedarf im Jahre 2001 entfällt mehr als die Hälfte oder rund 52,3 Milliarden Schilling auf Maßnahmen in der öffentlichen Verwaltung, ob das die Bundesverwaltung, Fonds, Bundesländer, Städte und Gemeinden oder öffentliche Unternehmen sind. Die Erwerbstätigen leisten einen Beitrag von rund 10,5 Milliarden Schilling, die privaten Haushalte einen solchen von rund 3,5 Milliarden Schilling, die Pensionisten einen solchen von rund 4,0 Milliarden Schilling. Durch die Anhebung des Pensionsantrittsalters erspart sich der Bund im Jahre 2001 rund 2,6 Milliarden Schilling. Auf die Unternehmer entfallen rund 14,6 Milliarden Schilling. Stiftungen leisten einen Beitrag von rund 2,1 Milliarden Schilling. In der Landwirtschaft werden die Pauschalierungssätze angehoben. Außerdem wird die im Regierungsübereinkommen angekündigte Dieselpreissenkung in den Jahren 2001 und 2002 nicht umgesetzt. Mehrkosten für die Landwirtschaft in Höhe von rund 1,4 Milliarden Schilling werden dadurch vermieden.

Ein Vergleich der einnahmenseitigen Maßnahmen mit dem Sparpaket 1996 und 1997 zeigt, dass damals 3 Millionen Menschen einkommenssteuerlich betroffen waren. Im Gegensatz dazu sind jetzt von 3,5 Millionen aktiven Lohnempfängern und Lohnempfängerinnen 2,6 Millionen einkommenssteuerlich nicht betroffen. Der Vergleich macht uns sicher! Wir stehen für soziale Gerechtigkeit und soziale Treffsicherheit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

So haben wir in den Budgets 2001 und 2002 die Konsolidierungsbeiträge ganz eindeutig auf das mittlere und das obere Einkommensdrittel gelegt. Dies lässt sich sowohl anhand jeder einzelnen Maßnahme als auch anhand von Fallbeispielen belegen. Rufen wir uns in Erinnerung: Die Steuerreform 2000 brachte inklusive Familienpaket eine Entlastung von etwa 32 Milliarden Schilling. Das Budgetbegleitgesetz 2000 enthielt Anpassungen, die zu einem Mehraufkommen im Ausmaß von zirka 11 Milliarden Schilling führen. Der Konsolidierungspfad von 2001/2002 sieht steuerliche Mehreinnahmen von rund 28,6 Milliarden Schilling vor. Saldiert man diese Maßnahmen und prüft sie auf ihre Verteilungswirkung kommt man zu folgendem Ergebnis: Ungefähr 75 Prozent der Steuerpflichtigen (Arbeitnehmer-, Pensionisten- und Unternehmerhaushalte) sind auch nach 2001 besser gestellt als bis 1999, wobei die Besserstellung für die untersten 50 Prozent der Einkommensbezieher sehr deutlich ausfällt. Das untere Einkommens


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drittel ist sogar mit 5,5 Milliarden Schilling nachhaltig entlastet. Nur etwa die obersten 25 Prozent der Einkommensbezieher werden stärker belastet. Damit haben wir eine Umverteilung von oben nach unten erreicht. Der Vergleich macht uns sicher, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was erreichen wir mit dieser Umverteilung? – Wir finanzieren damit eine Steuerreform, die 32 Milliarden Schilling großteils den Beziehern niedriger Einkommen zukommen lässt, und wir finanzieren damit den Konsolidierungspfad, der uns bereits 2002 zum Nulldefizit führen wird. Sie sehen also, meine Damen und Herren, wir können mit Steuergeld gut umgehen. Im Gegensatz dazu hat Finanzminister Viktor Klima Steuern im Ausmaß von 45 Milliarden Schilling erhöht, auch sozial Schwache belastet und damit doch nur Budgetlöcher gestopft. Auch dieser Vergleich macht uns sicher! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hohes Haus! Wir haben die Einnahmenplanung mit den Wirtschaftsforschern der Institute IHS und Wifo abgestimmt und sind überzeugt, ein realistisches Zahlenwerk vorlegen zu können. Der Grundgedanke zielt auf eine zunehmende Sparsamkeit im öffentlichen Bereich. Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen einige besonders wichtige, ausgewählte Teile des Bundesvoranschlags 2001 vorstelle:

Bildung, Wissenschaft und Kultur:

Das Zukunftsprogramm "modern studieren und forschen" wird neue Akzente an den österreichischen Universitäten setzen. Die Vollrechtsfähigkeit der Universitäten, ein neues Dienstrecht, eine Standortbereinigung sowie eine Organisationsreform sind hier die Arbeitsschwerpunkte. Im Rahmen dieser Gesamtreform werden, wie in anderen Bildungssystemen üblich, ab dem Studienjahr 2001 auch in Österreich Studienbeiträge eingehoben. Davon wird eine zusätzliche Universitätsmilliarde für ein attraktiveres Angebot und eine bessere Ausstattung finanziert. (Auf der Galerie erheben sich Zuhörerinnen und Zuhörer und halten Zettel mit einzelnen Buchstaben in die Höhe, die der Reihenfolge nach gelesen die Worte ergeben: "Bildung war frei".)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Bundesminister, eine Sekunde bitte! – Die Galerie hat nicht das Recht, sich in die Debatte in irgendeiner Weise einzuschalten. Ich bitte, den Platz einzunehmen und diese Buchstaben zu entfernen! (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist der VSStÖ! Das waren auch schon einmal mehr!)

Bitte, Herr Minister, fortzusetzen!

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (fortsetzend): Wer die Studienbeihilfe bezieht, erhält die 10 000 S an jährlichen Beiträgen zurückerstattet. 10 000 weitere Studierende werden in das Beihilfensystem einbezogen und erhalten je nach finanzieller Situation eine teilweise Rückerstattung. Für diesen Zweck sind im Budget zusätzlich 450 Millionen Schilling im Jahr 2002 und folgende vorgesehen.

Mehr Leistungsorientierung, mehr Wettbewerb, mehr privatwirtschaftlicher Zugang, eine erhöhte Qualität der Ausbildung und schneller Studierende, das sind die Ergebnisse, die wir mit unseren Reformen erreichen müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Im Bundesvoranschlag 2001 sind die Ansätze der Kapitel 12 und 14 trotz der Sparsituation erhöht worden und betragen für Bildung und Kultur 77,4 Milliarden Schilling und für Wissenschaft 31,6 Milliarden Schilling.

Verkehr, Innovation und Technologie:

Am Ziel, die Forschungsquote von derzeit 1,82 Prozent im Jahre 2002 auf 2 Prozent zu erhöhen, beziehungsweise am Ziel, für das Jahr 2005 eine Quote von 2,5 Prozent anzustreben, hält die Regierung selbstverständlich weiterhin fest. Alle forschungsrelevanten Budgetansätze des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie konnten zusätzlich erhöht werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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Bis zum Jahre 2000 waren die Österreichischen Bundesbahnen budgetmäßig chronisch unterdotiert, sodass sich die ÖBB jährlich mit fast 7 Milliarden Schilling verschulden mussten. Im Jahre 2000 ist es nun gelungen, den Fremdfinanzierungsbedarf der ÖBB auf 2,75 Milliarden Schilling zu reduzieren. Ab 2001 wird kein Fremdfinanzierungsbedarf mehr bestehen: Sämtliche Finanzierungserfordernisse des Infrastrukturbereichs der ÖBB werden entweder über die Schieneninfrastrukturfinanzierungs-Gesellschaft oder über das ordentliche Bundesbudget finanziert werden.

Im Post- und Telekommunikationsbereich wird die von der neuen Bundesregierung eingeschlagene Politik fortgesetzt. Die UMTS-Lizenzen stehen vor der Versteigerung. Im Jänner werden die "Wireless Local Loop"-Frequenzen versteigert werden, die den Wettbewerb im Bereich des Internet zum Letztkunden herstellen werden.

Für Verkehr, Innovation und Technologie sind im BVA 2001 41,7 Milliarden Schilling vorgesehen.

Land- und Forstwirtschaft:

Ziel der Bundesregierung ist die Erhaltung und Weiterentwicklung des bäuerlichen Familienunternehmens. Eine flächendeckende Landwirtschaft ist Voraussetzung für intakte ländliche Regionen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Reformpolitik der Europäischen Union hat der europäischen Landwirtschaft eine Reihe von wichtigen gesellschaftlich unverzichtbaren Aufgaben zugewiesen. Die österreichische Landwirtschaft wird daher in den nächsten Jahren mit einem verbesserten Agrarumweltprogramm die Ökologisierung vorantreiben. Dafür sieht die Europäische Union eine verbesserte Förderung vor, die von Österreich kofinanziert werden wird. Das Gleiche gilt für die Bergbauernförderung.

Für die Land- und Forstwirtschaft sind im Jahre 2001 25,8 Milliarden Schilling veranschlagt.

Umwelt:

Österreich tritt sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene für eine konsequente Fortführung einer ambitionierten Umweltpolitik ein. Die Umweltpolitik wird auch die Erhaltung der Nationalparks, die Altlastensanierung sowie die Siedlungswasserwirtschaft fördern. Aus umweltpolitischer Sicht stellt die Umsetzung des Kyoto-Ziels eine der wichtigsten Herausforderungen der nächsten Jahre dar. Die Vorsorge dafür ist in der Reform der Wohnbauförderung im Wege des Finanzausgleichs mit den Ländern getroffen worden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Für den Bereich Umwelt werden 6,1 Milliarden Schilling für das Jahr 2001 vorgesehen.

Öffentliche Sicherheit:

Die vom Innenministerium wahrzunehmenden Aufgabenbereiche wurden einer systematischen Durchforstung unterzogen. Eingespart wird insbesondere durch ein völlig neu gestaltetes, mit wenig administrativem Aufwand bewältigbares Aufgabenverteilungs- und Verrechnungssystem im Bereich des Zivildienstes und die Übertragung der Flugrettung an einen privaten Betreiber bei voller Aufrechterhaltung des bestehenden Versorgungsniveaus.

Die dadurch frei werdenden Budgetmittel werden für sicherheitsrelevante Aufgaben eingesetzt, insbesondere bei der Kriminalitätsvorbeugung, Kriminalitätsbekämpfung und Kriminalitätsaufklärung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir haben für diesen Bereich 22,7 Milliarden Schilling im BVA 2001 bereitgestellt, womit die öffentliche Sicherheit in Österreich in bestem Ausmaß gewährleistet ist.


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Landesverteidigung:

Die Erstellung des Verteidigungsbudgets 2001 war geprägt durch die besondere Herausforderung im Zusammenhang mit der notwendigen Finanzierung und Ergänzung der im österreichischen Bundesheer benutzten militärischen Systeme. Auch die internationale Verflechtung stellt eine zunehmende Herausforderung für die nächsten Jahre dar. Beispielhaft kann auf die Beschaffung von leistungsfähigen Transporthubschraubern hingewiesen werden.

Für diesen Bereich sind 23 Milliarden Schilling für 2001 vorgesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Justiz:

Schwerpunkte im Bereich der Justiz sind die Beschleunigung gerichtlicher Verfahren, die Gewährleistung der Sicherheit in Justizanstalten, Therapiemaßnahmen im Strafvollzug und der Einsatz von Informationstechnologien. Zur Verbesserung der Sicherheit in Justizanstalten werden dem neuesten Stand der Technik entsprechende Sicherheitseinrichtungen installiert werden. Für diesen Zweck ist im BVA 2001 eine Sonderdotierung vorgesehen.

Die Verbesserung der Hilfe für die Opfer von Verbrechen ist ein erklärtes Anliegen der österreichischen Bundesregierung. Die deutliche Erhöhung der für diesen Zweck dem Justizressort zur Verfügung stehenden Mittel wird es ermöglichen, die bisher auf minderjährige Opfer von Gewaltverbrechen beschränkte Hilfeleistung auf weitere Gruppen von Verbrechensopfern auszudehnen. Die für das Justizressort veranschlagten Mittel betragen 11,1 Milliarden Schilling im BVA 2001. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Letztes Beispiel: Kunst: (Abg. Schwemlein: Soziales!)

Um die hohe Bedeutung der Kunst in der österreichischen Gesellschaft zu sichern und im internationalen Vergleich die hohe Qualität aufrechtzuerhalten, wurden trotz Budgetkonsolidierung durch Umschichtungen aus anderen Budgetkapiteln Kürzungen dieses Budgets vermieden und wurde das Kunstbudget erstmalig über die 3-Milliarden-Schilling-Grenze angehoben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

An aktuellen Initiativen der Bundesregierung möchte ich da insbesondere den Entwurf eines Künstlersozialversicherungsgesetzes und die steuerliche Regelung der möglichen Verteilung von Einkünften der Künstler auf drei Jahre bereits ab dem Mai 2000 nennen.

Hohes Haus! Das Budget 2001 muss auch in seinem internationalen Kontext gesehen werden. Überall auf der Welt haben sich die Leitbilder einer anzustrebenden Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik geändert.

Ich werde auch immer wieder darauf angesprochen, warum die Budgetkonsolidierung so schnell erfolgen muss. Wie uns das schwedische Beispiel zeigt, ist ein positiver Staatshaushalt Voraussetzung für umfassende Zukunftsinvestitionen in Forschung und Entwicklung und New Economy. Jene Länder, die ihre Überschüsse in diesen Bereich fließen lassen können, haben einen hohen komparativen Vorteil in der Schaffung hochentwickelter, innovativer Arbeitsplätze und somit einen Wohlstandsgewinn. In Österreich muss daher der bestehende Rückstand so rasch als möglich aufgeholt werden. Daher dürfen wir mit der Konsolidierung keine Zeit verlieren, wollen wir auch in Zukunft zu den reichsten Ländern der Welt gehören. Ich wünsche mir, dass alle Österreicherinnen und Österreicher zu Globalisierungsgewinnern werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Bundesregierung hat sich vorgenommen, den Horizont ihrer politischen Planung nicht – wie üblich – bei der nächsten Nationalratswahl enden zu lassen, sondern den Weg einer langfristig orientierten, nachhaltigen Politik zu gehen. Dass wir damit nicht immer den Beifall der betroffenen Gruppen ernten, ist bis zu einem gewissen Grad verständlich. Wir vertrauen jedoch darauf, dass letzten Endes die vitalen Vorteile des Gesamtkonzeptes uns auch die Zustimmung derjenigen zurückbringen werden, die heute die Sinnhaftigkeit einer Maßnahme noch nicht


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nachvollziehen können oder wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Die Steirer!)

Das weltweite Wirtschaftsklima hat sich erwartungsgemäß weiter gebessert. Es machen sich aber die hohen Erdölpreise mit Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum bemerkbar. Der von den österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituten errechnete Wachstumsrückgang als Resultat der Budgetsanierung im Ausmaß von etwa 0,2 Prozentpunkten des Bruttoinlandsproduktes für die Jahre 2001 und 2002 ist ein sehr geringer Preis für eine Konsolidierung von insgesamt 1,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in zwei Jahren.

Wenn man nun manchmal liest, dass die Budgetkonsolidierung die Konjunktur abwürgen würde, so sage ich in aller Deutlichkeit: Österreich erwartet nach einer hervorragenden Konjunktur 2000 ein sehr gutes nächstes Jahr. 2,8 Prozent prognostiziertes reales Wachstum liegt deutlich über dem langjährigen österreichischen Durchschnitt. Wir bleiben damit im internationalen Geleitzug der positiven Konjunkturentwicklung, wie sie auch im selben Ausmaß in etwa für die USA, für den OECD-Durchschnitt, für die Mitgliedsländer der Europäischen Union und für Deutschland erwartet wird.

Die derzeitige Hochkonjunktur ist genau der richtige Zeitpunkt für eine solche Sanierung: In Jahren, in denen das Wirtschaftswachstum mit etwa 3 Prozent über dem Potentialwachstum liegt, wird trotz leichter Wachstumsabschwächung die Arbeitslosigkeit weiter zurückgehen und die Beschäftigung in Österreich ansteigen. Darüber hinaus verhindert die Konsolidierung in Zeiten angespannter Kapazitäten eine Überhitzung, dämpft die internen Preisauftriebstendenzen und trägt damit zu einer Verlängerung einer spannungsfreien Wachstumsperiode bei.

Vollbeschäftigung, meine Damen und Herren, wird unter dieser Bundesregierung wieder Realität werden – ein richtiger Weg, der uns auch international viel Beifall bringen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Budget 2001, das ich Ihnen heute vorlegen darf, steht und fällt auch der Versuch, aus der drohenden Unfinanzierbarkeit staatlicher Aufgaben die Konsequenzen zu ziehen, was eine dauerhafte, nachhaltige Entwicklung der österreichischen Wirtschaft ermöglichen soll. Die Diskussion, welche Aufgaben der Staat in Zukunft noch erfüllen kann, stellt uns vor große Herausforderungen. Die österreichische Bundesregierung hat daher die entscheidenden Reformschritte eingeleitet und wird diese auch konsequent fortsetzen. Als erstes Reformbudget auf dem Weg zum Nulldefizit wird das Budget 2001 signifikante Bedeutung für die Budget- und Steuerpolitik vieler Jahre haben.

In diesem Sinne bin ich davon überzeugt, dass das vorgelegte Budget einen hervorragenden Rahmen für die weitere Entwicklung der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft darstellt. Jedem ist einsichtig, dass immer weitere Neuverschuldungen ausschließlich zu Lasten der nächsten Generationen gehen können. Die notwendige Wende in der Budgetpolitik wird daher nunmehr ganz bewusst gesetzt. Es gilt, die Arbeit und die Leistungen der Aufbaugenerationen zu bewahren, aber auch Perspektiven für unsere Kinder und Enkelkinder zu eröffnen. Deshalb müssen wir einen neuen Staat bauen, in welchem tragfähige Brücken zwischen den Generationen gespannt werden und ein kluger Ausgleich zwischen den berechtigten Ansprüchen auf soziale Absicherung und der Förderung von innovativen und kreativen Kräften in einem freien Markt gefunden wird. Mit dieser Finanzpolitik werden wir die heutige Realität mit unseren gesellschaftlichen Visionen der Zukunft in Einklang bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hohes Haus! Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Jawohl!) – Das ist ein so schöner Satz, dass man ihn noch einmal sagen muss: Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget! (Heiterkeit und neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Das Doppelbudget 2001/2002 und die Punktation zum Finanzausgleich wurden gestern im Ministerrat für ein zukunftsreiches Österreich beschlossen. Wir sind voll auf Sanierungskurs und werden nach einem wichtigen ersten Schritt 2001 erstmals seit Jahrzehnten im Jahre 2002


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wieder einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Die Bundesregierung denkt heute an das Morgen und saniert jetzt den Staatshaushalt in einer Phase der Hochkonjunktur. Diese Sanierung erfolgt auch in hohem Maße sozial gerecht, weil im Vergleich zu 1999 das untere Einkommensdrittel um 5,5 Milliarden Schilling nachhaltig entlastet wird und daher mehr Kaufkraft zur Verfügung hat. 75 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher werden von dieser Sanierung nicht belastet, und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich wird gesichert.

Ich ersuche daher Sie, werte Mitglieder dieses Hohen Hauses, dem Bundesvoranschlag 2001 im Interesse der Bevölkerung für eine gedeihliche Entwicklung unserer Gesellschaft die Zustimmung zu erteilen. – Vielen Dank. (Die Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP spenden stehend lang anhaltenden Beifall. – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer beglückwünscht Bundesminister Dr. Grasser.)

11.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Finanzminister für seine Ausführungen vor dem Hohen Hause.

Ankündigung von Anträgen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gebe weiters bekannt, dass die Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen nach § 33 der Geschäftsordnung beantragt haben, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, und zwar zur Aufklärung der Vorwürfe bezüglich Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates und zur Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten.

Es liegt in diesem Zusammenhang das von fünf Abgeordneten geschäftsordnungskonform unterfertigte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen.

*****

Darüber hinaus haben die Abgeordneten Dr. Pilz und Genossen ebenfalls nach § 33 der Geschäftsordnung beantragt, einen Untersuchungsausschuss zur Untersuchung der Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich und der Organisationsmängel im Bereich der Sicherheitsbehörden, die dazu geführt haben, dass jahrelang unbemerkt personenbezogene Daten an dazu nicht Berechtigte weitergegeben wurden, einzusetzen.

Auch in diesem Falle liegt das Verlangen vor, eine Debatte durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Erstens werden diese Debatten nach Erledigung der Tagesordnung durchgeführt. Zweitens gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der erste Antrag wird begründet, dann kommen alle Fraktionen 5 Minuten zu Wort, hierauf wird der zweite Antrag begründet, und es bekommen wieder alle Fraktionen 5 Minuten Redezeit. Sollten die Antragsteller zustimmen, gäbe es die zweite Möglichkeit, dass beide Anträge hintereinander begründet werden mit je 10 Minuten Redezeit und dann eine gemeinsame Debatte durchgeführt wird.

Ich bitte die Antragsteller, sich in den nächsten Stunden zu überlegen, welche der beiden Varianten gewünscht wird. Ich glaube, wir werden dann so vorgehen: Wenn auf getrennten Debatten beharrt wird, ist getrennt zu debattieren, wenn Konsens über eine gemeinsame Debatte besteht, kann sie gemeinsam durchgeführt werden, nachdem die Anträge jeweils begründet wurden.

2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Entschließungsantrag 125/A (E) der Abgeordneten Mag. Walter Posch und Genossen betreffend einen Bericht der Bun


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desregierung an den Nationalrat über die Einhaltung der Menschenrechte in Österreich (Menschenrechtsbericht) (301 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Damit gelangen wir zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Es gibt keinen Wunsch nach mündlicher Berichterstattung, daher gehen wir gleich in die Debatte ein.

Der erste Redner ist Herr Abgeordneter Walter Posch. Die Redezeit beträgt maximal 20 Minuten. – Bitte.

11.07

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Nach einer Stunde Dichtung und Wahrheit des Herrn Bundesministers für Finanzen und Plattitüden wäre es reizvoll, auf die aufgeblasenen hohlen Phrasen ein wenig einzugehen, ebenso auf die Geschichte des Herrn Franz Häusler und seiner 10 000-S-Spende, die der Herr Finanzminister beim letzten Mal präsentiert hat und wo bis heute der Absender dieser Spende nicht eruiert werden konnte. Es wäre interessant zu wissen, Herr Bundesminister für Finanzen, ob Sie sich vielleicht diese Spende selbst angewiesen haben (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen – Ruf bei den Freiheitlichen: Unerhört! Das ist eine Frechheit!) beziehungsweise wie Sie es mit der Wahrheit und mit der Wirklichkeit in Ihrem Ressort halten. (Abg. Ing. Westenthaler: Ist das zur Budgetdebatte, oder was? – Ruf bei den Freiheitlichen: Wie der Schelm denkt!)

Ebenso wäre es natürlich auch reizvoll, darauf einzugehen, dass in dieser platten Budgetrede alle möglichen Kapitel vorkommen, nur das Kapitel Soziales kommt nicht vor. Es kommt die Landesverteidigung vor, es kommt die Kunst vor, es kommt das Kapitel Inneres vor, nur das Kapitel Soziales dieser Bundesregierung der asozialen Treffsicherheit kommt im Bericht des Herrn Finanzministers an das Hohe Haus nicht vor. (Beifall bei der SPÖ.)  – Soviel sei mir gestattet, einleitend zu dieser völlig belanglosen Budgetrede zu sagen, bevor ich mich unserem Menschenrechtsbericht in 125/A (E) widme. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )

Unser Entschließungsantrag betreffend einen Menschenrechtsbericht geht von drei Voraussetzungen aus: erstens, dass diesem Haus jährlich Bericht zu erstatten sei über die Situation der Menschenrechte in Österreich; zweitens, dass Regierungsvorlagen so wie auf EU-Konformität auch auf Menschenrechtskonformität zu prüfen seien, und drittens, dass bei Vollziehung von Gesetzen und Verordnungen besonderes Augenmerk auf die Menschenrechte zu legen sei.

Das entspricht im Wesentlichen auch dem Geist des Regierungsübereinkommens zwischen ÖVP und FPÖ. Das entspricht in etwa der Intention der EU-Grundrechtscharta und auch dem EU-Menschenrechtsbericht.

Bedauerlicherweise wurde unser Bericht im Ausschuss abgelehnt, wie viele andere Anträge im Menschenrechtsausschuss bisher auch entweder nicht behandelt oder abgelehnt wurden.

Dem gegenüber hat die Regierungskoalition eine eigene Entschließung vorgelegt, wonach ein Bericht über die Situation von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern in EU-Mitgliedstaaten dem österreichischen Nationalrat vorzulegen sei sowie über die Grundrechtscharta der EU berichtet werden solle. – Das ist in der Substanz genau das, was Herr Klubobmann Khol immer sagt: Wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, weisen drei Finger auf einen zurück. Das ist die Substanz dessen, was Sie von den Menschenrechten halten.

Ich halte das für bedauerlich, weil im Allgemeinen der Bericht der "drei Weisen" ein positiver Bericht über Österreich ist. Österreich braucht sich nicht zu verstecken und hat eine gute Tradition aufzuweisen, insbesondere auch was Flüchtlinge anlangt.

Der Herr Bundeskanzler hat zu Recht die Staatszielbestimmung zum Schutz der Minderheiten, die wir gemeinsam einstimmig beschlossen haben, für diese Regierung reklamiert, ebenso die


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Topographieverordnung für die Zweisprachigkeit im Burgenland. Auch viele andere Dinge, wie zum Beispiel der Antrag über Todesstrafe, sind positiv beschlossen worden.

Trotzdem ist, glaube ich, in diesem Menschenrechtsbereich vieles offen, und das sollte hier thematisiert werden. Es kann nach wie vor nicht über § 209 StGB betreffend Homosexuelle geredet werden, auch nicht darüber, dass in Österreich noch immer Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung in Haft sind, dass noch immer die Debatte offen ist zur Novelle des § 283 StGB, Verhetzung, dass der Tatbestand auch auf Einzelpersonen ausgedehnt werden soll. (Der Klubdirektor der Freiheitlichen steht vor einer Kamera und spricht mit einigen Abgeordneten.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Darf ich bitten, Kollege Moser, die Fernsehkamera freizuhalten! – Danke schön.

Bitte fortzusetzen, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Mag. Walter Posch (fortsetzend): Es ist noch immer die Debatte offen, dass sich die Regierung weigert, über die Toleranzanträge, die die jeweiligen Parteien am Beginn dieser Gesetzgebungsperiode eingebracht haben, zu reden, auch über den eigenen. Ich verstehe schon, dass der Toleranzantrag der ÖVP für die FPÖ nicht besonders angenehm wäre und dass es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewünscht wird, jetzt über einen Bereich zu diskutieren, wo die ÖVP noch einen relativ klaren Umgang mit sich selbst gehabt hat.

Ich erinnere daran, dass die Einrichtung von Clearingstellen für Kinderflüchtlinge unbehandelt ist, weil es in Wahrheit eine untragbare Situation ist, dass Jugendliche in Schubhaft sitzen, dass die Frage des Familiennachzuges innerhalb der Quote nicht geklärt ist, dass die Frage der Greencard, wo Sie, Herr Bundeskanzler, Ihren eigenen Herrn Bundesinnenminister desavouiert haben – wobei ich schon verstehen kann, dass Sie da in Widerspruch kommen zwischen ökonomischer Vernunft und nationalistischer Vorgabe Ihres Regierungspartners, dass Ihnen das Schwierigkeiten macht, aber trotzdem ist das, glaube ich, eine sehr wichtige Materie –, und auch die Frage eines querschnittshaften Antidiskriminierungsgesetzes nach wie vor offen sind. – So viel zu den Anträgen im menschenrechtlichen Bereich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass insgesamt im Bereich der Grundrechte – darauf werden ja meine Kolleginnen und Kollegen nach mir noch intensiv zu sprechen kommen, deshalb kann ich das in der gebotenen Kürze abhandeln – Wachsamkeit geboten ist, im Lichte der jüngsten Ereignisse besonders die vorsichtige Skepsis gegenüber dem Lauschangriff damals eine berechtigte war, dass die Einrichtung einer Menschenrechtskommission im Bundesministerium für Inneres eine Notwendigkeit war und dass auch die Ablehnung unserer Fraktion gegenüber der erweiterten Gefahrenerforschung sehr, sehr berechtigt war. (Beifall bei der SPÖ.)

Insofern ist auch Wachsamkeit geboten angesichts der jüngsten Ereignisse, Wachsamkeit vor allem gegenüber der alltäglichen Abstumpfung angesichts des jüngsten Skandals.

Wenn etwa Herr Abgeordneter Ofner, dem ich im Prinzip nichts Irrationales vorwerfen möchte, in der letzten Plenarsitzung gesagt hat – Herr Abgeordneter Ofner hat immerhin an der EU-Grundrechtscharta mitgearbeitet, und er reklamiert das auch immer stolz –, der Verkauf von Daten ist ein Geschäft, ist "Zubrot", das ist wie der Verkauf einer Versicherungspolizze oder das Zeitungsaustragen, dann ist das eine unglaubliche Verharmlosung einer Verletzung eines Grundrechtes, nämlich des Grundrechtes auf Datenschutz. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Jung. )

Das ist ein wesentliches Menschenrecht, und das werden wir uns nicht gefallen lassen angesichts dieses ungeheuren Angriffes und Anschlages auf die Meinungsfreiheit und die Privatsphäre, angesichts von Bespitzelung, Datenklau und Intervention gegen die Medien. Ich weiß schon, Ihre Partei hat eine eigene Geschichte. Ihre Geschichte, Ihre Drohungen, dass Sie gegen die Justiz marschieren wollten, dass Sie Abgeordnete verfolgen wollen, dass Sie in den Redaktionsstuben dafür sorgen wollten, dass die Wahrheit geschrieben wird – diese Geschichte der FPÖ ist ja eine besondere Geschichte. Ich verstehe daher auch Ihre Nervosität und Ihre Aufgebrachtheit. Das möchte ich Ihnen nachsehen.


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Aber ich glaube, dass Bespitzeln und Datenklau nicht nur eine Frage des persönlichen Menschenrechtes sind, sondern dann, wenn Personen öffentlichen Interesses davon betroffen sind, Politiker, Journalisten, Künstler, ist das nicht nur eine Frage der Gerichte und eine Frage der Kommissionen, sondern auch eine politische Frage. Das ist eine Frage des Parlaments. Das ist die Frage eines Untersuchungsausschusses, und so etwas gehört in einen Untersuchungsausschuss! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Oder die Frage der Presse- und Meinungsfreiheit. Ich glaube, dass Wachsamkeit geboten ist angesichts der schleichenden Änderung des gesellschaftlichen Klimas im Land, wenn Herr Klubobmann Westenthaler etwa sagt: "Wir werden dem ORF die Parteilichkeit austreiben!", und wenn ORF-Redakteure in einer einstimmigen Resolution feststellen: erstens, dass es in der "Causa Kleindienst" ein mehrtägiges Interventions-Bombardement des FPÖ-Klubobmannes Westenthaler gegeben hat, dass es zweitens ein Fax des ÖVP-Klubs mit mehrseitiger Detailkritik gegeben hat, wobei ich schon zugeben möchte, dass es manchmal schwierig ist, die Grenze zu ziehen zwischen sachlicher Richtigstellung, wo es geboten erscheint, und Bedrohung und Einschüchterung. Drittens sagen ORF-Redakteure, dass "Kompensationsbeiträge" gefordert würden als Wiedergutmachung für angebliche "Fehler". Viertens: die Frage der "Diskussionsverweigerung", weiters die Frage des "Datenklaus".

Wenn dann die Journalisten des ORF folgende Resolution beschließen: "Die journalistische Bewertung muss ausschließlich den Redaktionen des Hauses obliegen und nicht Parteien oder Interessensgruppen. Eine Einflussnahme auf Themen, Form und Umfang der Berichterstattung steht ihnen nicht zu", dann stimmen wir dem vollinhaltlich zu. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn die Journalisten des ORF sagen, dass sie von der Geschäftsführung erwarten, dass sie sich bei ihrer Definition, was "berechtigte Beschwerden" sind, an die Spruchpraxis der Rundfunkkommission hält und grundsätzlich davon ausgeht, dass Kritik von außen meist von nachvollziehbaren Interessen geleitet wird, dann kann man das, glaube ich, von einer Geschäftsführung auch erwarten.

Dass diese Resolution einstimmig angenommen wurde, beweist ja auch einiges hinsichtlich des Geistes und des Drucks, der dort herrscht, ganz zu schweigen von den angedrohten Prügeln für den ORF-Redakteur Josef Broukal, ganz zu schweigen von der Sprache, die in den letzten Jahren salonfähig geworden ist. Die Beschimpfungen und Diffamierungen sind ja inzwischen Legion. Etwa Herr Klubobmann Westenthaler in der letzten Debatte zu Frau Petrovic: "Sie sind eine Lachnummer!" – Da gibt es in diesem Haus wirklich nichts mehr zu lachen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Da gibt es in diesem Hause wirklich nichts mehr zu lachen, das ist derart letztklassig, das ist derart nieder, das ist derart tief! Da gibt es in diesem Hause wirklich absolut nichts mehr zu lachen! Daher halte ich es da mit Herrn Klubobmann Khol, der noch vor den Wahlen gesagt hat: Solange ich in der ÖVP etwas zu sagen habe, wird es keine Koalition mit der FPÖ geben! – Ich nehme an, dass Sie nichts mehr zu sagen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Angesichts dieser Ungeheuerlichkeiten der letzten Tage halte ich es auch mit Herrn Bundeskanzler Schüssel, der im Wahlkampf 1995 gesagt hat – gut, ich gebe zu, es ist fünf Jahre her, fünf Jahre sind eine lange Zeit, und man kann ja seine Meinung geändert haben; es müssen ja in der Zwischenzeit irgendwelche positiven Dinge geschehen sein, dass Sie zu einer solch grundlegenden Meinungsänderung gegenüber dem gekommen sind, was Sie vor fünf Jahren gesagt haben; ich zitiere Sie nach dem "Standard", und Sie werden sicher das "Standard"-Zitat korrigieren, wenn ich es falsch zitiere oder wenn das Zitat ein falsches ist –:

"Ich kann daher nur zum wiederholten Male sagen, dass es für mich nicht in Frage kommt, dass Dr. Haider mit seinen verqueren Ideen von einer Dritten Republik unseren Staat und die Grundlagen der Menschenrechte zerstört. ... Die geballte negative Energie von Dr. Haider macht Menschen Angst. ... Ich brauche Dr. Haider nicht zur Umsetzung meiner politischen Vorstellungen." – (Abg. Ing. Westenthaler: Wieder bei seinem Lieblingsthema!) So ist es. Ich habe


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gesprochen, Hugh oder How oder Hump oder Dump, oder ich weiß nicht, wie die Indianer sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

11.20

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Martti Ahtisaari, ehemaliger finnischer Staatspräsident, Jochen Frowein, Direktor am Max-Planck-Institut und ehemaliger Vizepräsident der Europäischen Kommission für Menschenrechte, Marcelino Oreja, ehemaliger spanischer Außenminister – diese honorigen Herren haben in einem wirklich penibel durchgeführten Beweisverfahren dieser Regierung eindeutig deklariert, dass der Schutz der Minderheitenrechte in Österreich weiter reicht als in vielen anderen europäischen Staaten und dass die gegenwärtige Regierung eine offene Flüchtlingspolitik lebt.

Weiters wird festgestellt, dass die Einwanderungspolitik der österreichischen Regierung zeigt, dass sie für die gemeinsamen europäischen Werte eintritt. Aus den Unterlagen kann außerdem geschlossen werden, dass die gegenwärtige österreichische Regierung für die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit eintritt. – Dieses Zeugnis, das Österreich ausgestellt worden ist, sollte für alle – wirklich für alle  – politischen Parteien in Österreich ein Grund der Freude sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht alle EU-Staaten können mit einem solch guten Zeugnis rechnen. Die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten zum Beispiel wurde von nur neun Staaten der EU ratifiziert; darunter ist auch Österreich.

Zu diesem Zeugnis der "drei Weisen" ist es trotz des massiven Aufgebotes der NGOs gekommen, die sich in das Begutachtungsverfahren hineingedrängt haben, um die Regierung ja nur möglichst anzupatzen und an den Pranger zu stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten eigentlich wirklich stolz sein auf dieses Zeugnis, das uns diese drei honorigen Männer ausgestellt haben. Aber warum sind nicht alle politischen Parteien in Österreich stolz, sondern wollen unbedingt Österreich als ein Land abstempeln, in dem Menschenrechte verletzt werden? – Wir müssen immer wieder sehen, dass das alles in die Strategie der politischen Opposition und ihrer Anhängsel passt, dass sie nämlich die Österreicher immer wieder gerne als Menschen sehen, die die Menschenrechte nicht achten, und Österreich als ein Land, in dem die Grundrechte gefährdet sind und so weiter. Aber all diese Vorwürfe, die da laufend erhoben worden sind, haben sich als haltlos herausgestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da schreibt zum Beispiel Herr Posch in dem Antrag, den er im Menschenrechtsausschuss eingebracht hat, Folgendes: Die Vertreter einer Regierungspartei halten sich nicht an die Präambel zum Regierungsübereinkommen. – Bitte, das ist völlig aus der Luft gegriffen! Herr Posch! Woher haben Sie diese Unterstellung? Wieso können Sie so etwas behaupten? Haben Sie den Bericht so schlecht gelesen, dass Sie übersehen haben, dass diese drei honorigen "Weisen" der Regierung bestätigen: Das Verhalten aller Minister in der Regierung kann nicht kritisiert werden. – Herr Posch! Was sagen Sie dazu? – Offensichtlich haben Sie den Bericht zu wenig oder nur so gelesen, wie Sie ihn sehen wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie picken sich irgendetwas heraus, was Ihnen in den Kram passt, und wollen dann Unzufriedenheit schüren. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja erschreckend!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Offensichtlich soll durch solche Bemerkungen, wie sie Herr Posch heute geäußert hat, die unselige Kampagne gegen die Bundesregierung fortgesetzt werden. Offensichtlich wollen Sie ganz einfach das Klima aufheizen. Und ich sage Ihnen eines, Herr Posch: Die Österreicher waren zutiefst verärgert, empört und aufgebracht über die EU-Sanktionen, denen solche Miesmachereien zugrunde gelegen sind, wie Sie sie heute gemacht haben. Ich glaube nicht, dass Sie sich bei der österreichischen Bevölkerung Lorbeeren verdienen werden, wenn Sie in dieser Art und Weise fortfahren. Das möchte ich Ihnen nur einmal zum


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Nachdenken nahe bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja grotesk, was Sie sagen!)

Sie haben acht Monate lang mit allen Mitteln diese Bundesregierung bekämpft – ich sage, wirklich mit allen Mitteln –, ich würde Ihnen Folgendes raten: Beenden Sie doch endlich diese Kampagne, und verwenden Sie (Zwischenruf des Abg. Dr. Cap )  – ich rufe Sie dazu auf, Herr Kollege Cap! – Ihre politische Energie dazu, mit dieser Bundesregierung die Scherben aus der Vergangenheit zu kitten!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Verwenden Sie Ihre politischen Möglichkeiten dazu, mit uns die Bevölkerung darüber zu informieren, wie dringend notwendig das Nulldefizit für eine beruhigte Zukunft ist! Verwenden Sie Ihre politische Kraft dazu, gemeinsam mit uns die wirtschaftlichen Grundlagen zu legen, damit unsere Jugend in eine sichere Zukunft blicken kann, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Das wäre Ihre Aufgabe, weil Sie für den Scherbenhaufen der Vergangenheit verantwortlich sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Posch! Noch einmal zu Ihrem Antrag, über dessen Ablehnung Sie verärgert beziehungsweise verstimmt sind. Sie verlangen, dass jede Regierungsvorlage und jedes Gesetz darauf überprüft wird, ob es den Menschenrechten und den Grundrechten entspricht. – Ja bitte, das wird ja jetzt schon gemacht, oder wollen Sie eine europäische Instanz in unseren Gesetzwerdungsprozess hereinziehen? Was wollen Sie? Wollen Sie haben, dass Frau Winkler, deren österreichfeindliche Stimmung und Einstellung ja bekannt ist, unsere Gesetzesvorhaben überprüft? – Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, Herr Posch und Herr Cap!

Herr Cap, wenn das die Meinung von Herrn Posch ist, dann würde ich Sie bitten, dass Sie ihn darauf aufmerksam machen, dass Frau Winkler wirklich nicht die richtige Ratgeberin für die österreichische Innenpolitik ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Der Kabas ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ernst nehmen muss man in diesem Bericht die Bedenken der Bischofskonferenz. Die Bischofskonferenz sagt beispielsweise: Es ist eine Radikalisierung des innerpolitischen Klimas festzustellen, eine Verschlechterung des politischen Gesamtklimas. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns die Donnerstag-Demonstrationen anschauen: Wer steckt denn hinter dieser Radikalisierung des Klimas, wer steckt denn hinter dieser Verschlechterung? (Abg. Edlinger: Wer denn? – Abg. Dr. Cap: Der Kabas!)  – Eindeutig die Opposition! Ihre Partei steckt dahinter, die Partei der Grünen steckt dahinter! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Posch spricht von einer Verschärfung des politischen Klimas hier herinnen, aber er ist der Allererste, der in einer wirklich miesen Art und Weise die Budgetrede ... (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)  – Ja, aber, Herr Präsident, das, was Herr Posch gesagt hat, ist auch nicht ohne. Deshalb erlauben Sie mir schon diese Qualifizierung.

Herr Posch hat zum Beispiel gesagt, "Dichtung und Wahrheit", "eine Plattitüde", "aufgeblasene Phrasen" seien die Budgetrede. (Beifall des Abg. Dr. Jarolim. )  – Herr Präsident! Ich glaube schon, dass diese Qualifizierung von mir gerechtfertigt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie wissen immer nur bei den anderen, wann sie sich falsch ausdrücken, aber bei sich selbst legen Sie niemals diesen strengen Maßstab an. (Abg. Dr. Martin Graf: Niemals!) Ich würde Sie bitten, dass Sie nicht immer auf einem Auge blind sind, sondern die Sachverhalte so beurteilen, wie dies einigermaßen gerecht ist.

Dieses Regierungsprogramm ist ein ambitioniertes Programm, um endlich von diesen Schulden wegzukommen. (Abg. Dietachmayr: Sie vertragen keine Kritik!)  – Ich vertrage sehr wohl Kritik, Herr Cap, aber Sie müssen auch einmal berechtigte Kritik einstecken. (Abg. Dr. Cap: Was stimmt jetzt? Hump oder Dump?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal zu den Donnerstag-Demonstrationen zurückkommen, die ja wirklich zeigen, wie das Klima aufgeheizt wird. Es wird immer


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wieder davon geredet, der Herr Polizeipräsident aus Wien – wohin er politisch gehört, wissen wir ja – habe gesagt, diese Demonstrationen seien nicht gewalttätig.

Es hat jedoch 500 Anzeigen wegen Sachbeschädigung gegeben. Es hat 45 verletzte Polizisten gegeben. Es hat 200 Personen starke Gruppen gegeben, unter Verwendung von Wurfgeschossen sind diese gegen die Polizei vorgegangen. Und das wollen Sie als friedliche Demonstrationen verkaufen? Was stellen Sie sich eigentlich vor, was friedlich ist? – Ich meine, Sie dürften da eine wirklich verquere Vorstellung haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPÖ-Koalition hat drei Sparpakete auf die österreichische Bevölkerung niederprasseln lassen (Zwischenruf des Abg. Edlinger )  – im Übrigen mit null Wirkung, mit null Auswirkung auf das Budget und auf die Staatsschulden –, kein Grüner und kein Sozialist hat sich damals aufgeregt und hat gesagt, das ist unsozial, das ist eine Aktion, die gegen die Österreicher ist.

Noch etwas möchte ich Ihnen sagen, was auch die Bischofskonferenz angeschnitten hat, was nämlich Angst auslöst. (Abg. Dr. Jarolim: Ihre Rede macht uns Angst und Bange! So etwas habe ich noch selten gehört! Kraut und Rüben!)  – Nein! Wissen Sie, was Angst auslöst? – Zum Beispiel die vermummten Anarchos, die bei den Demonstrationen eingeschleust werden. Die lösen Angst aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder, Herr Jarolim, zum Beispiel Äußerungen, wie sie Frau Kollegin Stoisits gemacht hat: die Forderung, jeder Freiheitliche solle einmal vorneweg 20 Jahre Freiheitsstrafe bekommen. – Das können Sie nachlesen.

Oder: Einer von den SPÖ-Abgeordneten hat gemeint, jedem Freiheitlichen solle man den Reisepass abnehmen. – Das alles können Sie in den Stenographischen Protokollen nachlesen. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist erschreckend, wie Sie reden!)  – Nein, das ist nicht erschreckend. (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. ) Wissen Sie, was auch Angst auslöst? – Zum Beispiel die Häupl’sche Wohnungspolitik löst Angst aus, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die größte Angst der Menschen ist aber – und das nach 30 Jahren sozialistischer Regierungsbeteiligung –, dass sie keinen Job bekommen, dass sie keine Wohnung bekommen und dass sie keine Pension bekommen. Um den Österreichern diese Angst zu nehmen und um sicherzustellen, dass die Österreicher ihre Pensionen bekommen werden, dass das Gesundheitssystem aufrechterhalten wird, dass sie eine Wohnung bekommen, um all das sicherzustellen, ist diese Regierung angetreten. Und wir werden das auch durchsetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Sie haben sich demaskiert!)

Ich würde Ihnen wirklich raten – auch Ihnen, Herr Kollege Jarolim –: Lösen Sie sich doch endlich von dieser Besudelungs- und Beschmutzungskampagne! (Abg. Dr. Jarolim: Sie haben sich demaskiert!) – Was heißt, ich habe mich demaskiert? Was soll das? Was soll dieser Zwischenruf? – Ich war nie maskiert, und ich brauche mich deshalb auch nicht zu demaskieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hören Sie doch endlich mit dem ewigen Hineinziehen der FPÖ in die Spitzelaktion auf! Diese Spitzelaffäre ist eine Affäre des Innenapparates, und dieser Innenapparat Exekutive war immer, seit 50 Jahren, sozialistisch dominiert, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Edlinger: Der Herr Kleindienst ...!) Kein Freiheitlicher hat dort drinnen etwas zu tun gehabt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt werde ich Ihnen etwas sagen: Ich habe alle sozialistischen Innenminister – Löschnak, Einem, Schlögl – immer gefragt: Wie gibt es das eigentlich, dass Herr Pilz zu hoch brisanten Informationen kommt? – Und jeder dieser sozialistischen Innenminister hat mir geantwortet: Na ja, wir können eigentlich nichts machen, das dringt halt hinaus! (Abg. Mag. Posch: Der Herr Stadler! Der Haider!) Das heißt also, Sie oder Ihre – ich werfe es ja nicht Ihnen persönlich vor –,


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sozialistischen Minister haben es verabsäumt, ein wirkliches Kontrollsystem im Innenressort aufzubauen, damit keine geheimen Daten weitergeleitet werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Martin Graf: Deshalb musste Schlögl gehen!)

Ich finde das so lächerlich, Herr Posch, Sie lassen ja wirklich keine Gelegenheit aus, politisches Kleingeld zu schlagen. Kollege Ofner hat eine Tatsachenfeststellung gemacht, indem er gesagt hat, Informationsbeschaffung ist eine Geldbeschaffung. – Das war ohne irgendeine Wertung gesagt. Was machen Sie jedoch daraus? – Sie machen daraus sofort eine Wertung. Sie sagen, er hat verharmlost, er hat das gutgeheißen, in Wirklichkeit will Ofner diese ganze Bespitzelungsaktion oder findet nichts dabei. – Das ist ganz einfach falsch. Sie haben eine Wertung vorgenommen, die Ofner ganz einfach nicht getroffen hat. Sie haben ihm in politisch wirklich unkorrekter Weise etwas unterstellt, was überhaupt nie gesagt worden ist. Lösen Sie sich endlich davon! Das ist nicht die politische Kultur, die Sie immer einmahnen, Herr Abgeordneter Posch! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich weiß, es ertönt ja immer wieder in unregelmäßigen Abständen der Ruf nach der politischen Kultur in diesem Haus, aber ich meine, dass die Töne in dieser Auseinandersetzung rau sind und es immer waren, das ist uns ja klar. Sie tun immer so, als seien Sie diejenigen, die immer die richtige Wortwahl träfen, und nur wir diejenigen, die sich immer falsch benähmen – aber das stimmt ganz einfach nicht! Da müssen Sie endlich einmal Farbe bekennen.

Herr Posch! Sie selbst haben meinen Klubobmann Westenthaler mit Hitler verglichen. Das haben Sie getan! Und das zeugt doch auch nicht von politischer Kultur. (Abg. Ing. Westenthaler: Das hat bisher auch den Präsidenten nicht gestört!)

Frau Petrovic beispielsweise, die immer Wert auf ihre schöne, feine Umgangssprache legt, sagte, die "Fratze des Unrechtes" schaue aus dem Sozialprogramm heraus. – Ist das schön, ist das eine Grundlage für eine seriöse Auseinandersetzung? – Nein!

Herr Kostelka beispielsweise hat Minister Böhmdorfer vorgeworfen, dass in dessen Ministerium Telefonabhöraktionen stattfinden. Er hat dafür aber – das war eine reine Anschüttaktion – keine Beweise vorgelegt. Es ist ihm jetzt offensichtlich auch schon peinlich, dass er das angeschnitten hat, offensichtlich nur deswegen, um eine Entlastungskampagne zu starten. Ich bitte Sie wirklich: Erheben Sie den Ruf nach politischer Kultur in der hiesigen Auseinandersetzung, aber halten Sie sich auch daran, und zeigen Sie nicht immer nur mit dem Finger auf uns! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Noch ein Letztes zu Ihrer Kritik, Herr Posch, hinsichtlich der Flüchtlingspolitik und des Familiennachzuges. Auch diese Kritik ... (Abg. Dr. Cap: Kabas!)  – Warum rufen Sie immer "Kabas" hinein? Das steht ja in überhaupt keinem Zusammenhang mit der Asylpolitik. Herr Cap – das sollten auch Sie wissen –, die Asylpolitik wird hier im Parlament beschlossen, und Herr Kabas ist Abgeordneter des Wiener Landtages. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Cap kann nicht anders!) Hier wird die Flüchtlingspolitik beschlossen. Für die Flüchtlingspolitik hat uns der Rat der "drei Weisen" eine erstklassige Auszeichnung gegeben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es entbehrt jeder Grundlage, Herr Posch, dass Sie die Flüchtlingspolitik anprangern. Sie wissen ganz genau, dass Österreich immer das erste Land war, das Flüchtlinge aufgenommen hat. Wir brauchen uns nicht selbst zu beschmutzen. Warum, um Gottes willen, tun Sie das?

Wir haben die Bosnier aufgenommen, obwohl wir dazu rechtlich überhaupt nicht verpflichtet gewesen wären. Wir und Deutschland haben die meisten Bosnier aufgenommen. Wir haben eine Kosovo-Hilfsaktion durchgeführt. Wir müssen uns keinen Vorwurf machen. Sie wissen auch ganz genau, noch vom damaligen Innenminister, dass ein Lastenausgleich betreffend diese Flüchtlinge von der EU abgelehnt wurde. Niemand unterstützt Österreich finanziell, wenn es darum geht, die großen Lasten der Flüchtlingsbetreuung zu tragen. 5 Milliarden Schilling hat allein die Bosnier-Aktion gekostet. Seien wir doch froh, dass wir solch große Leistungen erbracht haben, und beschimpfen und beschmutzen wir uns doch nicht ununterbrochen selbst! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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40. Sitzung / Seite 38

Ich richte noch einmal die Aufforderung an Sie, dass Sie mit uns zusammenarbeiten, dass Sie diese Regierung unterstützen, dass Sie einsehen, dass vieles von dem, was finanziell und wirtschaftlich nicht gut läuft, auf jene Zeit zurückgeht, als die SPÖ in der Regierung war, und dass es deshalb Ihre grundlegende Pflicht wäre, die Bestrebungen der Bundesregierung zu unterstützen, Österreich auf eine neue, gute, konsolidierte Basis zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Sehr gut! Hervorragende Rede!)

11.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Sie besteht aus der Wiedergabe des zu berichtigenden und des tatsächlichen Sachverhaltes. – Bitte.

11.39

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat hier tatsachenwidrig behauptet, Frau Abgeordnete Stoisits hätte im Parlament dazu aufgefordert, dass jeder Freiheitliche 20 Jahre Freiheitsstrafe erhält. (Abg. Dr. Martin Graf: Das stimmt! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Ja, das stimmt!)

Ich stelle tatsächlich richtig, Herr Abgeordneter Graf und Frau Abgeordnete Partik-Pablé: Erstens ist diese Berichtigung von mir schon mehrmals gemacht worden, und zweitens ... (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie waren damals noch gar nicht im Parlament, Herr Abgeordneter!)  – Das wissen Sie, dass ich nicht im Parlament war? (Abg. Ing. Westenthaler: Da waren Sie demonstrieren!)  – Ich war damals im Parlament, das wäre übrigens schon wieder zu berichtigen, Frau Abgeordnete Pablé. Ich lese Ihnen aus dem Protokoll vor.

Die Wortmeldung der Abgeordneten Stoisits hat sich auf die Verurteilung des Herrn Hans-Jörg Schimanek jun. bezogen. Und in diesem Zusammenhang hat Frau Abgeordnete Stoisits gesagt – ich zitiere aus dem Stenographischen Protokoll –:

"Der Strafrahmen bei der Verurteilung von Hans-Jörg Schimanek jun. ist lange nicht ausgeschöpft." Zwischenruf Abgeordneter Scheibner – damals –: "Wollen Sie jetzt dem Schimanek sen. lebenslang dafür geben?" Stoisits weiter: "Ich als aufrechte Demokratin würde mir wünschen, daß, wenn es um Ihre Belange, um Ihre Sympathien geht, einmal die volle Härte des Gesetzes zuschlägt, und in diesem Fall" – Hans-Jörg Schimanek (Widerspruch bei den Freiheitlichen – Abg. Dr. Martin Graf: Na, na!)  – "wären das zwanzig Jahre."

Aus dem Zusammenhang ergibt sich ganz klar (Abg. Ing. Westenthaler: Nehmen Sie das zurück!), dass sich die Wortmeldung der Abgeordneten Stoisits über zwei Seiten hin auf Hans-Jörg Schimanek jun. bezogen hat. Und ich habe nicht gewusst, dass Hans-Jörg Schimanek jun. Mitglied Ihrer Freiheitlichen Partei ist. Das wäre ja noch schöner! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Böhacker: Das ist ein G’schichterl, was Sie erzählen, keine Berichtigung! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist unglaublich!)

11.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Das war ganz deutlich in unsere Richtung! Auf Zwischenrufe, ob sie damit die Freiheitlichen meint, hat sie gesagt: Ja! So war das!)

11.41

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist Ihre Gesinnung! Politische Gegner in den Kerker bringen!) Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Gestatten Sie mir, dass ich mit Frau Kollegin Partik-Pablé beginne. (Anhaltende Unruhe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen. – Abg. Mag. Trattner: Die Grünen dürfen sich alles erlauben!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn sich unter dem Tagesordnungspunkt Bericht des Ausschusses für Menschenrechte betreffend Menschenrechtsbericht Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort meldet und versucht, uns einen Überblick über die Lage der Men


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schenrechte in Österreich zu geben – aus ihrer Sicht, ihrer Perspektive und ihrem Verständnis –, dann muss man, um Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, und Ihnen, Herr Bundeskanzler, die Tragweite der Einschätzungsmöglichkeit, -fähigkeit, -genauigkeit, -präzision der Frau Kollegin Partik-Pablé zu zeigen, in Erinnerung rufen, was Frau Dr. Partik-Pablé im Nationalrat unter dem – und ich erlaube mir auch, das darunter zu subsumieren – Titel Menschenrechte, Menschenrechtsverständnis gesagt hat. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Sie hat nämlich zum Thema "Schwarzafrikaner in Österreich" im Nationalrat Folgendes gesagt – ich zitiere –:

"Sie schauen nicht nur anders aus" – gemeint sind die Schwarzafrikaner –, "sondern sie sind auch anders, und zwar sind sie ganz besonders aggressiv. Das liegt offensichtlich in der Natur dieser Menschen." – (Abg. Dr. Martin Graf: Die schwarzafrikanischen Drogendealer!)

Ich zitiere weiter: "Sie sind meistens illegal da, sie sind meistens Drogendealer, und sie sind ungeheuer aggressiv." (Abg. Dr. Martin Graf: Die Drogendealer! Die Drogendealer!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist es nicht ein wenig kurios, wenn sich jemand mit diesem Verständnis von Menschenrechten, mit dieser Kenntnis über die Theorien, die es hiezu gibt – belegt durch das soeben vorgetragene Zitat aus einer Nationalratsdebatte –, zur Lage der Menschenrechte in Österreich, zu der sie im Wesentlichen gar nicht Stellung genommen hat, äußert?

Aber nicht nur das ist mir in der Rede von Frau Dr. Partik-Pablé aufgefallen, sondern auch, dass Sie sich immer wieder darauf bezogen hat, wer in diesem Land wem Angst macht, wer in diesem Land gegen wen durch eine ihrer Meinung nach übertriebene Sprache und nicht zutreffende Wortwahl Stimmung macht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es irgendjemanden in diesem Land gibt, der so etwas tut (Abg. Böhacker: Sind es die Grünen!), dann ist das die Freiheitliche Partei (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), die einen maßgeblichen Beitrag zur – um es nicht wertend zu formulieren – Veränderung des Klimas geleistet hat, und zwar nicht nur in den vergangenen Jahren, sondern im gesamten vergangenen Jahrzehnt! Es ist schon mehr als ein Jahrzehnt! Und Frau Dr. Partik-Pablé hat hier einen im Sinne der Veränderung des Klimas und auch im Sinne der Aufhetzung "wirklich konstruktiven" Beitrag geleistet. (Abg. Böhacker: Wer hetzt da wen auf?) Diese ihre Aussage, die sie im Nationalrat getätigt hat, ist nur ein festgelegter und "verschriftlichter" Bericht über das Wesen, die Gedankenwelt und die Einschätzungen, die die Freiheitliche Partei zu diesem Thema im Land hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn sich dann gerade diese Partei ständig auf den so genannten "Weisen"-Bericht beruft, in dem nur von der Freiheitlichen Partei nominierte Persönlichkeiten, die heute in wichtigen Funktionen sind, wie Herr Minister Dr. Böhmdorfer, namentlich genannt sind und in dem die Besorgnis der drei genannten Persönlichkeiten, die den "Weisen"-Bericht verfasst haben, zum Ausdruck kommt, dann weiß man ja wirklich nicht mehr, was jetzt die eigentliche Sorge der FPÖ ist.

Ich weiß heute, nach dem letzten Sonntag, nach dem Absturz der FPÖ in der Steiermark, schon, dass die FPÖ jetzt wahrlich wichtigere Probleme zu bewältigen hat als die Lage der Menschenrechte in Österreich, nämlich die Lage in ihrer eigenen Partei. Das ist zweifelsohne richtig! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn dann gerade Frau Dr. Partik-Pablé im Zusammenhang mit Menschenrechten zur Bespitzelungsaffäre rund um die FPÖ Stellung nimmt, dann drängt sich nur noch eine Frage auf, nämlich: Was weiß denn Frau Dr. Partik-Pablé über diese Fälle, über dieses Thema, über diese jahrelangen Vorgänge?

Frau Dr. Partik-Pablé ist doch nicht irgendjemand in der FPÖ. Sie ist zumindest eines der am längsten im Nationalrat vertretenen Mitglieder der FPÖ, sie ist eine jener Persönlichkeiten in der FPÖ, die höchste Funktionen in dieser Partei innehaben, sie ist eine, die über Jahre hinweg in


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einem der sensibelsten Bereiche tätig gewesen ist, sie war nämlich als Untersuchungsrichterin Geheimnisträgerin erster Qualität!

Wenn sich nun diese Dame, nämlich Frau Dr. Partik-Pablé, die nie ein Problem damit hatte, gleichzeitig Abgeordnete zum Nationalrat – und damit beispielsweise Anfragen stellen zu können – und Untersuchungsrichterin zu sein, jetzt sozusagen als eine der Abwieglerinnen aufspielt, dann überlasse ich es Ihnen, die Glaubwürdigkeit solcher Äußerungen im Einzelnen zu werten. (Beifall bei den Grünen.)

In meinen Augen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das, was Frau Dr. Partik-Pablé in den letzten Jahren gemacht hat, und das, was ihr zur Kenntnis gekommen ist, durchaus würdig und wert, einmal genau angeschaut zu werden.

Es ist nur Interesse, das dahintersteckt. Frau Dr. Partik-Pablé ist – und das betont sie ja immer – der Vorgänge in diesem Land überaus kundig. Sie weiß vermeintlich sehr viel darüber, wie die Zusammenhänge rund um mögliche Bespitzelungen und Bespitzelungstatbestände gewesen sind – aber nur, wie sie behauptet, im Zusammenhang mit anderen Parteien. Das habe alles nichts mit der FPÖ zu tun.

Ich vermute, dass Frau Dr. Partik-Pablé die Namen Kreißl, Radakovits, Binder, Rumpold, Mayerhofer nicht kennt. Was hat sie denn mit einem Landtagsabgeordneten in Niederösterreich zu tun? (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Der ist nur "zufällig" Landtagsabgeordneter jener Partei, für die auch sie im Nationalrat sitzt. Herr Rumpold war nur "zufällig" Bundesgeschäftsführer jener Partei, bei der auch sie wichtige Positionen innehatte. Herr Radakovits ist nur "zufällig" höchster Funktionär der AUF, und sie ist nur "zufällig" – rein "zufällig"! – die Sicherheitssprecherin der FPÖ! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wieso "zufällig"? Das stimmt ja nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt natürlich überhaupt keinen Grund dafür, dass jemand, der Sicherheitssprecher der FPÖ ist, unter Umständen auch Menschen wie Kreißl, Radakovits, Binder und Rumpold kennt! (Abg. Böhacker: Was wollen Sie mit Ihren wirren Aussagen? – Abg. Dr. Cap: Kabas!)  – Kabas! Reden wir heute einmal nicht über Kabas, der wird auch noch drankommen. Aber diesen kennt sie wahrscheinlich auch nicht.

Wenn dann im Zusammenhang mit einer Debatte über einen Antrag beziehungsweise Entschließungsantrag, den die Regierung dem Menschenrechtsausschuss vorgelegt hat und der zum Thema "Lage der Menschenrechte in Österreich" bloß einen Auftrag an die Bundesregierung beinhaltet, nämlich dem Nationalrat einen Bericht über die Situation von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern in den EU-Mitgliedstaaten, also in den anderen EU-Mitgliedsstaaten, vorzulegen, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, machen Sie sich selbst einen Reim darauf, wie groß das Interesse dieser Bundesregierung daran ist, sich tatsächlich mit der Lage der Menschenrechte in Österreich auseinander zu setzen: nämlich null!

Meine sehr geehrten jetzt nicht anwesenden Herren Bundesminister, die in erster Linie betroffen sind! Denken Sie an Minister Strasser, Stichwort "Spitzelaffäre FPÖ", denken Sie an Minister Dr. Böhmdorfer und seine befürwortenden, zustimmenden und aufmunternden Worte, als Jörg Haider jenen Vorschlag machte, der die Rechtsstaatlichkeit in Österreich am allermeisten gefährdet, nämlich Oppositionelle, Menschen anderer Meinung und diejenigen, die dieser Regierung nicht zujubeln, hinter Gitter bringen zu wollen! (Abg. Böhacker: Sie wissen ganz genau, dass das falsch ist!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Böhacker: Diese Aussage ist falsch!) Da frage ich mich wirklich (Abg. Böhacker: Es ist unglaublich!), ob das noch etwas mit der Präambel zu tun hat, die der Herr Bundespräsident löblicherweise dem Herrn Bundeskanzler und seinen Regierungsmitgliedern vorgelegt hat. Nichts hat das damit zu tun, gar nichts! (Beifall bei den Grünen.)

Der Schluss, der jetzt nach dem "Weisen"-Bericht gezogen wird, ist: Wir haben jetzt den Blankoscheck, und damit ist das Thema erledigt, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Die Frage der Auseinandersetzung mit Menschenrechten und Investitionen in Menschenrechtserziehung, das Bemühen, diese Frage in der Öffentlichkeit in einer sensiblen Art und Weise zu diskutieren,


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sind auf Grund der Interpretationen, die die Bundesregierung aus dem "Weisen"-Bericht zieht, erledigt. Sie sind erledigt, das ist kein Grund und kein Anlass mehr, hier Aktivitäten zu setzen.

Wie anders ist es interpretierbar, dass dem Anliegen von Kollegen Posch, dem Nationalrat jährlich einen Bericht über die Menschenrechtslage in Österreich aus allen Ressorts vorzulegen, nicht zugestimmt wurde und dass diesem Anliegen in einer unglaublich verwaschenen Art und Weise mit einer Entschließung begegnet wurde? Wovor haben Sie denn Angst, Herr Bundeskanzler? Wovor haben Sie Angst, wenn die Opposition einen Bericht über die Lage der Menschenrechte in Österreich fordert?

Sie können doch vor nichts Angst haben! Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, die "Weisen" haben gesagt: Es ist alles okay!; die Bundesregierung ist voll zufrieden. Aber die Forderung, dass man sich periodisch und intensiv – intensiv jetzt in der Aufforderung an die Ressorts – mit diesem Thema weiter beschäftigt, wird abgelehnt. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das ist im Sinne des Auftrags, wie ihn der parlamentarische Ausschuss für Menschenrechte sich selbst gegeben hat – nämlich von allen Mitglieder dort einvernehmlich –, absolut unverständlich! Es ist auch nicht in Relation zu den Entwicklungen, die es in anderen Ländern gibt, sich mit den Fragen der Menschenrechte, Menschenrechtserziehung, Zivilcourage und Einbindung der Zivilgesellschaft in diese Fragen zu beschäftigen.

Darum kann ich es nicht anders als so interpretieren, Herr Bundeskanzler, wie Sie Ihrer Fraktion im Nationalrat den Auftrag gegeben haben, hier zu agieren. Denn wenn es nichts zu verstecken gibt, dann kann man alles, was es gibt, offen legen. Aber wenn das abgelehnt wird, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann drängt sich der Verdacht auf, dass es etwas zu verbergen gibt. Dagegen werden wir uns verwahren, und wir werden nicht müde werden, diese Fragen weiter zu stellen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten. – Bitte.

11.54

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Posch, Sie haben die Budgetrede des Finanzministers Grasser als belanglose Budgetrede bezeichnet. (Abg. Gradwohl: Recht hat er!) Ich halte diese Aussage für sehr gewagt. Wissen Sie, dass Sie damit die Entschuldung unseres Staates, die Zukunftssicherung unserer Kinder und der kommenden Generationen als "belanglos" bezeichnen? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Kostelka ist leider nicht anwesend – liebe Kollegen von den Sozialdemokraten, seien Sie so gut und berichten Sie ihm meine Worte zu seiner Monierung vom vergangenen Mittwoch, als es um die Einwendungsdebatte zur Tagesordnung ging. Kollege Kostelka hat gesagt, ich hätte die freiheitliche Fraktion mit keinem Wort verteidigt. Bitte, er muss doch zur Kenntnis nehmen, dass die Freiheitlichen selbst in der Lage sind, sich ausgezeichnet zu verteidigen. Ich brauche sie nicht zu verteidigen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Es schadet auch nicht, wenn Sie uns verteidigen! – Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. )

Meine geschätzten Damen und Herren! "Die Achtung der Menschenrechte ist von elementarer Bedeutung für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft." – So lautet der erste Satz im Antrag 125/A (E) der Sozialdemokraten. Darüber – und hierin stimme ich mit der SPÖ vollinhaltlich überein – herrscht in Österreich breiter Konsens. Was allerdings gerne in den Hintergrund geschoben oder, besser gesagt, absichtlich vergessen wird, ist, dass sich die österreichische Regierung diesen Grundsätzen, die auch noch in der Präambel zusätzlich festgehalten wurden, verpflichtet fühlt und ihre Politik danach gestaltet.

Dies behaupte ich nicht nur einfach so, sondern dies können Sie jederzeit und immer wieder im "Weisen"-Bericht nachlesen. Dieser hat nämlich bestätigt, dass Österreich – hören Sie gut zu,


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Herr Kollege Posch und Frau Kollegin Stoisits! – kein Entwicklungsland in puncto Menschenrechte ist, auch wenn Sie dies immer wieder gerne und häufig so darstellen.

Herr Kollege Posch! Was den Hinweis in Ihrer Rede auf § 209 StGB betrifft, nehmen Sie doch bitte endlich zur Kenntnis, dass bereits ein Unterausschuss des Verfassungsausschusses gebildet wurde, der dieses Problem behandeln wird! (Abg. Dr. Einem: Das ist der Justizausschuss, Herr Kollege!)

Ganz im Gegenteil, meine Kollegen von der Opposition! Der "Weisen"-Bericht stellt Österreich und seiner Regierung ein vorbildliches Zeugnis aus. Ich werde kurz einige Punkte besonders hervorheben.

Der Bericht hält fest, dass – und das ist ein Zitat –, "die österreichische Regierung für die gemeinsamen europäischen Werte eintritt. Die Beachtung insbesondere der Rechte von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern bleibt nicht hinter der anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurück. ... In manchen Bereichen, vor allem bei den Rechten nationaler Minderheiten, können die österreichischen Standards im Vergleich zu denen anderer EU-Staaten als überlegen angesehen werden." (Beifall bei der ÖVP.)

Weiters wird betont – und auch hier wieder ein Zitat –: "Die konkreten Maßnahmen, die die neue österreichische Regierung zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus fortgeführt oder ergriffen hat, zeigen, daß die österreichische Regierung sich in diesem Bereich der im Land bestehenden besonderen Probleme bewußt ist. Auch hier spiegelt der Umfang der Regierungstätigkeit ... die gemeinsamen europäischen Werte wider."

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was bedeutet das? Was heißt das? – Das heißt für mich, dass die österreichische Regierung bisher insgesamt und speziell in den genannten Bereichen hervorragende Arbeit geleistet hat. Ein konkretes Beispiel ist etwa die Staatszielbestimmung betreffend Minderheiten, mit der eine lange Forderung der Volksgruppen endlich umgesetzt wurde.

Das heißt für mich auch, dass niemand die Regierung etwaiger fremdenfeindlicher Maßnahmen beschuldigen kann. Und das heißt für mich, dass Österreich innerhalb der Europäischen Union eine Vorbildfunktion im Bereich der Menschenrechte einnimmt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Stoisits! Die Bundesregierung und speziell der Herr Bundeskanzler hat vor niemandem Angst. Klar ist, dass wir uns nicht auf den verdienten Lorbeeren ausruhen können. Wir werden weiterhin für die konsequente und kontinuierliche Verbesserung der Menschenrechtssituation in Österreich, in Europa und in der ganzen Welt eintreten. Wir werden weiterhin Augen und Ohren offen halten und Missstände – egal, wo sie vorkommen – anklagen und auf das Schärfste verurteilen.

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union können im Bereich der Menschenrechte durch Vorbildwirkung und gegenseitige Kontrolle voneinander profitieren. Man sollte also nicht einen durchschnittlichen, bequemen Weg gehen, sondern man muss das Niveau möglichst hoch ansetzen und konsequent verwirklichen. Wenn in einer Gesellschaft der Globalisierung die Werte zunehmend verfallen, dann ist die Achtung der Menschenrechte die Grundlage einer friedvollen Zukunft, in der Menschen gleichberechtigt leben können. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Für die weitere Entwicklung der Europäischen Union und des Integrationsprozesses ist daher der Entwurf der Grundrechts-Charta besonders wichtig – er ist von hoher Bedeutung –, aber ebenso die Rechtslage der Minderheiten, der Flüchtlinge und der Einwanderer in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es ist jedoch im Zusammenhang mit der Grundrechtscharta noch vieles offen – das haben die Diskussionen rund um die Präsentation ergeben –, darunter etwa die Bindungswirkung, die Rechtsschutzeinrichtungen, das Verhältnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention und der Minderheitenschutz. Man könnte das noch weiterführen.


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Die in unserem Antrag, dem Antrag von FPÖ und ÖVP, eingebrachte Entschließung bedeutet, dass mit den anderen EU-Mitgliedstaaten ein "Best Practice"-Modell erarbeitet werden soll, mit dem Ziel einer Verbesserung des Menschenrechtsschutzes in den genannten Bereichen. Nur so können wir gezielt gegen Intoleranz, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorgehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als Grundlage dafür muss die aktuelle Situation dargelegt werden. Nur dann kann man nämlich unserer Meinung nach vernünftig und effektiv an ihrer Verbesserung arbeiten. Deshalb ersuchen wir die Bundesregierung, dem Nationalrat einen Bericht über die Situation von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern in allen EU-Mitgliedstaaten vorzulegen sowie dem Nationalrat über den Entwurf der Grundrechtscharta der Europäischen Union zu berichten.

Der "Weisen"-Bericht hat Österreich Vorbildwirkung innerhalb der Europäischen Union bestätigt. Ich erhoffe mir von einem Bericht über alle EU-Mitgliedstaaten die Offenlegung von Schwachstellen und ebenso von Stärken, somit auch hohe Vorgaben für die Menschenrechte. Ich denke, dass damit neue Impulse für die Weiterentwicklung der Menschenrechte und der Grundrechtscharta entstehen können. Wir müssen in der gesamten Europäischen Union wachsam und engagiert sein, deshalb brauchen wir diesen Bericht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Jäger. – Bitte.

12.03

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich befürchte Schlimmes für unsere Republik (Widerspruch bei der ÖVP), wenn die beiden VertreterInnen der Regierungspartei den "Weisen"-Bericht so zitieren, als wäre mit den Menschenrechten hier in Österreich alles in Ordnung. Ich darf ein paar Zitate aus diesem "Weisen"-Bericht bringen, in denen sehr klar Stellung genommen wird. (Abg. Ellmauer: Dann haben Sie bei meiner Rede nicht zugehört!)

Zum Beispiel: "Die FPÖ war 1993 für ein Volksbegehren zur Ausländersituation in Österreich ... verantwortlich. Ziel war es, die Bevölkerung gegen die für zu hoch erachtete Zahl von Einwanderern zu mobilisieren. Die stark ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber den Vorhaben der FPÖ führte dazu, daß nur 7,3 Prozent der Bevölkerung an dem Volksbegehren teilnahmen."

Die Österreichische Bischofskonferenz spricht in ihrer Erklärung von einer Radikalisierung des politischen Klimas: "Die österreichischen katholischen Bischöfe sehen mit Sorge eine bedrohliche Verschlechterung ... Es gibt Ängste, die auf Vorurteilen und mangelnder Information beruhen." Es wachsen "Hass und Intoleranz". "Der christliche Glaube ist mit der Form von Antisemitismus, Rassendenken oder Fremdenhass unvereinbar."

Im "Weisen"-Bericht steht weiters: "Eines der problematischsten Kennzeichen führender Mitglieder der FPÖ sind Versuche, politische Gegner zum Schweigen zu bringen oder sie sogar zu kriminalisieren, wenn sie die österreichische Regierung kritisieren. Das häufige Anstrengen von Beleidigungsprozessen gegen Personen ..." – Und so weiter, und so fort.

Ein weiterer Punkt lautet: "Es scheint tatsächlich zu einem typischen Kennzeichen in der österreichischen Politik geworden zu sein, daß Vertreter der FPÖ äußerst mißverständliche Formulierungen verwenden. Hohe Parteifunktionäre der FPÖ haben über eine lange Zeit hinweg Stellungnahmen abgegeben, die als fremdenfeindlich oder sogar als rassistisch verstanden werden können." Von "nationalistischen Untertönen" ist hier die Rede. Und weiter heißt es: "Offenbar hat die FPÖ keine Maßnahmen gegen Mitglieder ergriffen, die öffentlich fremdenfeindliche Stellungnahmen abgegeben haben ..." Und so weiter, und so fort.

Ich denke, es ist wirklich angebracht, dass wir hier diesen "Weisen"-Bericht ernst nehmen. Eine Schlussfolgerung daraus wäre tatsächlich, dass wir jährlich einen Menschenrechtsbericht


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bekommen, in dem alle Ministerien ihren Zugang zu diesem Thema darlegen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

In Richtung der Kollegin Partik-Pablé möchte ich auch etwas sagen. Sie hat ja hier heraußen genau das gemacht, was die Freiheitliche Partei immer wieder tut und was sie vor allem auch im Menschenrechtsausschuss immer wieder getan hat: Sie hat die Opferrolle und die Täterrolle vertauscht. Im Menschenrechtsausschuss haben die Freiheitlichen immer wieder zu sagen versucht: Die einzigen Menschenrechte, die hier in Österreich jemals verletzt wurden, sind ihre eigenen.

Das ist absurd, und dagegen müssen wir ankämpfen! Wir müssen für die Wahrheit in diesem Land kämpfen, für die tatsächliche Sicherung der Menschenrechte. Dafür sitzen wir ja hier im Parlament, und dafür hat auch die Regierung eine Präambel unterschrieben. Ich denke, wir sind hier tatsächlich aufgerufen, alle Vorgänge in Österreich ganz kritisch zu hinterfragen, und das werden wir Sozialdemokraten auch tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Erinnern wir uns: Warum ist der Menschenrechtsausschuss überhaupt eingerichtet worden? – Er ist eingerichtet worden, weil es eben in den letzten Jahren eine Zunahme von Menschenrechtsverletzungen gegeben hat. Denken wir nur an die Berichte von Amnesty International, die immer wieder darauf hinweisen, dass es Übergriffe – vor allem auch im Polizeigewahrsam – insbesondere auf Schwarzafrikaner hier in Österreich gibt!

Ich zitiere aus einem Schreiben einer panafrikanischen Organisation, die diesen offenen Brief an den Herrn Bundespräsidenten geschrieben hat und äußerst besorgt über die Situation beziehungsweise die Verschlechterung der Situation von Afrikanern hier in Österreich ist. Sie schreibt: Es muss hier erwähnt werden, dass binnen eines Jahres drei Afrikaner – egal, wie auch immer der Tod begründet wird – im Gewahrsam der staatlichen Institutionen gestorben sind. – Es geht dabei, um es Ihnen in Erinnerung zu rufen, um den Tod von Ahmed, Marcus Omofuma und Richard Ibekwe.

Es beruhigt mich überhaupt nicht, wenn jetzt FPÖ und auch ÖVP hergehen sagen: Die Menschenrechtssituation ist in vielen anderen Ländern noch schlimmer, und im Osten Deutschlands sind mehr Menschen auf Grund rassistischer Übergriffe zu Tode gekommen. – Das ist für mich keine Beruhigung! Wir haben den Auftrag, darauf zu schauen, ob die Menschenrechte in Österreich eingehalten werden, und wir sind dafür verantwortlich, dass sie auch eingehalten werden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ein Wort noch zur Polizei: Wie kommen Tausende von Polizisten dazu, dass die Polizei ständig in ein schlechtes Licht gerückt wird, wenn solche Vorfälle vorkommen? – Ich weiß, dass die Mehrzahl der Polizisten sich ihres sehr verantwortungsvollen Berufes bewusst ist und diesen auch sehr verantwortungsvoll ausübt. Ich denke, es gehört endlich einmal innerhalb der Polizei durchgegriffen und die Situation tatsächlich verbessert. (Abg. Rosemarie Bauer: Haben Sie das in den letzten zehn Jahren auch gesagt?)

Ich möchte auch noch die aktuelle Flüchtlingssituation ansprechen. Ich finde es äußerst beschämend – ich wiederhole: äußerst beschämend! –, hart und herzlos, wie der Landeshauptmann von Kärnten, Haider, mit den Flüchtlingen umgeht, indem er sie innerhalb von Österreich einfach in das Flüchtlingslager Traiskirchen abschiebt. Wir wissen alle aus "NEWS", wie die Situation in Traiskirchen ist, dass das Lager total überfüllt ist und dass es mit der Menschenrechtssituation dort tatsächlich nicht zum Besten steht.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass Frau Kollegin Stoisits in der letzten Ausschusssitzung zugestimmt hat, dass wir von Seiten des Menschenrechtsausschusses dieses Flüchtlingslager besuchen werden, damit wir uns selbst ein Bild von der Situation dort machen können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch auf einen Punkt eingehen, den ich in diesem Zusammenhang für sehr wichtig halte. Heute ist mehrfach die Spitzelaffäre angesprochen worden. Ich denke, es ist kein Zufall, dass es vor allem Vertreter und Vertreterinnen von Menschenrechtsorganisationen waren, die – von der Freiheitlichen Partei in Auftrag gegeben –


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bespitzelt wurden. Es war André Heller, der in Österreich das "Lichtermeer" organisiert hat. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni. ) Es ist die Caritas, die immer wieder auf Menschenrechtsverletzungen hinweist, die sich um Asylwerber kümmert, die tatsächlich versucht, die menschliche Situation zu verbessern, und in diesem Sinne dem Staat sehr hilfreich zur Seite steht.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Organisationen, welche die Menschenrechtssituation wirklich ernst nehmen und sich für die Menschen in diesem Land einsetzen, sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist auch kein Zufall, dass Frau Knoll, Bischöfin der evangelischen Kirche, bespitzelt wurde, die auch immer ein offenes Wort gefunden hat, wenn es um Menschenrechtsverletzungen in Österreich ging. Auch sie wurde von der Freiheitlichen Partei massiv bedroht, und auch sie und ihre Familie wurden offensichtlich bespitzelt.

Jetzt frage ich Sie von der Regierung, von den Regierungsparteien: Warum scheuen Sie sich, warum wollen Sie keinen Untersuchungsausschuss zu dieser Affäre? Ein Untersuchungsausschuss wäre dringend nötig und brächte einiges Licht in diese Angelegenheit.

Ich möchte im Zusammenhang mit der Caritas ein Zitat bringen. Darin heißt es: Als der Wiener FPÖ-Obmann Hilmar Kabas 1998 von der Caritas wegen übler Nachrede verklagt wurde, weil er erklärt hatte, die Heime der Hilfsorganisation seien Keimstätten des illegalen Drogenhandels, sprangen ihm FPÖ-nahe Polizisten bei. Sie durchkämmten Archive und Computer nach belastenden Informationen über die Caritas. – Ende des Zitats.

Ich denke, das sind genau die Beweise (Abg. Böhacker: Wo ist denn da ein Beweis?), die notwendig sind, um die Situation tatsächlich aufzuklären.

Mein Nachredner, Herr Abgeordneter Mainoni, hat das letzte Mal auch die Caritas ganz massiv angegriffen. Ich denke, das ist kein Zufall: Sie versuchen, Menschen und Organisationen, die hier in Österreich eine kritische Öffentlichkeit bilden, die sich für Asylwerber, für Ausländer, die in Österreich leben, aber auch für Obdachlose, für die Ärmsten in diesem Land einsetzen, einzuschüchtern. Sie haben immer mit allen Mitteln versucht, diese Menschen mundtot zu machen.

Ich denke, es ist im Interesse der Zukunft der österreichischen Demokratie, dass es zu einer wirklich lückenlosen Aufklärung in diesem Bereich kommt. Auf jeden Fall aber brauchen wir – deswegen möchte ich noch einmal auf unseren Antrag hinweisen – jährlich einen Bericht aus allen Ministerien über die Situation der Menschenrechte. Es wurde ja schon mehrmals angesprochen: Es gibt auch in Bezug auf Frauendiskriminierung und andere Bereiche noch Probleme in Österreich. Ich ersuche Sie, diesen Antrag zu unterstützen, sodass es tatsächlich zu einer Berichterstattung kommt. Aus dieser Berichterstattung sollen dann selbstverständlich auch Schlüsse gezogen werden, sodass die Situation dieser Menschen in Österreich tatsächlich verbessert wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mainoni. – Bitte.

12.15

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Der auf der Tagesordnung stehende Bericht des Ausschusses für Menschenrechte gibt mir Gelegenheit, Ihnen über die Tätigkeit dieses Ausschusses zu berichten.

Durch die Vorsitzführung der Frau Abgeordneten Stoisits gerät dieser Ausschuss zu einem wirren Sammelsurium von Beiträgen und Wortmeldungen zu unterschiedlichsten Themen. Der Genozid der Armenier, die Menschenrechtsverletzungen in Aserbeidschan werden in denselben Topf geworfen wie die Aufforderung, den § 209 des österreichischen Strafgesetzbuches endlich


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aufzuheben, und die Gleichberechtigung der Frauen wird in einem Atemzug mit dem "Weisen"-Bericht erwähnt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angereichert wird das Ganze noch – das nur zu Ihrer Information – durch ständige Wortmeldungen und Spontanstellungnahmen der Vorsitzenden selbst, die entweder langatmig oder emotional sind. – Frau Stoisits, der Gipfel Ihrer chaotischen Vorsitzführung war aber wohl Ihre folgende Aussage. Nachdem die Regierungsparteien in der letzten Sitzung des Menschenrechtsausschusses einen Antrag eingebracht hatten, haben Sie als Vorsitzende diesen mit den folgenden Worten beurteilt: So einen hanebüchenen Unsinn habe ich noch nie erlebt! – Das sagte die Vorsitzende eines Ausschusses über einen Antrag, der von den Regierungsparteien eingebracht wurde. (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Mag. Lunacek. )

Sehr geehrte Frau Stoisits! Durch Sie, die Sie sich sehr um diesen Vorsitz gerissen haben, wie ich erfahren habe, wird dieser Menschenrechtsausschuss zu einem emotional geladenen, aber an und für sich bedeutungslosen und ineffizienten Debattierklub. Das muss schon einmal festgehalten werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zum Bericht der "drei Weisen", der letztens auch Gegenstand der Ausschusssitzung war. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist der Nachweis für die Vernaderungskampagne der Sozialdemokraten gelungen. Ich bringe den Beweis dafür.

Bei der Erstellung des "Weisen"-Berichtes wurden laut Bericht der "drei Weisen" am Anfang selbstverständlich sozialdemokratische Mitglieder des Parlaments befragt – Herr Präsident Fischer war am 29. Juli 2000 um 10 Uhr bei den "drei Weisen", Herr Fritz Verzetnitsch war dort, und auch Herr Alfred Gusenbauer und Frau Cornelia Zoppoth waren dort –, damit sich die "drei Weisen" ein Bild über die Aussagen der Sozialdemokraten machen konnten. Aber damit nicht genug.

Anlässlich der so genannten Pilgerfahrt – man erinnere sich, die so genannten NGOs, die Non Governmental Organizations, haben sich noch einmal hineinreklamiert, um auch ihren Bericht über die Situation in Österreich abzugeben – schmuggelte sich unter diese NGOs doch glatt auch ein Sozialdemokrat, und zwar: Ein gewisser Herr Eugene Sensenig hat am 29. August in Heidelberg um 8 Uhr in der Früh unter dem Deckmantel der NGO GenderLink vorgesprochen. Dieser Mann ist in Wirklichkeit ein SPÖ-Aktivist und SPÖ-Mitarbeiter.

Der Beweis liegt darin – weil immer von Spitzelaffären und so weiter die Rede ist, sage ich Ihnen den Beweis; meine Information kommt von dort –: Sie brauchen nur die Homepage der SPÖ Salzburg anzuklicken, dort heißt es: "Rote Links": ein digitales Bilderbuch zur bewegten Sozial- und Demokratiegeschichte Salzburgs. Gestalter: Eugene Sensenig. – Dieser "feine" Herr ist abgesehen davon noch Mitarbeiter in der Karl-Steinocher-Stiftung; das ist ein Forschungsverein der SPÖ.

Meine Damen und Herren! Das ist der Beweis dafür, dass die Sozialdemokraten (Zwischenrufe bei der SPÖ) nicht nur den offiziellen Weg gesucht haben, sondern auch unter dem Deckmantel der NGOs noch einmal versucht haben, uns in Österreich zu vernadern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zu Herrn Dr. Peter Pilz – Herr Kostelka ist ja nicht im Saal. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. ) Wenn Sie die so genannte Polizeispitzelaffäre unter dem Begriff "Menschenrechtsverletzungen" subsumieren, dann frage ich Sie: Was ist denn dann Menschenjagd, Menschenjagd, die Sie wider besseres Wissen hier veranstalten? – Auch dafür lege ich Beweise vor. (Abg. Öllinger: Bitte!)

Es ist eine echte Verletzung der Menschenrechte, wenn Sie Menschenjagd betreiben. Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus Salzburg: Viele Jahre hindurch arbeitete in Salzburg ein Polizeibeamter, ein damals braver Polizeibeamter (Zwischenruf des Abg. Öllinger ), erfolgreich und mit rotem Parteibuch – ganz einfach: mit rotem Parteibuch –: 155 Belobigungen, 17 Geldbelohnungen, 1 727 Aufgriffe und Fahndungserfolge. Meine Damen und Herren! Österreichweit wirklich ein


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Erfolg. 1990 bekam dieser Polizist vom Bundespräsidenten sogar die Goldene Medaille für Verdienste um die Republik Österreich. – Sozialdemokratisches Parteimitglied.

Dieser Mann gelangte – nur, weil er sich von Ihrer Partei angewidert abwandte und Mitglied der FPÖ wurde – ins Kreuzfeuer Ihrer Kritik. Was war der Vorwurf? – Durch einseitige Untersuchungen der ermittelnden Beamten war er rasch als Verdächtiger in einem Spitzelskandal ausgemacht. Der Vorwurf war, er hätte sich Daten beschafft und diese unerlaubt weitergegeben.

Meine Damen und Herren! Der Polizist wurde verhaftet. Anlässlich einer bei ihm durchgeführten Hausdurchsuchung erlitt sein 77-jähriger Vater, der selbst Polizist war und in Pension war, einen Herzinfarkt. (Abg. Öllinger: Sagen Sie, was bei der Hausdurchsuchung gefunden wurde!) Und dann kam die Gerichtsverhandlung. (Abg. Öllinger: Sagen Sie, was gefunden wurde bei der Hausdurchsuchung!) – Da ist nichts gefunden worden!

Bei der Gerichtsverhandlung – ich zitiere gerne das Urteil, meine sehr geehrten Damen und Herren – wurde er von allen Vorwürfen freigesprochen! Er wurde von allen Vorwürfen freigesprochen, nämlich zum Beispiel, ohne dienstlichen Anlass aus dem Fremden-Informationssystem des EKIS eine Abfrage getätigt und diese widerrechtlich weitergegeben zu haben, wodurch er das Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses begangen hätte. Auch in der zweiten Instanz wurde er freigesprochen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Richter hat dann bei der Entscheidungsbegründung noch folgende Aussage getätigt – die sollte auch Ihnen zu denken geben –: Zunächst ist festzustellen, dass das Gericht den Eindruck hat, dass die vorliegenden Erhebungen und Anzeigen gegen den Beamten äußerst einseitig und tendenziös gegen diesen gerichtet sind und man zunächst überhaupt nicht versuchte, andere Alternativen beziehungsweise andere Täter oder Mittäter auszuforschen.

Ja, hiemit ist ja der Beweis geliefert: Man hat einen Täter gebraucht, und weil ein ehemaliger Roter sich angewidert abgewandt hatte, hat man sofort einen Skandal daraus gemacht und somit eine echte Menschenjagd betrieben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Was wurde bei der Hausdurchsuchung gefunden? – Zwischenruf der Abg. Achatz. )

Für die Grünen noch etwas zum Verständnis: Dieser Richter ist wahrlich unverdächtig in diesem Fall, denn dieser Richter war Gründungsmitglied der Grünen in Salzburg und Grün-Gemeinderat in Salzburg. Dieser Richter war gemeinsam mit Herbert Fux, der heute noch Ihr Ehrenvorsitzender hier im Parlament ist – oder irre ich mich? –, Gründungsmitglied. Also tatsächlich ein sehr unverfänglicher Richter. (Abg. Öllinger: Sagen Sie, was bei der Hausdurchsuchung gefunden wurde!)

Das ist der Beweis dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass hier Menschenjagd betrieben wird.

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, komme ich noch zu der Aussage, zu der sich gestern Herr Jarolim verstieg, als er meinte, es handle sich bei diesem Spitzelskandal um den größten Skandal der Zweiten Republik. – Aber: Der "größte Skandal der Zweiten Republik" ist in Wahrheit ein Sammelsurium von Anschuldigungen, von Unterstellungen, Behauptungen und Skandalisierungen, obwohl überhaupt nichts vorliegt.

Aber Ihre Partei, sehr geehrte Sozialdemokraten, sollte ein bisschen aufpassen, denn die Grundlage der Ermittlungen der Sonderkommission, die derzeit tätig ist und der wir voll vertrauen, ist das Buch des Herrn Kleindienst mit dem Titel "Ich gestehe". Und dieser Mann widmet einen Artikel auch einer ganz pikanten Affäre, er heißt: "Abhörskandal im Parlament" – ich wiederhole: "Abhörskandal im Parlament"!

Es hat aber nicht Herr Kleindienst allein dieses Thema aufgegriffen, sondern es hat auch noch eine ganz andere Person – eine Persönlichkeit – dieses Thema in einem Buch drei Wochen vorher aufgegriffen, nämlich niemand Geringerer als der Generaldirektor für die öffentliche


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Sicherheit a. D. Sika. Er hat in seinem Buch einen eigenen Abschnitt mit dem Titel "Lauschangriff im Parlament".

Wissen Sie, um wen es dabei geht? – Um Ihren ehemaligen Bundesgeschäftsführer, Herrn Abgeordneten Marizzi, der angeblich in diesem Hause – wie in den Büchern steht – total "verwanzt" Spitzelaktionen durchgeführt hat. Sie erdreisten sich, von Spitzelaktionen zu sprechen, wiewohl das völlig diffuse Behauptungen sind, obwohl Sie in Ihren eigenen Reihen einen Abgeordneten gehabt haben, der noch dazu Ihr Geschäftsführer war, der seine Spitzeltätigkeit in einem der wichtigsten Gebäude, nämlich hier im Parlament, durchgeführt hat! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Große Fälle dauern immer etwas länger – wir kennen das aus dem "Lucona"-Skandal. Da war es auch ein Journalist und Buch-Autor, der das Ganze ins Rollen brachte. Auch der Fall "Noricum" wurde von Journalisten aufgegriffen und geriet zum Skandal. Und auch diese Marizzi-Spitzel-Abhör-Affäre wird noch Folgen haben – ich hoffe, dass hier Licht ins Dunkel kommt.

Der Herr Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit hat noch nie etwas Unbedachtes gesagt und getan. Er hat diese Aussage in seinem Buch sehr bewusst getroffen: Er wünscht sich nämlich, dass dieser Fall aufgegriffen wird und dass im Zusammenhang mit der Spitzel- und Abhöraffäre der Sozialdemokraten Licht ins Dunkel kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dies ist tatsächlich nur einer der vielen Skandale, in die Sie verwickelt sind, während Sie uns Sachen unterstellen, die Sie durch nichts beweisen können! (Abg. Achatz: Wer war damals Innenminister? – Rot! Rot! Rot!)

Zum Schluss kommend, sehr geehrte Damen und Herren: Sehr geehrte Frau Stoisits, geben Sie den Vorsitz im Menschenrechtsausschuss ab! Sie würden damit dem Ausschuss einen sehr guten Dienst erweisen.

Zweitens: Menschenjagd ist auch eine Menschenrechtsverletzung – dies an die Adresse der Herren Pilz, Kostelka und Konsorten.

Und drittens: Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, Ihre Unterstellungen, Ihre Skandalisierungen und Ihre falschen Behauptungen werden nur ein Ergebnis haben: dass Sie selbst ins Kreuzfeuer der Ermittlungen kommen. Das ist aber gut so, denn Fälle dafür gibt es genug! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger. )

12.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lunacek. – Bitte.

12.26

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Um gleich auf die Ausführungen meines Vorredners Mainoni einzugehen: Herr Mainoni, Sie haben die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses Terezija Stoisits aufgefordert, ihren Vorsitz abzugeben, und haben ihr vorgeworfen, dass sie eine chaotische Vorsitzführung ausübt. (Abg. Jung: Ist das schon eine Majestätsbeleidigung?)

Herr Mainoni! Sie, Ihre Fraktion, und auch die ÖVP führen in diesem Ausschuss Chaos herbei, indem kaum ein Thema diskutiert werden kann, weil Sie die Themen ständig vertagen wollen, weil Sie gewisse Dinge nicht beschließen wollen – auch solche nicht, die wirklich niemandem wehtun, wie zum Beispiel ein Beschluss darüber, dass auch das österreichische Parlament anerkennt, dass es vor fast 90 Jahren einen Genozid an den Armeniern gegeben hat. Sie sind nicht einmal bereit, das zu tun, weil Sie befürchten, damit der Außenministerin, die das nicht haben möchte, für die Verhandlungen mit der Türkei innerhalb der EU etwas in den Weg zu legen. Nicht einmal zu solchen Dingen sind Sie bereit!


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Wie soll man denn einen Vorsitz gut führen, wenn Ihre Parteien zu nichts bereit sind, wenn Sie nur dazu da sind, in diesem Ausschuss zu blockieren, zu vertagen? Uns und der Frau Vorsitzenden werfen Sie dann vor, chaotisch zu agieren. Das ist hanebüchen und gleichzeitig Unsinn! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es liegt anscheinend nicht in Ihrem Interesse, dass im Ausschuss oder hier im Hohen Haus tatsächlich über Menschenrechte in Österreich diskutiert wird, sonst hätten Sie nicht den Antrag des Kollegen Posch abgelehnt und eine eigene Entschließung eingebracht, mit der die Bundesregierung ersucht wird, dem Nationalrat einen Bericht über die Situation von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern in den EU-Mitgliedstaaten vorzulegen. – Zuerst waren die Beitrittsländer auch noch dabei. – Ist das die Aufgabe des österreichischen Parlaments? Ist das die Aufgabe der österreichischen Bundesregierung?

In diesem Hause muss es auch und vorrangig um die Situation der Menschenrechte in Österreich gehen. Und wenn Sie, Herr Kollege Mainoni, meinen, da gehöre der Genozid an den Armeniern nicht dazu, da gehöre § 209 StGB nicht dazu, auch die Gleichberechtigung der Frauen und diverse andere Dinge nicht, dann ist Ihr Menschenrechtsverständnis ein sehr eingeschränktes. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Dann haben wir tatsächlich massiven Diskussionsbedarf darüber, was Ihre Fraktion, was die ÖVP und was wir – die Oppositionsparteien – unter Menschenrechten in diesem Land verstehen. Sie denken dabei anscheinend nur an die autochthonen Minderheiten – wichtig, notwendig –, aber Menschenrechte sind sehr viel weiter gehend. Vielleicht lesen Sie einmal in der Menschenrechtskonvention nach.

Herr Mainoni, Sie haben auch gesagt, dass dieser Ausschuss ein ineffizienter Debattierklub ist. – Nun, das fällt wieder auf Sie zurück, denn die Ineffizienz, keine Anträge beschließen zu wollen und nicht debattieren zu wollen über das, was Menschenrechte in Österreich bedeuten, rufen Ihre Fraktionen hervor. Die Frau Vorsitzende versucht, sozusagen zu Beschlüssen zu kommen, aber das gelingt leider nicht, weil es immer heißt: Vertagung, Vertagung, Vertagung, Vertagung – das können wir ewig so spielen. – So kann ein Menschenrechtsausschuss wirklich nicht funktionieren!

Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Ellmauer. Er hat gemeint, dass der "Weisen"-Bericht festgestellt habe, dass Österreich, was Menschenrechte betrifft, eine Vorbildfunktion habe, eine Vorbildfunktion auch gegenüber den anderen Ländern in der EU. Und Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat gemeint, wir hätten den "Weisen"-Bericht nicht gelesen.

Dazu Folgendes: Es ist leider so, dass sehr wohl der Eindruck entsteht, dass die beiden Regierungsfraktionen immer nur den ersten Teil des "Weisen"-Berichts heranziehen, jenen Teil, in dem steht, dass sich die Regierung im Bereich der Menschenrechte bisher nicht wirklich etwas zu Schulden kommen hat lassen. Dass sie nicht wirklich viel getan hat, steht nicht direkt drinnen, das wäre unsere Meinung. Aber es steht zumindest drinnen: Es war nicht so schlimm wie befürchtet.

Über den zweiten Teil – und daraus schließe ich auf eine sehr differenzierte Lesart des "Weisen"-Berichtes durch die Regierungsfraktionen –, über den zweiten Teil, in dem die Freiheitliche Partei massivst kritisiert wird und Dinge, die wir schon seit Jahren sagen, bestätigt werden, lesen Sie anscheinend hinweg. Das kommt bei Ihnen gar nicht vor. (Abg. Dr. Grollitsch: Zum Beispiel?! – Zitieren Sie!)

Zum Beispiel, da Sie mich darauf anreden: Herr Haigermoser hat zuerst in einem Zwischenruf gesagt, es stimme nicht, dass das "einfache Parteimitglied", der Herr Landeshauptmann von Kärnten, unter Beisein des Justizministers gesagt habe, dass Oppositionspolitiker strafrechtlich verfolgt werden sollen. Haigermoser hat zwischengerufen, das sei falsch.

Lesen Sie den "Weisen"-Bericht, Punkt 94! (Abg. Dr. Grollitsch: Zitieren Sie!) Dort steht das schriftlich. Vielleicht sollten Sie sich das noch einmal genauer vornehmen. Es steht drinnen, dass in einer Pressekonferenz des Landeshauptmannes von Kärnten in Anwesenheit des Bun


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desministers der Justiz die Möglichkeit erwähnt wurde, eine Vorschrift des Strafgesetzbuches auf Abgeordnete anzuwenden, die die Regierung kritisieren. – Sagen Sie jetzt, der "Weisen"-Bericht ist auch falsch? Halten Sie das aufrecht?

Das zum Beispiel steht drinnen, aber das wollen Sie einfach nicht wahrhaben. Sie wollen auch nicht wahrhaben, dass im "Weisen"-Bericht auch auf die Sprache, die die Freiheitliche Partei verwendet hat und noch immer verwendet, eingegangen wird.

Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat vorhin gesagt, die Menschen in unserem Land hätten Angst vor dem Verlust des Jobs und Angst, keine Wohnung zu finden. – Das stimmt, aber die Menschen in diesem Land haben und bekommen auch Angst, wenn sie die Sprache der Freiheitlichen Partei, wie sie zum Beispiel im letzten Wahlkampf in Wien verwendet wurde, immer wieder hören. Deswegen hat das auch etwas mit Herrn Kabas zu tun. Es hat sehr wohl mit ihm zu tun, denn im "Weisen"-Bericht steht auch: Die Einschätzung der FPÖ als "rechtspopulistische Partei mit extremistischer Ausdrucksweise" stimmt weiter. – Das ist nicht etwas aus der Vergangenheit, denn es heißt hier: stimmt weiter.

Diese Sprache also macht den Menschen Angst. Und aus diesem Grund wäre es auch notwendig, jedes Jahr einen Bericht über die Lage der Menschenrechte in Österreich vorzulegen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) – Der "Weisen"-Bericht ist keine Reinwaschung.

Einen Bericht über die Lage der Menschenrechte gibt es auch in anderen Ländern, und es würde den beiden Regierungsfraktionen gut anstehen, wenn sie dafür wären, dass in Österreich jedes Jahr ein entsprechender Bericht vorgelegt wird.

Ich habe im Ausschuss schon gesagt, dass Sie das auch als Chance sehen könnten, denn Sie könnten ja all die Dinge, die Sie sich jetzt auf die Fahnen schreiben, in diesen Bericht hineinschreiben lassen. Wäre das nicht toll gegenüber der EU? – Aber nicht einmal dazu sind Sie bereit. Nicht einmal für Ihr eigenes Marketing würden Sie so etwas machen. (Abg. Haigermoser: Wir müssen sparen!) Das hat mit Sparen nichts zu tun. (Abg. Haigermoser: Papier sparen!) Bei Menschenrechten zu sparen ist wohl wirklich der falsche Ansatz! (Beifall bei den Grünen.)

Es heißt ja immer, was denn die Regierung nicht schon alles getan hat. Zum Beispiel, das hat auch Kollege Ellmauer erwähnt: die Staatszielbestimmung. – Ich als Grüne denke mir: Schon 1996 haben wir diesen Vorschlag eingebracht. Damals gab es von Seiten der damaligen und jetzigen Regierungsfraktion ÖVP keine Zustimmung dafür. Es ist schon interessant, dass wir auf einmal, nachdem die EU-14 ihre Maßnahmen gesetzt hatten, die Staatszielbestimmung bekommen. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber jetzt auf einmal sind Sie die "Großen", die die Staatszielbestimmung verhandelt haben! – Na wunderbar!

Um auf ein Detail einzugehen: Interessant finde ich auch, dass in der Staatszielbestimmung das Bekenntnis zur historisch gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt in Österreich steht, was auch wir so drinhaben wollten, dass aber auf Wunsch der Regierungsfraktionen der Zusatz dazukam: "... sprachliche und kulturelle Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt".

Sie meinen damit anscheinend, dass diese sprachliche und kulturelle Vielfalt nur in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommen soll. Was ist denn mit den Zugewanderten? Was ist denn mit den Menschen, die in den letzten 10, 20, 30 Jahren zugewandert sind? Gehören die nicht auch zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt in diesem Land? (Beifall bei den Grünen.) Die gehören Ihrer Meinung nach anscheinend nicht dazu!

Das ist eine Ansicht von Menschenrechten und von sprachlicher und kultureller Vielfalt, die wir so nicht teilen können. Diese muss sich auf alle Minderheiten in diesem Land beziehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Besonders interessant war dann noch die zusätzliche Anmerkung des Herrn Kollegen Ellmauer, dass diese Staatszielbestimmung wohl auch ein Beitrag gegen die Fremdenfeindlichkeit ist. – Herr Kollege Ellmauer! Seit wann sind denn die österreichischen Slowenen und die öster


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reichischen Kroaten "Fremde" in unserem Lande? Ist das Ihre Meinung? Sind das wirklich "Fremde"? – Wenn Sie dieser Meinung sind, dann haben wir erst recht jedes Jahr einen Menschenrechtsbericht notwendig! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl. )

Noch ein Punkt, bei dem die fragwürdige Haltung der Regierungsfraktionen zu den Menschenrechten in diesem Land zum Ausdruck gekommen ist: In der letzten Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses ging es um das Amtssitzabkommen – etwas ganz Formales, etwas, was Österreich schon mit vielen internationalen Organisationen abgeschlossen hat und wo es nie Probleme gab, das zu beschließen, denn wir wollen ja internationale Organisationen in unserem Land haben, oder?

Es gab den Antrag, das Amtssitzabkommen mit der Europäischen Beobachtungsstelle gegen Rassismus zu bestätigen. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Und wissen Sie – jene, die nicht im Ausschuss waren –, was geschehen ist? – Es gab von den Regierungsfraktionen den Antrag, die Abstimmung darüber zu vertagen. Von der ÖVP hieß es, man müsse zuerst in einen Dialog mit Frau Winkler eintreten, denn da habe es Vorfälle gegeben. Von den Freiheitlichen war es dann etwas klarer zu hören, nämlich: man müsse hinterfragen, wie die Leiterin dieser Stelle agiere und ob sie nicht vielleicht etwas zu weit gegangen sei mit der Kritik an dem Druck, der vom Justizminister ausgeübt wurde. Deswegen müsse man mit ihr sprechen, bevor das Amtssitzabkommen beschlossen wird.

Meine Damen und Herren! Wenn wir diese Vorgangsweise weiterführen, dann sollten wir vielleicht auch einmal hinterfragen, ob wir die OPEC im Land haben wollen, wenn jetzt die Ölpreise so hoch sind; die OPEC, die wie alle internationalen Organisationen noch dazu von der Kraftfahrzeugsteuer und Ähnlichem befreit ist. Vielleicht sollten Sie einen Antrag stellen. Es wäre doch auch für Ihre Wählerinnen und Wähler sehr relevant, dass wir die OPEC nicht mehr haben wollen (Zwischenruf des Abg. Ing. Weinmeier ), dass wir das Amtssitzabkommen mit der OPEC lösen.

Oder vielleicht ist die UNO auch zu teuer. Diese Internationalität brauchen wir eigentlich nicht. Da bleiben wir lieber zu Hause, dort, wo uns alle mögen – oder auch nicht. Im Ausland mögen sie uns nicht mehr, also schaffen wir vielleicht den Amtssitz der UNO in diesem Land ab, weil uns das, was die sagen, auch nicht immer passt.

Ist das eine Vorgangsweise gegenüber einer internationalen Organisation, die wir in Österreich angesiedelt haben wollen und die schon seit Jahren in Österreich ist? – Diese Vorgangsweise, meine Damen und Herren, spricht für eine Haltung, die ich und meine Fraktion auf keinen Fall gutheißen können! (Beifall bei den Grünen.)

Das heißt nämlich, dass Sie die Unabhängigkeit solcher Organisationen in Frage stellen und dass Sie auch so etwas wie ein Junktim stellen: Sie wollen, dass diese Stelle in Ihrem Sinn, im Sinne der Regierungsfraktionen, geleitet wird. Und wenn sie einmal etwas anderes sagt, dann, so meinen Sie, führen wir halt das Amtssitzabkommen nicht durch. – Diese Vorgangsweise ist menschenrechtsfeindlich, meine Damen und Herren, und wir können sie nicht akzeptieren!

Ein weiterer Punkt, der schon zweimal angesprochen wurde, erstens von Herrn Mainoni, und auch der Herr Ellmauer hat gefragt: Was hat denn der § 209 StGB im Menschenrechtsausschuss verloren? Kollege Ellmauer hat weiters festgestellt: Jetzt gibt es ohnehin schon einen Unterausschuss des Verfassungsausschusses. Herr Kollege, darf ich Sie aufklären: Es ist nicht der Verfassungsausschuss, sondern der Justizausschuss, in dem das Strafrecht verhandelt wird, und dort gibt es einen Unterausschuss.

Aber dennoch muss ich fragen – und diese Frage haben ich und viele andere bereits des Öfteren hier gestellt –: Wieso braucht man wieder einen Unterausschuss, um zu klären, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen, und nicht Unzucht, wie es noch immer im Strafrechtsbuch steht, zwischen Männern über 19 Jahren und jungen Männern zwischen 14 und 18 Jahren im Strafrechtsbuch aber schon gar nichts verloren haben? – Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat Österreich deswegen schon verurteilt, das Europaparlament hat schon fünf Mal ge


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sagt, Österreich möge diesen Paragraphen aufheben. Es gab im österreichischen Parlament eine Enquete, die das auch mehrheitlich bestätigt hat und bei der zehn von zwölf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gesagt haben: Das gehört abgeschafft!

Aber die ÖVP – es ist vor allem die ÖVP – braucht wieder einen Unterausschuss, damit wir wieder diskutieren können, und weiterhin werden junge Männer, wie in diesem Sommer zweimal geschehen, wegen dieses Paragraphen verurteilt und vorbestraft. – Das ist Menschenrechtsverletzung (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ), und auch aus diesem Grund möchten wir gerne jedes Jahr einen Menschenrechtsbericht vorgelegt bekommen.

Abschließend noch zu der besonders aktuellen Frage der Spitzelaffäre. Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat gemeint, wir, die Opposition, wollen jetzt auf einmal die FPÖ da hineinziehen – das ist schon eine eigenartige Darstellung! –, und schuld sei angeblich, dass in den letzten Jahren rote Innenminister nichts dazu getan hätten, dass sichergestellt wird, dass keine Daten weitergegeben werden können.

Von unserer Seite hat es schon immer Kritik am damals noch roten Innenministerium gegeben. Aber zu sagen, die damaligen Innenminister seien schuld, dass den Freiheitlichen nahe stehende Polizisten oder Personen des Innenministeriums Daten illegal abgefragt und den Freiheitlichen weitergegeben hätten, daran sei die SPÖ oder das früher rote Innenministerium schuld, das ist schon sehr eigenartig. Egal, wer dieses Innenministerium leitet, solche Übergriffe sind nicht dadurch zu rechtfertigen, dass es da vielleicht irgendwo Lücken gibt. Das ist keine Rechtfertigung dafür, und das kann es auch nicht sein. Und dass Sie bisher Untersuchungsausschüssen hierzu nicht zugestimmt haben, beweist wieder einmal, dass Sie und vor allem die Freiheitlichen, die vorher immer darauf beharrt haben, dass solche Dinge untersucht werden müssen, dass man endlich Ordnung machen muss, wie ihre Diktion immer lautet, jetzt auf einmal, da sie selber betroffen sind, massiv betroffen sind, damit überhaupt nichts mehr zu tun haben wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Vielleicht – aber der Herr Bundeskanzler, der für den Menschenrechtsausschuss zuständig ist, ist leider nicht mehr da – gibt es – aber ich weiß, dass meine Hoffnungen wahrscheinlich unbegründet sind – doch einmal die Möglichkeit, einmal im Jahr einen solchen Menschenrechtsbericht vorgelegt zu bekommen, um tatsächlich zu sehen, was diese Regierung nicht nur in diesem Jahr tut, in dem sie sich vom "Weisen"-Bericht anscheinend reingewaschen sieht, sondern was sie in den nächsten Jahren, Jahr für Jahr, tun wird. Das muss öffentlich werden, und dafür werden wir sorgen. (Beifall bei den Grünen.)

12.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

12.44

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte eingangs eine Richtigstellung vornehmen. Es ist hier der Eindruck entstanden, der Menschenrechtsausschuss würde einerseits zu viel debattieren – was einem Parlament ja eigentlich anstünde –, aber auf der anderen Seite nicht genügend Anträge verabschieden. Irgendwie muss man sich entscheiden. Wenn hier geredet, diskutiert wird und Meinungen ausgetauscht werden, dann muss man das auch als Arbeit zur Kenntnis nehmen. Und die drückt sich nicht darin aus, dass wir eine Vielzahl von Anträgen so oder so verabschieden und/oder in einen jährlich vorzulegenden Bericht münden lassen.

Ich meine auch, dass der Menschenrechtsausschuss einer der – ich bezeichne das jetzt einmal mit einem Schulvokabel – fleißigsten Ausschüsse ist, was die Tagungen und Zusammenkünfte anlangt, und sich auch vom Ergebnis her sehen lassen kann. Es gab Anträge sofort nach Einsetzung des Ausschusses, noch im Spätherbst 1999; da gab es andere Ausschüsse noch nicht in dieser aktiven Form.

Ich meine auch, dass wir durchaus eine Grundlage für die Debatte haben, ob man das Hohe Haus Debattierklub nennt oder Parlament, also ein Haus der sprachlichen, redenden Ausein


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andersetzung, ohne einen neuen österreichischen Jahresbericht einfordern zu müssen. Es gibt zum Beispiel den jährlichen Bericht von amnesty international, der zu etwa elf von 15 EU-Mitgliedstaaten eindeutig Stellung nimmt. Es wird auch offenkundig, dass in der ganzen Welt noch üble Missstände herrschen, die wir als europäisches Land nicht ignorieren können.

Nur ein paar signifikante Zahlen: Es gab 1999 immerhin in 31 Staaten Hinrichtungen. In 63 Ländern warteten Menschen nach Todesurteilen auf ihre staatlich angeordnete Ermordung. In 61 Staaten werden Leute aus Gewissensfragen eingesperrt.

Auch Österreich kommt in diesem Bericht vor. Es gibt einen Handlungsbedarf in der Frage der Schubhaft, bezogen etwa auf das Jahr 1999. Auch hier muss ich sagen: Den Handlungsbedarf, der jetzt festgestellt wird, hat es auch schon vor dem Jahr 1999 gegeben, also man hätte hier schon früher eingreifen können.

Die Österreichische Volkspartei unterstützt die Anregungen und Anliegen, die im Bericht enthalten sind, nämlich klare Handlungsanweisungen, Verhaltensmaßregeln und Richtlinien für die Beamten – sie sollen nämlich in einem großen Interpretationsspielraum im Falle des Falles nicht im Regen stehen gelassen werden – und sorgfältige und rasche Untersuchung. Herr Kollege Posch, das ist ein Bericht, zu dem wir Stellung nehmen können.

Ein weiterer Bericht ist der jährliche Bericht der Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Auch hiezu können wir Stellung nehmen. Einer Presseaussendung ist zu entnehmen, dass Österreich hier, wie es so schön heißt, "nahezu tadellos" dasteht. Auch darüber können wir debattieren.

Ich freue mich auch darüber, dass die Wiener Polizei einen Beobachtungsmechanismus eingerichtet hat, angeführt und initiiert von Herrn Präsidenten Stiedl, der genau feststellt, ob es bei Übergriffen strukturelle Probleme gibt oder ob es sich um individuelle oder persönliche Versagen handelt, um auch dem Globalvorwurf von der Polizei und der Gendarmerie entgegenzuarbeiten, aber einzelne Versagen in keinem Punkt zu tolerieren.

Ein weiterer wesentlicher Punkt – und ich erinnere damit an den Beginn der Arbeit des Menschenrechtsausschusses – ist die Frage, welche Wirkung Medien erzielen, wenn sie über Fehler, über ungerechtfertigtes Verhalten von Menschen gegenüber anderen Menschen berichten und wenn sie über deren Ahndung und Konsequenzen berichten. Aus Medientheorie und Medienpädagogik wissen wir, dass nicht jede Übermittlung von dramatischen Übergriffen auch zu einem Umdenk-, zu einem Besserungsprozess führt, sondern sich auch das, was an Unrecht gezeigt wird, im Kopf abbildet und festsetzt. Der Besserungseffekt ist dabei ähnlich groß wie die in gewisser Weise damit verbundene Tendenz zur "Verharmlosung" und zu einer bestimmten "Normalisierung".

Ich bin sehr froh, dass diese Medienwirkung von Staatssekretär Morak jüngst in der Europäischen Rassismuskonferenz in Straßburg angesprochen worden ist. Er sagte dazu, dass der Einfluss der Medien auf die Meinungsbildung der Gesellschaft, auf die Haltung der Menschen gegenüber anderen ethnischen, nationalen, religiösen und sozialen Gruppen enorm ist, und er beruft sich dabei auf eine einschlägige Analyse. Der Einfluss, den die Medien in der Vergangenheit ausübten, heißt es, sei leider negativ, die destruktiven Auswirkungen seien besonders augenscheinlich. Es ist daher auch zu überprüfen, inwiefern vermeintliche Rassismusbekämpfung nicht eigentlich auch wieder Rassismus und Menschenfeindlichkeit unterstützt.

Ich bin sehr froh darüber, dass Herr Staatssekretär Morak in seiner wichtigen Funktion auch auf die Dimension der Menschenbildung, der Menschenrechtsbildung hingewiesen hat. Ich glaube, es ist wichtig, darauf hinzuweisen, auch wenn sie ein selbstverständliches Ansinnen ist. Er hat die Menschenrechtserziehung im Besonderen angesprochen und hat damit für die Regierung und für den überwiegenden Teil der Österreicher gesprochen. Die Förderung der Minderheiten – also eine bestimmte gesellschaftliche Diversität – ist ein wertvolles Gut für die Gesellschaft und nicht die Gefahr, als die sie gerne und immer wieder hingestellt wird.


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Ich halte es zum Beispiel für ein gutes Medienprojekt, dass die "Wiener Zeitung" mit der African Society zusammenarbeitet und eine Wochenbeilage "Tribüne Africa" macht. Damit wird den Österreichern Wissen über einen Kontinent und über seine Bewohner zur Verfügung gestellt. Damit wird einer Gräuelpropaganda entgegengewirkt.

Ich erinnere an dieser Stelle – und ich meine, dass wir damit gewissermaßen auch einen Respons auf unsere Arbeiten im Menschenrechtsausschuss bekommen – an die Arbeiten, die täglich erneuert und aktualisiert werden. Ich meine Ruth Wodak, die in ihrer politischen Diskursanalyse zeigt, worauf wir Obacht geben müssen: nicht auf tatsächliche – aber natürlich auch – Übergriffsfälle, sondern dass wir sehen müssen, wo die Wurzeln sind, wo die Keime beginnen, Sprosse zu bilden. Es ist aufmerksam zu machen auf die Art, wie wir über "wir und die anderen" reden, wie wir politische Identität und Differenz bilden. Ich meine, dass Ruth Wodak Recht hat, wenn sie sagt, dass wir die Zeit hinter uns gelassen haben müssten, wo Menschen zwischen Hellenen und Barbaren unterschieden haben, wo Christen von "wir und die Heiden" gesprochen haben, aber auch, wo man von "Menschen" und "Untermenschen" verschiedener Art gesprochen hat.

Wir sollten uns auch mit diesen Forschungsergebnissen auseinander setzen, weil sie in dieser differenztheoretischen Art eine atavistische, also eine vormoderne, eine eigentlich nicht einem hoch entwickelten Staat und einem entwickelten Menschengeschlecht entsprechende Basis darstellen und damit Diskriminierung schüren.

Ich bin zuversichtlich, wenn ich heute dem Finanzminister zugehört habe, der gesagt hat, jeder soll ein Gewinner der Globalisierung sein. Wenn ich damit auch erreiche, dass die Differenz zwischen Heimatsuche und Globalisierung kleiner wird und die Phänomene, die zwischen "wir und die anderen" unterscheiden, ausgeglichen werden, damit alle wirklich von der Globalisierung profitieren – auch auf Basis dieses Budgetprogramms –, dann bin ich zuversichtlich, auch für den Menschenrechtsausschuss. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

12.53

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

12.53

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf die Ausführungen eines meiner Vorredner, des Kollegen Mainoni, eingehen, weil die Darstellung dessen, wie der "Weisen"-Bericht zu Stande gekommen ist, symptomatisch ist dafür, wie Sie von den Freiheitlichen ihn inhaltlich interpretieren.

Es wurde anscheinend völlig verdrängt, dass Frau Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer ebenfalls gehört wurde. Ich bitte Sie also der Ordnung halber: Entweder ihr stuft sie unter NGO-Vertreterin ein, oder sie war für die Regierung geladen und wurde für die Regierung gehört.

Genauso, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, gehen Sie mit der Interpretation des "Weisen"-Berichtes um. Sie hören immer dort zu lesen auf, wo Sie ganz konkret angesprochen werden. Ich bitte Sie darum: Lesen wir den "Weisen"-Bericht so, wie er vorliegt, zur Gänze, und versuchen wir, ihn nicht nur so zu interpretieren, wie wir ihn gerne bekommen hätten. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht nur, wenn ich die Debatte darüber im Ausschuss verfolge, sondern auch hier im Plenum, habe ich manchmal das Gefühl, dass wir nicht vom selben reden. Ich rede jetzt nicht vom Tagesordnungspunkt betreffend Menschenrechtsbericht, sondern ich rede über Inhalte. Inhaltlich dürften wir uns da sehr unterscheiden, und daher erlauben Sie mir, dass ich zu Beginn zitiere, was der Brockhaus unter dem Begriff "Menschenrechte" versteht: Menschenrechte, meine Damen und Herren, sind Rechte, die jedem – ich betone: jedem  – Menschen, unabhängig von seiner Stellung in Staat, Gesellschaft, Familie, Beruf, Religion und Kultur, bereits dadurch zustehen, dass er als Mensch geboren ist. – Wenn wir uns das in unserer Arbeit, in


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unserer Debatte im Ausschuss und auch hier im Plenum immer wieder vor Augen führen, dann müsste eigentlich inhaltlich die Diskussion dazu ganz anders laufen.

Ich war wirklich sehr stolz auf das österreichische Parlament, auf unser Parlament, als es vor gut einem Jahr endlich gelungen ist, einen Menschenrechtsausschuss einzurichten, und ich habe mich, ohne lange nachzudenken, auch sofort für diesen Ausschuss gemeldet. Ich war auch stolz darauf – das war eine der ersten guten Aktionen im Menschenrechtsausschuss –, dass eine Kollegin, die sich schon seit Jahren für die Menschenrechte einsetzt, ob es jetzt um Einzelpersonen geht, ob es um Gruppen geht, nämlich Frau Kollegin Stoisits, zur Vorsitzenden dieses Ausschusses gewählt wurde. – Aber damit hatte es sich schon über weite Bereiche, und für diese Behauptung werde ich auch den Beweis antreten.

Frau Kollegin Brinek! Sie haben Recht: Bereits im Dezember vorigen Jahres, also 1999, wurde der erste Antrag eingebracht, und zwar vom Kollegen Dr. Martin Graf und Genossen betreffend EU-Beitrittsbedingungen für die Tschechische Republik und Slowenien. Man sieht oft den Balken im eigenen Auge nicht und sucht ihn bei den Nachbarn.

Dem Antrag, den wir zum Menschenrechtsbericht eingebracht haben, geht es ja ähnlich. Was nützt es, wenn wir rechtzeitig Anträge einbringen, wenn diese zwar debattiert, aber nie verabschiedet, sondern vertagt werden? Ich war nicht umsonst das letzte Mal – ich gebe es zu – sehr aufgebracht und habe mich dazu verstiegen, zu sagen, dass der Menschenrechtsausschuss, wenn wir so weiterarbeiten, in einen Vertagungsausschuss umbenannt werden sollte. Ich habe hier fünf Anträge, die wir bereits vertagt haben. Das sind aber nicht nur Anträge, die die Grünen oder die SPÖ eingebracht haben. Meine Damen und Herren von der ÖVP und FPÖ, das sind Ihre eigenen Anträge, die Sie eingebracht haben und die – wahrscheinlich haben Sie Angst vor der eigenen Courage bekommen – zwar besprochen, aber nicht behandelt, sondern vertagt wurden. Besprechen, debattieren kann man lange, aber behandelt wurden diese Anträge nicht.

Und ein bisschen Polemik sei hier erlaubt: Schön langsam, glaube ich, sollten wir alle anderen Ausschüsse dazu auffordern, wenn sie Anträge haben, mit denen sie nicht recht wissen, was sie tun sollen, diese bitte an den Menschenrechtsausschuss zu schicken. Wir haben nämlich bereits eine hohe Fertigkeit im Vertagen und im Nicht-Enderledigen von Anträgen bewiesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Beweis dafür – und er wurde heute auch schon angesprochen –, wie sehr der Menschenrechtsausschuss zum Beispiel von der Bundesregierung geschätzt und gewürdigt wird, ist darin zu sehen, dass der von uns an sich geschätzte und auch sehr bemühte Staatssekretär Morak den Bundeskanzler in jeder unserer Sitzungen zu vertreten hat. Bundeskanzler Schüssel hat es bis heute nicht der Mühe wert gefunden, obwohl in seinem Amt, im Bundeskanzleramt, die Agenden Menschenrechte angesiedelt sind, uns Rede und Antwort zu stehen. Vielleicht könnt ihr einmal mit ihm reden. Unsere Appelle haben bis dato nichts gefruchtet.

Ich gestehe wirklich allen Kolleginnen und Kollegen von der VP im Menschenrechtsausschuss zu, dass sie es ehrlich meinen, dass sie sich bemühen. Ich habe halt nur den Eindruck, ihr seid sehr stark in Geiselhaft genommen. Ich weiß nicht, welche Kräfte in der VP euch daran hindern, im Menschenrechtsausschuss eurer christlich-sozialen Gesinnung entsprechend zu handeln. Ich weiß, es hat etwas geschmerzt, als ich gesagt habe, anscheinend dient diese Gesinnung nur mehr dazu, am Sonntag zur Schau gestellt zu werden, aber wochentags hat man damit in der VP nicht sehr viel am Hut. (Zwischenruf des Abg. Ellmauer. )

Von den Freiheitlichen habe ich mir in diesem Zusammenhang ohnehin – Kollege Ellmauer, du bist auch wieder da – nicht sehr viel erwartet. Ihr Menschenbild ist ja hinlänglich bekannt und kann auch durch elendslange Debatten im Menschenrechtsausschuss nicht verbessert werden. (Abg. Achatz: Wie ist das freiheitliche Menschenbild?)

Gerade euer Kollege Dr. Ofner ist ein hervorragender Debattierer, wenn es darum geht, etwas so aufzublähen oder so zu zerreden, dass inhaltlich überhaupt nicht mehr erkennbar ist, worum


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es ursprünglich eigentlich gegangen ist. Da wird alles erklärt und zerredet – unterm Strich kommt aber leider sehr wenig heraus.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie wirklich bitten: Schauen Sie sich – er wurde heute ja mehrmals zitiert – den Entschließungsantrag der Kollegen Posch und Genossen an. Wir haben darin die Bundesregierung ersucht beziehungsweise aufgefordert, dem Nationalrat jährlich einen Bericht vorzulegen.

Und was wurde daraus? – Ihr habt es ausgedehnt auf die gesamte EU, ihr wollt also jetzt auf einmal ein Menschenrechts-Sittenbild der gesamten EU haben. Es spricht überhaupt nichts dagegen, aber, bitte, bevor wir uns mit der EU befassen, wäre es wirklich angebracht – und es wurden ja heute hier einige Beispiele dafür aufgezeigt –, unsere eigenen Probleme, die Probleme in unserem Land zu beleuchten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage nicht, dass wir unfehlbar sind, meine Damen und Herren – ich sage das nie! Auch wir – auch wir! – haben Fehler gemacht und werden weiterhin Fehler machen, aber wir wollen darüber einen Bericht haben, wir wollen uns damit hier im Nationalrat auseinander setzen können, und dazu fordern wir auf! Wenn es in weiterer Folge dann ein Sittenbild der EU geben sollte, soll es uns recht sein. Dieser Antrag ist durchaus zu unterstützen, aber beschäftigen wir uns wirklich ehrlich und korrekt mit unserem eigenen Antrag. Wenn das gelingt und wenn er so beschlossen werden sollte, dann glaube ich daran, dass im Menschenrechtsausschuss noch nicht alles verloren ist, sondern dann können wir wirklich hoffen, dass wir das, was wir uns vorgenommen haben, auch bewegen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.02

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Graf mit einer tatsächlichen Berichtigung.  – Bitte beachten Sie § 58 Abs. 2 GOG, Herr Abgeordneter.

13.02

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Oberhaidinger hat hier vom Rednerpult behauptet, dass ich, Martin Graf, gemeinsam mit Genossen einen Antrag hinsichtlich der Beneš-Dekrete eingebracht habe. (Abg. Oberhaidinger: Das habe ich nicht gesagt!)

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe zwar diesen Antrag eingebracht, aber Sie haben falsch zitiert. Ich habe ihn nicht mit "Genossen" eingebracht, denn "Genossen" gehören nicht zu meinem Menschenbild. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Schmisse gehören zu Ihrem Menschenbild!) Ich habe ihn mit Herrn Abgeordnetem Ofner und anderen Abgeordneten eingebracht, und ich sage Ihnen hier von diesem Rednerpult aus: Mich stört dieser Ausdruck, den Sie da immer verwenden, ohnehin. Die "Genossen" sind in Wirklichkeit seit dem Jahre 1989 in Europa von der Bevölkerung vertrieben worden. In Österreich sitzen sie noch immer, aber nicht in der Freiheitlichen Partei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.03

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

13.03

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Liebe Genossinnen und Genossen von der sozialdemokratischen Fraktion! Ich möchte mich in meinen Ausführungen zunächst mit den Debattenbeiträgen der grünen Fraktion befassen.

Wenn man das Bild, das die Grünen über die Menschenrechtssituation in Österreich zeichnen, würdigt und beurteilt, würde man eher glauben, dass dieses Bild auf südamerikanische Militärdiktaturen passt und zugeschnitten ist. Tatsächlich – ob Sie das hören wollen, meine Damen und Herren von der grünen Fraktion, oder nicht – schaut es in Österreich Gott sei Dank ganz


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anders aus. Und dass es so ausschaut, so ganz anders als etwa in südamerikanischen Militärdiktaturen, ist insbesondere der neuen Regierung zu verdanken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich glaube, geschätzte Genossinnen und Genossen, Sie haben zu früh zu Ihrem Lacher angesetzt, denn Herr Oberhaidinger sagt immer, man soll den Bericht der "drei Weisen" nicht interpretieren, sondern man soll ihn richtig zitieren. Und ich werde Ihnen jetzt richtig zitieren, wie der "Weisen"-Bericht die Menschenrechtssituation in Österreich sieht, und dann, bitte, lachen Sie auch so – darum würde ich Sie bitten.

Auf Seite 19 sagen die "drei Weisen" zu den Schlussfolgerungen in Bezug auf die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit Folgendes: "Aus den in diesem Abschnitt des Berichts zitierten Unterlagen kann geschlossen werden, dass die gegenwärtige österreichische Regierung für die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit in Österreich eintritt." – Zitatende (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von den Genossinnen und Genossen! Vielleicht lachen Sie jetzt auch, wenn ich sage, dass die österreichische Bundesregierung, dass diese Bundesregierung vorbehaltlos für die Aufrechterhaltung und Weiterbegründung der derzeitigen Menschenrechtssituation in Österreich eintritt. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist Ihnen ja nicht verborgen geblieben, dass es nicht die vergangene Bundesregierung war, sondern diese Bundesregierung, die erstmals in der Verfassungsgeschichte der österreichischen Republik – die, wie wir alle wissen, immerhin auf das Jahr 1920 zurückgeht – die Rechte der Minderheiten ausdrücklich in der österreichischen Bundesverfassung verankert hat. Wieso berücksichtigen Sie das nicht? Wieso haben Sie solch ein einseitiges Bild von der Menschenrechtssituation in Österreich, insbesondere Sie von den Grünen?

Frau Kollegin Stoisits! Es marschieren auf der Straße Horden mit Sprechchören: "Widerstand, Widerstand! Schüssel, Haider an die Wand!" (Rufe bei der SPÖ: "Horden"? "Horden"?), und Sie unterstützen diese Demonstrationen politisch noch. Selbstverständlich erklären Sie sich nicht einverstanden mit dieser Forderung, aber Sie unterstützen diese Organisationen, diese Demonstrationen, denn man hört nie auch nur ein Wort der Kritik zu einer derartigen Verhetzung, die nicht nur zu einem geordneten und demokratischen Widerstand, wie er in einer normalen Demokratie möglich ist, sondern sogar zu Gewalttaten aufruft, man hört nie, wie Sie dazu stehen. Sie verschließen da einfach Augen und Ohren.

Die Logik der grünen Fraktion zu den Menschenrechten ist tatsächlich nicht nachvollziehbar. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Frau Lunacek sagt hier, die Einwanderung in der Europäischen Union, deren Beurteilung die Regierungsfraktionen einfordern, gehört überhaupt nicht zum Menschenrechtsausschuss. – Im selben Atemzug kritisiert sie aber die Freiheitliche Partei, wenn diese sagt, der Genozid an der armenischen Bevölkerung, der sich vor 90 Jahren ereignet hat, soll hier nicht vorrangig diskutiert werden. – Also bitte, da frage ich wirklich nach der Verhältnismäßigkeit: Das eine war in Armenien vor 90 Jahren – ein fürchterlicher Genozid, überhaupt keine Frage –, aber wir befinden uns im Jahre 2000, und im Jahre 2000 hat sich die österreichische Bundesregierung und hat sich das österreichische Parlament gefälligst mit der Gesamt-Einwanderungspolitik selbstverständlich auch der Europäischen Union zu befassen. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein Wort noch über unsere Grenzen hinweg, nämlich zu Äußerungen deutscher und französischer Regierungsmitglieder. Hier habe ich auch den Eindruck, dass eine selektive Wahrnehmung – genauso wie bei den Grünen – Platz greift, und ich frage mich schon, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit welchem Recht Vertreter von Regierungen, die für ihr Land verantwortlich sind – in diesen Ländern brennen Synagogen; in Frankreich beispielsweise nicht eine, nicht zwei, sondern mehrere Synagogen, und in Deutschland werden Asylantenheime in Brand gesteckt –, mit dem Finger auf uns zeigen und kritisieren, dass bei uns Menschenrechte


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angeblich nicht eingehalten werden. – Gott sei Dank befinden wir uns in Österreich, und Gott sei Dank haben wir nicht diese menschenrechtswidrigen Zustände, wie sie in Frankreich und in Deutschland herrschen und wie ich sie eben geschildert habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Debattenbeiträgen der Sozialisten. Frau Kollegin Jäger ist auf die angebliche Datenklauaffäre eingegangen und hat hier aus der Zeitschrift "NEWS" zitiert. Und dann hat sie – ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen – von Beweismitteln gesprochen. Bitte, wo kommen wir denn da hin, wenn heute "NEWS" als Beweismittel zitabel ist, eine Zeitschrift – und das werden Sie wahrscheinlich auch in der heutigen Ausgabe finden können –, die jeweils mindestens fünf, sechs Seiten dafür verwenden muss, um Entgegnungen, Gegendarstellungen und Urteile, die gegen dieses Magazin gefällt worden sind, zu veröffentlichen? Also bitte, da von Beweismitteln zu sprechen, das ist doch etwas kühn. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu Herrn Kollegen Posch. Kollege Posch ist ja der Menschenrechtssprecher der sozialdemokratischen Fraktion, und er ist ja auch Antragsteller betreffend den Bericht des Ausschusses für Menschenrechte. – Herr Kollege Posch! Sie sind jemand, der sich die Menschenrechte auf seine Fahnen heftet, der, sich auf die Brust klopfend, für die Einhaltung der Menschenrechte eintritt, aber gleichzeitig haben Sie ein zwiespältiges Verhältnis zu den Menschenrechten. Wir sind uns ja wohl einig darüber, Herr Kollege Posch, dass die Verächtlichmachung eines anderen Menschen, weil er etwa einer anderen Fraktion angehört, auch eine Verletzung der Menschenrechte darstellt.

Jemand, der wie Sie in der letzten Plenarsitzung einen erkennbaren unmittelbaren Bezug zwischen dem größten Verbrecher im vergangenen Jahrhundert, Hitler, und unserem Klubobmann herstellt, der also jemand verächtlich macht, der ein Unrechtsregime damit entsetzlich verwahrlost (Abg. Öllinger: Verharmlost!), wo Millionen und Abermillionen in den Gaskammern vergast wurden, wo Millionen und Abermillionen auf den Schlachtfeldern geblieben sind, wer eine derartige Parallele zieht, der hat mit den Menschenrechten nichts am Hut, Herr Kollege Posch! Schreiben Sie sich das einmal hinter die Ohren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zur Sozialistischen Jugend und ihrer Haltung zu den Menschenrechten. Ich glaubte meinen Augen kaum zu trauen, als ich mir heute auf der Homepage der Sozialistischen Jugend unter dem Thema "Drogen" den Zugang der Sozialistischen Jugend zur Drogenproblematik näher angesehen habe. – Das sind alles Berichte. Sie können im Internet nachschauen, ich kann Ihnen das gerne zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren! Das ist das Forderungsprogramm Ihrer Organisation, der Sozialistischen Jugend: Die Entkriminalisierung aller Drogen wird verlangt, nicht etwa der weichen Drogen, wie es manche fortschrittliche Kreise verlangen, sondern die Legalisierung – denn Entkriminalisierung ist Legalisierung – aller Drogen, also die freie und nicht pönalisierte Einnahme von Kokain, von Heroin und dergleichen. Weiters fordert die Sozialistische Jugend die Einrichtung von Fixerstuben. Das muss man sich einmal vorstellen: Die Einrichtung von Fixerstuben und der freie Bezug von Injektionsgeräten werden gefordert! (Abg. Oberhaidinger: Keine Ahnung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sozialistische Jugend hat also das Grundrecht auf freien und noch dazu billigen Zugang zu den Drogen eingefordert. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das sagt alles!) Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, nehmen Sie bitte dazu Stellung! (Abg. Silhavy: Wollen Sie die Dealer schützen?)

Etwas anderes, und zwar zum ORF. Es wurde heute auch der ORF und eine Aussendung der Redakteursversammlung angesprochen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir liegt ein Schreiben des Generalintendanten des ORF vor, in dem er die Inhalte dieser Redakteursversammlung einer kritischen Betrachtung unterzieht. Er sagt darin, dass die dort geäußerte Meinung zumindest in weiten Bereichen unrichtig ist.


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Aber wenn wir schon von Redakteursversammlungen sprechen, dann sprechen wir auch von jener Redakteursversammlung kurz vor Beginn des Nationalratswahlkampfes 1999, sprechen wir auch von jener Redakteursversammlung, die sich massiv gegen eine Kürzung eines Beitrages in der "Zeit im Bild" ausgesprochen hat! Damals bereiteten die Redakteure der "Zeit im Bild" einen Beitrag für die "Zeit im Bild 1" zur so genannten "Euroteam"-Affäre vor. Und im Zuge dieser "Euroteam"-Affäre wurde, wie ja auch hier des Langen und Breiten diskutiert wurde, immer wieder der Name Jan Klima, des Sohnes des früheren Bundeskanzlers, genannt, der offensichtlich als Galionsfigur für einen Trägerverein herhalten musste. Und diese Redakteure haben die Rolle von Jan Klima in diesem "Zeit im Bild"-Beitrag beleuchtet. Und was war dann in der "Zeit im Bild 1"? – Dieser Beitrag wurde gestrichen!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie schon so ein kritisches Verhältnis dazu haben, auch zu möglichen Interventionen, dann kehren Sie doch bitte auch vor Ihrer eigenen Tür, dann erklären Sie das! (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Damals hat der Generalintendant nicht etwa diese Redaktionsversammlung kritisiert.

Und noch eines: Es wurde immer wieder behauptet, dass es eine Spitzelaffäre im ORF gäbe. Der Generalintendant sagt, dass es das in Wirklichkeit nicht gibt.

Aber noch einmal zu dieser Angelegenheit mit dem Beitrag über Jan Klima: Wie konnte denn dieser Beitrag über Jan Klima überhaupt herausfallen? Der konnte ja nur deshalb herausfallen, weil die SPÖ im Vorfeld der "Zeit im Bild 1", also schon vor der Ausstrahlung, gewusst hat, was Inhalt der "Zeit im Bild 1" sein wird. Da frage ich Sie: Ja, wer hatte denn diese Kontakte? Hatte die etwa der frühere Geschäftsführer Rudas, oder hatte die der frühere Sekretär Kalina? Irgendwer muss sie gehabt haben. Und dieser hatte Kenntnis, Vorauskenntnis vom geplanten Inhalt der "Zeit im Bild 1", hat intervenieren lassen, und diese Sekunden sind aus der "Zeit im Bild" herausgeschnitten worden. So schaut es aus mit den Interventionen der Sozialdemokratie in Bezug auf den unabhängigen ORF! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zum Schluss und fasse zusammen. (Abg. Öllinger: Bitte!) Die Worte, die die Grünen und auch die Sozialdemokraten hier in Bezug auf die Situation der Menschenrechte in Österreich verwendet haben, wie "menschenrechtsfeindlich", "bedenklich", "fragwürdig", sind durch nichts, aber auch durch gar nichts zu rechtfertigen, und insbesondere stehen sie im eklatanten Widerspruch zum "Weisen"-Bericht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Zur Geschäftsbehandlung!)

13.17


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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.18

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Es ehrt Sie, dass Sie sich trotz der Budgetverhandlungen die Zeit nehmen, die Situation der Menschenrechte, die hier diskutiert wird, mit zu betrachten, aber bei diesem Tagesordnungspunkt halten wir es schon für notwendig, dass die Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers gegeben ist.

Ich stelle daher den Antrag auf Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers bei diesem Tagesordnungspunkt.

13.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer weiteren Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Mertel zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.18

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Auch meine Fraktion hält dieses Thema für derart sensibel und wichtig, dass wir uns diesem Antrag der Grünen anschließen. (Rufe bei der SPÖ: Abstimmen! Abstimmen! Abstimmen!)

13.19

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich stelle derzeit auf Grund der Zahl der anwesenden Abgeordneten im Plenum die Beschlussfähigkeit nicht fest. (Heftiger Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.)

Eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Stummvoll. – Bitte. (Abg. Edlinger: Das ist unglaublich! – Abg. Leikam: Das ist ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

13.19

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Zur Geschäftsbehandlung: Ich verstehe die Unruhe und Nervosität in den Bänken der sozialdemokratischen Fraktion nicht. Herr Präsident, ich würde bitten, dass Sie jene Bestimmung der Geschäftsordnung vorlesen, die mit der Vertretung des Bundeskanzlers durchaus auch den anwesenden Herrn Staatssekretär Dr. Finz betraut. Das ist durchaus geschäftsordnungsgemäß. (Abg. Leikam: Wir haben einen Antrag gestellt! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

13.20

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich habe eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung vorliegen: Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte.

13.20

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Worauf der Antrag der grünen Fraktion, offensichtlich akklamiert durch die sozialdemokratische Fraktion, abzielt, ist ohnehin jedem bekannt. Aber wenn die Sache so wichtig sein soll und die Beiziehung des Bundeskanzlers erwünscht ist, dann soll das auch breit diskutiert werden, ob diese Bereitschaft oder diese Notwendigkeit besteht oder nicht besteht.

Herr Präsident! Ich stelle daher den Antrag, über den Antrag des Kollegen Öllinger eine Debatte abzuführen. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Abgeordneter Dr. Krüger hat den Antrag auf Abführung einer Debatte gestellt.

Ich ersuche daher jene Abgeordneten, die diesen Antrag unterstützen, um ein Zeichen der Zustimmung. (Einige Abgeordnete der SPÖ erheben sich von ihren Sitzen, mehrere Abgeordnete der SPÖ deuten dem Präsidium, nicht gehört zu haben, worüber abgestimmt wird.) Ich ersuche um ein Zeichen der Zustimmung. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP in Richtung der SPÖ-Fraktion.)

Ich ersuche jene Abgeordneten, die für den Antrag des Abgeordneten Dr. Krüger sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Rufe bei der SPÖ: Abstimmen! Abstimmen!)  – Der Antrag des Abgeordneten Dr. Krüger ist damit abgelehnt. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen und Abgeordneten der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Abstimmen! Abstimmen!)

Ich komme hiemit zur Abstimmung über den Antrag auf Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers Dr. Schüssel, und ich bitte diejenigen Abgeordneten, die für diesen Antrag stimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. (Das Präsidium nimmt eine Stimmenzählung vor. – Abg. Edlinger: Wie dieses Haus geführt wird, ist ein Skandal! Das ist wirklich ein Skandal! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Dies ist die Minderheit, der Antrag ist damit abgelehnt.

Zu einer Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Oberhaidinger zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter Oberhaidinger, Sie kennen die Bestimmungen des § 58 Abs. 3 GOG. – Bitte.

13.23

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abgeordneter Dr. Martin Graf hat behauptet, ich hätte bei dem zitierten Antrag gesagt, dass es


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sich dabei um die Beneš-Dekrete handle. Des Weiteren hat er moniert, dass das Wort "Genossen" in diesem Antrag zitiert wird.

Ich erwidere persönlich und zitiere den amtlichen Titel dieses Antrages 47/A (E): Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen betreffend EU-Beitrittsbedingungen für die Tschechische Republik und Slowenien. Zugewiesen am 15. Dezember 1999. – Dies habe ich zitiert und nichts anderes!

Im Zusammenhang mit dem Wort "Genossen" verweise ich auf ein Schreiben des Präsidenten Fischer, ergangen etwa 1991, in dem er für alle Abgeordneten dieses Hauses, so glaube ich, historisch klargelegt hat, weshalb das Wort "Genossen" im Zusammenhang mit Anträgen gebraucht wird. Wenn die Freiheitliche Partei damit Probleme hat, kann ich euch sagen: Wir haben auch Probleme, wenn wir im Zusammenhang mit euch "Genossen" genannt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.24

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich möchte zum vorherigen Abstimmungsvorgang festhalten, dass Ihre Feststellung, dass im Saal nicht ein Drittel der Abgeordneten anwesend war und daher nicht die Beschlussfähigkeit gegeben gewesen sei, nicht den Tatsachen entsprochen hat. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt: Ich ersuche Sie, Herr Präsident, um Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. Sie haben festgestellt: Das ist nicht die Mehrheit!, Sie haben aber nicht die Zahl der Pro- und Kontra-Stimmen genannt. (Abg. Böhacker: Das ist ja nicht nötig! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

13.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum einen: Es wurde nicht verlangt, dass ich ein Abstimmungsergebnis bekannt gebe. Ich habe meinen Beisitzer gebeten, mit mir mitzuzählen, und wir sind zur Überzeugung gelangt, dass die Mehrheit eben nicht gegeben war.

Zum Zweiten hat mir mein Beisitzer auf die Bemerkung der Beschlussfähigkeit mitgeteilt, dass nicht ausreichend Abgeordnete im Plenum sind. (Abg. Parnigoni: Das hat aber nicht gestimmt!) Ich habe mich ebenfalls vergewissert, dass ein Drittel der Abgeordneten nicht anwesend war.

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP – in Richtung Grüne –: Sie waren ja gar nicht da! Sie waren ja gar nicht da!)

13.26

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie gesagt haben, es hat zu diesem Zeitpunkt, vor einigen Minuten, niemand verlangt, dass das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben wird. Mag sein, wie die Kollegen richtig sagen, ich war gerade nicht im Saal. Aber dann verlange ich das eben jetzt, dass das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben wird. (Abg. Böhacker: Es ist ja schon abgestimmt!)

13.26

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir haben die Stimmenzählung dermaßen vorgenommen, dass wir die Mehrheit, die Minderheit festgestellt haben (heftige Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen), aber es hat weder einen Antrag auf namentliche Abstimmung noch einen Antrag auf Stimmenauszählung gegeben. Daher ist so verfahren worden. (Abg. Dr. Pilz: Das ist eine Schiebung, eine glatte Schiebung! – Rufe bei der SPÖ: Skandal! Skandal! Rücktritt! Rücktritt! – Abg. Dr. Pilz: Das sind Milošević-Methoden!)

Ich habe den Zuruf des Abgeordneten Pilz an den Präsidenten gerichtet vernommen: “Das sind Milošević-Methoden!”


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40. Sitzung / Seite 62

Ich unterbreche die Sitzung und bitte die Klubobmänner zu einer Kurzpräsidiale zu mir auf das Präsidium.

(Die Sitzung wird um 13.27 Uhr unterbrochen und um 13.32 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Herr Abgeordneter Khol hat mir berichtet, dass Herr Abgeordneter Pilz im Zusammenhang mit der vorherigen Diskussion das Wort "Schiebung" verwendet hat. – Dafür, Herr Abgeordneter Pilz, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Einen weiteren Ordnungsruf erteile ich Ihnen dafür, dass Sie gesagt haben: "Das sind Milošević-Methoden!” (Abg. Ing. Westenthaler: Unerhört so etwas! Das ist ein Skandal!), und ich kündige Ihnen gleichzeitig an, dass dies auch in der Präsidiale ausreichend zur Diskussion kommen wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zur vorhergegangenen Abstimmung möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Es wurde von keinem Abgeordneten verlangt, dass es eine Stimmenauszählung gibt, sondern es ging um die Frage der Für- und Gegenstimmen. Mein Beisitzer hat gemeinsam mit mir die Für- und Gegenstimmen durchgezählt, und es war eine eindeutige Entscheidung. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das Glockenzeichen.)

Zum Dritten möchte ich Ihnen sagen, dass beim Antrag auf Herbeiholung des Herrn Bundeskanzlers das dafür erforderliche Quorum, nämlich ein Drittel der Abgeordneten, nicht gegeben war. Auch mein Herr Beisitzer hat mir dies bestätigt, während der Sitzung, nicht jetzt! (Abg. Mag. Stoisits: Haben Sie das gezählt? – Bundeskanzler Dr. Schüssel nimmt auf der Regierungsbank Platz.)

Zu einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung hat sich Frau Abgeordnete Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.33

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ohne Zweifel wird der gesamte Vorgang dieser Abstimmungen in der Präsidiale zu besprechen sein.

Als ich den Saal betrat, ergab ein nur oberflächliches Durchzählen, dass weit mehr als 61 Abgeordnete anwesend waren. Und wenn Sie jetzt sagen, Herr Präsident, dass sowohl Sie selbst als auch Ihr "Beisitzer" das Abstimmungsergebnis im Sinne einer Mehrheit der Regierungsparteien gezählt haben, dann ersuche ich Sie in aller Form, dieses gezählte Ergebnis bekannt zu geben. Aus unserer Sicht war nämlich deutlich wahrnehmbar, dass von Ihnen beiden die Blickrichtung ausschließlich auf den Oppositionssektor gerichtet war.

Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Abgeordneten der Regierungsparteien tatsächlich zahlenmäßig erhoben worden sind, und es zählen die tatsächlich anwesenden Abgeordneten und nicht die insgesamt mögliche Zahl von abstimmenden Abgeordneten. Also wenn Sie gezählt haben, dann ersuche ich Sie in aller Form um die Bekanntgabe dieses Ergebnisses. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Frau Abgeordnete! Diesen Antrag hätten Sie vor der Abstimmung stellen müssen. Ich habe entschieden, und mein Beisitzer ist mir bei der Zählung ausreichend zur Seite gestanden. Das ist ein eindeutiger Entscheid, und die Enunziation ist damit getroffen worden.

Eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte.

13.35

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Laut Geschäftsordnung sind Geschäftsordnungsanträge unverzüglich zur Abstimmung zu bringen.


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40. Sitzung / Seite 63

Es steht für mich außer Zweifel, dass zum Zeitpunkt, zu dem dieser Antrag gestellt worden ist, das Plenum beschlussfähig war. (Abg. Achatz: Sie waren ja gar nicht da! – Abg. Ing. Westenthaler: Sie waren ja selbst nicht da! – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Daher muss nahezu zwangsläufig der Eindruck entstehen, dass die nachfolgende geschäftsordnungsmäßige Debatte ausschließlich den Zweck hatte, die Mehrheitsverhältnisse umzudrehen.

Eine Bevorzugung eines Teils dieses Hauses durch das Präsidium, das ist ein Eindruck, der nicht entstehen darf; er ist in diesem Zusammenhang aber entstanden. Wir werden daher in der Präsidiale darüber im Detail zu reden haben, denn die Disposition der Mehrheit durch das Präsidium darf in diesem Hause nicht geschehen. (Abg. Achatz: Waren Sie da? – Abg. Schwarzenberger: Sie waren ja gar nicht herinnen!)

13.36

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter Kostelka! Ich habe nichts anderes getan, als den Antrag auf Geschäftsbehandlung der grünen Fraktion, auch die Anträge Ihrer Fraktion, insbesondere der Frau Abgeordneten Mertel, aufzurufen. Das ist geschäftsordnungskonform erfolgt, um dann ohne Unterbrechung zur Abstimmung zu gelangen. Das ist erfolgt. (Widerspruch bei der SPÖ und den Grünen.)

Damit kommen wir zur Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung des Herrn Abgeordneten Dr. Martin Graf. – Bitte.

13.36

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Im Gegensatz zu den anderen, die sich bis jetzt zu Wort gemeldet haben, war ich die ganze Zeit hier im Saale anwesend. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich möchte Sie ersuchen, der Bestimmung des § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung zum Durchbruch zu verhelfen und solchen Zwischendebatten Einhalt zu gebieten. Sie besagt: Meldet sich ein Abgeordneter, ohne einen Antrag zu stellen, zur Geschäftsbehandlung zu Wort, so ist der Präsident berechtigt, ihm das Wort erst am Schlusse der Sitzung zu erteilen. (Abg. Dr. Kostelka: Das ist "Parlamentarismus"!)

Ich darf Sie ersuchen, dieser Geschäftsordnungsbestimmung nachzukommen, denn auch in der letzten Debatte vorige Woche, bei der Präsident Fischer das Präsidium geführt hat, hat er immer vor der Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung gefragt, ob in dieser ein Antrag gestellt wird. Wenn das nicht der Fall war, hat er immer darauf verwiesen, dass es ständige Übung ist, dass die Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung erst am Schluss der Debatte aufgerufen wird. (Weitere heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich ersuche Sie, Herr Präsident, genauso demokratisch wie Präsident Fischer in dieser Art und Weise vorzugehen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Es ist üblich, dass bei jedem Antrag zur Geschäftsbehandlung jeweils jede Fraktion einmal zu Wort kommt. Dieses Einmal-zu-Wort-Kommen ist, wie ich meine, zu den Fragen der Geschäftsbehandlung der jetzt beantragenden Abgeordneten Petrovic erfolgt. Wenn von den anderen Fraktionen dazu nicht mehr das Wort gewünscht wird, werde ich mit der Tagesordnung fortsetzen. (Ruf bei der SPÖ: Das Ergebnis!)

Weitere Anträge zur Geschäftsbehandlung werde ich entsprechend dem Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Graf am Schluss der Sitzung aufrufen. (Abg. Öllinger: Das war kein Antrag! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Damit setzen wir jetzt in der Tagesordnung fort.

Als nächster Redner zu Wort gelangt Abgeordneter Heinzl. – Bitte, Herr Abgeordneter Heinzl, ich erteile Ihnen das Wort. (Abg. Parnigoni: Wir sind ja mit diesem Tagesordnungspunkt noch gar nicht fertig! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Auf meinem Bildschirm scheint jetzt Herr Abgeordneter Öllinger als nächster Redner auf, nachdem vorher Herr Abgeordneter Heinzl aufgeschienen ist. Es gelangt jetzt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. (Rufe bei der SPÖ: Chaos! Chaos! Chaos!)

13.39

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Danke, Herr Präsident, dass Sie sich doch dazu entschieden haben, mir das Wort zu erteilen. (Anhaltende Zwischenrufe zwischen den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Es ist meiner Ansicht nach nicht ganz zufällig, dass wir in einer Debatte, in der es um die Menschenrechte geht, zum einen feststellen müssen, dass Sie, Herr Präsident, bei der Handhabung der Geschäftsordnung zwar aus Überzeugung handeln, aber offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechend.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt nicht weiter mit der letzten Viertelstunde auseinander setzen (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist sehr g’scheit!), denn ich denke, die Menschenrechte in Österreich sind zu wichtig. Ich möchte deshalb in der Debatte fortsetzen und auf das ursprüngliche Begehren der Regierungsparteien eingehen, wie es denn überhaupt zu dieser Debatte heute gekommen ist.

Am Anfang stand zwar ein Antrag des Herrn Abgeordneten Posch, aber dann gab es das Begehren der Regierungsparteien, diesem Antrag eine Frist zu setzen, weil die Regierungsparteien auf einmal erkannt haben, dass es ungeheuer aktuell und wichtig ist, über die Menschenrechte in Österreich zu diskutieren – aus dem Anlass, weil in der Steiermark ein SPÖ-Funktionär Listen, Adressenlisten erstellen wollte.

Das war ein "Menschenrechtsfall" für Herrn Abgeordneten Westenthaler, das war ein schwerer Verstoß gegen die Menschenrechte für Herrn Abgeordneten Khol. Und als sich dann die Verhältnisse etwas geändert haben und sich herausgestellt hat, dass die Vorfälle, die in den letzten Tagen und Wochen die österreichische Öffentlichkeit beschäftigten, ungleich dramatischer sind als das, was der SPÖ-Funktionär in der Steiermark gemacht hat, haben die Regierungsparteien abgebogen und sind zu dem Thema "Menschenrechte in der EU" übergegangen. – Nur nicht über Österreich diskutieren!

Herr Abgeordneter Krüger! Sie haben in dieser Debatte den relativ maßlosen Vergleich gebracht, dass wir hier in Österreich die Menschenrechte einhalten, während in Frankreich und Belgien und Deutschland die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. (Abg. Dr. Mitter


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lehner: Das hat er nicht gesagt!) Das ist deshalb maßlos, sehr geehrter Herr Kollege Krüger, weil Sie genau wissen, dass der große Unterschied zur Bundesrepublik und zu Frankreich, wo es tatsächlich schwerwiegende Ausschreitungen gegeben hat und gibt, und zwar gegenüber – in erster Linie! – Arbeitsmigranten und -migrantinnen, der ist, dass es in Österreich zwar auch Ausschreitungen gegen Migrantinnen und Migranten gibt, aber Gott sei Dank keine brennenden Asylhäuser jedes Jahr! (Rufe bei den Freiheitlichen: Welche "Ausschreitungen"? Welche "Ausschreitungen"?) – Ich werde Ihnen die Ausschreitungen schon noch vorlesen, ich werde sie Ihnen schon noch vortragen.

Der Unterschied ist der, dass in Frankreich und in Belgien und in Deutschland Regierungen klar gegen den diese Ausschreitungen tragenden Rechtsextremismus Stellung genommen haben, während die österreichische Bundesregierung und die Koalitionsparteien gegen diesen Rechtsextremismus nicht Stellung nehmen können, weil zumindest eine Partei mit diesem Rechtsextremismus direkt verbandelt ist. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zahlreiche Rufe bei den Freiheitlichen: Das ist ungeheuerlich!)  – Das ist der Unterschied!

Meine Damen und Herren! Deshalb ist diese Unterscheidung zwischen Österreich und den genannten Ländern durch den Kollegen Krüger maßlos. Ich werde versuchen, Ihnen das auch zu belegen.

Haben wir hier in Österreich in den letzten Wochen und Monaten Initiativen kennengelernt, die sich das Verbot rechtsextremistischer Organisationen zum Ziel gesetzt haben? (Abg. Dr. Mitterlehner: So ein Unsinn!) Ich kann mich noch daran erinnern, dass ein Abgeordneter der Freiheitlichen in der letzten Legislaturperiode – ich glaube – 20 Anfragen betreffend das Verbot des "Dichtersteins Offenhausen" gestellt hat. Der "Dichterstein Offenhausen" ist wegen rechtsextremer Aktivitäten durch die Bundesregierung, durch den Innenminister verboten worden. Und der freiheitliche Abgeordnete war unermüdlich darum bemüht, die Rehabilitierung des "Dichtersteins Offenhausen" zu erreichen. (Die Abgeordneten Achatz und Jung: Ein rechtsextremer Stein! – Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! In Deutschland versucht die Bundesregierung, Aktivitäten gegen ausländerfeindliche, rassistische Übergriffe auch dadurch zu setzen, dass sie das Verbot der Nationaldemokratischen Partei, der NDP, fordert. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Bei uns ist sie schon ... verboten!) Es findet eine breite Debatte darüber statt, ob dieses Verbot in der Bundesrepublik derzeit sinnvoll ist oder nicht. Von der CSU wird es befürwortet, von den Regierungsparteien wird es befürwortet, die CDU sieht das eher skeptisch. (Abg. Achatz: Rechtsextremer Dichterstein! Er hat Phantomschmerzen!)

Ich habe Ihren Zwischenruf, Herr Bundeskanzler, schon verstanden: Bei uns ist die NDP verboten! Der Unterschied (Abg. Jung: Gibt es keinen!) und das, worauf ich hinaus will, Herr Bundeskanzler, ist, dass Personen im Umfeld der Freiheitlichen Partei Österreichs nach wie vor gern gesehene und bejubelte Gäste auf Parteitagen der deutschen NDP sind. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Die Freiheitliche Partei ...!) Nach wie vor sind Personen, die im Umfeld der Freiheitlichen Partei Österreichs tätig sind, auf NDP-Parteitagen gern gesehene Gäste! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Papházy: Das ist unfassbar! – Abg. Achatz: Nennen Sie Namen! Wer? – Weitere Rufe bei den Freiheitlichen: Wer? Wer? Namen!)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich habe eine beschränkte Redezeit und kann Ihnen daher nur empfehlen: Lesen Sie das Buch! Hätte ich gewusst, dass Sie so daran interessiert sind, Namen zu erfahren, dann hätte ich Ihnen auch die Illustrationen aus den entsprechenden Zeitschriften mitgebracht. Ich besitze sie, ganz egal, welche.

Im "Eckartboten" beispielsweise schreibt ein Herr Helmut Müller. Der Vorsitzende des "Eckartboten" beziehungsweise seines Trägervereins, der "Österreichischen Landsmannschaft", ist ja ein Klubkollege des Herrn Westenthaler aus früheren Zeiten: Herr Kowarik. Der Herr Kowarik, kennen Sie den? (Abg. Ing. Westenthaler: Den Herrn Müller? Oder wen?)  – Nein, den Herrn Kowarik. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wissen ja gar nicht, was Sie reden!) Herr Kowarik, ein Landtagsabgeordneter in Wien, ist in der "Österreichischen Landsmannschaft" schwer aktiv. (Rufe bei den Freiheitlichen: Na und?) Und einer der Schreiber des "Eckartboten", Herr Müller, ist auf dem Parteitag der NDP.

Herr Walter Marinovic, nicht nur gern gesehener Schreiber in verschiedenen Postillen der NDP, wird ebenfalls gern als Redner beziehungsweise als Festgast bei Veranstaltungen der Jungen Nationaldemokraten und auch der NDP herumgereicht. Herr Walter Marinovic hat immerhin an Ihrem Kulturprogramm im Rahmen des Freiheitlichen Bildungswerkes mitgearbeitet. Oder wollen Sie mir sagen, den kennen Sie auch nicht? Wir hatten eine Debatte über Herrn Walter Marinovic im Rahmen rechtsextremer Zeitzeugen an den Schulen. (Abg. Jung: Ja, die Herren Neugebauer und Konsorten!) – Nein, Herr Neugebauer ist nicht auf NDP-Parteitagen, aber Herr Marinovic.

Während Sie die größten Schwierigkeiten haben und ja selbst ertappt worden sind bei ausländerfeindlichen Wahlkämpfen, Propagandafeldzügen, ausländerfeindlichen Propagandafeldzügen in Wien, konnten die Regierungsparteien sowohl in Frankreich als auch in Belgien und in Deutschland nicht dabei ertappt wurden, dass sie ausländerfeindliche Parolen und Inhalte vertreten haben. Das ist der Punkt! (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Was ist mit dem Herrn Purtscheller? Vielleicht sollten wir über den einmal reden!) Wir haben aber eine Regierungspartei, die ausländerfeindliche und rassistische Parolen und Inhalte vertritt. – Das, meine Damen und Herren, macht nach wie vor den großen Unterschied zwischen Österreich, Frankreich, Belgien, Deutschland und welch anderem Land auch immer in Europa aus. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Sind wir froh, dass wir in Österreich sind!)


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Ich lese Ihnen aber auch gerne andere Beispiele aus dem österreichischen Alltag vor, die Sie dazu veranlassen sollten, Menschenrechtsberichte nicht nur zu erstellen, sondern auch zu diskutieren.

Graz: Taxiunternehmer wirbt für Taxis ohne ausländische Fahrer: Fahrgäste von freundlichem heimischem Personal kutschiert! – Es hat diesbezüglich auch eine Demonstration in Graz gegeben, die sich gegen dieses Taxiunternehmen gerichtet hat. In Wien gibt es schon lange ein Taxiunternehmen, das dafür wirbt, dass keine Ausländer tätig werden. (Abg. Dr. Petrovic: Das ist eine Schande!) Leider gibt es in Wien keine entsprechenden Aktivitäten, weder durch die Freiheitliche Partei noch durch den Regierungspartner, um ein für alle Mal klarzustellen, dass das in Österreich keinen Platz hat, gegen Ausländer als Beschäftigte zu werben beziehungsweise als Taxiunternehmen zu sagen: Wir halten unsere Taxis ausländerfrei! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Schöggl. ) – Sie als steirischer Abgeordneter wissen ja offensichtlich, wovon Sie reden.

Mattersburg: Unterschriften gegen Kaffeehausbesitzer türkischer Herkunft. Mehr als 600 MattersburgerInnen unterschreiben Sammlung rassistischer Stereotypen.

Disco-Nightlife in Vöcklabruck: Osteuropäerinnen und Afrikanerinnen abgewiesen, Bezirkshauptmannschaft bestätigt Vorwürfe.

Wien: rassistischer Überfall auf Afrikaner. Vater und Kind von Skinheads angegriffen und verletzt.

Das sind nur einige wenige Meldungen der letzten Wochen. (Abg. Dr. Mitterlehner: Aber symptomatisch!)  – Selbstverständlich. Es gibt Übergriffe, auch im Alltagsgeschehen, aber das ist nicht der Punkt, auf den ich hinaus will, meine Damen und Herren!

Was uns in diesem Zusammenhang in besonderem Ausmaß interessiert, ist: Wie stehen die Regierungsparteien dazu? Wie kann eine der zwei Regierungsparteien dazu überhaupt Stellung beziehen, wenn sie selbst von oben bis unten mit dem Vorwurf des Rassismus angepatzt ist, mit dem Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit, der ja auch in internationalen Expertenberichten wie dem Bericht der so genannten "drei Weisen" bestätigt wurde? (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das ist ja lächerlich!) Was haben Sie denn unternommen, um damit zu Rande zu kommen? Was sind Ihre Aktivitäten, Herr Kollege Westenthaler, um endlich ein für alle Mal klarzustellen, dass Sie in Zukunft keine ausländerfeindlichen, rassistischen Parolen und Inhalte vertreten, um sich zu distanzieren von der Vergangenheit, die Sie vor allem in Wien tatsächlich auf dem Gewissen haben, und sich zu entschuldigen? In Wien haben Sie ja einen ausländerfeindlichen und rassistischen Wahlkampf geführt. Oder wollen Sie das auch noch bestreiten? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Er muss etwas eingenommen haben! Es schaut so aus!)

Es geht aber auch noch um etwas anderes, meine Damen und Herren! Es geht nicht nur um das Verhalten einer Regierungspartei, sondern es geht ... (Abg. Ing. Westenthaler: Er muss etwas eingenommen haben!)  – Herr Abgeordneter Westenthaler! Wenn Ihnen nichts mehr einfällt, dann erheben Sie immer den Vorwurf, da muss jemand etwas eingenommen haben. Das wiederholen Sie in jeder Debatte stereotyp. Ich werde mir angewöhnen, Ihre Zwischenrufe, die ich nicht näher klassifiziere, da sie sich von selbst richten, auch öffentlich aufzugreifen, damit Sie nicht mehr in die Verlegenheit kommen, sie leugnen zu müssen, wie Sie das schon bei der letzten Debatte getan haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie haben wirklich etwas eingenommen, sonst gibt es das nicht, dass Sie so einen Unsinn daherreden und dieses Haus mit Milošević vergleichen! Das ist eine Ungeheuerlichkeit! Das ist ein Skandal! – Abg. Dr. Petrovic: Was hat Kollege Öllinger eingenommen?)

Herr Abgeordneter Westenthaler! Da Ihr Zwischenruf nichts Wesentliches und Essentielles zur Debatte beizutragen hat (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ), werde ich versuchen, im Thema fortzusetzen. Sie sollten die Geduld haben, sich das auch anzuhören. Ich komme noch einmal auf das, was den Unterschied in der Qualität zwischen Österreich und


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anderen europäischen Ländern in Bezug auf Menschenrechte ausmacht, zu sprechen. (Abg. Edler: Westenthaler ist ein Auslaufmodell!)

Für die Beurteilung, die Überprüfung, die Kontrolle von Menschenrechten gibt es eine Institution, die dabei besondere Bedeutung hat, und das ist und bleibt neben der Exekutive das Justizministerium. Und dazu möchte ich Folgendes sagen:

Herr Böhmdorfer hat das, was Herr Haider (Abg. Ing. Westenthaler: Für Sie "Doktor Haider"!) ihm eingeflüstert hat, für verfolgenswert gehalten. Herr Justizminister Böhmdorfer hat, als Herr Windholz, sein Vorgänger hier im Nationalrat, den Ausspruch "Unsere Ehre heißt Treue!" getätigt hat, daran nichts Verfolgenswertes gefunden, sondern still geschwiegen, weil er wahrscheinlich den subjektiven Tatvorsatz beim Kollegen Windholz nicht erkennen konnte, während er bei dem Aktionskünstler Schlingensief, der dieses Motiv verwendet hat, natürlich um zu provozieren, den subjektiven Tatvorsatz als Justizminister erkannt haben wollte und deshalb persönlich zum Telefon gegriffen hat und Redaktionen informiert hat, dass Herr Schlingensief wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verfolgt wird, dass die Ermittlungen eingeleitet sind. Der Justizminister hat von sich aus gesagt, er habe die nötigen Schritte dazu veranlasst.

Wenn ein Justizminister derartige Äußerungen macht, wenn ein Justizminister derartige Aktivitäten setzt, nämlich bei einer Person wie dem Herrn Windholz nichts erkennen will und bei einem, der dieses Motto dann persifliert und provozieren will, der damit in Österreich eine Reaktion provozieren will, auf der subjektiven Seite die nationalsozialistische Wiederbetätigung erkannt haben will, obwohl das derselbe Justizminister ist, der sonst nirgendwo nationalsozialistische Wiederbetätigung in seiner früheren Rolle als Anwalt gesehen hat, wenn das der Fall ist, meine Damen und Herren, dass wir einen derartigen Justizminister haben und dieser Justizminister mit Ihrer Unterstützung derartige Aktivitäten gedeckt setzen kann, Sie sich auch in solchen Causen nicht distanzieren vom Herrn Böhmdorfer, Sie nichts dagegen unternehmen, dass Herr Böhmdorfer eine radikale und saubere Trennung von der Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff vornimmt, wenn Sie nichts unternehmen, sodass Herr Böhmdorfer in seiner Haltung fortfahren kann und derartige Aktivitäten weiterhin gedeckt sind, dann haben wir ein Problem mit den Menschenrechten in Österreich.

Das wird auch deutlich durch die Anzahl der Strafverfahren und Anzeigen, die die Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff, also die Kanzlei jenes Mannes, der jetzt als Justizminister agiert, gegen zahlreiche Journalisten, Politiker, Intellektuelle, Künstler, Organisationen eingebracht hat. Die Zahl stammt ja nicht von mir, Herr Abgeordneter Westenthaler. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Sie stammt ja von Ihnen, wenn ich aus diesem Bericht zitieren darf, dass schon mehrere hundert Anzeigen eingebracht worden sind. Inzwischen, so fürchte ich, werden wir bald auf die 1 000 Anzeigen durch die Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff zusteuern.

Und das sagt mehr aus über die Menschenrechte als Ihr Versuch, einen Bericht über die Menschenrechte in diesem Land zu verschweigen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Petrovic: Bitte zu protokollieren: Von dieser Seite – in Richtung Freiheitliche –: Verleumder! Rufschädiger! – Abg. Mag. Hartinger: Und das ist auch so!)

13.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Fallent. – Bitte.

13.57

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Öllinger, Ihre Sprache lehne ich ab. Auf diese Ebene begebe ich mich nicht. (Abg. Öllinger: Sagen Sie mir, was Sie ablehnen?) – Ihre Sprache lehne ich ab, Herr Öllinger, Ihre Sprache! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ich glaube, dass wir in diesem Hohen Haus eine politische Kultur haben sollten, an die sich auch Sie halten sollten. Das denke ich. Das ist meine Ansicht. Ihre Sprache, Ihre Wortwahl ... (Abg. Öllinger: Welches Wort lehnen Sie ab? – Abg. Ing. Westenthaler: Ungeheuerlich!)


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40. Sitzung / Seite 68

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Pilz! Ich lehne es ab, dass Sie unseren Präsidenten Prinzhorn mit Miloševi
ć vergleichen. Ich glaube, Sie haben eine eindimensionale Vorstellung von Menschenrechten; Menschenrechte, die anscheinend nur für Sie Geltung haben und nicht für den Rest der Welt. Es gibt mehrere Menschen auf dieser Welt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir behandeln heute ein Thema, zu dem auch ich einmal etwas sagen darf, und ich habe ein Recht darauf, dies zu sagen. Wenn der Freiheitlichen Partei, und ich bin Mitglied dieser Freiheitlichen Partei, vorgeworfen wird, dass sie eine faschistische ist, dann sage ich: Ich bin kein Faschist, und ich muss nicht für 20 Jahre hinter Gitter! – Das Recht, das zu sagen, habe ich in dieser Republik. Ebenso meine Freunde und Kollegen der Freiheitlichen Partei! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Sie wissen nicht, wovon Sie sprechen! Sie haben keine Ahnung!)

Es kann nicht sein, dass diese Art der Politik hier in Österreich in den Vordergrund gestellt wird. Das kann einfach nicht sein! Was glauben Sie, wer Sie sind? Sie haben die Wahrheit nicht gepachtet! Herr Pilz! Sie sind der Einzige, der angeklagt ist. So fängt es an. Bei Ihnen ist der Fall klar, bei den anderen geht es teilweise um Verdächtigungen und wahrscheinlich um falsche Beschuldigungen. So ist es. (Abg. Dr. Pilz: Wer ist der Einzige, der angeklagt ist? Wenn der Mob spricht, kommt vieles durcheinander!)

Ich möchte aber nun zum Thema kommen. Ich glaube, dass der Schutz von Minderheiten und die Verbesserung der Menschenrechte in dieser Republik und auf der ganzen Welt angesichts der Globalisierung eine große Herausforderung darstellen. Die Bundesregierung bekennt sich zu dieser Herausforderung und zu dieser Verantwortung und glaubt, dies auch in der Präambel deutlich zum Ausdruck gebracht zu haben.

Es gibt kein einziges Gesetz, das gegen die Menschenrechte oder gegen die Minderheiten verstößt. Im Gegenteil! Sehr viele positive Gesetze und Verordnungen wurden geschaffen; schauen Sie nur ins Burgenland. Vorbildlich wurde dort im Bereich Beschilderung, im Bereich Ortstafeln, im Bereich Namensgebung in Bezug auf die Rechte der Minderheiten sehr viel geleistet.

Herr Oberhaidinger sagt, wir sollten weiterlesen. – Jawohl, ich bin Ihrer Meinung. Lesen wir weiter! Die Schlussfolgerung des "Weisen"-Berichtes in Bezug auf die Minderheitenrechte im Wortlaut:

"Das österreichische Rechtssystem hat einen besonderen Schutz für die in Österreich lebenden Minderheiten geschaffen. Dieser Schutz besteht auf Verfassungsebene. Der den in Österreich lebenden Minderheiten durch das österreichische Rechtssystem gewährte Minderheitenschutz reicht weiter als der, der in vielen anderen europäischen Staaten gewährt wird." – Ich glaube, wir können stolz darauf sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich meine, dass dies wesentliche Schritte in die richtige Richtung sind. Aber wir wissen alle, dass wir nicht am Ziel sind und dass noch sehr viel Arbeit auf uns wartet. Herr Oberhaidinger sagt, wir haben Fehler gemacht und wir werden weiter Fehler machen. – Herr Oberhaidinger! Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass Sie in Opposition sind. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sollte heißen: Wir wissen, dass wir Fehler gemacht haben, aber wir werden es in Zukunft besser machen! Das ist der Auftrag dieser neuen Bundesregierung, und diesen Auftrag nehmen wir ernst. Diese Herausforderung nehmen wir ernst, und wir nehmen sie an, auch wenn wir sehr schlechte Rahmenbedingungen haben, auch wenn die Situation, das Erbe, das wir übernommen haben, sehr schwierig ist.

Auch im Bereich der Minderheiten, im Bereich der Einwanderung, im Bereich der Flüchtlinge wurde, wie Sie richtig sagen, zu wenig getan. Wir werden auch hier entsprechende positive Gesetze schaffen, die Sorgen und Nöte dieser Menschen erkennen und jene Maßnahmen umsetzen, die die Lebensqualität der Schwachen auf dieser Welt verbessern werden. Darum geht es


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nämlich. Es ist nicht ausschlaggebend, wer letztendlich als Sieger hier im Hohen Hause aus der Debatte hervorgeht, sondern Sieger sollten, so meine ich, jene Menschen sein, um die es geht. Und dafür setzen wir uns ein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, vielen ist nicht bewusst, warum wir Probleme haben, warum es zu Spannungen im Zusammenhang mit Einwanderung, Flüchtlingen und dem Thema betreffend die Schwächeren kommt. Sie wissen ganz genau, dass es ein Nord-Süd-Gefälle gibt, ein soziales Nord-Süd-Gefälle, ein wirtschaftliches Nord-Süd-Gefälle und wahrscheinlich bald auch ein Nord-Süd-Gefälle in ökologischer Hinsicht. Wissen Sie auch, wer unter anderem dafür verantwortlich ist? – Das ist unser Konsumverhalten, unser Lebensstil! Wir tragen alle die Verantwortung, entsprechende Beiträge zu leisten, gerechte Preise für Produkte einzufordern, die eben von anderswo herkommen. (Abg. Dr. Pilz: Dann schalten Sie den Strom ab!) Hier müssen wir sorgsam umgehen, und es ist wichtig, ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen – in der Bevölkerung, aber auch in der Politik.

Wir wissen, dass wir in vielen Bereich am Anfang stehen. Wir wissen, dass es auch große Widerstände und eben andere Interessenlagen gibt. Diese gilt es abzuwägen und entsprechende Entscheidungen – aber immer unter Bezugnahme auf die Machbarkeit – vorzunehmen. Es gibt nämlich Wünsche und Träume, aber es gibt auch etwas anderes, und zwar das, was machbar ist. Und vor dem Machbaren sollten wir uns nicht verschließen. (Abg. Dr. Pilz: Spitzel...!)  – Diese Diskussion werden wir bei der Behandlung der Dringlichen führen, Herr Pilz, und nicht jetzt, denn ich würde auch meine Zeit gerne den Menschenrechten widmen. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage Ihnen, wir werden dieses Machbare tun – auch angesichts der Tatsache, dass die Ausgangssituation sehr schwierig war!

In diesem Zusammenhang möchte ich auch einmal darüber reden, dass es auch in Österreich und speziell in der sozialistischen Partei so etwas wie Kavaliersdelikte gibt, die seit langer Zeit immer wieder da sind und offenbar zum Leben und zur politischen Einstellung dieser Partei gehören. Denken Sie nach! Frau Lunacek hat es richtig gesagt: Es ist so, dass Frauen durchschnittlich immer noch um 31 Prozent weniger verdienen als Männer, und die Frauen haben ein Recht darauf, dass sich das ändert. Ich glaube, dass das Aufbauen von Privilegien, das Schaffen von Privilegien nichts mit Menschenrechten zu tun hat und dass jene Menschen, die diese Privilegien nicht haben, auch das Recht auf entsprechende Lebensgrundlagen haben.

Ein wesentlicher Schritt ist meiner Meinung nach auch in den letzten Lohnverhandlungen mit den Beamten gesetzt worden. Zum ersten Mal ist es gelungen, nicht eine prozentuelle Lohnerhöhung festzulegen, sondern einen Sockelbetrag, einen Betrag, der für alle gerecht und gleich ist, einzuführen. Das ist auch ein Recht jener Menschen, die am unteren Ende der Einkommenspyramide stehen. Auch dazu haben wir uns bekannt, und wir werden Schritt für Schritt in die richtige Richtung gehen.

Es sind sehr viele wichtige Maßnahmen getroffen worden, viele wichtige Maßnahmen müssen aber noch folgen. Die Bundesregierung nimmt die Herausforderung an, die Standards in diesem Bereich zu erhöhen. Es ist wichtig, diesbezüglich auch Qualität zu haben. Wir nehmen die Herausforderung an, mit allen zu reden, wir verwahren uns aber gegen Verleumdung, gegen Verachtung, gegen Diskriminierung, gegen Intoleranz auch hier in diesem Hohen Haus.

Ich glaube, dass auch meine Gesinnungsfreunde – die Freiheitlichen – ein Recht auf Menschenrechte haben. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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40. Sitzung / Seite 70

14.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort gemeldet. – Er ist nicht da.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

14.06

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Als Lehrstück der Demokratie konnte man diese letzte halbe Stunde wohl nicht bezeichnen.

Zum Menschenrechtsbericht und ganz allgemein: Es gibt taktische Spiele, die sind so alt wie die Geschichte selbst. Wir haben zum Beispiel schon festgehalten, dass von Ihnen Täter zu Opfern gemacht werden (Abg. Mag. Trattner: Was sagen Sie zu dem Vergleich Milošević und Parlament?), aber es gibt auch ein Spiel, das heißt: "Wenn es Probleme im Inneren gibt, dann schaffe welche außerhalb." – Das Ziel ist klar: Ablenken von den eigenen Fehlern!

Solche Ablenkungsmanöver gehören zu den Hauptstrategien der Regierungsparteien, und ich möchte da ein paar Beispiele nennen, etwa die katastrophale Wahlniederlage der FPÖ in der Steiermark. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Denkt an eure eigene!) Was macht die FPÖ? Sie lenkt von ihren unzumutbaren Verhaltensweisen ab und beschuldigt den Koalitionspartner; man kann sogar sagen, sie droht, wie wir das ja alle in den Medien mitverfolgen konnten. (Abg. Mag. Trattner: Haben Sie gewonnen in der Steiermark? – Abg. Auer: Wer hat mehr Stimmen verloren?)

Weiteres Beispiel – und das konnte man beobachten, als es um die Rechte der Minderheiten ging –: Die FPÖ lenkt schnell ab! Das Ganze ist geschehen in einem Fernsehinterview zum 10. Oktober in Kärnten. Es wurden zum Beispiel keine Antworten gegeben hinsichtlich der Abschaffung der zweisprachigen Direktoren.

Oder, meine Damen und Herren, was glauben Sie, macht das Regierungsduo, wenn es um die Forderung geht, einen Menschenrechtsbericht zu verfassen, um die tatsächliche Situation in Österreich genauer anzuschauen, daraus zu lernen und Maßnahmen zu treffen, zu "evaluieren", wie das heute so üblich ist? Was passiert? – Ganz schnell, beinahe schon reflexartig erheben die Regierungsparteien die Zeigefinger und zeigen auf die anderen: Der Rest der Welt und Europa im Besonderen mögen zuerst ihre Berichte vorlegen. – Wieder einmal eine Vorgangsweise, die außenpolitisch nicht gerade als konstruktives Signal zu bewerten ist.

Leider, meine Damen und Herren, scheinen Themen wie Menschenrechte und die Würde von Menschen innerhalb der FPÖ und der ÖVP keine Bedeutung zu haben. Auch für diese meine Behauptungen gibt es Beispiele. Eines dieser Beispiele, wo es sogar abgebrühten Beobachtern der österreichischen Asylpraxis den Atem verschlug, war das Vorgehen des "einfachen Parteimitglieds" gegenüber einer Gruppe von Hilfe suchenden Asylanten. Wie unnotwendigen Hausrat stellt er sie gewissermaßen vor die Tür, wohl netterweise versehen mit einer Bahnkarte nach dem Motto: Aus den Augen – aus dem Sinn! Das ist eine sehr interessante Art der Problemlösung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Dieses Beispiel ist in der Kritik des UNO-Flüchtlingshochkommissariates noch gar nicht beinhaltet. Diese Kritik wurde in einer Studie veröffentlicht, und zwar im September dieses Jahres. Zwei Drittel aller Asylsuchenden werden mittlerweile an völlig überforderte private Organisationen abgeschoben. Die Zahl der obdachlosen Asylwerber steigt. Es ist auch interessant – nebenbei bemerkt –, dass die Betreuung der Flüchtlinge durch das Innenministerium innerhalb des letzten halben Jahres um 30 Prozent zurückgegangen ist.

Ein weiteres Beispiel betrifft die Frauenrechte, und zwar ebenfalls eine Kritik vom September 2000. Ein UN-Komitee kritisiert die Situation der Frauen in Österreich und das Auflösen des Frauenministeriums als einen der ersten Schritte der Regierung. Frauenfeindlichkeit ist offensichtlich angesagt, und ich brauche keine Personen hervorzuheben; es weiß ohnehin ganz Österreich, wen wir Frauen im Plenum das letzte Mal zum Rücktritt aufgefordert haben. Auch die Gründe dafür sind bekannt, nämlich die Verunglimpfung von Frauen – das steht auf der Tagesordnung. Dass die Ministerin, die die Frauenagenden mit übernommen hat, bei Frauenpolitik und Feminismus als erstes an Extremismus denkt, ist bedauerlich, kommt aber nicht wirklich unerwartet.

Zum aktuellen Beispiel, das jetzt schon mehrmals besprochen wurde, den Grundrechten der Menschen: Wie es die beiden Regierungsparteien damit halten, ist bekannt. Man könnte sagen,


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das ist ein Treten der Demokratie mit Füßen. Illegale Informationsbeschaffung und beliebige Bespitzelung von Bürgerinnen und Bürgern sollen zugedeckt werden, denn sonst könnte man das in einem Untersuchungsausschuss behandeln.

Wohin die Ermittlungen führen, ist auch bekannt. Sie führen laut Recherchen von Medien in den Dunstkreis des "einfachen Parteimitglieds" der FPÖ, das jetzt mit dem Rücken zur Wand Gift und Galle spuckt – selbst gegen den eigenen Koalitionspartner. Dieser Koalitionspartner, die ÖVP, benimmt sich wie das Kaninchen vor der Schlange und schafft es nicht, sich zu emanzipieren und die Fakten auf den Tisch zu legen.

Wenn man darauf achtet, welche Worte gewählt werden – weil vorhin von der Wortwahl gesprochen wurde –, dann stellt man fest, wie Menschen bezeichnet werden, nämlich als arbeitsloses Gesindel, als Parasiten und Drogendealer, als Westentaschen-Napoleons. Das sind die Bezeichnungen für Menschen in diesem Land und auch außerhalb.

Es ist schon klar, dass die FPÖ und die ÖVP keinen Menschenrechtsbericht und keinen Untersuchungsausschuss wollen. Gerade weil sie aber am Beginn ihrer Regierung die Präambel unterzeichnet haben, fordere ich sie auf, endlich zu ihrem Wort zu stehen.

Sollten Sie den Inhalt der Präambel vergessen haben, dann möchte ich ein paar Zitate daraus bringen, zum Beispiel:

"Die Bundesregierung tritt für Respekt, Toleranz und Verständnis für alle Menschen ein." (Abg. Dr. Zernatto: So ist es!) – So hofft man, dass es wäre.

"Sie verurteilt und bekämpft mit Nachdruck jegliche Form von Diskriminierung, Intoleranz und Verhetzung in allen Bereichen." – Eine Forderung, die im Raum steht, kann man nicht beantworten, oder man kann sie dann beantworten, wenn man weiß, wie die Tatsachen sind.

"Die Bundesregierung arbeitet für ein Österreich, in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden." – Dazu braucht man nichts zu sagen. (Abg. Schwarzenberger: Jawohl!)

"Sie wird jeder Form von menschenverachtendem Gedankengut und seiner Verbreitung konsequent entgegentreten ... Sie bekennt sich zu ihrer besonderen Verantwortung für einen respektvollen Umgang mit ethnischen und religiösen Minderheiten."

Sie haben noch die Chance, zuzustimmen, dass ein Menschenrechtsbericht erfolgt, damit man feststellen kann, wie die tatsächliche Lage in Österreich aussieht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. – Bitte.

14.15

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Posch hat sich heute Früh Sorgen um die Situation der Menschenrechte in Österreich gemacht. (Abg. Oberhaidinger: Zu Recht! – Abg. Dietachmayr: Zu Recht, Herr Kollege! Zu Recht!) Wenn er sich Sorgen macht, dann soll man die Menschenrechte im Vergleich sehen, und zwar im Vergleich zu Staaten, in denen eine weitgehend ähnliche (Abg. Oberhaidinger schickt sich an, den Plenarsaal zu verlassen)  – bleiben Sie ruhig da, Herr Kollege Oberhaidinger! – Situation herrscht. Diesbezüglich haben wir heute schon mehrfach über den Bericht der "drei Weisen" gesprochen.

Ich will einige andere Bereiche ansprechen, vor allem einen, der vor kurzem im Europarat – darüber müssten Sie auch Bescheid wissen – zur Sprache kam, nämlich die Situation der Asylanten auf den europäischen Flughäfen.

Da hat sich aber ganz eindeutig gezeigt, dass Österreich mit Abstand – mit Abstand! – am besten von allen europäischen Staaten abgeschnitten hat. Da Europa im Menschenrechtsbe


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40. Sitzung / Seite 72

reich – ich glaube, darin sind wir uns doch alle einig – führend ist, können wir mit Ruhe und Zufriedenheit sagen: Österreich hat am besten von allen Staaten der Welt abgeschnitten, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben aber nichts anderes im Kopf, als Österreich dauernd hinunterzuziehen. Das ist ein Spiel, das wir nicht mitmachen werden!

Andere Vorfälle – wenn wir schon beim Vergleichen sind – hat es zur Genüge gegeben. Wenn wir die jetzige tragische Entwicklung im Nahen Osten betrachten und auch schauen, was sich in vergleichbaren europäischen Staaten abspielt, dann sehen wir in Frankreich brennende Synagogen, in Großbritannien Attentate und in Deutschland andere entsprechende Vorfälle. Jospin, Blair, Schröder – all das sind sozialdemokratische Ministerpräsidenten. Sie sollten sich vielleicht einmal mit Ihren roten Genossen Sorgen darüber machen, wie die Situation der Menschenrechte in den von ihnen verwalteten Teilen Europas ausschaut, meine Damen und Herren! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir haben einen Zweiten, der sich heute auch schon lautstark und auch in der Öffentlichkeit Sorgen über die Situation der Menschenrechte in Österreich gemacht hat, nämlich Kollege Jarolim. Er ist wieder nicht da, vorher hat er sich allerdings ein paarmal lautstark aus dem Hintergrund gemeldet. Ich darf Sie nur immer wieder an den Aktenvermerk der Kanzlei Lansky erinnern, als es in seiner Anwesenheit, auch in der von Herrn Lansky selbst, in der der Frau Ex-Abgeordneten Hlavac, in der von Herrn Goldmann, in der von Staatsanwältin Nittel und einigen anderen um bedeutende Fragen der sozialistischen – nicht sozialdemokratisch, das war sozialistisch – Rechtspolitik gegangen ist und darum, dass jemand, nämlich Minister Einem, an einem neuen Parteiprogramm arbeitet.

Darin steht auch: Ein Punkt dieses Parteiprogramms ist auch die Würde des Menschen. – Dabei sollten Kurzprogramme geschaffen werden; man hat sich speziell mit dem Bereich Justiz befasst. Das Wichtigste im Bereich Justiz ist natürlich weniger die Gerechtigkeit als vielmehr das Gebiet der Personalpolitik. Auf diese Art und Weise hat man nämlich jahrzehntelang versucht, in Österreich Politik zu machen, indem man in allen möglichen Ministerien auf die Personalpolitik massiv Einfluss genommen hat und gegen den Willen sehr vieler Österreicher Richtungen erzwungen hat, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Jarolim und seine Genossen haben damals darüber nachgedacht, wie sich die Partei noch mehr als bisher – wie hat er so schön gesagt? – "einbringen" könne. Da ging es um das Richterdienstgesetz. Ansatzpunkt ist natürlich die Jugend, der Nachwuchs, die Rechtspraktikanten, bei denen sich in Richtung SPÖ anscheinend zu wenig getan hat: Hier wäre ein vernünftigeres Auswahlverfahren zu treffen und die jungen Genossinnen und Genossen zu ermutigen, in den Richterdienst zu gehen. – Vielleicht wollte man auch ein paar junge Studenten ermutigen, zu Genossinnen und Genossen zu werden, damit sie in den Richterdienst gehen können.

Diskutiert wird auf Anregung von Gabriel Lansky, wie es passieren kann, dass zum Beispiel im Medienrecht – da hat er allerdings sehr viel Phantasie gehabt – alle Instanzen blau sind und das auch nachweisbar ist. Dann – jetzt wird es interessant – kommt die Idee einer rechtssoziologischen Untersuchung. Richter und Parteibuch – derartige Erhebungen – so steht da – wurden schon gemacht. Welche Erhebungen haben Sie gemacht, meine Damen und Herren? Haben Sie vielleicht nach dem Motto der Steiermark überprüft, welche Parteibücher die Richter, Staatsanwälte und Angestellten der Justizverwaltung haben? Ist das Ihre Vorstellung von Recht, meine Damen und Herren von der SPÖ? – Dieser Herr Jarolim, der da mitgemacht hat, traut sich, über Menschenrechte zu reden. Das setzt dem Ganzen doch die Krone auf, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann hat sich Kollege Posch an Kollegen Ofner herangepirscht und durch selektives Zitieren versucht, ihm Worte in den Mund zu legen, die er – das weiß jeder, der in diesem Haus sitzt – nie in dieser Form geäußert hat. Er hat ihm mehr oder weniger vorgeworfen, dass er Infobeschaffung mit einer legalen Methode der Geldbeschaffung gleichsetzt. Davon war nie die Rede.


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Aber es gibt – das ist der Fall – schon seit Jahrzehnten in Österreich ganz legal Adressenvermittlungen, die von dieser Methode leben, Herr Kollege Posch, falls Sie noch nie etwas davon gehört haben.

Die andere Methode, die Sie unterstellt haben, Herr Kollege Posch – er ist leider nicht da (Abg. Schwarzenberger: Jetzt ist er gekommen!), er ist gekommen, umso schöner –, hat Kollege Harald Ofner garantiert nie so gesagt und auch nicht so gemeint. Mir fällt dazu nur ein alter Volksspruch ein, Herr Kollege: Wie der Schelm denkt, so ist er. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn es Besorgnisse um Menschenrechte in Österreich gibt, dann hätte ich einen weiteren Punkt, über den Sie nachdenken könnten, nämlich über die Berichterstattung gewisser Medien und gewisser Wochenmagazine, die wilde Beschuldigungen erheben – nicht nur Magazine, sondern auch Herr Neugebauer und so weiter.

Ich erinnere an die Zeit der Briefbomben-Affäre, als auf Grund solcher wilder Beschuldigungen zahllose Hausdurchsuchungen bei völlig unbescholtenen Personen in Österreich durchgeführt wurden. Es hat sich niemand dafür entschuldigt – weder in den Zeitungen noch in dem dafür zuständigen, damals sozialdemokratischen und um Menschenrechte so besorgten Ministerium. Es wurde nichts bewiesen, aber bei den Leuten blieb einiges zurück; vielleicht war es auch von manchen das, was man dabei gewollt hat.

Ich zitiere aus dem Buch des früheren Sicherheitsdirektor Sika über diese Situation, in dem dieser Mann, der gewusst hat, was in Österreich vorgeht, schreibt:

"Irgendwann muss es auch dem Dümmsten klar werden, dass nicht stimmen kann, wenn jeden Donnerstag ein neuer Täter präsentiert wird."

Weiter unten heißt es: "Weil die Österreicher es langsam begreifen, empfinden sie den Hinweis auf die unseriöse Berichterstattung eines Magazins bereits als Anspielung auf ,NEWS‘." – Soweit der damalige Sicherheitsdirektor.

"NEWS" – nicht ein Wort stimmt, und leider können sich viele Leute nicht entsprechend gegen solche Berichterstattungen wehren. Dann wundern sich vor allem die Grünen immer wieder, dass es zu – wie hat das vorhin geheißen? – bald 1 000 Klagen kommt. Sagen Sie mir, meine Damen und Herren von den Grünen, wie soll sich ein ordentlicher, anständiger Staatsbürger gegen eine derartige Fülle von Behauptungen und so weiter wehren können, wenn er nicht den Klagsweg wählt? Wo soll er anders Recht bekommen, wenn nicht vor Gericht?

Es gibt ein paar, die versuchen, sich ihr so genanntes Recht auf der Straße zu holen, indem sie vermummt Steine schmeißen. Das kann nicht der Weg sein. Aber Sie können doch nicht verurteilen, wenn ein Bürger dieses Landes ... Herr Kollege Öllinger! Vielleicht unterbrechen Sie jetzt Ihr Kaugummikauen und hören zu! Das gehört nämlich wirklich nicht in dieses Haus, aber es entspricht vielleicht Ihrem Weltbild! (Abg. Öllinger hält eine Rolle Pfefferminzdragees in die Höhe.) – Ja, das verbessert Ihren Mundgeruch, aber nicht Ihre Aussagen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn sich ein Bürger dieses Landes, Herr Kollege Öllinger, mit einer Klage gegen, wie er glaubt, erlittenes Unrecht wehrt, dann ist das sein gutes Recht, und Sie haben überhaupt kein Recht – überhaupt nicht das geringste –, das zu kritisieren. Wenn er Steine werfen würde, wäre es eine andere Situation, aber das tun diese Leute nicht. Viele von ihnen sind auch viel zu alt dazu. (Abg. Öllinger: Ich lese Ihnen dann etwas vor!)

Ich kann Ihnen ein praktisches Beispiel aus meinem eigenen Bereich nennen. Sie haben die "Aula" gelesen, ich lese auch Ihre linken Publikationen: von Frau Zöchling, Herrn Purtscheller und anderen Leuten wie Herrn Scharsach und so weiter. Es kommen natürlich zwangsweise auch immer wieder unglaublich viele Unwahrheiten darin vor. Ich habe mir auch schon oft überlegt, ob ich nicht klagen soll. Es war mir bisher zu blöd, aber das wird sich in Zukunft sicherlich ändern. (Zwischenruf des Abg. Heinzl. )


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Jetzt bringe ich Ihnen wieder ein Beispiel für Bespitzelung. Vor über 20 Jahren war ich politisch in keiner Form tätig. Ich lebte in Oberösterreich, und einer dieser vorher zitierten Autoren, Herr Scharsach, glaube ich, bringt ein Beispiel über den damals jungen Offizier Wolfgang Jung, der einen Vortrag gehalten hat über "Vom Ich zum Wir". Wolfgang Jung war damals in einer Studentenverbindung tätig. (Abg. Öllinger: Mhm!) – Herr Kollege Öllinger! Mhm! Wie kommt Herr Scharsach zu dieser Information? – Das frage ich Sie schon. Über Wolfgang Jung konnte damals im Strafregisterauszug noch nicht einmal gestanden sein, dass er, wie vor vier Monaten, bei Gelb über eine Ampel gefahren ist – sonst kann man ihm nichts nachweisen. (Abg. Öllinger: " Aula"! Die "Aula" ist eine Fundgrube! Die "Aula" ist eine Fundgrube! "Aula"!) Vielleicht war es die Stapo, die damals mehr als links war, von der er auf illegalem Weg Informationen bekommen hat. Auch die "Aula" hat nicht darüber geschrieben. Man hat unzählige Staatsbürger hinter ihrem Rücken bespitzelt, und man hat sich auch auf verschiedenste Art und Weise Stapo-Informationen beschafft.

Jetzt sage ich noch etwas zu dieser Studentenverbindung, die Sie so angehen, auch schon während der Ausführungen des Kollegen Graf: Aus dieser Verbindung, aus der gleichen Zeit gab es drei Abgeordnete dieses Hauses aus zwei verschiedenen Parteien und einen sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten. So furchtbar kann es in diesen Studentenverbindungen nicht zugehen. Es herrscht dort – das kann ich Ihnen sagen – mehr Toleranz als in diesem Bereich und Sektor dieses Hauses, Herr Kollege! Das sage ich Ihnen auch in aller Deutlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn es also darum ginge, nachzudenken, wo man die Menschenrechtssituation verbessern könnte, dann wäre eine wesentliche Anregung an Sie: Schauen Sie sich einmal die Art und Weise an, wie manche Magazine und Zeitungen berichten und wie man dem Staatsbürger die Rechte geben kann, sich in geeigneter Form dagegen zu wehren. Darüber sollten sich Kollege Posch und seine Genossen zu Recht Gedanken machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte. (Abg. Dr. Martin Graf: Die Grünen und die RAF – das wäre auch lohnend, wenn man das einmal bearbeitet! Das würde Bände und Bücher füllen!)

14.26

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr – bedauerlicherweise wieder nicht anwesender – Bundeskanzler Schüssel! Die Frage der Menschenrechte in Österreich muss schon ein ganz "wichtiges" Thema für die Regierungsparteien sein, wenn sie es schaffen, nicht einen einzigen Minister für dieses Thema gewinnen zu können, der Interesse daran hätte. Das ist bedauerlich, ist aber auch bezeichnend dafür. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Wo ist Kostelka? – Abg. Dr. Martin Graf: Früher ist immer Staatssekretär Wittmann da gesessen!)

Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, immer noch glauben, dass es in Österreich keine Menschenrechtsverletzungen gibt, dann ersuche ich Sie höflich, endlich Ihre Schallklappen von den Ohren und Ihre Augenbinden von den Augen abzunehmen, um sich einmal der Realität zu stellen.

Meine Damen und Herren! Ihnen ist anscheinend bis heute entgangen, dass, seit Sie in der Bundesregierung sind, nicht nur die Sprache in diesem Haus verroht ist, sondern dass auch draußen bei den Menschen jetzt plötzlich Dinge, die man sich vorher nicht getraut hat, einfach selbstverständlich sind. (Abg. Steibl: Und die Grünen tragen sicher etwas dazu bei! So polemisieren wie Sie tut keiner!) Ich kann Ihnen das anhand einiger Beispiele belegen.

Es ist heute inzwischen wieder selbstverständlich, dass behinderte Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr mitgenommen werden. Das hatten wir schon hinter uns, jetzt ist es wieder salonfähig. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch wieder salonfähig, dass man behinderte Menschen aus Verkehrsmitteln hinausekeln will. (Abg. Steibl: Das geht zu weit – auch wenn man Rücksicht nimmt!) Es ist auch wieder


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salonfähig geworden, dass man behinderte Menschen in Kosten-Nutzen-Analysen aufrechnet und sagt: Wenn ihr etwas haben wollt, dann sollen es andere abgeben – siehe Besteuerung der Unfallrenten.

Es ist auch wieder zum Selbstverständnis dieser Bundesregierung geworden, dass behinderte Kinder darum streiten müssen, ob sie in die Regelschule eingegliedert werden können oder nicht. (Abg. Dr. Martin Graf: Das stimmt doch gar nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das hatten wir alles hinter uns, aber bedauerlicherweise haben wir diese Probleme jetzt wieder vor uns. Das ist das Ergebnis dieser Bundesregierung! (Abg. Dr. Grollitsch: Sie sind schlecht informiert! – Abg. Dr. Pumberger: Wo haben Sie das gelesen? Im "Falter"?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Sie haben anscheinend noch immer nicht verstanden, dass es auch in Österreich nicht mehr selbstverständlich ist, wenn man zu einer Minderheit gehört, dass man dort wohnen darf, wo man ganz gern wohnen möchte. Vielleicht habe Sie mitbekommen, was in Kärnten mit Ihrem blauen Landeshauptmann beziehungsweise dem schwarzen Bürgermeister Scheucher in Klagenfurt gelaufen ist.

Dort wurde dezidiert in einer Siedlung, nämlich in Viktring, verhindert, dass behinderte Menschen in ein Haus einziehen konnten. (Abg. Mag. Schweitzer: Das hat der Landeshauptmann verhindert? Wie hat er das gemacht?) – Dies ist erfolgreich passiert, weil sich Landeshauptmann Haider, der sich immer als der Vertreter des kleinen Mannes oder der kleinen Frau darstellt, dazu bis heute ausgeschwiegen hat und noch beharrlich ausschweigt. Das konnte passieren, weil ein schwarzer Bürgermeister auch nicht hinter der Gruppe der Behinderten gestanden ist, sondern hinter der Gruppe der so genannten normalen Bürger, die behinderte Menschen nicht mehr in ihrem Wohnumfeld haben will (Abg. Mag. Schweitzer: Was hat der Landeshauptmann gemacht?), und das ist die Realität. (Abg. Mag. Trattner: Was werfen Sie ihm jetzt vor? Was werfen Sie ihm jetzt vor? Was werfen Sie ihm jetzt vor? – Abg. Mag. Schweitzer: Was hat er getan? Was hat er getan?)

Ich werfe ihm vor, dass er sich nicht mit einem einzigen Wort hinter die Minderheit der behinderten Menschen gestellt hat und sich dafür stark gemacht hat, dass sie in dieser Siedlung genauso wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger, die dort wohnen wollen, wohnen können. Das werfe ich ihm vor! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie ihn informiert? Haben Sie ihn informiert?)

Wenn ein Landeshauptmann nicht weiß, was in seinem Land vorgeht, auch wenn es alle Medien schreiben, dann tut er mir persönlich Leid. Ich bin sicher die Letzte, die in Zukunft die Informationsstelle für Landeshauptmann Haider sein will oder wird. (Abg. Dr. Martin Graf: Das war eine rote Genossenschaft!) Es wäre schon seine Aufgabe als Landeshauptmann, sich um die BürgerInnen seines Landes zu kümmern. (Abg. Mag. Schweitzer: Das war dem Genossen Posch seine Genossenschaft! Das war dem Posch seine Genossenschaft!)

Aber ich lasse mich jetzt von Ihnen nicht mehr unterbrechen, Herr Schweitzer! (Abg. Mag. Schweitzer: Warum? Diskutieren wir es aus!) Sie können all das in den Zeitungen nachlesen. Sie wissen sonst so gut, wie man zu Informationen kommt, also werden Sie auch zu dieser Information (Abg. Mag. Trattner: Erzählen Sie es uns hier!), die in allen Zeitungen gestanden hat, kommen, wenn Sie nur wollen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Schweitzer: Bitte informieren Sie uns! – Abg. Dr. Martin Graf: Das Zeitung-Lesen lasse ich mir nicht verbieten von Ihnen!)

Oder, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben Sie gewusst, dass jetzt auch Folgendes wieder salonfähig ist: Ich habe ein Schreiben von einem Betroffenen, der jetzt in dieser neuen Bundesregierung – der Mann ist behindert – von einem Ministerium ins andere versetzt wurde. Dieser Mann muss jetzt in einem Büro arbeiten, das vergitterte Fenster hat. Wenn er seine Akten von einem Stock in den anderen bringen muss, dann darf er die ehemalige Kanzlei, in der er vorher beschäftigt war, nicht mehr betreten. – Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist


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Diskriminierung von behinderten Menschen auf dem Arbeitsplatz! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist Menschenrechtsverletzung, wenn Sie heute Menschen auf einen Arbeitsplatz setzen, der vergitterte Fenster hat, und dem Sie den Zutritt zu Räumen, zu denen er immer Zutritt hatte, verwehren. (Abg. Dr. Pumberger: Da haben Sie schlecht geträumt heute!)

Herr Abgeordneter Krüger! Ich spreche Sie jetzt ganz persönlich an. Ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass wir in Österreich die Menschenrechte wahren und ausbauen. (Abg. Mag. Trattner: Kennen Sie nicht den Bericht der "drei Weisen"? Oder suchen Sie immer nur das Negative?)

Es gibt in Österreich noch genug Menschen und Menschengruppen, die tagtäglichen Diskriminierungen ausgesetzt sind – ob es sich um psychisch behinderte, ob es sich um körperlich behinderte oder um Menschen anderer Nationalitäten handelt. (Abg. Mag. Schweitzer: Nirgendwo sind die Minderheitenrechte von so hohem Standard wie in Österreich! Das haben wir schriftlich!) Diese Gruppe braucht Schutz. Diese Gruppe braucht Rechte. Diese Gruppen haben in Österreich kaum Menschenrechte, weil es in Österreich nämlich so wenig gibt, und behinderte Menschen brauchen ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz. Ihre Fraktionen, die ÖVP und die FPÖ, sind massiv daran beteiligt, dass es dieses Gleichstellungsgesetz noch nicht gibt.

Ich glaube, das ist in einer Republik, wie Österreich eine ist, in einem Staat, der zu einem der reichsten Länder der Welt gehört, wirklich schon lange überfällig, dass auch Minderheiten endlich ihre Menschenrechte abgesichert bekommen. Dass Minderheiten keine Rechte oder noch fast keine Rechte in Österreich haben, ist auch der Grund dafür, dass Sie natürlich berechtigterweise verhindern wollen, dass es jährlich einen österreichischen Menschenrechtsbericht gibt. (Abg. Haller: Weit über dem Standard!) Darin müssten diese Dinge stehen, und so lange Sie verhindern können, dass diese Menschenrechtsverletzungen schwarz auf weiß publiziert werden, so lange haben Sie immer noch die Chance abzustreiten, dass es in Österreich eklatante Menschenrechtsverletzungen gibt. (Abg. Dr. Pumberger: Sagen Sie, dass die "drei Weisen" gelogen haben?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wie können Sie es denn begründen, dass Minderheiten – und zwar ausschließlich Minderheiten – immer noch für Jobs herangezogen werden, für die sie nicht einmal ein Taschengeld bekommen? – Auch das ist eine Menschenrechtsverletzung, denn arbeiten zu müssen, ohne dafür einen Schilling Lohn zu bekommen, meine Damen und Herren, ist Versklavung. Diese Methode gibt es noch in Österreich, sie wird auch weiterhin stark gestützt und ausgebaut.

Sie haben heute schon die Frage gestellt: Wer muss sich denn in Österreich fürchten? – Kein Mensch muss sich in Österreich fürchten. – Ich hoffe, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Sie auf Grund der paar Beispiele, die ich Ihnen heute gebracht habe, zumindest kapieren, wer sich in Österreich tatsächlich schon wieder fürchten muss und in Zukunft noch viel mehr fürchten wird müssen.

Diese Furcht, die wir jetzt wieder haben, und diese Bedrohung, der wir jetzt wieder ausgesetzt sind, haben eigentlich zum Teil schon der Vergangenheit angehört. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Jetzt sind sie innerhalb von nicht einmal einem Jahr wieder zur Realität geworden. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, können Sie nicht verkennen, wenn Sie auch nur ein Stück weit bereit sind, endlich Ihre Ohrenklappen und Ihre Augenbinden abzulegen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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14.37

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort gemeldet. Gemäß § 58 Abs. 1 GOG werde ich ihm das Wort dazu nach Schluss der Debatte erteilen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.

14.37

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Haidlmayr, Sie wissen selbst, dass diese Vorwürfe in Bezug auf die Behindertenpolitik der Bundesregierung ungerecht und überzogen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gerade die Politik in dieser Richtung ist ein Hauptziel der Bemühungen der neuen Bundesregierung. (Ah-ja-Rufe bei den Grünen.) Sie wissen auch, dass die Besteuerung der Unfallrente zum einen ein Akt der Gerechtigkeit in Bezug auf die Invalidenrenten war und zum anderen damit auch eine Behindertenmilliarde aufgebracht wird, die genau in die Richtungen investiert wird, die Sie hier angekreidet haben. (Abg. Dr. Pilz: Humanität! Treffsicherheit zwischen den Augen! – Abg. Öllinger: Humanität!)

Meine Damen und Herren! Der Menschenrechtsausschuss sollte vor dem Plenum einen Bericht mit dem Ergebnis abgeben, dass in diesem Lande die Menschenrechte eingehalten werden und dass es eine Regierung hat, die sich permanent bemüht, das auch sicherzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Öllinger: Das steht schon zu Beginn fest, das Ergebnis!)

Frau Kollegin Muttonen hat auszugsweise die Präambel der Bundesregierung zitiert. Ich mache das ausführlich, weil Sie das nicht gerne hören, Sie sich das aber anhören sollten. (Abg. Öllinger: Sagen Sie das Ihrem freiheitlichen Minister! Sagen Sie das Herrn Schmid! Sagen Sie das Herrn Schmid!)

Diese Bundesregierung, meine Damen und Herren der Linken, "tritt für Respekt, Toleranz und Verständnis für alle Menschen ein, ungeachtet ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung. Sie verurteilt und bekämpft mit Nachdruck jegliche Form von Diskriminierung, Intoleranz und Verhetzung in allen Bereichen. Sie erstrebt eine Gesellschaft, die vom Geist des Humanismus und der Toleranz gegenüber den Angehörigen aller gesellschaftlichen Gruppen geprägt ist."

Diese "Bundesregierung arbeitet für ein Österreich, in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden. Sie wird jeder Form von menschenverachtendem Gedankengut und seiner Verbreitung konsequent entgegentreten und sich für die volle Beachtung der Rechte und Grundfreiheiten von Menschen jeglicher Nationalität einsetzen – gleichgültig aus welchem Grund sich diese in Österreich aufhalten."

Meine Damen und Herren! Die Einhaltung dieser Präambel ist von den "drei Weisen" der EU überprüft worden. Ich weiß schon, Sie haben sich mit Händen und Füßen bemüht, dass in den "Weisen"-Bericht auch noch kritische Passagen vor allem über die Freiheitliche Partei hineinkommen. Aber dennoch wird in diesem Bericht der "drei Weisen" klar festgestellt, dass sich die Bundesregierung an diese Präambel hält – egal, ob Ihnen das gefällt oder nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Und was steht über die Freiheitlichen drinnen? – Abg. Haigermoser: Öllinger, Ruhe!)

Und weil auch viele meiner Vorredner und Vorrednerinnen die Verrohung der Sprache angeführt haben, sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, dass Sie uns Freiheitliche immer wieder zwingen, die Beispiele zu nennen: Ein Europa-Parlamentarier der SPÖ bezeichnet die Freiheitlichen als "Heckenschützen". In Ihrem Dunstkreis gibt es Menschen, die glauben, dass man Haider erschießen sollte! Es gibt nach wie vor SPÖ-Funktionäre, die angekündigt haben, wenn nötig zu den Waffen zu greifen. Meine Damen und Herren! Es sind Ihre Sympathisanten, die auf die Straße gehen mit den Tönen "Widerstand! Widerstand! Haider, Schüssel an die Wand!"

Meine Damen und Herren der Linken! Sie sollten, wenn Sie in einem Glashaus sitzen in Bezug auf die Verrohung der Sprache, nicht mit Steinen werfen. Wir wollen schlicht und einfach Fairness von Ihrer Seite. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Schwarzenberger. )

Sie machen mit diesem Thema auch unser Land in unverantwortlicher Weise schlecht. Sie machen unser Land schlecht, und Sie missbrauchen das Thema Menschenrechte zu Unrecht zur innenpolitischen Auseinandersetzung mit der Regierung.


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Meine Damen und Herren! Ihre Vorwürfe, die Sie hier formuliert haben, entbehren jeglicher Grundlage! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.41

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. – Bitte. (Abg. Haigermoser  – in Richtung SPÖ –: Das Einnehmen von Speisen und Getränken ist nicht gestattet!)

14.41

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Debatte schon in mehrfacher Weise darüber diskutiert worden, wie wichtig und wie wesentlich die Sensibilität in der Sprache ist, wenn es um Menschenrechte geht. Ich bin auf meinem Platz gesessen und habe sehr aufmerksam Frau Abgeordneter Haidlmayr zugehört, ich habe aber auch sehr aufmerksam mitverfolgt, wie Herr Abgeordneter Schweitzer und andere in einer unglaublichen Art und Weise hier mit Frau Abgeordneter Haidlmayr konferiert haben. Das, was dabei vermittelt wurde, ist nicht ein "normaler" – sage ich jetzt einmal – Dialog, wie er zwischen Rednern am Rednerpult und Abgeordneten im Plenum erfolgt, sondern da ist etwas anderes vermittelt worden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Trattner: Was denn?) Genau das ist es! (Abg. Mag. Trattner: Was ist denn vermittelt worden?) Genau das sind die Beispiele. Genau darum geht es (Abg. Mag. Schweitzer: Sie sagen die Unwahrheit!), wenn es gilt, Sensibilität in Sachen Menschenrechte zu haben oder nicht. Es geht darum, ob man sie ernst nimmt (Abg. Mag. Trattner: Wir nehmen das sehr ernst!) oder ob man das Ganze als lästiges, als lustiges Geplänkel ansieht. Und das vermitteln Sie die ganze Zeit hier! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Haigermoser: Sie können noch so grimmig schauen, wir nehmen Ihnen das nicht ab! Ein grimmiges Geschau ist noch nicht Glaubwürdigkeit!)

Herr Abgeordneter Bösch hat gerade wieder die Präambel des Regierungsübereinkommens in den Mund genommen. Ich möchte nur in Erinnerung rufen: Diese Präambel hat der Herr Bundespräsident für Sie verfasst, und der Herr Bundespräsident hat es ja gar nicht einmal so schwer gehabt, diese Präambel zu schreiben, denn das, was er dort geschrieben hat, müsste normalerweise eigentlich keiner Bundesregierung in Österreich ins Stammbuch geschrieben werden, weil es um die allgemeinen Menschenrechte geht, die 1948 proklamiert wurden und wovon man eigentlich meinen müsste, dass niemand – auch nicht der Herr Bundespräsident oder schon gar nicht der Herr Bundespräsident – darauf achten müsste, dass sie eingehalten werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Finanzminister hat heute ... (Abg. Haigermoser: Hören Sie doch auf! Es hört Ihnen keiner zu!) Ja, das geht die ganze Zeit so. Es ist auch sinnlos. Sie wollen sich mit dem Thema Menschenrechte nicht auseinander setzen. Das, was ich hier sage, sage ich vielleicht an die Adresse der Opposition, vielleicht an die Adresse der hier Zuhörenden (Abg. Haigermoser: Kommen Sie endlich zu den Inhalten!), aber ich glaube nicht, dass wir dort (in Richtung der Freiheitlichen) auf offene Ohren stoßen werden in Sachen Menschenrechte. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Alle mögen sich ein Bild davon machen, wie ernst wir es nehmen, wenn wir über Menschenrechte diskutieren hier in diesem Saal, hier in diesem Hause. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Mag. Trattner: Ja, das sieht man an eurer Anwesenheit! Ein Drittel Anwesenheit!)

Heute Vormittag hat uns der Herr Finanzminister angekündigt, wir müssen einen neuen, einen anderen Staat bauen. – Jawohl, das ist eine Ankündigung, meine Damen und Herren. Nur ein einziges Beispiel aus seiner Budgetrede, und das hat mit Menschenrechten zu tun; ich hätte Dutzende anderer Beispiele auch nehmen können, aber ich nehme nur ein Beispiel heraus. (Abg. Mag. Trattner: Nimmt der Gusenbauer an einer Abstimmung teil heute? Kommt er zu einer Abstimmung? – Abg. Silhavy: Der Westenthaler ist auch dauernd weg!) Er spricht im Zusammenhang mit der Pensionsreform vom Mehr-Säulen-System und sagt dann einen sehr, einen sehr bezeichnenden Satz, würde ich meinen, und zwar: Mit der Zweckwidmung des halben Arbeitnehmerabsetzbetrages ist ein erster wichtiger Schritt in eine hochattraktive Eigen


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vorsorge gelungen. (Abg. Mag. Trattner  – in Richtung des Abg. Dr. Gusenbauer, der eben seinen Platz einnimmt –: Stimmst du heute mit?)

Ich denke, genau das, genau diesen Satz hat er in Sachen Menschenrechte der Supermarkt-Kassiererin ins Stammbuch geschrieben, meine Damen und Herren. Genau das hat er offensichtlich gemeint: die attraktive Eigenvorsorge, die attraktive Maßnahme für alle, die offensichtlich ja so viel zur Verfügung haben, dass sie auch diese zusätzliche Versicherungsleistung tragen können, meine Damen und Herren. (Abg. Haigermoser: Was hat das mit den Menschenrechten zu tun?)

Und dann nehme ich ein nächstes Papier zur Hand, und das ist sie, die Menschenrechtserklärung aus dem Jahre 1948. Darin sind eben solche Artikel enthalten, in denen es um die soziale Sicherheit, um das Recht auf Arbeit, um die soziale Betreuung geht. Das sind die Menschenrechte, meine Damen und Herren! (Abg. Haigermoser: Da hätten Sie Zeit genug gehabt während Ihrer Regierungszeit!)

Heute ist schon sehr oft darüber diskutiert worden, was alles im Menschenrechtsausschuss nicht diskutiert werden sollte. Es ist gar nicht schwierig: Nehmen Sie sich diese Artikel zur Hand und lesen Sie nach! (Abg. Dr. Martin Graf: Dieser Mehrheit in diesem Haus war es vorbehalten, dass es diesen Ausschuss überhaupt gibt! Vorher haben Sie ihn 30 Jahre nicht zugelassen! 30 Jahre hat sich die SPÖ gewehrt, dass es diesen Ausschuss gibt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Und es ist auch festzustellen, Herr Abgeordneter Graf: Niemand – das haben einige unserer Abgeordneten heute hier schon gesagt –, niemand, absolut niemand (Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben es verhindert, dass es diesen Ausschuss gibt! Diese Mehrheit hat es erst möglich gemacht!), egal, ob in Österreich oder in anderen Ländern (Abg. Dr. Martin Graf: Eine Doppelmoral ist das!), darf sich irgendwohin stellen und sagen, dass das Thema Menschenrechte nicht auch etwas ist, weswegen wir uns ständig – ständig! – auf die eigene Brust klopfen müssen. Und diesen Anspruch nehme ich für die Sozialdemokratie wahr, andere verweigern diesen Anspruch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Das ist ja peinlich, was Sie da verzapfen!)

Es ist nicht einfach mit dem Thema Menschenrechte, und wir haben uns mit diesem Thema auch ständig intensiv auseinander zu setzen – egal, wie diese Partei heißt, egal, wie die Personen heißen. Es ist nur die Frage: Nimmt man es ernst oder nimmt man es nicht ernst? Es fallen diese Rechte nicht einfach beim Dach herein, meine Damen und Herren. (Abg. Haigermoser: Eine peinliche Selbstgerechtigkeit, die Sie da an den Tag legen!) Sie legen keinen Wert darauf. Wir erkennen das ständig; auch in Ihren Debattenbeiträgen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Martin Graf: 30 Jahre hat die SPÖ diesen Ausschuss verhindert! – Abg. Haigermoser: Ja, genau!)

Herr Graf! Sie können noch so laut rufen, Sie können noch so laut schreien, Sie bestätigen nur das, was ich eingangs hier an diesem Rednerpult gesagt habe, und insofern, glaube ich, können Sie ruhig so weitertun (Abg. Haigermoser: Das werden wir auch tun!)  – die Bestätigung macht mich sicher.

Sie reden die Wirklichkeit zurecht, meine Damen und Herren, und Sie reden die Proteste klein. Herr Abgeordneter Westenthaler hat gemeint, kein Stein werde auf dem anderen bleiben. O wie wahr, meine Damen und Herren! Und Herr Abgeordneter Ellmauer hat heute ein weiteres Mal von den Best-Practice-Methoden gesprochen. "Best practice" ist modern, die EU-Staaten sollen herangezogen werden. Wo sind denn unsere besten Praktiken in Österreich, meine Damen und Herren? – Der Menschenrechtsbericht hätte – unter anderem – aufzeigen können, wo die besten Praktiken in Österreich sind. – Nein, Sie wollen vielmehr andere Staaten beobachten, andere Staaten beäugen, aber selbst sind wir ja absolut ohne Schuld.

Dies hat mir heute zunächst einmal die Rede des Herrn Finanzministers und auch die Debatte, die wir mittags im Zusammenhang mit der Geschäftsordnung hatten, bestätigt: Demokratie bedeutet nicht, sich das demokratische Recht zu nehmen, demokratische Freiheiten in Frage zu


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stellen, meine Damen und Herren. Das ist nicht gemeint! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber. )

Frauenrechte sind ganz besonders Menschenrechte, und darauf möchte ich auch noch zu sprechen kommen. Das wird wahrscheinlich auch wieder ein Thema sein, das da nichts verloren hat, auch nicht im Menschenrechtsausschuss – das haben wir heute alles schon gehört –, aber wenn ich mir anschaue, welche Maßnahmen von Ihnen demnächst hier in diesem Haus beschlossen werden – von den Kürzungen bei der Arbeitslosenunterstützung angefangen über all die Erschwernisse und Benachteiligungen, die Sie Alleinerzieherinnen aufbürden, gerade auch im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld –, wenn ich mir die Maßnahme der Bestrafung der kinderlosen Frauen anschaue und vieles andere mehr, dann haben wir alle Hände voll zu tun, meine Damen und Herren, das Thema Menschenrechte, das Thema Frauenrechte und Menschenrechte intensiv zu diskutieren – in Österreich und vor allen Dingen auch hier im Parlament. (Abg. Rosemarie Bauer: Sie wollten die Witwenpension in Frage stellen!)

Frau Abgeordnete Bauer! Wir können und wir werden diese Debatte noch führen. Es geht nicht darum, dass eine faire Regelung geschaffen wird in Sachen rechtmäßiger und notwendiger Finanzierung einer Mitversicherung, es geht darum, dass hier zwischen kinderlosen Frauen und Frauen, die Kinder geboren haben, egal, wie die Lebensumstände gerade sind, unterschieden wird. Sagen Sie mir ein Beispiel, wodurch sich eine 50-jährige Frau, die kein Kind geboren hat, von einer Frau unterscheidet, die mit 20 ein Kind geboren hat und mittlerweile ein 30-jähriges Kind hat. Wo bitte ist der Unterschied – außer, dass eine bestraft werden soll, außer, dass eine diskriminiert werden soll, weil sie, aus welchen Gründen auch immer, kein Kind zur Welt gebracht hat, meine Damen und Herren? Und dagegen verwehren wir uns! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Großruck: Die eine ist Mutter, die andere nicht!)

Genau! Sie haben es mir bestätigt. Herzlichen Dank! Nicht mehr wollte ich hören. Genau diese Unterscheidung treffen Sie, und ich behaupte, diese Unterscheidung ist diskriminierend, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Murauer: Wie nennen Sie die Frauen mit Kindern? Wie nennen Sie die?) Tun Sie so weiter! Sie bestätigen nur unsere Analyse, meine Damen und Herren, auch Sie von der Volkspartei. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Grünen und der ÖVP.)

Ich rede auch noch zum Thema "Gewalt gegen Frauen und Kinder". Auch dazu findet eine sehr eigenartige Debatte statt, eine äußerst eigenartige Debatte. Da wird von Gewalttätern gesprochen, von Unbekannten, von großen, dunklen Unbekannten, vielleicht auch dunkler Hautfarbe, die Frauen und Kindern Gewalt antun. Wenn einzelne solche Fälle passieren, ist es schlimm genug, aber Sie sprechen nicht darüber, dass 80 Prozent der Gewaltdelikte gegen Frauen und Kinder im häuslichen Bereich stattfinden, meine Damen und Herren. Das ist blind, das ist eine einseitige Debatte. Es ist notwendig, dass wir uns bei der Debatte über Gewalt gegen Frauen und Kinder ganz besonders um den häuslichen Bereich kümmern. Und nur die Eigenständigkeit der Frauen, nur das eigenständige Leben wird ihnen auch die Sicherheit bringen, dass sie sich aus derartigen Gewaltverhältnissen aus eigenem befreien können und diese nicht jahrelang, jahrzehntelang erdulden müssen, meine Damen und Herren. Das wäre konsequente Politik. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Und noch ein Thema – Frau Abgeordnete Lunacek hat schon darauf hingewiesen –, die Debatte um den § 209 Strafgesetzbuch. Ich habe auch mit großer Aufmerksamkeit im letzten Menschenrechtsausschuss verfolgt, dass Abgeordnete, dass Vertreter der ÖVP gesagt haben, darüber müsse man nachdenken. Wir haben schon im Ausschuss versucht, dieses Nachdenken etwas zu beschleunigen, es ist nämlich eine ganz einfache Angelegenheit: Dieser § 109 muss ersatzlos gestrichen werden, meine Damen und Herren, und dieses eine Wort – "entfällt" – im Strafgesetzbuch hätten wir ganz schnell geschafft. Darüber brauchen wir wirklich nicht lange zu diskutieren. (Abg. Haller: 209, aber nicht "109"!) Ich weiß nicht, mit welchen Varianten Sie kommen werden, ich höre nur – und das sage ich jetzt an dieser Stelle –, dass die Absicht besteht, zwar das Schutzalter auf 16 Jahre abzusenken, aber gleichzeitig für alle anderen das Schutzalter auf 16 Jahre anzuheben. (Abg. Haller: Reden Sie vom § 209?) Damit würden zwar homosexuelle Paare in dieser Frage entdiskriminiert, aber jegliche Sexualität kriminalisiert,


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meine Damen und Herren. (Abg. Rosemarie Bauer: 209 heißt das!) Wenn das Ihre Perspektive ist, dann weiß ich auch nicht, wo wir stehen und was wir hier den Menschen, vor allen Dingen den jungen Menschen, in Zukunft antun. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Petrovic. )

Menschenrechte sind unteilbar, meine Damen und Herren, und sie vertragen es nicht, dass man sie – auch nicht durch Zwischenrufe – relativiert oder ins Lächerliche zieht. Es ist Aufgabe der Politik, Menschen zu sensibilisieren, nicht zu spalten. Doch genau das passiert jetzt. Es ist Aufgabe der Politik und aller Politikerinnen und Politiker, die Menschen darauf vorzubereiten, die Menschen dorthin zu führen, dass es Akzeptanz gibt, Akzeptanz zwischen und unter den Menschen – Toleranz wäre mir da viel zu wenig –, und dass diese Menschenrechte tatsächlich etwas sind, worum wir uns tagtäglich bemühen müssen, worüber wir aber nicht endlose Debatten hier im Hohen Haus abhalten sollten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Mag. Schweitzer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. (Abg. Dr. Pilz: Ach so! Und meine kommt als Letztes dran?! – Abg. Mag. Prammer: Was ist da los? – Abg. Silhavy: Auch eine Diskriminierung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

14.56

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Kollegin Prammer, ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken, wenn Sie sich hierher stellen und etwas von sich geben, was nicht stattgefunden hat. Sie haben behauptet, dass ich mit Kollegin Haidlmayr in einer Art und Weise diskutiert hätte, die sich nicht gehört. (Abg. Silhavy: Sie haben gar kein Gespür! Sie können sich gar nicht artikulieren!)

Ich habe mit Kollegin Haidlmayr in keiner Art und Weise diskutiert, die sich nicht gehört, sondern ihr eine Frage gestellt, die sie mir auch beantwortet hat, Frau Kollegin Prammer, und zwar in einer sehr höflichen Art und Weise. Das heißt, das, was Sie hier darzustellen versucht haben, hat nicht stattgefunden und entspricht deshalb nicht den Tatsachen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.57

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich unterbreche jetzt die Sitzung bis 15 Uhr zur Behandlung der Dringlichen Anfrage.

(Die Sitzung wird um 14.57 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred Gusenbauer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend FP-Spitzelaffäre – illegale Weitergabe von Polizeidaten an Dritte (1349/J)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen jetzt zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 1349/J.

Da diese in der Zwischenzeit allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Anfang Oktober 2000 hat der ehemalige hochrangige Funktionär der FP-Gewerkschaft AUF sein Buch ‚Ich gestehe. Was ein Polizist über die Exekutive weiß.‘ der Öffentlichkeit präsentiert.

In dieser Publikation stellt Kleindienst Fälle der Bespitzelung und der Datenweitergabe an eine Partei dar. Unter anderem führt er aus:

‚


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In allen Bundesländern arbeiten Exekutivbeamte für eine Partei, teils werden sie bezahlt, teils mit politischen Mandaten und Funktionen belohnt oder geködert, teils geschieht es aus Ideologie, Idealismus oder auch einfach aus Wichtigtuerei. Wer profitiert? Die Informationen gehen an verschiedene Stellen in der Partei und ihren Organisationen. Aber auch das Büro des Chefs hat stapelweise Papiere und Dossiers gebunkert. Der Parlamentsklub ist eine weitere Anlaufstelle für Informanten, in den geschäftsführenden Stellen sind heikle, personenbezogene Auskünfte gern gesehen. Und es werden auch immer wieder Daten aus dem Polizeicomputer diverser ideologischer Gegner erbeten. Prominentes Beispiel der jüngeren Zeit: André Heller engagierte sich bei etlichen ,SOS-Mitmensch‘-Veranstaltungen. Dadurch war er sehr interessant für die Politik geworden: seine gesamten Lebensumstände wurden deshalb auf Aufforderung hin durchleuchtet.‘ (Seiten 112 u. 113)

‚Auch das Büro des ehemaligen Obmanns Jörg Haider (COMBO) war über viele Vorgänge innerhalb der Exekutive sehr gut informiert. Haider hat bekanntlich Informationen immer wieder öffentlich verwendet ... Und zuletzt hat es einem Salzburger Polizisten eine längere Suspendierung eingetragen, weil Jörg Haider eine Datenanfrage allzu eifrig in laufende TV-Kameras hielt.‘ (Seite 115)

In mehreren Interviews in der Folge bestätigte Kleindienst die im Buch erhobenen Vorwürfe.

Am 1. Oktober 2000 – nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe – haben hochrangige SP-Vertreter sofort die Einsetzung einer unabhängigen Sonderkommission gefordert.

Am 3. Oktober 2000 setzte Bundesminister Strasser eine Sonderkommission ein, die jedoch unter der Leitung des oberösterreichischen Sicherheitsdirektors Heimo Siegel steht und der keine unabhängigen Persönlichkeiten angehören. BM Strasser erklärte, innerhalb von 14 Tagen – also am 17. Oktober 2000 – ein Endergebnis der Untersuchung vorzulegen.

Zur Hälfte des Fristablaufs am vergangenen Mittwoch hat BM Strasser einen mündlichen Zwischenbericht im Innenausschuss abgegeben, der nur als völlig unbefriedigend bezeichnet werden kann. Dennoch kristallisierte sich schon nach Anfragen von SP-Abgeordneten heraus, dass bis zu diesem Zeitpunkt (11.10.00) gegen sieben Personen wegen illegaler Weitergabe von EKIS-Daten ermittelt wird. Darüber hinaus sollen 150 potentielle Opfer untersucht worden sein, wobei sogar Mitglieder des Innenausschusses unter diesen sind.

Dem Vernehmen nach hat BM Strasser diese Namen den Mitgliedern des Unterausschusses bekannt gegeben, wobei jedoch eine Weitergabe dieser Daten wegen der dort bestehenden Vertraulichkeit nicht möglich ist.

Über das Wochenende kam es laut Berichten von Printmedien zu weiteren Entwicklungen in dieser Angelegenheit.

Besonders betroffen macht der Umstand, dass im ‚FORMAT‘ Nr. 42/2000 der Bericht der Sonderkommission unter der Aktenzahl 20.000/144-GD/00 auszugsweise veröffentlicht wurde, obwohl BM Strasser diesen Bericht dem Parlament nicht zur Verfügung stellen will. Es erhebt sich daher in diesem Zusammenhang die Frage, wer über diesen Bericht verfügt und von wem die Weitergabe an die Zeitung ‚FORMAT‘ erfolgte.

Darüber hinaus wurden am letzten Wochenende neue skandalöse Details bekannt, die in Medien veröffentlicht wurden:

1. Ein Wiener Polizeibeamter, er ist AUF-Mitglied und Postenkollege eines der sieben derzeit Verdächtigen (sein Name ist ‚profil‘ bekannt), hatte bei der Einvernahme durch die Sonderkommission angegeben, dass an seiner Dienststelle solche Daten abgerufen worden seien, einmal sei der Auftrag dafür von Karl-Heinz Petritz, seit vielen Jahren Jörg Haiders Pressesprecher, gekommen. (‚profil‘ 42/2000)


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2. ‚profil‘ zitiert aus dem Ermittlungsstand weiters:

In der Regel hat der Wiener FP-Gemeinderat Michael Kreißl den Kontakt zu den Datenbeschaffern an der Front gehalten.

3. Beim vertraulichen Gespräch in der vergangenen Woche nannte Kleindienst, Berichten von Ohrenzeugen zufolge, auch die beiden anderen an der ,Heller-Aufklärung‘ Beteiligten; entgegengenommen habe die Order wieder Kreißl. Als Auftraggeber am anderen Ende der Leitung war FPÖ-Bundesgeschäftsführer Gernot Rumpold gewesen.

4. Angeblicherweise zählen über 20 Exekutivbeamte zu den Empfängern der Überweisungen vom Konto der Freiheitlichen Exekutivgewerkschaft AUF. Für alle Konten war einer zeichnungsberechtigt: Michael Kreißl.

5. Die Sonderkommission soll 500 Personen aus dem Kreis der Politik, der Kunst, des Journalismus sowie Vertreter von Sozialeinrichtungen auf EKIS-Abfragen zu ihrer Person überprüft haben, wobei es zu einem skandalösen Trefferergebnis gekommen ist:

Bei 157 Personen gab es zumindest einen, meist aber mehrere EKIS-Treffer. (Dies entspricht einem Drittel der abgefragten Personen!) Bei 22 von diesen 157 Personen stießen die Fahnder auf auffällig häufige EKIS-Abfragen. (‚FORMAT‘ Nr. 42/00, Seite 33)

In diesem Zusammenhang muss herausgestrichen werden, dass EKIS-Abfragen nur drei Jahre in die Vergangenheit hin überprüft werden können. All die von Kleindienst in seinem Buch dargestellten Sachverhalte liegen vor dieser Zeit: Dieses Ergebnis ist nur die Spitze eines Eisberges.

6. Neben den Wiener Verdächtigen wird ein weiterer Verdächtiger aus Kärnten genannt: Horst Binder. Dieser ist AUF-Funktionär und gleichzeitig Leibwächter des Kärntner Landeshauptmannes. Ein in die Causa involvierter Beamter wird wie folgt zitiert: ‚So sind die internen Polizeiinformationen dann an Haiders Sekretäre gegangen.‘

All diese neuen Fakten verdeutlichen die Grundzüge dieses Skandals:

Illegale Datenabfragen durch Funktionäre der FP im Exekutivbereich waren und sind keine Einzelfälle, sondern ein systematisch zusammenarbeitendes Netzwerk zur Bespitzelung politisch Andersdenkender, aber auch zur Bespitzelung von Konkurrenten oder neuen KandidatInnen in der eigenen Partei (siehe Theresia Zierler und Patrik Ortlieb).

Die illegalen Abfragen erfolgten auf Auftrag von FP-Politikern bzw. FP-Funktionären und wurden in vielen Fällen durch Zahlung von Geldmitteln oder durch die Verleihung von politischen Ämtern abgegolten.

Bisher wird im Auftrag von BM Strasser nur ein Detailbereich untersucht: die EDV-mäßige Abfrage aus dem System EKIS.

Neben diesem gibt es im Bereich der Exekutive noch eine Reihe von Datenbanken und Handarchiven, die noch nicht Gegenstand der Untersuchung der Sonderkommission sind. Kleindienst merkt dazu an, dass es in den Handarchiven zu einem weit größeren Missbrauch gekommen sei als beim System EKIS und dass diese Einsichtnahmen nicht mehr rekonstruierbar sind.

Aus all dem Gesagten müssen auch Aussagen in der Vergangenheit neu interpretiert werden. So hat der damalige Parteivorsitzende der FPÖ Jörg Haider im Rahmen einer tatsächlichen Berichtigung in der Nationalratssitzung am 23. April 1996 ausgeführt:

‚Ich zitierte aus dem Verschlußakt des Ministeriums von März 1995 ...

Herr Bundesminister! Ich möchte Sie bitten, sich nicht hierherzustellen und einen Abgeordneten wie mich abzukanzeln und zu sagen, ich hätte die Unwahrheit gesagt, wenn Sie wissen, daß wir


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Ihren gesamten Aktenverlauf in Händen haben und Sie eindeutig entschieden und eine Weisung gegeben haben.‘

Wie der damalige Parteivorsitzende der FPÖ im Nationalrat stolz erklärte, geht es nicht nur um systematische Abfragen aus dem EKIS, sondern um die illegale Weitergabe ganzer Datenkonvolute an die FPÖ.

In jeder parlamentarischen Demokratie ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ein solcher Bericht dem Parlament umgehend vorgelegt wird. Dass dieser Selbstverständlichkeit von BM Strasser nicht nachgekommen wird, zwingt dazu, Schlüsse daraus abzuleiten:

1. BM Strasser bzw. die von ihm eingesetzte Sonderkommission konnte oder wollte fristgemäß die Untersuchungen nicht abschließen.

2. BM Strasser schützt seinen Koalitionspartner.

Dies ergibt sich aus dem logischen Umkehrschluss: Sollte das Ergebnis der Untersuchung keine politisch motivierte Weitergabe von Daten bzw. keine politische Involvierung von FP-Politikern oder FP-Exekutivbeamten beinhalten, ist die Verweigerung der Weitergabe des Berichts an das Parlament völlig unverständlich.

Aus all diesen Gründen richten die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Inneres nachstehende

Anfrage:

1. Wie ist der letzte Stand der Untersuchungen der Sonderkommission zur Aufklärung der illegalen Weitergabe von Polizeidaten im Detail?

2. Wann haben Sie der Staatsanwaltschaft einen Bericht über die Ergebnisse der Sonderkommission übermittelt?

3. Welchen Inhalt hat dieser Bericht?

Wird die Staatsanwaltschaft laufend über die Ergebnisse der Sonderkommission informiert?

4. Im ‚FORMAT‘ werden auszugsweise Teile des Ermittlungsaktes der Sonderkommission mit der Aktenzahl 20.000/144-GD/00 veröffentlicht:

Um welchen Akt handelt es sich dabei?

Welchen Stand hatte dieser auszugsweise veröffentlichte Akt?

5. Wer verfügte über diesen Akt?

6. Gibt es Erhebungen betreffend die Weitergabe dieses Aktes wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses?

7. Gibt es Indizien, wer diese illegale Weitergabe des Ermittlungsaktes getätigt hat?

8. Werden Sie diesen Akt, der nunmehr sogar Medien vorliegt, dem Nationalrat zur Verfügung stellen?

9. Welche über EKIS hinausgehende Datenbanken und Handarchive gibt es im Bereich des Innenministeriums samt Dienststellen?

10. Welcher Personenkreis hat zu den jeweiligen Datensammlungen Zugang, und wie wird dieser Zugang dokumentiert?


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11. Werden auch bei diesen Datensammlungen Untersuchungen wegen illegaler Abfrage von personenbezogenen Daten oder illegaler Einsichtnahme in Handakte vorgenommen?

12. Wenn nein, warum nicht?

13. Stimmt es, dass EKIS-Daten auch in Handarchiven abgelegt sind und dass der Zugang dazu nicht oder nur unzulänglich protokolliert wird?

14. Stimmen die Behauptungen, dass es nur Aufzeichnungen der EKIS-Zugriffe über die letzten drei Jahre gibt?

15. Beabsichtigen Sie, den Untersuchungen unabhängige Experten (eventuell auch aus dem Ausland) zuzuziehen?

16. Gibt es einen Datenabtausch bzw. einen Datentransfer zwischen dem Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für Landesverteidigung?

17. Haben Sie aus Anlass der Untersuchungen in Ihrem Haus auch mit dem Bundesminister für Landesverteidigung Kontakt aufgenommen, um mögliche illegale Weitergaben von personenbezogenen Daten an eine politische Partei aus Datenbeständen des Bundesministeriums für Landesverteidigung, insbesondere des Abwehramtes und des Heeres-Nachrichtenamtes, zu überprüfen?

18. Wenn nein, warum nicht?

19. Stimmen die Behauptungen, dass Personen, gegen die wegen Weitergabe von Polizeidaten gegenwärtig ermittelt wird, der FPÖ, einer ihrer Organisationen oder der AUF angehören bzw. angehörten?

Unter einem wird gemäß § 93 Abs. 2 GOG verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 GOG dringlich zu behandeln.

*****

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Gusenbauer als Fragesteller der Anfrage zur Begründung, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte.

15.01

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was uns in den letzten Monaten von der Freiheitlichen Partei präsentiert wurde, jagt vielen Österreicherinnen und Österreichern mit Recht Angstschauer über den Rücken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler. – Abg. Dr. Fekter: Das ist alles unter SPÖ-Ministern passiert!)

Sie haben damit begonnen, dass Sie bereits Mitte des Frühjahres gemeinsam mit dem Justizminister die Forderung aufgestellt haben, dass Oppositionelle am besten gerichtlich verfolgt werden sollten. Das war Ihr erster Versuch eines Anschlages auf die parlamentarische Demokratie. (Abg. Mag. Schender: Das ist die Unwahrheit!)

Sie haben zum Zweiten den gesamten Sommer über alle Ihre Kritiker mit Klagsfluten, die von der Kanzlei des Justizministers Böhmdorfer ausgegangen sind, eingedeckt.

Und nun wird die FPÖ-Spitzelaffäre ruchbar – der vorläufige Höhepunkt an Anschlägen auf die Demokratie, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dabei wird einem in diesen Tagen vieles klar: Ich kann mich noch genau daran erinnern, als Ihr Alt-Parteiobmann hier am Rednerpult gestanden ist und gesagt hat, er könne sich alle Informa


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tionen, die er braucht, besorgen. Ich kann mich auch noch genau daran erinnern, als er gesagt hat, er werde selbst die sensibelsten Informationen gegen Personen in der Öffentlichkeit verwenden.

In der Zwischenzeit wissen wir, wie sich die FPÖ und ihr Alt-Parteiobmann diese Informationen besorgt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Dabei geht es ganz offensichtlich um ein sehr fein ziseliertes System, das hier aufgebaut wurde, um ein System, das im Wesentlichen aus drei Personengruppen besteht: aus denen, die in der Öffentlichkeit die Informationen verwerten, den Destrukteuren der öffentlichen Auseinandersetzung. Diese brauchen die Ingenieure, damit sie letztendlich all jene, die vor Ort tätig sind, auch richtig einstellen. Und dann gibt es die Maschinisten dieses Getriebes, von denen heute unter anderem Herr Rumpold und Herr Kreißl in der Öffentlichkeit genannt wurden. Das ist die dreifache Abstufung von den Männern fürs Grobe bis hin zu denen, die die öffentliche Auseinandersetzung führen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde ganz offensichtlich der Versuch unternommen, innerhalb der österreichischen Exekutive, die sich bei der Bevölkerung mit Recht großer Hochachtung erfreut, eine geheime Spitzelpolizei zu etablieren, die die Aufgabe hatte, mit Methoden jenseits des Rechtsstaates Informationen über missliebige politische Mitbewerber zu sammeln, um diese in der Öffentlichkeit fertig machen zu können. Das ist erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik, dass ein derart konzertierter Anschlag auf unseren Rechtsstaat geplant wurde! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Und es stellt sich die Frage, welche Leute Sie ins Visier genommen haben. Wir haben aus den Veröffentlichungen des Herrn Kleindienst, der bis vor kurzem sehr treu in Ihren Reihen gestanden ist, mitbekommen, dass es sich dabei um Künstler, um Intellektuelle, um politische Mitbewerber, aber auch um einzelne wohltätige Organisationen wie die Caritas gehandelt hat. Was sich dahinter verbirgt, ist ganz einfach: Die Zielscheibe Ihrer verdeckten, nicht erlaubten Ermittlungen sind jeweils Personen, die sich in der Öffentlichkeit für die Menschen, für Liberalität und für eine offene Gesellschaft engagiert haben. Und all diejenigen, von André Heller bis zur Caritas, betrachten Sie als Ihre politischen Feinde – und so gehen Sie mit ihnen auch um! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Grünewald. )

Es ist auch kein Wunder, dass Sie so sensibel auf diese Gruppen reagieren, denn Sie sind mit einer Politik groß geworden, die das genaue Gegenteil dessen will, wofür diese Persönlichkeiten stehen. Sie haben nämlich mit Feindbildaufbau eine Politik nicht für die Menschen, sondern gegen die Menschen gemacht. Das ist Ihre politische Marke, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich daher die Frage: Wie sind in diesem Zusammenhang die Anordnungen getroffen worden? Jeden Tag erfahren wir aus Magazinen – heute im "NEWS", am vergangenen Wochenende im "FORMAT" und im "profil" (Abg. Ing. Westenthaler: Das sind Ihre Parteiblattln! Das sind alles Ihre Parteiblattln!) –, wer letztendlich die durchführenden Organe gewesen sind. Es stellt sich noch immer die Frage: Wer waren die Mittelsmänner, und wer waren die Hintermänner? – Die Nervosität des Herrn Westenthaler als Ingenieur lässt bereits einzelne Rückschlüsse auf die Zusammenhänge zu. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ich zittere schon! – Abg. Parnigoni: Ein Ingenieur hat’s schwör!)

Es ist in diesem Zusammenhang nicht nur interessant, wer zu welchem Zeitpunkt welche Abfragen im EKIS-System durchgeführt hat, das eine außerordentlich sensible Angelegenheit ist, es stellt sich auch die Frage, welche Zugriffe auf andere Archive und Handarchive stattgefunden haben, die bisher noch nicht Gegenstand der Sonderkommission waren. Es stellt sich in diesem Zusammenhang weiters die Frage: Wer hat welche Geldbeträge an welche Beamte überwiesen, und welche Unterschriften tragen die jeweiligen Überweisungen?

Wenn der Herr Westenthaler völlig genervt zum Telefon greift (Abg. Ing. Westenthaler telefoniert gerade), ruft er jetzt wahrscheinlich seinen Parteifreund, den Herrn Kreißl, an, der mutmaßlich eine der Drehscheiben in diesem ganzen Skandal ist, meine sehr verehrten Damen und


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Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dietachmayr  – in Richtung des Abg. Haigermoser –: Geh, setz dich nieder! – Abg. Haigermoser: Willst du mich hinausschicken?)

Sie haben offensichtlich Ihren eigenen Wahlspruch "Macht braucht Kontrolle!", den Sie in der Vergangenheit vertreten haben, selbst völlig falsch verstanden. Für Sie bedeutet er offensichtlich: "Macht ist Kontrolle!" Sie wollen die umfassende Kontrolle über alle Ihnen missliebige Persönlichkeiten in diesem Land. Und das ist ein demokratiepolitischer Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Ihr Alt-Parteiobmann von der Gründung der "Dritten Republik" gesprochen hat, wenn Sie davon gesprochen haben, dass Sie "Ordnung" in den Redaktionsstuben machen werden, wenn Sie darauf hingewiesen haben, dass alle Redakteure und Journalisten wissen sollen, dass sie "die Hand, die sie füttert, nicht beißen" sollen, oder wenn Sie darauf hingewiesen haben, wie Sie glauben, Ordnung machen zu müssen, so ist immer ein fundamentaler Unterschied zwischen uns und Ihnen vorhanden: Sie verwechseln freiheitliche Meinung mit freier Meinung – und Sie verwechseln einen freien Staat mit einem freiheitlichen Staat. Das, was Sie wollen, ist ein Weg, der von der Demokratie wegführt! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es stellt sich die Frage: Wer kann sich überhaupt noch sicher sein, Herr Innenminister? Die österreichische Exekutive hat eine hohe Reputation, aber auf Grund dessen, was da geschehen ist, stellt sich jeder Österreicher inzwischen die Fragen: Wurden meine Daten abgefragt? Von wem wurden sie abgefragt? Was wurde mit diesen Daten gemacht? (Abg. Ing. Westenthaler: Bei Ihnen fragt keiner nach!) Wer hat dafür bezahlt? Und letztendlich: In welchen Kreisen zirkulieren diese Informationen? Und es stellt sich bei all dem, was da passiert ist, die Frage, ob das nicht nur die Spitze eines Eisberges ist und ob sich dahinter nicht noch ein bedeutend größeres System verbirgt, das mit Recht alle Österreicherinnen und Österreicher erschüttert.

Herr Innenminister! Sie haben in dieser Frage eine entscheidende Bedeutung und Aufgabe, denn es geht um das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in den Rechtsstaat, und es geht um das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Exekutive. Das Einzige, was dieses Vertrauen wieder zu 100 Prozent herstellen kann, ist die hundertprozentige, rückhaltlose und schnelle Aufklärung dieses demokratiepolitischen Mega-Skandals, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Innenminister! Sie selbst haben am 3. Oktober angekündigt, dass Sie binnen 14 Tagen einen Bericht vorlegen werden. Diese 14 Tage waren gestern vorbei, aber der Bericht liegt dem Parlament bis zum heutigen Tag nicht vor. Den am Wochenende erschienen Magazinen müssen wir aber auf Basis der Bekanntgabe auch von Aktenzahlen entnehmen, dass offensichtlich Teile dieses Berichtes bereits weitergegeben wurden. Daher die Frage an Sie, Herr Innenminister: Was darf ein Teil der österreichischen Magazine wissen, was Sie dem österreichischen Parlament vorenthalten wollen? Wieso geben Sie den frei gewählten Abgeordneten nicht dieselben Informationen wie einzelnen österreichischen Magazinen, Herr Innenminister? Das ist die Frage, die wir zu stellen haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Murauer und Großruck. )

Herr Innenminister! Wir betrachten diese Dringliche Anfrage heute quasi als Einladung an Sie, denn unser Vorschlag in der Präsidiale war, dass nach Ablauf der 14-Tage-Frist der Herr Innenminister vor das Parlament tritt und entsprechend seiner eigenen Ankündigung hier einen Bericht erstattet, aber die beiden Regierungsfraktionen haben dieses Ansinnen abgelehnt. Daher haben wir uns im Sinne der Aufklärung bemüßigt gefühlt, Sie, Herr Minister, mit einer Dringlichen Anfrage ins Hohe Haus zu bitten. Vielleicht sind Sie heute geneigt, auf die Fragen, die wir Ihnen zu stellen haben, auch entsprechende Antworten zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Innenminister! Ich weiß, dass die gesamte Angelegenheit sensibel ist. Wie wir heute den Magazinen entnehmen können, wurde erst gestern der Auftrag erteilt, einzelne Konten zu öffnen. Aber es wurden schon einige Geständnisse des Herrn Kleindienst veröffentlicht, die ganz klar ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )  – Das steht alles in den Magazinen. Sie brauchen nur nachzulesen, Frau Abgeordnete. Wir sind auf die Meldungen der Magazine ange


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wiesen, denn der Herr Innenminister hat bisher keine Auskunft erteilt – es tut mir schrecklich Leid, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Also der Auftrag zur Öffnung der Konten wurde gegeben. Das heißt, es wird offensichtlich versucht, nachzuvollziehen, wie die Geldströme gelaufen sind. Es gibt bereits einige ganz klare öffentliche Anschuldigungen und auch ein Bekenntnis des Herrn Kleindienst. Aber es stellt sich die Frage: Mit welcher Methode werden die Untersuchungen geführt? Nach der Methode, dass allen Informationen mit allen vom Gesetz her zur Verfügung stehenden Mitteln nachgegangen wird, oder gibt es hier aus Koalitionsdisziplin heraus andere Prioritäten? – Herr Innenminister! Mich würde es sehr freuen, wenn Sie sich heute dazu bekennen könnten, dass Sie an einer restlosen Aufklärung dieses Skandals der Sonderklasse interessiert sind und uns die Informationen geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist auch interessant, wie in diesem Zusammenhang mit der Frage der politischen Verantwortung umgegangen wird. Wir können uns daran erinnern, dass in den letzten Wochen hier im Parlament die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen beschlossen wurde, und zwar in Angelegenheiten, in denen die Gerichte teilweise noch nicht einmal tätig geworden sind. (Abg. Dr. Puttinger: Schlögl oder Einem?) Da stellt sich natürlich die Frage: Wieso soll es bei völlig klaren Verdachtsmomenten, die es in dieser Spitzelaffäre gibt und die ganz direkt über Herrn Rumpold und über Herrn Kreißl zu Westenthaler und zu Haider führen, wieso soll es gerade in einer so eminent politischen Angelegenheit keinen Untersuchungsausschuss des Parlaments geben? – Das ist doch die Frage, die sich jeder stellt. (Abg. Dr. Puttinger: War das Schlögl oder Einem?)

Interessanterweise vernehmen wir, dass der Herr Alt-Parteiobmann seiner Fraktion empfehlen wollte, dem Antrag auf Untersuchungsausschuss stattzugeben. Daraufhin hat der Herr Ingenieur gemeint: erst nach den gerichtlichen Erhebungen. Und heute müssen wir vernehmen, dass die Freiheitliche Partei offensichtlich wieder nicht bereit ist, den Wahrheitsbeweis anzutreten, sondern an einer weiteren Verschleierung dieser Tatsachen interessiert ist. Das ist ein Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie, Herr Westenthaler, überall erklären, das wird sich alles in Luft auflösen, da ist nirgends etwas drinnen, und zwischendurch offensichtlich Herrn Kreißl und Ihre Kommilitonen anrufen, dann stelle ich Ihnen die Frage: Wieso wollen Sie nicht, dass die politischen Zusammenhänge dieses Spitzelskandals in einem Untersuchungsausschuss untersucht werden? Was treibt Sie dazu? Ist es Ihre Verantwortung in Ihrer Partei? Ist es Ihre persönliche Involvierung in diese Angelegenheit? Was treibt Sie? Sonst sind Sie doch bei jeder Angelegenheit sofort mit einem Untersuchungsausschuss bei der Hand. Wieso nicht in diesem Fall? – Sagen Sie uns, was Sie zu verbergen haben, Herr Westenthaler, im Sinne der Demokratie unseres Landes! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht auch in verschiedenen Bundesländerzeitungen immer wieder neue Verdachtshinweise auf einen Missbrauch dieses Systems auftauchen – egal, ob in St. Pölten oder, wie das jetzt der Fall war, in Salzburg oder – dies hauptsächlich – in Wien. Und immer wieder tauchen dieselben Namen auf: immer wieder Namen aus dem Dunstkreis des Alt-Parteiobmanns der FPÖ und des Herrn Westenthaler. Und die Drehscheibe all dieser Machinationen ist immer die freiheitliche Gewerkschaft AUF, die ganz offensichtlich die Maschinenmeister dieser Angelegenheit sind.

Herr Innenminister! Wenn Sie wollen, dass unsere Exekutive allen Österreicherinnen und Österreichern dient, und wenn Sie ein rot-weiß-roter Innenminister sein wollen, wie Sie das immer sagen, dann müssen Sie diese geheime Spitzelpolizei der FPÖ in unserer Exekutive ausheben. Es gibt keine Alternative dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Letztendlich stellt sich auch die Frage, weshalb zum Beispiel der Herr Bundeskanzler, der die Gesamtverantwortung für die Bundesregierung trägt und der sich am gesamten Staatswohl orientieren soll, zu dieser Angelegenheit notorisch schweigt. (Abg. Nürnberger: Der große


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Schweiger!) Hat das – offensichtlich ist es so – etwas mit den neuen Krafttönen, die aus Kärnten kommen, zu tun, mit den Aufforderungen des Alt-Parteiobmanns zur Koalitionsräson? Schließt die Koalitionsräson auch das Vertuschen dieses Spitzelskandals oder das Verschleppen der Aufklärung oder zumindest das Verschleppen der politischen Untersuchung hier im Parlament mit ein? – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei einem solchen Skandal würde man sich von einem Bundeskanzler ein klares Wort erwarten! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Innenminister! Sie haben die Möglichkeit, Ihre Glaubwürdigkeit zu beweisen. Sie können aufstehen, die in der Dringlichen Anfrage gestellten Fragen korrekt beantworten und dem Parlament alle Ergebnisse Ihrer Ermittlungen präsentieren, damit Licht ins Dunkel dieser Angelegenheit kommt. Wie stark Sie imstande sind, diesen Beweis zu erbringen, wird letztendlich die Beurteilungskategorie sein. Steht für Sie der Schutz von Grund- und Staatsrechten vor der Koalitionsräson oder hinter der Koalitionsräson? – Es liegt an Ihnen, Herr Innenminister! (Lang anhaltender Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.21

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zur Beantwortung der an ihn gerichteten Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für Inneres Dr. Strasser zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll, soweit es der Umfang der Fragestellung erlaubt, 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.22

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren hier Vorgänge, die bereits eine Anzahl von Jahren zurückliegen, mindestens jedoch bis zum Jahre 1993 zurückreichen. (Die Abgeordneten der Grünen beobachten mittels Spielzeug-Feldstechern in den Farben gelb/blau die Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ah- und Oh-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Unruhe im Saal.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn ich erst einige Monate lang für dieses Ressort verantwortlich bin, werde ich alles dazu beitragen, diese Vorgänge lückenlos, ohne Rücksicht auf Rang und Namen und ohne Rücksicht auf Partei und Stand aufzuklären! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich werde das tun, aber ich habe noch nicht nachgesehen, warum das nicht schon vorher passiert ist. Wir brauchen das, weil wir einen zweifachen Schutz brauchen und einen zweifachen Schutz auch für notwendig halten. Zum Ersten: Der Bürger hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch. Zum Zweiten: Auch unsere Beamten haben Anspruch auf Schutz vor Misskredit, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir werden unsere Ermittlungen so gestalten, dass – falls sie notwendig sind – drei Konsequenzen möglich und zu ziehen sind.

Zum Ersten: etwaige strafrechtliche Konsequenzen. Sie wissen, es wurden Vorerhebungen eingeleitet. Unsere Ermittlungsbehörden arbeiten im Dienst des Staatsanwaltes und auf dessen Auftrag. Und ich sage hier das, was ich sagen kann: Es gibt Vorgänge, denen detailliert nachzugehen sein wird und denen wir auch in aller Form, gemeinsam mit dem Staatsanwalt, mit den Untersuchungsrichtern, detailliert und genau nachgehen werden.

Zum Zweiten geht es um die disziplinarrechtliche Verantwortung. Die bisherigen Ermittlungen in diesem Bereich haben gezeigt, dass manche Beamte aus Neugier und manchmal auch zu Schulungszwecken auf dieses System zugegriffen haben. Hiezu sage ich sehr klar und deutlich, der erste Fall ist nicht zu rechtfertigen und wird auch disziplinarrechtliche Folgen haben, wird auch disziplinarrechtlich zu verfolgen sein. Es liegen inzwischen einige derartige Anfragen vor.

Es gibt zum Beispiel einen Beamten – ich kann das ausführen, weil es in meinem Bereich und nicht im Bereich des Untersuchungsrichters und der Staatsanwaltschaft liegt –, von dem – es wird zu untersuchen sein, aus welchem Grund; es ist auszuschließen, dass es irgendwelche politischen Gründe gibt – einige hundert Anfragen – vielleicht aus Neugier, vielleicht aus


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Langeweile – gemacht worden sind. Das ist zu unterbinden, das ist nicht zu rechtfertigen, und das wird auch disziplinäre Folgen haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Dritten geht es auch um etwaige organisatorische Maßnahmen in diesem Bereich. Ich bin dankbar und froh darüber – ich danke auch von dieser Stelle aus dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit dafür –, dass wir sofort nach Bekanntwerden dieser Fälle fünf Sofortmaßnahmen und eine mittelfristige Maßnahme gesetzt haben: das Vier-Augen-Prinzip bei Anfragen per Funk oder Telefon, das Vier-Augen-Prinzip bei der Dokumentation, die Verstärkung der Dienstaufsicht und die Verstärkung der laufenden Kontrollen bei den Dokumentationen sowie die verstärkten laufenden Kontrollen über den Zufallsgenerator hinaus, bei stichprobenartigen Kontrollen der Anfragen.

Ich habe gemeinsam mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit auch eine mittelfristige Maßnahme gesetzt. Erstens wird eine Expertengruppe aus dem Exekutiv- und EDV-Bereich binnen Wochen entsprechende Vorschläge machen, die sicherstellen werden, dass dieses System, das wir notwendig brauchen, auch in Zukunft entsprechend datensicher sein muss. Zum Zweiten wird und soll untersucht werden, wie das Controlling für jene zu gestalten ist, die Zugriff auf diese Daten haben. Und drittens soll geprüft werden, wie das Verhältnis des Staatsbürgers zu den über ihn gespeicherten Daten ist.

Diese Arbeit liegt vor uns, und ich denke – ohne den Ergebnissen der Expertengruppe vorzugreifen –, dass uns diese Arbeit einige Zeit lang intensiv beschäftigen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, dass jede Partei, auch jede Parlamentspartei, ihre eigenen, manchmal parteipolitischen Ableitungen trifft. Aber ich bitte Sie auch um Verständnis dafür, dass in einem Rechtsstaat für die Ermittler die Unschuldsvermutung zu gelten hat und auch in Zukunft gelten wird – und das wird auch in diesem Fall so sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich lade von dieser Stelle aus alle ein – alle Bürger, alle Parteien; und ich lade auch Herrn Kleindienst ein –, im Interesse einer vollständigen Klärung ihr Wissen der Sonderkommission zur Verfügung zu stellen. Das ist notwendig, damit rasch und lückenlos aufgeklärt wird. Ich darf Sie herzlich einladen, uns all jenes Wissen, das Sie in diesem Zusammenhang haben, im Wege der Sonderkommission oder im Wege der Generaldirektion zukommen zu lassen. Wir werden jedem Hinweis penibel nachgehen.

Aber ich sage auch sehr klar: Allen muss klar sein, dass Vermutungen, Verdächtigungen, Vernaderungen – falls es solche gibt – und Vorverurteilungen nicht nur nicht zur Klärung beitragen, sondern auch einen ganzen Berufsstand in ein Licht rücken, das dieser Berufsstand nicht gewohnt ist und das ihm auch nicht gebührt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Vernaderungen!)

Ich werde daher alles dazu beitragen, dass glasklar und lückenlos ermittelt wird, dass die Abläufe unparteiisch durchforstet werden und dass auch beinhart aufgezeigt und beseitigt wird, was disziplinär oder auch organisatorisch vielleicht schon jahrelang geändert hätte werden sollen. Ich darf nochmals festhalten: In unserem Haus wird ermittelt und nicht spekuliert, und in unserem Haus wird ermittelt und nicht gerichtet, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher habe ich dafür gesorgt, dass diese Sonderkommission frei arbeiten kann, und zwar frei von jedweder Einflussnahme, auch von der Einflussnahme des Ministers. Ich habe dafür gesorgt, dass alle finanziellen, alle organisatorischen und alle personellen Ressourcen, die angefordert wurden, möglich gemacht werden.

Ich habe auch dafür gesorgt, dass der Bericht, den Sie, Herr Abgeordneter Gusenbauer, angesprochen haben, zuerst dem zuständigen Staatsanwalt und dann erst dem Minister zukommt, um jeden Verdacht auszuschließen, dass da in irgendeiner Form Einflussnahme geübt würde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Gartlehner: Zuerst den Redakteuren!)


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Aber ich werde genauso leidenschaftlich dafür kämpfen, dass etwaige Grauzonen als mögliche Spielwiese für schwarze Schafe unterbunden werden, damit – und ich möchte auch Sie bitten, da die Polizei und die Gendarmerie und den Kriminaldienst zu unterstützen – ein wichtiges, lebensnotwendiges Handwerkszeug für die Polizei, für die Gendarmerie und auch für den Zoll weiterhin erhalten bleibt und sich weiter entwickeln kann und sicher ist oder, wenn es Lücken gibt, sicher wird.

Ich werde drittens alles dazu beitragen, dass ein großer Dienst, den fast 30 000 Beamte täglich für unser Land leisten, nicht durch einen Kleindienst reduziert wird. Das kann nicht sein, und das darf nicht sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme nun zur Beantwortung der dringlichen Fragen, und ich darf Ihnen versichern, dass ich außerordentlich korrekt und genau nach den Vorgaben, die Sie angeboten haben, nämlich nach den staatsrechtlichen Grundlagen, diese Fragen beantworten werde.

Zur Frage 1:

Im Hinblick auf die Gerichtsanhängigkeit der Angelegenheit und unter Bedachtnahme auf die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit ist mir die Bekanntgabe des Standes der Untersuchungen der Sonderkommission im Detail aus diesen zwingenden rechtlichen Gründen nicht möglich.

Zur Frage 2:

Die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit hat am 11. Oktober 2000 einen ersten Bericht der Sonderkommission der Staatsanwaltschaft übermittelt. Heute wurde der zweite Bericht samt Unterlagen über Ermittlungsergebnisse an die Staatsanwaltschaft erstattet.

Zur Frage 3:

Ich verweise auf meine Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit auch im Hinblick auf die Nichtöffentlichkeit des gerichtlichen Vorverfahrens. Auf Grund der Anträge der Staatsanwaltschaft wird diese laufend von der Sonderkommission informiert. – Im Übrigen darf ich auf die Beantwortung der Frage 2 verweisen.

Zur Frage 4:

Der in meiner Beantwortung der Frage 2 erwähnte erste Bericht der Sonderkommission wurde unter der in der Anfrage genannten Aktenzahl 20 000/144-GD/00 der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt und beinhaltet den Ermittlungsstand bis 11.10.2000.

Zur Frage 5: Das Innenressort und das Gericht.

Zur Frage 6:

Um jeden Anschein einer Befangenheit zu vermeiden, wurde die Staatsanwaltschaft Wien auf den in Rede stehenden Sachverhalt bereits aufmerksam gemacht.

Zur Frage 7: Sind derzeit nicht bekannt.

Zur Frage 8: Nein! – Ich verweise hier wieder auf die mir obliegende Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit.

Zur Frage 9:

Soweit Datenanwendungen der Meldepflicht an das Datenverarbeitungsregister der Datenschutzkommission gemäß § 17 Abs. 1 Datenschutzgesetz 2000 unterliegen, wurden die Meldungen an diese erstattet und auch vom Datenverarbeitungsregister registriert. Dort können die


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gemeldeten Anwendungen gemäß § 16 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 von jedermann eingesehen werden. – Auf Wunsch bin ich bereit, nähere Einzelheiten dem Hohen Hause mitzuteilen.

Soweit die Datenanwendungen gemäß § 17 Abs. 3 Datenschutzgesetz 2000 etwa zum Zwecke des Schutzes der verfassungsmäßigen Einrichtungen der Republik Österreich von der Meldepflicht ausgenommen sind, bin ich bereit, dazu im Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses Stellung zu nehmen.

Zur Frage 10:

Die zugriffsberechtigten Personen sind in einer Benutzerverwaltung samt ihren Zugriffsrechten verzeichnet. Dazu zählen beispielsweise die Sicherheitsbehörden und Sicherheitsdienststellen sowie Bedienstete des Zolls. Der jeweilige Zugriff auf Daten kann nur im Rahmen der gewährten Zugriffsrechte erfolgen. Der erfolgte Zugriff auf die Daten wird gemäß § 14 Abs. 2 Ziffer 7 Datenschutzgesetz 2000 protokolliert. – Auch dazu bin ich bereit, im Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses Stellung zu nehmen.

Zur Frage 11: nein.

Zur Frage 12:

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben sich nach Auskunft der Sonderkommission keine Indizien ergeben beziehungsweise so verdichtet, dass eine Notwendigkeit zur weiteren Untersuchung in dieser Causa bestünde.

Zur Frage 13: Nein, es existieren keine Handarchive, in die EKIS-Daten Eingang finden.

Zur Frage 14: Ja, gemäß § 14 Abs. 5 Datenschutzgesetz 2000 sind Protokoll und Dokumentationsdaten drei Jahre lang aufzubewahren, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist.

Zur Frage 15:

Ich vertraue den österreichischen Sicherheitsbehörden und der unabhängigen Justiz. Sowohl die Gerichts- als auch die Sicherheitsbehörden verfügen über ausreichende Expertisen zur Behandlung der Angelegenheit. Die Beiziehung ausländischer Experten ist daher aus der Sicht des Bundesministeriums für Inneres nicht notwendig.

Zur Frage 16: Ja, soweit die Datentransfers über die Bekanntgabe wehrpflichtiger Männer, die eine Erklärung abgeben, den Zivildienst ableisten zu wollen, hinausgehen, bin ich bereit, dazu im Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses Stellung zu nehmen.

Zu den Fragen 17 und 18: Nein, für eine solche Vorgangsweise besteht derzeit kein Anlass.

Zur Frage 19:

Ich bitte neuerlich um Ihr Verständnis dafür, dass mir die Nichtöffentlichkeit des Vorverfahrens sowie die Verpflichtung zur Einhaltung der Amtsverschwiegenheit die Beantwortung dieser Frage nicht erlauben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Abgeordneter Schwemlein. – Bitte.

15.36

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist mir ganz wichtig, dass ich meinen Ausführungen


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einen Satz voranstelle, und zwar deshalb, weil ich diese Aussage, die ich bereits im Ausschuss getroffen habe, auch hier im Plenum unterstreichen möchte. Wir sind in der Vergangenheit stets schützend vor den Beamtinnen und Beamten, die ihren Dienst korrekt versehen, gestanden, und wir tun dies selbstverständlich auch in der Zukunft. Wir Sozialdemokraten lassen nicht zu, dass ein ganzer Berufsstand in Misskredit gebracht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister – und ich gehe davon aus, dass er durchaus bemüht ist, in diese sehr leidige Angelegenheit Licht zu bringen – hat in der "ZiB 2" gesagt: Wir untersuchen dort, wo es aus unserer Sicht notwendig erscheint!

Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass in diesem einmaligen Skandal in der Zweiten Republik nicht die Frage ist, wie der Herr Bundesminister Notwendigkeiten betreffend eine Aufklärung bewertet, denn das ist eine außerordentlich sensible Frage. In dieser Frage geht es nämlich um das Recht der Bürgerinnen und Bürger und nicht um eine Entscheidung, die der Herr Minister trifft. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Vor allem geht es darum, dass wir aufzeigen, wie in der Vergangenheit gearbeitet wurde, wie auch in der Gegenwart gearbeitet wird und was alles passiert. Das ist das Entscheidende!

Es haben sehr viele Bürgerinnen und Bürger, die hier auf der Galerie sitzen, erwartet, Antworten darauf zu bekommen, weil sie verständlicherweise eine sehr hohe Verunsicherung verspüren. Sie werden diesen Plenarsaal mit der gleichen Ungewissheit, mit der sie hier hergekommen sind, verlassen.

Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, dass wir alle hier – wir, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreter, wir als Anwälte der Bürgerinnen und Bürger – das Recht darauf haben, Informationen zu bekommen, und uns nicht nur mit der Antwort zu begnügen haben: Kann ich nicht sagen! Darf ich nicht sagen! Werden wir sehen! – Daher, Herr Bundesminister, und auch Sie, meine Damen und Herren, als die Entscheidungsträger hier herinnen, fordere ich Sie auf, einem Untersuchungsausschuss zuzustimmen – zur Wahrung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Kogler.  – Abg. Ing. Westenthaler: Sie fordern den Gesetzesbruch!)

Herr Kollege Westenthaler! Wenn Sie sich selbst in meine Rede schon so einschalten, dann möchte ich den Bürgerinnen und Bürgern nicht vorenthalten, welch mehr als zweifelhaftes Spiel Sie hier treiben. (Abg. Ing. Westenthaler: Na!) Na, jetzt halten Sie sich an! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Herr Haider, meine Damen und Herren – ich glaube, eine hinlänglich bekannte Person –, wirft im "profil" vom 16. Oktober 2000 Herrn Westenthaler ein viel zu gutes Verhältnis zu Herrn Kleindienst vor. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist der Beweis der Spitzelaffäre!)

Meine Damen und Herren! Herr Kleindienst ist jener Mann, der mit seinem Buch einiges, was die Freiheitlichen betrifft, in Bewegung gebracht hat, und Herr Haider beklagt jetzt, der Herr Westenthaler hätte ein viel zu gutes Verhältnis zu Herrn Kleindienst. Herr Haider tut das, nicht die Sozialdemokraten! Was sagt in seiner typischen Reizreaktionsmusterrolle Herr Westenthaler über Herrn Kleindienst? – Ich zitiere wörtlich aus der "Presse" vom 5. Oktober 2000: "Irgendein Dahergelaufener". (Abg. Ing. Westenthaler  – sich demonstrativ mit beiden Händen an der Sitzbank festhaltend –: Ich halte mich noch immer an!)

Meine Damen und Herren! Werden Sie sich der Tragweite dessen bewusst, welches Mittel Herr Westenthaler, der die Zentralfigur in diesem einmaligen Skandal der Zweiten Republik ist, wählt beziehungsweise welche Vorgangsweise er an den Tag legt! Er wird von seinem eigenen Parteiobmann beschuldigt, ein zu enges Verhältnis zum Herrn Kleindienst zu haben, und gleichzeitig versucht Herr Westenthaler, diesen zu vernichten, indem er sagt: "irgendein Dahergelaufener". Damit wollte ich Ihnen vor Augen führen, welche Spielregeln bei den Freiheitlichen gelten. Das ist eine Schande, Herr Westenthaler! (Beifall bei der SPÖ und des Abg. Mag. Kogler. )


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Weil es so typisch ist für die Rollen, die die einzelnen Funktionäre der Freiheitlichen spielen, darf ich noch ein Beispiel bringen: Wir haben in der letzten Sitzung des Innenausschusses zum Glück verlangt, dass ein Protokoll angefertigt wird. Vielleicht können Sie sich noch erinnern – und ich sage das jetzt nur deshalb, weil ich eine Richtigstellung treffen will –, dass in der Sondersitzung des Nationalrates ein massiver Vorwurf von Seiten der Frau Kollegin Partik-Pablé gegen mich ausgesprochen wurde. Sie hat behauptet, dass ich dafür gestimmt hätte, dass der Herr Westenthaler in dieser Angelegenheit nicht Mitglied im Innenausschuss ist. Ich habe das bestritten, aber das nützt nichts, denn diese Aussage von Frau Partik-Pablé steht so im Protokoll.

Aber jetzt zitiere ich aus dem Protokoll dieser Sitzung des Innenausschusses. Dort habe ich Folgendes gesagt:

"Ich bin jedoch der Auffassung, dass die Tatsache, ob Herr Westenthaler herinnen sitzt oder nicht, die Ermittlungen und die weiteren Schritte in keiner Art und Weise beeinträchtigen oder bremsen wird. Daher glaube ich, Herr Kollege Pilz" – zu ihm gesprochen –, "dass Sie das schon beantwortet haben" – nämlich, ob er herinnen bleibt oder nicht –, "aber wir werden gespannt zuschauen, wie Herr Kollege Westenthaler darauf reagieren wird." – Also ich habe mit keinem Wort gesagt, dass er gehen soll.

Aber das ist eben Ihre Art und Weise: In dem Augenblick, in welchem Sie angegriffen werden, sofort nach einem bestimmten Reizreaktionsmuster reflexartig einen Gegenangriff zu starten. (Abg. Ing. Westenthaler  – sich demonstrativ mit beiden Händen an der Sitzbank festhaltend –: Ich halte mich noch immer an!) Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ein Recht darauf haben, dass diese miese Art von Politik endlich ein Ende findet. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ungeachtet der Tatsache, dass all das, was passiert ist, ein ganz furchtbarer Skandal ist, stellt das eine massive Erschütterung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in diesem Staat dar. Sie haben einmal in einer Werbekampagne den Slogan verwendet: "Österreich neu regieren". Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie das als Marketingkonzept einsetzen, aber was Sie jetzt machen, das ist nichts anderes, als die Grundfeste dieses Staates massiv zu erschüttern. Und das ist die wahre Schande in diesem Lande, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Erlauben Sie mir – aus tiefer Überzeugung!; nicht weil es darum geht, dass es eine Oppositionspartei verlangt, sondern weil es darum geht, welche Rechte die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande haben –, an Sie die Bitte zu richten: Stimmen Sie der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu, damit dieser Fall lückenlos aufgeklärt werden kann!

Es sind seit der Rede meines Parteivorsitzenden nur ein paar Minuten vergangen, und ich muss zu dem von ihm Gesagten schon eine Ergänzung machen. Er hat aufgezeigt, dass dieser Fall jetzt auch schon in Salzburg weitergeht. Ich darf Ihnen die nächste Meldung bringen: In Vorarlberg geht es auch schon drunter und drüber. Wir haben in jedem Bundesland einen massiven Skandal vorliegen. Wenn Sie nicht daran interessiert sind, dass er aufgedeckt wird, machen Sie sich schuldig, und auf diese Art und Weise treten Sie die Rechte der Bürgerinnen und Bürger mit Füßen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

15.45

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wende mich zuerst an den Kollegen Schwemlein, der soeben die Verunsicherung, die wegen dieser Debatte hier im Parlament entsteht, beweint hat. (Abg. Schwemlein: Es geht um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) Na klar hat er das gesagt! – Herr Abgeordneter Schwemlein! Sie sind derjenige, der enorm viel dazu beiträgt, dass eine solche Verunsicherung entsteht (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), denn Sie


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stellen fragwürdige Informationen aus Zeitschriften so hin, als ob sie amtliche Ergebnisse wären (Abg. Dr. Khol: Vorverurteilung!), und das ruft die ärgste Verunsicherung hervor.

Herr Abgeordneter Gusenbauer hat ja hier wirklich ein Gruselbild gezeichnet, ein Gruselmärchen erzählt (Abg. Ing. Westenthaler: Gruselbauer!), und er hat kühne Konstruktionen hergestellt. Es war ihm wirklich nichts zu schäbig, es als Verdächtigung zu benützen, nur um die Freiheitlichen da hineinzuziehen. (Abg. Schwemlein: Sie braucht man nicht hineinzuziehen, Sie stecken mitten drinnen!) Ich frage mich: Ist das ein politisches Wunschbild von Ihnen?

Von einem "fein ziselierten System" hat Herr Gusenbauer gesprochen. Sogar das Wort "Angstschauer" hat er nicht ausgelassen, die den Politikern über den Rücken laufen sollen (Abg. Dr. Gusenbauer: Den Menschen, nicht den Politikern! – Abg. Dr. Kostelka: Die Menschen sind nicht so abgebrüht wie Sie!), wenn sie mit dieser "Spitzelaffäre" konfrontiert werden. Ich würde als Allererstes, Herr Abgeordneter Gusenbauer und Herr Abgeordneter Schwemlein, die Informanten, auf die Sie sich stützen, davonjagen, denn die haben Sie absolut falsch informiert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Mit sieben haben wir begonnen, inzwischen sind es mehr als 80!)

Herr Abgeordneter Schwemlein, hören Sie mir zu! Ich glaube, dass es wichtig ist, was ich zu sagen habe. – Herr Abgeordneter Gusenbauer war nicht im Ausschuss, und deshalb ist er offensichtlich auf Phantasiegeschichten angewiesen. Wenn Sie nämlich im Ausschuss gewesen wären, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dann würden Sie wissen, dass kein Zusammenhang zwischen der Abfrage von Daten und Politikern nachgewiesen werden konnte. Das hat der Herr Minister eindeutig gesagt. (Abg. Schwemlein: Da waren wir in zwei verschiedenen Ausschüssen!)

Das einzig Erwiesene in dieser ganzen Spitzelaffäre ist der abgesetzte SPÖ-Gemeinderat aus Schwechat. Es ist nämlich nachgewiesen worden, dass er Daten weitergegeben hat. (Abg. Schwemlein: Das ist wieder Ihre Art: Ablenken von Ihren eigenen Fehlern, indem Sie auf andere zeigen!)  – Nein, das ist nicht meine Art, sondern das ist offensichtlich die Art der Sozialdemokraten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Jetzt ärgern Sie sich, Herr Schwemlein, weil ich Ihnen das vorgehalten habe. Sie hätten es ja selber auch erwähnen können, dass Sie da ganz ordentlich drinnen sitzen.

Herr Schwemlein und Herr Gusenbauer! Sie haben beispielsweise einen Zusammenhang zwischen Peter Westenthaler und Bespitzelungen hergestellt. Herr Kleindienst hat eindeutig gesagt: Ich kenne bei Westenthaler keinen Fall, in welchem er einen Polizisten um Informationen ersucht hätte. – Also was wollen Sie mehr haben?! (Abg. Schwemlein: Der hat ihm die Absolution erteilt!)

Was die Informanten betrifft, ... (Abg. Schwemlein: Sie widersprechen sich ununterbrochen!) Aber Herrn Kleindienst wollen Sie schon glauben! Ihre Linie ist ja völlig klar: Es geht Ihnen nur darum, FPÖ-Politiker einzutunken. Das haben wir schon im Ausschuss bemerkt, und das merken wir heute wieder. (Abg. Schwemlein: Überhaupt nicht! Das machen eure eigenen Leute!)

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen – Herr Abgeordneter Schwemlein, Sie werden sich vielleicht erinnern können –: Im Ausschuss hat auch einer Ihrer Kollegen versucht, einen freiheitlichen Funktionär da hineinzuziehen. Der Herr Minister hat gesagt: Ich bitte um Verständnis. Hier wird ermittelt und nicht spekuliert. – Der Herr Minister hat also eindeutig jeden Zusammenhang zwischen der Datenaffäre und Politikern abgestritten und widerlegt.

Es stimmt auch nicht, so wie in Absatz 6 der Dringlichen Anfrage angeführt, dass gegen sieben Personen wegen illegaler Weitergabe von EKIS-Daten ermittelt wird. (Abg. Schwemlein: Nein, in der Zwischenzeit sind es mehr als 80!) Das stimmt ganz einfach nicht! Es gibt 7 aktiv Angefragte, und es gibt 150 passiv Angefragte. Es hat der Herr Direktor der SoKo im Ausschuss eindeutig gesagt, die Treffer seien an sich völlig wertfrei, nicht jede Anfrage über einen Prominenten oder durch einen möglichen Verdächtigen bedeute eine Unregelmäßigkeit.


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Aber Sie sprechen in Ihrer Dringlichen Anfrage von illegalen ... (Abg. Schwemlein: Nein!) Streiten Sie das jetzt doch nicht ab! Nehmen Sie Ihre Dringliche Anfrage zur Hand, dann werden Sie sehen, dass dort drinnen steht: "illegale Abfragen". (Abg. Schwemlein: Hat es ja gegeben!) Also wenigstens das müssen Sie zugeben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Interessant ist die Homepage der Grünen, und zwar gibt da Herr Peter Pilz einen Hintergrundbericht über diese Datenmissbrauchsaffäre im Bundesministerium für Inneres, aber gleich in einem Aufwaschen macht er daraus eine Spitzelaffäre der FPÖ: Hinweise auf freiheitlichen Missbrauch von EKIS-Daten.

Das ist doch wirklich ungeheuerlich, Herr Abgeordneter: einen Hintergrundbericht gleich zu verbinden mit Schuldzuweisungen, die aber durch nichts belegt sind! Man sieht schon, wo der Karren hinlaufen soll, wo die Opposition die Freiheitlichen haben möchte.

Ich weiß nicht, welche Informationsquellen Sie, Herr Pilz, für Ihre Homepage angezapft haben, aber mit offiziellen Informationen hat das nichts zu tun, genau so wenig wie die von Ihnen, Herr Schwemlein, und die von Herrn Gusenbauer. (Abg. Schwemlein: Auf die von Herrn Haider sind wir neugierig!) Ich habe schon zitiert, was Minister Strasser gesagt hat.

In der Homepage von Herrn Pilz reiht sich eine Unwahrheit an die andere. Genauso streitet er nämlich auch ab, dass gegen ihn ermittelt wird.

Herr Abgeordneter Pilz! Der abgesetzte SPÖ-Gemeinderat und Sie sind die Einzigen, die wirklich nachgewiesenermaßen über Daten verfügt haben, die streng geheim waren. (Abg. Schwemlein: Und der Herr Haider?!) Sie sind bei einer Pressekonferenz mit Aktenstücken aus einem Disziplinarakt aufgetreten. Der Herr Innenminister hat gesagt, es werde untersucht, wie Sie zu diesen Akten kamen. Auf der Homepage steht drinnen: Nein, das alles stimmt nicht.

Noch etwas ist sehr interessant: Herr Pilz, der natürlich weiß, dass es nicht in Ordnung ist, dass er mit geheimen Daten angetroffen wird, startet gleich eine Selbstreinigungsaktion auf der Homepage, und zwar sagt er Folgendes: Wenn jemand interne Akten aus der öffentlichen Verwaltung zur Kontrolle verwendet, dann ist das erlaubt. Nur zur Bespitzelung ist es nicht erlaubt. Wenn jemand Akten zur Bespitzelung politischer Gegner verwendet, dann ist das ein Fall für die Gerichte und für einen Untersuchungsausschuss. Wer damit aber den Missbrauch der amtsinternen Macht dokumentieren und abstellen will, ist als Abgeordneter dazu verpflichtet. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Irrsinn!)

Also bitte, der Herr Pilz stellt sich gleich selbst den Freibrief aus. (Abg. Haigermoser: Masche Pilz!) So stellen Sie sich die Politik in Österreich vor. Wir werden da aber nicht mitmachen, sondern wir sind der Meinung, dass Recht Recht bleiben muss – und Unrecht eben Unrecht.

Ich glaube, man bezeichnet so etwas, was Herr Pilz macht, als klassische Doppelmoral. Herr Pilz, ich erwarte mir jetzt von Ihnen, dass Sie zu dieser so genannten Rechtfertigung eine Stellungnahme abgeben. (Abg. Ing. Westenthaler: Ziemliches Desinteresse in den SPÖ-Bänken!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere von der Opposition! Ich wundere mich wirklich über die Unsensibilität von manchen Abgeordneten oder von Ihnen allen, wenn es um die Medienberichterstattung geht. Es regt sich niemand von Ihnen auf, wenn zum Beispiel "NEWS" einen geheimen Nationalbankprüfbericht veröffentlicht, "NEWS" ein geheimes Protokoll des Finanzministeriums veröffentlicht, "NEWS" einen geheimen Botschaftsbericht aus Paris veröffentlicht! Ich könnte diese Liste von Beispielen fortsetzen.

Ich frage mich: Was sagen Sie dazu? Ist Ihnen das alles recht? – Da ist niemand aufgestanden und hat sich aufgeregt und hat geschaut, woher diese Informationen kommen!

Oder: Von der SPÖ hat es im Jahre 1991 eine Spitzelaffäre gegeben. Da hat das Büro von Landeshauptmann Sipötz an das Büro des SPÖ-Bezirkssekretariates in Oberpullendorf geschrieben und um Erhebungen über sechs mit Namen, Geburtsdatum und Adresse angeführte Personen


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ersucht. Bei jedem Kandidaten befindet sich ein handschriftlicher Zusatz: Vater ÖVP-Bürgermeister, ÖVP-Kernschicht, Vater SPÖ-Mitglied und so weiter.

Also was ist das jetzt: Ist das Bespitzelung oder ist das die Wahrheitsfindung, die erlaubt ist? Was ist das jetzt eigentlich, Herr Schwemlein, Herr Kostelka, Herr Gusenbauer? (Abg. Dr. Gusenbauer: Na was gibt es denn?)

Wo waren Sie da, Herr Kostelka? Geben Sie mir Antwort hinsichtlich dieser Bespitzelungsaffäre im Jahre 1991 im Burgenland! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Gusenbauer: Sagen Sie mir, welches Datum, welche Uhrzeit!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat Herr Minister Strasser eindeutig gesagt, es werde ermittelt, was es da alles gegeben hat. Herr Schwemlein hat behauptet, in jedem Bundesland gebe es einen Skandal. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: Seit 50 Jahren führen sozialistische Innenminister das Innenressort – bis vor acht Monaten. Diese Skandale, diese Bespitzelungsaffären sind lange vor der Übernahme des Innenressorts durch Minister Strasser entstanden. (Abg. Schwemlein  – auf die Freiheitlichen zeigend –: Hier sitzen die Auftraggeber!) Wenn etwas aufkommt, dann haben Sie sich selber an der Nase zu nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Nur fürs Protokoll: Ich stelle ein sonderbares Desinteresse bei der SPÖ fest! Ich stelle ein sonderbares Desinteresse bei der SPÖ bei der Dringlichen Anfrage fest!)

15.56

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

15.56

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine Mitarbeiterin hat Stricherl gemacht und hat in den Debattenbeiträgen der Kollegen Gusenbauer und Schwemlein insgesamt ein Wort als den Spitzenreiter herausgefiltert: das Wort "Skandal". Mehr als 40-mal haben Gusenbauer und Schwemlein das Thema und damit den "Skandal" aufgearbeitet. Es ist ein Skandal, wie oft Sie das Wort "Skandal" in diesem Zusammenhang verwenden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Das ist es auch! Das ist wirklich ein Skandal!)

Wahr ist: Nicht ein einziger Beweis, nicht ein einziges Faktum, nicht eine einzige Tatsache wurden von Herrn Gusenbauer und von Herrn Schwemlein auf den Tisch gelegt. Sie handeln nach dem Motto: Ja, selbstverständlich, was "NEWS" schreibt, daraus zitieren wir! Was "profil" schreibt, das ist uns wichtig und stimmt natürlich! Aber auch das "FORMAT" darf da nicht hintanstehen. Dort stehen die "wahren Tatsachen" und die Weisheiten, die manche aus dem Kaffeesud herauslesen. Das ist die Melange, aus der die SPÖ einen Skandal basteln will! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mir hat jemand geflüstert, ob nicht im EKIS-Computer auch geheime Informationen über den Kollegen Gusenbauer stünden. Ich sehe mich natürlich außerstande, darauf eine faire, ehrliche, seriöse Antwort zu geben. Dann müsste ja drinnen stehen – vielleicht, das ist eine bloße Vermutung von mir –, dass er einmal nach Moskau geflogen ist (Abg. Schwarzenberger: Den Boden geküsst!)  – Kollege Schwarzenberger gibt mir schon die Staffel in die Hand –, dass er dort den Boden geküsst hat und unter anderem "Heimat" gerufen hat. Das steht möglicherweise auch im EKIS-Computer. – Reine Vermutungen, reine Behauptungen, Kollege Gusenbauer! Ich weiß es nicht, ich gehe aufs Hörensagen aus, wie Sie es vorhin auch getan haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun komme ich zu den Fakten: Innenminister Strasser hat die volle Unterstützung der Koalition im Zusammenhang mit der Bearbeitung dieses behaupteten Skandals, wie es SPÖ und Grüne wollen. Das, was er heute gesagt hat, die Vorgangsweise, die er gewählt hat, jene Instrumente, die er installiert hat, und vor allem die Zusammenarbeit zwischen der Sonderkommission und der Justiz, ob Staatsanwalt oder U-Richter, finden unsere volle Unterstützung. Herr Bundesminister, ich gratuliere zu dieser Vorgangsweise, sie deckt sich mit unseren Intentionen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wir wollen eine lückenlose Aufklärung, sollte es Fälle geben – nur: wir wissen von keinem einzigen! Wir wollen eine klare und eindeutige Stellungnahme der Gerichte – sollte es wirklich Tatsachen geben! Wir sind daran interessiert, dass in diesem Land der Rechtsstaat zum Durchbruch kommt und nicht Behauptungen Überhang haben! Das lassen Sie sich bitte ins Stammbuch schreiben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es steht zweifelsfrei fest, dass natürlich ohne Ansehen von Personen, Rang oder Funktion ermittelt wird. Das ist doch wohl selbstverständlich. Diese Garantie gibt Herr Minister Strasser ab. Mit dieser Garantie sagt er aber auch den Bürgern in diesem Land: Fürchtet euch nicht! Und vor allem: Stellt euch zur Exekutive anders, als es SPÖ und Grüne tun! Und das ist wesentlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In den Reihen der SPÖ sitzt einer von jenen, die jetzt ans Pult kommen und aus dem Vollen schöpfen könnten. (Zwischenruf bei der SPÖ.)  – Selbstverständlich!

Herr Bundesminister Strasser sagt, alle behaupteten Vorgänge seien auf die Jahre 1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1998 und 1999 zurückzuführen.

Da frage ich Sie, Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ: Wer hatte denn die politische Verantwortung in diesen Jahren im Innenressort? (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Ja wer war denn das? War das vielleicht der Einem?) Gibt es möglicherweise einen Parlamentarier, der jetzt unter uns sitzt, der in diesem Zeitraum Innenminister gewesen ist? (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Ja! – Wo sitzt denn der Einem?)

Kollege Einem! Ich hätte mir erwartet – Sie könnten ja Licht ins Dunkel bringen –, dass Sie in dieser Debatte hier zum Rednerpult treten! (Abg. Haigermoser: Jawohl!) Ich hätte mir erwartet, dass Sie sich Ihrer politischen Verantwortung damals bewusst gewesen und jetzt so ehrlich sind, zu sagen: Ja, da haben wir Mist gebaut; wir, die "roten Brüder", haben die Verantwortung gehabt, und uns ist das passiert! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber nein, Einem tut das nicht, er traut sich natürlich nicht! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich konzediere der SPÖ natürlich "Vergesslichkeit". Nichts ist einfacher, als das zu "vergessen" – und das schon nach acht Monaten, in denen man nicht mehr in der Regierung ist! (Abg. Mag. Wurm: Wer ist der Auftraggeber? Darum geht es! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Sie wissen ja: Diese Schmerzen des Machtverlustes hinken nach! Ich konzediere da also der SPÖ durchaus "Vergesslichkeit": Sie hat "vergessen", dass vor Ernst Strasser der Innenminister Karl Schlögl hieß. Der ist doch zufälligerweise ein Roter – oder nicht? (Abg. Mag. Wurm: Wer waren die Auftraggeber?! Das ist von Interesse ...!)

Sie von der SPÖ haben auch "vergessen", dass der Innenminister vor Schlögl Einem hieß. Da (in Richtung SPÖ-Bänke) sitzt er jetzt! Und Sie haben "vergessen", dass der Vorgänger von Einem Franz Löschnak geheißen hat! – Das sind nur die drei Namen der Innenminister dieses letzten Jahrzehnts, in deren politischer Verantwortung als SPÖ-Innenminister genau das ruchbar wird, was jetzt die SPÖ behauptet. – Na gute Nacht, Sozialdemokratie!, kann ich da nur sagen. Die "Vergesslichkeit" ist allenthalben groß. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Am Ball ist jetzt die unabhängige Justiz – und ich begrüße das. (Abg. Ing. Westenthaler: Der Gusenbauer ist schon wieder weg!)

Herr Bundesminister! Die Vorgangsweise, die Sie in diesem Zusammenhang gewählt haben, findet nicht nur unsere Unterstützung. Ich bin sehr froh darüber, dass Bundesminister Strasser genau in diesem Zusammenhang von der unabhängigen Justiz gesprochen hat, die jetzt – egal, ob es Staatsanwälte oder dann beispielsweise Richter sind – jene Aufträge erteilt, unter denen die Sonderkommission ermittelt. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist denn der Gusenbauer?)


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Ich sehe und höre übrigens gerade, dass Gusenbauer schon wieder weg ist; wie immer also. Wahrscheinlich champagnisiert er schon wieder irgendwo im Ausland, kaum dass er seine Dringliche Anfrage gestellt hat. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Das ist ein "Niveau"!)

Ja, ich bin froh darüber, dass die Justiz jetzt am Wort ist, und zwar aus einem einfachen Grund: Weil es einen in diesen Reihen gibt – er wird wahrscheinlich gleich nach mir reden –, der mich mit einer Klage eindecken wird. Kollege Pilz ist es, der mir im Zusammenhang mit der letzten Sitzung des Innenausschusses und meinen Aussagen in Bezug auf diese Innenausschuss-Sitzung mit einer Zivilklage droht.

Kollege Pilz! Ich "fürchte" mich gewaltig vor dieser Klage. Ich freue mich nicht nur nicht, sondern ich habe "Angst" davor. Es ist doch unglaublich, was da alles ruchbar werden wird! Es ist unglaublich, wirklich! Ich werde also vom Kollegen Pilz geklagt, und ich "zittere" und "bibbere".

Kollege Pilz hat behauptet – wir haben ja mittlerweile das Protokoll –, Kiss gehe aus einer Sitzung des Innenausschusses in die Öffentlichkeit und behaupte wider besseres Wissen etwas völlig Falsches! Das sagt jener Peter Pilz, der in dieser Sitzung des Innenausschusses vom 11. Oktober unter anderem dem Klubobmann der Freiheitlichen Partei dessen Teilnahmerecht an dieser Sitzung verwehren wollte (Rufe bei den Freiheitlichen: Schau! Schau!), jener Kollege Pilz, der meiner Ansicht nach ein eigenartiges Demokratieverständnis hat, jener Kollege Pilz, der unter anderem in dieser Sitzung des Innenausschusses Folgendes hören durfte: Es könnte natürlich auch er sein, der unter "Vergesslichkeit" leidet, so, wie das offensichtlich auch bei der SPÖ akut ist. (Abg. Mag. Wurm: Sie vergessen den Auftraggeber! Und darum geht es!)

Kollege Peter Pilz müsste doch in dieser Sitzung des Innenausschusses, und zwar auf die Frage des Kollegen Westenthaler an den Herrn Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser, Folgendes gehört haben – bevor er hinausgegangen ist, um mich zu klagen, weil ich angeblich etwas Wahrheitswidriges behauptetet hätte –: Kollege Westenthaler stellte also an Innenminister Strasser folgende, dritte Frage – ich zitiere –:

"Es gibt in der Tageszeitung ‚Kurier‘ einen Artikel, und zwar vom 6. Oktober 2000, in dem festgehalten ist, dass Pilz am Dienstag irgendwelche Attacken geritten hat, und er hat Unterlagen präsentiert, ein die Beamten betreffendes Disziplinarerkenntnis verteilt – dieses Material gilt aber als streng vertraulich."

Antwort von Bundesminister Dr. Ernst Strasser – Protokoll dieser Sitzung –:

"Zur Frage drei, Causa Pilz: Ja, es wird untersucht." (Zwischenruf bei der SPÖ.)  – Zitatende.

Wer steht also im Mittelpunkt von Untersuchungen in der Angelegenheit der "Spitzelaffäre"? Sind es Schwarze, sind es Blaue (Abg. Gaál: Auch!)  – oder ist bewiesen, dass es einen gibt, nämlich den Grünen Peter Pilz und, wie wir schon wissen, einen SPÖ-Gemeinderat aus Schwechat, die – nachweislich! – missbräuchlich Daten aus dem Polizei-Computer, die – nachweislich! – missbräuchlich Daten aus der Bundespolizeidirektion Wien, aus Disziplinarakten, aus geheimen Verschlussakten in die Öffentlichkeit hinaustragen?! Wer sind also jene, die wirklich Butter am Kopf haben? (Abg. Dr. Khol: Die anderen!)  – Die Antwort ist sehr einfach zusammengefasst: Wir würden im wahrsten Sinne des Wortes den Bock zum Gärtner machen, wenn wir diese Opposition ans Ruder ließen!

Die österreichische Bevölkerung weiß genau, wem sie vertraut. (Abg. Dr. Lichtenberger: Ja, die Steirer haben es auch gewusst!) Sie wird sicherlich der SPÖ, die bei diesem behaupteten und angeblichen Skandal in Wirklichkeit ihre eigene Verantwortung "delegieren" will, nicht vertrauen, und auch nicht den Grünen, die da einen Skandal zu drechseln versuchen, wobei sie von einem Peter Pilz quasi am Nasenring geführt werden. – Aber Van der Bellen fällt nicht einmal auf, dass er da von Peter Pilz gleichsam vorgeführt wird.

Es sind also die Roten und die Grünen, die einen Skandal behaupten – diesen aber selbst verursacht haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.05


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40. Sitzung / Seite 100

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. (Rufe bei der ÖVP: Zur Geschäftsordnung!) Wollen Sie einen Antrag stellen? (Abg. Dr. Trinkl: Das hat sich in der Zwischenzeit erübrigt, da Kollege Gusenbauer mittlerweile wieder hier im Saal erschienen ist! – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dann ist also Herr Abgeordneter Dr. Pilz der nächste Redner. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

16.06

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem mich Herr Abgeordneter Kiss hier ausreichend angekündigt hat, bitte ich nur um Verständnis dafür, dass ich nicht in gleicher Ausführlichkeit auf seine Rede antworte. (Abg. Haigermoser: Das kann ich mir vorstellen!)

Es geht heute um eine Affäre, in deren Mittelpunkt mit Sicherheit nicht Abgeordneter Kiss steht, sondern eine mit ihm befreundete Partei und deren Spitze. Und damit möchte ich mich nun beschäftigen.

Herr Bundesminister Strasser! Ein Bericht ist überfällig. Der Nationalrat hat Anspruch auf einen umfassenden Bericht darüber, wie der Stand der Ermittlungen ist, ebenso eine Antwort auf die Fragen: Ist ein konkreter Verdacht materiell begründet? Wie ist die weitere Vorgangsweise? Und wie wird sichergestellt, dass nicht nur der Missbrauch des EKIS-Systems durch die Freiheitliche Partei, durch freiheitliche Funktionäre, sondern auch der Missbrauch anderer polizeilicher Instrumente durch eben diese Partei und ihre Funktionäre untersucht wird? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir kennen inzwischen die Struktur, wir kennen die Köpfe, das so genannte "Kommunikationsbüro": mit Jörg Haider, mit Peter Westenthaler. Wir kennen allerdings noch nicht die Rolle der dritten Person in diesem "Kommunikationsbüro", im "Kombo", nämlich die von Frau Riess-Passer. Dieses Büro hat aus drei verantwortlichen Personen – und nicht aus zwei! – bestanden.

Möglicherweise stellt sich im Laufe einer parlamentarischen Untersuchung heraus, dass Frau Riess-Passer von all dem, was rund um Jörg Haider und Peter Westenthaler geschah, nicht die geringste Ahnung hatte. Aber das müssen wir uns zuerst einmal anschauen. – Das ist eine wichtige Frage, die geklärt werden muss, weil vieles im Zusammenhang auch mit der Regierungstätigkeit hier und in diesem Ausschuss geklärt werden muss.

Weiters kennen wir ein System von "Führungsoffizieren", von jenen, die vom "Kombo" eingesetzt wurden und dafür verantwortlich waren, dass der – nennen wir es vorsichtig so! – Datentransfer funktioniert hat. Namen wie Rumpold stehen genau für diese Rolle.

Und weiters hat es ganz offensichtlich "lokale Kommandos" gegeben, "lokale Kommandos", die dafür gesorgt haben, dass AUF-Funktionäre und befreundete Kollegen aus der Exekutive all das auf Knopfdruck geliefert haben, was in der Zentrale von "Kombo" gerade gebraucht wurde.


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(Abg. Jung: Haben Sie das in der DDR gelernt?) Dafür stehen Namen wie Kreißl, Binder und einige andere. Diese "lokalen Kommandos" hat es offensichtlich auch außerhalb Wiens gegeben. Das wissen wir derzeit.

Wir kennen auch den Zweck dieses ganzen Systems: Das Ziel war Rufmord, schlicht und einfach die Vorbereitung von professionellem Rufmord! Das ist der politische Stil einer Partei, die Gegner nicht überzeugen, sondern mundtot machen will. (Abg. Dr. Fekter: Das alles trauen Sie sich auch nur unter dem Mantel der politischen Immunität zu sagen!) Wenn man Rufmord begehen will, dann muss man etwas finden, und dann darf der eigene Dreck am Stecken nicht stören. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident, ist das der Sprachstil ... in diesem Hause ...?)

Auch wenn man kiloweise Dreck am eigenen Stecken hat: Wenn man ein "Fleckerl" beim anderen findet, kann man es ja versuchen, im EKIS-Computer, im Kriminalpolizeilichen Aktenindex nachzuschauen, dort, wo zum Teil sinnlose Anzeigen über Jahrzehnte gespeichert werden. (Abg. Jung: Woher wissen Sie das?) Das ist zwar kriminalistisch meist völlig uninteressant, aber zum Zweck des Rufmordes im Regelfall ausreichend.

Wer sind die Opfer? – Über die Opfer wissen wir derzeit noch am wenigsten. Wir wissen allerdings, dass eine Reihe von Politikerinnen und Politikern bespitzelt wurde. Wir wissen, dass exakt die Hälfte der Mitglieder des grünen Klubs bespitzelt wurde, fast alle von ihnen sind neue Abgeordnete. (Abg. Jung: Woher weiß Pilz das?) Offensichtlich bestand gerade in den letzten Monaten akutes Informationsbedürfnis. Wir wissen in diesem Zusammenhang weiters von einzelnen Künstlern, von öffentlichen Kritikern aus der Wissenschaft, aber sehr wenig aus dem Bereich des Journalismus.

Ich habe heute fünf Journalisten um ihre persönliche Einwilligung gefragt, hier ihre Namen nennen zu dürfen. (Abg. Dr. Puttinger: In welchem Zusammenhang?) Alle fünf haben gesagt: Ja, sie ermächtigen mich, hier ihre Namen zu nennen. Über wichtige Journalisten dieser Republik – auch außerhalb des Österreichischen Rundfunks! – hat es EKIS-Abfragen der sattsam bekannten Art gegeben. (Abg. Jung: In welchem Zusammenhang?) Ich nenne also jetzt die Namen: Wolfgang Fellner, Herbert Hufnagl, Herbert Lackner, Hans Rauscher und Alfred Worm. (Ruf bei den Freiheitlichen: Vielleicht sind die zu schnell gefahren! – Abg. Dr. Puttinger: Oder haben die falsch geparkt?)

Diese fünf Namen von Journalisten stehen für viele andere Namen. Und nicht nur die fünf Betroffenen, sondern auch wir als Abgeordnete des österreichischen Nationalrates hätten gerne eine Antwort auf die Frage: Warum auch diese fünf? Warum gerade Spitzenvertreter des österreichischen Journalismus? Warum gerade Journalisten, die halt nicht signalisiert haben: "Wir sind bereit, auf Regierungslinie zu schreiben" – nämlich auf jener Regierungslinie, die die Freiheitliche Partei mit Klagen und Einschüchterungen in fast allen Medien durchzusetzen versucht! (Abg. Kiss: Woher haben Sie diese Namen, Kollege Pilz?) Das sind alles Journalisten, die auf Drohungen der Freiheitlichen immer nein gesagt haben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kiss: Woher haben Sie diese Namen? – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Kiss: Pilz zitiert aus dem "Stapo-Ausschuss"! Herr Präsident, er ist dazu nicht berechtigt! )

Das sind Journalisten, die dann, wenn gedroht wurde, die Presseförderung zu kürzen, trotzdem das geschrieben haben, was sie für richtig und wichtig hielten. (Abg. Dr. Puttinger: Pilz zitiert aus dem "Stapo-Ausschuss"! – Abg. Dr. Fekter: Die Sitzungen des "Stapo-Ausschusses" sind vertraulich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Gegenrufe bei den Grünen und der SPÖ.) Ich erwarte mir eine Antwort darauf, was die Motive waren und was damit erreicht werden sollte! (Abg. Dr. Fekter: Wenn der Herr Pilz Dinge aus diesem vertraulichen Ausschuss erzählt, wird dort niemand mehr etwas sagen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch etwas Weiteres wissen: Warum wird unsere Anregung und unser Ersuchen nicht aufgegriffen, alle Betroffenen – ich sage es vorsichtig! – von unerklärlichen EKIS-Abfragen in aller Vertraulichkeit einmal persönlich zu informieren und ihnen zu sagen (Abg. Dr. Fekter: Pilz spricht öffentlich über geheime Sitzungen!), es besteht der begründete Verdacht, dass Daten über sie missbräuchlich abgefragt wurden?! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter. )

Frau Kollegin, diese Namen konnten im "Stapo-Ausschuss" noch nicht genannt werden, weil sie damals noch nicht bekannt waren. Das kommt aus den letzten Tagen; das war damals noch völlig unbekannt. Hätten Sie im "Stapo-Ausschuss" die Ohren aufgemacht, dann würden Sie das wissen. Aber wer nicht hören will, der muss eben hier zu hören. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es gibt aber ein weiteres Opfer – und das soll auch nicht unerwähnt bleiben (Abg. Dr. Martin Graf: Ja, Jörg Haider!), nämlich die österreichische Exekutive. Das sind nicht alles Leute vom Schlage eines Herrn Kreißl, eines Herrn Binder oder auch vieler anderer. Ich spüre aus der Exekutive heraus den dringenden Wunsch – fragen Sie doch jene Beamten,


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die außerhalb dieses Hauses derzeit für unsere Sicherheit sorgen! –: Alle von ihnen wollen eines, nämlich dass ganz klar wird, dass sie nicht einmal entfernt in die Nähe oder in Berührung eines illegalen freiheitlichen Spitzelringes kommen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Was ist mit den grünen Spitzeln? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Diese Beamten wollen nur eines: dass mit den Missständen in der Exekutive endlich Schluss gemacht wird! (Abg. Dr. Puttinger: Sie, Herr Pilz, gehen immer von sich selbst aus, von den grünen Spitzeln ...!) Diese Beamten ertragen ziemlich schwer, dass sie mit ihrem guten Ruf für freiheitliche Praktiken im Innenministerium haften. – Damit sollte daher so schnell wie möglich Schluss gemacht werden.

Meine Damen und Herren! Wir werden heute wieder begründen, warum ein Untersuchungsausschuss in dieser Causa notwendig ist. Ein Untersuchungsausschuss über die freiheitliche Spitzelaffäre wäre eigentlich der geradezu klassische Untersuchungsausschuss, geht es doch um Missbrauch, um den Missbrauch persönlicher Daten und um den Missbrauch der Amtsgewalt. Es geht um politische Hintermänner, es geht um illegale Strukturen im Bereich der öffentlichen Hoheitsverwaltung, und es geht auch um den Versuch, die politische und behördliche Macht zu missbrauchen, Kritik und Opposition in unserem Lande einzuschüchtern und mundtot zu machen. (Abg. Böhacker: Das ist eine ungeheuerliche Unterstellung!) Und das ist ein geradezu klassischer Fall für einen Untersuchungsausschuss!

Es ist bemerkenswert, dass in einer Situation, in der sich fast die gesamte freiheitliche Parlamentsfraktion gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP hinter dem sprichwörtlichen "Busch" versteckt, einer die Flucht nach vorne antritt, nämlich ihr Alt-Parteiobmann, der sich sagt: Bevor ich mit dem freiheitlichen Schiff in Wien untergehe, mache ich zumindest noch einen großen Ausbruchs- und Fluchtversuch nach vorne!

Probieren Sie es doch! Greifen Sie die Anregung Ihres Alt-Parteiobmannes auf! Trauen Sie sich in einen Untersuchungsausschuss! Herr Westenthaler, sagen Sie das erste Mal in aller Öffentlichkeit und unter Zeugenpflicht aus! Der Vorsitzende oder die Vorsitzende wird es dabei ja hoffentlich nicht unterlassen, Sie auf die Folgen einer Falschaussage hinzuweisen.

Herr Abgeordneter Westenthaler, nehmen Sie doch einmal dieses Risiko auf sich! Da geht es nicht um Klagen und um Zurück-Klagen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Da können Sie sich auch nicht auf den Schutz eines Justizministers oder einer Kanzlei verlassen. Da stehen Sie dann in einem Untersuchungsausschuss, wo nichts anderes passiert, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Gerne, Herr Präsident! – Da stehen Sie also dann, Herr Westenthaler, in einem Untersuchungsausschuss, in dem nichts anderes passiert, als dass äußerst notwendige Fragen Ihrer Kolleginnen und Kollegen des Nationalrates gestellt werden.

Sie haben nichts zu verbergen, folgen Sie daher also dem Rat Ihres Alt-Parteiobmannes Haider und bilden Sie mit uns eine Mehrheit für Aufklärung und Rechtsstaat! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Kiss wünscht das Wort; ich nehme an, zur Geschäftsbehandlung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.17

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ständigen Unterausschusses des Innenausschusses weise ich darauf hin, dass Herr Kollege Pilz in seinen Ausführungen soeben gegen die Bestimmungen des § 32d (4) GOG verstoßen hat, der lautet:


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40. Sitzung / Seite 103

"Die Sitzungen der Unterausschüsse sind, soferne nicht anderes beschlossen wird, vertraulich. Die Mitglieder des Unterausschusses sind vom Präsidenten des Nationalrates auf Wahrung der Vertraulichkeit zu vereidigen."

Und weiters ist dazu zu sagen: Eine Verletzung dieser Verpflichtung ist als Verletzung des Amtsgeheimnisses im Sinne des § 310 Strafgesetzbuch zu ahnden! (Abg. Dr. Fekter: Ja, sogar strafrechtlich relevant!)

Ich habe in allen Sitzungen dieses "Staatspolizeilichen Ausschusses", wie wir ihn abgekürzt nennen, auf diese Vertraulichkeit und auf die strafgesetzlichen Bestimmungen hingewiesen.

Kollege Pilz hat hier im Plenum Namen zitiert, die er offensichtlich in dieser Sitzung des "Stapo-Ausschusses" gehört hat. (Abg. Haigermoser: Jetzt wird es eng für den Pilz!)

16.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldung: Herr Abgeordneter Westenthaler.

16.18

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir sind hier soeben zu Zeugen eines evidenten Gesetzesbruches geworden, als sich hier vom Rednerpult des Nationalrates aus ein Abgeordneter des Amtsmissbrauches offenbar dahin gehend schuldig gemacht hat, dass er – entgegen seiner Vereidigung auf Geheimhaltung von Inhalten des "Stapo-Ausschusses"! – hier geheime Inhalte bekannt gegeben hat.

Und es macht es nicht leichter, sondern wesentlich schlimmer, dass derselbe Abgeordnete heute auch das Präsidium dieses Nationalrates mit dem Milošević-Terrorsystem verglichen hat.

Ich erachte beide Angelegenheiten als derart brisant, dass sie keines Aufschubes bedürfen, und ich ersuche daher um die Einberufung einer Stehpräsidiale.

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Pilz. – Bitte.

16.19

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Um diese Angelegenheit sofort zu klären, ersuche ich um etwas ganz Einfaches – und beantrage das auch –: Der Vorsitzende des Ständigen Unterausschusses des Innenausschusses solle dem Präsidium des Nationalrates, so das im Rahmen der Geschäftsordnung möglich ist, genau mitteilen, ob es überhaupt möglich war, diese Namen aus dieser Unterausschuss-Sitzung zu erfahren.

Faktum ist nämlich: Diese Namen sind damals noch nicht auf der Liste der Exekutive gestanden – und daher war das schon rein technisch unmöglich. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP: Woher haben Sie das dann?)

16.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Was den Ausdruck "Milošević-Methoden” betrifft, so hat sich das unter dem Vorsitz des Kollegen Prinzhorn abgespielt. Er hat angekündigt, die nächste Präsidialsitzung damit zu befassen. – Ich bleibe bei dieser Entscheidung des Kollegen Prinzhorn. Ich habe keinen Grund, davon abzugehen.

Was den Vorwurf betrifft, dass aus vertraulichen Beratungen des "Stapo-Ausschusses" gesetzwidrig zitiert wurde, so nehme ich das natürlich sehr ernst, aber ich kann dem Plenum nur das Gleiche sagen, was ich dem Kollegen Kiss unter vier Augen gesagt habe, als ich ihn hier heraus gebeten habe: Ich bin nicht Mitglied dieses Unterausschusses und ich habe keine Informationen darüber, was in diesem Ausschuss gesagt wurde, und die Präsidialsitzung des Nationalrates hat auch keine Informationen darüber, was in diesem Ausschuss gesagt oder nicht gesagt wurde.


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40. Sitzung / Seite 104

Wenn ein strafbares Verhalten gesetzt wurde, dann bin ich dafür, dass noch heute eine Anzeige formuliert wird, und wenn es gewünscht wird, werde ich diese an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Ich bin keine Instanz darüber, was in einem streng vertraulichen Unterausschuss gesagt oder nicht gesagt wurde. – Damit ist die Sache für mich abgeschlossen. (Abg. Leikam: Zur Geschäftsordnung!) – Zu dieser Sache? Bitte, Herr Abgeordneter Leikam.

16.20

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war auch bei diesem Ausschuss zugegen (Abg. Dr. Khol: Es wird ein Antrag gestellt!), und ich möchte klar dagegen halten, dass diese fünf Namen, die hier genannt wurden, nie Gegenstand der Beratungen im "Stapo-Ausschuss" waren. (Abg. Dr. Khol: Noch schlimmer! – Abg. Ing. Westenthaler: Der macht es noch schlimmer!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Dies war kein Antrag.

Herr Abgeordneter! Wenn Sie mir eine Sachverhaltsdarstellung geben, dann gehen wir so vor, wie besprochen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. Redezeit: 8 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.22

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! – Der Herr Minister interessiert sich für anderes.

Im Zusammenhang mit dieser Debatte möchte ich hervorheben, dass ein Zwischenruf, der nach den für die freiheitliche Fraktion offensichtlich nicht angenehmen Ausführungen des Kollegen Pilz gefallen ist, in dem die Betonung von strafrechtlichen Konsequenzen angesprochen wurde, wieder einmal die Geisteshaltung zeigt, vor deren Hintergrund wir diese Causa diskutieren müssen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Eine Gruppe von Abgeordneten der Freiheitlichen und der ÖVP steht in den vorderen Reihen und diskutiert. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Bundesminister! Das Interesse ... (Unruhe im Saal.)  – Herr Präsident! Könnten Sie vielleicht für etwas mehr Ruhe sorgen? Ich finde, dass diese Stehversammlung vielleicht woanders stattfinden könnte, weil das einer konstruktiven Debatte hier im Haus ein bisschen abträglich ist. (Abg. Haigermoser: Wollen Sie mich aus dem Parlament haben?) – Nein, aber ich denke, dass vielleicht ein bisschen mehr Ruhe und Aufmerksamkeit von Ihrer Seite her gegeben sein sollte bei dieser Debatte, die Sie ja durchaus betrifft. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Haigermoser: Wollen Sie mich aus dem Saal verweisen? Wo wollen Sie mich hinhaben? – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich will Sie nicht aus dem Saal verweisen, ich denke nur, dass der Ort für derartige Besprechungen woanders in diesem Hause ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo wollen Sie ihn denn hinhaben? – Abg. Dr. Petrovic: Wir wollen die Kollegin Kuntzl hören und nicht Sie! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Bitte, bleiben Sie hier! Ich habe nur gemeint, dass es hier im Saal ein bisschen ruhiger sein könnte. (Abg. Haigermoser: Wo wollen Sie mich denn hinhaben? – Abg. Dietachmayr: Geh, reg dich nicht so künstlich auf, Haigermoser!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Kuntzl!

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (fortsetzend): Um jedes Missverständnis zu klären: Ich will Sie selbstverständlich nicht aus diesem Saal haben – ganz im Gegenteil! Ich möchte, dass Sie hier bleiben und aufmerksam dieser Debatte folgen, weil wir sie alle für so wichtig finden – besonders für Sie so wichtig finden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Haigermoser: Entscheiden Sie sich!)


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40. Sitzung / Seite 105

Aber nun zum eigentlich Interessanten, nämlich zum FPÖ-Spitzelskandal und zum Bericht des Innenministers in dieser Causa.

Herr Minister! Das Interesse für Ihren Bericht war von unserer Seite her sehr groß. Wir hatten hohe Erwartungen. Es besteht auch großes öffentliches Interesse, was auch die Anwesenheit vieler Besucher und Besucherinnen hier zeigt.

Sie haben in Ihrem Bericht drei Ebenen angesprochen, auf denen Konsequenzen zu ziehen sind, drei Ebenen, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind: zum Ersten die strafrechtliche, zum Zweiten die disziplinäre und zum Dritten die Ebene der organisatorischen Maßnahmen.

Herr Bundesminister! Ich habe in Ihrem Bericht vermisst, worum es bei der Debatte in diesem Haus eigentlich geht, nämlich darum, dass es eine sehr wichtige politische Ebene in diesem Skandal gibt, auf die Sie sich eigentlich nicht bezogen haben und zu der Sie keine Stellung genommen haben, was ich außerordentlich bedauere. Die politische Dimension sollte ein wesentlicher Bestandteil Ihrer Stellungnahme sein.

Sie haben im Zusammenhang mit missbräuchlichem Zugriff von Beamten auf Daten von Neugier gesprochen, Sie haben von Schulung gesprochen, Sie haben von Langeweile als Motive für diesen Zugriff gesprochen.

Sie haben aber nicht davon gesprochen, worum es bei dieser Debatte hier im Hause geht: nämlich darum, dass es systematische Zugriffe gab, weil es um Bespitzelung und um Auftragsarbeit gegangen ist. Es geht um systematische, illegale Zugriffe, um systematische, illegale Informationsweitergabe – und das im Zusammenhang mit, im Auftrag und zum Nutzen einer politischen Partei. Die Damen und Herren der beiden Regierungsfraktionen stoßen sich so sehr am Wort "Skandal", aber ich frage Sie: Was ist das anderes als ein Skandal? Meine Damen und Herren! Das ist ein politischer Skandal, der sich gewaschen hat! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es entsteht immer mehr der Eindruck, dass es eine Partei in diesem Staate gibt, der jedes Mittel recht ist, um ihre Ziele zu erreichen – auch, wenn rechtsstaatliche Normen dem im Wege stehen. Sie haben die Möglichkeit, diesen Eindruck aufklären zu lassen, wenn Sie der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zustimmen.

Vor wenigen Tagen hat uns ja Herr Kollege Westenthaler mitgeteilt, dass sich alle Verdachtsmomente in Luft aufgelöst haben. – Von wegen "in Luft aufgelöst"! Tag für Tag wird mehr bekannt! Tag für Tag wird im Zusammenhang mit diesem Spitzelnetz mehr aufgeklärt. Und es werden immer mehr Namen von Opfern bekannt.

Herr Kollege Kiss! Ich darf Sie daran erinnern, dass Kollege Einem zu den Opfern in diesem Zusammenhang zählt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er eine Bespitzelung seiner Person selbst in Auftrag gibt oder aus politischer Sicht befürwortet hätte.

Es werden also immer mehr Namen von Opfern bekannt, es sind vor allem Kritikerinnen und Kritiker, Journalisten, wie vorhin genannt, aber auch der eine oder die andere QuereinsteigerIn in Ihrer eigenen Partei. Ich bin schon sehr gespannt auf den Redebeitrag des Kollegen Ortlieb – der ja auch eines der Opfer ist – und darauf, wie er uns erklären wird, wie er sich eigentlich gefühlt hat, als er draufgekommen ist, dass er Opfer einer Bespitzelungsaktion geworden ist. Aber das hören wir ja demnächst. (Abg. Dr. Puttinger: Das heißt ja nicht, dass das ein illegaler Zugriff gewesen ist!)

Jeder einzelne Name dieser Opfer ist ein Grund für einen Untersuchungsausschuss. Und es werden derer immer mehr, von Tag zu Tag! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es werden auch immer mehr Namen von Tätern bekannt. Es geht um Beamte aus dem Umfeld der FPÖ, und es geht um das Gerücht, dass dies auf einem Belohnungssystem beruht – Belohnung entweder durch finanzielle Zuwendung oder durch Zuwendung von Mandaten. (Abg. Ing. Westenthaler: Gerücht, haben Sie gesagt!) – Ich habe Gerücht gesagt. Klären Sie es bitte


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auf! Stellen Sie sich dem Untersuchungsausschuss! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist Ihre Politik! Auf Basis von Gerüchten!)

Es werden immer mehr Namen von Auftraggebern bekannt: der ehemalige Bundesgeschäftsführer der Freiheitlichen Partei, der Pressesekretär des Alt-Parteiobmanns, der Leibwächter des Alt-Parteiobmanns. (Abg. Dr. Martin Graf: Das ist kein Gerücht, das ist eine Zeitungsente!) Klären Sie das auf im Untersuchungsausschuss, diskutieren wir darüber! Sie können es ja dann in Luft auflösen, wenn es nicht stimmt. (Abg. Ing. Westenthaler: Alle geklagt, nur damit Sie es wissen!)

Das ist die politische Dimension, über die wir heute diskutieren, die politische Dimension des Datenmissbrauchs, und die muss geklärt werden.

Herr Kollege Westenthaler hat zum Untersuchungsausschuss gesagt, das sei ja grundsätzlich etwas Schönes, da könne man Licht ins Dunkel bringen, wenn es Dunkel gäbe. – Herr Kollege Westenthaler! Wie viel Dunkel darf es denn noch sein? Genügt das nicht? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben auch gemeint, wenn nach den gerichtlichen Untersuchungen – die es jetzt einmal vorrangig gibt – noch Fragen offen sein sollten, dann soll der Untersuchungsausschuss stattfinden. – Da liegt der Verdacht nahe, dass bei Ihnen die Hoffnung besteht, die gerichtlichen Untersuchungen mögen lange dauern, damit möglichst viel Zeit vergeht und die Sache vielleicht wieder in Vergessenheit gerät. Aber wir können Ihnen versichern: Wir lassen das nicht in Vergessenheit geraten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ihr Alt-Parteiobmann hat Ihnen empfohlen, der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zuzustimmen. Ich weiß nicht, ob das ein "Alt-Reflex" von ihm war, oder ob er tatsächlich angenommen hat, dass Ihre Beteuerung stimmt und Sie eine weiße Weste haben. (Abg. Dr. Mertel: Er ist schon über 50!) Offenbar ist es Ihnen gelungen, ihn davon zu überzeugen, dass ein Untersuchungsausschuss nicht sinnvoll ist. Vielleicht könnten Sie uns hier auch das Argument nennen, mit dem es Ihnen gelungen ist, Ihren Alt-Parteiobmann zu überzeugen. Vielleicht ist das ein Argument, das darüber aufklärt, dass die Weste doch nicht weiß ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.30


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Drei Mitglieder des Hauses haben mich gebeten, mir das Rohprotokoll der Rede des Abgeordneten Dr. Pilz vorlegen zu lassen. Ich habe das Stenographenbüro darum ersucht. Es wird nur ein Rohprotokoll sein, wie immer in solchen Fällen. Ich lasse es mir in vierfacher Ausfertigung geben. (Die Abgeordneten Dr. Lichtenberger und Öllinger: Aber bitte auch die Rede von Herrn Kiss!)  – Die hat noch niemand von mir verlangt. (Abg. Dr. Kostelka: Dann tun wir dies jetzt!)  – Eines nach dem anderen. Jetzt lassen wir uns einmal das eine in vierfacher Ausfertigung kommen, und alle Fraktionen werden es zur gleichen Zeit erhalten. – Die Rede des Kollegen Kiss auch.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort gemeldet. Ich bitte um Darstellung des zu berichtigenden und des tatsächlichen Sachverhaltes.

16.31

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Hohes Haus! Frau Abgeordnete Kuntzl hat behauptet, es gehe um einen FPÖ-Spitzelskandal. – Diese Behauptung ist unrichtig! (Ironische Heiterkeit der Abgeordneten Dr. Kostelka und Edlinger. )

Tatsächlich handelt es sich um den Verdacht unrechtmäßiger Datenweitergabe, und zwar zu der Zeit, als das Ministerium noch von sozialistischen Innenministern geführt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Edlinger: Köstlich! Ein Scherzkeks! – Abg. Dr. Kostelka: Und im Übrigen heißen Sie nicht Partik-Pablé!)

16.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jung. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.32

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nur eines zum Kollegen Pilz, denn viel mehr sind seine Anschüttungen nach dem Muster jener bei der Briefbombenserie, die auch ins Leere gegangen sind, nicht wert.

Er hat vier Namen genannt. Allein im vergangenen Jahr gab es 51 Millionen Anfragen (Abg. Öllinger: Fünf Namen!)  – bitte, fünf Namen –, das heißt, allein in diesem Jahr hätte, wenn man den Durchschnitt nimmt, jeder dieser Herren fünf Mal abgefragt werden können. Das ist also überhaupt kein Beweis für irgendetwas.

Vielleicht haben diese Herren – genauso, wie ich es heute schon gesagt habe – bei Gelb eine Ampel überfahren und sind deshalb im Verzeichnis enthalten. Das hat noch gar nichts zu sagen! (Abg. Öllinger: Ja! Ja! Genau das wird es gewesen sein!) Aber das ist Ihre Nebel-Politik, Herr Kollege – diesmal ohne Kaugummi –, in der Sie sich dauernd versuchen.

Als Herr Kollege Gusenbauer – er hat ja mittlerweile in bewährter Manier nach seinem Redebeitrag wieder den Saal verlassen – Überlegungen angestellt hat, in welche Richtung er heute seine Rede anlegen wird, hat er sich vermutlich des Mottos des vierten Zwerges von Schneewittchen bedient: nämlich hintergründig, weil ihm die Substanz gefehlt hat.

Ich zitiere aus seiner Rede: "kalte Schauer", "ruchbar", "Destrukteure", "geheime Spitzelpolizei", und so weiter. – Aber von Substanz, von Namen – wer?, was?, wann?, wo? –, war nichts zu hören. Meine Damen und Herren! Wenn er Namen gehabt hätte, dann hätte er sich das sicher nicht entgehen lassen, er hätte sich das auf der Zunge zergehen lassen und die Beschuldigungen vorgetragen. Es ist aber überhaupt nichts Konkretes da, das hat sich den ganzen Tag über gezeigt. Es wird vom Innenministerium untersucht, und dann werden wir weitersehen.

Aber ich habe etwas anderes Konkretes, das vielleicht eine Untersuchung wert wäre. Frau Kollegin Muttonen hat sich heute Sorgen darüber gemacht, wie sich die FPÖ Informationen beschafft. Ich zeige Ihnen jetzt, wie sich SPÖ-geführte Ministerien Informationen beschafft haben, und zitiere aus dem Buch von Michael Sika – er war immerhin Sicherheitsdirektor dieser Republik und ist Ihrem Lager nicht so fern stehend –:

Im Wahljahr 1994 gab es viele Gerüchte. Mir wurde auch zugetragen, die Stapo plane, eine Gefährdungslage um Haider zu konstruieren, um einen Vorwand zu haben, Polizisten als Schutz in seine Umgebung zu schicken. – Was bedeutet das, eine Gefährdungslage? – Man wollte Herrn Dr. Haider einreden, er wäre gefährdet, damit man Polizisten zu seiner Überwachung – nicht zu seiner Sicherheit, zu seiner Überwachung! – in seine Nähe schmuggelt (Abg. Ing. Westenthaler: Hört! Hört!); und das ausgehend von einem Ministerium, von einem Minister!

Es hat damals nicht funktioniert, aber die rote Brigade im Ministerium hat nicht nachgelassen. Später gelang es – wiederum unter Vortäuschung einer Gefährdungslage –, einen Stapo-Beamten zumindest in die Nähe der Leibwächter zu bringen. – Wissen Sie, was das heißt? Man macht einem Mann Angst, man macht seiner Familie Angst, man macht seiner Umgebung ... (Zwischenruf bei der SPÖ.)  – Ja, Sie winken ab, Herr Kollege! Sie hat es ja nicht betroffen! Sie wurden ja nicht von staatlichen Organen bespitzelt, von der Stapo im Auftrag eines sozialistischen Ministers. Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln! Da gäbe es Untersuchungsbedarf, Herr Kollege. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber damit Sie sich auch ein bisschen ärgern können, setze ich fort mit dem, was Herr Mag. Sika schreibt:

Dr. Haider wirkte offenbar sehr überzeugend auf ihn, mit dem Erfolg, dass der Beamte prompt umgedreht worden sein soll und Sympathisant der FPÖ wurde. – Zitatende. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich könnte diese Liste Ihrer Bespitzelungen endlos fortsetzen: Kärnten 1989, Schatzmayer, Dossiers über Gegner des Donaukraftwerks; Wien 1990, "Noricum"-Ausschuss; Burgenland 1990, Bespitzelungsaktion der Landesrätin Christa Krammer, auch aus Ihrem Verein, Herr Kollege. Setzen Sie sich ruhig hin, es gibt noch mehr zu hören! Burgenland 1991: Büro Landeshauptmann Sipötz, Bezirkssekretariat Oberpullendorf. – Sie wissen es genau und regen sich auf. Dabei haben Sie ja vollen Zugriff auf das Innenministerium auch noch gehabt! (Abg. Schwemlein: Ich habe keinen Zugriff!) Wien 1995, Marizzi-Affäre; Salzburg 1998, AK-FSG-Spitzelaffäre, und so weiter. Ich kann Ihnen das seitenweise vorlesen. (Abg. Schwemlein: Soll ich Ihnen auch etwas bringen? Wie viele Seiten wollen Sie von mir haben?)

Sie sitzen hier im Glashaus, über Sie liegen genügend konkrete Angaben vor, und Sie versuchen, zu vernebeln. Sie haben ja nur Angst, dass all das auffliegt, was Sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten unter sozialistischen Innenministern angehäuft haben. Davor haben Sie Angst! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Dann stimmen Sie dem Ausschuss zu! – Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Abschluss noch ein Zuckerl aus Ihrer eigenen Anfrage. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Dem Vernehmen nach, sagen Sie, hat Bundesminister Strasser die Namen – jene Namen, um die es hier geht – von sieben Personen den Mitgliedern des Unterausschusses bekannt gegeben. – Dem Vernehmen nach. Woher hat denn das Nichtmitglied des Unterausschusses, Gusenbauer, das vernommen? Welches Vöglein aus dem SPÖ-Verein hat ihm das offenbar gesungen und hat dabei ebenfalls seine Ausschusspflichten verletzt? Diese Frage stellt sich ganz deutlich. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.

16.37

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ob diese Affäre "klein-dienstlich" ist, oder ob es sich um den "Mega-Skandal" der Republik handelt, wie es Herr Kollege Gusenbauer ausgeführt hat, das können wir heute so noch nicht beantworten.

Herr Minister Strasser hat vollkommen richtig gehandelt und am 11. Oktober den Bericht der Sonderkommission sofort an die Staatsanwaltschaft übermittelt, noch bevor er selbst Einsicht hatte, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, hier irgendwie einzugreifen. Heute ist es zu früh, um nach dem Bericht zu rufen, Herr Kollege Pilz, denn jetzt ist die Justiz am Zug.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gilt grundsätzlich – und das wird heute sehr häufig vergessen – die Unschuldsvermutung. Wir müssen daher von Verdachtsmomenten sprechen, und nicht von Tätern. Die Staatsanwaltschaft ist am Zug, die Sonderkommission ermittelt im Auftrag des Staatsanwalts. Das heißt, es liegt in der Kompetenzlage des Justizbereiches und nicht mehr des Innenressorts.

Erstmals wird die strafrechtliche Verantwortung untersucht. Es geht primär um den Verdacht der unzulässigen Weitergabe personenbezogener Daten, dabei sind unter Umständen der Amtsmissbrauch oder eventuell die Verletzung des Amtsgeheimnisses strafrechtlich relevant. Es gibt angeblich auch den Verdacht, dass Geld mit im Spiel ist, dann geht es unter Umständen auch um unerlaubte Geschenkannahme.

Datenhehlerei, wie das beispielsweise andere Rechtsordnungen kennen, diesen Straftatbestand gibt es in der österreichischen Rechtsordnung nicht. (Abg. Mag. Wurm: Mittäterschaft!) – Das ist richtig, Frau Kollegin Wurm! Es kann sein, dass neben Amtsmissbrauch oder der Verletzung des Amtsgeheimnisses oder der unerlaubten Geschenkannahme auch die Mittäterschaft in Frage kommt.

Derzeit arbeitet die Staatsanwaltschaft das unter Hilfestellung der Sonderkommission und des Innenressorts aus, aber das Vorverfahren ist nicht öffentlich, und das Hohe Haus wird dies respektieren. Daher ist es zu früh, lautstark nach einem Bericht zu rufen.


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Natürlich muss das Parlament auch die politische Verantwortung hinterfragen. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, wir sind höchst daran interessiert, auch die politische Verantwortung zu hinterfragen, und wir sind höchst daran interessiert, dass es in dieser Angelegenheit eine restlose Aufklärung gibt, schon allein deshalb, weil natürlich die politische Verantwortung damals, als diese Vorfälle passiert sind, unter die Ressortzuständigkeit der SPÖ fiel. Es gab damals nur "rote" Innenminister, daher brauchen Sie uns nicht zu unterstellen, dass wir an einer Aufklärung nicht interessiert sind.

Es ist zudem zu hinterfragen, ob der Datenschutz damals, unter Minister Einem, unter Minister Schlögl, unter Minister Löschnak funktioniert hat, und es ist weiters zu hinterfragen, ob denn die Datenabfragen nicht alle legal passiert sind. Das ist nämlich im Einzelfall zu prüfen, und daher ist diese Unisono-Lamentiererei des Kollegen Pilz, dass es da nur um Opfer ginge, nicht gerechtfertigt.

Wir wissen nicht, ob diese abgefragten Personen auch tatsächlich Opfer sind, denn es kann sehr wohl auch legale Abfragen bezüglich all dieser Personen gegeben haben. Daher ist es nicht gerechtfertigt, jetzt bereits von Opfern und Tätern zu sprechen.

Wir sind daran interessiert, dass das aufgeklärt wird, wir sind daran interessiert, dass der Datenschutz verbessert wird, und ich bin sehr zufrieden, dass Herr Minister Strasser heute bereits ausgeführt hat, wie er zu dieser Verbesserung konkret – endlich konkret! – beiträgt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

16.42

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter Kiss hat seine Rede mit ungefähr folgenden Worten begonnen: Ich bin froh, dass die Justiz jetzt am Wort ist.

Ein paar Minuten später hat er sich selbst zu einem Fall für die Justiz gemacht, indem er nämlich zwei, sagen wir einmal bemerkenswerte Tatbestände gesetzt hat. (Abg. Böhacker: Sagen wir einmal!) Er hat im Schutz der Immunität einen Kollegen, nämlich Peter Pilz, verleumdet. (Abg. Dr. Fekter: Nein! Er hat ...!) Es gehört nicht viel Mut dazu, im Schutz der Immunität Verleumdungen auszusprechen, Kollege Kiss. (Beifall bei den Grünen.) Das wissen wir sehr genau. Diese Praxis kennen wir von Seiten der Freiheitlichen Partei seit vielen Jahren – wir Oppositionsabgeordnete, aber auch die Abgeordneten der seinerzeitigen Regierungsparteien, die ÖVP und SPÖ hießen.

Es gehört nicht viel Mut dazu, in Geschäftsordnungsbeiträgen zu verleumden. Aber, Herr Präsident und Herr Innenminister, warum er ein Fall für die Justiz geworden ist, ist die bemerkenswerte Tatsache, dass sich der Vorsitzende des parlamentarischen "Stapo-Ausschusses" hier zu Wort gemeldet und gesagt hat, dass Herr Kollege Pilz in seinem Redebeitrag etwas gesagt habe, was dort nicht gefallen sei oder schon gefallen sei – jedenfalls hat er die Behauptung aufgestellt, Peter Pilz hätte in diesem Saal unter Bruch österreichischer Gesetze etwas gesagt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Fekter und Dr. Puttinger. )

Herr Präsident! Ich interpretiere die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Vertraulichkeit so, dass, wenn jemand etwas behauptet, und der Vorsitzende eines Ausschusses sagt, das könne dieser nur aus dem Ausschuss haben, eben dieser Vorsitzende die Vertraulichkeit bricht (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und der ÖVP), denn Peter Pilz hat hier alles Mögliche gesagt, aber nichts, was er aus dem "Stapo-Ausschuss" weiß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass im Zusammenhang mit dem Vorsitzenden des "Stapo-Ausschusses" die Justiz am Wort ist. Sie können diese zwei bemerkenswerten Tatsachen als ein Sittenbild der jetzigen Zustände insgesamt sehen.


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Da ist eine Partei, nämlich die ÖVP, die sich dazu versteigt, durch den Mund ihrer Justizsprecherin Folgendes zu sagen: Wir sind höchst daran interessiert, dass im Zusammenhang mit illegalen Datenabfragen im Innenressort alles aufgeklärt wird, weil das nämlich unter der Verantwortung von SPÖ-Ministern stand. (Abg. Dr. Fekter: Ja, natürlich!)  – Sie sind also deshalb höchst interessiert daran, dass alles aufgeklärt wird, weil es – sozusagen "schleckerpatzl" – ein anderer Minister war! Es hat überhaupt nichts damit zu tun, dass die Regierungspartei ÖVP auch nur irgendein Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit hat und sagt, es ist doch nicht die Frage, welche politische Gesinnung und Farbe ein Ressortchef trägt, wenn es um diese Art von Rechtsgütern geht! (Abg. Dr. Fekter: Ich habe die Unterstellung zurückgewiesen!)

Wenn es darum geht, dass der dringende Verdacht besteht, dass Daten missbraucht wurden, dass illegale Abfragen getätigt wurden, dann es muss doch, Frau Vorsitzende des Justizausschusses, für das Interesse an Aufklärung gänzlich unerheblich sein, welcher Minister dort zufällig Ressortchef war! – Das zum Sittenbild, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Darum kann ich Ihnen sagen: Wenn es in diesem Haus eine Partei gibt, die ein sozusagen friktionsfreies Verhältnis zur Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit hat, dann sind das nach dem Verständnis der ÖVP nur die Grünen. (Abg. Dr. Stummvoll: Der Fasching ist schon vorbei!) Den Grünen steht es wirklich fern, hiebei Eigeninteressen, nämlich Schutz von Ministern, zu haben oder gehässige Überlegungen, weil es unter einem "fremden" Minister geschah, zu tätigen. – Das zum Verständnis der Justizsprecherin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Vorsitzende des Justizausschusses hat auch gemeint, dass es fraglich sei, ob es bei den bisher in der Öffentlichkeit – in der parlamentarischen, also in diesem Saal, aber auch außerhalb – genannten Namen nur um Opfer ginge. Was impliziert sie mit einer Bemerkung wie: Ging es da wirklich nur um Opfer, oder waren das nicht sozusagen auch durchaus zulässige, legale Abfragen? – Sie impliziert damit – und das ist die Botschaft, die damit ausgesendet wird –, dass es eben Namen und Persönlichkeiten gibt, bei denen es durchaus berechtigt ist, dass es über sie EKIS-Abfragen gibt. Es geht, wenn man EKIS-Abfragen legal tätigt, immer um zumindest eine Übertretung von Verwaltungsgesetzen. Das, Frau Kollegin Fekter, ist meine Bemerkung zu Ihrem Rechtsverständnis insgesamt.

Das Ganze wird aber auf die Spitze getrieben. Bisher habe ich nämlich von allen aus der FPÖ- und der ÖVP-Fraktion gehört, dass alle an Aufklärung interessiert seien. (Abg. Dr. Fekter: Ja, natürlich!) Es heißt, das liege jetzt im Kompetenzbereich der Justiz und nicht mehr in jenem des Innenressorts, man wolle Aufklärung, man sei an Aufklärung interessiert, aber es sei zu früh für Berichte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es irgendjemand in diesem Raum mit der Aufklärung von so schwer wiegenden Verdächtigungen ernst meint – und das sind ja nicht Kinkerlitzchen, das sind schwer wiegende Verdächtigungen von Personen in einem politischen Zusammenhang (Abg. Dr. Fekter: Lassen Sie doch die Staatsanwaltschaft einmal arbeiten!)  –, dann kann man nur dem Ratschlag des einfachen Parteimitgliedes Jörg Haider folgen, nämlich die politische Verantwortung und die politischen Zusammenhänge in einem Untersuchungsausschuss zu klären.

Das sollte aber nicht irgendwann am Sankt Nimmerleinstag geschehen, sondern jetzt, denn jetzt werden diese Fragen in der Öffentlichkeit gestellt, und die Öffentlichkeit hat jetzt ein Recht darauf, Auskünfte zu bekommen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, dass diese Causa, diese Affäre, diese Unsicherheit, diese – und darin gebe ich Ihnen vollkommen Recht – immer in einer Grauzone, immer nahe an der Verletzung der Unschuldsvermutung verlaufende Diskussion jetzt aufgeklärt wird. Das ist es, was einen Untersuchungsausschuss nicht für irgendeinen Zeitpunkt rechtfertigt, sondern was ihn jetzt rechtfertigt!

Deshalb sind all diese Ausflüchte und all dieses Herumreden, ob vom Sicherheitssprecher der ÖVP, ob von der Justizsprecherin der ÖVP, ob vom Klubobmann oder von der Sicherheitssprecherin der Freiheitlichen Partei, Makulatur und drücken nur Folgendes aus: Wir wollen diese


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Affäre, diese Diskussion aussitzen, und wir wollen das in einem System, in dem es solche Verdachtsmomente nicht gibt, in einem System, in dem man festen Glauben in den Rechtsstaat haben könnte, aufklären und die Behörden in Ruhe arbeiten lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe festes Vertrauen in den Rechtsstaat Österreich, aber ich habe in eine Person kein Vertrauen, und zwar in den obersten Chef jenes Ressorts, dem die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen Österreichs weisungsgebunden unterstehen, nämlich Herrn Dr. Böhmdorfer.

Das ist der Knackpunkt an der ganzen Sache. Wenn ich mir erlauben dürfte, Herrn Dr. Böhmdorfer einen Ratschlag zu geben (Abg. Jung: Dann hört er nicht!), dann jenen, in der Partei, der er "nicht angehört", sowie in der befreundeten Partei ÖVP heftigst dafür zu intervenieren, dass es diesen Untersuchungsausschuss gibt, um nur ja nicht den Verdacht auf die österreichische Justiz zu lenken, dass es in dieser Angelegenheit vielleicht Beeinflussungen – welcher Art auch immer – gibt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Deshalb kann der einzige Schluss nur lauten: Untersuchungsausschuss her – hier und jetzt, und nicht irgendwann! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ortlieb. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

16.52

Abgeordneter Patrick Ortlieb (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Wir haben jetzt nahezu 17 Uhr. Wir diskutieren den ganzen Tag über Menschenrechte. Anscheinend gibt es nicht sehr viele Themen, die Sie von der Opposition einbringen können. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen.)  – Bitte? Was ist los? (Abg. Öllinger: Falscher Tagesordnungspunkt!)  – Nein, ich bin schon bei der richtigen Rede, keine Frage. (Abg. Mag. Kogler: Richtige Rede, aber falscher Tagesordnungspunkt!) Wir haben in der Früh damit angefangen, und die ganze Zeit geht es nur um dieses Thema. Immer ist das Thema EKIS – konkret die Abfragen – angesprochen worden.

Manche dürfen abfragen – das ist von Frau Dr. Partik-Pablé schon angesprochen worden –, bei denen ist es ganz legal. Medien bedienen sich dieser Mittel, da wird auch nicht darüber diskutiert. Bei uns aber soll es auf einmal ein Skandal sein, von einem "Mega-Skandal", einem "Skandal der Sonderklasse" wurde geredet. (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Was? Was?)

Die Dringliche, die Sie hier eingebracht haben, ist rein auf Gerüchte aufgebaut. Sie hat keine Substanz. Ich lese sogar meinen Namen in der Dringlichen. Er ist, nebenbei, falsch geschrieben, aber das ist kein Problem.

Herr Kostelka hat mich gefragt, wie ich mich fühle, wenn ich in diesem Zusammenhang erwähnt werde. Ich werde später eine Antwort darauf geben. Herr Gusenbauer hat das schon in der letzten Woche angesprochen, heute Frau Kuntzl noch einmal. Es ist eine Riesenehre für mich, dass sich so viele nach meinen Befinden erkunden. (Abg. Dr. Lichtenberger: Nicht nach dem Befinden!)

Die Frage ist: Haben Sie seriös recherchiert, oder stützen Sie sich auch nur auf diese Gerüchte? Wenn Sie seriös recherchiert hätten, dann hätten Sie ja auch irgendwie an diese Daten kommen müssen. All das, was da im Raum steht, ist sehr vage. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Brosz: Sehr "vage"!) Aber es ist nun einmal so: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Abschluss – ich will es ganz kurz machen – noch an die Herren Gusenbauer, Kostelka, Van der Bellen oder wen auch immer gerichtet: Das beste Ruhekissen ist einfach ein ruhiges Gewissen! – Viel mehr kann ich dazu nicht sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Und wenn es Sie noch interessiert, wie ich mich fühle, sei Ihnen gesagt: Ich fühle mich in diesem Klub sehr, sehr wohl! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Parnigoni: Das spricht nicht für Sie!)

16.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Die restliche Redezeit des grünen Klubs beträgt 6 Minuten. – Bitte.

16.54

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist schon bemerkenswert, wie sich die Argumentationslinien drehen und ändern. Vor allem die Freiheitlichen, aber auch einige ÖVP-Abgeordnete verweisen hinsichtlich der politischen Zuordnung dieses Spitzelskandals auf die früheren Innenminister und sagen: Wenn es einen Skandal gibt, dann muss es ein "roter" Skandal gewesen sein, denn das war die parteipolitische Zuordnung der früheren Bundesminister.

Selbstverständlich wird auch zu klären sein, ob es möglicherweise ein Aufsichtsversagen gegeben hat, ob es Hinweise darauf gab, dass es schon früher einen illegalen Zugriff auf Daten gab. Bemerkenswert dabei ist aber erstens, dass die Tatsache des illegalen Zugriffs offenbar von niemandem mehr bezweifelt wird (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ – Abg. Schwemlein: So ist es!)  – und es ist sehr bemerkenswert, dass das offenbar österreichische Normalität ist –, und zweitens erstaunt es mich vor allem bei der freiheitlichen Fraktion unglaublich, denn ich kann mich noch daran erinnern (Abg. Dr. Pumberger: So was!)  – ja, ja, so was! –, dass Sie im Zusammenhang mit der Causa Rosenstingl ganz leidenschaftlich argumentiert haben: Was können wir, was kann die Parteispitze denn dafür, wenn irgendeiner aus unseren Reihen ein deliktisches Verhalten setzt?!

Wenn also im Falle politischer Verantwortung diese an der Spitze zu suchen ist, dann frage ich mich heute: Was ist mit der Verantwortung eines Herrn Trattner, was ist mit der Verantwortung von Dr. Haider für diesen Skandal? – Sie drehen und wenden es, wie Sie es brauchen und wie Sie es wollen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Sie sind im falschen Zuge, glaube ich!)

Es wird sich noch herausstellen, wohin die Züge fahren und wo sie entgleisen. Außerdem überrascht mich die Argumentation des Abgeordneten Kiss, gerade für ihn als Vorsitzenden eines Unterausschusses ist sie sehr bemerkenswert. Ich habe das Protokoll über die Beratungen des Ausschusses für innere Angelegenheiten vom 11. Oktober 2000 sehr genau gelesen, weiß aber nicht, was Herr Abgeordneter Kiss mit seinen Behauptungen meint, denn in diesem Protokoll steht wörtlich – ich zitiere –:

"Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Erstens: Nicht die Sonderkommission – es ist mir zumindest nicht bekannt – ermittelt gegen Herrn Pilz. Es ermittelt meines Wissens überhaupt niemand gegen Sie." – Das ist an den Abgeordneten Pilz gerichtet.

Herr Abgeordneter Kiss, ich weiß also nicht, was Sie da diesem Haus erzählen. Das ist offenbar eine Nebelwerferei. (Die Abgeordneten Kiss und Ing. Westenthaler: Lesen Sie Seite 12!)  – Herr Abgeordneter, auf Seite 35 steht ganz klar: auf Nachfragen des Abgeordneten Pilz. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie können nicht einmal zitieren!) Ich weiß nicht, ob der Herr Bundesminister dem Ausschuss für innere Angelegenheiten Unwahres erzählt hat. Ich kann das nicht glauben, ich nehme das vom amtierenden Innenminister nicht an. Da misstraue ich eher Ihren Ausführungen, Herr Westenthaler, und dafür habe ich meine Gründe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie können nicht einmal zitieren! Zitieren Sie Seite 12!)

Dass ich Ihnen in dieser Angelegenheit politisch misstraue, hat auch gar nichts mit Geheimnissen und Geheimnisverrat zu tun, sondern Ihre Äußerungen im Zusammenhang mit Medien sind der Grund dafür. Und das hat sehr wohl mit Aufdecken, mit dem Nichtdulden illegaler Praktiken zu tun, denn da können Sie Ihr brutales Gesicht zeigen (Abg. Ing. Westenthaler: Wenn ich so abgesetzt werden würde wie Sie vom Van der Bellen, wäre ich auch ...!)  – und da


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40. Sitzung / Seite 113

können Sie dann immer aufdrehen, auch mit mehr oder minder hörbaren Zwischenrufen (Abg. Schwemlein  – in Richtung des Abg. Ing. Westenthaler –: Warum machen Sie immer solche Untergriffe?)  –, da ist es ganz klar: Wenn man dem ORF, und zwar bestimmten Redakteuren und Redakteurinnen auf Grund ihrer Haltung, ihrer Gesinnung androht, dass man ihnen eben diese per Gesetz "austreiben" wird, dann ist das der dreisteste Bruch der Grundrechte in Österreich, den ich je von einem Mitglied dieses Hauses gehört habe! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte aber noch weiter gehen, Herr Bundesminister. Wenn nämlich nicht alle diese Berichte von Journalisten, die sich offenbar nicht in die Knie zwingen lassen, frei erfunden sind, dann gehören etwa auch ich und andere Kolleginnen und Kollegen meines Klubs zu denjenigen, die "ausgespitzelt" worden sind. Ich habe auch noch sehr viel Material darüber, was frühere FPÖ-Klubobleute in diesem Haus gesagt haben. All das ist immer wieder in die Richtung gegangen: Wir werden dieses Wissen, das wir aus Polizeiakten haben, auch einsetzen!

Es stellt sich die Frage, warum bezüglich Abgeordneten dieses Hauses derartige Anfragen gestellt werden. Die politischen Meinungen, Haltungen sind ja ausreichend dokumentiert, darum kann es nicht gehen. Es kann also nur um höchstpersönliche Fakten und Umstände gehen, für die alle verfassungsrechtlichen Schutzinstrumente gelten. Wenn es aber der Fall sein sollte, dass das ausspioniert wird, um politisch zu schaden, dann ist das eines der mit schwerer Strafe bedrohten Delikte im Strafgesetzbuch.

Der Druck gegen oberste Organe – und dazu gehören Nationalratsabgeordnete, aber auch Minister – ist ein Delikt, das in die Zuständigkeit eines Geschworenengerichts fällt und mit ganz strengen, bis zu zehnjährigen Freiheitsstrafen bedroht ist. Ich verlange daher hier von diesem Rednerpult aus, Herr Bundesminister, mein Recht als Staatsbürgerin und Abgeordnete. (Abg. Ing. Westenthaler: Ex-Klubobfrau haben Sie vergessen!) Ich will nach dem Auskunftspflichtgesetz Aufklärung darüber: Wer hat in meinen Akt geschaut? Gibt es Vermutungen, warum das passiert ist? Und was steht denn da drinnen? (Die Abgeordneten Ing. Westenthaler, Mag. Trattner und Dr. Khol: Redezeit!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlusssatz, Frau Abgeordnete!

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Das wollen Sie nicht hören. Dann richten Sie einen Ausschuss ein, dann haben wir mehr Zeit!

Ich erstatte hier von diesem Rednerpult aus Strafanzeige wegen strafbarer Handlungen gegen oberste Organe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

17.02

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, in dieser Debatte war es Herr Abgeordneter Pilz, der als Erster das Ersuchen gestellt hat, dass jene, die sich abgefragt fühlen, auch eine persönliche Information über diesen Sachverhalt bekommen. Ich habe jetzt die Herren unseres Hauses mit dieser Frage beschäftigt, und ich darf von mir aus sagen: Ich wäre sofort bereit, das zu tun, weil mir einfach der Hausverstand sagt, dass das ein verständliches Anliegen ist, dem ich auch als Minister gerne nachkommen würde. Ich sage deshalb "nachkommen würde ", weil jede rechtliche Information, die mir zugeht, besagt, dass das verboten ist und dass ich das nicht darf.

Nach den Auskunftspflichten und -rechten – so wird mir gesagt, und so werde ich informiert – gemäß § 26 Datenschutzgesetz 2000 müssen alle Daten gegeben werden – und sollen das auch; das sage ich dazu –, die im EKIS drinnen sind, und auch, auf Grund welcher Rechtsgrundlage diese Daten aufgenommen worden sind. Allerdings, so wird mir jetzt nach der schnellen Prüfung gesagt, sei es nicht erlaubt, dass man einem Betroffenen die Information gibt, ob abgefragt wurde, wer abgefragt hätte und aus welchem Grund abgefragt worden wäre. –


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Ich sage das absichtlich im Konjunktiv und bitte Sie, die Dinge vielleicht auch in Ihrem Bereich prüfen zu lassen. Ich jedenfalls wäre bereit dazu, sollte ich rechtlich dazu ermächtigt sein. Das wollte ich noch in die Debatte einbringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Reindl. – Bitte.

17.04

Abgeordneter Hermann Reindl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich will mich hier mit dem Debattenbeitrag des Abgeordneten Pilz beschäftigen, der heute davon gesprochen hat, dass von der "Kombo" – zur Information: "Kombo" ist das freiheitliche Kommunikationsbüro – Führungsoffiziere und lokale Kommandos eingesetzt worden seien – mit dem Ziel der Vorbereitung des politischen Rufmordes.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Pilz! "Führungsoffiziere", "Kommandos" – Sie haben sich hier eines Vokabulars bedient, das aus Ihrer politischen Vergangenheit herrühren dürfte, nämlich aus Ihrer Vergangenheit bei den Revolutionären Marxisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Pilz hat sich wahrscheinlich nur ein grünes Mäntelchen umgehängt, aber im Herzen ist er wahrscheinlich immer noch ein revolutionärer Marxist geblieben. (Abg. Kiss: Ein Kommunist!)

Ich habe noch einigermaßen verstehen können, dass die Sozialdemokraten vor den Landtagswahlen in der Steiermark ein Buch zum Anlass genommen haben, um uns Freiheitliche in der Öffentlichkeit mit haltlosen Vorwürfen anzupatzen. (Abg. Schwemlein: Welches Buch?) Das Wahlergebnis in der Steiermark, sehr geehrter Herr Kollege Schwemlein, hat den Sozialdemokraten aber gezeigt, dass solche Methoden nichts nützen und die Bevölkerung Ihr Spiel längst durchschaut hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwemlein: Euch hat es aber auch nicht gerade geholfen!)

Hohes Haus! Wenn die Sozialdemokraten und die Grünen uns Freiheitlichen eine Spitzelaffäre anhängen wollen, so dürften die beiden Fraktionen die Seite 112 des heute schon sehr oft zitierten Buches nicht gelesen haben oder zumindest einen Absatz nicht. Ich habe diesen Absatz auch nicht in Ihrer Dringlichen Anfrage gefunden. In diesem Absatz heißt es – ich zitiere –:

Den Aufbau von Netzwerken haben Politiker aller Couleurs und Hierarchie-Ebenen in den letzten Jahren verstanden und in unserer Exekutive betrieben. Manche mit mehr, manche mit weniger Erfolg. – Zitatende.

Diesen Absatz habe ich in der Dringlichen Anfrage von Herrn Genossen Gusenbauer vermisst. (Abg. Schwemlein: Und Westenthaler war erfolgreich?)  – Jawohl.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren: Bis jemand nicht von einem Gericht rechtskräftig verurteilt wurde, gilt die Unschuldsvermutung. (Abg. Schwarzenberger: Ja!) Und das gilt auch für die beiden Oppositionsparteien in diesem Hause, das hat auch für sie Gültigkeit.

Ermittlungen gibt es ja auch in einem anderen Fall – es ist heute schon aus der Tageszeitung "Kurier" zitiert worden –, in dem Herr Pilz Gegenstand von Untersuchungen ist. Es gibt auch einen Polizisten, der in Schwechat vom Dienst suspendiert wurde und der dort auch Gemeinderat war. Und welcher Fraktion hat er angehört? – Der Fraktion der Sozialdemokraten!

Somit kann man aus der gesamten heutigen Debatte nur den Schluss ziehen, dass die Sozialdemokraten und die Grünen nur den Versuch unternehmen, den Freiheitlichen etwas anzuhängen, um von ihren eigenen Problemen abzulenken. (Abg. Öllinger: Aus Ihrer Rede kann man nur einen Schluss ziehen!) Wir Freiheitlichen sind immer hinter der Sicherheitsexekutive gestanden, werden das auch in Zukunft tun, und wir werden es nicht zulassen, dass ein ganzer Be


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rufsstand in Misskredit gezogen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.07

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

17.07

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Freiheitlichen! Für eine Partei, die gerade vor einigen Tagen die Hälfte ihrer Stimmen verloren hat, sind Sie heute relativ keck unterwegs, das muss ich Ihnen schon sagen. (Abg. Ing. Westenthaler: Bei euch sitzt bald keiner mehr!) Sie sollten eigentlich Ihre Politik, die Sie bislang gemacht haben, kräftig überdenken, sehr kräftig überdenken! Wenn das "einfache Parteimitglied", der Alt-Bundesparteiobmann Jörg Haider sagt, man soll in dieser Causa einen Untersuchungsausschuss einberufen, hier im Hause seine Einsetzung beschließen, dann wird er wohl gemeint haben: Da stinkt etwas! Also sollte man das eigentlich auch von Ihrer Seite her tun.

Oder ist es Ihnen gleichgültig, wenn es mit Ihnen so weitergeht? Immer weiter und weiter, wie Harald Ofner es damals gesagt hat, und eine Reihe nach der anderen hier herunterplumpst, bis nur mehr die Hälfte der Abgeordneten da sitzt, die heute hier sitzen. – Genießen Sie das Sitzen hier, Herr Patrick Ortlieb, genießen Sie es! Lange werden Sie es nicht mehr können, wenn diese Politik fortgesetzt wird, die Sie hier machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum sollte der Bürger auch die Freiheitlichen wählen? Wie wir heute gehört haben, wird er ausgesackelt und drangsaliert, er wird beobachtet – vom Netzsystem der FPÖ, das wir heute aufdecken –, und im Ausland sind wir auch nicht besonders gut drauf durch Ihre Regierungsbeteiligung. Warum sollte man Sie eigentlich wählen?

Zu Ihnen, Herr Klubobmann Westenthaler, komme ich noch, weil Sie sind gar nicht mehr Klubobmann, Sie wissen es nur noch nicht! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Sie waren Zentralsekretär!) Wenn nämlich Jörg Haider sagt, Ihr Verhältnis zu Kleindienst war zu nahe, und man sollte einen Untersuchungsausschuss einberufen, dann ist das eigentlich die blau-seidene Schnur, die er Ihnen da in Wirklichkeit schickt. Das sollten Sie wissen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das täte dir so passen!)

Ihr Lachen wird ja auch immer starrer und starrer. Ich sehe das ja genau. Das ist dann die Haltung, die Sie am Schluss haben werden, nachdem der Untersuchungsausschuss seine Arbeit getan haben wird, wenn Sie dem endlich zustimmen, dass er das auch wirklich machen kann.

Und es gibt noch einen dritten Punkt, und ich verstehe nicht, warum Sie das nicht aufarbeiten: Es gibt unzählige Zitate, die zeigen, dass Haider förmlich damit geprotzt hat, dass er zu diesen Informationen kommt. Er selbst hat das immer wieder gesagt! Er hat auf diese Art sogar den Sicherheitsapparat kritisiert. Er hat gesagt: Das fliegt mir förmlich zu, ich kann mich gar nicht erwehren, ein Akt schießt den anderen ab, ich habe schon einen blauen Fleck, denn schon wieder ist ein Akt da. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Wer war da Innenminister? – Abg. Dr. Stummvoll: Schlögl hat das nicht untersucht!)

Herr Gaugg! Kümmern Sie sich lieber um die Sparpakete, bei denen Sie sich nicht durchsetzen, bevor Sie da aus den Reihen der Freiheitlichen den Volksredner geben! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde das ja reizend! Der Rumpold hat es genau gewusst, der Petritz hat es genau gewusst, und der Binder hat es genau gewusst. (Abg. Dr. Stummvoll: Und der Minister hat es nicht gewusst?)  – Warum Sie die FPÖ verteidigen, darauf komme ich dann noch. – Ihr seid alle Zimmer an Zimmer im Sekretariat der FPÖ gesessen, nur der Westenthaler hat es nicht gewusst, und der Haider hat es möglicherweise gewusst. Wie haben Sie dort miteinander kommuniziert? Erzählen Sie uns das doch nicht! Das ist doch alles nur ein Larifari, das sind doch einfach alles nur Rauchbomben, die Sie da werfen. In Wirklichkeit gibt es dieses Netzwerk, und in Wirklichkeit muss man hier endlich Aufklärung schaffen! Stimmen Sie endlich diesem Untersuchungsausschuss zu, damit endlich einmal wieder Sauberkeit Einzug hält! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Das Ganze passt ja gut in Ihre gesamte Politik. Frau Abgeordnete Petrovic hat das vorhin gesagt, und man sollte das immer wieder betonen: Wenn Ihnen nichts anderes mehr einfällt und Sie zu schwache Argumente haben, um den Journalisten die Regierungspolitik schmackhaft zu machen, dann drohen Sie mit einem Gesetz. Sie drohen den Politikredakteuren – oder den "Politredakteuren", wie Sie sagen, oder den Linken oder Linksextremisten –, weil sie Ihnen die Regierungspropaganda nicht abnehmen, Sie per Gesetz zu verfolgen und auf Kurs zu bringen. Das entspricht genau Ihrer Gesinnung! Im ORF-Kuratorium haben Sie sich ja verraten, Herr Klubobmann Westenthaler, als Sie gesagt haben: Die "Panorama"-Redaktion muss einmal genau untersucht werden. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe das nicht gesagt!) 600 Seiten liegen dort auf meinem Platz! Das sind die zwei Studien über die Arbeit einer einzigen Redaktion im ORF, Ö1. – Gut! Aber Sie haben dann im Kuratorium gesagt: Nein, alle Redaktionen des ORF muss man überwachen, beobachten. (Abg. Ing. Westenthaler: Das habe ich nicht gesagt! Wieder falsch!) Da haben Sie sich ja schon verraten. Das ist Ihre liebste Beschäftigung: schnüffeln, schnüffeln, schnüffeln. Das mögen Sie am liebsten. (Beifall bei der SPÖ.)

Und wer nicht gefügig ist, der muss das spüren. Wie hat das Zitat in der Zeitung geheißen, nachdem der ORF um den freien Journalismus, um die freie Tätigkeit seiner Journalisten gekämpft hat? Es hieß: Dann soll sich der Weis die 600 Millionen Schilling in die Haare schmieren! – Das ist Ihre Reaktion – eine unfassbare Art von Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber das Schöne ist: Der Wähler hat das erkannt. Und das Schöne ist: Es hat einen Riesendenkzettel in der Steiermark gegeben, wegen der Sparpakete und wegen Ihrer Art der Politik. (Abg. Ing. Westenthaler: Und was ist mit euch?) Sie haben die Hälfte der Wähler verloren! Da können Sie noch lachen? Wie wird das erst sein, wenn Sie einmal alle Wähler verloren haben werden? Es ist ja unfassbar, was Sie da aufführen! Was ist da so lustig? (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Er lacht gerade über Ihre Sitze, die Sie bald nicht mehr haben werden. Er haut sich gerade darüber ab, dass Sie bald nicht mehr Abgeordnete sein werden. Ich will Sie nur darauf aufmerksam machen. Sie sollten als Ihre neue Hymne das Lied von der Hildegard Knef wählen – Sie werden leider Tantiemen zahlen müssen –: "Von nun an ging’s bergab". Das singen wir dann bei jeder Wahl, die in Zukunft kommt, auf Ihr Wahlergebnis. Das prophezeie ich Ihnen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Achatz: Haben Sie vielleicht gewonnen?)

17.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Westenthaler. Restredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.14

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja alles wirklich sehr amüsant. Die Dringliche zerrinnt in Humor und in versuchtem Humor. Aber es ist wirklich sehr spaßig, wenn sich gerade Herr Josef Cap hierher stellt, der von seinem Chef Vranitzky über das Radio ausgerichtet bekommen hat, dass er nicht mehr Zentralsekretär ist. (Abg. Mag. Wurm: Das wird Ihnen auch noch blühen!) Das ist interessant: Gerade Sie reden von seidenen Schnüren und mussten selbst aus dem Radio erfahren, dass der große Vorsitzende sagt: Den Cap brauchen wir eigentlich nicht mehr, er ist so erfolglos.

Gerade Sie als Vertreter einer Partei, die die größte Wahlniederlage seit 1945 in der Steiermark eingefahren hat, reden von Wahlniederlagen! Sie sollten sich genieren, wenn Sie sich auf diese Ebene begeben, Herr Kollege Cap! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber wir haben sie heute ja alle erlebt – es war eine echte Demaskierung –, all die "Hobby-Haiderologen", die es in der SPÖ gibt: der Cap, der Gusenbauer, der Kostelka ist ein ganz besonderer, und auch der Herr Posch. Aber ganz besonders ist es der Herr Cap, und zwar jedes Mal! Der ist ein wirklicher "Hobby-Haiderologe". Ich glaube wirklich eines: Der Cap steht in der Früh auf, geht ins Badezimmer und hat am Badezimmerspiegel das Haider-Foto hängen und schon beim Zähneputzen denkt er sich: "Heute zeige ich es dir wieder!", weil sagen kann er ja


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nichts beim Zähneputzen, weil er das Zahnbürstel im Mund hat. Er kann nur denken: "Heute zeige ich es dir wieder, Haider! Heute gebe ich es dir wieder!"

Kollege Cap, verbitterte Verbissenheit hat noch nie zum Erfolg geführt. Ich sage Ihnen das ganz offen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das sollten Sie sich als einer der berühmtesten "Hobby-Haiderologen" dieses Hauses hinter die Ohren schreiben.

Sie erheben hier Vorwürfe und nennen Namen von Personen, die im Rechtsstaat der Unschuldsvermutung zu unterziehen sind und die alle drei – Sie haben die Namen gebracht – Klagen eingebracht haben. Wie Sie Ihr Verhältnis zum Rechtsstaat definieren, bleibt Ihnen überlassen. Ich habe ein Bekenntnis zum Rechtsstaat, und solange die Schuld des Betreffenden nicht bewiesen ist, gilt die Unschuldsvermutung. Das sollten auch Sie einmal bei jenen anerkennen, die Sie hier immer zitieren und beim Namen nennen. (Abg. Mag. Wurm: Sie sind nicht Manns genug, zurückzutreten!)

Aber es ist immer wieder dasselbe Muster: Sie gehen hier heraus, es wird von Ihnen ein Kübel Schlamm abgelassen, und dann gehen Sie weg. Wenn es aber um Beweise geht, wenn Sie aufgefordert werden, Beweise auf den Tisch zu legen, dann verstummen Sie plötzlich.

Es ist das Gleiche wie beim Kollegen Kostelka. Dieser hat vor einem Monat allen Ernstes behauptet – und das ist eine Ungeheuerlichkeit! –, dass sich im Justizministerium auf gewisse Schlüsselworte hin die Anrufaufzeichner einschalten und dass im Justizministerium illegal Anrufe abgehört werden. – Nicht ein Jota von Beweis konnte er bisher auf den Tisch legen, nicht ein Jota! Und er war nicht Manns genug, sich für diese Blamage beim Justizminister ordentlich zu entschuldigen. Das wäre es nämlich gewesen, was Sie schon lange hätten tun sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das geht auch an Ihre Adresse, Herr Kollege Cap.

Und zu den schönen Interventionen im ORF: Kollege Cap regt sich auf wegen angeblicher Interventionen im ORF, die im Übrigen schon vom Generalintendanten selbst als "business as usual" bezeichnet wurden, als er sagte: Alle Parteien wollen ihr Recht im ORF – auch Ihre! Aber Kollege Cap regt sich wegen Interventionen auf.

Ich zitiere aus einem Buch, nämlich dem Buch von Edith Meinhart und Ulla Schmid über die "Spin Doktoren", die sich ja leider auch inzwischen auf ihre jämmerliche Größe reduziert haben – im Gegensatz zu früher –, und zwar die Spin Doktoren Rudas und alle, die es noch gegeben hat.

In diesem Buch steht wörtlich – das ist interessant, da Sie hier von Interventionen sprechen; ich zitiere –:

ORF-Redakteure waren im Superwahljahr 1999 immer wieder Teilnehmer jeder Strategiesitzung der Roten. (Abg. Haigermoser: Na hallo – Abgründe tun sich hier auf!)  – Ich wiederhole: ORF-Redakteure Teilnehmer jeder Strategiesitzung der Roten!

Und es heißt da weiter: Fragen wie: Wurde das mit oben, in Klammern: mit dem Küniglberg, abgeklärt? Haben wir das schon abgeklärt?, gehörten zum Standardrepertoire des ehemaligen ORF-Generalsekretärs Andreas Rudas. – Zitatende.

Sie haben Redakteure des ORF in Parteisitzungen geholt, um ihnen zu diktieren, was zu berichten ist, und das lehnen wir ab. Das gibt es bei uns nicht, sondern wir gehören zu jenen, die eine freie Meinungsäußerung der Redakteure in diesem Land auch entsprechend sicherstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Glauben Sie eigentlich selbst, was Sie sagen?)

Und dann kommt Frau Kuntzl hier heraus und sagt: "Alles schrecklich!", nur weil wir sagen, man solle zuerst die Gerichte und erst danach Untersuchungsausschüsse aufklären lassen.

Fünf Untersuchungsausschussanträge hat es in den letzen drei Jahren gegeben. Die Provisionsaffäre: Der SPÖ-Parlamentsklub hat einstimmig beschlossen, dass zuerst die Prüfung


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durch die Justiz stattfinden soll, erst dann machen wir einen Untersuchungsausschuss. – Kurdenmorde: Kostelka: Man soll das Ergebnis der Untersuchungen der unabhängigen Richter abwarten, dann werden wir über den Untersuchungsausschuss reden. – Drittes Beispiel, Bankenausschuss: Zuerst soll man die Gerichte befassen, dann reden wir über einen Untersuchungsausschuss. – Viertes Beispiel, Lassing: Den von der Opposition verlangten Untersuchungsausschuss zu Lassing hält Kostelka ebenfalls nicht für zielführend. Es sollten zuerst die Gerichte ermitteln. – Fünftes Beispiel, Untersuchungsausschuss Causa Omofuma: Ganz genau das Gleiche, zuerst sollten wir einmal die Gerichte arbeiten lassen, dann reden wir über einen Untersuchungsausschuss. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Kollege Cap, meine Damen und Herren von der SPÖ! So leicht waren Sie noch selten der Doppelzüngigkeit zu überführen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. Restredezeit: 3 Minuten. – Bitte. (Ruf bei den Freiheitlichen: Jetzt wird er sich entschuldigen!)

17.19

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Nein, aber Sie sollten hier einmal die Resolution des Redakteursrates einbringen, die Punkt für Punkt diese Interventionskultur von Ihnen – aber weil Sie gerade lachen, Herr Klubobmann Khol, auch von Ihnen – aufgezeichnet hat, das berühmte "professionelle Monitoring", wie Sie Ihre Interventionen genannt haben.

Ich möchte darauf hinweisen, dass Sie vorhaben, in einer Rundfunkgesetznovelle Personalpolitik durch die Zusammenlegung der beiden Intendanzen zu machen, weil Ihnen diese einfach nicht zu Gesicht stehen. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Sie ein Durchgriffsrecht für den Generalintendanten planen und zugleich auch, ihn leicht abwählen zu können, damit er dann die erste Interventionsadresse ist.

Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass Sie die Methode erfunden haben, sich noch vor den Sendungen zu Wort zu melden, in der Redaktion anzurufen und Gespräche über das Management der abendlichen Informationssendungen zu führen, wahrscheinlich mit dem Zusatz: Haben Sie Familie, Herr Redakteur? Machen Sie sich nicht unglücklich! Machen Sie ja, was ich Ihnen vorschlage! – Das ist die Politik, die Sie im ORF machen. (Lebhafter Widerspruch bei den Freiheitlichen. – Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Das ist unglaublich! Das ist ungeheuerlich! – Abg. Haigermoser: Schändlich! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist keine Ebene!)

Ich behaupte weiters, dass das nicht nur beim ORF der Fall ist, sondern auch im Bereich der Printmedien stattfindet, wo Sie bei Eigentümern und Chefredakteuren anrufen. Ich sage Ihnen noch einmal: Bemühen Sie sich, eine andere Politik zu machen! Schauen Sie, dass Sie schlüssigere Argumente haben! Versuchen Sie, die Journalisten zu überzeugen und nicht unter Druck zu setzen! Versuchen Sie nicht, sie einzuschüchtern und Psychoterror zu machen! – Das ist Ihr Klima der Illiberalität, für das Sie hier in Österreich stehen, und des Abbaus von Demokratie. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Lassen Sie den Baseballschläger im Sack!)

Der Grund dafür, warum Sie heute die Informationen besorgt haben, ist – das wurde Ihnen schon einmal gesagt, dazu haben Sie nicht Stellung bezogen –, um nicht eine politische Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner führen zu müssen, sondern um ihn durch Rufmord zu zerstören. Da können wir sehr viele Namen anführen. Sie sind dafür verantwortlich, dass diese Rufmord-Kultur in die österreichische Innenpolitik Eingang gefunden hat. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! "Rufmordpolitik" – das ist ungeheuerlich! – Abg. Schwemlein: Was ist mit Herrn Doralt?) Dafür stehen Sie, und das haben Sie zu verantworten. Das verurteilen wir auch, wenn Sie diese Politik hier verfolgen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Nur so weiter!)

Zum Letzten. Ich verstehe nicht, wieso Sie die verteidigen. (Abg. Schwemlein: Er muss die Vaterrolle machen!) Ich verstehe es einfach nicht, gerade in dieser Causa. Ich nehme an, der


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Herr Innenminister ist daran interessiert, hier aufzuklären, aber ich verstehe nicht, warum Sie schon prophylaktisch und im Vorhinein hier verteidigen, wiewohl Sie nie den Innenminister gestellt haben, wiewohl Sie hier vorgeben, mit der Sache nie etwas zu tun gehabt zu haben, wobei das an den Haaren herbeigezogen ist. Kollege Einem war zum Beispiel selbst Gegenstand und Opfer dieser Bespitzelungen. Aber wieso Sie hier verteidigen, das verstehe ich einfach nicht. Das müssen Sie mir erklären. Ich verstehe es einfach nicht. Oder sind Sie schon so am Boden, dass Sie jetzt sogar schon die Verteidigung des Koalitionspartners benötigen, was an sich ein neuer Charakterzug an ihm ist? – Das kann ich nur sagen aus einer Erfahrung heraus, die wir gemacht haben. (Abg. Ing. Westenthaler: Beim Zähneputzen hast du das Haider-Bild am Badezimmerspiegel!)

Allerletzter Punkt: Ich weiß nicht, wann Sie an Haider denken. Vielleicht ist es nicht direkt im Badezimmer, vielleicht haben Sie den Ort knapp verfehlt. Ich weiß es nicht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

17.23

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. Er hat das Wort.

17.23

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den ORF-Ausführungen des Kollegen Cap zitiere ich aus einem Brief des ORF-Generalintendanten vom 10. Oktober:

"Zusammenfassend halte ich also fest: Es gibt keinen wie immer gearteten Beweis dafür, dass der groß in die Öffentlichkeit getragene vermutete Datenklau tatsächlich je stattgefunden hat." (Abg. Ing. Westenthaler: Beim Cap im Hirn stattgefunden hat: nicht der Datenklau, sondern der Gedächtnisklau!) "Dessen ungeachtet soll auch künftighin allen diesbezüglichen Vermutungen im Einzelfall nachgegangen werden, ebenso soll weiterhin an der Perfektionierung unserer Sicherheitssysteme gearbeitet werden."

Und zum zweiten Thema, zur behaupteten Interventionswelle, heißt es weiter: "Im Einzelnen habe ich die Redakteure darauf hingewiesen, dass pauschale Anschuldigungen, wie sie in der Resolution enthalten sind, nach meinem Dafürhalten ebenso kontraproduktiv sind wie pauschale Anschuldigungen, die immer wieder auch gegen den ORF erhoben werden. Insbesondere sollte nach meinem Dafürhalten nicht jede Kritik an Sendungen der Information mit Intervention gleichgesetzt werden." – Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe heute sehr aufmerksam die gesamte Diskussion verfolgt. Für mich ist heute klar: Ob ein Spitzelnetz in Österreich besteht, ist ein Verdacht, und es gilt die Unschuldsvermutung. Wenn ein Spitzelnetz besteht, wenn die Gerichte das feststellen, dann ist das eine Frage, die strafrechtlich interessiert. Mich interessiert die politische Verantwortung für dieses Spitzelnetz heute nicht. (Abg. Mag. Wurm: Untersuchungsausschuss!) Nein, denn mich interessiert nicht, ob Löschnak dafür verantwortlich war. Mich interessiert nicht, ob Einem dafür verantwortlich war. Mich interessiert nicht, ob Schlögl dafür verantwortlich war. Ich möchte gerne wissen: Wurde bespitzelt? Wer hat bespitzelt? Wo liegt die strafrechtliche Verantwortung dafür? Dafür, das zu untersuchen, sind die Gerichte besser geeignet als ein Untersuchungsausschuss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mein Kollege Peter Westenthaler hat die Kostelka-Khol-Doktrin zitiert, die Kollege Kostelka und ich fünf Jahre lang entwickelt haben. Ich stehe nach wie vor dazu und folge daher auch nicht der vielleicht politisch verständlichen Überlegung des Herrn Landeshauptmannes von Kärnten. Wenn es um strafrechtliche Verantwortung geht, dann zuerst die Gerichte, zuerst die Justiz. Nach dem, was Herr Kollege Pilz heute hier geboten hat, muss ich nämlich sagen: Ich bin einmal mehr darin bestätigt worden, dass ich der Justiz, den Richtern und den Staatsanwälten mehr Vertrauen entgegenbringen kann als einem Herrn Pilz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Der Vorgang ist also immer der Gleiche, und da möge man uns nicht das Euroteam und den diesbezüglichen Untersuchungsausschuss als Gegenbeispiel darstellen, denn da sind wir genauso folgerichtig vorgegangen. Als es um die politische Verantwortung bei Euroteam ging, haben wir keinen Untersuchungsausschuss eingesetzt, sondern es hat einen Beschluss des Hauses auf eine Rechnungshofprüfung gegeben. Der Rechnungshof hat einen Bericht geliefert. In diesem Bericht ist dargelegt worden, es hat Unzulänglichkeiten gröbster Natur bei Euroteam gegeben. Daher haben wir einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, um festzustellen, ob es auch in anderen Bereichen, nämlich bei der Subventionsvergabe durch das Sozialministerium, eben solche Unzulänglichkeiten gegeben hat. Es ist also klar, hier ist die gleiche Vorgangsweise eingeschlagen worden, und wir bleiben dabei. (Abg. Dr. Petrovic: Die blau-schwarze "Logik"!)

Erstens: Alles soll aufgeklärt werden. Ich bin dem Bundesminister für Inneres dankbar dafür, dass er sehr klar gesagt hat: Es wird ohne Ansehen der Person und des Standes aufgeklärt.

Zweitens: Ich finde es gut, dass die Gerichte jetzt mit allem, was ihnen zur Verfügung steht, ermitteln. Bis jetzt gibt es nicht einmal Beschuldigte. Der Einzige, bei dem der Verdacht konkret ist, dass er das Gesetz gebrochen hat, ist jener, der diese ganze Affäre losgetreten hat. Er hat selber gesagt: Peccavi! Ich beschuldige mich selbst, ich habe das Gesetz gebrochen. – Sonst gibt es noch keinen Beschuldigten. Sollten die Justizverfahren herausbringen, da sind politische Verantwortlichkeiten zu hinterfragen, dann können die Herren Löschnak, Einem und Schlögl sicher sein, wir werden ihnen die Gelegenheit geben, sich vor dem Ausschuss zu verantworten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Martin Graf: Einem haben wir die Spitzelaffäre an den Universitäten noch nicht vergessen!)

17.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kostelka zu Wort gemeldet. Bitte dem zu berichtigenden den tatsächlichen Sachverhalt gegenüberzustellen. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

17.28

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Sehr verehrter Herr Kollege Khol! Sie haben erklärt, es liege in der Frage "Euroteam Vienna" ein Rechnungshofbericht vor. – Ich berichtige Sie. Es gibt keinen Rechnungshofbericht. (Rufe: Rohbericht!)

Der Rohbericht ist Ihnen zugespielt worden, und in diesem Zusammenhang ist jeder Beweis noch offen. (Abg. Schwarzenberger: Ausschussprotokoll!) Aber die Parallelität in diesem Zusammenhang liegt auf der Hand. Auf der einen Seite sind die Gerichte dabei, diesen Fall zu klären. (Abg. Dr. Khol: Das ist keine Berichtigung, das ist eine Wortmeldung!) Da ist Ihnen aber kein Argument eingefallen, den Untersuchungsausschuss nicht einzusetzen, auf der anderen Seite sehr wohl ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Kostelka!

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (fortsetzend):  ... politische Verantwortung nicht wahrnehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ungeheuerlich! – Abg. Dr. Khol: Ungeheuerlich!)

17.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Anträge wurden keine gestellt. Daher gibt es auch keine Abstimmungen.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur Durchführung einer Kurzdebatte.

Die Kurzdebatte betrifft den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Moser, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird – es handelt sich um den Antrag 55/A –, eine Frist bis zum 21. November zu setzen.


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Nach dieser Kurzdebatte wird über den Fristsetzungsantrag abgestimmt werden.

Zur Einleitung gelangt Frau Dr. Moser zu Wort. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. Die restlichen Redezeiten sind dann jeweils 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Moser.

17.30

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, fast auf den Tag genau vor einem Jahr kamen zu Ihnen, Herr Präsident, vier Abgeordnete, drei Wissenschaftler und auch einige Mitglieder von insgesamt 400 österreichweiten Bürgerinitiativen mit einem großen gemeinsamen Anliegen, und zwar mit dem gemeinsamen Anliegen, dass AnrainerInnen und NachbarInnen von Sendemastenanlagen für den Mobilfunk Rechte haben sollen, informiert werden sollen, und mit dem anderen großen Anliegen, dass insgesamt bei dieser neuen Technologie endlich Vorsorgewerte im Gesundheitsbereich gesetzlich fixiert werden sollen.

Dies war ein gemeinsames Anliegen von der Partei der SPÖ – von ihr haben, wie ich meine, drei Abgeordnete unterschrieben –, von der Partei der FPÖ – davon haben sage und schreibe 40 Abgeordnete unterschrieben, darunter sehr viele, die jetzt hier sitzen – und auch der Grünen: bei uns haben alle Abgeordneten unterschrieben. Und hinter diesen Unterschriften stehen insgesamt mindestens 5 000 Unterschriften einer breiten österreichischen Bürgerinitiativenbewegung, die vor allem zwei große Bedenken hat: ein demokratiepolitisches Bedenken – Stichwort: Information, Anrainerrechte – und ein gesundheitspolitisches Bedenken.

Mittlerweile ist ein Jahr vergangen, und jetzt ist diese Mobilfunk-Petition auf dem Weg zum Verkehrsausschuss. Ich habe im Anschluss an das Einbringen der Mobilfunk-Petition im Dezember bereits eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes ganz im Sinne dieses Bevölkerungsanliegens hier eingebracht. Dieser Antrag erfuhr eine erste Lesung, und dieser Antrag erfuhr wahrscheinlich auch eine "erste Schublade", denn er wurde bis heute nicht auf die Tagesordnung gesetzt, bis heute nicht diskutiert und bis heute nicht beachtet.

Warum ist das heute so wichtig? Warum wollen wir heute eine Frist bis zum 21. November? – Weil nämlich am 2. November, also in knapp drei Wochen, in Österreich anlässlich der Versteigerung der UMTS-Frequenzen ein neuer Technologiesprung stattfindet.

Diese Versteigerung und dieser Technologiesprung werden wieder zwei Probleme mit sich bringen. Es müssen insgesamt an die 20 000 bis 30 000 neue Sendemasten errichtet werden. Das heißt, es gibt wieder sehr viele AnrainerInnenbewegungen, sehr viele AnrainerInnenproteste und sehr viel Besorgnis in der Bevölkerung. Und dieser Technologiesprung bedeutet auch, dass insgesamt wieder die rechtspolitische und die gesundheitspolitische Problematik massiv diskutiert werden sollen, denn wir wollen nicht, dass mehr oder weniger österreichweit die Bevölkerung nach wie vor als Versuchskaninchen dienen soll.

Ich weiß, es gab im vergangenen Juni ein Expertenhearing hier im Parlament. Es gab vorausgehend schon eine Expertenkonferenz in Salzburg, ein großes internationales Wissenschaftlerforum setzte sich damit auseinander, und es gab bereits ein Jahr vorher auch eine internationale Expertentagung in Wien. Und der gemeinsame Nenner all dieser wissenschaftlichen und politischen Hearings lautete: bessere Informationspflicht, Vorsorge und Gesundheitsvorsorgegrenzwerte.

All das hat dieses Parlament weder im Ausschuss diskutiert noch hier im Plenum einer Beschlussfassung zugeführt. Und jetzt beginnen wir mit einer neuen Technologie mit völlig neuen Rahmenbedingungen und haben noch nicht die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen. Ja es beklagen sich sogar die Betreiber darüber, dass Rechtsunsicherheit herrscht. Und Sie wagen einen Technologiesprung! UMTS ist eine Milliardenangelegenheit, sowohl, was den Umsatz, als auch, was die TeilnehmerInnen anlangt. Und Sie wagen diesen Sprung ohne Rechtssicherheit. Das ist für mich der Punkt, und das ist der Hintergrund für diese Fristsetzung.

Ich weiß, es gibt eine Novelle zum Telekommunikationsgesetz, eine Regierungsvorlage, aber sie wird nicht in Diskussion gezogen. Es gibt Begutachtungsverfahren, die dauern und dauern,


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aber was nicht dauert, ist die Versteigerung. Die Versteigerung wird am 2. November beginnen, und dann beginnt von heute auf morgen wieder ein neues Masten-Wildwest quer durch Österreich.

Damit komme ich zum dritten wesentlichen Punkt. Neben dem rechtlich-demokratiepolitischen Punkt der Anraineranliegen und Informationspflichten und neben dem gesundheitspolitischen komme ich jetzt noch zu dem Aspekt, dass wir durch diese Versteigerung wahrscheinlich ein sehr, sehr großes Risiko eingehen. Ich komme zu dem Aspekt, dass die Vergabemodalität, der Vergabemodus nicht sorgfältig genug politisch begleitet wurde.

Wie schaut das im Detail aus? – Es gibt sechs Pakete. Jedes dieser sechs Pakete ermöglicht eine flächendeckende Versorgung mit UMTS-Information in ganz Österreich. Und es gibt genau sechs Bewerber. Da das also ein Sechs-zu-sechs-Spiel oder ein Eins-zu-eins-Spiel wird, ist einerseits budgetpolitisch, finanzpolitisch ein großes Fragezeichen hinter die veranschlagten Milliarden zu setzen, und zweitens ist noch etwas anderes wesentlich: Dieser Vergabemodus hat voll darauf gesetzt, dass jeder Betreiber, der hier Frequenzen ersteigert, sich auch verpflichtet, österreichweit ein Netz aufzuziehen, obwohl eines für alle Sechs durchaus reichen würde. Und dieses eine Netz für alle Sechs wäre volkswirtschaftlich, betriebswirtschaftlich gesehen sogar viel günstiger.

Sie brauchen sich ja nur an das zu erinnern, was der Experte des Wifo gesagt hat. Herr Knoll hat im Juni darauf hingewiesen, dass es wesentlich ist, dass von Staats wegen, von der Gesetzgebung von vornherein Vorsorge getroffen wird, dass es ein gemeinsames Betreibernetz gibt, was die Mastenanlagen angeht, und dass sich die sechs Bewerber mit ihren Dienstleistungen und Serviceangeboten des gemeinsamen Netzes bedienen sollen, damit insgesamt nicht zu viele Milliarden, die letztlich ja den KonsumentInnen auf den Kopf fallen, in den Ausbau des Netzes laufen.

Es sind also finanzpolitisch, volkswirtschaftlich und auch betriebswirtschaftlich noch zwei große Probleme ungelöst. Das eine ist die Tatsache, dass jetzt der Wettlauf bei der Versteigerung beginnt, wobei der Wettlauf wahrscheinlich am ersten Tag wieder aufhören wird, denn jeder wird zufrieden nach Hause gehen mit dem Minimalgebot und mit einem doppelbarigen Bereich, den er bekommt. Die besagten – wieviel werden es denn sein? – 2 Milliarden werden nicht lange weh tun. Der Finanzminister hat dann halt sozusagen den schwarzen Peter. Er nimmt nicht viel ein.

Was auf der Strecke bleibt, ist auch die österreichische Technologiepolitik, denn aus den UMTS-Versteigerungseinnahmen sollte auch der Technologiefonds gespeist werden. Und was auf der Strecke bleibt, ist sicherlich auch, dass man jetzt angesichts einer neuen Technologie gleiche Rahmenbedingungen für alle Bewerber schafft, ein gemeinsames Netz anbietet und noch dazu ein gemeinsames Netz anbietet, das sich nicht nur auf die Zentren beschränkt, sondern das auch die Peripherien einbezieht.

In den Vergabemodalitäten heißt es ja, innerhalb von vier Jahren sollen, ja müssen 50 Prozent der Bevölkerung versorgt sein. Wer sagt Ihnen denn, dass die 50 Prozent der Bevölkerung nicht nur in den Zentren sind? Wer sagt Ihnen denn, dass auch das südliche Burgenland, das Waldviertel, das Mühlviertel oder vielleicht irgendwelche Seitentäler in Tirol durch diese neue moderne Technologie versorgt werden, die einen Internetzugang wirklich vom freien Feld ermöglicht und auch durchaus neue Beschäftigungsaspekte erschließt?

Wir sind für Folgendes: Es gilt erstens einmal, den gesundheitlichen Aspekt durchzuchecken – Stichwort: Mobilfunk-Petition –, zweitens klare Informationsregelungen und Rechte der AnrainerInnen und NachbarInnen zu schaffen und drittens einen Versteigerungsmodus zu finden, der nicht einem Husch-Pfusch-Verfahren entspricht und in diesem Sinn für die Bewerber nicht mehr oder weniger eine gemähte Wiese bedeutet.

Wir wollen viertens vor allem, dass es ein einziges gemeinsames UMTS-Netz gibt, damit nicht volkswirtschaftlich, betriebswirtschaftlich gesehen an die 60 Milliarden verschleudert werden, die


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letztlich über die Gebühren von UMTS wieder von den KonsumentInnen bezahlt werden müssen.

Vor diesem Hintergrund ersuche ich Sie heute, hier und jetzt, bis zum 21. November meinen Antrag in Verhandlung zu nehmen und insgesamt noch einmal die Vergabemodalitäten zu überlegen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gehen jetzt in die Debatte ein. Jede Fraktion hat das Recht, eine Stellungnahme abzugeben. Redezeit: jeweils 5 Minuten.

Herr Abgeordneter Parnigoni beginnt. – Bitte.

17.39

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem vorliegende Antrag der Grünen, der hier zur Debatte steht, beziehungsweise dem Wunsch nach Fristsetzung können die Sozialdemokraten etwas abgewinnen, vor allem deshalb, weil dieses Thema auch für uns ein sehr, sehr wichtiges ist. Es betrifft die Gesundheit der Menschen, und es ist vor allem auch eine Vorlage, die in einem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung neuer Technologien in diesem Land steht.

Kollegin Moser hat schon angesprochen, dass selbst die Betreiber von derzeitigen GSM-Netzen, aber auch allfällige künftige UMTS-Netzbetreiber Klarheit über die Bedingungen haben wollen, unter denen sie ihr Netz ausbauen sollen oder aufbauen können.

Meine Damen und Herren! Man muss sich schon dessen bewusst sein, dass es dann, wenn die diesbezügliche Rechtssicherheit nicht zeitgerecht vor Beginn der Auktion gegeben ist, zu geringeren Erlösen kommen wird. Und dann tragen Sie die Verantwortung dafür, dass der Finanzminister nicht entsprechend viel Geld einnimmt! Heute habe ich ihm bei der Budgetrede zugehört, und im Manuskript der Budgetrede steht ja auch geschrieben, dass man die großen Erlöse aus diesem UMTS-Frequenzverkauf für die Schuldenbedeckung heranziehen will. Wenn Sie sich da nicht anstrengen, wenn Sie die Voraussetzungen nicht anständig schaffen, dann werden Sie in diesem Bereich nichts einnehmen. Aber "rupfen" werden Sie dann die Bürgerinnen und Bürger, wie Sie es ja angekündigt haben.

Meine Damen und Herren! Daher glaube ich, dass wir uns sehr rasch mit dieser Frage auseinander setzen und sehr rasch etwa darüber reden sollten, wie ein bundeseinheitlicher Grenzwert festzusetzen wäre. Es hat keinen Sinn, dass jedes Bundesland eigene Entwicklungen vornimmt und eigene Grenzwerte festsetzt. Das verunsichert die Wirtschaft hinsichtlich der Emissionswerte total, und trotz alledem wäre natürlich nur ein unterschiedlicher Schutz der Bevölkerung gewährleistet. Daher muss man beide Dinge unter einen Hut bringen: einerseits den Schutz der Bevölkerung, und andererseits müssen wir auch sicherstellen, dass die Telekom-Netzbetreiber, wenn sie schon durchaus Milliardenbeträge für Frequenzen bezahlen, auch die Möglichkeit haben, die Netze entsprechend auszubauen.

Allerdings kann ich mir vorstellen – und das werden wir auch massiv unterstützen –, dass man noch vor der UMTS-Auktion festlegt – daher ist diese Fristsetzung sinnvoll –, eine Koordinierung beim Sendemastenausbau zwingend vorzuschreiben, um sicherzustellen – etwa in Zusammenarbeit mit den Raumordnungsabteilungen der Länder –, dass dieser Wildwuchs, von dem gesprochen worden ist, etwas eingedämmt wird, damit wir schlussendlich einen vernünftigen Netzausbau zu Stande bringen.

Meine Damen und Herren! Die Petition liegt de facto im Verkehrsausschuss, das heißt, sie ist auf dem Wege. Im Verkehrsausschuss liegt auch der Antrag der Grünen. Wir alle sind in Erwartung der Regierungsvorlage zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, was schon fünfmal angekündigt worden ist, aber bis heute noch nicht vorliegt. Es ist durchaus kein Problem, die Rechtsunsicherheit für die Telekombetreiber sehr rasch zu beseitigen, damit auch wirklich entsprechend viel Geld für den Staat hereinkommt, wenn eine knappe Ressource wie die UMTS-Frequenzen versteigert wird. Das ist volkswirtschaftlich von großer Bedeutung.


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Es kann doch nicht so sein, dass man in dieser Beziehung nachlässig ist und dass sich die Politik darauf beschränkt, dass dann das Volk mehr oder weniger die Zeche dafür zu bezahlen hat, indem man ihm noch mehr Steuerlasten, noch mehr Belastungen aufbrummt. Das ist eine Politik, die nicht sein kann. Daher werden wir diesem Fristsetzungsantrag zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. – Bitte.

17.44

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Moser! Auch mir sind einige Punkte der Mobilfunk-Petition ein Anliegen; aber ich glaube, ich bin nicht alleine damit, wenn ich sage, dass einzelne Forderungen dieser Mobilfunk-Petition heillos überzogen sind.

Sie wissen, es hat in dieser Frage eine Reihe von parlamentarischen Auseinandersetzungen gegeben; unter anderem war die Abhaltung einer Enquete im Parlament vor einigen Monaten sehr aufschlussreich und sehr wichtig. Früher wurden Parolen ausgegeben, der Elektrosmog oder die Elektrowellen, all das, was von den Basisstationen ausgeht, sei enorm gesundheitsgefährdend. Davon war in der Enquete eigentlich nichts zu bemerken. Das wurde von den Wissenschaftern, die zahlreich vertreten waren, eigentlich klar widerlegt.

Daraufhin haben wir gesagt, wir werden diesen Prozess der inneren Begutachtung im Parlament fortführen. Sie haben Ihren Antrag eingebracht. Dessen Behandlung wurde einvernehmlich – oder zumindest mit großer Mehrheit – vertagt. Wir haben uns darauf geeinigt und verständigt, dass wir die Novelle abwarten wollen, jene Novelle, die uns das Bundesministerium für Infrastruktur zur Verfügung stellen wird, auf die nicht nur Sie warten – auch ich warte darauf. Aber die Sache ist kompliziert und vielschichtig. Das ist nicht einfach so ein "Gesetzerl", sondern dabei sind sehr viele Querschnittsmaterien zu berücksichtigen.

Ich frage mich allerdings, was Sie mit diesem heutigen Fristsetzungsantrag hier erreichen wollen. Ich habe den Eindruck, Sie wollen Verunsicherungspolitik betreiben, und zwar deshalb, weil Sie sagen, der Erlös wird geringer ausfallen, und bevor man überhaupt damit hinausgeht, müsste man eigentlich das Korsett noch ein bisschen enger schnüren.

Frau Kollegin Moser! Das wird nicht gehen. Die Ausschreibung für die UMTS-Lizenzen ist im Laufen, die Verordnung des Bundesministeriums ist erlassen, und das Ausschreibungsdesign ist bereits verabschiedet. Es ist alles in Vorbereitung. Es geht auf Knopfdruck am 2. November los. Ich werde es nicht zulassen, dass Sie jetzt die Bieter auch noch verunsichern und sagen: Moment! Da müsste man ja eigentlich noch großartig die Notreißleine ziehen.

Es käme Ihren Intentionen schon sehr gelegen, wenn es dann hieße, der eine oder andere Bieter zieht sein Angebot zurück – weil die Grünen, vielleicht auch mit tatkräftiger Mithilfe der SPÖ, einen großartigen Wirbel veranstalten –, und der Finanzminister geht halb leer aus. Frau Kollegin Moser! Diesen Gefallen werden wir Ihnen nicht tun. Das möchte ich einmal ganz klar festhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das heißt aber nicht, dass wir die wichtigen Punkte dieser Petition nicht ernst nehmen würden. Wir werden uns damit auseinander setzen, und es wird auch eine Verordnung über die Grenzwerte geben – allerdings eine Verordnung, die Ihnen natürlich viel zu wenig weit reichend sein wird, denn Sie haben eigentlich nur ein Ziel: Sie möchten, dass bundesweit in ganz Österreich der Salzburger Grenzwert von 1 Milliwatt pro Quadratmeter erreicht wird. Dazu sagen Ihnen alle internationalen Experten: Dann können wir den Mobilfunkbetrieb einstellen.

Wenn Sie hier jetzt auch noch ökonomisch damit argumentieren, dass das auch zum Schutz der Betreiber wäre, dann muss ich Ihnen sagen: Sie reden ökonomisch einen Stiefel daher! Jawohl! Sie reden einen Stiefel daher. Sie haben keine Ahnung! Genauso reden Sie einen ökonomischen Stiefel, wenn Sie sagen, das Netz kann von sechs UMTS-Betreibern gemeinsam genutzt werden. Ich würde Sie wirklich bitten, Sie waren ja bei der Präsentation dabei: Reden


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Sie einmal mit Experten! Diese werden Ihnen sagen, dass das nicht möglich ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser. )

Natürlich müssen wir darauf schauen und danach trachten, dass es zu keiner weiteren groß angelegten "Mastenexplosion" kommt. Das ist auch unser Ziel. Es wird auf der einen Seite mit der Einführung des UMTS neue Basisstationen geben, es wird aber auf der anderen Seite – dafür werde ich mich verwenden – zu einer Reduktion alter und nicht mehr benötigter Anlagen kommen. Damit müssen wir bitte leben.

Wir Freiheitlichen wollen den technologischen Fortschritt. Wir wollen, dass Österreich an die Spitze kommt. Wir wollen eine aktive Technologiepolitik und nicht eine Verhinderungspolitik! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. Er hat das Wort. (Abg. Wattaul  – in Richtung der Grünen –: Das interessiert die eigenen Leute nicht! Ist eh keiner da!)

17.49

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich haben wir den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung ernst zu nehmen. Natürlich wissen wir, dass es Ängste gibt – berechtigte, unberechtigte, rationale, irrationale, gerade auch, was den Bereich der elektromagnetischen Strahlung betrifft. Trotzdem glaube ich, dass wir doch eines nicht tun dürfen in dieser Materie, und dessen verdächtige ich Sie ganz offen: Wir dürfen nicht Ängste schüren und dürfen nicht versuchen, ständig mit diesen Ängsten Politik zu machen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Moser. )

Wir sollen nicht Emotionen aufbauen und aufschaukeln, sondern wir müssen hier auf Grund rationaler Erkenntnisse und wissenschaftlicher Erkenntnisse vorgehen. Vom Kollegen Parnigoni bin ich ganz besonders enttäuscht. Ich meine, es ist wirklich peinlich, vor einem halben Jahr noch genau das Gegenteil von dem gesagt zu haben, was er jetzt, hier und heute gesagt hat, nur weil seine Partei nicht mehr den Verkehrsminister stellt, meine Damen und Herren.

Er selbst hat gesagt – ich zitiere –:

Es ist festzuhalten, dass die Grenzwerte der WHO durchaus ausreichend erscheinen. Wenn man die geforderten Grenzwerte umlegen würde, nämlich die Grenzwerte der Grünen bei der Verwendung von Handys, nämlich die Forderung, die die Grünen in ihrem Antrag erhoben haben, dann würde das bedeuten, dass man das Handy beim Telefonieren ungefähr zehn Meter weit weg vom Körper halten müsste. Das wird doch irgendwie nicht gehen. – Zitatende. (Heiterkeit der Abg. Dr. Fekter. )

Damit hat er vollkommen Recht. Heute aber sagt er auf einmal, es sei dringlich notwendig, dass darüber diskutiert wird, weil die Grenzwerte nicht mehr den modernen Erkenntnissen entsprechen. – In diesem halben Jahr hat sich überhaupt nichts geändert. Im Gegenteil! Es ist – auch auf Antrag des Nationalrates – eine wissenschaftliche Enquete abgehalten worden, und dabei sind die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation sowie die diesbezüglichen Richtlinien der EU bestätigt worden, meine Damen und Herren.

Deshalb glauben wir auch, dass das, was Sie sonst noch gesagt haben, von keinerlei Relevanz ist, Frau Kollegin Moser. Die gesetzlichen Grundlagen für die UMTS-Versteigerung sind doch vollkommen klar festgelegt. Da gibt es keine Verunsicherung, da ist nichts unklar, sondern das ist vollständig klar und einheitlich niedergelegt worden. Die Behörde hat sogar – Sie waren dazu eingeladen – eine Veranstaltung über diese UMTS-Versteigerung abgehalten, diese geht nach internationalen Richtlinien über die Bühne, und Sie werden sehen, das wird ein Erfolg werden, so wie in anderen Ländern auch. Das wird in Österreich ein großer, auch technologischer Sprung nach vorne werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)


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Es wäre das erste Mal, dass sich die Grünen besondere Sorgen über die Erlöse oder die Wirtschaftlichkeit irgendwelcher Unternehmen machen oder gar darüber, dass der Finanzminister zu wenig Geld einnehmen könnte. (Abg. Dr. Moser: Wir sind immer für die Nachhaltigkeit ...!)  – Frau Kollegin! Kümmern Sie sich um die Dinge, von denen Sie etwas verstehen und die Ihnen auch politisch wirklich ein Anliegen sind. In dieser Frage – das haben Sie das letzte Mal schon bewiesen – sind Sie leider nicht auf dem letzten Stand der Wissenschaft, bei diesem Thema wissen Sie nicht wirklich, wovon Sie reden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.54


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. Redezeit: 5 Minuten. – Danach erfolgt die Abstimmung.

17.54

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich kann mich nur wundern über die Redebeiträge der Vertreter der Regierungsparteien, denn irgendwie scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben, was ein Fristsetzungsantrag ist. Es geht um nicht weniger, aber auch um nicht mehr als die Setzung einer Frist. Es geht, Herr Abgeordneter Kukacka, nicht um die Existenz neuer oder nicht neuer Erkenntnisse, es geht nicht um die Frage, ob das ökonomisch schwer oder leicht verträglich wäre, sondern es geht um die Frage, ob ein Anliegen, das von Bürgerinnen und Bürgern an dieses Haus herangetragen wurde, bis zum 21. November erledigt sein soll oder nicht.

Da können Sie dann im Ausschuss Ihre Meinung so oder so vertreten, aber eines möchte ich hier wirklich, weil es mir wichtig ist, in aller Form zurückweisen. Der Kollegin Moser oder den Grünen insgesamt oder insbesondere Frauen in einem Redebeitrag zu unterstellen, sie verstünden nichts von der Materie, das geht nicht an. Das sind sexistische Argumente, und die weise ich zurück! Das können Sie sich sparen, Herr Kollege Kukacka! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Sie können anderer Meinung sein, Sie können auch gegen die Fristsetzung sein, so wie Sie überhaupt dafür sind, sehr vieles zu verschleppen (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka ), aber zu unterstellen, dass eine Meinung, die nicht die Ihre ist, auf Inkompetenz, auf Unwissenheit beruht, das geht nicht an! Das ist auch für dieses Haus nicht erträglich, und insbesondere nicht für die Frauen. Merken Sie sich dieses! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Noch eines: Ich habe gerade in der Thematik schon so viele verschiedene Meinungen – auch von Abgeordneten ein- und derselben Partei – auch von Ihrer Partei gehört, dass ich mir denke, wenn hier etwas verunsichernd wirkt, dann ist es das lange Zögern der Politik, denn es sind tatsächlich sehr unterschiedliche wissenschaftliche Erkenntnisse verbreitet worden. (Abg. Mag. Kukacka: Das stimmt ja nicht!)  – Doch, das stimmt sehr wohl. Es gibt keine Langzeitstudien, Herr Abgeordneter Kukacka. (Abg. Mag. Kukacka: Seit 20 Jahren!) Das können wir ja dann bei der Debatte im Ausschuss erörtern. Es gehen auch die Meinungen der Ärztinnen und Ärzte sehr weit auseinander, wie es mit Langzeitfolgen ausschaut, in welcher Intensität eine Strahlenbelastung erträglich sein kann oder nicht.

Es geht auch um eines der Paradigmen der modernen Naturwissenschaft überhaupt, nämlich um die Validität von Tierversuchen, denn einmal wird argumentiert, aus dem Tierversuch habe sich dieses oder jenes ergeben, und dann, wenn etwas Kritisches dabei herauskommt, kommen die anderen und sagen: Aber das gilt ja nur bei Ratten oder Mäusen. – Also bitte, entweder es ist valide oder es ist nicht valide! Deswegen ist auch die Verunsicherung in der Bevölkerung insgesamt hinsichtlich neuer Technologien so stark, weil die Politik nicht in der Lage ist, rasch zu einem Entscheidungsverfahren zu kommen, bei dem man sagt, man kann sich auch irren. Alle miteinander – auch Mehrheiten oder Minderheiten – können sich irren.

Aber ich glaube, es gibt einen Anspruch der Bevölkerung, und zwar den Anspruch auf eine rasche Entscheidung. Daher wäre es notwendig, dass Sie dieser Fristsetzung zustimmen. Meine Hoffnungen in diese Richtung sind jedoch gering. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Wir haben uns schon mehrfach damit beschäftigt im Ausschuss!)

17.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wir kommen daher zur Abstimmung, und ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen ab über den Antrag, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird (Antrag 55/A), eine Frist bis zum 21. November 2000 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Fristsetzungsantrag zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag hat nicht die erforderliche Mehrheit gefunden, er ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die Beratungen über Punkt 2 der Tagesordnung betreffend den Bericht des Ausschusses für Menschenrechte wieder auf.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Burket. – Bitte.

17.59

Abgeordnete Ilse Burket (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt kehren wir also wieder zum emotionelleren Teil zurück. Ich muss sagen, was ich heute hier zum Thema Menschenrechte gehört habe, das war ein Lehrbeispiel an Heuchelei, Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit, wie es seinesgleichen wirklich sucht.

Ich frage mich nur eines – das hat mein Kollege Fallent heute schon einmal kurz angesprochen –: Wo bleibt denn das beispielhafte Verhalten der roten und der grünen Kollegen in Sachen Menschenrecht? (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich mir die Grundrechtscharta anschaue und den Artikel 1 lese, "Die Würde des Menschen ist unantastbar", "sie ist zu achten und zu schützen", oder im Artikel 6 "Recht auf Freiheit und Sicherheit" oder im Artikel 7 "Achtung des Privat- und Familienlebens" lese und dann Revue passieren lasse, was hier allerorten geschehen ist und geschieht und von Ihnen widerspruchslos hingenommen, ja – ganz im Gegenteil! – noch forciert und gutgeheißen wird, dann kann man sich nur wundern, mit welcher unglaublichen Chuzpe Sie sich hier herunter stellen und die Freiheitlichen anpatzen und anschütten bis zum Gehtnichtmehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich allein die Demonstrationen hernehme und feststelle, dass auf dem Rathausplatz ausländische Gäste persönlich körperlich angegriffen werden, dass Gäste, die dort stehen und einer Aufführung lauschen, angegriffen, angeschrien, angebrüllt werden, und wenn ich dann feststelle, dass es Ihre Leute sind, die dort so agieren, die Gäste verjagen und den Gästen förmlich Angst einjagen ... (Abg. Reheis: Was heißt "Ihre Leute"?) Wenn ich ... (Abg. Reheis: Was soll das?) Bitte? (Abg. Reheis: Was heißt "Ihre Leute"? Wessen Leute?)

Ihre Leute, die Roten und die Grünen! Wo sind denn die Demonstranten zu Hause, meine Herrschaften? Wollen Sie mir weismachen, dass da keine Sozialisten mitmarschieren, dass keine Grünen bei den Donnerstags-Demonstrationen mitmarschieren? (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Dann werde ich Ihnen jetzt etwas vorlesen, worin es ganz speziell um Ihre Fraktion geht: Viele aufrechte Kärntner Eisenbahngewerkschafter fühlen sich gefoppt. Die hat man nämlich nach Wien gelockt, besser gesagt abkommandiert, unter dem Vorwand, dass sie an einer Konferenz teilzunehmen hätten. Dann haben sie ein Trillerpfeiferl und ein Kapperl aufgesetzt bekommen und haben gegen die Studiengebühren demonstrieren müssen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Das sind Ihre Leute! Weil Sie wissen wollten, wer "Ihre Leute" sind. So schaut es nämlich aus! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist ein Zeitungsartikel, Frau Kollegin, den ich Ihnen jetzt vorgelesen habe. (Abg. Dr. Mertel: Was für eine Zeitung? Freiheitliche Partei?) Nein, das ist keine


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freiheitliche Zeitung. Aber jetzt rede ich, und seien Sie so lieb und hören mir zu! Aber wenn Sie nicht wollen, dann hören Sie mir eben nicht zu.

Frau Haidlmayr hat hier festgestellt, dass die Behinderten in höchstem Maße benachteiligt sind, und hat dazu erklärt, dass sie jetzt in der Straßenbahn nicht mehr Einlass finden. Ich finde es ganz ungeheuerlich, was dieser Regierung noch alles in die Schuhe geschoben wird, denn ich glaube nicht, dass diese Regierung oder diese Koalition auch nur im Entferntesten etwas damit zu tun hat, wer in eine Straßenbahn Einlass findet und wer nicht. Wenn es dort wirklich Missstände gibt, dann sind diese natürlich aufs Schärfste zu verurteilen und ist auch etwas dagegen zu unternehmen. Aber dann sind nicht wir hier die Ansprechpartner – das weiß auch Frau Haidlmayr –, sondern dann soll sie sich an ihren Herrn Chorherr oder an Herrn Häupl wenden. Diese Herren sind nämlich dafür zuständig.

Die "Beachtung" der Menschenrechte bei Rot-Grün setzt sich nahtlos fort, muss ich feststellen, wenn ich höre, was uns Frau Lunacek heute über Frau Winkler von der Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit erzählt hat. Sie hat gemeint, dass hier nur ein unglaublicher Vorwand betrieben wird, um Frau Winkler zu zitieren, dass man im gegenständlichen Ausschuss nur deshalb so agiert hätte und dass das äußerst ungehörig, weil durchsichtig wäre.

Ich muss Ihnen sagen: Es wundert mich nicht, dass Sie das als Manöver und als durchsichtig bezeichnen. Ich muss Ihnen dazu auch sagen, dass in meinen Augen allen Ernstes zu hinterfragen ist, wie weit Frau Winkler überhaupt prädestiniert oder qualifiziert ist, diesen Posten auszufüllen, den sie innehat, wenn ihr das Mindestmaß an Benehmen abgeht respektive wenn sie sich selbst so wenig um die Menschenwürde kümmert, dass sie eine ganze politische Gruppierung in Bausch und Bogen verurteilt und sich zu so lächerlichen Aussagen versteigt wie jener, dass sie sich nicht traut, das Fenster aufzumachen, und zwar aus Angst, dass da hereingeschossen und sie erschossen wird. – Das ist ein Zitat dieser Frau Winkler.

Ich glaube, dass man mit der Dame einmal ganz ernsthaft reden und sie fragen sollte, wie sie ihre Aufgabe sieht und wie sie sich das eigentlich vorstellt. Ich glaube, dass uns das durchaus zusteht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Des Weiteren darf ich die Bischöfin Knoll, die heute zitiert wurde, erwähnen. Dazu muss ich Ihnen eines sagen: Frau Petrovic hat, soweit ich weiß, vor ganz kurzem in einer ihrer Reden erklärt, dass sie hier die Fratze – welche Fratze hat sie hier gesehen? (Abg. Dr. Krüger: Des Unrechts!) Danke schön –, also dass sie hier die Fratze des Unrechts gesehen hat. Ich muss Ihnen Folgendes sagen: Ich bin evangelisch, aber Frau Knoll hätte mich fast dazu bewegt, aus der evangelischen Kirche auszutreten. Ich habe nämlich dort bei einer Bischöfin eine Fratze des Hasses gesehen, die ganz unglaublich war. Das hätte ich bei einer Frau, die der Kirche zugeordnet ist, nicht für möglich gehalten. Das war sehr schlimm! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den Respekt vor politisch Andersdenkenden vermisse ich bei Ihnen allerorts. Daher verstehe ich wirklich nicht – eigentlich verstehe ich es schon –, besser gesagt: Ich nehme es zur Kenntnis, dass Sie sich da herunter stellen und uns ununterbrochen "ankübeln", anschütten, diffamieren. Sie vergessen nur eines, meine Herrschaften: Wir repräsentieren – ob Ihnen das gefällt oder nicht – immerhin über eine Million Wähler. Das sind Menschen, die sich frei dafür entschieden haben, für die Freiheitliche Partei Österreichs zu votieren, und diese Menschen schütten Sie zwangsläufig ebenfalls mit an, denn sie haben sich bekannt zu unserer Ideologie und zu dem, was wir hier repräsentieren, was wir vorhaben und was wir tun wollen. Jawohl! (Abg. Öllinger: Die freiheitlichen Wähler ... die Funktionäre spitzeln!)

Spitzeln? – Darf ich Sie daran erinnern, dass es vor einigen Jahren eine Aktion der Grünen gab: Schick den Freiheitlichen kleine Aufmerksamkeiten, kleine Pakete – und unsere Namen und Adressen sind in der Zeitung gedruckt worden, Herr Kollege Öllinger! Schon vergessen? – Eine Aktion der Grünen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben keine demokratische Kultur – überhaupt nicht, Sie haben keine demokratische Kultur! (Abg. Öllinger: Was hat das mit Spitzeln zu tun?) Entschuldigen Sie, wie kommen Sie dazu, unsere Namen und Adressen in der Zeitung aufzulisten und die Menschen aufzufordern, uns


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Böses zu tun? (Abg. Öllinger: Was heißt "Böses tun"?) Na gut, das ist nicht Bespitzeln, das ist eine andere Abart dieser unschönen Dinge. Ich halte vom Bespitzeln genauso wenig. Ich weiß auch gar nicht, was Sie unter Bespitzeln verstehen. (Abg. Öllinger: Was der Herr Haider meint!) Ich verurteile ganz strikte Datenweitergaben, illegale Datenbeschaffungen, aber unter Spitzeln verstehe ich persönlich an sich etwas anderes. Aber das mag vielleicht am Sprachverständnis liegen. Bespitzeln ist es dann, wenn ich irgendjemand wirklich ausspioniere. (Abg. Öllinger: Ja!)

Aber es ist mir eigentlich völlig Wurscht, ob jemand weiß, was für ein Auto ich fahre oder ob ich schon einmal ein Strafmandat bekommen habe. Das interessiert mich überhaupt nicht. (Abg. Öllinger: Ach, Ihnen ist es völlig egal?)  – Ja, mir ist das völlig egal. (Abg. Öllinger: Na, dann können wir nicht weiterreden!) Gut, darüber müssen wir auch nicht unbedingt reden. Wir haben ja sowieso einen etwas anderen Zugang zu diesen Dingen. (Abg. Öllinger: Das merkt man!) Ich durfte heute auch ... (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Öllinger: Das steht fest!) Ja, ja ... (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)  – Ja, ich habe das auch genauso gemeint, wie ich es gesagt habe: Wir achten das Gesetz, selbstverständlich! Sie drehen es sich, wie Sie es brauchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie stellen sich hier herunter, beschimpfen und beflegeln uns, und dann sind Sie diejenigen, die sagen: Die Freiheitlichen klagen ununterbrochen! – Hören Sie doch auf, uns ständig zu diffamieren, dann braucht Sie kein Mensch zu klagen! Sie verdrehen bewusst die Wahrheit, Sie verdrehen bewusst Tatsachen. Sie wissen auch ganz genau, dass Dr. Jörg Haider damals gesagt hat, dass er der Meinung ist, dass Menschen, die dem Lande Österreich schaden, Mandatare, die dem Lande Österreich schaden, hier wissentlich Schaden anrichten (Abg. Oberhaidinger: Wer beurteilt das?), zur Verantwortung gezogen gehören; aber nicht: Oppositionspolitiker eingesperrt!

Es hat sich ja immer wieder gezeigt – da muss ich jetzt alle Parteien einschließen –, dass es auch überall in den eigenen Reihen Leute gegeben hat, die sich wunderbar ausgelassen haben. (Abg. Öllinger: Er hat Namen genannt!) Darum geht es nicht. Sie wissen genau, in welchem Zusammenhang er das gemeint hat. In diesem Zusammenhang hat dann auch Dr. Böhmdorfer gesagt, man könne sich mit so einem Gedanken durchaus befassen. Mehr ist nicht passiert! (Abg. Öllinger: Das reicht schon!) Mehr haben Sie auch nicht, aber das genügt ja, um daraus eine Tragödie zu machen.

Schwört nicht oder – besser gesagt – gelobt nicht jeder Einzelne, wenn er hierher in das Hohe Haus kommt, die Republik Österreich zu achten und zu verteidigen? (Abg. Öllinger: Eben! Ja!)  – Und was machen Sie – natürlich nicht Sie persönlich, Herr Öllinger –, was macht Ihre Gruppierung? (Abg. Öllinger: Was machen wir denn?)  – Sie gehen ins Ausland und machen dieses Österreich madig. Sie patzen Ihre Heimat an. Das ist Ihre Geisteshaltung, na selbstverständlich! (Abg. Öllinger: Das darf ja nicht wahr sein!)

Das darf nicht wahr sein? – Entschuldigen Sie, so lange ist es ja noch nicht her, dass die EU-Sanktionen aufgehoben wurden! Was heißt, das darf nicht wahr sein? Schauen Sie Ihren Herrn Voggenhuber an, was der aufführt! Es ist ein Skandal, wie der sich gebärdet – und das ist auch ein Repräsentant Österreichs! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Sie reden so lange den gleichen Unsinn, bis Sie ihn selbst glauben! Bravo!)  – Ich glaube keinen Unsinn, sondern ich bin einfach von dem überzeugt, was ich tue. Ich bin auch von dem überzeugt, was wir repräsentieren. Das ist der Unterschied zu Ihnen, bei Ihnen ändert sich das durchaus fallweise! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Noch einmal auf Frau Kollegin Prammer zurückkommend, muss ich Folgendes sagen – wiewohl ich zugeben muss, dass das nicht auf meinem Mist gewachsen ist, sondern diese Information habe ich von meinem Kollegen Dr. Graf bekommen (Abg. Schwemlein: Sie sollten Ihren Kollegen jetzt nicht verleumden! Verleumden Sie nicht Ihren Kollegen!)  –: Der Menschenrechtsausschuss – auf diese Zwischenrufe hat Frau Prammer ja sicherheitshalber überhaupt nicht reagiert – wurde von uns seit dem Jahr 1970 gefordert. Damals gab es die Grünen noch gar nicht im Parlament, daher haben sie auch ausnahmsweise keine Schuld daran; aber die Roten haben ihn erfolgreich verhindert. Die Sozialdemokraten haben verhindert, dass es diesen Men


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schenrechtsausschuss gibt, über den Sie sich heute ausgelassen haben, so lange und breit und wirklich intensiv. Jetzt, seit es diese neue Regierung gibt, gibt es einen Menschenrechtsausschuss.

Ich kann nur hoffen und kann mir nur wünschen, dass er etwas ... (Abg. Silhavy: Wahrscheinlich ist er jetzt notwendiger denn je!)  – Nein, absolut nicht, wir haben ihn ja gewollt! Wir haben nichts zu verstecken und zu verbergen, wir haben ihn gewollt. Aber Sie missbrauchen diesen Ausschuss, denn Sie bringen bei Ihrem Antrag, abgesehen davon, dass er unnotwendig ist, zum Ausdruck – und das hätten Sie doch gefälligst auslassen können –, dass Sie ihn speziell wegen einer Partei brauchen – und das geht wieder gegen die Freiheitlichen –, und da werden Sie schon verstehen, dass wir keine Freude mit dem Antrag haben, weil er in der Form, in welcher er gestellt worden ist, einfach eine Infamie ist. (Abg. Silhavy: Wir haben einen Zugang zu dieser Sache, Sie haben auch einen!) Selbstverständlich sehe ich ein, dass Sie einen anderen Zugang zu dieser Sache haben.

Meine Damen und Herren! Ich muss sagen: Dieses Schauspiel und diese Selbstgefälligkeit waren heute ganz "großartig". Ich kann nur hoffen, dass dieser Antrag keine Zustimmung findet (Abg. Leikam: Warum eigentlich nicht? – Abg. Mag. Kogler: Ja warum?), weil er völlig unnotwendig ist, weil – wie heute genau und im Detail zitiert – die Menschenrechte in Österreich eingehalten werden und weil eigentlich wir alle – jeder in seiner Gruppierung – dafür sorgen sollten, dass die Menschenrechte geachtet werden, im eigenen Interesse.

Wir brauchen keine Beobachtung, und wir brauchen auch keine Leute, die uns auf die Finger schauen und uns sagen, was wir zu tun haben oder nicht zu tun haben. (Abg. Öllinger: Darum machen Sie den EKIS-Antrag für die eigenen Mandatare?) Wir sind verantwortlich genug, zu tun, was wir sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Machen Sie deswegen den EKIS-Antrag für die eigenen Mandatare?) Spekuliert wird an der Börse; ich weiß nichts. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.) Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Ich habe dort sicher noch niemals hineingeschaut, das werden Sie mir glauben. (Abg. Leikam: Was? EKIS?) Ja.

Ich kann Sie jedenfalls nur ersuchen: Wenn Sie das Wort "Menschenrechte" in den Mund nehmen, dann sollten Sie bedenken, dass Sie mit Ihrem Verhalten letztlich auch zeigen, was Sie von Menschenrechten halten und wie weit Sie sie respektieren und achten. Das zeigt dann letztlich der Umgang mit unserer Fraktion. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. – Bitte.

18.14

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Ausführungen der Kollegin Burket waren in vielen Bereichen wirklich amüsant. Vor allem hat sie mehrmals betont, welches Verständnis die Freiheitlichen hätten – ein anderes –, den Rechtsstaat oder die Gesetze einzuhalten.

Damit komme ich wieder auf den Kollegen Mayerhofer zu sprechen, in Bezug auf welchen mir einige Fragen nach wie vor völlig offen zu sein scheinen. Sie wissen zumindest, dass es ein Disziplinarverfahren gegeben hat, das er angenommen hat; er wurde wegen illegaler EKIS-Abfragen verurteilt. (Abg. Dr. Martin Graf: Haben Sie den Akt geklaut?)  – Den Akt habe ich nicht geklaut, aber darüber können wir uns gerne noch unterhalten, Kollege Graf.

Herrn Kollegen Mayerhofer habe ich auf recht amüsante Weise im niederösterreichischen Nationalratswahlkampf kennen gelernt, als es mehrere Diskussionen gab, an denen Kollege Mayerhofer zwar nicht teilnahm, bei denen er aber mit einem entsprechenden Begleittross im Publikum saß. Kollege Wattaul wird sich erinnern können, eine davon hat auch er bestritten.


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Dort hat er – ich wusste damals nicht, dass er Landtagsabgeordneter ist, das habe ich erst nachher erfahren – aus dem Publikum heraus an der Diskussion teilgenommen, und ich habe mir gedacht, es ist schon eine etwas merkwürdige Art, wie Politiker auftreten und wie sie Stimmung machen. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Herr Kollege Mayerhofer hat offenbar – und das werden Sie ja wohl ... (Abg. Wattaul: Ist er verurteilt worden?) Das ist immer die Gegenfrage, das finde ich amüsant. Wir können uns einmal darüber einigen, ob das legal war, was er gemacht hat. Oder wir können uns darüber einigen: Sind sie denn legal, solche Verfehlungen eines Politikers, eines Mandatars? (Abg. Wattaul: Ist er verurteilt worden?) Hat er ein Disziplinarverfahren bekommen? Hat er es angenommen? (Abg. Wattaul: Die Staatsanwaltschaft hat es zurückgelegt, oder?) Gibt es ein Disziplinarverfahren, dessen Urteil er angenommen hat, oder nicht? – Das ist eine ganz einfache Frage! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wattaul. )

Also gut, Herr Kollege Wattaul, Sie sind offenbar der Meinung, dass das, was Herr Kollege Mayerhofer gemacht hat, legal ist oder nicht zu verurteilen ist. (Abg. Wattaul: Nein, das sage ich nicht! Aber er ist nicht verurteilt worden! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Also, was ist jetzt? Finden Sie sich irgendwann einmal imstande, zu sagen: Diese Vorgangsweise war illegal!? Hat das irgendjemand von Ihnen schon gesagt? – Ich habe Derartiges von niemandem von den Freiheitlichen gehört. (Abg. Wattaul: ... strafbar!)

Das Einzige, was gekommen ist, ist die Kritik daran, dass das an die Öffentlichkeit kommt. Da sage ich Ihnen schon, dass ich absolutes Verständnis dafür habe, dass man, wenn solche Daten zugespielt werden, damit auch an die Öffentlichkeit geht, wenn es politische Mandatare betrifft, wenn es um einen groben Missbrauch eines politischen Mandats geht (Abg. Dr. Martin Graf: Grüne bespitzeln ...!), wenn es darum geht, dass Politiker – und Sie differenzieren da überhaupt nicht – in ihrer Funktion agieren. Ich würde Sie ja gerne danach fragen. Vielleicht kann irgendjemand von Ihrer Fraktion einmal erklären, was Herr Kollege Mayerhofer eigentlich genau wissen wollte. (Abg. Dr. Krüger: Keine Ahnung!)

Keine Ahnung – vielleicht haben Sie ihn gefragt. Ist es Ihnen egal? Ist es Ihnen völlig Wurscht, was da in Niederösterreich passiert ist? – Das ist offenbar Ihre Antwort!

Das war vor drei Jahren, es gibt keine Konsequenzen, es kommt jetzt an die Öffentlichkeit. Herr Kollege Mayerhofer sitzt nach wie vor Landtag. (Abg. Wattaul: Peter Pilz hat den Akt!) Es gibt keine Reaktion darauf von Seiten Ihrer Fraktion, überhaupt keine.

Ist das die Reaktion der Freiheitlichen auf Fälle, die aufgeklärt worden sind? Sieht sie so aus? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Es gibt sowohl im Wiener Landtag als auch hier grüne Abgeordnete, die nach einem strafrechtlichen Vergehen verurteilt worden sind! Was sagen Sie dazu? Was sagen Sie jetzt dazu?)

Sie können mir nachher erklären, was Sie damit genau meinen. Dann können wir darüber diskutieren, was moralisch in Ordnung ist und was nicht. Ich kenne den Fall des Kollegen Mayerhofer, aber Sie lenken davon ab. (Abg. Wattaul: Ist er verurteilt worden?) Hat er ein Disziplinarverfahren bekommen? Hat er es angenommen oder nicht? Können Sie nicht differenzieren, Kollege Wattaul – ich glaube fast, dass Sie es nicht können –, zwischen einer politischen Verantwortung und einer strafrechtlichen Verantwortung, selbst wenn die Sache betreffend Letzteres zurückgelegt wurde? (Abg. Wattaul: Arbeitsrechtlich!) Okay, was sagen Sie damit? Was sagen Sie damit?

Ist es für einen freiheitlichen Abgeordneten völlig okay, völlig legal, wenn er hingeht, sich Daten aushebt, sie in der Öffentlichkeit verwertet, am Wirtshaustisch mit EKIS-Abfragen herumwachelt? Das ist okay, solange er nicht strafrechtlich verurteilt ist? Ist es für Sie völlig egal? – Ich weiß schon, dass Sie im Tross mit ihm im Wahlkampf unterwegs waren. Aber fehlt Ihnen jegliche Form der Differenzierung, was für einen politischen Mandatsträger möglich ist und was nicht möglich ist? – Das ist unglaublich! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Krüger. )


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Herr Kollege Krüger, auch Sie wollen offenbar nicht verstehen, dass das zwei Paar Schuhe sind. Man muss doch darüber diskutieren, ob es moralisch gerechtfertigt ist (Abg. Dr. Krüger: Ist es strafbar oder nicht strafbar?), dass Mandatare ihr Mandat missbrauchen, indem sie in einer öffentlichen Funktion tätig werden und dabei Informationen verwerten. Das ist ein Kapitel. Aber das ist doch, bitte, etwa anderes ... (Abg. Dr. Martin Graf: Ist das Ihr Ansatz für die Resozialisierung?)

"Resozialisierung" ist interessant! (Heiterkeit bei den Grünen.) Beim Kollegen Mayerhofer bräuchte man dieses Wort wahrscheinlich, ja, da haben Sie Recht. Vielleicht sollten Sie da irgendwelche Schritte setzen. Aber ich würde von Ihnen, von irgendjemandem aus Ihrer Fraktion gerne einmal hören, dass das, was da passiert ist, einfach rechtlich nicht okay war.

Ich frage Sie jetzt noch etwas. Zweite Frage: Offenbar erfordern des Kollegen Mayerhofers Aktivitäten keine Reaktion der Freiheitlichen. Mich würde schön langsam interessieren: Was muss bei den Freiheitlichen passieren, damit politische Reaktionen erfolgen? (Beifall bei den Grünen.)

Was muss passieren? – Illegale Datenabfragen, Bespitzelungen, all das ist es nicht. Vielleicht können Sie es mir erklären! (Abg. Öllinger: Den Parteivorsitzenden kritisieren!) Kollegin Burket hat gemeint, Sie hätten da ein anderes Verständnis, all das sei es nicht. Vielleicht können Sie hier zum Rednerpult gehen und uns sagen, was für einen Freiheitlichen so weit jenseits der Grenze ist, dass darauf Reaktionen erfolgen? – Ich weiß es bislang nicht. (Abg. Dr. Martin Graf: Ein sozialistischer Gemeinderat ...!)

Das ist mir völlig egal, dass Sie dauernd mit sozialistischen Gemeinderäten kommen. (Abg. Dr. Martin Graf: Dann möchte ich Ihnen auch einmal etwas sagen: Schütten Sie nicht nur immer in eine Richtung!)  – Geschüttet habe ich gar nicht. Aber das ist eine gute Idee, die könnte man einmal verwerten. (Abg. Dr. Martin Graf: Genau das entlarvt Sie! Sie agieren immer nur in eine Richtung!) Nein! (Abg. Dr. Martin Graf: Nein, agitieren! Das ist es!)

Aber wenn ich nur das vergleiche, was ich in den Medien mitverfolgt habe, so muss ich feststellen: Es gab in Schwechat eine Reaktion. Oder gab es sie nicht? Der Schwechater Gemeinderat, der die Daten offenbar nicht politisch missbraucht hat – zumindest so weit es vermittelt wurde; ich kenne die näheren Informationen nicht –, sondern private Geschäfte damit betrieben hat, hat daraus die Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten. Das war die Konsequenz!

Es ist keine Frage, dass das nicht zu rechtfertigen ist, aber er trat zurück. Da ist doch ein Unterschied, oder? Besteht da kein Unterschied? Was muss Kollege Mayerhofer in Niederösterreich noch machen, damit Sie der Meinung sind, dass von Ihrer Seite politisch reagiert werden muss? (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wann geschieht denn einmal von Ihrer Seite etwas?) – Sie können immer ablenken und über Dinge reden, die nichts damit zu tun haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé:  ... hat eine Untersuchung gegen sich laufen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Eine Untersuchung hat er gegen sich laufen – das haben wir heute auch schon dreimal gehört. Da wird Peter Pilz noch eine Berichtigung machen müssen. Ich weiß gar nicht mehr, wer gemeint hat, dass er schon angeklagt wurde. Eine Untersuchung läuft, darum sollte er jetzt – das ist offenbar Ihr Verständnis – zurücktreten oder sollten die Grünen Herrn Pilz zum Zurücktreten bringen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sollten etwas machen! Sie werfen uns vor, wir sollen etwas machen! Machen Sie selbst einmal etwas!)

Herr Mayerhofer ist verurteilt worden. (Abg. Dr. Martin Graf: Er ist nicht verurteilt worden! Sie kennen die Unterscheidung gar nicht! Vom Rednerpult unter dem Schutz der Immunität wird so etwas gesagt!) Herr Mayerhofer ist von der Disziplinarkommission verurteilt worden. Hat er das Disziplinarurteil angenommen oder nicht? (Abg. Dr. Martin Graf: "Verurteilt" bei einem Disziplinarverfahren! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Graf! Sie können jetzt hinausgehen, aber offenbar ist das, was vorgefallen ist, für Sie okay. Sie werden es hier nicht lösen. Wir werden ja sehen, was in Niederösterreich geschieht.


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Es gibt übrigens eine Anfrage des Kollegen Kiermaier dahin gehend, über welche Landtagsabgeordneten Herr Kollege Mayerhofer in Niederösterreich Abfragen getätigt hat. Vielleicht wird da noch mehr herauskommen.

Peter Pilz hat das letztes Mal gesagt – ich glaube, man muss ihm zunehmend zustimmen –, dass sich in den Landtagsklubs der FPÖ Personen versammeln, die es – ich sage es jetzt einmal salopp, er hat das viel schärfer formuliert – mit dem Rechtsstaat nicht sehr ernst nehmen, und dass es offenbar sehr einfach ist, dort die Mandate zu bekommen, dass es aber keine Reaktionen der Partei gibt. Dass Herr Mayerhofer, der überprüft, wie es bei den anderen ausschaut, noch drinsitzt, ist zwar ganz originell, aber sonst schon nichts.

Ich würde mir wirklich erwarten, dass Sie für sich definieren, wo bei Ihnen und in Ihrer Politik die Grenze ist, bis zu der etwas akzeptiert wird – von legal kann man gar nicht reden –, und wo der Punkt beginnt, ab dem etwas nicht mehr akzeptiert wird. Gehen Sie einmal hier zum Rednerpult und erklären Sie das! Das würde ich mir wirklich wünschen. (Beifall bei den Grünen.)

18.23

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Baumgartner-Gabitzer. – Bitte.

18.23

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem meine Vorredner durch Rede und Gegenrede relativ wenig zum Thema gesprochen haben, versuche ich, in kurzen Worten den Antrag des Abgeordneten Posch aus der Sicht meiner Fraktion zu beleuchten.

Der Antrag des Abgeordneten Posch betreffend einen Bericht über die Lage der Menschenrechte in Österreich war für uns auf den ersten Blick ein durchaus interessanter Vorschlag. Wir haben darüber auch innerhalb der Fraktion länger diskutiert und auf den ersten Blick zumindest gemeint, dass ein solcher Antrag zu unterstützen wäre, und zwar wirklich nur auf den ersten Blick, denn bereits der zweite Blick hat uns eines Besseren belehrt, denn wenn man sich diesen Antrag genau anschaut, erkennt man die Motivation, warum dieser Antrag eingebracht wurde. Ich möchte das nun ein wenig beleuchten.

Zu den Punkten 2 und 3 des Antrages, in denen die Überprüfung der Regierungsvorlagen auf ihre Menschenrechtsverträglichkeit vorgeschlagen wird und in denen gefordert wird, besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte bei der Vollziehung zu richten, ist zu sagen: Das ist derzeit schon so, Herr Abgeordneter. Es ist das geradezu eine No-na-Feststellung.

In der Begründung führen Sie an, dass das Ausland in seiner kritischen Haltung durch Äußerungen von Vertretern einer Regierungspartei bestätigt wird. – Ja, meine Damen und Herren, sind alle internationalen Berichte, die sich mit der österreichischen Menschenrechtssituation auseinander setzen, wirklich spurlos an Ihnen vorbeigegangen?

Zur Motivation: Die heutige Debatte hat uns in unserer Skepsis völlig Recht gegeben. Es geht Ihnen nämlich leider nicht um eine seriöse Diskussion und um eine Auseinandersetzung mit Menschenrechtsanliegen, sondern es geht Ihnen in Wirklichkeit um eine Debatte über die FPÖ – und um sonst gar nichts, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Und wenn Sie diese haben wollen, dann sagen Sie das auch, bitte, und verbrämen Sie Ihre Absichten nicht mit wolkigen Worten und tarnen Sie sie nicht mit Menschenrechtsanliegen.

Ich möchte hier auch Folgendes einmal feststellen: Ich gehe davon aus, dass sich alle hier im Hohen Hause vertretenen Parteien der Demokratie, den Grundrechten und den Menschenrechten verpflichtet fühlen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Viele Redner der vergangenen Stunden haben aus dem so genannten "Weisen"-Bericht zitiert, und wenn zitiert wurde, wurde – zumindest von den Oppositionsparteien – lediglich aus jenem


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Teil zitiert, der sich mit der FPÖ befasst. Aus jenem Teil, der sich mit den Menschenrechten befasst, wurde eigentlich kaum zitiert. (Abg. Dr. Einem: Sie haben nicht zugehört!) Diese Feststellung kann ich Ihnen leider nicht ersparen.

Betreffend Minderheiten sagt der Bericht Folgendes: "Der den in Österreich lebenden Minderheiten durch das österreichische Rechtssystem gewährte Minderheitenschutz reicht weiter als der, der in vielen anderen europäischen Staaten gewährt wird." – Seite 10.

Betreffend Flüchtlinge heißt es im "Weisen"-Bericht: "Die rechtliche Situation von Asylbewerbern ist derjenigen in anderen europäischen Staaten vergleichbar. Unserer Ansicht nach" – also der Ansicht der "drei Weisen" nach – "setzt die gegenwärtige Regierung Österreichs traditionell offene Flüchtlingspolitik fort." – Seite 13.

Betreffend Einwanderung steht im "Weisen"-Bericht: "Es kann festgestellt werden, daß die Einwanderungspolitik der österreichischen Regierung zeigt, daß sie für die gemeinsamen europäischen Werte eintritt." – Seite 16. – Das zu den "drei Weisen".

Jetzt möchte ich Ihnen noch ein konkretes Beispiel für die Flüchtlingspolitik, und zwar für die Flüchtlingspolitik dieser Bundesregierung, bringen. Abgeordnete Muttonen zum Beispiel behauptet, dass diese Bundesregierung die Flüchtlinge auf die Straße treibt. Dazu kann ich Ihnen sagen: Diese Bundesregierung hat seit 1. September sichergestellt (Abg. Öllinger: Jedenfalls Herr Haider in Kärnten! Herr Haider in Kärnten!), dass alle Flüchtlinge bei der jeweils zuständigen Gebietskrankenkasse versichert sind; nicht nur die in Bundesbetreuung befindlichen Flüchtlinge, sondern auch jene, die in Notquartieren sind. (Abg. Öllinger: Der schickt sie mit der Fahrkarte!) – Nein, da kennen Sie die Gesetze dort nicht. Es geht um die Bundesbetreuung.

Es ist vorgesehen, dass alle Flüchtlinge bei der zuständigen Gebietskrankenkasse versichert sind. Und das wurde unter sozialistischer Zuständigkeit im Innenressort in 30 Jahren nicht zustande gebracht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Richtig!)

Für jene Personen, die weder in der Bundesbetreuung noch in den Notquartieren Aufnahme finden, ist die Sozialhilfe der Bundesländer zuständig. Und dort kann Sozialhilfe beziehungsweise Versicherungsschutz gewährt werden; das ist eine Kann-Bestimmung. Alle Bundesländer tun dies – mit Ausnahme von Wien. Frau Abgeordnete Muttonen, könnten Sie vielleicht Ihre Rede vor Ihren sozialistischen Kollegen in Wien wiederholen?

Ein anderes konkretes Beispiel der Ausländerpolitik dieser Bundesregierung zum Thema Integration ist der Integrationserlass – seit drei Monaten in Geltung. Es geht um den erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt für Ausländer. 4 000 Anträge wurden seither positiv erledigt. Das ist Handeln zum Thema Menschenrechte.

Wir jedenfalls wollen eine seriöse und inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema und haben uns daher dafür entschieden, das Thema Menschenrechte, das nicht nur Österreich angeht, sondern längst ein brennheißes europäisches Thema ist, international zu beleuchten. Als rein österreichisches Thema endet die Diskussion genau dort, wo sie zu meinem großen Bedauern heute hier geendet hat: bei einem parteipolitischen Hickhack ohne inhaltliche Auseinandersetzung. Und dafür ist uns das Thema Menschenrechte einfach zu wichtig. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Eine gute Rede!)

18.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Reheis. – Bitte.

18.29

Abgeordneter Gerhard Reheis (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Dr. Krüger hat in seiner heutigen Rede unserem Abgeordneten Kollegen Walter Posch unterstellt, die Menschenrechte einseitig auszulegen. Herr Dr. Krüger! Ich glaube – und das wissen alle in diesem Hause –, wenn jemand in diesem Haus die Menschenrechte


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wirklich lebt, dann ist das unser Mag. Walter Posch. (Beifall bei der SPÖ.) Etwas anderes zu behaupten und ihm zu unterstellen, ist willkürlich und daher unrichtig. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wattaul: Nimm einmal die Parteibrille herunter! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Wattaul! Da es keinen anderen Menschenrechtsbericht gibt, erlauben Sie mir, auf den Menschenrechtsbericht von amnesty international, den Jahresbericht 2000 zurückzugreifen, worin auch Österreich leider einige Seiten einnimmt. (Abg. Wattaul: Hast du das dem Schlögl eh vorgelesen?) Dort sind ebenfalls traurige Vorkommnisse im Umgang mit den Menschenrechten vermerkt, Herr Wattaul!

Im Berichtszeitraum befasste sich, schreibt amnesty international, sowohl der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe als auch der UN-Ausschuss gegen Folter mit der Menschenrechtssituation in Österreich. (Abg. Wattaul: Das musst du dem Schlögl vorlesen!)

Herr Kollege Wattaul! Der Ausschuss äußerste sich besorgt angesichts nach wie vor eintreffender Vorwürfe über Misshandlungen durch Polizeibeamte. Er empfahl den zuständigen Behörden, der Polizei deutliche Weisungen zu erteilen, um Vorfälle von Misshandlungen durch Polizeibeamte zu vermeiden.

Oder: Nach wie vor erhielt amnesty international von Vorwürfen über Misshandlungen in Gewahrsam der Polizei befindlicher Personen Kenntnis. Bei den Opfern handelte es sich überwiegend um außereuropäische Staatsangehörige sowie um Österreicher außereuropäischer Herkunft, die geltend machten, von Polizeibeamten oftmals im Zuge von Ausweiskontrollen misshandelt worden zu sein. Die meisten Opfer berichteten, sie seien, nachdem man sie überwältigt hatte, wiederholt mit Fußtritten traktiert worden, hätten Fausthiebe und Stöße mit dem Knie erhalten. Die Beamten hätten mit Schlagstöcken auf sie eingeprügelt oder sie mit Pfefferspray besprüht, ermittelten die Ausschüsse von amnesty international.

Ein Menschenrechtsbericht, der bezüglich Umgang mit den Menschenrechten in Österreich eine beredte Sprache spricht.

Diese Vorwürfe – das meint auch amnesty international – betreffen sicher nicht die gesamte Exekutive, aber sicherlich einige schwarze Schafe darunter, und das darf in Zukunft nicht mehr passieren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es muss auch darauf Bezug genommen werden, was in diesem Bericht betreffend die rassistische Einstellung einiger Damen und Herren bei der Polizei vermerkt wurde: In einer Reihe von Fällen mutmaßlicher Misshandlungen durch Polizeibeamte wurde ferner der Vorwurf rassistischer Beschimpfungen erhoben. Des Weiteren erhielt amnesty international von Informationen Kenntnis, denen zufolge sich rassistische Einstellungen bei der Polizei nicht allein auf die unteren Ränge beschränken. Im Oktober brachte amnesty international den Fall eines leitenden Polizeibeamten der Sicherheitswache Wien-Donaustadt zur Sprache, der im August während einer Lehrgangsveranstaltung gegenüber etwa 30 Untergebenen rassistische Äußerungen abgegeben haben soll. Berichten zufolge erklärte er den anwesenden Polizisten: Neger gehören zuerst geschlagen und dann nach dem Namen gefragt.

Meine Damen und Herren! Das ist wahrlich ein Skandal, was da passiert, und so etwas muss unterbunden werden! Deshalb brauchen wir auch einen entsprechenden Menschenrechtsbericht, in dem derartige Vorkommnisse vermerkt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn man derzeit über die Menschenrechtssituation in Österreich debattiert, muss man – darum kommt man nicht herum – leider über in der Zweiten Republik noch nie dagewesene Polizeispitzeldienste für eine Partei des Hauses sprechen: Die ungesetzliche Verwendung des Polizeicomputerdienstes EKIS, politisch motivierte Abfragen auch über normale Karteikarten, wo an eine Regierungspartei, die FPÖ, Daten von mindestens 150 Opfern, von André Heller bis zur Superintendentin Gertraud Knoll, aus dem polizeiinternen Informa


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tionssystem weitergegeben wurden, sind ein demokratiepolitischer Skandal, der durch nichts zu entschuldigen ist.

Es ist untragbar, dass politisch anders Denkende von staatlichen Einrichtungen überwacht werden! (Beifall bei der SPÖ.) Es ist auch skandalös, wenn diese Überwachungsergebnisse auch noch an Vertreter einer Partei dieses Hohen Hauses zur politischen Verwendung übergeben werden. (Zwischenrufe des Abg. Jung. ) Dies ist in Wirklichkeit ein noch nie da gewesener Skandal, eine Missachtung der Menschenrechte, die Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, aufzuklären haben. Die Vorwürfe, die Ihr Herr Kleindienst auch in seinem Buch erhoben hat, haben Sie zu verantworten und auch abzuklären. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber bis dato haben Sie sich mit der Hilfe Ihres Regierungspartners, der ÖVP, und Ihrer Regierungsmehrheit erfolgreich gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung dieser unglaublichen Vorwürfe gewehrt. Daher hat nicht nur die FPÖ, sondern hat auch die ÖVP, die diese Vorgänge offensichtlich zu decken gedenkt, Mitverantwortung zu tragen. Allerdings hätte ich mir schon erwartet, dass die Freiheitlichen der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zustimmen, weil auch Ihr Alt-Parteiobmann diesen Untersuchungsausschuss gefordert hat.

Meine Damen und Herren! Datenschutz ist nun einmal ein wesentliches Menschenrecht. Bei derartigen drastischen Hinweisen auf Bespitzelungen und Datenmissbrauch darf man nicht so mir nichts, dir nichts zur Tagesordnung übergehen. Das Buch des ehemaligen FPÖ-Gewerkschafters Kleindienst ist leider eine traurige Fundgrube von Menschenrechtsverletzungen. Über den Datenskandal und den Spitzelskandal hinaus gibt es auch noch einige im Alltag einiger Polizeistuben mögliche Menschenrechtsverletzungen.

Meine Damen und Herren, ich zitiere: Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen – nämlich eines Vorgesetzten –, zu der er mich, Kleindienst, auf Baustellen und in einen ausgerechnet hinter der Börse abgestellten alten Bus ..., schlafende Obdachlose mit dem Gummiknüppel anzustoßen und zu wecken und dann in die Kälte von minus 15 Grad hinauszujagen ...

Meine Damen und Herren! Das ist auch ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Aber heute ist dieser erfolgreiche "Sandlerjäger" übrigens ein hochrangiger Ministerialbeamter, und es gehört auch untersucht, wie der da hinkommt! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn das alles stimmt, dann muss man sagen: Das ist eine ungeheuer zynische und unglaubliche Missachtung der Menschenrechte, eine verabscheuungswürdige Tat, die zum Ausdruck bringt, dass man in diesem obdachlosen armen Menschen so etwas wie unwertes Leben sieht. – Das ist Gedankengut, wie es menschenverachtender nicht sein kann.

Herr Kleindienst beschreibt auch, wie man mit einem Verdächtigen, einem Schwarzen, umgegangen ist. Der Beanstandete, beschreibt Herr Kleindienst diesen Fall, wurde nach einer intensiven Befragung vor Ort wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt festgenommen und angezeigt. Und dann gab es halt ein paar Tritte, Schläge, ein Tatschkerl aufs Hinterhaupt, nicht weiter schlimm.

Meine Damen und Herren, nicht weiter schlimm? – Der Herr Revierinspektor hat ihn doch bloß gefragt, ganz normal, so wie immer, schreibt Herr Kleindienst. Ganz normal, so wie immer? – Und so fragt man sich in dem illustren Kreis um den Herrn Revierinspektor, warum der Verdächtige, ein Schwarzer, trotzdem einen Misshandlungsvorwurf erhoben hat. Warum? – Das ist allen, die bei der Amtshandlung dabei waren, völlig schleierhaft, gesteht der Ex-FPÖ-Gewerkschafter Kleindienst in seinem Buch.

In Anbetracht dieser schriftlichen Anschuldigungen fragen Sie sich noch immer: Wozu brauchen wir einen Untersuchungsausschuss? Wozu brauchen wir einen Menschenrechtsbericht in Österreich? Es ist doch alles in Ordnung! Oder?


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Was ist mit dem Fall, bei dem ein Polizeioffizier, ein Polizeiarzt und ein Polizeijurist einen kleinen Gauner verprügelt haben sollen? Oder: Was ist mit dem Fall, bei dem ein Polizeioffizier einen betrunkenen Kollegen im Dienst spitalsreif prügelt und ihn dann bis zur Ausnüchterung in eine Zelle sperrt? Oder: Was ist mit dem Fall, bei dem eine Türkin von einem Beamten einer Gendarmeriekriminalabteilung derart nachdrücklich befragt worden sein soll, dass sie zuletzt wirklich nicht mehr reden konnte, weil sie nämlich spitalsreif war? – Alles nachzulesen, Herr Wattaul, in den Geständnissen von Herrn Ex-FPÖ-Gewerkschafter Kleindienst. (Abg. Wattaul: Da war doch ein sozialistischer Innenminister zuständig!)  – Ja, nichts dagegen, Herr Wattaul! Aber wenn Sie so sicher sind, dann stimmen Sie doch der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Dann können diese Unzulänglichkeiten aufgedeckt werden. Stimmen Sie zu, bitte!

Wenn die Koalitionsparteien im Menschenrechtsausschuss immer dahin gehend argumentieren, dass wir nur für Österreich zuständig seien und uns nicht um Menschenrechtsverletzungen außerhalb Österreichs zu kümmern hätten, dann muss ich sagen: Das ist erstens falsch, und zweitens haben wir Beispiele genug, um endlich tätig werden und diese Missstände untersuchen zu müssen, damit sie, so hoffen wir, in Zukunft nicht mehr passieren.

Meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP! Ich frage mich daher, warum Sie eigentlich nicht von sich aus einen Untersuchungsausschuss in dieser Sache beantragt haben. Wenn Sie nichts zu verbergen haben, warum wehren Sie sich dann gegen einen Menschenrechtsbericht und gegen einen Untersuchungsausschuss zur Klärung der Bespitzelungs- und Datenklauvorwürfe? Meine Damen und Herren, das ist mir unklar. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum fürchten Sie sich vor diesem Untersuchungsausschuss? Warum? Etwa deshalb, weil doch vielleicht ein Zusammenhang zwischen FPÖ und Verletzung der Menschenrechte aufgedeckt werden könnte? Oder deshalb, weil ein denkwürdiger Ausflug mehrerer Herren ins Wiener Nachtleben, mit dabei ein Politgrande, ein Bezirksrat und zwei Polizisten, bestätigt werden könnte? Oder deshalb, weil bewiesen würde, dass tatsächlich in allen Bundesländern Exekutivbeamte für eine Partei arbeiten und teils bezahlt, teils mit politischen Mandaten und Funktionen belohnt wurden? Wer hat denn da profitiert? – Das wäre zu klären, meine Damen und Herren!

Sie müssten doch selbst mehr als interessiert daran sein, zu klären, wessen Chefbüro es ist, wo stapelweise Papiere und Dossiers von heiklen und personenbezogenen Auskünften über diverse ideologische Gegner gebunkert werden, ob Vorwürfe in Bezug auf Spitzeldienste, unerträglichen Druck der Regierungsparteien auf den ORF und auf Journalisten oder Vorwürfe des Europäischen Antifolter-Ausschusses über polizeiliche Misshandlungen im Jahresbericht 2000 von amnesty international stimmen, ob all diese Menschenrechtsverletzungen auch richtig angeführt wurden. Wenn das so ist, dann gehört es aufgeklärt, und lehnen Sie bitte diese Aufklärung nicht ab!

Die Möglichkeiten der Aufklärung sind vielfältig: Da wäre einmal ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss und andererseits die Vorlage eines jährlichen Menschenrechtsberichtes, der über die Einhaltung der Menschenrechte in Österreich Auskunft geben kann. Die Regierungsparteien sollten sich dem meiner Meinung nach nicht verschließen – nicht wie im Menschenrechtsausschuss, wo die meisten Anträge leider oft mit fadenscheinigen Begründungen vertagt werden, und schon gar nicht hier im Hohen Haus.

Deshalb mein Appell an die Regierungsparteien: Stimmen Sie einer Aufklärung und einem jährlichen Menschenrechtsbericht zu! Vertagen Sie nicht, scheuen Sie nicht eine offene und sachliche Diskussion! Derzeit scheint es so zu sein, dass Ihnen von den Regierungsparteien die Beschäftigung mit Menschenrechten ja oft unangenehm, ja vielleicht sogar unheimlich ist. Wenn dem nicht so ist, meine Damen und Herren, beweisen Sie es! Stimmen Sie der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und unserem Antrag, einen jährlichen Menschenrechtsbericht zu erstellen, zu. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.42


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Stenographisches Protokoll
40. Sitzung / Seite 138

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

18.43

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema dieses Tagesordnungspunktes reduziert sich im Wesentlichen darauf, dass dem Entschließungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion nicht beigetreten wurde. Im Wesentlichen ist es ein harmloser Antrag, für den eigentlich jede demokratische Partei zu gewinnen sein müsste, wenn man nicht etwas zu verbergen hat. Es geht nämlich hauptsächlich darum, einen jährlichen Bericht darüber aufzulegen und Regierungsvorlagen, Verordnungen und andere Vollzugsakte auf Menschenrechtsakkordanz hin zu überprüfen.

Warum man dagegen sein kann und warum ich Bedenken habe, dass das als selbstverständlich zu gelten hat, ergibt sich aus sehr vielen Signalen. Das erste Signal war für mich, dass man in die Koalitionsvereinbarungen, in die Präambel aufgenommen hat, was in jedem anderen westlichen demokratischen Staat selbstverständlich ist: dass man die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten will. Wenn ich das in einem politischen Übereinkommen, das keine verfassungsrechtliche Bedeutung, sondern lediglich eine Bedeutung vom Inhalt her hat, extra festhalten muss, dann muss ich mir entweder nie sicher gewesen sein, dass ich Menschenrechte einhalten will, oder schon selbst Bedenken gehabt haben, dass sie eingehalten werden, sonst brauche ich das nämlich nicht. (Abg. Dr. Krüger: Weil der Bundespräsident das so wollte!)  – Sie haben es unterschrieben.

Wenn wir jetzt aber weiter denken, an das denken, was dann passiert ist, über Krüger, Böhmdorfer: Bei Böhmdorfer, muss ich Ihnen sagen, wird das Ganze schon mit etwas mehr Fleisch versehen. Wenn nämlich jemand flächendeckend politische Klagen gegen politisch anders Denkende einbringt – jedermanns gutes Recht –, also permanent die politische, die rechtliche Keule der politischen Agitation ist, und man genau diesen Mann zum Justizminister macht, dann bekommt ein Menschenrechtsbericht andere Gewichtung. Ich glaube, Sie haben das Problem, dass Sie mit dieser Gewichtung selbst nicht fertig werden. Dieses Problem haben Sie in Wirklichkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Abgeordnete Partik-Pablé hat den "Weisen"-Bericht zitiert. Das Einzige, das wirklich drinnen steht über Menschenrechtsproblematik – und das sollte hier nicht verschwiegen werden –, ist auf den Seiten 27 und 28 zu finden, wo ausdrücklich darauf eingegangen wird, dass in Anwesenheit des Bundesministers für Justiz der Landeshauptmann von Kärnten die Möglichkeit erwähnte, eine Vorschrift des Strafgesetzbuches für Abgeordnete anzuwenden, die die Regierung kritisieren. – Das steht da drinnen, das ist nicht meine Erfindung. Das steht da drinnen, und Sie werden dann weiter sehen, dass im Punkt 95 auf dieser Seite dann steht, dass eine solche Position eines Ministers in der Bundesregierung nicht mit den Verpflichtungen eines Staatsorganes vereinbar ist, wie sie sich aus der Verfassungsstruktur der Europäischen Union ergeben, die in Artikel 6 des Unionsvertrages bestätigt wird.

Das ist ein eindeutiger Hinweis, dass es eine ganz problematische Vorgangsweise in Bezug auf die Menschenrechte ist, und das wird ergänzt durch den Punkt 98 auf Seite 28, in welchem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sowohl der Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika als auch der Bundesverfassungsgerichtshof in Deutschland und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in wichtigen Urteilen entschieden haben, dass die Nutzung von Beleidigungsverfahren zum Schutz von Politikern die Meinungsäußerungsfreiheit und die Pressefreiheit verletzen kann.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dies in den letzten 20 Jahren in mehreren Verfahren entschieden. Im Zusammenhang mit einer Person, die flächendeckend anders Denkende mit Klagen eingedeckt hat, die dann letztendlich im Wesentlichen genau diese Menschenrechtsverletzung beinhalten, die der Bericht anzeigt, muss man ganz ehrlich sagen, dass es bedenklich ist, wenn der Forderung nach einem Menschenrechtsbericht nicht zugestimmt wird. (Beifall bei der SPÖ.)


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40. Sitzung / Seite 139

Ich finde es ganz arg, dass man einerseits diese Äußerung Böhmdorfers unwidersprochen gelassen hat, andererseits diese flächendeckenden Klagen. Für mich ganz wichtig und entscheidend ist, dass, obwohl man schon am 1. Oktober diese "Affäre Kleindienst" in Erfahrung gebracht hat, obwohl man die Anwürfe, die Anschuldigungen gekannt hat, bis zum 11. Oktober das Justizministerium – sprich: die Staatsanwaltschaft – nicht tätig wurde. Ich frage mich, warum bei einem Offizialdelikt die Staatsanwaltschaft nicht von sich aus tätig wird, wenn ein Verdacht geäußert wird.

Das alles im Zusammenhang mit den Klagen, mit dem Bericht der "drei Weisen" der Europäischen Union und mit der hier geäußerten Kritik an der verzögerten Einleitung eines Verfahrens, bedeutet eindeutig, dass da politische Macht zur politischen Agitation missbraucht wird.

Ich gebe noch etwas zu bedenken: Das Ganze garniert mit einem Spitzelskandal, in welchen auch die Polizei und ganz maßgebliche Herren der Freiheitlichen Partei involviert sind, all dieser Brei und die Argumente im Zusammenhang mit dieser Spitzelaffäre und mit der Problematik, die beim Justizminister besteht, lassen ganz deutlich den Verdacht aufkommen, dass da Menschenrechte nicht ernst genommen werden. Das ist eine harmlose Formulierung dafür, dass Sie Daten über politisch anders Denkende ausheben und dann verwerten. Diesbezüglich gibt es ja ein Geständnis des Alt-Parteiobmannes, der gesagt hat: Ich benutze diese Daten, die ich bekomme. Ich bekomme alle Daten, die ich will, und dann benutze ich auch diese Daten.

Das heißt, auf der einen Seite gibt es einen, der zugibt, dass er diese Daten benützt, auf der anderen Seite gibt es jemanden, der die Leute beschuldigt, die sie ausheben. Das ergibt ganz einfach Fakten, die nicht mehr vom Tisch zu wischen sind. Und da sind Sie involviert! Und Sie haben damit auch noch eine schwer bedenkliche Vorgangsweise eines angeschlagenen Justizminister ins Spiel gebracht.

Ich glaube, dass die Menschenrechte da auf der Strecke bleiben und es von ganz großem Vorteil wäre, wenn Sie diesem Bericht zustimmen würden, denn Sie könnten damit auch selbst beweisen, dass es nicht so ist.

Ich glaube, bestimmte Entwicklungen, die hauptsächlich von der Freiheitlichen Partei ausgehen, haben die Menschenrechtsproblematik jetzt in ein anderes Licht gerückt, und zwar steht die eine Sache im Zusammenhang mit den Namen Knoll, Doralt oder, wenn man noch andere Namen nennen will, und ich will das schon auch bewusst machen ... (Ruf bei den Freiheitlichen: Was werfen Sie uns im Zusammenhang mit Knoll vor?)  – Na was man mit der Superintendentin Knoll aufgeführt hat, was von Proponenten Ihrer Partei ausgegangen ist, das ist im Hinblick auf die Menschenrechte sehr bedenklich. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Genau das ist es: weil Sie nicht einsehen, dass Sie einen sehr problematischen Justizminister haben, weil Sie nicht einsehen, dass Sie eine Spitzelaffäre am Hals haben, weil Sie nicht einsehen, dass man mit Menschen wie mit der Superintendentin Knoll nicht so umgeht, und weil Sie nicht einsehen, dass Sie durch diese Spitzelaffäre auch andere Personen in ihrem beruflichen und existentiellen Fortkommen geschädigt haben, nämlich die Frau Lackner und den Herrn Doralt, dem Sie eine Karriere mit gezielten Unwahrheiten vermiest haben! Auch das geht meiner Meinung nach in Richtung der Nichteinhaltung der Menschenrechte.

Weil Sie immer wieder sagen, dass diese Spitzelaffäre unter sozialistischen Innenministern passiert sei, dann frage ich Sie wirklich, auch den Abgeordneten Kiss, wenn er das schon als Offensivstrategie einsetzt: Warum stimmen Sie dann einem Untersuchungsausschuss nicht zu, wenn diese politische Verantwortlichkeit auch zu klären ist? (Beifall bei der SPÖ.) Warum denn nicht? Was haben Sie zu verbergen, obwohl Sie glauben, dass unsere Minister diese politische Verantwortung zu tragen haben? Wir stimmen zu, weil wir glauben, dass dieser Vorfall rechtlich und politisch aufgedeckt und aufgezeigt gehört. (Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. )

Ich könnte noch einige Beispiele bringen, die in dieses Bild passen, in das Bild, das in dieser Republik jetzt entsteht: ein Spitzelskandal, ein Justizminister Böhmdorfer, ein Bericht der Europäischen Union über den angeschlagenen Justizminister Böhmdorfer, das Ablehnen eines Untersuchungsausschusses. Und wenn Sie jetzt dann noch eine flächendeckende Diffamierung


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40. Sitzung / Seite 140

von Künstlern vornehmen, die durch Ihre Partei schon begonnen hat, von Künstlern, die sich alle im Rahmen der Gesetze bewegt haben – ich nenne hier nur einige Namen wie Kolig und Public Netbase –, dann passt das in jenes Bild, das zeigt, dass man es mit den Menschenrechten nicht so genau nimmt, nach dem Motto: Einige Personen können wir ruhig diffamieren, einige Personen wollen wir diffamieren, die anderen bespitzeln wir, damit wir etwas wissen für den Fall, dass wir diffamieren wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich, warum Sie die Bespitzelung Ihrer eigenen Parteikollegen befürworten. (Abg. Wattaul: Wir haben ja nichts zu verbergen!) Ja, aber ich glaube, Sie sitzen da nicht als jemand, der etwas verbergen oder etwas verstecken will, sondern Sie sitzen hier, weil Sie die demokratischen Regeln befolgen sollen und diesen zum Durchbruch verhelfen sollen! (Beifall bei der SPÖ.) Ich frage mich, ob es für Sie so angenehm ist, dass jemand weiß, was Sie in Ihrer Vergangenheit gemacht haben, und dass Polizisten Ihre Daten weitergeben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wenn Ihnen das taugt, ist das alles super.

Ich frage mich aber noch viel mehr, warum Sie diesem Untersuchungsausschuss nicht zustimmen, wenn ihn schon Ihr Alt-Parteiobmann empfohlen hat. Es gibt nur noch eine Möglichkeit, die sich hier als Grund dafür aufdrängt: Es sitzt irgendjemand im Klub, der nicht will, dass so ein Ausschuss stattfindet, und der das mit allen Mittel zu verhindern versucht, sogar gegen den Willen des einfachen, aber doch sehr einflussreichen Parteimitglieds Haider. Und da gibt es nur einen, der permanent in dieser Angelegenheit genannt wird: Das ist Kollege Westenthaler.

Das heißt, er könnte hier etwas zu verbergen haben, was auch die peinlichen Reaktionen erklären würde, die er bei Aufkommen dieses Skandals gezeigt hat. Er hatte einen peinlichen Auftritt im "Report": Er ist vor den Medien davongelaufen – gerade er, der zum Beispiel kein Fußballmatch auslässt, bei dem er das Gesicht in die Kamera hängen kann. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Es ist also unglaublich, dass er auf einmal vor Medien davonläuft. Das ist für mich eigentlich das wahre Zugeben dieses Skandals, in den er massiv involviert ist und vor dem er sich permanent durch Ablehnung der Medien drücken will.

Ich glaube, die Menschenrechte sollten Ihnen etwas wert sein, und überdenken Sie Ihre Positionen in diesen Belangen! Wir könnten zu einer relativ einfachen Einigung mit diesem Entschließungsantrag kommen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.56


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40. Sitzung / Seite 141

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Krüger zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie kennen sicherlich den § 58 Abs. 3 GOG besonders genau. – Bitte.

18.56

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Mein Vorredner hat ausgeführt, dass sich der "Weisen"-Bericht an einer einzigen Stelle mit der Menschenrechtssituation in Österreich befasst hat, nämlich an jener Stelle der Seite 27, in der auf eine Pressekonferenz des Landeshauptmannes von Kärnten Bezug genommen wird.

Ich stelle dazu richtig, dass sich der "Weisen"-Bericht auch an anderer Stelle sehr wohl mit den Menschenrechten befasst, nämlich auf Seite 19 in den Schlussfolgerungen in Bezug auf die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit. Hier wird, und zwar im Punkt 63, ausgeführt:

"Aus den in diesem Abschnitt des Berichts zitierten Unterlagen kann geschlossen werden, daß die gegenwärtige österreichische Regierung für die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit in Österreich eintritt."

Herr Kollege Wittmann, von welchem Land haben Sie jetzt eigentlich gesprochen? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.57

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Plank. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Aber dem Wittmann tut die Opposition gut! Das war sein erstes Lebenszeichen! Wenn er das als Staatssekretär ...! – Gegenruf des Abg. Schwemlein. )

18.58

Abgeordnete Mag. Brunhilde Plank (SPÖ): Hohes Haus! Herr Klubobmann Khol! Ich danke für das Lob für unseren Genossen. Ich bin auch der Meinung, dass das eine sehr profunde Bestandsaufnahme der Situation war, der Sie sich zu stellen hätten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Haben Sie gesagt "Genossen"?)

Ich bin beeindruckt, weil Menschenrechtsverletzungen offensichtlich die Regierungsparteien bewegen. (Abg. Dr. Khol: Genosse Wittmann! – Abg. Dietachmayr: Wir schämen uns nicht!)  – So ist es, wir schämen uns nicht! Wir schämen uns nur, wenn andere sich so bezeichnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Menschenrechtsverletzungen bewegen Sie von den Regierungsparteien offensichtlich. Das heißt, Sie wissen, es gibt solche. Eine wissenschaftliche Enquete macht sich am 27. November tatsächlich auf die Suche nach Menschenrechtsverletzungen, und zwar unter ganz prominentem Ehrenschutz: Landeshauptmann Haider und Landeshauptmann Pühringer scheinen auf dieser Einladung auf. Aber Überraschung: Es geht ausschließlich um Menschenrechtsverletzungen im Ausland – wieder einmal!

Wieder einmal wird auf das Ausland gezeigt, und das erscheint mir durchaus symptomatisch, denn genauso sind Sie im Menschenrechtsausschuss auch mit dem Antrag der SPÖ auf Erstattung eines jährlichen Menschenrechtsberichtes über etwaige Menschenrechtsverletzungen im Österreich von heute umgegangen. Aber den wollen Sie um keinen Preis. Sie wollen ausschließlich das Ausland auf dem Prüfstand haben.

In Ihrem Antrag, den Sie unserem Antrag entgegenhielten, heißt es: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat einen Bericht über die Situation von Minderheiten, Flüchtlingen und Einwanderern in den EU-Mitgliedstaaten vorzulegen. – Sie wollen in Wirklichkeit gar keinen Bericht über die Menschenrechtssituation in Österreich haben. Sie wollen nur anderen auf die Finger schauen, aber nicht in Österreich. Gibt es hier in Österreich keine Menschenrechtsverletzungen? Sie haben heute schon sehr eindringlich nachgewiesen bekommen, wie viel Grund es gäbe, einen Menschenrechtsbericht zu erstellen.

Wollen Sie nicht, dass den Regierungsparteien zugeschaut wird, weil sie so viel zu verbergen haben? Und wie gehen Sie selber mit den Rechten von Menschen in Österreich um, zum Beispiel mit freiem Journalismus? Sie üben auf die freien JournalistInnen Druck aus. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)  – Ich übe keinen Druck auf freie JournalistInnen aus, Herr Kollege. Ich nicht!

Es hat zum Beispiel Klubobmann Westenthaler an einem Tag 22 Mal im ORF angerufen. – Keine wegwerfenden Handbewegungen (in Richtung der Freiheitlichen), das ist dokumentiert. Ich frage mich: jede halbe Stunde einmal oder 6 Stunden lang jede Viertelstunde? (Abg. Neudeck: Wer dokumentiert das?) Zweifeln Sie an den Aussagen der ORF-Journalisten? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Neudeck. ) Beweisen Sie damit, dass Sie die Bespitzelung ganz gezielt einsetzen, weil Sie an dem zweifeln, was andere Menschen sagen? Beweisen Sie das jetzt damit? (Beifall bei der SPÖ.)

Das haben Sie vorhin zugegeben, als Ihnen Kollege Wittmann vorwarf, dass in Ihren eigenen Reihen bespitzelt wird, und Sie noch stolz darauf waren und gemeint haben, dass Sie nichts zu verbergen hätten. (Abg. Neudeck: Sie hören den ORF ab am Telefon!) Sie geben damit zu, dass dieses System mit den Bespitzelungen für Sie das richtige System ist! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Sie stellen Ihr System gar nicht in Frage! Es ist Ihr System, und Sie verkünden das hier auch noch stolz. Kollege Ortlieb hat ja vom guten Gewissen und vom sanften Ruhekissen geredet.


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40. Sitzung / Seite 142

22 Mal ruft Herr Westenthaler an, vielleicht um eine neue Definition des Begriffes "objektiv" zu installieren. Objektiv ist dann das, was der FPÖ nützt. Das ist Ihr Begriff von objektiv. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wattaul. )

Herr Kollege Wattaul! Warum reden Sie nie vom Rednerpult aus? Ich erlebe Sie hier ständig nur herunterbrüllend, und ich erlebe Sie nie, wie Sie von dieser Stelle aus profund zu etwas Stellung nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn derselbe Klubobmann Westenthaler vor linken und linksextremen Redakteuren im ORF warnt, wenn derselbe Mann androht, dem ORF per Gesetz die Parteilichkeit auszutreiben, die er immer dann feststellt und wahrzunehmen scheint, wenn über die FPÖ nicht positiv berichtet wird, dann sind das beängstigende Schritte zur "Demokratur" nach FPÖ-Zuschnitt, wie Frido Hütter heute in der "Kleinen Zeitung" feststellt. Ich zitiere – und die "Kleine Zeitung" ist nicht wirklich der SPÖ besonders nahe stehend –:

"Das ist eine bekannte Methode aus Diktaturen. Man sucht nicht die Urheber potentieller Skandale, sondern attackiert mit voller Wucht deren potentielle Enthüller. Demokratur pur." – Zitatende. (Abg. Schwemlein: So ist es! Dafür geht die ÖVP nach Mariazell!) So ist es! (Abg. Jung: Glauben Sie das wirklich, was Sie da jetzt sagen?)  – Ja, ich glaube es wirklich, ich weiß es.

Das heutige Wortspiel von Innenminister Strasser, er lasse sich die großen Dienste der Exekutive nicht von Kleindienst kaputt machen, ist in diesem Zusammenhang durchaus keine beruhigende Wortmeldung, in diesem Fall von Seiten der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wundern wir uns nicht: Das mächtigste "einfache Parteimitglied" Österreichs hat es ohnehin angekündigt, in den Redaktionsstuben endlich "Ordnung" zu schaffen. (Abg. Wattaul: Sagen Sie einmal, was der Herr Rudas alles gemacht hat!)

Auch die ÖVP hätte dies wissen müssen und wissen können, die stört das aber nicht; sie spielt selber unverdrossen mit. Herr Klubobmann Khol schickt Faxe an den ORF, in denen er die zu verwendenden Termini bestellen will. Staatssekretär Morak will dem ORF, einem unabhängigen Medium, Geld entziehen, indem er die Refundierung der Gebührenbefreiung verweigern will. (Abg. Schwemlein: Das nennt man maßregeln!) Derselbe Staatssekretär Morak hat hier in diesem Hohen Haus in purem Zynismus erklärt, warum freie Radios keine Subventionen brauchten: damit sie – Zitat – endlich frei werden können. Ich frage mich: Hat er vogelfrei gemeint? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wattaul. )

Jetzt schreien Sie schon wieder! Warum kommen Sie nicht her und sagen mir das dann über das Mikrophon? Ich empfinde das als eine Unhöflichkeit. Wenn Ihr Kollege Fallent hier den Ton beschworen hat, dann sollte er das vielleicht Ihnen sagen, vielleicht unter vier Augen, wenn Sie es so nicht verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Warum wollen Sie hier nicht über Menschenrechtsverletzungen reden? Ich nehme doch nicht an, dass Patrick Ortliebs Langeweile der Grund dafür ist, wenn "nur" über Menschenrechte geredet wird. Ich würde ihn gerne fragen, wie er denn das "nur" gemeint hat.

Warum wird im Leben von JournalistInnen herumgeschnüffelt? Warum sind prominente ORF-Redakteure das Ziel von Überprüfungen durch die Polizei? Ist es unter diesem Licht verwunderlich, dass die ORF-Redakteure mit einer Resolution an die Öffentlichkeit gehen wegen der – Zitat – "unerträglichen Einmischung"? So "business as usual", wie Klubobmann Westenthaler gemeint hat, ist das offensichtlich nicht. Es ist eher wohl so, dass der ORF trotz Ihrer unangenehmen und ständigen Störungen versucht, business as usual zu machen, nämlich objektiv zu berichten.

Ist es unter diesem Licht verwunderlich, dass an Kommissionspräsident Prodi und an die französische Ratspräsidentschaft Anfragen betreffend den Druck auf die JournalistInnen des ORF gerichtet wurden? So einfach gestrickt ist Ihr Muster offensichtlich: keinen Menschenrechtsbericht, also auch keine unangenehmen Tatsachen auf dem Tisch. Wie die Regierungsparteien im Übrigen mit den Rechten von Menschen umgehen, den oppositionellen Abgeordneten zum


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40. Sitzung / Seite 143

Beispiel, hat Präsident Prinzhorn heute in seiner Vorsitzführung deutlich vor Augen geführt. (Beifall bei der SPÖ.)

Nahtlos dazu passen auch Ihre Aussagen, Herr Klubobmann Khol, wenn Sie zum Beispiel in Bezug auf die intellektuellen Kapazitäten von Abgeordneten der Opposition sagen: Das versteht ja der dümmste Eskimo! Das ist wieder etwas für Kollegen Fallent betreffend seine Bedenken zur Sprache. Diese Bemerkung diffamiert nämlich nicht nur die Abgeordneten, sondern noch viel mehr das Volk der Inuit. Sie dürften wissen, dass Eskimo Fleischfresser heißt, und diese Bezeichnung ist menschenunwürdig. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Klubobmann Khol! Wie halten Sie es persönlich mit den Menschenrechten und vor allem mit der Würde von Menschen? In einem Handbuch der Rechtswissenschaften ist zu lesen: Die staatliche Gemeinschaft bezieht ihre tiefste Rechtfertigung aus dem Umstand, dass sie ein friedliches Zusammenleben der Menschen in Freiheit, Gleichheit und Würde ermöglicht und sichert. Daher an alle Mitglieder der Regierungsparteien: Werden Sie dieser Verantwortung endlich gerecht! Nehmen Sie Menschenwürde und Menschenrechte ernst – und zwar nicht nur in Sonntagsreden, sondern dort, wo Österreich zuschaut. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.07

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte. (Abg. Dr. Krüger: Jetzt kommt ein faires Resümee! – Abg. Schwemlein: Sie holen sich die Absolution in Mariazell, aber von der Bevölkerung werden Sie sie nicht kriegen!)

19.08

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist doch eine sehr traurige Diskussion, die wir hier abwickeln. (Abg. Böhacker: Womit du Recht hast!) Wir erleben die Regierungsparteien, die die Diskussion verweigern, und andererseits – das bemerkt man an diesen Zwischenrufen – wird die FPÖ nervös. (Abg. Schwemlein: Richtig!) Eine Frage: Haben Sie heute irgendetwas erfahren, irgendetwas Internes? Haben die Ermittlungsberichte etwas erbracht? (Abg. Neudeck: Das wissen Sie vor uns!) Ich habe immer nur das betroffene Gesicht des Kollegen Westenthaler gesehen. Dem ist es heute sicherlich nicht gut gegangen. (Abg. Gaugg: Wenn ich dein Gesicht anschaue, ist es auch nicht ...!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es um Datenschutz geht, geht es um die Menschenrechte. Es ist Ihnen ... (Abg. Gaugg: In der Arbeiterkammer habt ihr eine Spitzelabteilung, die nichts anderes tut, als Presseaussendungen ...!)

Herr Präsident! Ich ersuche um einen Ordnungsruf gegenüber diesem Abgeordneten. Kein Kammerbediensteter einer Arbeiterkammer oder einer Interessenvertretung kann sich die Bemerkung gefallen lassen, wir hätten einen Spitzeldienst! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Nein, "Spitzelabteilung" habe ich gesagt! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Herr Abgeordneter! Ich werde mir selbstverständlich sofort das Protokoll geben lassen und den genauen Zusammenhang lesen. (Abg. Edlinger: Das ist eine Präpotenz! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Abgeordneter Mag. Johann Maier (fortsetzend): Ich finde es absolut unerhört, was in diesem Hause von Seiten der Freiheitlichen Partei, eines so genannten Arbeitnehmervertreters, passiert. (Abg. Jung  – aus einem Buch zitierend –: Verdecktes Arbeiten ist ein legitimes Mittel der Recherche! – Salzburger Arbeiterkammer, 1998! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ.)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter Maier, Sie sind nach wie vor am Wort! (Abg. Dr. Mertel: Herr Abgeordneter Gaugg hat in seinem Zwischenruf gesagt, in der Arbeiterkammer ...! – Geben Sie mir Strom, Herr Präsident? – Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn schaltet kurz das Saalmikrophon ein, vor dem Abg. Dr. Mertel steht. – Abg. Nürnberger: ... sind im Parlament, Herr Präsident!)


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40. Sitzung / Seite 144

Herr Abgeordneter Maier! Frau Abgeordnete Mertel hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn berät sich auf dem Präsidium mit einem Beamten. – Abg. Nürnberger: Der Einflüsterer ist da oben!)

Herr Abgeordneter Maier, Sie sind aber am Wort. Ich habe Ihnen das Wort erteilt. Bitte, setzen Sie Ihre Rede fort! (Rufe bei der SPÖ – in Richtung des beim Präsidium stehenden Klubdirektors der Freiheitlichen Dr. Moser –: Herr "Präsident Moser" ! – Heiterkeit .)

Ich sage noch einmal: Herr Abgeordneter Maier, Sie sind am Wort! Bitte, setzen Sie Ihre Ausführungen fort!

Abgeordneter Mag. Johann Maier (fortsetzend): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Spitzelskandal, über den wir heute hier diskutiert haben, ist ja nicht der einzige, der in den letzten Jahren in unserem Lande passiert ist.

Anhand von Einzelbeispielen werde ich versuchen, die Rolle der Freiheitlichen Partei darzulegen, jene einzelner Ihrer Repräsentanten, aber auch die Rolle der Österreichischen Volkspartei. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und da würde mich besonders interessieren, Herr Klubobmann Khol, wer eigentlich dieser "hochrangige ÖVP-Funktionär" ist, der mit dem Zug nach Innsbruck gefahren ist und sich entsprechende Daten und Informationen besorgt hat; so die Aussage von Kleindienst. (Abg. Böhacker: Das stimmt ja nicht! Die fliegen ja!)

Ich frage weiters: Wie verhält sich die Freiheitliche Partei zu der Tatsache, dass in den letzten Jahren – nachweisbar anhand des Stenographischen Protokolls! – rechtswidrig erhobene und übermittelte Daten in diesem Hause dargebracht wurden? Stichwort: Stadler, Stichwort: Haider.

Ich erinnere Sie weiters an eine Pressekonferenz des damaligen FPÖ-Klubobmannes Haider in Wien, bei welcher dieser aus dem EKIS-System rechtswidrig erhobene Daten verwendet hat. (Abg. Gaugg: Das hat er alles vom Schlögl bekommen! Vom Innenminister!)  – Man ist natürlich draufgekommen, dass diese von Salzburg gekommen sind; bedauerlicherweise wusste man aber nicht mehr, wer sie abgerufen hatte. (Abg. Böhacker: Ach so! Das ist ein Bekenntnis!)  – Jetzt kann man das aber nachvollziehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Buch des Herrn Kleindienst gibt die Antwort auf die Frage, wie dieses Spitzelsystem der Freiheitlichen Partei organisiert ist.

Herr Bundesminister Molterer, Sie tun mir heute Leid; ich schätze Sie persönlich. Lieber würde ich jetzt hier den Bundesminister für Inneres, den Bundesminister für Landesverteidigung oder den Justizminister sitzen sehen. (Abg. Schwemlein: Den Bundeskanzler!)

Es geht hier um zwei Fragenkomplexe: zum einen um rechtliche – Kollege Wittmann hat bereits darauf hingewiesen – und zum anderen um politische Fragen. Bei den rechtlichen Fragen geht es um strafrechtliche, disziplinarrechtliche, aber auch – was ja die meisten vergessen! – um zivilrechtliche Fragen, nämlich darum, wie sich jene Menschen in unserem Lande zur Wehr setzen können, deren Daten rechtswidrig und missbräuchlich verwendet wurden.

Das Datenschutzgesetz enthält einen sehr klaren Strafkatalog für Datenmissbrauch: ein Jahr Freiheitsstrafe bei Verwendung von Daten, an denen der Betroffene ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse hat. Es gibt darin aber auch ganz klare Verwaltungsstrafbestimmungen. – Als Jurist gehe ich einmal davon aus, dass alle in diesem Hause vertretenen Parteien der Auffassung sind, dass jeder Datenmissbrauch mit den notwendigen Sanktionen und rechtlichen Mitteln zu ahnden ist.

Wir Sozialdemokraten werden jedenfalls – das hat unser Parteivorsitzender Gusenbauer ganz eindeutig klargestellt – unseren Beitrag dazu leisten. (Abg. Dr. Pumberger: Wo ist er denn, der Gusenbauer?) Daher gibt es dazu auch eine Reihe ganz konkreter Anfragen unsererseits über Politiker, Mitglieder des Europäischen Parlaments, des Nationalrates oder der Landtage. Es wird in diesem Zusammenhang Anfragen geben über Gemeinderäte und auch über Verfassungsrichter, ob vielleicht nicht auch unsere Verfassungsrichter in rechtswidriger Weise abgefragt


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Stenographisches Protokoll
40. Sitzung / Seite 145

wurden, und natürlich über politische Kritiker der Freiheitlichen Partei, die Künstler, soziale Gruppen oder Fraueninitiativen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir als Oppositionspartei sind an einer absoluten und lückenlosen Aufklärung dieser Vorwürfe, wie sie in diesem Buch des Herrn Kleindienst, aber auch durch Interviews geäußert wurden beziehungsweise werden, interessiert.

Hohes Haus! Jetzt möchte ich noch auf Ausführungen meiner Vorredner eingehen und doch noch einiges dazu festhalten. (Rufe bei der ÖVP: Muss das sein?)  – Kollege Khol hat von politischer Verantwortlichkeit gesprochen. – Herr Kollege Khol, es geht nicht nur um die Frage, wer rechtswidrig abruft, Daten übermittelt oder verwendet, sondern es geht schlicht und einfach auch um die Frage, wer die Hintermänner sind, die dies veranlasst haben! Das haben Sie ja in Ihrer Darstellung "vergessen"! – Und da gibt es ja schon ganz konkrete Hinweise, die in Richtung Freiheitliche Partei gehen.

An die Adresse des Kollegen Kiss, der gemeint hat – das war ja fast ein kabaretthafter Auftritt von ihm –, die Roten und die Grünen hätten diesen Skandal verursacht. – Kollege Kiss, keiner von den Roten und von den Grünen ist Mitglied der AUF und hat dieses Kleindienst-Buch geschrieben! Die einzig Verantwortlichen sitzen in der Freiheitlichen Partei! Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nun zu einigen ganz konkreten Fällen. Bedauerlicherweise ist jetzt der Herr Bundesminister für Landesverteidigung nicht hier; er hat sich ja einen ganz besonderen Fauxpas geleistet: Ehemalige Bedienstete der BGV II wurden – es handelt sich dabei um 1 400 Personen – zum Bundesministerium für Landesverteidigung zwangsversetzt. Ohne dass es eine Rechtsgrundlage hiefür gegeben hätte, erhielten nun diese Mitarbeiter, ehemals BGV-II-Mitarbeiter, die Aufforderung – sprich: die dienstliche Weisung  –, eine so genannte persönliche Sicherheitserklärung auszufüllen. (Abg. Jung: Das war keine Weisung!)

Herr Kollege Jung! Ich habe hier den kompletten diesbezüglichen Schriftverkehr! Ich kann Ihnen das zeigen. Alle Mitarbeiter wurden aufgefordert, das zu unterschreiben. (Abg. Jung: Eine Aufforderung ist keine Weisung!)  – Besonders interessant ist natürlich die Frage: Was sollten diese Kolleginnen und Kollegen in der BGV II bekannt geben? Neben Fragen nach allgemeinen Daten, die sich ohnehin im Personalakt befinden, kam es dabei zu ganz interessanten Fragestellungen. – Und da muss man sich schon fragen: Was geht es beispielsweise meinen Arbeitgeber an, wie viel Schulden ich habe?! (Abg. Jung: Ja!)

Ich frage Sie, Kollege Jung: Was geht es den Bund an, ob jemand Mitglied eines Vereins ist und welche Funktionen er dort ausübt?! Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund ist beispielsweise ein Verein. Auch ich bin Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Österreichs und übe eine Funktion in dieser aus. Wollen Sie das alles abfragen? (Abg. Jung: Ja, es ist notwendig in manchen Bereichen!)

Ich kann Ihnen dazu nur eines sagen: Das berührt die Menschenrechte, und wir von unserer Fraktion werden daher die Datenschutzkommission und den Datenschutzrat mit diesen Fragen und diesen Problemstellungen konfrontieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Kollegin Partik-Pablé hat sich ja heute gleichfalls zum Thema "Datenschutz" geäußert. Das diesbezügliche Gesetz dürfte ihr aber offensichtlich nicht hinlänglich bekannt sein, hat sie doch in einer Pressemeldung gemeint, ein Datenklau seitens der FPÖ sei "denkunmöglich".

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir liegt ein Akt vor, inklusive eidesstattlicher Erklärung. Frau Partik-Pablé hat im Zuge eines Wahlkampfes bestimmte Zielgruppen angeschrieben, und ich lese aus diesem Schreiben vor, das mir zugegangen ist:

Zitat: Ich erhielt ein persönliches Werbeschreiben der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé. Dies überraschte mich umso mehr, als ich, begründet in meiner Weltanschauung, keinerlei Kontakt zu deren Partei, der FPÖ, hatte und bis zu diesem Zeitpunkt auch mit an mich persönlich adressiertem Werbematerial verschont geblieben war. Das Werbeschreiben der Frau Abgeord


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neten Partik-Pablé war inhaltlich offensichtlich an einen selektierten, bestimmten Personenkreis gerichtet, und zwar an die "lieben Eltern" eines geistig behinderten Kindes. – Zitatende.

Frau Partik-Pablé! Woher hatten Sie denn diese Daten? Oder anders ausgedrückt: Wo haben Sie diese Daten geklaut? (Abg. Edlinger: Das ist wirklich ein Skandal! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei, wie sie sich heute darstellt, ist eine Partei, die sich Datenmissbrauch zu Nutze macht; sie bedient sich gesetzwidrig abgefragter Daten. Die Beispiele sind ja bekannt: der ehemalige Klubobmann Stadler, das "einfache Parteimitglied" Jörg Haider – und so weiter.

Die Freiheitliche Partei steht aber auch für die Vergewaltigung des Datenschutzrechtes. Sie halten sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen – und das kann man bei diesem Personenkreis ganz konkret nachweisen, eben bei jenen Personen, die ehemals in der BGV II beschäftigt waren.

Die Freiheitliche Partei steht aber auch für die Aushöhlung des Datenschutzes. Hiezu ein Beispiel: Wir werden in Kürze ein "Geheimnisschutzgesetz" bekommen, was konkret bedeutet, dass wir eine NATO-Regelung übernehmen. In der NATO – das wissen wir – dominiert ja Amerika hinsichtlich des Datenschutzrechtes. Und wir wissen auch, welche Probleme Europa derzeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika in der Frage Auskunftsrechte, der Übermittlung von Daten und so weiter hat. – Sie von den Freiheitlichen stehen genau für diese Politik – wir von der Sozialdemokratischen Partei aber ganz sicherlich nicht!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Datenschutz ist ein wesentliches Menschenrecht. – Auf der anderen Seite aber gibt es Datenmissbrauch, wobei Personen privat, beruflich oder politisch geschadet wird, und zwar mit dem einen Ziel: diese Menschen in der Öffentlichkeit zu denunzieren.

Man könnte natürlich noch einiges zu diesem Spitzelskandal, der ein FPÖ-Skandal ist, sagen, ich möchte jedoch nur noch festhalten: Es ist anscheinend Geld gezahlt worden – die Konten werden ja jetzt geöffnet –, andere wiederum wurden mit Mandaten belohnt.

Man wird sich auch genau anschauen müssen, welche Abgeordneten der Freiheitlichen, die im Exekutivdienst tätig sind, in den vergangenen Legislaturperioden in die Landtage und Gemeinderäte gekommen sind – und welche Zugangsberechtigungen diese, und zwar nicht nur zu EKIS, sondern auch zu den anderen Informationssystemen, hatten.

Ein ganz wesentlicher Punkt noch, nämlich die Situation in den Bundesländern. Da wird man genau recherchieren müssen. – Ich hätte gerne den Herrn Innenminister hier gesehen, denn ich wollte ihn ganz einfach fragen: Herr Innenminister, was haben Sie diesbezüglich in den Bundesländern gemacht? (Abg. Dr. Puttinger: Was hat Schlögl gemacht?)  – Ich habe gehört, dass dort bislang nur wenig erhoben wird.

Folgendes möchte ich in aller Deutlichkeit festhalten: Wir Sozialdemokraten halten es für unvereinbar, wenn politische Mandatsträger – gleichgültig, welcher Partei sie angehören! – Zugang zu EKIS oder anderen Datensystemen haben!

Abschließend, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir erleben hier eine skandalöse Verschleierungspolitik der Freiheitlichen Partei, aber auch eine solche der Österreichischen Volkspartei. Es gibt noch immer keine Klage der Freiheitlichen Partei. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Sollen wir jetzt klagen oder nicht? Was wollt ihr?) Es wird, wie wir vermuten, von Ihnen auch keine Zustimmung zur Einsetzung eines diesbezüglichen Untersuchungsausschusses geben.

Ich zitiere jetzt aus dem "Format", gerichtet an die FPÖ – Klagen! Nicht: beklagen! –: Spitzelaffäre: Wenn sich die FPÖ nicht vor Gericht gegen den Vorwurf wehrt, eine Spitzelpartei zu sein, muss sie mit dem Ruf leben, eine zu sein. – Zitatende.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Solange Sie selbst nicht geklagt haben, bleiben Sie für uns eine Spitzelpartei! Das ist in aller Deutlichkeit festzuhalten! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Solange die Österreichische Volkspartei geradezu notorisch dazu schweigt, macht sie sich der politischen Mittäterschaft schuldig, Herr Klubobmann Khol! (Beifall bei der SPÖ.)

19.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nach Beendigung der Rede des Herrn Abgeordneten Mag. Maier erteile ich nun Frau Abgeordneter Mertel zur Geschäftsbehandlung das Wort. – Bitte.

19.25

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Gaugg hat in einem Zwischenruf in Richtung des Debattenredners Maier gesagt, in der Arbeiterkammer gebe es eine eigene "Spitzelabteilung".

Die sozialdemokratische Fraktion stellt daher nach § 103 der Geschäftsordnung das Verlangen, Herrn Abgeordnetem Gaugg einen Ordnungsruf zu erteilen.

19.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.25

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Der selbe Abgeordnete, nämlich Herr Abgeordneter Dr. Maier, hat die FPÖ eine "Spitzelpartei" genannt – und uns von der ÖVP auch in diesem Zusammenhang. – Daher: gleiches Recht für alle! (Abg. Schwarzenberger: Der Gusenbauer, der Maier!)

19.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich habe bereits vorhin entschieden, mir das Stenographische Protokoll kommen zu lassen, in welchem die Zwischenrufe vermerkt sind, und ich werde nach Vorliegen des Stenographischen Protokolls darüber entscheiden. (Abg. Grabner: Auf den Khol hat er gehört! Das ist ein Präsident! Er kann den Vorsitz nicht führen! – Abg. Wattaul: Er hat wahrscheinlich Spitzen partei gesagt! – Heiterkeit.)

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Einem. – Bitte.

19.26

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst den Versuch unternehmen, zum Thema unserer eigentlichen Diskussion zurückzukommen, nämlich zu den Menschenrechten.

Meine sehr geehrten Herren von der FPÖ, insbesondere Sie, Herr Abgeordneter Wattaul! Lassen Sie mich zuallererst dazu folgende Anmerkung machen: Ich denke, wenn Sie von der FPÖ hier, wenn Frauen am Podium sind, wenn Frauen hier beim Rednerpult stehen, nichts Dringenderes zu tun haben, als diese bei ihren Reden zu stören, so zeigt das schon eine bemerkenswerte Haltung gegenüber der Würde der Menschen, insbesondere der der Frauen! Genieren Sie sich dafür! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jung: Sie sind ein Gegner der Gleichberechtigung! – Abg. Haigermoser: Hören Sie doch auf mit dieser Tränendrüse!)

Ich bin ein Freund der Gleichberechtigung, Herr Abgeordneter Jung (Abg. Wattaul: Das war jetzt sexistisch! – Abg. Edlinger: Ein Macho-Zwischenruf war das!), und ich bin daher dafür, dass Frauen denselben Anspruch aufs Zuhören von Ihrer Seite haben, vor allem auch ein Recht darauf haben, dass Sie nicht ständig hineinkeppeln. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Hohes Haus! Im Menschenrechtsausschuss haben wir einen Antrag des Abgeordneten Posch behandelt, der darauf gerichtet war, die Regierung dazu zu veranlassen, jährlich einen Menschenrechtsbericht zu erstatten. Wir haben im Ausschuss darüber debattiert – und im Anschluss daran hat es die Mehrheit der Regierungsfraktionen abgelehnt, dass jährlich ein Menschenrechtsbericht erstattet wird.

Sie von den Regierungsfraktionen haben es aber zugleich als notwendig erachtet, unsere Fraktion ständig mit Angriffen zu konfrontieren. – Ich frage Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: Welches Problem haben Sie denn bitte mit einem Menschenrechtsbericht, wenn Ihrer Meinung nach ohnehin alles so wunderbar ist, wie ja Frau Abgeordnete Partik-Pablé mit ihrem Zitat aus dem "Weisen"-Bericht gemeint hat?! Was hindert Sie denn dann daran, diese Möglichkeit, jährlich zu zeigen, wie wunderbar es bei uns ist, auch wirklich zu ergreifen?! Warum stimmen Sie diesem Antrag nicht zu?! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Das ist aber nicht das Einzige, wo Sie in der Sache etwas inkonsequent sind. Wir haben in den letzten Monaten – in den letzten neun Monaten, um es genau zu sagen –, und zwar in einem so genannten Grundrechtskonvent, über eine neue europäische Grundrechtscharta diskutiert, wir haben einen solchen Entwurf erarbeitet und dem informellen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Biarritz zugeleitet.

Natürlich haben wir dafür gekämpft, und zwar alle aus Österreich, die in diesem Grundrechtskonvent tätig waren, dass diese Grundrechtscharta ein Teil des europäischen Vertragswerks wird, weil es eben darum geht, den europäischen Bürgern, den Menschen, die in dieser Union leben, durchsetzbare Menschenrechte, durchsetzbare Bürgerrechte zu verschaffen.

Wir wollten daher vor diesem Gipfeltreffen in Biarritz den Herrn Bundeskanzler und die Frau Außenministerin mit einem entsprechenden Antrag unterstützen, diese Position in Biarritz zu vertreten.

Der Herr Bundeskanzler hat im Hauptausschuss erklärt, dass auch er der Meinung sei, dass eine verbindliche Grundrechtscharta angestrebt werden solle. Aber was passierte dann? – Dieser Antrag wurde von der Mehrheit der Regierungsfraktionen niedergestimmt!

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, darf ich Sie fragen: Welches Problem haben Sie denn eigentlich damit, den Menschen in der Europäischen Union – und das heißt, natürlich auch jenen in Österreich – Rechte zu geben, die diese gegen die Europäische Union, gegen bestimmte Institutionen durchsetzen können?! Welches Problem mit Menschenrechten haben Sie denn, dass Sie einen solchen Antrag ablehnen müssen?! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Redner der Regierungsfraktionen haben sich natürlich mehrmals auf den so genannten "Weisen"-Bericht berufen, unter anderem auch Frau Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer. Aber es hat keinen besonderen Sinn, wenn sich die Regierungsfraktionen ausschließlich auf jene Passagen beziehen, in welchen durchaus steht und anerkannt wird, dass wir in Österreich im Bereich der Menschenrechte und auch im Bereich des Minderheitenschutzes im Laufe der letzten Jahrzehnte mühsam, aber doch ein beachtliches Niveau erreicht haben. Das ist richtig!

Aber, Hohes Haus, sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere jene von den Regierungsfraktionen, Menschenrechte sind nicht etwas, das in besonderer Weise zur Selbstgerechtigkeit und zur Selbstbeweihräucherung einlädt. Es ist notwendig, dass wir unser Auge insbesondere auf jene Dinge richten, wo wir noch nicht gut genug sind. Ich würde Sie einladen, auch jene Passagen des "Weisen"-Berichts zu lesen, in welchen die "drei Weisen" nicht nur den Wahlkampf der FPÖ in Wien 1999 kritisieren – mein Gott, das richtet sich selbst! –, sondern auch darauf hinweisen, welches Risiko es in ihren Augen nach einem europäischen Maßstab ist, wenn der Justizminister so agiert, wie er agiert. – Ich will das Ganze nicht noch einmal zitieren.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welches Problem haben Sie, zu erkennen, dass wir im Bereich der Menschenrechtssicherung, im Bereich des Minderheitenschutzes noch besser werden können? Warum lehnen Sie einen jährlichen Menschenrechtsbericht ab? Was haben Sie zu befürchten, wenn Sie ohnehin glauben, dass wir so gut sind?

Hohes Haus! Herr Abgeordneter Mainoni hat heute gegen Mittag den Vorwurf erhoben, dass die Sozialdemokraten, dass die Oppositionsparteien insgesamt Menschenjagd betreiben. Herr Abgeordneter Mainoni, Sie sollten sich ein bisschen besser daran erinnern, welche systematische Methode die Freiheitlichen in den vergangenen Jahren angewandt haben. Ich will Sie nur mit ganz wenigen Beispielen konfrontieren, damit es nicht zu lange wird. (Zwischenruf des Abg. Wattaul. )

Aus dieser ersten Reihe hier haben Herr Abgeordneter Haider und Herr Abgeordneter Stadler immer wieder mutig, wie sie sind, im Schutze der parlamentarischen Immunität politische Gegner angeschüttet, mit dem Vorwurf strafrechtlich relevanten Verhaltens konfrontiert, es nie beweisen können und es auch nie bewiesen. (Abg. Wattaul: Ausgrenzer! Wer war der Ausgrenzer?) – Nicht "Ausgrenzer", Herr Abgeordneter Wattaul! Nicht hereinschreien – zuhören! (Beifall bei der SPÖ.)

Beispiele: Im Wahlkampf 1995 haben die Freiheitlichen, hat insbesondere Herr Abgeordneter Haider immer wieder einen Angestellten der Salzburger Gebietskrankenkasse namentlich und mit seiner Funktion benannt und behauptet, dass er ein typischer Fall eines Schmarotzers in einer Sozialversicherungsanstalt sei, der Tennis spielt, statt zu arbeiten. Es hat sich herausgestellt – alle wissen das, auch bei Ihnen –, dass dieser Bedienstete Leukämie und nicht mehr sehr lange zu leben hatte und dass er aus diesem Grunde seinem Dienst nicht nachgegangen ist. (Abg. Schwemlein: Was war mit dem Hauptschullehrer?)

Welche Chance hat jemand, wenn er von Ihnen hier im Schutz der parlamentarischen Immunität beschimpft, in den Dreck gezogen wird, sich zu wehren? – Das ist die Methode, die Sie angewandt haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist vielleicht für andere, die etwas mehr Widerstandsgeist haben, die nicht einer tödlichen Krankheit verfallen sind, etwas einfacher, sich zu wehren. Sie haben unter anderem behauptet, zwei Beamte der EBT hätten in meiner Amtszeit Akten von mir verschwinden lassen. Sie haben sie namentlich genannt. Die beiden Beamten konnten sich wehren. Sie haben einen Prozess gegen Haider geführt, und sie haben ihn gewonnen. Nur, Herr Abgeordneter Mainoni: Sie sollten an diese Fälle denken und nicht so tun, als ob wir Menschenhatz betreiben würden! Es ist in den vergangenen Jahren systematisch Ihre Methode gewesen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich nur noch zwei weitere Beispiele nennen; es wären unzählige zu nennen, ich möchte Sie allerdings nicht langweilen.

Erstes Beispiel: Am 1. Mai 1995 hat Haider in einem Bierzelt in Salzburg eine Rede gehalten. (Abg. Jung liest eine Passage aus einem Buch vor.) Er hat dabei unter anderem meine damalige Pressesprecherin beschuldigt, wegen Gewaltdelikten mit dem Gesetz in Konflikt geraten zu sein. Er hat das öffentlich erklärt und hat keinen einzigen Beweis dafür vorgelegt. – Es war auch falsch! Aber das ist die Methode, die von Ihnen angewandt wird. Ich denke, Sie sollten nicht andere Leute der Menschenhatz beschuldigen, wenn Sie sie selbst über Jahre hinweg systematisch betrieben haben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zweites Beispiel: Ich denke, dass der Fall des Universitätsprofessors Doralt, damals noch in Innsbruck, jetzt in Wien, den Sie jahrelang beschuldigt und in Bezug auf welchen Sie jahrelang auch die Urteile der österreichischen Gerichte nicht respektiert, nicht widerrufen haben, hinreichend bekannt ist.

Ich möchte keine weiteren Fälle aufzählen, Sie können sich aber darauf verlassen, dass wir sie dokumentieren und nennen können. Sie sollten daher mit dem Vorwurf der Menschenjagd an


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unsere Adresse gerichtet vorsichtig sein! Wer im Glashaus sitzt, Herr Abgeordneter Mainoni, sollte mit dem Steinewerfen zurückhaltend sein! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Lassen Sie mich, Herr Abgeordneter Wattaul, ein Letztes zum Spitzelvorwurf an die Freiheitlichen sagen: Sie haben es vorhin für notwendig gefunden, einen Zwischenruf zu machen und dabei zu sagen, es mache Ihnen überhaupt nichts aus, dass auch Ihre freiheitlichen Kollegen abgehört worden sind, weil sie nichts zu verbergen haben. – Das ist eine tolle Antwort, zumindest das erste Eingeständnis, dass es geschehen ist. Das ist von Ihrer Seite doch ein wenig überraschend. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Hohes Haus! Abschließend möchte ich sagen: Die sozialdemokratische Fraktion beziehungsweise Herr Abgeordneter Posch hat keinen Antrag auf Verurteilung der Freiheitlichen Partei gestellt – obwohl jene Beispiele, die ich angeführt habe, auch Kritik an der Freiheitlichen Partei rechtfertigen würden. Herr Abgeordneter Posch hat keinen Antrag auf Verurteilung dieser Bundesregierung gestellt, sondern er hat einen Antrag gestellt, dass jährlich ein Menschenrechtsbericht erstattet werden möge.

Sie haben nichts Dringenderes zu tun, als uns zu beschimpfen, als ob wir die Bundesregierung besudelt hätten. Wir haben die Bundesregierung nicht besudelt, wir haben sie eingeladen, jährlich einen Bericht über die Lage der Menschenrechte in Österreich zu erstatten. Wenn Sie sich das nicht trauen, dann müssen Sie gute Gründe dafür haben. Aber wenn Sie sich trauen, dann lade ich Sie ein, sich eines Besseren belehren zu lassen und mit uns einen solchen Antrag zu beschließen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Graf. – Bitte.

19.37

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich werde versuchen, im ersten Teil meiner Rede das Augenmerk wieder auf den Bericht, den es heute zu beschließen gilt, zu lenken. Es wurde nämlich bei fast allen sozialistischen Vorrednern der Eindruck erweckt, als ob sich diese Regierung, die Regierungsparteien oder die Regierungsfraktionen vor einem Menschenrechtsbericht an sich fürchten würden. Dem muss ich ganz deutlich widersprechen!

Sie vergessen auch immer, hinzuzufügen, dass dieser Menschenrechtsausschuss – das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal bekräftigen – seit vielen Jahrzehnten von den Freiheitlichen gefordert wurde. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Seit vielen Jahrzehnten! (Abg. Dr. Einem: Vier Finger, gelt?) – Es tut mir Leid, dass Sie Tatsachen nicht mehr ernst nehmen, das ist nämlich Ihr Problem, Herr Kollege Einem. Deswegen sitzen Sie jetzt in der Abgeordnetenbank und nicht mehr auf der Ministerbank! Das ist das Problem, das Sie haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da dieser Ausschuss jetzt endlich auf Grund dieser Mehrheitsverhältnisse, die sich in diesem Hohen Haus ergeben, weil Blau und Schwarz die Mehrheit haben, eingerichtet wurde, wird jetzt permanent so getan, als ob wir in diesem Hohen Haus nicht über Menschenrechte diskutieren wollten. Wir werden auch eine dem Ausschussbericht beigedruckte Entschließung annehmen, dass dem Hohen Hause ein Bericht vorgelegt wird, und zwar ein Bericht nicht nur betreffend Österreich – das wird auch vorkommen –, sondern auch betreffend alle EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich deren Stand in den Fragen wie Minderheiten, Flüchtlinge, Einwanderer, also in der Frage der Menschenrechte an sich. (Abg. Mag. Prammer: Da werden sich die anderen Mitgliedstaaten aber "freuen"!)

Wenn Sie, Frau Kollegin Prammer, jetzt dazwischenrufen und sagen, da werden sich die anderen Mitgliedstaaten freuen – und das "natürlich" sarkastisch meinen –, dann darf ich Ihnen an dieser Stelle schon einmal sagen: Auch die anderen Länder brauchen ein Bench-Marking, das wir anstreben, und Best-Practice, das wir auch in Österreich durchführen wollen, nicht zu scheuen. Sie könnten nämlich gerade in Menschenrechtsfragen und Minderheitenfragen sehr viel von


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Österreich und seinen Repräsentanten lernen, und das wissen Sie. Aber es wird geflissentlich übersehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man will mit diesem Entschließungsantrag Posch in Wirklichkeit ja keinen Menschenrechtsbericht erwirken, sondern man will damit eine Junktimierung mit anderen Materien erreichen, damit man permanent suggerieren und unterstellen kann – und das steht auch eindeutig in der Begründung –, dass jede Regierungsvorlage quasi menschenrechtswidrig ist und daher auf ihre Verträglichkeit mit den Grund- und Menschenrechten zu überprüfen ist, womöglich noch von außenstehenden Institutionen möglichst aus dem Ausland. (Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm. ) Sie nehmen Ihre eigene Arbeit als Opposition und als Parlamentarier offensichtlich nicht mehr ernst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es erschüttert mich, dass Sie als Parlamentarier das Selbstverständnis haben, dass Sie nicht mehr in der Lage sind, auf die Einhaltung der Menschenrechte und der Grund- und Freiheitsrechte Rücksicht zu nehmen und darauf hinzuweisen. Sie sind genauso Parlamentarier wie ich und andere hier im Hohen Hause.

Ich glaube, es steht uns gut an, dass wir in Österreich über unsere Gesetze gemäß den Normen, die es bei uns gibt, selbst entscheiden, aber dieses schlechte Gewissen kommt offensichtlich nicht von ungefähr. (Abg. Mag. Prammer: Gleiches Recht für alle!)

Ich sage Ihnen, warum Sie wahrscheinlich genauso wie die grüne Fraktion in der parlamentarischen Arbeit Hilfe brauchen. – Ich habe Folgendes nicht irgendwo herbeigeschafft, sondern bin dazu gekommen als Zeuge eines Gerichtsverfahrens in Linz, bei welchem Kollegin Haidlmayr eine Aussage gemacht hat – sie damals als Privatanklägerin – und bei welchem ich eine Aussage gemacht habe. Weil mein Zug später gefahren ist, habe ich mir diese Gerichtsverhandlung zu Ende angesehen. Da hat sie zu Protokoll gegeben – das findet sich letztlich auch im Urteil wieder –, dass sie parlamentarische Anfragen oder ähnliche Dinge, die sie unterschreibt, vorher nicht liest. (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr. ) Ich habe das Protokoll hier, in dem geschrieben steht, was Sie gesagt haben. Da wird mir schon alles klar: Wenn ich Abgeordneter bin, der das, was er hier im Parlament unterschreibt, nicht selbst liest ... (Abg. Mag. Haidlmayr: In allen zwei Instanzen verloren, diesen Prozess!)

In der Urteilsbegründung steht nämlich: Auch wenn parlamentarische Anfragen gestellt wurden, die Frau Kollegin Haidlmayr unterschrieben hat und sie mit unterschrieben hat – nämlich Frau Kollegin Haidlmayr –, so ist damit nicht bewiesen, dass Theresia Haidlmayr vom Ziel dieser Anfragen tatsächlich Kenntnis hatte, weil es aufgrund der Aussage von Frau Kollegin Haidlmayr – so festgestellt in einem Urteil – üblich ist, dass man andere Anfragen ungelesen mit unterschreibt. (Abg. Haidlmayr: Sie haben den Prozess verloren! – Abg. Öllinger: Sie haben den Prozess verloren!)

Wenn das Ihre politische Auseinandersetzung, meine Damen und Herren von den Grünen und auch von den Roten, ist, dann verstehe ich natürlich den Ruf nach Hilfe von außen in der parlamentarischen Arbeit. Unser Selbstverständnis ist das nicht! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Haidlmayr: Sie haben den Prozess verloren – in allen zwei Instanzen!)

Ich sage Ihnen noch etwas: Es ist auch ein Menschenrecht, dass die Bürger und die Bevölkerung in diesem Hohen Haus von Abgeordneten vertreten werden, die bei ihrer politischen Arbeit wissen, was sie tun, die wissen, was sie unterschreiben. Das sage ich Ihnen und schreibe ich Ihnen ins Stammbuch! (Abg. Öllinger: Ihnen glaube ich, dass Sie wissen, was Sie tun! Das ist aber das Problem!)

Wenn über Spitzel gesprochen wird, darf man auch den Bericht "Spitzel einst und jetzt" nicht vergessen, der in der "Presse" gestanden ist und sich auf den damaligen Wissenschaftsminister Einem bezogen hat. Der Journalist Erich Witzmann hat in Bezug auf die Spitzelaffäre, die Sie als Minister – nicht als Abgeordneter – in der Universität vom Zaun gebrochen haben, eindeutig festgestellt: Fahnder werden unterwegs sein.


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Kollege Witzmann sagt in seiner Analyse völlig richtig: Wer das Bild von als Studenten verkleideten Kontrolloren an die Wand malt, muss damit rechnen, dass sofort vom Spitzelwesen und vom Überwachungsstaat die Rede ist. Caspar Einem hat dennoch am Dienstag seine erste Ankündigung von Montag der neuen Mitarbeiterüberwachung präzisiert und verstärkt. Er, Caspar Einem, verfolgt also mit seinen überzogenen Maßnahmen ganz bewusst ein Konzept. Verdeckte Spitzel sind aber nicht die geeignete Maßnahme. Sie erinnern tatsächlich an einen despotischen und hinterlistigen Überwachungsstaat, auch wenn der Vorschlag von einem sozialdemokratischen – Anführungszeichen – "Zukunftsminister" stammt. – Sie haben sich in dieser Art und Weise verdient gemacht! (Abg. Haigermoser: Wer war das? Einem?) – Caspar Einem.

Da heute die Arbeiterkammer angesprochen worden ist, Salzburg 1998, zur Arbeiterkammer-Spitzelstudie: Für eine Studie über Einkommen und Arbeitsbedingungen in Callcenters der Salzburger Arbeiterkammer soll dabei in verdeckter Recherche in den jeweiligen Betrieben ermittelt werden. (Abg. Dr. Fischer: Dafür ist der Hump-Dump zuständig, für die Callcenters! Die Callcenters sind doch eure Spezialität!) Sechs Personen sollten verdeckt in den Callcenters arbeiten. AK-Direktor Gerhard Schmidt, Ihrer Fraktion, den Sozialisten, nahe stehend: Verdecktes Arbeiten sei ein durchaus legitimes Mittel – O-Ton! – der Recherche und habe nichts mit Bespitzelung zu tun. – Das sagte ein Arbeiterkammerdirektor im Jahre 1998. (Abg. Dr. Fischer: Was sagt Hump-Dump?)

Wenn ich diese sozialistischen Meinungen über verdeckte Ermittler – es gibt unzählige, ich habe nur die verdeckten Ermittler Caspar Einem und den Arbeiterkammerdirektor aus Salzburg genommen – und die sozialistischen Methoden kennen lerne und kenne (Abg. Dr. Mertel: Säbelschläge am Kopf!), dann kommt für mich natürlich der Verdacht auf, dass Herr Kleindienst ein verdeckter Ermittler der SPÖ oder der Grünen gewesen sein muss und offensichtlich in Ihrem Sold steht! (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es wird sich natürlich die Frage stellen, warum Herr Kleindienst ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich verstehe die Aufregung der Sozialisten nicht.

Es wird sich natürlich die Frage stellen, wie es sein kann, dass Herr Kleindienst als Privatmann tage-, stunden- und wochenlang Recherchen im nach wie vor sozialistisch dominierten Wiener Polizeiapparat machen konnte, um sein Buch zu schreiben – auch noch mit Hilfe einiger anderer Leute. Das wird früher oder später zu klären sein! (Abg. Grabner: Märchenstunde Münchhausen! Märchenstunde Münchhausen!)

Wenn Herr Kollege Maier und Frau Kollegin Plank permanent von der Menschenwürde und den Menschenrechten sprechen und sagen – genauso wie Herr Kollege Wittmann –, dass man die Menschenwürde ernst nehmen muss, dann muss ich sagen: Gehen Sie einmal in sich, gehen Sie zu Ihrem Klubobmann, der Parteiobmann ist, gehen Sie in sich! (Abg. Dr. Fischer: Hump-Dump! Humpel-Dumpel!)

Ich erachte es als der Menschenwürde abträglich, wenn ein Klubobmann über seine eigene Fraktion hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit sagt: Ein Drittel wird es als Oppositionspolitiker schaffen, ein Drittel schafft es nie, und ein Drittel ist resozialisierbar. – Da kratzt er an Ihrer Menschenwürde und an unser aller Menschenwürde, weil er offensichtlich in Drittelmanier die Abgeordneten des Hohen Hauses, insbesondere jene von der SPÖ, einteilt. (Abg. Dr. Fischer: Zu welchem Drittel gehört Hump-Dump?)

Jetzt ist die Frage, Herr Kollege Fischer: Zu welchem Drittel gehören Sie? (Abg. Dr. Fischer: Zum Hump-Dump!) Zu jenem Drittel, welches Norbert Leser beschreibt? Zu jenem Drittel, von dem er sagt, Sie seien ein "Auslaufmodell"? Haben Sie schon geklagt? – Sie werden nicht klagen, weil Sie wissen, dass das richtig ist. (Abg. Haigermoser: Warum sind Sie so nervös, Herr Präsident Fischer? – Abg. Dr. Fischer: Ich gebe es Ihnen schriftlich, sonst bekomme ich einen Ordnungsruf!)

Sie alle wissen auch, dass Kollege Gusenbauer das vor Hunderten Leuten gesagt hat und damit Sie gemeint hat. Ich finde, Sie könnten einmal im eigenen Haus die Menschenwürde beachten, in Ordnung bringen und mit dem, was Ihr Parteiobmann macht, aufräumen.


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Noch ein Letztes, weil am Vormittag Kollege Oberhaidinger (Abg. Dr. Fischer: Hump-Dump?) mit einem Zitat eines Briefes des Präsidenten Fischer hinsichtlich der Genossen versucht hat, richtig zu stellen. Es war zwar keine tatsächliche Berichtigung, aber erheiternd und erhellend, wie er das gemeint hat. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. )

Ich habe mir den Originalantrag ausgehoben, und an Ihre Adresse sage ich: Darin steht nichts von Genossen, diese sind in Ihrem Drittel zu Hause, nicht in meinem Drittel. Da steht: Abgeordneter Dr. Martin Graf, Scheibner, Dr. Kurzmann und Kollegen – nichts von Genossen. (Abg. Mag. Kogler: Ihre Adresse ist der Hump-Dump!)

Aber ich sage Ihnen: Es ist mir schon immer ein Dorn im Auge gewesen, dass in Amtlichen Protokollen – sei es historisch oder nicht – dieser für mich vorbelastete Begriff "Genossen", der genauso vorbelastet ist wie "Volksgenossen", mir permanent meine Bekenntnisfreiheit – und das ist auch ein Menschenrecht – von Amts wegen nimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Gaál: Nehmen Sie sich zurück! Das ist unerhört! Nehmen Sie sich zurück! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin, auch wenn Sie mit der Hand wacheln und mir dadurch deuten, dass ich dumm, wahnsinnig, deppert oder sonst was sein müsste (Abg. Bures: Das ist Ihre Auslegung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), ich sage Ihnen eines – ich nehme Sie in dem Punkt nicht ernst, aber ich sage Ihnen wirklich eines ... (Abg. Ing. Westenthaler: Zu welchem Drittel gehören die da drüben?) Ich weiß nicht, zu welchem Drittel die gehören, die jetzt mit der Hand gewachelt haben, auf jeden Fall zu dem Drittel, das keine Manieren hat, das weiß ich. Das muss ich jetzt auch sagen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich halte hier, auch wenn Sie es belächeln, noch einmal fest: Für mich ist es eine Frage auch meiner höchstpersönlichen Bekenntnisfreiheit – und das lasse ich mir von Ihnen nicht nehmen (Abg. Silhavy: Wir auch nicht!)  –, ob man mich Genosse nennt oder nicht. Und das lasse ich mir auch historisch nicht nachvollziehen. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich gehöre nicht zu den Genossen, ich möchte kein Genosse sein (Abg. Mag. Prammer: Gott sei Dank sind Sie kein Genosse!), für mich persönlich sind die Genossen politisch in Europa 1989 erledigt worden (Beifall bei den Freiheitlichen), nämlich im zusammenbrechenden, real existierenden Kommunismus. Sie finden sich vielleicht noch in der Gewerkschaft und bei den Sozialisten wieder, aber nicht bei mir in meinem Herzen und bei meinen Freiheitlichen. Und das schreibe ich Ihnen ins Stammbuch! Sie können darüber lachen und witzeln, wie Sie wollen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist nämlich schon ein Punkt, den ich Ihnen auch sagen möchte: Wenn es so ist, wie Sie es machen, dass Sie alles belächeln, alles lächerlich machen, was andere Menschen bewegt (Abg. Dietachmayr: Glauben Sie, Ihre Rede kann man ernst nehmen?), dann zeigen Sie Ihr wahres Gesicht, dann haben Sie in Wirklichkeit mit Menschenrechten und Grund- und Freiheitsrechten nichts am Hut (Abg. Dietachmayr: Ihre Rede kann man nicht ernst nehmen!), meine lieben Genossen. Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben! (Beifall und Bravo-Rufe bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Haidlmayr zu Wort gemeldet. Ich bitte Sie höflichst, Frau Abgeordnete, beginnen Sie mit der Wiedergabe des Sachverhaltes, den Sie zu berichtigen wünschen. (Lebhafte Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Trattner  – in Richtung SPÖ –: Böse Zungen behaupten, du seiest eingeschleust worden!)

19.53

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Graf hat behauptet, ich hätte in dem Medienprozess, den ich gegen die Freiheitliche Partei geführt habe, zu Protokoll gegeben, nicht jeder Abgeordnete kann alle Anfragen, die er mitunterschreibt, auch lesen. – Diese Aussage ist unwahr!


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Die Feststellung, dass es nicht in der Geschäftsordnung steht beziehungsweise dass es keine parlamentarische Grundlage gibt, die festschreibt, dass bei jeder Mitunterschrift auf einer Anfrage diese Anfrage von dem entsprechenden Abgeordneten auch gelesen werden muss, ist eine Feststellung, die der Richter gemacht hat. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie unterschreiben etwas, ohne es gelesen zu haben!)

Ich möchte weiters noch darauf hinweisen, dass ich diesen Prozess in allen zwei Instanzen gewonnen habe (Hört-Hört-Rufe bei der SPÖ) und zusätzlich 50 000 S als Schadenersatz von der FPÖ bekommen habe. Diesen Betrag habe ich selbstverständlich der "Selbstbestimmt-Leben"-Bewegung in Österreich zur Verfügung gestellt. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!) Ich glaube, wenn es mir gelingt, weitere Prozesse gegen die Freiheitlichen mit diesem Ergebnis einzufahren, dann können wir auch in der "Selbstbestimmt-Leben"-Bewegung gut arbeiten, weil wir damit regelmäßiges Kapital haben. (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ.)

19.54

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Abgeordneter Öllinger. Ihre Restredezeit, Herr Abgeordneter, beträgt maximal 3 Minuten. (Abg. Haigermoser: Öllinger, mach’s kurz! – Abg. Öllinger  – auf dem Weg zum Rednerpult –: 3 Minuten!)

19.54

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Rede des Fuchsmajors oder Kameraden Graf nun zu einem anderen Kollegen der Freiheitlichen Partei.

Der Rede des Kollegen Ortlieb entnehme ich drei Erkenntnisse, und die möchte ich Ihnen durchaus noch einmal in Erinnerung rufen.

Erste Erkenntnis des Kollegen Ortlieb: Er fühlt sich sehr wohl in seinem Klub, in einem Klub, der ihn, bevor er ihn aufgenommen hat, hat bespitzeln lassen.

Zweite Erkenntnis des Kollegen Ortlieb: Er ist verwundert darüber, dass im Parlament den ganzen Tag über Menschenrechte diskutiert wird. – Herr Kollege Ortlieb, ich verstehe schon, dass Sie etwas lieber hier über den Abfahrtslauf in der Sierra Nevada oder in Albertville diskutieren würden oder über Ihren Sturz in Kitzbühl – aber das ist ein Parlament! Das ist ein Parlament, in dem über Menschenrechte in diesem Land diskutiert werden muss (Beifall bei den Grünen und bei der SPÖ), und zwar ausgiebig diskutiert werden muss, vor allem dann und deswegen, weil Sie noch eine dritte Erkenntnis zum Besten gegeben haben.

Die dritte Erkenntnis von Ihnen heißt nämlich laut APA: Der FPÖ-Abgeordnete Ortlieb stellte zur Spitzelaffäre fest – Zitat Ortlieb –:

"Die Medien bedienen sich dieser Mittel. Da wird auch nicht diskutiert. Bei uns" – Freiheitlichen – "wird das ein Skandal der Sonderklasse." – Das ist das Zitat von Ihnen.

Da, Herr Ortlieb, stelle ich zu Ihrer Erkenntnis fest: Wir haben zum ersten Mal in der Rede eines Abgeordneten der Freiheitlichen Partei hier in diesem Haus – nicht über ein Medium wie "News", nicht über einen Zwischenruf wie den des Abgeordneten Wattaul, sondern durch eine Rede eines freiheitlichen Abgeordneten – den Beweis, den indirekten Beweis dafür erhalten, dass die Freiheitliche Partei Spitzelaktivitäten durchgeführt hat. (Abg. Dr. Krüger  – demonstrativ über den Kopf mit der rechten Hand zum linken Ohr greifend –: Na das ist eine Argumentation!) Worüber Sie sich aufregen, Herr Abgeordneter Ortlieb, ist ja nur, dass man sich bei den Medien nicht aufregt, sondern nur über die Freiheitliche Partei diskutiert wird. Das verstehen Sie nicht. Ich sage Ihnen, Herr Abgeordneter Ortlieb: Wenn Sie das nicht verstehen, dann sind Sie in diesem Parlament wirklich fehl am Platz. (Abg. Dr. Krüger: Sei nicht so hochmütig da unten!) Aber diskutieren wird man darüber noch dürfen.

Ich sage an die Adresse der Freiheitlichen auch ganz ernst: Sie sollten sich überlegen, was Sie hier in diesem Haus noch alles an Erkenntnissen zum Besten geben (Abg. Dr. Martin Graf: Ist


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das eine Drohung? Wollen Sie mir drohen? Ich werde hier sagen, was ich mir denke! Ich lasse mir nicht vorschreiben, was ich hier sagen darf!), denn wenn schon Ihre Abgeordneten durch Zwischenrufe oder durch Wortspenden zu erkennen geben, dass diese Freiheitliche Partei in die Spitzelaffäre involviert ist (Abg. Haigermoser: Vorzensor!), dann wundert mich umso mehr, dass Sie sich dem Untersuchungsausschuss verweigern, dass Sie nicht darüber diskutieren wollen, nicht untersuchen wollen, dass Ihre Freiheitliche Partei und Ihre Spitzenrepräsentanten – Ihre Spitzenrepräsentanten, Herr Haigermoser –, Ihre Vorgesetzen in der Freiheitlichen Partei, im Kommunikationsbüro ganz offensichtlich in die größte Spitzelaffäre dieser Republik verwickelt sind.

Sie haben die Gelegenheit, heute noch einmal zum Thema Untersuchungsausschuss Stellung zu nehmen. (Abg. Ing. Westenthaler  – dem Abg. Öllinger ein Handy hinhaltend –: Öllinger, Telefon! Da! Telefon!) Sie haben die Möglichkeit, Herr Westenthaler, das, was Ihr "einfaches Parteimitglied" aus Kärnten mitgeteilt hat, nämlich einen Untersuchungsausschuss durchzuführen, hier auch ernst zu nehmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Vielleicht hören Sie besser auf! Es horcht Ihnen niemand zu!)

Aber eines sage ich Ihnen schon: Mit der Nonchalance, mit der Sie darüber hinweggehen wollen, dass Ihre Partei in die größte Spitzelaffäre verwickelt ist, werden Sie nicht durch die nächsten Wochen kommen, Herr Westenthaler. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.58

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich als Nächste Frau Abgeordnete Petrovic. – Bitte. (Oh- und Ah-Rufe bei den Freiheitlichen.)

19.58

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Hohes Haus! (Abg. Haigermoser: Frau Kollegin, nehmen Sie Ihren Spitzel mit! – Abg. Achatz: Nehmen Sie Ihren Spitzel mit!) Zur vorangegangenen GenossInnen-Debatte fällt mir sehr instinktiv nur das Wort Leidensgenossen und -genossinnen ein.

Ich finde es ja ganz gut, dass insbesondere Minister Molterer diese Debatte hört – vielleicht ist diese Vertretung durchaus auch ein Glücksfall –, und ich konstatiere auch, dass ich den Eindruck habe – ich kann mich natürlich irren –, dass sich der Herr Klubobmann Khol bei dieser Thematik mit seinem Koalitionspartner nicht mehr sehr wohl fühlt. (Abg. Dr. Khol beugt sich demonstrativ lächelnd zu Abg. Ing. Westenthaler und spricht mit diesem.) Aber ich muss sagen: Sie haben sich das selbst eingebrockt (Abg. Ing. Westenthaler: Nur kein Mitleid!), und es wäre wahrscheinlich für dieses Haus und für diese Land das Beste, wenn wir uns daranmachten, diese Suppe in der Form auszulöffeln, dass wir rasch Aufklärung im Rahmen eines Untersuchungsausschusses schaffen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! In der Frage Menschenrechte ist natürlich das zentrale Thema: Wie viel Freiheit haben Menschen in diesem Land, sich zu äußern, ihre Meinung zu artikulieren, eine andere Meinung zu haben als die Regierenden, dafür allerorts eintreten zu können, das schreiben zu können, ohne Angst haben zu müssen, dass sie dafür Nachteile zu erleiden haben? Da gibt es in der Tat eine lange Entwicklung in diesem Lande, die dieses Recht manchen Menschen nicht zugesteht, und es gibt diese Praxis, Daten, Informationen über Menschen zu sammeln, deren Meinung Ihnen von den Regierungsparteien, vor allem von der Freiheitlichen Partei, nicht angenehm ist, diese Praxis, Datensammlungen anzulegen, Dossiers in petto zu haben. Man könnte sie ja einmal brauchen.

Dieser Druck, diese Nötigung ist, jedenfalls wenn es oberste Organe betrifft und wenn dieses Material tatsächlich angesammelt wird, um es einzusetzen – zum Beispiel gegen einen Innenminister, der Teilen des eigenen Ressorts offenbar nicht genehm war, wie Caspar Einem –, ein ganz schwerwiegendes Delikt. Und da die Strafdrohung für dieses Delikt bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe beträgt, sind auch alle diese Handlungen, jedenfalls soweit sie oberste Organe betreffen, nicht verjährt. (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)


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Das heißt, wenn in der Veröffentlichung von Kleindienst vielleicht auch die Überlegung der eigenen Strafbarkeit eine Rolle gespielt hat, so ist sie in Bezug auf die Recherchen über Künstlerinnen und Künstler möglicherweise nicht mehr gegeben, in Bezug auf ehemalige Regierungsmitglieder aber ist sie gegeben, und ich denke – und es ist mir wichtig, das hier von diesem Redepult aus zu sagen –, es wird zu ermitteln sein, ob es einen Druck gegen oberste Organe gab, indem man Datenmaterial angesammelt hat, indem man Drogendelikte oder eine Unterstützung von nicht rechtskonformen Handlungen unterstellt hat. Das ist strafrechtlich relevant, doch es scheinen sich manche der Tragweite dieses Delikts noch nicht ganz bewusst zu sein. Daher werde ich den Innenminister auch noch einmal gesondert auf diesen Umstand der Nichtverjährung aufmerksam machen, damit wir hier jedenfalls auf Nummer Sicher gehen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm. )

Aber auch das Material, das hier vorhanden ist, und auch das, was Sie vorhin mit Kollegin Haidlmayr versucht haben, illustriert diese Methoden wirklich deutlich. Es wird aus einem Vorfall irgendein Umstand, irgendetwas, vielleicht ein Satz aus einem Akt, herausgerissen, und zwar in einer Situation, in der sich die Vorwürfe gegen Sie richten, da ein ehemaliger freiheitlicher Funktionär ausgepackt hat, gesagt hat: Ja, ich habe auch mitgewirkt am widerrechtlichen Zusammentragen von Daten, und es waren auch andere, die das gemacht haben.

Dann stellt sich sehr wohl die Frage – und insofern, Herr Dr. Khol, sind Sie im Unrecht; es geht überhaupt nicht nur um die strafrechtliche Verantwortung; das ist ein Aspekt, und er betrifft diejenigen, die möglicherweise ohne die entsprechende Berechtigung in Datenregister Einsicht genommen und die Daten herausgenommen haben; aber es gibt einen ganz anderen Punkt, der muss strafrechtlich nicht relevant sein, er ist aber jedenfalls politisch relevant –: Warum haben sie das getan? Warum? (Abg. Dr. Khol: Anstiftung!) Wenn es eine klare Anstiftung ist, dann wäre es wohl auch strafrechtlich relevant. (Abg. Dr. Khol: Das habe ich gemeint!) Aber wir haben doch zu klären: Was war die Intention? Hat man hier Daten auf Vorrat angelegt, um zum Beispiel in einem Wahlkampf eine bestimmte Person – unter Anführungszeichen – "abzuschießen"? Vielleicht haben Leute auch in vorauseilendem Gehorsam gehandelt, um sich vielleicht irgendwie das Wohlwollen bestimmter Parteiobleute zu sichern.

Das gilt es zu klären. Ich kann nicht annehmen, dass einige Polizisten von sich aus anfangen, Daten zu sammeln, und zwar just über ein paar grüne Abgeordnete, ein paar SPÖ-Abgeordnete, auch ein paar freiheitliche Abgeordnete, ein paar KünstlerInnen, JournalistInnen. Ich kann nicht annehmen, dass die das einfach so für sich anlegen, so als Hobby, sondern dieses Verhalten hat doch einen ganz klaren politischen Absender: Das ist im Interesse der Freiheitlichen Partei geschehen. Wer waren die Auftraggeber? – Diese Frage muss hier geklärt werden – jenseits der strafrechtlichen Verantwortung.

Wir werden, solange diese Vorwürfe im Raum stehen, nicht wieder zu einer normalen Arbeit in diesem Hause kommen. (Abg. Dr. Martin Graf: Ihr unterschreibt alles ungelesen!) Dass das alles sehr wohl mit der Menschenrechtssituation zu tun hat, das geht schon lange zurück. Eigentlich sind die Belege, dass hier das Recht gebrochen wurde, und zwar immer in einer politischen Intention, wirklich auch aus den Protokollen dieses Hauses greifbar, so etwa wenn der Abgeordnete Dr. Haider – damals eben in seiner Funktion als Abgeordneter – im Zusammenhang mit den Ermittlungen nach den Morden von Oberwart gesagt hat, dass im Unterschied zur öffentlichen Behauptung im Sicherheitsapparat bestimmte Evidenzen vorliegen, die eben vom zuständigen Minister verheimlicht worden seien. – Jörg Haider am 23. April 1996. Was hatte da der Abgeordnete Haider für Evidenzen aus dem Sicherheitsapparat, die der Minister nicht an die Öffentlichkeit brachte?

Oder: Es ist immer wieder unterstellt worden – auch an die Adresse von Briefbombenopfern wie Kollegin Stoisits –, sie seien es selbst gewesen, die letztlich in einem Dunstkreis mit den Tätern stünden. Es ist hier immer wieder behauptet worden – es war Abgeordneter Stadler, der sich da besonders hervorgetan hat –, dass es hier Konnexe gäbe. Stadler hat nicht einmal davor zurückgeschreckt, das in Anfragen zu unterstellen, auch etwa gegen Universitätsdozent Dr. Gombocz. Da sind Menschen offenbar auf Grund von polizeiinternen Daten, die der Öffentlichkeit


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nicht zugänglich waren, angeschwärzt worden, und zwar in einer ganz bestimmten politischen Intention: um die Nebelwerfer auszufahren.

Und wenn dann etwa jemand wie der Herr Pretterebner, der ja eine Zeitlang für Sie, die Freiheitlichen, im Parlament gesessen ist, in seinen damaligen Postillen schreibt, dass die Spur nach links weist und dass die Briefbomben-Causa im grünen Milieu angesiedelt sei, dann frage ich Sie: Was ist da passiert? – Das waren damals dieselben Datenmissbrauchsmethoden, und der Zweck war ein ganz klarer: sie gegen politische Gegner, noch dazu in einer schamlosen und missbräuchlichen Art, zu instrumentalisieren. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf.) Ja, das ist unglaublich, und deswegen muss es aufgeklärt werden.

Und es ist so weitergegangen. In einer Presseaussendung der Freiheitlichen, des Abgeordneten Graf, vom 10. Mai 1995 wurden Aussagen über die SP-Abgeordnete Bruni Fuchs und über deren Aufenthaltsorte getroffen. Meine Frage: Woher? Ich nehme nicht an, dass Herr Abgeordneter Graf an bestimmten Orten Wache gehalten und das selbst erhoben hat. Meine Frage: Aus welchen Aktenordnern, aus welchen Materialien ist denn das?

Oder: Presseaussendung der Freiheitlichen, Haider, 5. Mai 1995: Weshalb hat die EBT im Sicherheitsbüro ermittelt? Wieder gestützt auf Akten und Datenmaterial.

Und das reicht Ihnen immer noch nicht für einen Untersuchungsausschuss? – Es ist ganz evident, dass hier sicherheitspolizeiliche Daten in freiheitlichen Büros zusammengetragen, angehäuft und gegen politisch nicht opportune Menschen eingesetzt worden sind. Schon bisher! Und Sie tun das weiter.

Meine Damen und Herren! Das hat aber noch einen viel intensiveren Zusammenhang mit den Menschenrechten, und zwar mit dem Teil, bei dem wir auch verstärkt mit der europäischen Wachsamkeit zu rechnen haben. Dabei geht es einmal mehr um die Frage der Rechte von Migrantinnen und Migranten, von Flüchtlingen. Auch da war es immer wieder die Freiheitliche Partei, die sehr wohl in einen gewissen Dunstkreis geraten ist oder sich zu menschenrechtswidrigen Handlungen und Äußerungen begeben hat. Von Anbeginn an zieht sich das durch. Wenn Sie von den Freiheitlichen immer einen Konnex mit dem Vorwurf "rechtsextrem" so heftig zurückweisen, dann stelle ich Ihnen in aller Form die entsprechenden Fragen.

Es waren damals, im Jänner 1993, die Freiheitlichen, die ein Volksbegehren gegen Ausländerinnen und Ausländer gestartet haben. (Abg. Dr. Martin Graf: Für Österreich! Für Inländer!)  – Ja, ja. Das hat sich damals so gelesen, aber in eindeutig rechtsextremen Postillen hat es dann geheißen – ich zitiere die AFP –: Wir gehen hin. (Die Rednerin hält eine Ausgabe der Zeitschrift "AFP" mit der Schlagzeile "Wir gehen hin" in die Höhe.) Wir tragen das politisch mit. – Kein Konnex zwischen Ihnen und den Rechtsextremen? Waren das keine Taten? – Ich kann Ihnen sagen, alle, die sich für Flüchtlinge und AusländerInnen engagiert haben, haben das gespürt: zunächst nur in Drohbriefen, aber schließlich dann ab dem Dezember 1993 auch in Wellen von Briefbomben. Diesen Konnex können Sie nicht abstreiten, der ergibt sich schwarz auf weiß.

Oder: Es sind damals in rechtsextremen Schriften – in Bezug auf Zuwanderung, in Bezug auf Asyl und in Bezug auf das damalige freiheitliche Volksbegehren – gerade auch Worte gefallen, über die Sie vor wenigen Tagen so empört waren. (Die Rednerin hält eine Ausgabe der Zeitschrift "Huttenbriefe" in die Höhe.) Ich zitiere:

Seitdem der Obmann der Freiheitlichen Partei Österreichs der Regierung ein Ultimatum gestellt hat, die Mindestforderungen zur Eindämmung des Asylantenstromes zu erfüllen – ich lasse jetzt einen Halbsatz aus –, ist Feuer am Dach! (Abg. Großruck: Das Ganze lesen! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich kann Ihnen gern den ganzen Satz vorlesen: Seitdem der Obmann der Freiheitlichen Partei Österreichs der Regierung ein Ultimatum gestellt hat, die Mindestforderungen zur Eindämmung des Asylantenstromes zu erfüllen, die FPÖ im anderen Falle ein Volksbegehren zur Ausweisung sämtlicher Asylanten anstrengen wird, ist Feuer am Dach! – Zitatende.


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Und dann sind tatsächlich Bomben gekommen! Das war ein realer Konnex, und den können Sie nicht von der Hand weisen. Das hat mit den Menschenrechten zu tun, und Sie hören ja nicht auf! Das hat 1993 nicht aufgehört! (Abg. Mag. Trattner: Wissen Sie, wovon Sie reden?) Ich lese in der morgigen Ausgabe von "NEWS" die Worte des einfachen Parteimitglieds, der nach der steirischen Wahlschlappe sagt: Ja, wir werden wieder auf diese Themen setzen müssen! – Und wir haben einen Wiener Wahlwerbenden, der in Ausländerinnen-Bordellen mit fragwürdigen Vorwänden aus und ein geht. "Sicherheitsüberprüfungen" macht er dort (Abg. Großruck: Wieso wissen Sie das?!)  – und deckt damit möglicherweise Menschenhandelspraktiken.

Das heißt, er leistet einen Beitrag zur Unterdrückung von Menschenrechten, und zwar in der schäbigsten Art und Weise, wie das überhaupt nur vorstellbar ist. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Jung: Für einen Psychologen sind Sie ein interessantes Thema!)

Bitte das zu protokollieren: Ich sei ein interessanter Fall für einen Psychologen. – Das sind genau Nazi-Methoden! Das sind Nazi-Methoden! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Lebhafter Widerspruch bei den Freiheitlichen. – Rufe: Unglaublich! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Unruhe im Saal.)

Wenn Ihnen jemand eine sehr harte Kritik auf den Kopf zusagt, dann kommen Sie mit Vorwürfen wie, diese Person sei psychisch nicht gesund oder, wie in Bezug auf den Kollegen Pilz, er habe etwas eingenommen; mehrmals wurde das gesagt. Herr Dr. Khol! Das sind Nazi-Methoden, und wenn Ihnen der Rechtsstaat etwas wert ist, dann trachten Sie, das einzustellen in diesem Hause! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Nehmen Sie das zurück! Nehmen Sie das sofort zurück!)

Ich höre nicht auf, da fortzusetzen. 1993 war Ihr Volksbegehren, und die schrecklichen Taten gegen Ausländerinnen und Ausländer und auch gegen diejenigen, die mit ihnen solidarisch waren und sind, sind nicht abgerissen.

Oder (neuerlich eine Zeitschrift in die Höhe haltend): auch eine rechtsextreme Postille: "Die Fakten" – das Ehepaar Rosenkranz dürfte Ihnen bekannt sein. Darin findet sich Folgendes, und das wird kolportiert als ein Satz von der Straße, den man halt so auffange, und zwar in Bezug auf die Aktion "Nachbar in Not": Ist der letzte Jugo tot, gibt’s keinen Nachbarn mehr in Not! – So hat man es dann gelesen, und die Migrantinnen und Migranten, die Hilfsorganisationen, die haben es zu spüren bekommen.

Und wie heißt es hier weiter? Da werden genau diese bekannten Vorurteile und diese Neidgefühle geschürt, wenn es etwa heißt: Fast keiner von denen – ich betone: denen  – wird wieder zurück in seine Heimat gehen. Sie haben ja hier alles. Jeder hat sein Auto, TV und nach und nach auch die gleichen Wohnungen wie wir. – Schrecklich!

Und weiter heißt es hier: Wer sind die künftigen Wiener? Kinder und Jugendliche, die nicht erzogen werden und die unbeaufsichtigt zwölf Stunden täglich wie die Spatzen auf der Straße herumhüpfen, die keine Erziehung, weder die ihrer Eltern noch unsere, erfahren und in zahlreichen Klubs und Bordellen den letzten Schliff zu Banditen, Dieben und Erpressern bekommen.

Das ist das politische Umfeld! (Abg. Gaugg: Von wem?) Das ist die politische Saat! (Abg. Mag. Trattner: Von Ihnen!) Das sind rechtsextreme Postillen, die Ihrem Volksbegehren zugejubelt haben: Endlich! Das Ausländer-Volksbegehren ist da! – Aber es gibt "keinen Konnex" zu Ihnen. Oder lese nur ich diese Zeilen so? Ist das auch ein Fall für den Psychologen? Oder wie ist das zu deuten? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Trattner: Nehmen Sie das zurück! Sie glauben, Sie können sich alles erlauben! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es gäbe viele Gründe dafür – gerade jetzt angesichts der Ankündigung, den Wiener Wahlkampf wieder unter diesem Vorzeichen zu starten –, dass Sie sich schleunigst der Menschenrechtsthematik annehmen, bevor wieder Unrecht passiert. Und ich schließe mit einem Satz, den Herr Dr. Haider selbst im Rahmen eines Wahlkampfes von sich


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gegeben hat. (Abg. Mag. Trattner: Lesen Sie einmal den Bericht der "drei Weisen"! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das ist ein Satz, den vielleicht die "drei Weisen" nicht gelesen haben, der sich aber genau so auch in den Bekennerbriefen zu den Briefbomben findet. Er lautet:

Wir haben doch nicht die Türkenkriege vor Hunderten Jahren erfolgreich geführt, um auf Umwegen hier eine Veränderung herbeizuführen. – Zitatende.

Das ist die klassische Provokation der von Ihnen plakatierten – unter Anführungszeichen – "Überfremdungsgefahr".

Herr Dr. Khol! Wenn Sie trotz all dieser Zeichen keinen Grund sehen, einerseits einem Menschenrechtsantrag des Kollegen Posch zuzustimmen und andererseits eine Untersuchung über die Bespitzelung einzuleiten, dann besteht, wie ich meine, ernste Gefahr für den Rechtsstaat Österreich. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler.

Ich möchte dazu sagen – auch wenn die Zeit bereits etwas vorgeschritten ist –: Wir haben heute noch einiges vor uns, und ich glaube, es ist ein Anlass, darüber nachzudenken, wie wir das sprachlich durchführen, nicht nur organisatorisch. Frau Abgeordnete Petrovic! Wir waren bei Ihrem Redebeitrag einige Male ganz hart an der Grenze eines Ordnungsrufes. (Abg. Mag. Trattner: Sagen Sie das der Frau Petrovic, Herr Präsident! Unglaublich, was die aufführt! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir haben uns vorgenommen, mit Ordnungsrufen sehr sparsam umzugehen. Es soll nicht so sein, dass wir bei jedem zweiten Wort einen Ordnungsruf erteilen. Aber ich bitte alle, auf Grundlage dieser Wortmeldung in Zukunft bei den einzelnen Redebeiträgen mehr Zurückhaltung zu üben! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fischer  – in Richtung der Parlamentsstenographen –: Haben Sie "Stalinismus" protokolliert? Ich habe es gerade gehört! – Weitere Zwischenrufe. – Unruhe im Saal.)

Bitte, Herr Abgeordneter Westenthaler, Sie sind am Wort!

20.19

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Sicherheit werden die ganz unglaublichen Unterstellungen und Ausführungen der Frau Kollegin Petrovic – wie auch anderes aus der heutigen Sitzung – Thema der nächsten Präsidialsitzung sein. Auch der Herr Präsident hat das bereits festgestellt.

Ich erinnere mich im Zusammenhang mit den Ausführungen der Kollegen Öllinger, Petrovic, Pilz und anderer – auch im Zusammenhang damit, dass die sozialdemokratische Fraktion ihre Kollegen von der grünen Fraktion immer mit donnerndem Applaus bedenkt – an ein Erlebnis. (Abg. Dr. Mertel: Wir werden wohl noch klatschen dürfen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Hören Sie mir einmal zu, an was ich mich dabei erinnere!

Ich war ein Jahr lang im Wiener Gemeinderat. 1991 bin ich hineingewählt worden, und im Jahre 1992 hat sich im Wiener Gemeinderat unter der Führung von Bürgermeister Zilk und Vizebürgermeister Hans Mayr, einem Doyen der Sozialdemokratie, folgende Situation abgespielt. Es war 4 Uhr früh. Der Abgeordnete der Grünen Jean Margulies hat eine Rede gehalten, und er hat sich darüber beschwert, dass er von den Sozialdemokraten schlecht behandelt wird.

Das "profil" berichtete über diesen Vorfall am 9. März 1992 wie folgt: Jean Margulies von den Grünen Alternativen hatte sich am Ende eines langen Tages im Wiener Stadtparlament gegen vier Uhr früh fast ein wenig weinerlich bei Hans Mayr beschwert, dass dieser ihn nicht leiden könne. Er, Margulies, versteht das nicht. Der um Liebe und Anerkennung werbende Alternative


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erhielt prompt eine Antwort. Das kann ich Ihnen erklären, donnerte der ungnädige sozialdemokratische Stadtvater Hans Mayr ins Plenum, und er führt dann wortwörtlich aus: Wären Sie in Ihrer Jugend politisch erfolgreicher gewesen, dann wäre ich heute in Sibirien. – Zitat Hans Mayr. (Abg. Mag. Wurm: Na und? Was soll das?!)

Mayr spielte damit auf die kommunistische Aktivität und Vergangenheit von Jean Margulies als Funktionär, als kommunistischer Funktionär an. Jean Margulies hatte in dieser Zeit als kommunistischer Funktionär in derselben Organisation einen Mitstreiter an seiner Seite, und dieser Mitstreiter hieß Karl Öllinger. (Oh- und Ah-Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Öllinger, Frau Petrovic – besonders nach Ihren heutigen Ausführungen – und Herr Pilz! Herr Präsident Fischer! Herr Pilz hat dieses Haus, hat das Präsidium dieses Hauses – Herr Präsident Fischer, ich schaue Ihnen hier jetzt auch einmal in die Augen –, hat diesen Nationalrat und sein Präsidium hier mit dem terroristischen System des Herrn Milošević verglichen – aber Sie waren bis jetzt nicht in der Lage, diesen ungeheuerlichen Angriff auf diese demokratische Einrichtung, auf dieses Parlament in die Schranken zu weisen! Das finde ich ungeheuerlich, Herr Präsident Fischer, dass Sie dazu noch immer nichts gesagt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ. – Abg. Edlinger: Ungeheuerlich!)

Völlig klar ist: Es ist Methode, was die Grünen machen. Es ist Methode! Und diese Methode, die hier stattfindet, ist eine Methode, die ein Ziel hat: die Schwächung des Staates, seiner Einrichtungen und seiner Ordnung (Abg. Edlinger: Lächerlich!), aber wir als Demokraten werden das niemals zulassen. Das kann ich Ihnen auch garantieren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es gibt hier im Hause die Unterstellung “Milošević-Methoden”, es gibt eine ehemalige Klubobfrau namens Petrovic, die uns "Nazi-Methoden" vorwirft, ferner den ehemaligen KPÖ-Funktionär Öllinger, den ich vorher schon zitiert habe, und den Grün-Abgeordneten Pilz, der in Interviews zu seiner Einstellung zum Staat Folgendes sagt – Zitat aus der Zeitschrift "Grün" –:

Wie sieht für dich die Utopie einer funktionierenden Gesellschaft aus?, wird Pilz gefragt. Und Pilz antwortet: Das schaut so aus, dass es keinen Staat gibt, das ist einmal das Erste, denn dieses Gewaltinstrument Staat darf es nicht mehr geben! – Das sagt dieser Abgeordnete, der hier in diesem Hause sitzt.

Und jetzt wird es interessant. Dann wird er zur Polizei, zu seiner Einstellung zur Polizei befragt, wobei er ja heute wieder sehr aktiv ist, wenn es darum geht, eine Berufsgruppe in Bausch und Bogen zu diffamieren. Es ist gut, wenn man den Hintergrund weiß. Herr Pilz antwortet – ebenfalls in dieser Zeitschrift – auf die Frage nach seiner Einstellung zur Polizei und warum die Polizei sein Feindbild sei:

Ich halte es für sehr wichtig, dass es eine Entwaffnung der Polizei gibt. Ich halte das für eine ganz zentrale Forderung. Warum muss jeder Kiberer eine Krachen haben? – Wörtliches Zitat.

In "Die ganze Woche" Nummer 28/1989 gibt Pilz eine Anregung. Er fordert, dass Polizisten in die Uniform eingenähte Namensschilder tragen müssen, um sie besser eruieren zu können. Das ist die Einstellung des Herrn Pilz zur Exekutive! – Und wenn man diese Einstellung kennt, dann muss man schon sehr vorsichtig sein, wenn er hier herausgeht und einen gesamten Berufsstand niedermacht, eines Spitzelskandals verdächtigt, aber keinen einzigen Beweis dafür auf den Tisch legt. Das ist der wahre Skandal, Herr Abgeordneter Pilz, dass Sie keinen Beweis auf den Tisch legen können! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Aber es geht noch weiter, wenn man hier Herrn Pilz ein wenig analysiert. Weil Sie von der SPÖ ihm so applaudieren, möchte ich darauf hinweisen, Herr Pilz hat ja auch eine Geschichte innerhalb der SPÖ. Er wurde der SPÖ in seiner Studentenzeit zu radikal und wurde aus dem Verband Sozialistischer Studenten Österreichs wegen "Linksabweichlertum" ausgeschlossen. (Ironische Heiterkeit und Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenberger.  – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Die Zeitschrift "profil" berichtet am 19. Oktober 1992 Folgendes – ich zitiere –: Unter seinen Gegnern ist Pilz als steirischer Psychofaschist verschrien, da Pilz nach seinem Ausschluss aus dem VSStÖ 1977 wegen "trotzkistischer Abweichungen" eine neue politische Heimat bei der Gruppe "Revolutionärer Marxisten" gefunden hat. – Zitatende. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den
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Freiheitlichen.)

Das ist hervorragend! Und dieser Mann will uns hier erklären, was bei der Polizei zu geschehen hat? – Nein, das nehme ich nicht ernst, Herr Kollege Pilz! Sie haben überhaupt nicht das Recht, sich mit so einer Geschichte hier herzustellen und entsprechende Ratschläge und Tipps zu geben! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Edlinger: Da ist die Burschenschaft vom Herrn Graf schon besser!)

Wenn man all das hernimmt, wenn man all das analysiert, wenn man zum Beispiel die Vergleiche des Herrn Pilz betrachtet, etwa wie er dieses Haus mit dem Milošević-Regime vergleicht, wenn man seine Einstellungen, die er von sich gibt, berücksichtigt, Herr Pilz, der vom "profil" als "Psychofaschist" tituliert wird, der einen Kollegen Öllinger und eine Kollegin Petrovic hat, die von "Nazi-Methoden" spricht – all das zusammen zeigt mir nur ... (Abg. Edlinger: Das hat er nicht gesagt! Sie kriegen ja einen Ordnungsruf nach dem anderen!)

Oder wenn man den Herrn Öllinger hier stehen sieht und verfolgt, mit welch abgrundtiefem Hass er gegenüber Menschen anderer politischer Einstellung von diesem Rednerpult aus vorgeht, wenn man sich das genau ansieht, dann kann man Sie nur warnen, Herr Kollege! (Abg. Dr. Wittmann: Diffamierend! Ihnen steht das Wasser bis zum Hals!) Politischer Hass als einzige Kategorie der Diskussion darf nicht Ihre einzige Triebfeder sein. Wenn das die einzige Triebfeder wäre, dann würde das zu einer fatalen politischen Entwicklung führen, die schon mehrmals ins Chaos geführt hat, zu einer Entwicklung, die wir nicht wollen.

Sie haben nicht das Recht, hier Menschen, die eine andere politische Einstellung als Sie haben, die demokratiepolitische Legitimität abzusprechen (Abg. Edlinger: Das hat er schon!), und Sie haben nicht das Recht, auch nur einen einzigen Abgeordneten hier demokratiepolitisch verächtlich zu machen, denn jeder hier in diesem Hause hat seinen Beitrag zur Demokratie geleistet beziehungsweise leistet ihn mit seiner Arbeit, die er hier tut. Daher haben Sie nicht das Recht, Menschen in diesem Haus zu diffamieren!

Ich sage Ihnen das ganz deutlich, Herr Kollege Öllinger, Frau Kollegin Petrovic und Herr Kollege Pilz: Nach diesen skandalösen Ausritten, die Sie sich heute hier geleistet haben, bin auch ich sehr froh darüber, dass Sie in Ihrer Jugend nicht erfolgreicher waren und auch heute nicht sind, sondern weniger erfolgreicher sind als andere. Sonst müssten sich nämlich viele Menschen viele Gedanken machen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.29

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.29

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit viel Liebe, Herr Abgeordneter Westenthaler, werde ich versuchen, die tatsächliche Berichtigung zu Ihrem Beitrag zu machen, der von Widersprüchen und unwahren Behauptungen gestrotzt hat.

Sie haben behauptet, dass ich im Jahre 1992 gemeinsam mit dem Abgeordneten Jean Margulies Mitstreiter in einer kommunistischen Organisation gewesen sei. (Abg. Ing. Westenthaler: Das habe ich nicht behauptet!) Sie haben behauptet, dass ich Funktionär der KPÖ (Abg. Ing. Westenthaler: Bei der Gewerkschaftlichen Einheit!) und einer kommunistischen Organisation gewesen sei. (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist mit der GE, der Gewerkschaftlichen Einheit? Sind Sie dort noch Funktionär?)

Beide Behauptungen sind unwahr und entsprechen nicht den Tatsachen! Ich war nicht Mitglied einer kommunistischen Organisation, auch nicht der KPÖ. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich sage Ihnen allerdings dazu, dass Kollege Jean Margulies zu dem Zeitpunkt, zu dem er mit dem Herrn Mayr diesen Disput hatte, auch nicht Mitglied einer kommunistischen Organisation war, weil er im Jahre 1968 aus der Kommunistischen Partei und Bewegung ausgetreten ist, und zwar aus Gewissens- und politischen Gründen, für die Ihnen die Einsicht wahrscheinlich immer fehlen wird. (Abg. Haigermoser: Während der Zeit des Stalinismus hat er eine Heimat gefunden! In der stalinistischen Zeit hat er das Ganze mitgetragen!)

Er hat eine Entwicklung vorgenommen, aber Ihnen ist ...

20.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter, ich muss Sie leider unterbrechen. Sie kennen die Bestimmungen über tatsächliche Berichtigungen. Diese dienen nicht der Argumentation, sondern nur der Richtigstellung.

(Beifall bei den Grünen und der SPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Öllinger. )

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte. (Abg. Haigermoser: Ah, Trotzkist war er, nicht Kommunist! "Linksabweichler"! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

20.31

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt seltene Momente in diesem Hause, in denen Abgeordneter Westenthaler völlig in Gedanken versunken vor sich hin sinniert. Dann wirkt er merkwürdig entspannt, und oft wird sein Gesicht dann umschmeichelt von einem bubenhaften Lächeln. Man sieht dann manchmal, wie dieses Gesicht aussehen könnte, wenn es sich beim Anblick der Opposition, bei der Kritik an der Freiheitlichen Partei nicht immer wieder so fürchterlich verzerren würde.

Herr Abgeordneter Westenthaler! Denken Sie ab und zu in diesem Plenum nicht an Öllinger, nicht an Margulies, nicht an Gusenbauer, nicht an Edlinger, nicht an mich, sondern denken Sie an etwas Schönes! An Blumen, an ein Rehlein, an ein einheimisches Rehlein, an irgendetwas Schönes! (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Entspannen Sie sich! Sie brauchen diese Entspannung, denn in den nächsten Wochen und Monaten wird noch sehr viel auf Sie zukommen; und Sie wissen das ja viel besser als wir. Wenn jemand weiß, was auf ihn zukommt und was ihn wieder ein bisschen verspannen wird, dann sind das ja nicht wir, sondern Sie, Herr Kollege Westenthaler, als ehemaliger Kopf der "Kombo", des "Kommunikationsbüros". – Ich kann nichts dafür, dass es so heißt, das ist Ihre Erfindung. – Gut. (Abg. Edlinger: Wie hat das geheißen?)  – "Kombo".

Zu Ihrem Vorwurf der Diffamierung der österreichischen Exekutive sei hier nur eines festgehalten: Ja, es sind anständige, untadelige österreichische Polizeibeamte, die derzeit einen Großteil der Ermittlungsarbeit gegen die Freiheitliche Partei tragen, und es ist sehr, sehr wichtig, diese Beamten vor allen Diffamierungen zu schützen und ihnen eine unbeeinflusste, saubere und seriöse Arbeit zu ermöglichen.

Was für Journalisten gilt, was für Politiker gilt, wird auch für die Beamten der Exekutive gelten. – Ich kann mir schon vorstellen, dass Sie sich vor ein paar Jahren noch nicht wirklich überlegt haben, dass einmal Sie von der FPÖ es sein könnten, gegen die ermittelt wird. Es muss für eine Partei, die immer von Recht und Ordnung gesprochen hat, ein eigenartiges Gefühl sein, wenn plötzlich eine Sonderkommission ermittelt, und zwar nicht gegen irgendwen, sondern in eine ganz bestimmte Richtung, und die hat drei Buchstaben: FPÖ – und keine anderen. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Abgeordneter Westenthaler! Sie können der Spitzelaffäre natürlich entgegenhalten, Hans Mayr habe vor knapp zehn Jahren spät in der Nacht in einer Gemeinderatssitzung Jean Margulies kritisiert. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Das wird schon stimmen! Ich könnte Ihnen erzählen, wie oft Hans Mayr mich kritisiert hat, und er ist dabei nicht immer sehr leise gewesen! Nur: Warum das eine Spitzelaffäre der Freiheitlichen Partei entschuldigen soll, entzieht


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sich meinem Fassungsvermögen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Edlinger: Er ist beleidigt! Hans Mayr hat mit Westenthaler nicht einmal geschrien!)

Hans Mayr hatte es allerdings – da hat Kollege Edlinger schon Recht – nie nötig, den damaligen Gemeinderat Westenthaler besonders anzufahren, weil Sie auf Autoritäten auch damals etwas sensibler und nachgiebiger reagiert haben als Abgeordnete unserer Fraktion. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Jetzt zu meinem sehr jugendlichen Vorschlag, die österreichische Polizei zu entwaffnen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, die Vorstellung eines schwer bewaffneten Beamten Kreißl oder Binder oder vieler anderer ist mir nicht ganz geheuer. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Edlinger. )

Wenn Beamte ihren Zugriff zum Polizeicomputer dermaßen missbrauchen, dann ist das für mich kein Argument dafür, ihnen auch noch ein Sturmgewehr in die Hand zu drücken. Aber ich würde gerne einmal die Frage, wo die österreichische Exekutive mehr Ausrüstung, mehr Unterstützung und bessere Strukturen braucht, einmal ganz seriös und an einem anderen Ort mit Ihnen diskutieren, vielleicht im Innenausschuss.

Eines steht fest: Wenn Sie die Beamten fragen, dann wird klar, der Mangel an Sturmgewehren war bis jetzt nicht das Hauptproblem der österreichischen und der Wiener Exekutive. Aber vielleicht sehen Sie von den Freiheitlichen mit Ihren Vorstellungen in Bezug auf einen starken Staat und die Rolle von Presse und Opposition in ebendiesem die Frage der Bewaffnung und der Einschüchterung etwas anders, als wir das tun.

Gestatten Sie mir noch eine kleine Bemerkung zum Thema "erfolgreich". Es mag natürlich immer wieder passieren, dass man im Eifer des verbalen Gefechts die falsche alte Platte auspackt. Herr Kollege Westenthaler! Seit wenigen Tagen ist es nicht mehr besonders gescheit, wenn Sie hier herausgehen und uns mangelnde Wahlerfolge vorhalten. Da ist doch in den letzten Tagen etwas passiert, und es kündigt sich ja sogar noch viel mehr an!

Warum, Herr Kollege Westenthaler, passiert jetzt das, was auf Ihrer alten Platte immer "die Wähler und Wählerinnen laufen der SPÖ und anderen davon" geheißen hat? Warum hört sich das auf der neuen Platte ganz anders an? Nämlich so: Die Menschen laufen – nicht nur an den Wahltagen – in Scharen, zu Zehntausenden, den Freiheitlichen davon!

Warum sind die Wahltage ausschließlich für Sie Zahltage, und warum wissen Sie heute schon, welchen Obolus an Wählerinnen und Wählern Sie mit größter Wahrscheinlichkeit Anfang Dezember und noch viel mehr bei den Wiener Wahlen zu entrichten haben werden? Es gibt gute Gründe dafür, dass Wahltage jetzt und in Zukunft für Sie Zahltage sind. Sie haben nämlich Ihre zwei wichtigsten politischen Versprechen gebrochen.

Erstens: Das politische Versprechen, die so genannten kleinen Leute mit aller Konsequenz in ihren sozialen Anliegen zu vertreten, haben Sie in so überzeugender Weise in den letzten Tagen, Wochen und Monaten gebrochen, sodass Sie keine Chance mehr haben, diese Menschen zurückzugewinnen, denen Sie zuerst gesagt haben: Traut uns! Eine Partei, ein Versprechen. Wir sind für euch da! Und, und, und. – Die Wähler haben verstanden: Versprochen – gebrochen. Ein Jörg, ein Wort. – Diese Botschaft ist angekommen. (Abg. Dolinschek: Sie sind der große Hellseher!)

Auch die zweite Botschaft ist angekommen. Sie waren die Partei, die gesagt hat, wir kämpfen nicht nur für die Interessen der "kleinen Leute", sondern wir kämpfen auch gegen Machtmissbrauch, gegen den Machtmissbrauch der Roten und gegen den Machtmissbrauch der Schwarzen. – Ich kenne keinen Roten und auch keinen Schwarzen, der sich jemals vorstellen konnte, dass Macht in einem derartigen Maße und mit einer derartigen Unverschämtheit missbraucht werden kann wie von Ihnen und Ihren Funktionären in der vorliegenden Spitzelaffäre! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Auch das vergessen Ihnen die Menschen nicht, und ich glaube, Herr Kollege Westenthaler, Sie halten sich auch deswegen jetzt viel mehr bei Plenarsitzungen auf als früher, weil Sie immer weniger Lust haben, auf die Straße zu gehen. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)

Da hat sich etwas geändert. Ich, Herr Kollege Westenthaler, fühle mich auf der Straße unter den so genannten kleinen Leuten pudelwohl. Ich erzähle ihnen von grüner Politik, von grünen Initiativen und auch von grünen Erfolgen gegen Machtmissbrauch. Und dann fragen mich die Leute: Was ist mit der Freiheitlichen Partei? – Und das ist die einzige Frage, die sich wirklich von selbst beantwortet.

Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren rund um Herrn Kollegen Westenthaler! Sie leben nach wie vor auf freiheitlichem Fuß, Sie befinden sich nach wie vor auf freiheitlichem Fuß. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) Sie werden sehen, wie weit Sie damit noch humpeln! – Viel Glück! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.40

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

20.40

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mathematik ist, glaube ich, nicht Ihre Stärke, Kollege Pilz, denn wenn ich hier ins Plenum schaue, dann stelle ich fest: Die FPÖ hat 52 Mandate. Wie viele haben Sie: zehn oder elf? Wie viele haben Sie? Sie sind nicht so gut im Zählen, gelt? (Ruf bei den Grünen: 14!) Wir haben ungefähr das Vierfache an Mandaten. Also wenn Sie sich Sorgen machen, dann machen Sie sich lieber Sorgen um die Grünen!

Aber ich glaube, Sie machen sich ohnehin Sorgen um sich selbst. Sie müssen ein wahnsinnig schlechtes Gewissen haben, denn da schreibt Michael Sika in seinem Buch: Einige politische Karrieren in Österreich hätte es nicht gegeben oder wären beendet worden, hätte man diverse Verdachtsmomente auch beweisen können. Niemand hat ein Interesse, Ost- und Westagenten zu enttarnen, was für ihn beweist, dass diese in Wien immer noch sehr aktiv sind. Er erwähnt übrigens auch den Grünen Peter Pilz (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Ing. Westenthaler: Der Sicherheitsdirektor!), und zwar im Kontext des Wissenschaftlers Peter Fleißner, der einst im Stasi-Verdacht stand, gegen den aber Ermittlungen wie auch gegen Peter Pilz selbst eingestellt wurden und über den Pilz zu Alexander Van der Bellen kam und so seine Rüstungsstudien machen konnte.

Was haben Sie für große Sorgen? (Abg. Mag. Kogler: Was haben Sie für Sorgen?) Was haben Sie denn für große Sorgen? Sie müssen wirklich ein außerordentlich schlechtes Gewissen haben! (Abg. Öllinger: Was wollen Sie damit sagen?) Was glauben Sie denn, was man mit der Freiheitlichen Partei im Zusammenhang mit den Briefbomben aufgeführt hat?! Jeder Einzelne von uns ist durchgefilzt worden. Da ist jeder von uns mit einem ruhigen Gewissen hier herinnen gesessen, weil er es eben nicht war. Aber Sie haben kein ruhiges Gewissen mehr! Sie leben ja ständig in Angst! Sie leben deshalb ständig in Angst – und das muss ich der grünen Fraktion einmal sagen –, weil hier drei Abgeordnete der Grünen sitzen, die zum Gesetzesbruch aufrufen. (Abg. Öllinger lacht.) Sie, Kollege Öllinger, gehören auch dazu. Sie können ruhig lachen!

Es haben linksradikale Blätter wie "akin" und "TATblatt" folgenden Aufruf veröffentlicht, und zwar am 12. August 1992 – ich zitiere –:

"Militär und Gewalt sind für mich keine geeigneten Mittel, internationale und nationale Konflikte zu lösen. Das Bundesheer ist eine Institution, die zu blindem Gehorsam und Unmündigkeit führt. Ich bin der Überzeugung, dass es längst an der Zeit ist, das Bundesheer abzuschaffen. Solange das nicht geschieht, werden Menschen, die sich weigern, der Wehrpflicht nachzukommen, verfolgt und eingesperrt. Ich erkläre meine Solidarität mit jenen, die wegen ihrer politischen, religiösen und ethischen Überzeugung eingesperrt werden." – Zitatende. (Bravo-Rufe und demonstrativer Beifall bei den Grünen) Sie können ruhig applaudieren!


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Und weiters heißt es da: "Ich fordere daher Einstellung aller Verfahren gegen Wehrdiensttotalverweigerer und die Streichung aller Strafbestimmungen aus dem Militärstraf- und Zivildienstgesetz." – Zitatende. (Bravo-Rufe und neuerlicher demonstrativer Beifall bei den Grünen.)

Das passt genau zu Ihnen! Es ist ja nur schade, dass die Bevölkerung draußen Ihre Einstellung nicht kennt. Aber wir werden das vermitteln und werden diese Passage aus meiner Rede – mit Ihrem Applaus! – auch der österreichischen Bevölkerung näher bringen, damit diese Ihre Einstellung einmal kennen lernt, damit Ihr Umweltlächeln einmal demaskiert wird (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP), denn Sie sind keine Umweltpartei, sondern Sie kommen aus kommunistischen, marxistischen Bewegungen, die auch mit RAF-Terroristen liebäugeln.

Weiters steht da, dass Sie sich darüber im Klaren sind, dass diese Aufforderung natürlich auch ... (Abg. Ing. Westenthaler  – in Richtung der Grünen –: Ich bin gespannt, ob Sie auch beim letzten Satz klatschen!) Da steht: "Ich bin mir darüber auch klar, dass dies eine Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze im Sinne des § 281 StGB ist." (Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist der Applaus?)

Dieser Aufruf wurde auch in der "Arbeiter-Zeitung" vom 3. September 1991 veröffentlicht, und dieser wurde von 245 Personen unterschrieben, und unter diesen 245 Personen, die da unterschrieben haben, sind auch Abgeordnete der grünen kommunistischen Fraktion, die heute hier im Hohen Hause sitzen, die hier Gesetze beschließen, aber andererseits zum Gesetzesbruch aufrufen. Wie stehen Sie jetzt dazu? (Abg. Öllinger: Das ist eine kühne Konstruktion!)

Das ist nicht "kühn", sondern Tatsache! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Diese drei Abgeordneten, die natürlich ein außerordentlich schlechtes Gewissen haben müssen, sind die Frau Kollegin Petrovic – Sie haben doch auch mit unterschrieben, oder haben Sie es nicht gemacht? –, Herr Dr. Peter Pilz und Karl Öllinger. Hier sitzen drei Abgeordnete herinnen, die zum Gesetzesbruch aufrufen (Abg. Öllinger: Das ist schon wieder entgegen unserem Weg! Ich war damals gar nicht Abgeordneter!), sich aber auf der anderen Seite befähigt fühlen, Gesetze hier im Hohen Hause mitzubeschließen.

Ich glaube, Sie sollten die Konsequenzen daraus ziehen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.45

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Petrovic zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Haigermoser  – in Richtung der bereits am Rednerpult angelangten Abg. Dr. Petrovic –: Haben Sie jetzt unterschrieben oder nicht, oder können Sie sich auch nicht erinnern? – Abg. Ing. Westenthaler: Lesen Sie vor, was Sie unterschrieben haben! – Gegenrufe bei den Grünen.)

20.46

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Ich berichtige den Vorredner tatsächlich in zwei Punkten. Er hat einerseits, auf die gesamte grüne Fraktion zeigend und auch mich persönlich ansprechend, gemeint, wir kämen aus stalinistischen oder marxistischen Organisationen. (Abg. Ing. Westenthaler: Nein, das hat er nicht gesagt!)

Ich berichtige tatsächlich: Ich komme aus der katholischen Jungschar und aus der ÖVP – und bereue das, und zwar nur Letzteres, zutiefst.

Zum Zweiten: Hinsichtlich meines Aufrufes, in einem bestimmten Punkt einen militärischen Befehl zu verweigern, nämlich sich gegen Flüchtlinge an die österreichische Außengrenze im Osten zu stellen, stelle ich fest: Ich habe diesen Aufruf zum Gesetzesbruch im Sommer 1990 unterschrieben, mitformuliert, war damals nicht immun und bin deswegen angeklagt worden. Es gab ein Verfahren, in welchem ich vollinhaltlich Recht bekommen habe und welches aufgrund meiner juristischen Argumentation, dass dieser Befehl der Genfer Flüchtlingskonvention widersprach (Abg. Ing. Westenthaler: Rechtsbruch ist das! Aufruf zum Gesetzesbruch! Aufruf zur Anarchie!), rechtskräftig eingestellt wurde. Und eine diesbezügliche Polizeiaktion im Burgenland


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hat mit einer vollen Verurteilung der Republik Österreich vor dem Verfassungsgerichtshof geendet. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie wollen staatszersetzendes Verhalten!)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Die Bestimmungen der tatsächlichen Berichtigung sehen vor, dass auf der einen Seite darauf eingegangen wird, was falsch war, und auf der anderen Seite gesagt wird, wie es sich richtig darstellt.

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (fortsetzend): Es wird sehr wohl möglich sein, dass ich das tatsächlich berichtige, wenn mir ein deliktisches Verhalten vorgeworfen wird, dass ich sage, dass das kein deliktisches Verhalten war. (Abg. Ing. Westenthaler: Redezeit!) Das ist sowohl vom Verfassungsgerichtshof als auch von einem ordentlichen Strafgericht rechtskräftig festgestellt worden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Ihr haltet euch nicht einmal an die Geschäftsordnung! Geschäftsordnungsbrecher seid ihr!)

20.48

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort gemeldet hat sich noch Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte.

20.48

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Kollege Westenthaler! Herr Kollege Trattner! Ihre Worte sollen aus guten Gründen nicht die letzten sein, die zu diesem Tagesordnungspunkt gesprochen werden (Abg. Ing. Trattner: Sie müssen immer das letzte Wort haben! Sie sind der Verteidiger der Grünen?!), und zwar deswegen, weil – und daran möchte ich erinnern – auf der Tagesordnung der Menschenrechtsbericht steht und im Zuge der Debatte zum Menschenrechtsbericht auch auf das Grundrecht auf Achtung der Privatsphäre Bezug genommen worden ist; Artikel 8 MRK. (Abg. Ing. Westenthaler: Was sagen Sie dazu, dass ein Abgeordneter dieses Haus mit dem Milošević-Regime vergleicht?)

Bei dieser Debatte ist natürlich auch die Sprache gekommen auf den jüngsten, auf den aktuellen Skandal (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist mit dem Milošević-Vergleich?) des systematischen Missbrauches von Sicherheitsdaten im Interesse einer Partei, durch Finanzierung seitens einer Partei (Abg. Ing. Westenthaler: Woher wissen Sie das alles schon?), wobei die Täter großteils von einer Partei kommen und der politische Zweck absehbar ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine politische Strafdiktatur!)

Meine Damen und Herren! Sie haben in diesem Zusammenhang – und das ist der Grund, warum ich mich noch einmal zu Wort gemeldet habe – ein Demonstrationsobjekt Ihrer politischen Geisteshaltung geboten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Herr Kollege Kostelka! Distanzieren Sie sich vom Milošević-Vorwurf! Der Präsident hat das noch nicht verstanden! Verteidigen Sie das?)

Es ist keine Frage, dass gerade in diesem Zusammenhang klar geworden ist, dass zwischen der grünen Fraktion und der sozialdemokratischen Fraktion tief greifende unterschiedliche politische Auffassungen bestehen, die insbesondere in Studenten- und in Jugendtagen Gegenstand heißer Debatten waren. (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Satz zum Milošević-Vergleich!)

Aber, meine Damen und Herren, das, was Trattner und Westenthaler getan haben, demaskiert. (Abg. Mag. Trattner: Das hat euch wehgetan!) Sie haben nämlich tief in das File gegriffen, in dem Namen draufstehen, und haben begonnen, Fakten vorzulesen, die vor fünf, vor zehn, vor zwölf, vor 15, vor 20 Jahren passiert sind. (Abg. Mag. Trattner: Die jeder nachlesen kann!)

Meine Damen und Herren! Das ist Ihre Methode, und dabei haben Sie in diesem Zusammenhang nur in jene Files gegriffen, die Sie in der Öffentlichkeit zitieren können. (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist mit dem Milošević-Vergleich?) Und wir werfen Ihnen vor – es gibt darüber hinaus noch weitere –: Das einzige Ziel in diesem Zusammenhang ist es, Menschen fertig zu machen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist Ihre Methode!)

Sie tun das, Herr Kollege Westenthaler, Herr Kollege Trattner, mit der Absicht, sich die Argumente zu ersparen, sich zu ersparen, auf den FPÖ-Spitzelskandal einzugehen. Ihr Motto ist es:


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Macht sie fertig, die Kritiker, macht sie nieder! – Und da ist es Ihnen völlig egal, ob im Zusammenhang mit diesem Vorwurf (Abg. Ing. Westenthaler: Verteidigen Sie das?) auch ein Gerichtsverfahren abgehandelt wurde, das dann, wie es Frau Kollegin Petrovic sagte, zu einer absoluten Freisprechung führte. Es geht Ihnen nicht darum, sich mit Argumenten auseinander zu setzen. (Abg. Ing. Westenthaler: Der SPÖ!) Das, was Sie tun, ist menschenverachtend! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: SPÖ verteidigt Gesetzesbruch!)

Meine Damen und Herren! Es ist freiheitliche Methode, sich mit Kritikern in der Weise auseinander zu setzen (Abg. Ing. Westenthaler: Kein Satz zum Milošević-Vergleich! Da findet er keine Distanzierung!), dass man versucht, sie mundtot zu machen. Wenn es eine Bestätigung Ihrer Nervosität gibt (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist mit dem Milošević-Vergleich?), aber auch Ihrer Mitschuld an der Spitzelaffäre, dann ist es dieses Ihr Verhalten. Herr Kollege Westenthaler, Herr Kollege Trattner, Sie haben sich demaskiert! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Wie ist das jetzt mit dem Milošević-Vergleich?)

20.52

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.52

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Kollege Trattner hat hier behauptet, die Abgeordneten der Grünen kämen aus kommunistischen und marxistischen Organisationen. – Damit kann ich mich getrost gemeint fühlen.

Ich berichtige tatsächlich: Meine erste politische Betätigung war in der Organisation der Atomkraftgegner und der Volksbegehrer gegen Hainburg. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie einen Satz zum Milošević-Vergleich!)

Mein Motiv, in die Politik zu gehen – sollten Sie das auch noch wissen wollen –, war, auf die Gemeinderatsliste der Grazer Grünen zu kommen, damit Götz abdankt. Und so ist es auch gekommen. (Beifall bei den Grünen.)

20.53

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Menschenrechte, seinen Bericht 301 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. (In den SPÖ-Reihen erheben sich mehrere Abgeordnete irrtümlich von den Plätzen, setzen sich aber gleich darauf wieder hin. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen – in Richtung SPÖ –: Alles Chaos!) – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 301 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Ing. Westenthaler: Ohne Gusenbauer! – Abg. Dr. Khol: Gusenbauer ist schon wieder im Bett!)  – Das ist ebenfalls die Mehrheit und damit angenommen. (E 37.)

3. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (280 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Bundesgesetz über den Umweltsenat (USG 2000) erlassen wird (333 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.


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40. Sitzung / Seite 168

Als erster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Heinzl. Ich bitte ihn, die Debatte zu eröffnen.

20.55

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Zuge der Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes Anfang Juli dieses Jahres durch die FPÖ/ÖVP-Koalition wurden die Umweltstandards in Österreich eindeutig verschlechtert. Umso wichtiger ist es, wie ich meine, dass eine unabhängige Zweitinstanz im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren auf Bundesebene eingesetzt ist.

Der Unabhängige Umweltsenat, der 1993 auf Bundesebene eingerichtet wurde, hat sich aus sozialdemokratischer Sicht eindeutig bewährt. Dass dies auch weiterhin so bleibt, ist aus mehreren Gründen wichtig.

Erstens, sehr geehrte Damen und Herren, würde eine Nichtweiterbestellung des Umweltsenates UVP-Verfahren durch Überlastung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes unnötig verzögern. Dies ist umso schlimmer, als die neuen Regelungen des UVP-Gesetzes durch Verschlechterung der Bürgerrechte unnötige Kleinkriege zwischen den Parteien in UVP-Verfahren anzetteln werden.

Zweitens, sehr geehrte Damen und Herren – und das halte ich auf Grund unserer Erfahrung in Niederösterreich für besonders wichtig – ist eine Entscheidung der der Landesregierung nachgeordneten Bundesinstanz einfach notwendig. Ohne unabhängigen Umweltsenat, der das Vorgehen der erstinstanzlichen, im Einflussbereich des Landeshauptmannes angesiedelten Entscheidungsträger überprüft, würden zum Beispiel die Menschen im Zentralraum St. Pölten in allernächster Zeit unter den Ausdünstungen einer Riesenschweinerei leiden.

Weitere Beispiele in Niederösterreich haben gezeigt, dass die Landesbehörden nicht immer fähig sind – oder auch, wie ich meine, nicht immer willens sind –, zum Beispiel Parteigänger des Landeshauptmannes Pröll einer vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfung auszusetzen. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. ) Leidtragende, sehr geehrte Damen und Herren, ist dann die betroffene Bevölkerung beziehungsweise sind die betroffenen Bürger, die eben dann das Pech haben, neben so einer "Riesenschweinerei" wohnen zu müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Fall der Schweinezucht Entenfellner in Stössing in Niederösterreich ist ein gutes schlechtes Beispiel. Herr Entenfellner kann sich freuen, dass seine Bauernbundfreunderln im Nationalrat das UVP-Gesetz in seine jetzige gültige Fassung gebracht haben, damit seine Bauernbundfreunderln in der niederösterreichischen Landesregierung seinetwegen, des Herrn Entenfellner wegen, kein schlechtes Gewissen mehr haben müssen. (Zwischenruf der Abg. Rosemarie Bauer. ) Die Konzentration der Entscheidungskompetenz beim UVP-Verfahren auf Länderebene hat, sehr geehrte Frau Abgeordnete, den schalen Beigeschmack der Packelei und ist genauso abzulehnen wie eine reine Zentralisierung des gesamten Verfahrens auf Bundesebene.

Was in Österreich, sehr geehrte Damen und Herren, tatsächlich fehlt, ist eine Bundesbehörde, die im Fall der Verschleppung oder Nichteinhaltung einer notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung durch die zuständigen Landesbehörden angerufen werden kann und die dann von Amts wegen eine UVP einleitet. Eine Verländerung der Aufgaben des Umweltsenates lehnen wir deshalb ab. Es kann nicht so sein, dass in überregionalen Fragen wie zum Beispiel in der Frage des Umweltschutzes neun verschiedene Maßstäbe angelegt werden können. Wenn schon föderalistische Maßnahmen in den Bereichen Umweltschutz und Anlagenrecht gesetzt werden, dann halte ich es für sinnvoller, die Rechte der Gemeinden im UVP-Verfahren zu stärken. Die Gemeinden, sehr geehrte Damen und Herren, müssen schließlich mit den unmittelbaren Auswirkungen von Großprojekten über lange Zeiträume fertig werden.

Ein positives Beispiel für den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt ist die Landeshauptstadt Niederösterreichs, die Stadt St. Pölten, jene Stadt, die sich vehement gegen die von mir schon angesprochene Massentierhaltung zur Wehr gesetzt hat und letztendlich vom Umweltsenat Recht bekommen hat.


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Stenographisches Protokoll
40. Sitzung / Seite 169

Sehr geehrte Damen und Herren! Als Dank für dieses Engagement im Umweltsektor wurde die Stadt St. Pölten erst vor wenigen Tagen mit einem Sonderpreis des "Klimabündnisses 2000" ausgezeichnet. In der Verleihungsurkunde dankt Herr Bundesminister Molterer für das vorbildliche Engagement der Stadt in Bereichen der Landwirtschaft und des Klimaschutzes.

Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist der Weg, den wir weitergehen sollten, und nicht die Schaffung neuer Behörden auf Landesebene – dies umso mehr, als die letzte Novellierung des UVP-Gesetzes durch FPÖ und ÖVP die Bürgerrechte schamlos beschnitten hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Schluss sei gesagt, dass die SPÖ den Weiterbestand des unabhängigen Umweltsenates auf Bundesebene unterstützen wird, wenn auch der rechtliche Rahmen seines Wirkens durch die aktuelle Demolierung des UVP-Gesetzes durch die blau-schwarze Einheitspartei sehr eingeschränkt wurde. (Beifall und Bravo-Ruf bei der SPÖ.)

21.01


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Stenographisches Protokoll
40. Sitzung / Seite 170

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

21.01

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Heinzl ist offensichtlich beim letzten Tagesordnungspunkt, beim Menschenrechtsbericht, nicht zu Wort gekommen. Da war es ja schon geübte Praxis, die Regierungskoalition anzuschütten. Jetzt hat er bei einer Konsensmaterie – und die, über die wir unter diesem Tagesordnungspunkt sprechen, ist, wie ich meine, eine solche; jedenfalls geht das aus dem Ausschuss hervor – diese Anschüttungen eben fortgesetzt. – Herr Kollege Heinzl, ich gehe nicht darauf ein.

Ich stelle fest, dass es bei dieser Vorlage um die Sicherung des Fortbestandes einer sinnvollen Institution, einer sinnvollen Einrichtung geht. Dieses Umweltsenatsgesetz ist 1993 "begründenswerterweise" befristet installiert worden, und diese Befristung erfolgte wegen der im Zuge der Bundesstaatsreform geplanten Landesverwaltungsgerichtsbarkeit. Ein wesentlicher Punkt einer Befristung ist eben das Ende, und dieses wäre demnach am 31. Dezember 2000.

Der Umweltsenat ist die zweite Instanz im Zuge eines UVP-Verfahrens – die erste ist die Landesregierung – und ist eine unabhängige Kollegialbehörde. Das heißt, die Mitglieder sind in der Ausübung ihres Amtes an keinerlei Weisungen gebunden. Abänderungen der Entscheidungen sind nicht möglich, wohl aber eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes, der dann kassatorisch entscheidet. Keine Verlängerung des Bestehens dieses Umweltsenates durch dieses Gesetz würde einen Entfall dieser zweiten Instanz, eine zusätzliche Belastung der Gerichtshöfe, eine Verlängerung der Verfahrensdauer, insbesondere beim Anlagenrecht, und letztlich auch Kosten bedeuten. Daher ist – was, wie ich meine, ja unumstritten ist – eine Verlängerung dieser Frist zweckmäßig.

Es gibt zwei Änderungen, die gleichzeitig vollzogen werden. Die eine Änderung erfolgt, um die Personalressourcen zu erhöhen, und sie besteht darin, dass die 20 Ersatzmitglieder den Mitgliedern gleichgestellt werden. Die zweite Änderung erfolgt aus Befangenheitsgründen. Das sind aber Details. Im Grunde genommen findet das bisherige Gesetz durch den heutigen Beschluss eine Fortführung.

Zu den Kosten sei noch kurz angemerkt: Die Vergütungen für die Mitglieder des Umweltsenates fallen nur im Anlassfall an. Das heißt, es ist, da die Gesamtzahl der Mitglieder des Umweltsenates gleich bleibt, keinesfalls damit zu rechnen, dass es zu höheren, über das bisherige Ausmaß hinausgehenden Kosten kommen wird.

Unsere Fraktion wird selbstverständlich der Verlängerung der Geltung dieser Bestimmung und damit der Fortführung dieser zweckmäßigen Einrichtung zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Loos. – Bitte.

21.05

Abgeordneter Johann Loos (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Obwohl, wie schon gesagt worden ist, durch Abgeordneten Heinzl der Versuch unternommen wurde, auch diese Thematik etwas problematisch darzustellen, sind dazu wohl nicht allzu spektakuläre Beiträge zu erwarten, da es hier um eine Konsensmaterie geht. Als solche will ich sie auch behandeln.

Was Frau Abgeordnete Petrovic, die gesagt hat, dass sie bei der Katholischen Jungschar begonnen hat, betrifft, so kann ich sagen: Ich habe auch dort begonnen. Inzwischen bin ich bei der Katholischen Männerbewegung. (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP.) Ich schäme mich übrigens nicht dafür, noch immer bei der Katholischen Männerbewegung zu sein, und als christlich-sozialer Politiker – und damit bin ich beim Thema – befasse ich mich sehr mit der Schöpfung. Mir geht es sehr um die Umwelt, und daher ist diese Thematik den Umweltsenat betreffend auch eine sehr wichtige für mich.

Dieser Umweltsenat hat sich bewährt. Warum er so wichtig ist, ist leicht zu sagen: Einerseits geht es um den Umweltschutz, andererseits geht es auch darum, dass die Menschen Arbeitsplätze erhalten und dass die Wirtschaft entsprechend floriert. Dazu ist dieser Umweltsenat da: um eine rasche Vorgangsweise bei dieser Problematik zu ermöglichen.

Durch die Anpassung – das muss ich Abgeordnetem Heinzl auch sagen – des UVP-Gesetzes, die sich aus der Umsetzung der Änderungsrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft ergab, ist es eigentlich zu einer Erweiterung des Kataloges, was die Umweltverträglichkeitsprüfung betrifft, gekommen. (Zwischenruf des Abg. Heinzl. ) Die zu prüfenden Projekte sind nicht weniger geworden, sondern dieser Katalog wurde ausgedehnt, und es wird nun bei mehr Projekten als vorher eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, und das finde ich auch richtig so. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Heinzl. )

Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen, weil Sie zuerst auch eines, und zwar aus Niederösterreich, erwähnt haben: Es soll im Norden des Burgenlandes ein großer Themenpark errichtet werden. Nun, da diese Ausweitung erfolgt ist, sind auch Projekte im Tourismusbereich einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Das war vorher nicht der Fall. Ich, der ich Vorstandsmitglied des Nationalparks Neusiedler See – Seewinkel bin, lege großen Wert darauf, dass auch dieses Projekt entsprechend angeschaut wird. Das heißt ja nicht, dass es nicht errichtet werden kann, aber die Umweltverträglichkeit soll festgestellt werden. Ich glaube, darüber, dass das so richtig ist, können wir uns einig sein, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Ruf bei der SPÖ: Ganz genau!)

Gäbe es – und das wurde auch schon gesagt – diesen Umweltsenat nicht, würde die Belastung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts noch stärker werden, als das jetzt schon der Fall ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer schon mit dem Verwaltungs- oder dem Verfassungsgerichtshof zu tun hatte, weiß, wie lange sich das hinzieht. Es ist für die Wirtschaft wirklich unerträglich, dass gewisse Projekte nur wegen der langen Dauer der Verfahren nicht durchgeführt werden können. Es kann dabei aber nicht um die lange Dauer gehen, sondern es muss um eine genaue Überprüfung gehen – das sieht jeder ein –, und diese ist eben durch den Umweltsenat gewährleistet.

Was die Mitglieder dieses Umweltsenates betrifft, möchte ich Folgendes sagen: Es ist, glaube ich, als besonders positiv herauszustreichen, dass die 40 Mitglieder des Umweltsenates ihre Tätigkeit nebenberuflich ausüben. Das wirkt sich natürlich auf die Kosten aus, und zwar positiv: Es fallen kaum Kosten an. Es handelt sich bei diesen Mitgliedern einerseits um Personen, die dem Richterstand angehören, andererseits um rechtskundige Beamte, die mindestens fünf Jahre Erfahrung in ihrer Tätigkeit haben müssen. Aus dem Burgenland sind es beispielsweise zwei rechtskundige Beamte der Naturschutzabteilung. Man sieht, dass hier natürlich dem Umweltschutzgedanken besonderes Augenmerk geschenkt wird.


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Durch die vorgeschlagene Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes und des Bundesgesetzes über den Umweltsenat werden positive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich durch raschere und flexiblere Berufungsverfahren erreicht. Durch die Mitwirkung der Experten des Umweltsenates werden auch die Interessen des Umweltschutzes ausgezeichnet wahrgenommen. Daher werden wir diesen Gesetzesänderungen gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

21.09

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

21.09

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine kurze Bemerkung in Richtung des Herrn Kollegen Trattner sei mir erlaubt: Ich komme auch aus keiner marxistischen, kommunistischen oder wie auch immer gearteten Organisation! Ich komme aus einem Kärntner Gasthaus. Meine erste Organisation war die Singgemeinschaft Unterhaus, und dann kam Global 2000. (Abg. Mag. Kogler: "Kommunistische Umtriebe"! In Kärnten ist das Singen "kommunistisch"! – Heiterkeit der Abg. Dr. Lichtenberger.  – Ruf bei der ÖVP: ... beim Kirchenchor!) Der Kirchenchor! (Weitere Zwischenrufe bei den Grünen und Gegenrufe bei der ÖVP.) – Ich würde jetzt gerne mit meiner Rede fortfahren!

Obwohl wir jetzt über die Verlängerung des Umweltsenatsgesetzes eine Vierparteieneinigung erzielt haben, muss es natürlich legitim sein und ist es auch wichtig, dazuzusagen, dass das UVP-Gesetz beziehungsweise die Novelle dazu in keinem Fall ein Lichtblick in der Umweltgesetzgebung in Österreich war – im Gegenteil: Die Kritik an dieser Novelle bleibt nach wie vor aufrecht! Das muss allen hier Anwesenden bewusst sein.

Ursprünglich, als das UVP-Gesetz 1993 beschlossen worden ist, haben wir die Einrichtung der bloß nebenberuflich tätigen Umweltsenatsmitglieder eigentlich kritisiert. Es ist in Aussicht gestellt worden, dass in absehbarer Zeit auch Landesverwaltungsgerichtshöfe eingerichtet werden sollten. Diese Landesverwaltungsgerichtshöfe gibt es bis zum heutigen Tage nicht. Ich denke, gerade Regierungsparteien wie die ÖVP, die sich sehr stark dem Föderalismus verpflichtet haben, haben großen Erklärungsbedarf, wenn es um die Frage geht, warum es angesichts der langen Wartezeiten beim Verwaltungsgerichtshof – drei Jahre Rückstau! – diese Einrichtung, diese Kontrollinstanz nicht gibt und warum die Länder überhaupt keinen Anteil an der Gerichtsbarkeit haben. Dieser Frage sind Sie bis jetzt ausgewichen. Ich hätte mir erwartet, dass es dazu in irgendeiner Form eine Stellungnahme gibt, denn wir müssten das Umweltsenatsgesetz jetzt nicht in dieser Form verlängern, wenn es die Landesverwaltungsgerichtshöfe gäbe. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Zweiten: Wir haben Kritik angebracht, wir haben diese auch beim Umweltministerium deponiert, und unsere Änderungswünsche sind dann auch in die ursprüngliche Vorlage eingearbeitet worden. Der eine Punkt war, dass auch die Umweltanwaltschaft einen Säumnisantrag im Feststellungsverfahren einbringen können sollte, und der zweite Punkt war, dass es auch zu öffentlichen mündlichen Verhandlungen unter den Voraussetzungen des § 67d Abs. 4 AVG kommen sollte. Diese beiden Punkte waren uns wichtig. Beiden Anliegen ist Rechnung getragen worden, und deshalb stimmen wir auch dieser Gesetzesvorlage in der vorliegenden Form zu.

Ein Wermutstropfen bleibt allerdings bestehen, und zwar in Bezug auf die Vorschläge, die der Umweltsenat selbst gemacht hat, nämlich betreffend eine transparente Bestellung und eine Verlängerung der Frist: Es ist einem richterlichen Gremium und seiner Unabhängigkeit durchaus abträglich, wenn es immer wieder nur für kurze Zeit befristet eingesetzt wird. Das ist nicht im Sinne der Menschenrechtskonvention – weil wir heute schon so viel darüber debattiert haben.

Zweitens wollte der Umweltsenat ursprünglich auch ein Antragsrecht für die Verordnungs- und Gesetzesprüfung durch den Verfassungsgerichtshof haben. Auch diesem Punkt ist nicht entsprochen worden.


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Für uns waren aber jene von uns vorgeschlagenen Änderungen, die dann tatsächlich auch eingearbeitet worden sind, dennoch mit ein Grund, zuzustimmen.

Ein Letztes sei nochmals auch an Kollegen Trattner gerichtet: Wer nicht versteht, dass Umweltschutzanliegen und Menschenrechtsanliegen untrennbar miteinander verbunden sind – und da gehört auch die demokratiepolitische Frage dazu –, der hat Umweltschutz nicht verstanden. Umweltschutz und Menschenrechte gehören zusammen! Dies ist spätestens seit der Tropenholzdebatte in Österreich klar geworden. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, unter welch massiven Protesten der Umweltbewegung gemeinsam mit der Menschenrechtsbewegung diese Kennzeichnung für Tropenhölzer in Österreich dann wieder zurückgenommen worden ist. Wer das nicht verstanden hat, hat den Umweltschutzgedanken in seinem innersten Kern wirklich in keiner Weise begriffen. Ich würde Sie bitten, Umweltschutz und Menschenrechte als gemeinsame Anliegen der Grünen zu sehen und zu verstehen und sich nicht auf irgendwelche seltsamen Argumente zu versteifen und ins Treffen zu führen, wer in der Vergangenheit bei irgendwelchen Organisationen war.

Umweltschutz und Menschenrechte sind Grundsäulen einer demokratischen Gesellschaft, und ich würde Sie bitten, das in Zukunft verstärkt zu berücksichtigen und nicht nur vom "grünen Lächeln" der Grünen zu sprechen, denn das ist wirklich diffamierend! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Es gibt ohnedies kein "grünes Lächeln" mehr, nur mehr ein dunkelrotes! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Die haben das Lächeln schon verlernt!)

21.14

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wimmer. – Bitte.

21.14

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das Umweltsenatsgesetz wurde von meinen Kolleginnen und Kollegen Vorrednern umfassend beschrieben. Es werden in dieser Vorlage geringfügige Änderungen beziehungsweise Verbesserungen vorgeschlagen. Ich sage dazu, diese Verbesserungen sind sinnvoll, und ich denke hier etwa an das Zuweisungsrecht an die Kammern oder daran, dass die Ersatzmitglieder des Senates zu ordentlichen Mitgliedern bestellt werden sollen.

Ich darf auch anführen, dass wir als Sozialdemokraten schon ein wenig stolz darauf sind, dass wir im Zuge der Ausschussverhandlungen noch eine wesentliche Verbesserung erreichen konnten: Für uns war wichtig, dass alle an einer Sache beteiligten Parteien und nicht nur die Projektwerber den Umweltsenat anrufen können. (Abg. Mag. Schweitzer: Das war früher nicht möglich!) ÖVP und FPÖ haben dies ja vorerst ein wenig anders gesehen, aber wir vertreten jetzt auch diesbezüglich eine gemeinsame Linie, lieber Kollege Schweitzer. (Abg. Mag. Schweitzer: Gell, das war nicht möglich!)

Noch ein Punkt, meine sehr geschätzten Damen und Herren: Bei UVPs, die die Straße oder die Schiene betreffen, kommt ja der Senat als Berufungsinstanz nicht in Frage. Hier ist der Minister zuständig. Da kann es meines Erachtens zur Interessenkollision kommen, wie wir in Österreich an dem, was sich im Zusammenhang mit der HL-AG zuträgt, sehen, Herr Kollege Keppelmüller. Ich glaube, man sollte einmal die Gunst der Stunde nützen, um darüber nachzudenken, ob man das in Richtung Senat ändern könnte.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, dass man eine vernünftige Sache, die sich bewährt hat, beibehalten soll. Wir werden daher dieser Verfassungsbestimmung unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)


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40. Sitzung / Seite 173

21.16

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Herbert Graf. – Bitte. (Rufe bei der SPÖ: Er ist nicht da! – Abg. Dr. Mertel: Herr Präsident, tun wir weiter! – Ruf bei den Freiheitlichen: Da ist er doch! – Abg. Schwarzenberger: Wenn er nicht da ist, dann hat er die Redezeit verloren!)

21.16

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist aus meiner Sicht ja sehr bedauerlich, dass wir nach einer Diskussionszeit von nunmehr fast elf Stunden erst jetzt zu diesem sehr wichtigen Thema Umwelt kommen.

Ich möchte auf die letzte Wortmeldung von Frau Dr. Glawischnig Bezug nehmen, in der sie gesagt hat, dass das UVP-Gesetz und die UVP-Novelle hier in keinerlei Zusammenhang zu sehen sind und dass sie von diesem Hause weiterhin abzulehnen sind.

Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass gerade das UVP-Gesetz in der Novelle, wie wir sie beschlossen haben, erhebliche positive Neuerungen bringt, auch was die Durchsetzung der Verfahren betrifft, und dass im UVP-Verfahren weiterhin alle Rechtsmittel für eine korrekte Durchführung des Verfahrens gewahrt bleiben. Das kann man nicht oft genug sagen. Es kommt auch hier zu einer Beschleunigung, zu einer Anhörung aller Bürgeranliegen, und im ersten Verfahren – das war das, was Sie bekrittelt haben – ist ja weiterhin eine unabhängige Instanz auf Seiten der Bezirkshauptmannschaft vorgesehen.

Ich würde bitten, dass man diese Argumente bei der Bestellung des Umweltsenates auch in Hinkunft mit berücksichtigt, denn auch das ist eine weitere positive Attitüde. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

21.18

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! In aller Kürze: Ich bin dankbar, dass es möglich ist, einstimmig den Umweltsenat bis zum Jahre 2004 zu verlängern. Der Umweltsenat hat sich als Berufungsinstanz absolut bewährt. Von den 41 Berufungen, die anhängig sind, sind 35 im Umweltsenat in sehr kurzer Zeit erledigt worden, und nur ganz wenige sind zum VwGH respektive zum Verfassungsgerichtshof weitergegangen.

Ich möchte allerdings schon auch festhalten, dass dieses Gesetz in weiten Teilen von den Mitgliedern des Umweltsenates selbst aufgrund der praktischen Erfahrungen erarbeitet wurde und dass auch im Ausschuss noch entsprechende Adaptionen vorgenommen worden sind. Ich finde, dass das ein sehr gutes Zeichen ist, dass dies möglich war.

Zur Kritik möchte ich sagen: Man kann über die letzte Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes unterschiedlicher Einschätzung sein. Das ist legitim. Nur, Frau Abgeordnete Glawischnig, Herr Abgeordneter Heinzl: Genau deswegen ist etwa das Ersatzmitglied nun zu einem Hauptmitglied gemacht worden, weil der Umweltsenat davon ausgeht, dass das neue UVP zu mehr Verfahren führen wird, weil es zu einer Ausweitung der Tatbestände kommt. – Herr Abgeordneter Heinzl, ich möchte schon klar festhalten, dass die Landesbehörden, ganz egal, in welchem Bundesland sie angesiedelt sind, gute Arbeit leisten! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.19

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 280 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschussbericht in 333 der Beilagen angeschlossenen Abänderungen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.


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Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle neuerlich die Einstimmigkeit fest. Einstimmig angenommen.

4. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 121/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Karl Schweitzer und Genossen betreffend Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren (UVP) für ein Hilfsbetriebsgebäude des in Bau befindlichen Kernkraftwerks (KKW) Temelin in der Tschechischen Republik und

über den Entschließungsantrag 205/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Umsetzung der Abschlusserklärung der Delegation aller neun Landtage zur Verhinderung grenznaher Atomkraftwerke vom 9. Mai 2000 und

über den Entschließungsantrag 206/A (E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig und Genossen betreffend Schlussoffensive gegen den Fertigbau des AKW Temelin (334 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nunmehr zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte.

21.22

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben uns in den vergangenen Monaten schon einige Male mit Temelin beschäftigt, und ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass die Bundesregierung seit unserer letzten Debatte etwas mehr an Initiative in diesem Bereich gezeigt hat. Auch wenn Temelin in den vergangenen Wochen aktiviert wurde, so muss der Kampf gegen Temelin weitergehen. Ich war am Freitag bei einer Kundgebung an der Grenze in Wullowitz. Die Grenzstation wurde ja über eine Woche lang von Aktivisten besetzt. Es waren mehr als 5 000 Leute dort, und ich kann Ihnen berichten, dass es den Leuten dort wirklich ein ganz großes Anliegen ist, dass wir in der Politik gemeinsam weiterhin massiv gegen Temelin kämpfen und gegen Temelin vorgehen, dass wir nicht aufgeben und dass auch die Bundesregierung wirklich alles unternimmt, um Temelin noch in irgendeiner Weise zu verhindern. Ich glaube auch, dass wir das den Bürgern vor Ort und auch den Bürgern in unserem Land schuldig sind, in dieser Frage, obwohl es schon eine Aktivierung gegeben hat, weiterhin aktiv zu bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur eine kleine Bemerkung am Rande: Von Seiten der Bundesregierung war lediglich Verkehrsminister Schmid für eine Viertelstunde dort, und das auch nur wenige Stunden, bevor die Kundgebung begonnen hat. Ich glaube, es wäre wirklich ein sehr positives Signal, Herr Umweltminister, wenn auch Sie einmal persönlich nach Wullowitz fahren würden, weil das für die Leute vor Ort einfach sehr wichtig ist (Abg. Murauer: ... war schon vor Ihnen dort!), die Unterstützung auch von Seiten der Bundesregierung wiederholt signalisiert zu bekommen. (Abg. Mag. Schweitzer: ... debattiert und beschlossen im Umweltausschuss!)

Regen Sie sich nicht auf, Kollege Schweitzer! Sie können gerne auch einmal nach Wullowitz fahren! Das ist kein Problem! Wie Sie wissen, habe ich wirklich versucht, den Ausschuss noch zu verschieben, und ich glaube, es war eine gute Aufteilung, dass ein paar Leute vor Ort waren und ein paar Leute im Ausschuss den Vier-Parteien-Antrag beschlossen haben. Das ist ja eine legitime Aufteilung. (Abg. Dipl.-Ing. Hofmann: ... als stellvertretende Obfrau!) Ich verstehe daher


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nicht, warum Sie sich da so echauffieren, aber Sie können uns das nachher sicherlich noch erklären. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich halte es deshalb auch für umso wichtiger, dass die Beschlüsse, die wir in diesem Haus bereits mehrmals zu Temelin gefasst haben, dann auch tatsächlich umgesetzt werden. Es darf in den EU-Beitrittsverhandlungen mit Tschechien zu keinem Abschluss des Energiekapitels kommen, solange Temelin nicht dem europäischen Sicherheitsstandard entspricht. Dass es dem aber jemals entsprechen wird, halte ich persönlich für äußerst fraglich.

Ich bin sehr froh, dass in dem gemeinsamen Antrag der § 13 des Energieliberalisierungsgesetzes mehr oder weniger vorweggenommen wird. Ich bin auch sehr froh, dass darin erstmals konkrete Verhandlungen über einen Ausstieg aus Temelin erwähnt werden, zumal es von Regierungsseite diesbezüglich ja immer gewisse Vorbehalte gab. Ein Hauptgrund für die Inbetriebnahme Temelins ist ja dieser massive wirtschaftliche Druck: Um Temelin fertigzubauen, mussten von Tschechien 40 Milliarden Schilling an Krediten aufgenommen werden, und wegen dieses massiven Drucks behält man jetzt einfach auch die Strategie, Temelin ans Netz zu bringen, bei, auch wenn man vorher schon weiß, dass es ein Verlustgeschäft sein wird.

Auch für Österreich wäre es meiner Ansicht nach eine sinnvolle Strategie, Ausstiegshilfen anzubieten, weil einfach die Folgekosten, die ein eventueller Unfall in Temelin verursachen würde, für uns ungeheuer hoch wären – ich erspare Ihnen angesichts der späten Stunde die detaillierten Zahlen. Ich glaube, dass es, wenn es keine konkreten Angebote für eine Ausstiegshilfe von österreichischer Seite gibt, nie eine Chance geben wird, in diesem Bereich irgendetwas zu bewegen.

Meine Damen und Herren! Sie können sicher sein: Ich und meine Fraktion, wir werden ganz genau darauf achten, dass sämtliche Beschlüsse, die wir in den letzten Wochen und Monaten in diesem Haus zu Temelin gefasst haben, von der Bundesregierung auch wirklich exekutiert werden – dass all das durchgeführt wird und wirklich passiert – und dass sie nicht nur leere Worthülsen und Papiertiger bleiben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.25

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte.

21.25

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Faktum ist – und darüber kommen wir nicht mehr hinweg –: Temelin ist in Betrieb. Wenn wir heute bilanzieren, dann müssen wir sagen: Es ist uns nicht gelungen, die Verantwortlichen in Tschechien davon zu überzeugen, dass Temelin unsicher ist und daher eine Gefahr für die tschechische Bevölkerung und für alle Anrainer darstellt. Es ist uns nicht gelungen, den Verantwortlichen zu vermitteln, dass Temelin auch unwirtschaftlich ist und der Strom aus Temelin nach Beitritt zur Europäischen Union wahrscheinlich nicht auf dem liberalisierten Strommarkt unterzubringen sein wird, weil eine Subventionierung dann nicht mehr möglich ist.

Es ist für mich heute auch Gelegenheit gegeben, die Frage zu stellen, Kollegin Sima: Warum sind wir bei unseren Verhandlungspartnern nicht überzeugend genug gewesen? Was waren die eigentlichen Ursachen? – Da muss man etwas weiter zurückgehen und die Bemühungen der einzelnen Parteien über einen längeren Zeitraum hinweg betrachten.

Frau Kollegin Prammer! Sie wissen, dass Sie besonders im Mittelpunkt dieser Betrachtungen stehen (Abg. Mag. Prammer: Ich weiß schon!), denn Sie haben bereits am 7. Oktober 1998 verkündet, die Bilanz der Anti-Atompolitik Österreichs im Rahmen der EU-Präsidentschaft wäre äußerst positiv gewesen. Es sei gelungen, für die Beitrittsverhandlungen Sicherheitsstandards für Kernanlagen festzuschreiben. – Was waren denn das für Sicherheitsstandards, die Sie festgeschrieben haben, Frau Kollegin Prammer? (Abg. Achatz: Die gibt es bis heute nicht! Bis heute nicht!) Sie können ja heute herauskommen und erläutern, was damals so erfolgreich von Ihnen umgesetzt wurde und wie diese Sicherheitsstandards, nach denen die EU heute noch


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sucht, damals bei Ihnen ausgesehen haben! (Abg. Haigermoser: Das ist auch ein Menschenrecht!)

Sie haben am 21. Dezember 1998, Frau Kollegin Prammer, eine "positive Atompolitik-Jahresbilanz" gezogen. Das war übrigens zu jener Zeit, als Mochovce in Betrieb gegangen ist. Da haben Sie Ihre "positive Anti-AKW-Politik-Bilanz" gezogen – ich zitiere –: Rundum zufrieden zeigte sich Konsumentenschutzministerin Barbara Prammer am Montag in einer Pressekonferenz zur Atompolitik-Jahresbilanz. Österreich hat im zu Ende gehenden Jahr vieles erreicht. – Bitte kommen Sie heraus, und erzählen Sie mir, was Sie im Hinblick auf Temelin erreicht haben!

Am 9. März 1999 haben Sie schon anderes gesagt: Man soll nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf Prag zugehen. – Das war die Zeit, zu der es relativ viele Anträge von uns, auf die ich noch zurückkommen werde, gegeben hat. Sie haben damals gesagt, Sie werden Energiekonzepte erarbeiten lassen, die zu einer Nichtinbetriebnahme des Kraftwerkes führen werden. (Abg. Mag. Prammer: Die gibt es!)  – Was ist mit diesen Konzepten? (Abg. Mag. Prammer: Die gibt es!) Wie wurden sie in Ihrer Regierung umgesetzt, Frau Kollegin Prammer? Kommen Sie heraus und legen Sie das, was Sie getan haben, einmal auf den Tisch! (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Es lebe das schlechte Gewissen, Frau Prammer! Es lebe das schlechte Gewissen!)

Sie waren am 9. und 10. März – und an diese beiden Tage erinnere ich Sie ganz besonders – in Baden bei Wien und hatten dort eine Tagung mit 80 österreichischen und tschechischen Experten. Bei dieser Tagung in Baden haben Sie Folgendes gesagt – ich zitiere Sie –: Wir wollen uns damit – nämlich mit dem Atomausstiegsthema betreffend Temelin – nicht belasten. – Frau Kollegin Sima! Ihre Vorgängerin, Kollegin Prammer, hat gesagt: Die tschechische Regierung müsse über Temelin autonom entscheiden! Es sei nicht sinnvoll zu versuchen, sich einzumischen! Es sei nicht sinnvoll, Tschechien das Kraftwerk abzukaufen, um es in ein Gaskraftwerk umzuwandeln. – Frau Kollegin Prammer, das waren Ihre Worte vom 9. und 10. März 1999 in Baden.

Wenn wir heute also vor der Situation stehen, dass Temelin in Betrieb ist, dann ist das auch auf Ihre Erfolglosigkeit zurückzuführen. Sie haben sich anfangs etwas bemüht, haben gesehen, dass Sie nichts weiterbringen, und haben im Endeffekt kapituliert und gesagt: Das ist eine Sache Tschechiens, in die wir uns nicht einzumischen haben.

Ähnlich hat sich natürlich auch Ihr damaliger Kanzler Klima verhalten, der seinerzeit in seinen diversen Regierungsprogrammen – wie auch sein Vorgänger Vranitzky – vom AKW-freien Mitteleuropa geschrieben und immer wieder erklärt hat, dass es unter seiner Kanzlerschaft zum AKW-freien Mitteleuropa kommen wird. Im Endeffekt sind allerdings inzwischen Mochovce und auch Temelin in Betrieb gegangen.

Jetzt schauen wir uns aber einmal an, wie das mit der Freiheitlichen Partei war! Frau Kollegin Glawischnig, ich sage Ihnen: Kollegin Aumayr hat schon im Juni 1997 einen Antrag betreffend kernkraftfreies Mitteleuropa eingebracht, der genau das zum Inhalt gehabt hat, was Ihre Fraktion jetzt auch fordert. Dieser Antrag wurde von den Sozialdemokraten, von der ÖVP und von den Grünen abgelehnt. (Abg. Haigermoser: Da schau her!)

Am 13. März 1998 wurde ein Unselbständiger Antrag von Schweitzer und Kollegen betreffend Vorgaben für die EU-Beitrittsverhandlungen mit mittel- und osteuropäischen Staaten eingebracht – ich zitiere –:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei den Beitrittsverhandlungen mit den EU-Aspiranten eine ablehnende Haltung einzunehmen, solange es nicht sichergestellt ist, daß vor einem EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten eine verbindliche Zusicherung der mittel- und osteuropäischen Länder zu einem Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie vorliegt." – Zitatende.

Dieser Antrag wurde von allen abgelehnt, auch von den Grünen.


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40. Sitzung / Seite 177

Kollegin Glawischnig! Am 26. Mai 1998 wird der Antrag Schweitzer betreffend Atomenergie und Osterweiterung von allen Parteien abgelehnt.

Am 7. Oktober 1998 wird der Antrag Schweitzer betreffend Ausstiegsszenario aus der Atomkraftnutzung und Finanzierungshilfen für EU-Beitrittswerber, inhaltlich gleich lautend wie der von Oberösterreich initiierte Fünf-Parteien-Antrag der Landesumwelt-Referentenkonferenz, eingebracht: Es ging um das Ausstiegsszenario, um den Beitritt zur Espoo-Konvention, um die Unterzeichnung des Lugano-Abkommens, um die Finanzierung von Ausstiegsmaßnahmen, aber alle, auch die Grünen, haben dagegen gestimmt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. ) Frau Kollegin Glawischnig! Kommen Sie jetzt nicht hierher und erzählen, was Sie alles getan haben!

Den nächsten Antrag Schweitzer haben wir am 19. Mai 1999 betreffend Atomkraftwerke und EU-Osterweiterung im Zuge der Beratungen über die Erklärung des Bundesministers für Verbraucherschutz und des Umweltministers zum AKW Temelin eingebracht. Inhalt: Umgehende Vorlage verbindlicher Ausstiegskonzepte durch EU-Kandidatenländer, insbesondere unverzügliche Stilllegung der besonders gefährlichen Reaktoren sowjetischer Bauart, spätestens zum Beitrittszeitpunkt Nachweis, dass der Atomausstieg vollzogen ist, widrigenfalls Ausübung des Vetorechts gegen den Beitritt jener Staaten, die nicht rechtzeitig von der Atomenergie Abstand nehmen. – Auch dieser Antrag, Frau Kollegin Glawischnig, wurde von den Sozialdemokraten, von der Volkspartei und von den Grünen abgelehnt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. )

Frau Kollegin Glawischnig! Wenn Sie sich jetzt zuletzt in Temelin, wie mir Kollege Lastuvka aus dem tschechischen Parlament in Paris gestern mitteilte, sehr medienwirksam inszeniert haben, dann gratuliere ich zu diesem Auftritt. Das Ergebnis, das Sie nach Hause gebracht haben, war allerdings nicht wirklich gut, und zwar deshalb, weil Österreich sich mit diesen Aktionen, die ich soeben minutiös nach dem Kalender aufgezählt habe, bei welchen wir immer das verlangt haben, was jetzt auf einmal alle verlangen, unglaubwürdig gemacht hat, weil Sie immer dagegen gestimmt haben, aus welchen Gründen auch immer! Darüber sollten Sie jetzt einmal nachdenken.

Wenn unser tschechischer Nachbar sieht, dass es diesbezüglich Uneinigkeit im österreichischen Parlament gab, dass das ohnehin nur die Forderung einer Fraktion war, nämlich der freiheitlichen Fraktion, und alle anderen immer wieder dagegen gestimmt haben, und dann diejenigen, die das hier in diesem Haus abgelehnt haben, auf einmal mit der gleichen Forderung nach Tschechien kommen und sagen: Jetzt machen wir das aber, was die Freiheitlichen wollen!, dann ist das natürlich kein starkes Argument! Die Tschechen werden sagen: Ihr wart ja eh immer dagegen! Nur jetzt, weil Tausende Menschen in Wullowitz protestieren, ist es euch auf einmal wichtig, das zu unterstützen, was die Freiheitlichen immer gefordert haben und ihr abgelehnt habt! – Damit sind Sie unglaubwürdig, besonders die Grünen!

Frau Kollegin Sima! Sie können in Wullowitz an der Grenze sitzen, soviel Sie wollen! Die Geschichte war nicht mehr zu retten, weil es Kollegin Prammer und ihren Kurs gegeben hat, weil es Kollegen Klima und seinen Kurs gegeben hat! (Abg. Edlinger: Bartenstein war Umweltminister!) Das hat uns die Unglaubwürdigkeit in dieser Frage gebracht, und das müssen wir alle miteinander einmal zur Kenntnis nehmen! Jetzt nur da stehen und jammern ist zu wenig!

Jetzt komme ich zum Schluss, Frau Kollegin Glawischnig. Es hat zwei Versuche gegeben, mit den tschechischen Nachbarn vernünftig zu reden: Diese zwei Versuche sind vom Umweltausschuss unternommen worden. Wir waren im Vorjahr, vor dem Sommer 1999, in Prag und haben dort ein sehr sachliches Gespräch geführt, bei dem vor allem auch die Wirtschaftlichkeit im Zentrum der Gespräche gestanden ist, und wir haben da offene Ohren gefunden. Wir hatten dann ein zweites Zusammentreffen vor wenigen Wochen im österreichischen Parlament, bei welchem es auch eine sachliche Diskussion gegeben hat, die schlussendlich dazu geführt hat, dass diese Delegation dann nach Temelin fahren konnte. (Abg. Dr. Glawischnig: Warum sind Sie nicht mitgefahren?)


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40. Sitzung / Seite 178

Das werde ich Ihnen gleich sagen: Weil Kollege Hofmann als Techniker sich in der Sache weitaus besser auskennt als Sie und ich zusammen! Deshalb habe ich mir gedacht, dass es wichtig ist, dass einer fährt, der in der Sache Bescheid weiß, der mit den Partnern diskutieren kann. Mir ging es nämlich darum, dass sachlich miteinander geredet wird, und nicht darum, ein Spektakel abzuziehen. Das Ergebnis Ihres Spektakels wurde uns ja jetzt präsentiert: Temelin ist in Betrieb! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.36

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Mühlbachler. – Bitte.

21.37

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte doch vermerken, dass die Bevölkerung an der Grenze zu Tschechien von der Aufzählung von Daten, wann wer welchen Antrag eingebracht hat, überhaupt nichts hat. (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Weder hüben noch drüben wird dadurch der Eindruck gewonnen, dass tatsächlich Hilfe geleistet wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die 6 000, 7 000 oder 10 000 Leute, die sich in den vergangenen Wochen, beginnend mit 2. September, an der Grenze eingefunden haben, um dort offen ihren Protest zum Ausdruck zu bringen, erwarten nicht mehr und nicht weniger, als dass ihnen wirksam geholfen wird! (Beifall bei der ÖVP.)

Diese wirksame Hilfe sehen sie derzeit darin, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird. (Zwischenruf des Abg. Oberhaidinger. ) Herr Kollege von der Sozialdemokratischen Partei! Jetzt muss ich dir Folgendes sagen beziehungsweise dich auf etwas hinweisen: Als es um die EU-Sanktionen gegenüber Österreich gegangen ist, war man seitens der Sozialisten Europas nicht verlegen. Jetzt auf einmal ist man aber so verlegen, dass man nicht einmal mehr auf sozialistischer Basis mit dem Sozialisten und Premierminister von Tschechien Zeman sprechen kann! Wenn ihr schon glaubt, ihr hättet so gute internationale Kontakte, dann wendet sie doch in diesem Bereich an! Damit wäre uns sehr geholfen! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber offensichtlich gelingen diese Kontakte immer nur dort, wo es parteipolitisch etwas herauszuholen gilt!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bevölkerung an der Grenze erwartet, dass ihr bei dem Ziel geholfen wird, zumindest eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Temelin zu erwirken. Ich füge hinzu: Die Bevölkerung ist auch ziemlich enttäuscht von der EU. Es gibt sehr viele Normierungen in der EU, bis hinein in Kleinigkeiten, die dem Bürger direkt schon lästig fallen, bei lebenswesentlichen Anliegen hat die EU jedoch offensichtlich keine Rezepte zur Hand. Und das muss geändert werden: Wenn man schon an Reformen denkt, dann müssten die Reformen zumindest bei diesen Dingen ansetzen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage jetzt etwas, was für uns Kommunalpolitiker ganz selbstverständlich ist: Wenn heute irgendjemand ein Haus bauen will, dann muss er seine Nachbarn rundum fragen, inwieweit er mit seinem Bau die Nachbarrechte beeinträchtigen könnte, und dementsprechend wird auch ein Bescheid erlassen.

Stellen Sie sich vor: Jetzt werden nationale Entscheidungen getroffen, die internationale Auswirkungen haben, und wir alle stehen innerhalb einer großen Gemeinschaft wie der EU diesem Problem so gegenüber, als hätten wir dagegen überhaupt keine Mechanismen zu entwickeln! Und das Problematische daran ist, dass man auch nicht ernsthaft erkennen kann, dass sich derartige Instrumente in den nächsten Monaten oder Jahren entwickeln könnten. Liebe Freunde! Diesbezüglich muss uns etwas einfallen, und ich lade alle dazu ein, dazu beizutragen, dass sich dieses Faktum ganz wesentlich ändert.

Ich meine, dass sich die Bevölkerung an der Grenze zu Tschechien das Recht, zu demonstrieren, auch in Zukunft nicht nehmen lassen wird, insbesondere dann nicht, wenn erkennbar wird,


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dass die Anliegen der Bevölkerung – und ich füge hinzu: die legitimen Anliegen der Bevölkerung – nicht dementsprechend wahrgenommen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister! Ich bitte daher, die Bemühungen, die bereits in Luxemburg eingesetzt haben und dort Gott sei Dank erstmalig auf EU-Ebene doch als einigermaßen zielführend erschienen, in einer Art und Weise fortzusetzen, die keinen Zweifel darüber offen lässt, dass wir nur dann einen Beitritt Tschechiens zur EU akzeptieren, wenn zumindest dieses Grunderfordernis erfüllt wird. Das kann die Bevölkerung dieses grenznahen Raumes verlangen, und das wird sie auch verlangen! (Beifall bei der ÖVP.)

21.42

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

21.42

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist wirklich erschreckend, dass nicht einmal der Umweltsprecher der FPÖ dieser Debatte weiter lauschen möchte. (Abg. Edlinger: Wer ist das?) Vielleicht kann man ihn bitten, dass er der Diskussion in irgendeiner Form beiwohnt. (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.)

Am 9. Oktober ist der Probebetrieb des Kraftwerkes Temelin gestartet worden. Ich meine, dass jetzt nicht der Zeitpunkt ist, die Flinte ins Korn zu werfen. Die Grünen und viele Umweltgruppen Österreichs kämpfen seit 15 Jahren gegen dieses Kraftwerk, und das nächste Ziel muss sein, den kommerziellen Vollbetrieb zu verhindern. Wir haben immer wieder gesagt, dass die ökonomische Seite die Achillesferse dieses Projektes ist. Wir haben Vorschläge in Richtung Atomstrom-Importverbot aus Tschechien gemacht, aber auch Vorstöße, um Stromwäsche, die vorwiegend über Deutschland abgewickelt wird, zu verhindern, denn es ist selbstverständlich, dass diesbezüglich jedenfalls Maßnahmen notwendig sind. Wir haben diese Forderungen vor dem Sommer in einem umfassenden Paket vorgelegt.

Zur Historie des Antrages: Diese Anträge sind im März und April eingebracht worden, und es ist den Kollegen Khol und Westenthaler zu verdanken, dass sie erst nach der Inbetriebnahme in den Ausschuss gekommen sind. Das ist für mich wirklich sehr verwunderlich! (Abg. Mag. Schweitzer: Wir haben bereits 1997 Anträge eingebracht!)

Ich sage auch gerne etwas zu den Anträgen der FPÖ, und ich möchte eine Klarstellung unserer Position vornehmen, die ich für sehr wesentlich halte: Die Junktimierung des EU-Beitritts mit der Temelin-Frage ist eine taktische Frage. Ich halte die Forderung: Kein Beitritt Tschechiens, solange Temelin in Betrieb ist!, ehrlich gesagt, für schwachsinnig. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Ich kann Ihnen auch gerne erklären, warum: Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, Verhandlungen als Hebel zu verwenden, aber insgesamt kann das Ergebnis doch wohl nicht heißen, dass Tschechien nicht der Europäischen Union beitritt und Temelin weiterhin in Betrieb ist! An der Tatsache der Entfernung von nur 60 Kilometern und für die Menschen, die davon gefährdet sind und dagegen protestieren, ändert das nämlich überhaupt nichts.

Ich wehre mich ganz massiv dagegen, dass eine Partei versucht, ihre Ablehnung der EU-Erweiterung mit Hilfe eines umweltpolitischen Arguments zu verbrämen und dadurch Umweltpolitik zu missbrauchen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Achatz: Reden Sie einmal mit den Menschen an der Grenze!)

Ihre Position zur EU-Erweiterung ist wirklich bekannt! (Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) Lassen Sie diese Unterbrechungen, Sie hatten vorher genug Redezeit, und es war genug unqualifizierter Unsinn dabei! (Abg. Achatz: Das ist unbeschreiblich!) Entschuldigung, aber vieles war wirklich sehr, sehr unqualifiziert! – Ich möchte jetzt auf zwei Punkte im Konkreten eingehen.

Die Punkte, die wir in der Sitzung vor dem Sommer vorgelegt haben – zum Beispiel das Importverbot und die Ausübung von Druck auf die Europäische Union, die Bestimmungen betreffend Dumpingstrom-Exporte zu verschärfen, sowie auch die enge Zusammenarbeit mit Deutschland


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in dieser Frage –, waren damals aus Sicht der Regierungsparteien noch nicht diskussionswürdig und haben damals noch keine Mehrheit gefunden. Daher bin ich sehr froh, dass durch die jetzige Eskalation und auch durch die Proteste auf der Straße der Druck hier nun so groß geworden ist, dass diese Punkte jetzt endlich in einer gemeinsamen Entschließung verabschiedet werden können.

Ich meine allerdings, dass es schade ist, dass es betreffend den anderen Bereich, den wir auch immer massiv thematisieren wollten, nämlich den Bereich der Vergabepolitik in Österreich, um die so genannte Komplizenschaft einmal unter die Lupe zu nehmen, noch keine Gesprächsbereitschaft gibt, denn wie wir jetzt alle wissen, ist die VA-Tech ja beteiligt, und es gibt auch andere österreichische Firmen, die bei Temelin beteiligt sind und ihre Millionen damit verdienen.

Antiatompolitik muss auf der Gesamtlinie glaubhaft und konsistent sein. Man kann nicht immer nur, wenn Druck von der Opposition oder von Umweltgruppen kommt oder wenn Bürger auf die Straße gehen, quasi aus der Hüfte irgendetwas machen, sondern hier bedarf es eines Gesamtkonzepts. Es geht um den Euratom-Vertrag und den europäischen Atomausstieg. Es muss ein Gesamtkonzept gegen alle grenznahen AKW geben, und es darf nicht immer nur in letzter Minute, bevor ein Kraftwerk in Betrieb geht, politisch gehandelt werden. Das ist zu wenig und hat sich in der Vergangenheit als nicht zielführend herausgestellt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, dass es notwendig ist, die Antiatompolitik auf völlig neue Beine zu stellen. In Form eines großen Dialoges müssen wir die Neuausrichtung diskutieren, denn mit Temelin ist jetzt das letzte in Bau und in Grenznähe befindliche AKW in den Probebetrieb gegangen. Wir haben dieselbe Diskussion schon bezüglich Mochovce geführt. Auch dieses Projekt haben westliche Geldgeber, westliche Banken mitfinanziert, und auch da haben wir es nicht geschafft, einen Erfolg zu erreichen.

Für mich ist bedauerlich, dass gerade die Probleme, die wir mit der Slowakei betreffend Bohunice hatten, jetzt verharmlost werden und dass jetzt sowohl der Bundeskanzler als auch der Umweltminister sagen, dass es mit Tschechien so schlecht läuft, dass es hingegen mit der Slowakei gut gelaufen sei.

Noch einmal zur Erinnerung: Schließungsdatum für Bohunice war das Jahr 2000. Es gab eine Verknüpfung mit den Krediten der Deutschen für Mochovce und der Inbetriebnahme von Block I und II. Dass die Slowakei dieses Datum ignoriert, war ein unglaublicher Affront, und zwar nicht nur gegenüber Österreich, sondern auch gegenüber der Europäischen Union, denn das war sogar in der Agenda 2000 verankert. – Das ist die österreichische Position, die im Antiatomplan festgelegt ist, und das sollte auch von unsere Spitzenrepräsentanten immer wieder so kommuniziert werden! Und wenn dann gesagt wird, dass mit der Slowakei alles super funktioniert hat, weil Bohunice "schon" 2006 vom Netz geht, dann ist das verheerend! (Beifall bei den Grünen.)

Sorgen macht mir auch die Konsistenz der Politik in diesem Bereich: Im Dezember wird es eine europaweite Stromausschreibung für die gesamten Bundesgebäude geben, und davon sind selbstverständlich auch Schulen und Universitäten betroffen. Dazu möchte ich anmerken: Ich lehne es ab, dass die österreichischen Schulen Stromverträge mit Bayernwerk oder irgendeinem anderen großen europäischen Stromkonzern abschließen müssen und Atomstrom verstärkt nach Österreich fließt. Das ist auch unseren ausländischen Kontrahenten bekannt.

Daher richte ich jetzt an Minister Bartenstein die Bitte, in dieser Frage große Sensibilität an den Tag zu legen. Weitere Atomstromimporte nach Österreich müssen jedenfalls verhindert werden! Der Anteil ist innerhalb von eineinhalb Jahren von einem bis drei Prozent auf über zehn Prozent gestiegen, und ich halte das für verheerend. Das konterkariert unsere gesamte Antiatompolitik! Auch solche Dinge muss man im Auge behalten, und wenn man das nicht tut, dann muss man sich die Kritik der Opposition gefallen lassen, dafür sind wir da! Die Opposition ist dazu da, den Finger in genau diese Wunden zu legen. Wenn man das als Mitglied einer Regierungsfraktion nicht aushält, wie Kollege Schweitzer, der schon wieder gegangen ist, dann tut mir das wirklich Leid. Das geschieht aber auch im Sinne der Kontrollierten, um eine bessere Politik zu erreichen.


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Abschließend sage ich: Für uns Grüne hat sich die Situation von der alten zur neuen Regierung nicht sehr geändert. In der Antiatompolitik wurde immer viel zu spät gehandelt. Wir haben Bundeskanzler Klima damals nachdrücklich und eindringlich gebeten, aufgefordert und ersucht, sogar mit Gratistickets, nach Prag zu fahren, um Premierminister Zeman zu treffen. Wir machen jetzt dasselbe bei Bundeskanzler Schüssel, was leider bislang auch erfolglos blieb. Es ist generell ein – unter Anführungszeichen – "Versagen" insofern festzustellen, als immer nur in letzter Minute, wenn die Leute auf die Straße gehen und wenn man merkt, dass man aus dem betreffenden Thema politisches – unter Anführungszeichen – "Kleingeld" machen kann, gehandelt wird. Wir brauchen jedoch eine konsistente Atompolitik, die sich durch alle politischen Bereiche zieht; das fängt bei der Versorgung der öffentlichen Gebäude an und geht bis hin zum Vergaberecht. Das Vorgehen muss konsistent sein, sonst sind wir in Tschechien nicht glaubwürdig!

Nun noch zu unserem Besuch dort: Wenn Kollege Schweitzer dabei gewesen wäre – ich glaube, das können auch Kollege Mühlbachler und Kollege Hofmann bestätigen –, wäre er vermutlich einer Meinung, dass es fast unmöglich war, eine nette Gesprächsatmosphäre in Anbetracht dessen aufrechtzuerhalten, dass die Kraftwerksbetreiber wenige Stunden vor unserer Ankunft eine weitere Erwärmungsphase eingeleitet haben. Das war ein unglaublicher Affront, und es war wirklich schwer, noch höflich zu bleiben. Wir sind allerdings höflich geblieben. Aus meiner Sicht wäre es aber falsch gewesen, einen Konsens zu suchen, und wir haben die österreichische Position auch sehr deutlich klargemacht.

Das positive Ergebnis ist – das werden die Experten auch bestätigen –, dass das Top-secret-AKW endlich zumindest in Teilbereichen geöffnet wird und dass sicherheitsrelevante Unterlagen erstmals von den österreichischen Experten auch über einen längeren Zeitraum hinweg eingesehen werden können, was, wie unsere Experten, wie etwa Kollege Kromp, bestätigen, in den letzten Jahren nicht möglich war. Das ist auch ein Erfolg der vier Parlamentarier, die dort waren. Wenn das Kollege Schweitzer nicht so sieht, dann tut es mir Leid. Ich meine, das ist ein Ansatzpunkt für weiteren Widerstand. Das Ziel ist, den Vollbetrieb dieses Kraftwerkes auf jeden Fall zu verhindern. Wir werden alles tun, was dazu irgendwie beitragen kann, und wir werden auch weiterhin entsprechende Anträge einbringen und versuchen, wie schon immer, dafür Vier-Parteien-Mehrheiten zu bekommen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete! Ich habe vor zirka einer Stunde einen Appell betreffend die Sprache an das Hohe Haus gerichtet. Dabei ging es mir auch darum, dass Ausdrücke wie etwa "Schwachsinn" nicht verwendet werden, und zwar insbesondere dann nicht, wenn diese mehr oder weniger direkt an Abgeordnete gerichtet sind. Aus dem jetzigen neuerlichen Anlass bitte ich alle um mehr Mäßigung bei der Sprache.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

21.52

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs klarstellen, dass die österreichische Bundesregierung selbstverständlich weiterhin für die Sicherheit kämpft, und zwar nicht nur für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung, sondern weit darüber hinaus.

Die Position der österreichischen Bundesregierung ist klar, sie wurde auch in einem Beschluss festgehalten und ist von einem Grundkonsens aller im Parlament vertretenen Parteien getragen, der einstimmig in verschiedenen Entschließungen zum Ausdruck gekommen ist und auch heute wieder zum Ausdruck kommen wird. Zusätzlich gab es auch Entschließungen wie jene in der vergangenen Woche im Bundesrat, und es gibt eine gemeinsame Position der österreichischen Landtage, die aus meiner Sicht sehr wichtig war, weil damit klargestellt ist, dass das kein Anliegen ist, das nur ein Bundesland oder einzelne Bundesländer betrifft, sondern ein gesamtösterreichisches Anliegen.


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Österreich hat in dieser Frage vier kritische Punkte angemerkt, nämlich erstens die mangelnde Transparenz des Verfahrens, zweitens die mangelnde Durchführung beziehungsweise Nichtdurchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, drittens die Tatsache, dass eine Vielzahl von offenen Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit bestehen, und viertens Fragen im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit des Kernkraftwerkes.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie über den aktuellen Stand in diesem Zusammenhang informieren: Betreffend Umweltverträglichkeitsprüfung werden die Vorbereitungen für das Hearing über die Teil-UVP des Nebengebäudes auf österreichischem Boden weiter fortgesetzt. Heute hat uns die Information erreicht, dass das Umweltministerium in Tschechien nun angeordnet hat, ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren über 78 Bauänderungen durchzuführen. Österreich wird selbstverständlich aktiv teilnehmen, und das Umweltbundesamt wird so wie bisher in offener Weise als Plattform zur Erarbeitung der Stellungnahme für diese UVP dienen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir bleiben selbstverständlich bei unserem Ziel und halten daran fest, dass wir eine Gesamtumweltverträglichkeitsprüfung über das Gesamtprojekt AKW Temelin haben wollen.

Betreffend Sicherheitsthematik stellen wir zwar in den letzten Wochen fest, dass der Informationsaustausch besser geworden ist, dass aber nach wie vor eine Reihe von Sicherheitsfragen nicht beantwortet ist. Selbstverständlich werden wir an der vollständigen Beantwortung dieser Sicherheitsfragen festhalten.

Wir gehen weiters genauso wie bisher davon aus, dass den Fragen der nuklearen Sicherheit im Beitrittsprozess seitens der Europäischen Kommission höchste Priorität beigemessen wird, und im Rahmen meiner Intervention in Luxemburg hat sich bestätigt, dass Umweltkommissarin Wallström das selbstverständlich unterstützt. Nukleare Sicherheit ist ein wichtiger Gegenstand des Beitrittsprozesses.

Österreich hat die Initiative auf europäischer Ebene fortgesetzt, einheitliche europäische Standards zu schaffen. Die Antwort der Kommissarin für Umwelt lautet, dass es notwendig ist, ein gemeinsames Verständnis für Standards zu entwickeln wie etwa jetzt in der Ratsarbeitsgruppe "Atom", die bis Jahresende auch Beurteilungskriterien für die Sicherheitsstandards im Beitrittsprozess auszuarbeiten hat.

Meine Damen und Herren! Ich mache aber kein Hehl daraus, dass es eine Reihe von Mitgliedsstaaten gibt, welche die Auffassung, dass eine Vertragsänderung zur Schaffung von rechtlich verbindlichen einheitlichen Sicherheitsstandards in der Union notwendig ist, nicht teilen. Daher appellieren wir dringend an alle Beteiligten, uns bei unserer Strategie, wo immer sie Möglichkeiten dazu haben, zu unterstützen, etwa auch in Frankreich, das diesbezüglich eine sehr kritische Haltung einnimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir entwickeln die Energiepartnerschaften weiter, und ich habe mit Kollegen Kuzvart vereinbart, dass wir etwa über Fragen der Energieeffizienz und der alternativen Energieträger gemeinsame Projekte entwickeln werden. Meine Damen und Herren! Sie wissen, dass Bundeskanzler Schüssel sich derzeit sehr bemüht, einen konkreten Gesprächstermin auch mit Ministerpräsidenten Zeman zustande zu bringen. Ich hoffe, dass das in den nächsten Tagen gelingen wird.

Meine Damen und Herren! Wenn Dialog verlangt wird, dann ist eine ausgestreckte Hand dazu da, dass man sie auch annimmt, und Österreich streckt die Hand aus und bietet diesen Dialog Tag und Nacht an. Ich hoffe, dass dieser nun auf verbesserte Art und Weise zustande kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber von dieser Stelle aus schon klar sagen: Für mich waren die Ereignisse der Jahre 1989 und 1990, welche zur Folge hatten, dass der Eiserne Vorhang nun der Vergangenheit angehört, ein beglückendes Erlebnis. Ich meine, dass wir daher alles tun müssen, dass wir auch in der Lage sind, ein kritisches Problem, das im Zusam


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menhang mit Tschechien besteht, auch tatsächlich zu lösen. Aus meiner Sicht ist daher die Position der Bundesregierung völlig klar, wenn sie sagt, dass ein Abschluss des Energiekapitels erst möglich ist, wenn es Antworten auf Sicherheitsfragen gibt und im Zusammenhang mit der UVP die notwendigen Klarheiten geschaffen werden. Das ist und bleibt selbstverständlich die Position der Bundesregierung!

Ich meine, dass gerade die aktuelle Diskussion zeigt, dass die Frage der nuklearen Sicherheit eine unverzichtbare europäische Dimension hat, und zwar deshalb, weil es sich um ein gesamteuropäisches Anliegen handeln muss. Das dürfen wir trotz der berechtigten und massiven kritischen Auseinandersetzung, die notwendig ist, weil viele Fragen nicht gelöst sind, in der Perspektive nicht außer Acht lassen. Ich bitte, das letztendlich auch in der weiteren Debatte mit zu berücksichtigen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

21.59

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte.

21.59

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen der beiden Vorredner, des Kollegen Schweitzer und Kollegen Mühlbachler, muss einiges gesagt werden.

Ich beschäftige mich seit mehr als fünf Jahren mit der Forderung nach einem atomkraftwerksfreien Mitteleuropa, und im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie jetzt in der Regierung sind – die einen neu und die anderen immer noch –, leide ich nicht unter kollektivem Gedächtnisschwund. Ich habe sehr wohl in Erinnerung, was alles hier in diesem Haus geschehen ist.

Jetzt ein paar klärende Worte zu dem, was Kollege Schweitzer betreffend seine Anträge vorgebracht hat: Es ist schon richtig, dass die Freiheitlichen in ihrer Eigenschaft als Oppositionspartei saubere, klare, sehr straffe und zum Teil extrem ausformulierte Anträge eingebracht haben. Allerdings war jeder dieser Anträge – wie Kollegin Glawischnig schon angesprochen hat – mit der Forderung nach einem klaren Veto gegen einen EU-Beitritt verbunden.

Noch einmal – ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube, ich habe das immer vertreten –: Temelin ist in Betrieb gegangen – auch wenn es nur ein Probebetrieb ist. Ob die Tschechen Mitglied der EU werden oder nicht, Temelin wird damit um keine Spur sicherer, und die Ängste der Bevölkerung, die angrenzend wohnt, können damit nicht genommen werden. Ich wehre mich überhaupt dagegen, dass versucht wird, mit den berechtigten Ängsten der Menschen so viel politisches Kleingeld zu wechseln. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kollege Schweitzer hat sich im Besonderen an Frau Kollegin Prammer – vormals auch Konsumentenschutzministerin – gewandt und hat ihr vorgeworfen, sie hätte zu wenig getan. Ich möchte hier vom Rednerpult aus feststellen, dass Frau Kollegin Prammer eines der ersten Regierungsmitglieder gewesen ist, das, nachdem sie damit beauftragt worden war, sich um ein atomkraftfreies Mitteleuropa zu bemühen – ich denke an die Slowakei, an Mochovce und dergleichen –, sich wirklich sichtbar und ernsthaft bemüht hat, Verhandlungen zu Stande zu bringen und etwas zu erreichen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Denken wir doch zurück – Kollege Schweitzer ist leider nicht mehr da –: Immer wenn wir damals die Anträge verhandelt haben – erfreulicherweise haben wir ja, das hat er nicht dazu gesagt, aus verschiedenen Anträgen gemeinsame Entschließungsanträge gemacht –, dann wurden diese nahezu durchgängig von allen Parteien hier im Hohen Hause getragen.

Nicht nur Umweltminister Molterer, sondern auch alle anderen Regierungsmitglieder haben bisher immer darauf verwiesen, wie wichtig es ist, in dieser so wichtigen Frage nach außen eine relativ einheitliche Sprache zu sprechen. Ich glaube – das hat ja die Diskussion im Umweltaus


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schuss bewiesen –, wir sind von dieser gescheiten Vorgangsweise erfreulicherweise nicht abgegangen, weder wir als die größere Oppositionspartei noch die kleinere Oppositionspartei. Diesen Weg sollten wir auch weiter beschreiten.

Kollege Mühlbachler! Du hast die Versäumnisse der Bundesregierung angesprochen, zum Beispiel was die Verhandlungen mit der tschechischen Regierungsspitze betrifft. Ich darf daran erinnern, dass der Hauptbetreiber der Errichtung von Temelin der Vorgänger von Ministerpräsidenten Zeman war und dass da – das hat Kollegin Glawischnig bereits gesagt – leider Gottes sehr viel wertvolle Zeit ungenutzt verstrichen ist.

Du hast zu Recht gefragt: Was nützen den Menschen die Anträge, die wir hier beschließen? – Aber sage mir bitte ein anderes Instrument, das wir Parlamentarier haben. Wir haben nur die Möglichkeit, in Form von Entschließungsanträgen die Bundesregierung zu ersuchen beziehungsweise aufzufordern, gewisse Taten zu setzen. Das haben wir über Jahre hindurch gemacht. Wenn es nicht geschehen ist, dann müssten wir die Verantwortlichen fragen, warum nicht.

Zur Kollegin Prammer kann ich nur sagen: Sie hat sich wirklich engagiert in dieser Frage um Lösungen bemüht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss sagen – und zwar nicht deshalb, weil er nicht mehr da ist –, dass ich bei Bundeskanzler Klima den Eindruck gehabt habe, dass er zu oft und zu viel auf seinen Vizekanzler und Außenminister Schüssel gehört hat. Daran möchte ich erinnern. Wie gesagt, Kollege Schweitzer spricht das heute mit keinem Wort an.

Meine Damen und Herren! Kollege Ellmauer! Wenn jemand von der Bundesregierung dazugeholt wurde, dann von der ÖVP, und zwar die Vertreter des Außenministeriums. Man hat dann immer gesagt: Aber so drastisch und so klar kann man doch das nicht abfassen, das muss man viel diplomatischer machen. – Was haben wir erreicht mit der ganzen Diplomatie? – Dass wir jetzt im Grunde genommen fast vor einem diplomatischen Scherbenhaufen stehen. Ich finde nicht, dass das gescheit und vernünftig ist.

Es gab ja – ich darf daran erinnern – ein Hearing dazu; die schwächste Berichterstattung ist aus dem Außenministerium gekommen, abgesehen davon, dass nicht die erste, sondern die zweite beziehungsweise die dritte Garnitur vertreten war und uns gesagt hat, was sie in dieser Frage zu unternehmen gedenkt.

Erinnern Sie sich: Von Anfang an haben wir erkannt, dass, wenn wir für ein atomkraftwerkfreies Mitteleuropa eintreten, das im Grunde genommen nur über die EU gehen kann, daher haben sich ja unsere Aufforderungen weitestgehend nach Brüssel gerichtet. Wir haben eine Änderung des Euratom-Vertrages gefordert – an die Schlappe der VP-Abstimmung brauche ich nicht mehr zu erinnern, das ist geschehen, das ist vergossene Milch. Ich hoffe, dass so etwas nicht mehr passiert.

Wir haben auch bewusst nur mehr von westlichen Sicherheitsstandards gesprochen, denn wenn man von deutschen redet, dann wird man nie auf einen einheitlichen Standard kommen, weil der Standard der Engländer zu dem der Franzosen und der Deutschen höchst unterschiedlich ist. Sie haben da alle ganz unterschiedliche Auffassungen. Herr Bundesminister! Ich halte es für richtig, auf alle Fälle auf dieser Linie zu bleiben.

Da es um einen wirtschaftlichen Faktor geht, haben wir Zusätzliches eingefordert: nämlich die Einführung der Kostenwahrheit. Es müssen auch bei der Atomstrom-Preiskalkulation externe Kosten mit hineingenommen werden. Solange wir das nicht erreichen, so lange wird mit Atomstrom Dumping gemacht. Wie gesagt: Der Großproduzent beziehungsweise der Großabnehmer schaut nicht, woher der Strom kommt, sondern er schaut nur auf den Preis – und das macht es sehr, sehr schwierig.

Meine Damen und Herren! Wir waren nicht so erfolglos. Ich darf daran erinnern, dass zum Beispiel am 7. September 2000 in der Presse getitelt wurde: Hilfe bei Modernisierung. Das heißt,


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dass alle Reaktoren, die im besten beziehungsweise im schlechtesten Sinne des Wortes Schrottreaktoren sind – ob in Bulgarien, in Litauen oder in Bohunice in der Slowakei –, vom Netz genommen werden; und Brüssel wird das unterstützen. – Das haben wir zumindest erreicht.

Wenn ich direkt an der Grenze wohnen würde, würde mich das auch sehr beunruhigen. Ich glaube aber, dass, wenn wirklich ein Kernreaktor-Unglück passiert, 100 Kilometer Entfernung gar nichts sind. Daher sollte man nicht außer Acht lassen, dass Mochovce leider Gottes in Betrieb gegangen ist, und Mochovce hat eine ähnliche Technologie wie Temelin. Wie gesagt, wir waren nicht ganz erfolglos, allerdings hätte wesentlich mehr dazu geschehen können.

Die so genannte alte Bundesregierung hat Mitte des vorigen Jahres im Ministerrat den Anti-Atomaktionsplan beschlossen. Wir haben diesen Antrag dann im Parlament mit den Stimmen aller fünf Parteien noch einmal verstärkt. Dann ist halt relativ wenig geschehen, da ist auch sehr viel wertvolle Zeit verloren gegangen. Ich glaube, man hat schon viel mehr auf die Wahlen geschaut als auf vieles andere. Aber ich weiß von Frau Kollegin Prammer, dass sie noch ziemlich lange in dieser Frage aktiv unterwegs gewesen ist.

Meine Damen und Herren! Täuschen wir uns nicht: Die Menschen, die Tag und Nacht die Grenzen blockieren, die dort stehen, schlafen, essen und so weiter, erkennen sehr wohl, ob wir in der Frage ehrlich oder unehrlich agieren. Ich zitiere aus den "Oberösterreichischen Nachrichten", Mittwoch, 18. Oktober: Temelin-Gegner zweifeln an Zusagen der Regierung. – Warum zweifeln sie an den Zusagen der Regierung? – Weil natürlich viele die Aussagen des Nationalratspräsidenten von Tschechien, Václav Klaus, gehört haben, und er hat ja unmissverständlich darauf hingewiesen, dass er das nicht als EU-Thema betrachtet. Das ist eine bilaterale Angelegenheit, und daher werden wir uns um Gespräche bemühen müssen. Es freut mich, heute in der Zeitung zu lesen, dass es bereits einen Termin gibt. Am 31. Oktober werden sich Zeman und Schüssel treffen, und ich hoffe, es wird im Sinne unserer Sicherheit gute Gespräche geben.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen – ich habe es im Umweltausschuss schon angeregt –, dass wir ja nicht nur die Anträge beschlossen haben, die wir jetzt besprechen. Wir haben ja auch – § 13 des ElWOG – dieses Atomimportverbot beschlossen, sodass das sofort mit dem ElWOG in Kraft tritt und der Wirtschaftsminister davon Gebrauch machen kann. Ich habe dort aber auch angeregt und erinnert, da die Tschechen zurzeit mit Temelin ja einiges vorhaben, dass die E.ON ihre kalorischen Kraftwerke großteils stillzulegen beginnt, weil sie daran denkt beziehungsweise es bereits tut, aus Tschechien billigen Atomstrom zu importieren, und zwar um 20 bis 22 Groschen pro Kilowattstunde. Das Fürchterlichste dabei ist, dass es dafür Abnehmer gibt.

Das heißt, wir werden uns nicht nur auf Gespräche mit Tschechien beschränken können, sondern wir sind gut beraten, diesbezüglich auch mit dem deutschen Wirtschaftsminister ins Gespräch zu kommen und ihn zu bitten, Ähnliches in die Elektrizitätswirtschaftsregelung in Deutschland mit hineinzunehmen, denn dann gehen den Tschechen für ihren Strom aus Temelin die Abnehmer verloren, und darum geht es. Sie haben genügend Atomstromkapazitäten, womit sie Tschechien zweimal versorgen könnten. Sie können sich überlegen, ob sie verkaufen oder nicht oder ob sie sich selber versorgen – aber dann müssen sie auf alle Fälle die kalorischen Kraftwerke stilllegen, und das werden sie politisch nicht aushalten. Meine Damen und Herren! Das sind Perspektiven, über die wir reden und nachdenken sollten, und wir müssen in diese Richtung auch initiativ werden.

Abschließend möchte ich sagen – ich habe schon lang genug geredet, es ist ja schon ziemlich spät heute –: Ich glaube, dass wir den eingeschlagenen Weg weitergehen sollten. Ich muss ganz ehrlich sagen – über die Parteigrenzen hinweg –, dass ich beim Umweltminister Molterer ein gutes Gefühl habe und meine, dass da diese Anliegen gut aufgehoben sind. Er ist Oberösterreicher, er versteht auch die Sorgen und Nöte der Menschen in Oberösterreich.

Wir sollten in dieser Frage aber nicht versuchen – und wir werden in Jahren noch daran gemessen werden, was wir wirklich getan haben, und nicht daran, worüber wir nur gesprochen haben –, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, nur um vordergründig auf populistische


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Art und Weise ein paar Erfolge einzuheimsen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.

22.12

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich schließe bei meinem Vorredner an und greife das Wort "Populismus" auf.

Frau Kollegin Glawischnig! Ich glaube schon, dass man den Eindruck gewinnen konnte und musste, wenn man in Temelin dabei war und insbesondere dann, wenn man die Medienberichte verfolgt hat, dass Sie gemeinsam mit Kollegin Sima zu einem Fotoshooting nach Temelin gefahren sind, um den Eindruck zu erwecken, als wären Sie die Schutzmantelmadonna aller AKW-Gegner. (Abg. Dr. Glawischnig: Medienneid! – Abg. Mag. Sima: Das ist nur Neid!) – Nein, Frau Kollegin Sima, das ist kein Medienneid.

Es hat eine vereinbarte gemeinsame Linie gegeben, und in dieser gemeinsamen Linie war auch ausgemacht, wann die Pressekonferenz stattfindet. Dass Sie beim Walk-down des Kraftwerkes überhaupt kein Interesse daran haben – aus welchen Gründen auch immer –, irgendwelche Feststellungen dahin gehend zu machen, was der eigentliche Sinn der Anwesenheit der Delegation dort gewesen ist, sondern die Zeit nutzen, um der Presse vorab gleich einmal alle Informationen zu geben und sozusagen die Luft rauszulassen, das ist eine zweite Geschichte. – Aber sei es drum.

Kollegin Sima fährt, anstatt an der Sitzung des Umweltausschusses teilzunehmen, nach Wullowitz, um sich unter die Demonstranten zu mischen und den Anschein zu erwecken, als würde sie sozusagen die Nation retten und dafür Sorge tragen, dass Temelin zugesperrt wird beziehungsweise nicht ans Netz geht. Gleichzeitig fordert sie den Bundesminister auf, doch dasselbe zu tun. Das heißt, der Bundesminister, der selbstverständlich im Umweltausschuss war, wird aufgefordert, nach Wullowitz zu fahren – vielleicht gibt es dann eine Gruppenermäßigung bei der Bundesbahn –, um gemeinsam mit der Frau Kollegin Sima teilzunehmen. – Das ist Populismus.

Dass die Rochade, die zwischen dem stellvertretenden Obmann des Umweltausschusses Keppelmüller und der Kollegin Sima stattgefunden hat, beziehungsweise eine Neubesetzung dieser stellvertretenden Obmannfunktion stattfinden hätte müssen oder sollen, sei auch noch erwähnt. Das war nicht möglich, weil die Frau Kollegin Sima nicht anwesend war.

Jetzt komme ich noch auf eine Sündenliste zu sprechen. Karl Schweitzer hat, was Frau Kollegin Prammer anbelangt, bereits einige Sünden aufgezählt. Die Konsumentenschutzministerin Prammer – ich habe es in diesem Haus schon einmal gesagt – hat vor der Inbetriebnahme von Mochovce eine Presseaussendung geschrieben und öffentlich kundgetan: Mochovce muss erst in Betrieb gehen, um es abschließend und endgültig beurteilen zu können. – Das stimmt ja, nicht? – Ja, das stimmt, Frau Kollegin Prammer. Diesen Pressedienst gibt es noch. Das war die damalige Haltung und der Einsatz der Sozialdemokraten, der Einsatz von Ihnen als Bundesministerin für Konsumentenschutz, was die AKW-Situation anbelangte.

Es kam dazu, dass Mochovce in Betrieb genommen wurde und ans Netz gegangen ist. (Abg. Mag. Prammer: Wie oft sind Sie in einem Jour fixe bei mir gewesen?) Stimmt es, dass es diesen Pressedienst gibt, Frau Kollegin? – Den gibt es. Ich werde Ihnen den Pressedienst im Anschluss an meine Rede bringen. (Abg. Mag. Prammer: Zeigen Sie ihn mir! Wie oft waren Sie in einem Jour fixe bei mir?) Ich war einige Male bei Ihnen beim Jour fixe. Insofern finde ich es umso erschütternder, dass es solche Aussagen gibt. Das ist mir eine Aussage des Bundesministers Molterer lieber, der sagt: Es wird im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt nicht zu einem Abschluss des Energiekapitels kommen, wenn nicht die sicherheitstechnische Relevanz geklärt ist und alle sicherheitstechnischen Fragen restlos geklärt sind. (Abg. Mag. Prammer: Bringen Sie mir den Pressetext!)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt bei Temelin grundsätzlich verschiedene Betrachtungsweisen und Ansätze, verschiedene Aspekte. Das eine ist der grundsätzliche Standpunkt, von dem ich glaube, dass er ausgetauscht ist. Wir sind für ein kernkraftfreies Mitteleuropa, wir sind gegen die Kernkraft, während die Tschechen Befürworter der Kernkraft sind. Das ist der offizielle Standpunkt, eine Haltung – beiden Seiten bekannt, oftmals wiederholt.

Dann gibt es einen zweiten Punkt, dieser betrifft die Wirtschaftlichkeit. Dabei ist sehr wohl darauf zu achten und hinzuweisen – auch in der Europäischen Union –, dass es bei diesem Kernkraftwerk zu einer Quersubvention kommen wird, nämlich der tschechischen Kunden, die den in Temelin erzeugten Exportstrom zu stützen haben, damit dieser Strom überhaupt exportiert werden kann, das heißt, auf dem Markt unterzubringen ist. Das wird einer eingehende Prüfung bedürfen.

Ich höre, dass die Grünen vorschlagen, es soll – zumindest war es so den Medien zu entnehmen – eine Ausgleichszahlung erfolgen, also wir sollen die Kosten für dieses Kraftwerk Temelin erstatten ... (Abg. Dr. Glawischnig: Das war ein Antrag im Parlament!) – Nein, das wurde ja in der Sendung "Betrifft" wiederholt. Ich wünsche Ihnen dafür viel Glück: 43 bis 45 Milliarden Schilling kostet dieses Kraftwerk. Alleine Westinghouse ist mit einer Größenordnung von 400 Millionen Dollar dabei. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei der Ausgleichszahlung und auch dafür, nachzuweisen, dass es – da diese Investitionen ja bereits getätigt wurden – nun nicht ans Netz gehen soll, weil es so unwirtschaftlich ist. (Ruf: Ist es so?)

Ja, Herr Kollege! Die Problematik ist lediglich, dass das bereits investiert ist. Also die Ersatzzahlung – Vorschlag der Grünen – wird wohl nichts sein. (Abg. Dr. Glawischnig: Machen Sie einen Vorschlag!)

Ein meiner Meinung nach sehr wesentlicher Punkt ist die sicherheitstechnische Betrachtung dieses Kraftwerks. Bei der sicherheitstechnischen Betrachtung – das ist jener Bereich, für den Sie sich, Frau Kollegin Glawischnig, nicht so sehr interessiert haben – ist für mich der wesentliche Punkt, tatsächlich zu erreichen, dass dieses Kraftwerk, obwohl es bereits angefahren wird, nicht voll ans Netz geht.

Es gibt keine Transparenz bis zum heutigen Tag, und der Bundesminister hat auch bestätigt, dass nicht alle erforderlichen Unterlagen vorliegen. Es gibt Besonderheiten bei diesem Kernkraftwerk, die es bei anderen nicht gibt. Sie wissen, dass normalerweise, wenn Kernkraftwerke gebaut werden, das Containment auf gewachsenem Boden steht. (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig. ) – Ja, aber das ist Ihnen offensichtlich egal. Sie sprechen nicht darüber.

Das ist jedoch der Ansatzpunkt, dass sich nämlich mit vertikalen Rohrdurchführungen unter diesem Containment der Kontrollraum, die Warte, also wesentliche Anlagenteile, die die Sicherheit gewährleisten müssen und deren Funktion sichergestellt werden muss, befinden. Sie wissen das, aber Ihnen ist es egal.

Was den Nachweis betrifft, dass die Ausschlagsicherheit bei den Rohrleitungen nicht gegeben ist, so hat man uns eine tschechische Konstruktion gezeigt. Sie haben Interviews gegeben, ich habe es mir angeschaut. (Ruf bei der SPÖ: Das ärgert ihn wieder! – Heiterkeit bei der SPÖ.) – Nein, das spiegelt diesen Ihren Einsatz wider, der nur einen Zweck hatte: auf der Titelseite der Tageszeitungen zu sein – und nichts anderes!

Das ist bis heute nicht geklärt, und das werden wir einfordern müssen. Ich höre immer wieder, dass westliche Sicherheitsstandards eingefordert werden – was immer das ist –; ich wiederhole mich, aber ich sage es trotzdem noch einmal: Diese Sicherheitsstandards gibt es nicht, diese Sicherheitsstandards können bei dieser Hybridanlage auch nicht festgelegt werden, weil das nicht eins zu eins vergleichbar ist. Die Philosophie, die in dieser Konstruktion steckt, ist eine andere als bei westlichen Kernkraftwerken.

Es gibt also Fragen über Fragen. Ich persönlich bin froh darüber, dass die Bundesregierung eine klare Linie gefunden hat. Ich finde es bedauerlich, dass wir so brüskiert wurden, als wir nach Temelin kamen, wo durch das Aufheizen auf 280 Grad sozusagen Punkte von unserer


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Wunschliste gestrichen wurden und man nicht wollte, dass wir im Containment eine Besichtigung durchführen. Es ist dann Gott sei Dank trotzdem noch möglich gewesen, es war aber nicht ausreichend, um abschließend sagen zu können, dieses Kraftwerk ist sicher. Hiefür würden wir die entsprechenden Berechnungsunterlagen und Sicherheitsnachweise noch brauchen.

Ich begrüße die Haltung der Bundesregierung und hoffe, dass – was die Sicherheitstechnik anbelangt – das endgültige Ans-Netz-Gehen dieses Kraftwerks noch verhindert werden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hornek. Die Uhr ist auf 8 Minuten gestellt. – Bitte.

22.22

Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Temelin ist ein Reizwort, und zwar nicht nur in der Grenzregion, sondern es macht alle Österreicher betroffen.

Seit beinahe eineinhalb Jahrzehnten wurde und wird an diesem Atomkraftwerk gebaut. Ebenso lange gibt es aber auch Bedenken und damit verbunden auch Proteste der österreichischen Bevölkerung, von Bürgerinitiativen, aber auch von Verantwortungsträgern – Bedenken und Aktivitäten, die sich ab dem Zeitpunkt des tragischen Unfalls in Tschernobyl massiv verstärkt haben. Daher kann wirklich niemand behaupten, dass wir uns erst jetzt melden.

Aus persönlicher Erfahrung bin ich mit diesem Thema seit mindestens zwölf Jahren konfrontiert und setze mich damit auch auseinander. Ein besonderes Risiko ist natürlich die Kombination der westlichen und der östlichen Technik – ein gefährlicher Technologie-Mix, ein technischer Standard, der nach Sicherheitskriterien der Bundesrepublik Deutschland nie genehmigt würde.

Dass durch das vorhin genannte Gefahrenpotenzial die Österreicher in hohem Maße betroffen sind, ist selbstverständlich, und es handelt sich dabei nicht um eine Einmischung in Interessen unseres Nachbarlandes. Unsere Bürger haben im Zuge der Grenzblockaden sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie Betroffene sind und dass sie auf eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, weil der Sicherheitsaspekt mit Abstand das Allerwichtigste ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Inbetriebnahme des umstrittenen Atomkraftwerkes hat die gutnachbarlichen Beziehungen, die sich in den letzten Jahren gebildet haben, bedauerlicherweise getrübt, wozu zweifellos manche tschechische Verantwortungsträger mit ihrem Umgangston beigetragen haben. Die Inbetriebnahme von Temelin ist eine Fleischwunde, die Narben hinterlässt. Da sich herauskristallisiert hat, dass Temelin nur für Exportzwecke dienen soll und selbst Vertreter des tschechischen Energiekonzerns CEZ mehrfach zugegeben haben, dass die Preise für Stromexporte in einigen Fällen unter den Erzeugungskosten liegen, besteht der Verdacht, dass es um Strompreisdumping im Zuge eines Verdrängungskampfes um den Markt geht.

Derartige Praktiken bedeuten, dass es beachtliche Nachteile für österreichische Energieproduktionsanlagen gibt und dass diese auch beachtliche Wirkung haben werden. Atomkraftwerke sind einfach in der Anfangsphase billiger, weil sie auf der einen Seite quersubventioniert werden und auf der anderen Seite Kosten über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg delegieren, weil da einfach keine Vollkostenrechnung – wie heute schon angesprochen – zum Zug kommt.

Temelin als Negativbeispiel kann aber auch viele Chancen bieten, Anlass dafür zu sein – speziell im Hinblick auf die Kyoto-Ziele –, selbst positive Beispiele bei uns in Österreich zu setzen, zuerst vor der eigenen Tür zu kehren und dann beim Nachbarn anzuklopfen und diese Möglichkeiten ebenfalls anzubieten. Ich verweise nur auf die Energiesparpotenziale, die sich auch im österreichischen Bereich befinden.

Es muss aber auch klar und deutlich festgehalten werden, dass wir in diesem Haus Maßnahmen diskutieren müssen, die Rahmenbedingungen schaffen, um auf der einen Seite diese Ener


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giesparpotenziale realistisch erreichen zu können und um auf der anderen Seite den restlichen Energiebedarf durch erneuerbare Energieträger abdecken zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Daher betrachte ich es als wesentlich sinnvoller, mit österreichischer Alternativenergie, mit österreichischer Anlagentechnik Beispiele zu setzen und nicht Milliardengeschenke an unseren Nachbarn zu verteilen, der auf Grund der massiven Proteste von Anbeginn des Baus gewusst hat, was er tut. Diese Forderung sehe ich als nicht zielführend.

Die Blockaden an den Grenzübergängen haben aber auch dazu geführt, dass es zu einer intensiven Meinungsbildung kommt – nicht nur in Österreich, sondern auch in Tschechien. Im Zuge von vielen Gesprächen mit unseren Nachbarn, die ich persönlich kenne, habe ich erfahren, dass sie erst im Zuge dieser Demonstrationen und Blockaden auf gewisse Dinge aufmerksam wurden. Ein Jahrzehnt lang Propaganda für den Atomstrom, wie sie tschechischerseits betrieben wurde, ist nicht ohne Spuren an der Bevölkerung vorbeigegangen, und jetzt merken sie erst, welche Gefahren und Risken damit verbunden sind.

Besonders bemerkenswert ist, dass es eine zweite Kettenreaktion gibt, nämlich die Kettenreaktion der Vernunft, ausgelöst von einem der bedeutendsten Politiker der Gegenwart – dies ist niemand Geringerer als der Präsident der Tschechischen Republik Václav Havel, der klar und deutlich meinte, dass es seinerseits ein grober Fehler war, dass er sich nicht zeitgerecht wesentlich massiver gegen dieses Atomkraftwerk eingesetzt hat. Diese Kettenreaktion der Vernunft gilt es unsererseits weiter zu treiben, um klar und deutlich vorzuzeigen, dass Atomenergie in der Geschichte nur schwarze Seiten schreiben kann.

Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Zur Unterstützung dieser Kettenreaktion der Vernunft sind wir alle aufgerufen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. Die Uhr ist auf 5 Minuten gestellt. – Bitte.

22.28

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Kettenreaktion der Vernunft hat eine lange Vorgeschichte, sie hat heute auch einen Schauplatz und wird hoffentlich auch in der Angelegenheit Temelin noch eine kleine Hoffnungsperspektive eröffnen.

Als Mensch, der vernünftig erzogen worden ist, glaubt man an die Vernunft. Oft fällt einem dieser Glaube schwer, besonders wenn man hier in diesem Haus gewisse unqualifizierte Äußerungen hört und vor allem angesichts dessen, wenn man die Geschichte des österreichischen Widerstandes gegen die Atomkraft in Mitteleuropa betrachtet.

Ich möchte hier nicht retrospektiv in die Vergangenheit schauen, obwohl mir dazu sehr viel einfiele. Ich war in Zwentendorf, ich kenne die Geschichte mit Wackersdorf. Nur zur Klarheit: Über mich gibt es einen Stapo-Akt wegen Wackersdorf. Ich war mehrmals in Temelin. Meine Güte, die Grenzblockaden stecken mir auch jetzt noch in den Beinen! Es soll aber in die Zukunft gehen.

Herr Minister! Diesbezüglich haben Sie mich jedoch schon etwas stutzig werden lassen. Sie haben formuliert: Unsere gesamte Aufmerksamkeit gilt jetzt natürlich den Energieprotokollen. Das Wesentliche ist – ich glaube, es ist wirklich wörtlich von Ihnen so genannt worden; ich zitiere aus dem Gedächtnis, aber es trügt mich bestimmt nicht – eine Antwort in der Sicherheitsfrage und eine Klarheit bei der UVP.

Ich bin deshalb so misstrauisch, weil dieses Energieprotokoll eine sehr heikle Sache ist. In der Sache des Energieprotokolls sind ja die Beitritts-Vorweichen zu stellen. Der Herr Bundeskanzler und Sie haben sich immerhin dazu durchgerungen – obwohl das eigentlich schon letzten Herbst möglich gewesen wäre –, endlich das Energieprotokoll in die Waagschale zu werfen und hieran Bedingungen zu knüpfen.


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Jetzt, heute Abend, formulieren Sie hier: einerseits die Antwort auf Sicherheitsfragen, andererseits die Klarheit in Sachen UVP. Ich möchte es noch klarer wissen, Herr Minister: Was ist die Antwort in der Sicherheitsfrage? – Für mich ist die Antwort ziemlich klar. Experten reihum sagen, dieses Kernkraftwerk ist nicht sicher. Daher brauche ich nicht die Antworten auf die Sicherheitsfrage abzuwarten, Herr Minister. Meine Zukunftsperspektive ist deshalb, dass ich Ihnen hier sehr genau zugehört habe und Sie jetzt in dieser Richtung noch genauer vielleicht auch zu einer Antwort provozieren möchte.

Das andere ist: Was ist denn die Klarheit in der Sicherheitsfrage? – Ich glaube, das liegt glasklar auf dem Tisch. Es ist sehr deutlich und klar zum Ausdruck gekommen – auch durch den Besuch der ParlamentarierInnen vor Ort –, dass die UVP-Frage nicht geklärt ist.

Vor allem haben die Gespräche mit den tschechischen Partnern aus dem Umweltausschuss eines sehr deutlich gezeigt. Auch Sie haben es in "Betrifft" gehört, Kollege Beneš aus der Nachbarrepublik Tschechien hat sich immer gerühmt: Wir haben die besten UVP-Gesetzgebungen. – Ja, das stimmt, aber sie wenden sie nicht an! Was soll dann die Klarheit mit der UVP, wenn sie nicht angewendet wird oder wenn sie sozusagen retrospektiv angewendet wird, in Teilbereichen angewendet wird und es nie eine Gesamt-UVP gibt?

Herr Minister! Entschuldigen Sie, wenn ich das dritte und letzte Mal darauf zu sprechen komme: Ihre Aussagen heute, mit dieser Terminologie, waren für mich nicht die Zukunftsperspektive, die ich jetzt brauche, um den Widerstand trotz aller Unbill, trotz aller Einschränkungen, trotz vergleichsweise düsterer Ausgangssituation fortzusetzen. Diesen Widerstand brauchen wir! Wir sagen den Leuten vor Ort immer wieder, sie sollen diesen Widerstand weiter leisten.

Nur dadurch, nur durch die Blockaden ist es nämlich möglich gewesen, dass sich der Herr Bundeskanzler endlich doch dazu aufgerafft hat, einen Termin mit Herrn Ministerpräsidenten Zeman anzustreben, sodass es den Anschein hat, als würde es endlich Chefsache. Das war nämlich immer unser Argument. Ich könnte Ihnen historisch, glaube ich, mindestens 15 grüne Anträge aufzählen – vielleicht lässt mich das Gedächtnis nicht im Stich, und ich könnte Ihnen sogar die Daten dazusagen; nur ist die Redezeit abgelaufen –, in denen die Grünen immer wieder beantragt haben, die Sache der Anti-Atomkraftpolitik, die Sache Temelin muss Chefsache werden. Das ist sie bis heute nicht, weil sonst Herr Minister Molterer nicht alleine auf der Regierungsbank säße, sondern der Herr Bundeskanzler daneben säße. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Trattner  – in Richtung Bundesminister Mag. Molterer –: Sie ist nicht zufrieden mit dir!)

22.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Brix. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

Ich werde jetzt überhaupt die Uhr dauernd auf 5 Minuten stellen. Es sind ja nur freiwillige Redezeiten, die ich damit andeute. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.33

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Grundsätzlich sollten wir einen österreichischen Weg finden, zu dem sich alle Österreicher bekennen, damit wir verhindern, dass es zu einer kompletten Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Temelin kommt. Ich meine, die Angst der Menschen hat weder rote noch schwarze, noch grüne, noch blaue Mascherl, sondern die Angst der Menschen ist vorhanden. Daher ist alles zu unternehmen, um dieses Kernkraftwerk zu verhindern.

Es soll aber auch nicht ein Weg des Crash-Kurses gefunden werden. Ich glaube, mit Drohungen allein ist es nicht getan. Wichtig ist vielmehr, dass wir Überzeugungsarbeit leisten, damit auch die tschechische Bevölkerung diese Angst, die sie schon zu spüren bekommt, zur Sprache bringt und damit auch in ihrem eigenen Land gegen dieses Kernkraftwerk auftritt.

Ich erinnere mich noch zu genau an das Jahr 1986, als die Katastrophe in Tschernobyl geschah. Damals hatten wir alle Angst, genauso wie heute die Oberösterreicher, die Wiener, die Niederösterreicher Angst haben. Damals gab es ein völliges Umdenken in der Bevölkerung zum


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Thema Kernkraftwerke. Heute ist es so, dass Tschernobyl aktuell mit Temelin verglichen werden kann. – Warum sage ich das?

Herr Bundesminister! Hohes Haus! Am 5. Dezember dieses Jahres wird Tschernobyl geschlossen oder vom Netz genommen. Der Botschafter der Ukraine war in diesen Tagen im österreichischen Außenministerium und hat dort die Zustimmung von Frau Botschafter Nowotny oder überhaupt vom Außenministerium erhalten, dass die Ukraine um Kredite für konventionelle Energie – also für Kohle, für Erdgas, für Erdöl – ansuchen kann.

Dass sie den Antrag bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gestellt haben, ist etwas, worüber wir Österreicher sagen müssen: Seien wir froh, dass Tschernobyl geschlossen wird! Seien wir froh, dieses Land braucht Energie, und wir selbst wollen ja auch unsere Techniker dort hinschicken, um Betriebe zu errichten.

Aber dieses Land braucht auch Geld dazu, und da kommt es folgendermaßen – jetzt bitte ich wirklich um Aufmerksamkeit –: Nachdem der Botschafter der Ukraine im österreichischen Außenministerium gewesen war und die Zusage erhalten hatte, wandte er sich an diese Bank, und – Sie werden es nicht glauben – der österreichische Vertreter in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Direktor Luschin, hat verweigert, dass die Ukraine einen Kredit für konventionelle Energie unter dem Aspekt, dass sie Tschernobyl schließt, bekommt.

Meine Damen und Herren! Wenn es so ist, dass wir diese Länder nicht unterstützen und dass ein österreichischer Direktor – das kommt noch hinzu! – auf Weisung des Finanzministers, der bekanntlich der Freiheitlichen Partei angehört, diesem Land keine Kredite gewährt (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja skandalös!), dann brauchen wir über Temelin und Unterstützung gar nicht mehr zu sprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Das zeigt die ganze Heuchelei!) In Wirklichkeit verhindert doch der blaue Finanzminister, was die schwarze Außenministerin haben will, nämlich die Unterstützung für ein Land, das zu konventioneller Energie übergeht. (Abg. Dr. Jarolim: Ich glaube, dass Schüssel ...!) Was soll dann noch glaubhaft sein? (Abg. Mag. Trattner: Die exportieren das ja!) Wollen wir einem Land nur noch drohen, oder gibt es die Möglichkeit, ein Land auch zu unterstützen? – Es gäbe die Möglichkeit, ein Land zu unterstützen. Aber Drohgebärden sind wahrscheinlich viel einfacher. (Abg. Mag. Trattner: Das sind keine Drohgebärden!)

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Entwickeln wir lieber Konzepte (Abg. Gaugg: Hör einmal zu! Wir waren schon gegen die Atomkraft, wie du noch mit der Trommel um den Christbaum getanzt hast!), wie wir Tschechien auch auf diesem Wege helfen können, dass sie dabei nicht ihr Gesicht verlieren, dass sie den Vollausstieg aus der Kernenergie machen können und trotzdem Energie für ihr Land haben! Gehen wir nicht jenen Weg, den Finanzminister Grasser durch Direktor Luschin befehlen lässt, indem er einem sich entwickelnden Land konventionelle Energie verweigert! (Beifall bei der SPÖ.)

22.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Fallent. Er hat das Wort.

22.38

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Brix! Es ist uns, glaube ich, völlig klar, warum es Ihnen wichtig ist, dass Tschechien das Gesicht nicht verliert. Es ist eine sozialistische Regierung, und ich glaube, das ist es, was dahinter steckt. Ich würde mich fragen ... (Abg. Brix: Das hat doch nichts mit der Parteipolitik zu tun! Glauben Sie wirklich, dass das mit Parteipolitik zu tun hat? – Weitere Zwischenrufe.)

Ich weiß, dass das mit dem grundsätzlich nichts zu tun hätte. Aber ich stelle mir nur eine Frage: Was wäre, wenn in Tschechien eine freiheitliche Regierung dies täte? – Ich glaube, die Kritik sähe anders aus. (Abg. Mag. Prammer: Aber geh!)


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Herr Oberhaidinger! Wenn Sie sagen, dass die Nichtzustimmung zum Energiekapitel nicht mehr notwendig und nicht mehr zu überlegen ist, dann sage ich Ihnen: Das ist ebenfalls falsch. Ich meine, dass wir das Recht haben, etwas einzufordern, was die Sicherheit gegenwärtiger und kommender Generationen gewährleistet. Ich glaube, dass es auch Konsequenzen geben muss, wenn diese langjährigen Forderungen nicht eingehalten werden.

Ich denke, dass Tschechien seit einiger Zeit sehr massiv in die falsche Richtung geht, in eine Richtung, in der es aus eigener Schuld den Beitritt zur Europäischen Union nicht schaffen kann. Es liegt doch an Tschechien, die Kriterien im Umweltbereich zu erfüllen. Es liegt an Tschechien, die Kriterien im Bereich der Demokratie zu erfüllen. Es liegt an Tschechien, sich an europäische Werte zu halten. Es liegt an Tschechien, sich an europäische Spielregeln zu halten. Das passiert eben nicht, und ich glaube, es ist unser Recht, das einzufordern. Das kann es doch nicht sein!

Wissen Sie, wer in Österreich die meiste Angst hat? – Das sind unsere Kinder! Sie können ja nicht einmal verstehen, was da passiert und wie mit ihrer Zukunft umgegangen wird!

Ich denke, die Bundesregierung – und wohl alle vier Parteien; es gibt nämlich Einigkeit, und darüber können wir froh sein – hat hiemit einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem in fünf Punkten klargelegt wird, wie unsere Strategie ist: einerseits in Europa Verbündete zu bekommen, Menschen und Politiker zu bekommen, die so wie wir denken, andererseits, was speziell Deutschland betrifft – Herr Oberhaidinger, was Sie erdenken möchten, ist bereits erdacht, Sie haben dabei mitgedacht; es ist bereits im Entschließungsantrag enthalten, nämlich Punkt 4 –, dass wir an Deutschland herantreten werden, so wie wir hier in Österreich eine Drittstaatenregelung für Länder zu machen, die Kraftwerke haben, die nicht dem Stand der Technik entsprechen, sodass man dort keinen Strom einkauft und importiert.

Ich glaube, es ist auch sehr wichtig, zu sagen, dass wir uns ausdrücklich gegen Preisdumping ausgesprochen haben und dass wir versuchen, das entsprechende Bewusstsein in Europa zu wecken. Ich meine, dass die Beschlussfassung des ElWOG ein sehr wichtiger Schritt war, wodurch wir die Grundlage geschaffen haben, dass es diese Drittstaatenregelung gibt und dass es in Zukunft eine Stromkennzeichnung geben wird. Es hängt nämlich auch sehr stark davon ab, wie sich die Konsumenten verhalten und wie sich die Bevölkerung verhält. Wenn sie in der Lage ist, zu unterscheiden, ob es sich um Atomstrom handelt oder nicht, dann wird sie auch in der Lage sein, mit ihrem Konsum Weichen zu stellen. Ich sage Ihnen: Es wird nichts produziert, was nicht konsumiert wird.

Es ist deswegen meiner Ansicht nach für uns sehr wichtig ist, Tschechien eindringlich davon zu unterrichten, dass wir auf Strom aus diesem Kraftwerk verzichten können. Ich glaube, unser Bundesminister wird alles daransetzen, diesen Weg zu gehen. Ich richte nun wirklich die Bitte an Sie von der SPÖ: Wirken Sie auf Ihren tschechischen Partner und Ihre tschechischen Kollegen ein, hier verantwortungsbewusste Politik zu machen!

Und ich bitte Sie, Frau Glawischnig, bei den Grünen in Deutschland dafür zu sorgen, dass die 32-jährige Garantieerklärung für Atomenergie in Zukunft nicht so bleiben wird, denn ich glaube, dass es ein falsches Signal ist, ein Ausstiegsszenario, das keines ist, positiv darzustellen. Auf 32 Jahre – bitte, die Leute, die das heute beschließen, werden dann nicht mehr die Möglichkeit haben, diesen Beschluss wirklich einzufordern!

Ich denke, dass wir bereits in wenigen Jahren wissen werden, dass Atomenergie keine Zukunft hat und dass die Atomkraftwerke zu schließen sind. Wir haben nur einen Ausweg, nämlich den Umstieg auf erneuerbare Energieträger: hin in eine nachhaltige Welt, hin zu Lebensräumen mit Zukunft! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

22.43

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Das Atomkraftwerk Temelin, über das in


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diesem Hause heute ja bereits sehr eindringlich diskutiert worden ist, ist ein Beispiel dafür, wie durch Uneinigkeit, Ausgrenzung, Eigennutz, aber auch Egoismus der Lebensraum und die Bürger gefährdet und verunsichert werden. Wir müssen hier gemeinsam eine Strategie finden, eine nachhaltige Strategie, um den Bürgern gegenüberzutreten und ihnen eine Sicherheit anzubieten, die sie verdienen.

Ich persönlich bin davon enttäuscht, dass es trotz Zusammenhalt im umliegenden Bereich – sprich: aus der EU direkt, aber auch aus Deutschland oder Frankreich – eigentlich sehr wenig Unterstützung gegeben hat. Es ist schwierig, Schuldige zu finden, weil viele an diesem Kraftwerk beteiligt sind und westliche Hilfe im Geld-, aber auch im Technikbereich dabei eine große Rolle gespielt hat. Die einzige Lehre aus dem AKW Temelin kann wohl nur sein, dass wir im mitteleuropäischen Raum kein solches Kraftwerk mehr in Betrieb nehmen, und die Lehre daraus muss sein, dass wir alles unternehmen, damit wir auf Atomstrom in absolut kürzester Zeit verzichten sollten oder verzichten könnten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir müssen also Signale an die EU aussenden, und wir müssen Verbündete finden. Es ist meiner Ansicht nach auch sehr wichtig, dass Leute wie der deutsche Umweltminister Trittin, die sich früher klar vom Atomstrom distanziert haben, nicht nur die Sprache – das passiert manchmal sehr schnell – und die Einstellung ändern, sondern klar Stellung beziehen. Diese Erwartung habe ich.

Wir brauchen eine Taktik – das ist heute auch schon offen angesprochen worden –, um die restlichen Unterlagen, die noch nicht alle offen gelegt wurden, einzufordern und um Sicherheitsprüfungen einzufordern. Ich bin froh darüber, dass Bundesminister Molterer heute hier berichtet hat, dass für den restlichen technischen Bereich ein UVP-Verfahren eingeleitet wird. Wir brauchen hier einheitliche Standards. Die EU muss hier aktiv werden oder stärker als bisher aktiv werden, und sie darf nichts blockieren.

Ich bin aber auch froh darüber, dass unser Bundesminister Bartenstein ein Zeichen oder ein Signal dafür gesetzt hat, dass Österreich keinen Atomstrom mehr importiert. Mir ist sehr wohl klar, dass da über Umwege noch einiges möglich sein wird oder sein kann, aber wir müssen versuchen, den Atomstrom vom Markt zu drängen und mit alternativen Energieformen eben Wahlmöglichkeiten zu bieten. Das ist für mich die einzige Antwort, um zu weniger Atomstrom zu kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Schluss noch eine Aussage: Es ist zu wenig, ein Atomkraftwerk umzurüsten. Das ist keine Lösung, das ist zu teuer und nicht realistisch. Wir brauchen alle Maßnahmen, um über Projekte, Energiesparprojekte oder alternative Energieformen der Tschechischen Republik zu helfen. Es nützt auf Dauer auch kein Protest, das ist keine Lösung und keine Antwort. Wir brauchen das Gespräch und den Dialog. Hier hoffe ich auf unseren Bundesminister und speziell auf unseren Bundeskanzler, welcher in absehbarer Zeit Termine wahrnehmen wird, um in diesen Dialog einzutreten. Mit Gesprächen und Verhandlungen sollte es uns möglich sein, das Temelin-Thema im Sinne der Bevölkerung hier und auch drüben zu lösen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

22.48

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Wir haben heute eine lange Temelin-Debatte. Ich möchte versuchen, in die Debatte noch einige Aspekte einzubringen, die meiner Meinung nach für unsere politische Diskussion in den nächsten Jahren sehr wichtig sein werden.

Die persönliche Betroffenheit angesichts des derzeitigen Temelin-Konfliktes – denn als solchen muss man ihn ja wahrnehmen – mit der tschechischen Bevölkerung und der tschechischen Regierung hat auch für mich persönlich eine Geschichte. Ich erinnere mich noch gut daran, als wir Grüne 1988/89 von der tschechischen Umwelt- und Bürgerbewegung eingeladen waren, über


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die österreichische Politik, die österreichische Demokratie und die österreichische Agrarpolitik zu sprechen. Ich erinnere mich noch daran, mit welchem Interesse sich dort Bürgerinnen und Bürger Tschechiens neu orientiert haben, wie sie versucht haben, sich politisch und inhaltlich neu zu positionieren.

Meine Damen und Herren! Mir scheint es in dieser Diskussion, in dieser Auseinandersetzung zwischen Österreich und der Tschechischen Republik ein großes Manko zu sein, dass das Klima zwischen den beiden Ländern und die Kultur der Kommunikation in den letzten Jahren nicht in jenem Maße gepflegt wurde, das notwendig wäre, um auch in konfliktreichen Momenten – und einen solchen Moment haben wir natürlich jetzt – sozusagen Instrumente zu haben, um in einem Dialog zu bleiben. Herr Bundesminister, das ist, so glaube ich, die große Herausforderung und auch das große Problem. Die österreichische Anti-AKW-Bewegung, die Anti-Temelin-Bewegung hat diese Kontakte über Jahre hinweg gepflegt. Sie kennt die innenpolitische Situation in Tschechien sehr gut, und sie weiß, wie schwierig es ist, Ressentiments in Tschechien, die historisch nachvollziehbar sind, sozusagen im Zaum zu halten.

Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie: Treten Sie dafür ein, dass Ihre Kollegen, vor allem Landeshauptmann Pühringer, endlich die Beneš-Dekrete sozusagen vor Ort lassen – dort, wo sie hingehören, nämlich in eine eigene Diskussion – und das nicht mit Temelin verknüpfen. Darum möchte ich Sie wirklich bitten und ersuchen, hier zu einer Lösung beizutragen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, das Angebot, das Sie hier aussprechen, das ich schätze und das ich auch für notwendig und richtige halte, dieses Dialogangebot sollte uns aber nicht verleiten, vorschnell Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Ich meine, wir sollten den Mut haben, der tschechischen Bevölkerung und der tschechischen Politik klarzumachen, dass es im Interesse der tschechischen und der österreichischen Bevölkerung nur einen Kompromiss geben kann, nämlich den, auf dieses Kraftwerk jetzt noch zu verzichten, solange die Kosten für den Abbruch, die Kosten für den Umbau oder was immer es dann sein wird, noch geringer sind, als wenn dieses Kraftwerk in die Volllast geht. Herr Bundesminister, ich glaube, diese Chance sollten wir gemeinsam nützen.

Wir sollten das auch nicht nur als ein gesamteuropäisches Thema behandeln. Natürlich ist es eines, aber das soll uns nicht daran hindern, die bilateralen Gespräche zu führen, die bilaterale Kommunikation zu intensivieren und in den nächsten Monaten alles zu tun, um auch die tschechische Zivilbevölkerung davon zu überzeugen, dass wir nicht Nationalisten im schlechten Sinne sind: dass wir im Wohlstand leben und den Tschechen nichts vergönnen. Das ist auf der Basis des Normalbürgers in Tschechien ja derzeit der Eindruck: Die – unter Anführungszeichen – "reichen" Österreicher kommen und sagen uns, wo es langgeht. (Beifall bei den Grünen.)

Seien wir vorsichtig mit solchen Strategien! Seien wir vor allem konstruktiv, und kommen wir endlich aus dieser Defensive in der EU-Ostpolitik heraus! Osteuropa – das sind unsere Nachbarn, das sind jene Länder, die in den nächsten Jahren mit vielen Problemen in die EU kommen werden, auch mit vielen Umweltproblemen. Herr Minister! Da haben wir Chancen, wir haben auch Aufgaben und tragen Verantwortung. Nehmen wir diese Verantwortung auch wirklich wahr!

Abschließend möchte ich, symptomatisch für den Diskurs, der hier geführt wird, die Aussagen des Kollegen Fallent – ich weiß nicht, ob er hier ist – noch einmal kurz Revue passieren lassen. Er sagte in mehreren Wiederholungen: Es liegt an Tschechien, es liegt an Tschechien – und es passiert nichts.

Meine Damen und Herren! Das ist es, was in die Sackgasse führt. Wir müssen, wenn wir Dialogbereitschaft signalisieren, auch dazu bereit sein, aktiv Angebote zu machen. Da, meine ich, Herr Bundesminister, gäbe es verschiedene Möglichkeiten. Eine Möglichkeit könnte sein, gerade im Bereich erneuerbarer Energien, im Bereich Know-how, aber auch im Bereich Finanzierung und Entwicklung – ich denke hier an Umweltförderungen im grenzüberschreitenden Bereich – wirkliche, echte Angebote an die tschechische Regierung zu machen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Achatz: Alles schon gemacht worden!)

22.53


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40. Sitzung / Seite 195

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Pfeffer. – Bitte.

22.54

Abgeordnete Katharina Pfeffer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Leitung des umstrittenen Atomkraftwerks Temelin bestätigt erstmals, dass es seit der Aktivierung des Reaktors in der Vorwoche zu technischen Zwischenfällen gekommen ist. Es gab kleine Störungen; die hätten aber keinen Einfluss auf die physikalischen Tests gehabt, und die Probleme seien von Mitarbeitern des Kraftwerks behoben worden. Jetzt frage ich mich: Was wäre gewesen, wenn diese Probleme größerer Art gewesen wären und nicht mehr von Mitarbeitern hätten behoben werden können? Welche Folgen hätten wir zu erwarten gehabt?

Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, zirka 3 Milliarden Schilling – diese gigantische Summe! – kosten die Strahlenschutzmaßnahmen für Oberösterreich, falls Temelin in Betrieb geht. Man stelle sich vor, was für Alternativen mit diesen Mitteln finanziert werden könnten! Zum Beispiel die Vorfinanzierung von einigen Kohle-Dampf- oder Gas-Dampfkraftwerken, die Tschechien mit risikofreiem Strom versorgen könnten, wäre damit möglich gewesen.

Aber leider muss ich anmerken, dass einige Landespolitiker – insbesondere die oberösterreichische Landesspitze – mit ziemlicher Verspätung draufgekommen sind, dass jenseits der Grenze eine atomare Bedrohung entsteht. Wären die Proteste auf politischer Ebene früher und intensiver artikuliert worden, dann wäre diese Entwicklung vielleicht ganz anders verlaufen. Viel, viel früher hätte man – so wie jetzt – demonstrieren müssen! Die Sorge jener Menschen, die im Nahbereich des Atomkraftwerks leben, ist ja sehr groß. Mit dem Mut der Verzweiflung bringen sie sich ein und hoffen auf Einsicht seitens der tschechischen Regierung.

Nach dem heutigen Stand der Dinge wird mir leider klar, dass weder die tschechische Regierung noch das tschechische Parlament einlenken werden. Hier stehen der wirtschaftliche Faktor und die Geschäftemacherei im Vordergrund.

Eine Hoffnung bleibt, dass dieser aktuelle Anlass zu der Einsicht beiträgt, dass nur der generelle Ausstieg aus der Atomenergie eine Zukunftsperspektive sein kann. Atomstrom aus Frankreich oder Deutschland wird auch in Reaktoren erzeugt, deren verstrahlte Brennstäbe eine Halbwertszeit von 25 000 Jahren haben. Angesichts dessen wirkt die Diskussion um wesentliche Sicherheitsstandards wie ein Ablenkungsmanöver. Im Sinne einer verantwortungsvollen Politik gegenüber unseren Nachkommen müssen wir uns europaweit, ja sogar weltweit von der atomaren Energieerzeugung abwenden.

Der Kampf gegen Temelin hat vielleicht viel zu spät eingesetzt. Die Rufe der Umweltschutzorganisationen wurden damals nicht ernst genommen. Die Bewegung gegen Temelin hat jedoch einige Knöpfe in den Hirnen gelöst und Einsicht in die Gefährlichkeit dieser Technologie gebracht.

Wir Sozialdemokraten werden unsere Energien für den Kampf gegen lebensbedrohende Technologien weiter fortsetzen. Wir appellieren an die Bundesregierung und an den zuständigen Herrn Bundesminister, verstärkt Anstrengungen im Sinne von Hilfsmaßnahmen und nicht von Drohungen gegenüber unseren Nachbarländern zum Ausstieg aus der Atomenergie zu erarbeiten und anzubieten. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz. – Bitte.

22.57

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Pirklhuber – leider ist er jetzt nicht im Haus (Abg. Öllinger: O ja!) oder hier im Saale! Die Debatten über Temelin führen wir in diesem Hause seit Jahren, seit mindestens vier Jahren, immer und immer wieder. (Abg. Öllinger: Leider!) Ich muss schon sagen,


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wir müssen uns alle miteinander eingestehen, dass die Politik in diesem Fall gescheitert ist. Sie ist bis zum jetzigen Zeitpunkt ganz einfach gescheitert.

Wenn Sie sagen, die FPÖ-Anträge mit der Junktimierung waren der falsche Weg, dann frage ich mich: Bitte, warum haben Sie nicht einen besseren Weg vorgeschlagen? Welchen Weg ist diese Bundesregierung gegangen, und wie erfolgreich war dieser Weg? – Ich glaube, die Antwort liegt auf dem Tisch.

Die Einzigen, die jetzt das Ärgste noch verhindern können, sind wirklich die Menschen, die seit Tagen und Wochen bei Tag, bei Nacht, bei Kälte demonstrieren. Das sind Väter, das sind Mütter, Kinder, Bauern – wirklich eine große Solidarisierungswelle geht durch das Land. Da ist nichts mit Show oder Aktionismus, sondern das ist wirklich von einer ganz großen Sorge getragen. Das ist nicht Populismus!

Ich fühle mich nicht weiß Gott wie dazu berufen, die Oberösterreichische Landesregierung zu verteidigen. Aber es ist immerhin ein einstimmiger Beschluss des Oberösterreichischen Landtages zum Ausstieg von Temelin gefasst worden. Diesen einstimmigen Beschluss des Oberösterreichischen Landtages haben wir Freiheitliche im Nationalrat eingebracht, aber leider Gottes haben die damalige Bundesregierung von SPÖ und ÖVP und auch die Grünen gegen diesen einstimmigen Landtagsbeschluss von Oberösterreich gestimmt. So einfach kann man es sich also nicht machen.

Es ist wirklich ein Versäumnis der alten Bundesregierung, das ist überhaupt keine Frage. Frau Kollegin Prammer! Sie haben sich nicht durchsetzen können. Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie sich wirklich redlich bemüht haben. Aber Sie haben es einfach nicht geschafft, sich – gegen wen auch immer – durchzusetzen. Ich glaube, die einzige Antwort – das erwartet die Bevölkerung nicht nur in Oberösterreich – ist jetzt eine ganz klare Aussage, sind ganz klare Worte der Politik, und diesen klaren Worten müssen ganz klare Taten folgen. Das ist der einzige Weg! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt jetzt keine andere Möglichkeit mehr, als dass wir unseren tschechischen Nachbarn sagen: Entweder ihr geht auf diese Umweltverträglichkeitsprüfung ein und lasst sie zu, oder die Frage Temelin ist bei den Beitrittsverhandlungen nicht eine Frage, sondern die entscheidende Frage! – Eine andere Antwort kann man auf dieses Verhalten der tschechischen Regierung nicht mehr geben. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie der Abgeordneten Dr. Stummvoll und Schwarzenberger. )

23.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ellmauer. – Bitte.

23.01

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das grenznahe Atomkraftwerk Temelin wurde in letzter Zeit wie kaum ein anderes Thema in der Vergangenheit zu einem sensiblen Thema hochstilisiert. Österreich hat immer eine eindeutige Rolle eingenommen und betreibt seit 5. Oktober 1978 eine Anti-Atompolitik. Wir haben unseren europäischen Nachbarn gezeigt, wie es geht, auch ohne Atomkraft mit ausreichend Energie versorgt zu sein.

Sehr geehrte Frau Kollegin Pfeffer! Das Land Oberösterreich hat bereits vor fünf Jahren tschechischen Umweltgruppen PCs zur Verfügung gestellt, damit sie sich leichter tun bei ihren Bemühungen, darzustellen, welch ein Unsinn Temelin auch in energiepolitischer Hinsicht ist. Weiters wurde vor vier Jahren ein Beauftragter für grenznahe Atomkraftwerke, Herr Dipl.-Ing. Pavlovec, bestellt, der sich in Tschechien bemüht hat, Stimmung zu machen, der wirklich versucht hat, mit Dialogbereitschaft und Gesprächsbereitschaft den tschechischen Politikern und auch der Bevölkerung nahe zu bringen, dass Temelin ein Unsinn ist. Es hat leider nichts genützt.

Auf österreichischer parlamentarischer Ebene hat sich wieder die einheitliche Linie der Vergangenheit durchgesetzt. Ich bin froh darüber, dass sich im Umweltausschuss die Einstimmigkeit in Sachen AKW Temelin gefunden hat und dies auch nach außen präsentiert wird. Ich erinnere


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dabei noch an die Debatte vor dem Sommer: Immer wieder haben die Oppositionsparteien der Regierung vorgeworfen, zu wenig zu unternehmen, um dieses Wahnsinnsprojekt Temelin zu stoppen. Ich bin allen Mitgliedern des Umweltausschusses für diese Einigkeit dankbar, ebenso unserem Bundesminister Molterer, der diese Zusammenarbeit als perfekt bezeichnet hat.

Bei Gott nicht stolz sein kann man auf die tschechischen Kollegen: Während es schon bei Premier Václav Klaus schwierig war, mit ihm überhaupt über Temelin zu sprechen, und man dann unter dem folgenden Ministerpräsidenten Tosovsky doch eine Gesprächsbasis finden und verschiedenen Dinge unter normalen Verhältnissen ansprechen konnte, hat sich diese Situation unter der jetzigen sozialistischen Führung leider wieder völlig verändert. Die Sozialisten scheinen diesbezüglich noch immer nicht ganz aufgeklärt zu sein.

Dass der tschechische Industrieminister Gregr zugibt, dass es mit Inbetriebnahme von Temelin zu Kapazitätsüberschüssen von zirka 20 Megawatt kommen wird, und man gleichzeitig, wie wir mit Bedauern feststellen müssen, an dem Projekt festhält, zeigt, dass man in Tschechien nicht nur politisch, sondern wohl auch sachlich überfordert ist. An der Tatsache, dass sich der amtierende Ministerpräsident Zeman den Sanktionen angeschlossen und einen Gesprächstermin unter Hinweis auf die Sanktionen verweigert hat, erkennt man die Doppelbödigkeit und Überheblichkeit der tschechischen Politik im Hinblick auf Temelin.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass es am 31. Oktober in Brünn endlich zu einem Zusammentreffen von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel mit Premierminister Milos Zeman kommen soll. Ich bin überzeugt davon, dass unser Bundeskanzler den Unmut und vor allem die Sorgen der österreichischen Bevölkerung über die Art und Weise des Vorgehens im Bereich der tschechischen Atom- und Umweltpolitik vorbringen wird.

Ministerpräsident Zeman sei gesagt, dass es sehr bedauerlich und nicht gerade förderlich für die gutnachbarlichen Beziehungen – und noch weniger für die Beitrittsgespräche zur Europäischen Union – ist, dass er noch immer Bedingungen für ein Gespräch über Temelin stellt. Das kann wohl nicht die feine Schule der Diplomatie sein! Herr Zeman braucht ja nicht einmal nach Österreich zu schauen, sondern er möge doch bitte nur die widersprüchlichen Aussagen zum AKW Temelin in seinem eigenen Land zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln. Natürlich stellt sich die Frage, ein wie wertvolles Anliegen für Herrn Zeman die Gestaltung der Zukunft für unsere, aber auch für seine Kinder ist.

Uns liegt sie besonders am Herzen, und ich appelliere an alle in diesem Hohen Haus, dies auch weiterhin mit einer einheitlichen Linie zu dokumentieren! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

23.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Gartlehner. – Bitte.

23.06

Abgeordneter Ing. Kurt Gartlehner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die Debatte, wie sie heute geführt wird, zwar interessant anzuhören ist, dass hier aber doch einige Markierungen festgemacht werden sollen, um eine Geschichtsfälschung zu verhindern.

Wenn man weiß, dass in der letzten Bundesregierung der damalige Umweltminister Martin Bartenstein in dieser Frage absolut ein Nullprogramm hingelegt hat, so verwundert das natürlich. Ich glaube, es sei ihm auch die Ehre angetan, dass hier die Wahrheit gesagt wird, nämlich dass er sehr gerne gegen Temelin Stellung genommen hätte, dass aber der damalige Vizekanzler und heutige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel – der sich ja, wie wir schon ausgeführt bekommen haben, in seiner Diplomatie lieber mit Herrn Tietmeyer beschäftigt hat als zu versuchen, mit diesen Problemen zu Rande zu kommen – in dieser Frage sozusagen einen Maulkorberlass über ihn verhängt hat. (Abg. Ellmauer: Bitte keine Märchenstunde jetzt!)

Das ist keine Märchenstunde, lieber Kollege Ellmauer! Es kommt ja leider noch dicker – ich kann dir das nicht ersparen –: Wenn man auch weiß, dass die Vertreter der ÖVP im Europa-


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parlament einen wirklich massiven Verrat an der österreichischen Anti-Atompolitik betrieben und damit die Atompolitik der Europäischen Union sozusagen manifestiert haben, dass sie dort gegen alternative Energien und gegen einen Stopp aufgetreten sind, dann ist es auch klar, dass die tschechische Bundesregierung gerade den Vertretern dieser Partei, die unter anderem jetzt in Österreich am Ruder ist, nicht besonders große Glaubwürdigkeit zugesteht.

Was das Engagement in Oberösterreich betrifft, so sage ich dazu – und man braucht diesbezüglich ja nur die APA-Meldungen zu lesen – nur eines: Der Herr Landeshauptmann liest in einer tschechischen Zeitung, dass es einen Störfall gegeben hat, und regt sich dann über die APA auf. – Also, meine Damen und Herren, wenn das das Engagement der oberösterreichischen Führung, des oberösterreichischen Landeshauptmannes und der österreichischen Außenpolitik ist, dann wundert mich nicht mehr, dass es in dieser Causa bisher keine Erfolge gegeben hat!

Ich glaube auch, dass diese Phrasen, die der Herr Bundeskanzler in den letzten Tagen in Biarritz in dieser Frage von sich gegeben hat, wirklich eher lachhaft wirken. Er ist ja dann von seinem Osteuropa-Experten Busek wegen seiner destruktiven Positionen auch entsprechend gerügt worden. (Bundesminister Mag. Molterer: Die aber genau jenen des Parlaments entsprechen!)

Ich sehe wirklich ein Problem darin, dass die derzeitige österreichische Bundesregierung in dieser Frage absolut unglaubwürdig ist. Wir alle hoffen natürlich, dass der eine, der in dieser Causa noch nicht angepatzt ist und dem man noch Vertrauen entgegenbringen kann – das ist der jetzige Minister Molterer –, in dieser Sache noch einiges bewegen wird. Ich bin aber überzeugt davon, dass das Gespräch, das Herr Schüssel in Tschechien führen wird, mit Sicherheit keine positiven Ergebnisse bringen wird, und hoffe, dass es nicht mit Beleidigungen enden wird. (Beifall und Bravo-Ruf bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ellmauer. )

23.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Graf. – Bitte.

23.10

Abgeordneter Ing. Herbert L. Graf (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine ersten Worte hier in diesem Hohen Haus waren: "Es gibt kein sicheres Atomkraftwerk." – Damals war, wie mein Kollege gerade bemerkt hat, der jetzige Herr Wirtschaftsminister der Herr Umweltminister. Ich habe das dann auch präzisiert. Deshalb sollte es unser aller Bemühen sein, hier nicht nur unsere eigene Position, sondern auch die der Menschen in Tschechien zu sehen. Das ist auch ein wichtiger Aspekt, der hier bisher noch überhaupt nicht mit einbezogen worden ist.

Warum ist denn die Situation jetzt so verkorkst? – Hier bei uns gehen die Grünen heraus, fordern, fordern, fordern und sagen: Das und das müsste gemacht werden beziehungsweise hätte gemacht werden sollen. – Eines muss ich Ihnen schon vorhalten: Dass der deutsche grüne Umweltminister jetzt einem 32-jährigen Moratorium für die deutschen Atomkraftwerke zugestimmt hat, war sicherlich eine große Antriebsfeder für die Realisierung Temelins! (Widerspruch des Abg. Öllinger. ) Sicher! So war es! (Abg. Öllinger: Das ist kein Moratorium!) Das war sehr wohl ein Moratorium! Das deutsche Öko-Institut hat festgestellt, dass innerhalb eines Jahres alle deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet werden könnten und dass zusätzlich noch eine Reserve-Engpassleistung von 12,5 Prozent bestehen würde. Das ist ein Faktum. Das ist zweimal geprüft worden und dementsprechend auch in die Überlegungen eingegangen. Trotzdem wurde der deutschen Atomindustrie die Brücke gebaut, und jetzt haben wir die deutschen Atomkraftwerke für weitere 32 Jahre. Das dürfte sicherlich auch mit der Punkt gewesen sein, der die tschechische Regierung schließlich dazu veranlasst hat, das Atomkraftwerk Temelin fertig zu bauen und jetzt leider auch in Betrieb zu nehmen.

Herr Präsident! Übernächste Woche, am 26. Oktober, haben wir unseren Staatsfeiertag. Soweit ich es in Erinnerung habe, ereignete sich – ein Kollege hat es schon erwähnt – am 26. April 1986 die Explosion in Tschernobyl. Viele von uns erinnern sich daran, wie das Ganze am Morgen für uns zur Tatsache geworden ist: überraschend, von einer Minute auf die andere.


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Vielleicht könnte man, auch als Anreiz für ein europaweites Umdenken, diesen Tag zum europäischen Trauertag erklären und hier entsprechende Akzente setzen, damit die Atomkraftwerke – zumindest in ihrer derzeitigen Bauform – sofort und endgültig abgewrackt werden.

Herr Kollege Mühlbachler hat gesagt, alle werden zur Leistung einer Hilfestellung aufgefordert. Welche Hilfestellung sollen wir jetzt geben? – Die Sache ist verkorkst: Die Anlage ist praktisch in Betrieb gegangen. Wenn es nicht gelingt, vor einer Aufnahme des regulären Betriebes den Betrieb zu stoppen, dann ist das Bauwerk verstrahlt. Die Entsorgungskosten des Materials werden dann gigantisch sein. Selbst in Deutschland gibt es überhaupt keine Berechnungen über die Kosten, die in diesem Fall wirklich anfallen würden.

Mein Beitrag dazu – Abgeordneter Hofmann hat es erwähnt –: Die Investitionskosten für Temelin werden auf etwa 43,5 Milliarden Schilling – samt den zusätzlichen Kosten für die Infrastruktur sind es etwa 50 Milliarden Schilling – geschätzt. Das wären 5 000 bis 10 000 Biomasse-Heizkraftwerke. Das wären mindestens 30 000 stationäre Arbeitsplätze. Vielleicht, Herr Bundesminister, gelingt es Ihnen, noch weiter Überzeugungsarbeit, die ja bisher schon sehr gut war, zu leisten, den Holzüberschuss, den Tschechien hat, mit anzuführen und vielleicht doch noch ein Umdenken zu erreichen.

Einen sehr positiven Aspekt konnten wir in unserem Entschließungsantrag festhalten – und da danke ich Ihnen, Herr Kollege Oberhaidinger und Herr Kollege Brix, sehr, denn es war ja damals im Wirtschaftsausschuss sehr umstritten, ob wir diesen Punkt betreffend Atomstrom mit aufnehmen können. Hier sehen wir nun den positiven Aspekt: Es ist damals gelungen, mit aufzunehmen, dass bei Nichtvorhandensein entsprechender technologischer Voraussetzungen der Import von Atomstrom nach Österreich ausgeschlossen werden kann. Wir sehen darin nun die Umsetzung der Erkenntnis, dass es nur auf dieser Basis möglich ist, die Atomkraft vom Markt wegzubekommen.

Gerade das ist der Punkt, den wir erreichen wollten: Ich habe schon vor zehn Jahren geschrieben, dass es die einzige Möglichkeit ist, den Atomstrom über den Markt wegzubekommen. Hier können wir das nun allgemein umsetzen. Allerdings – und das müsste auch nochmals erwähnt werden –: Die Grünen haben damals gegen die ElWOG-Novelle gestimmt. Sie haben sich nicht dazu bereit erklärt, auch diesen Atom-Passus in das ElWOG mit zu übernehmen.

Da Herr Abgeordneter Brix hier die Situation mit der Ukraine angesprochen und erklärt hat, dass die Bundesregierung nicht bereit sei, Auslandsprojekte zu fördern, um hier, nachdem man sozusagen die Hand entgegengestreckt hat, auch weitere Maßnahmen folgen lassen zu können, möchte ich doch erwähnen, dass wir seitens der Österreichischen Kommunalkredit Förderungen für Umweltprojekte im Ausland erst vor zwei Wochen einstimmig beschlossen haben, dass auch zwei Projekte in Tschechien gefördert werden. Ich glaube, das sollte auch in die Überlegungen mit einbezogen werden. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht – es waren auch andere Stimmen vorhanden. Wir haben jedenfalls diese Projekte mit in die Förderung aufgenommen. Herr Bundesminister! Ich darf Sie bitten, dieses Moment vielleicht auch noch einmal mit in die Waagschale zu legen.

Zur Feststellung von Ihnen, liebe Frau Kollegin Pfeffer, dass früher etwas gemacht hätte werden sollen: Ich gebe Ihnen hundertprozentig Recht. Es hätte früher etwas gemacht werden sollen. Nur glaube ich, dass wir – unabhängig davon, dass wir zum Zeitpunkt Ihres Redebeitrages vielleicht nur etwas spärlich hier vertreten waren – nicht die richtigen Adressaten sind, ebenso wenig wie der Herr Bundesminister. Der Vorsitzende des Umweltausschusses, Herr Mag. Schweitzer, hat Ihnen ja den gesamten Werdegang des Themas Temelin geschildert: die vielen Anträge, die in diesem Zusammenhang eingebracht worden sind, die vielen Initiativen, die erfolgt sind, die aber damals leider nicht umgesetzt worden sind.

Meine Kollegin Achatz hat gesagt, dass Temelin nicht eine Frage für den Beitritt Tschechiens zur EU sein sollte, sondern die entscheidende Frage. Vielleicht könnte man das mit dem Argument verbinden, dass, wenn das Kraftwerk voll in Betrieb geht, die Abstrahlung in das Bauwerk


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so groß sein wird, dass die Abwrackung ein Vielfaches von dem kosten wird, was man sich jetzt vielleicht an Erlösen aus imaginären Exporten erwartet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.17


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40. Sitzung / Seite 201

Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Grabner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.18

Abgeordneter Arnold Grabner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben es heute schon des Öfteren gehört: Die Zeit drängt. Da die Aktivierung des Reaktors für den Probebetrieb bereits erfolgte, muss die noch verbleibende Zeit genützt werden, um die vollständige Inbetriebnahme bis zur Klärung aller offenen Fragen zu verhindern und die Besichtigung Temelins durch eine unabhängige Expertenkommission zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin, der heute schon einige Male erwähnt wurde, stellte vor kurzem fest, dass Temelin weder den deutschen noch den französischen Sicherheitsnormen entspricht. Daher kann es auch den europäischen nicht genügen. Noch vor dem Anlaufen des Reaktors kam es zu einigen Unregelmäßigkeiten und Pannen. Am 13. Oktober, nach dem Beginn des Probebetriebes, ereignete sich, wie wir heute schon gehört haben, ein bedenklicher Vorfall bei einem Brennstabmotor. Das musste auch die Vorsitzende der tschechischen Atomaufsichtsbehörde eingestehen. In einem anderen tschechischen Atomkraftwerk, in Dukovany, brach kürzlich ein durch ein defektes Kabel verursachter Brand aus. Diese Ereignisse veranschaulichen den Stand der tschechischen Atomtechnik.

Der Unsicherheitsfaktor erhöht sich zusätzlich durch den Umstand, dass es sich bei Temelin um eine noch nie erprobte Mixtur aus östlicher und westlicher Technologie handelt. Jede Technologie für sich allein stellt schon ein Sicherheitsrisiko dar, denn Störfälle traten in West und Ost auf – man denke nur an den Super-GAU in Tschernobyl. Das Unfallrisiko steigt daher bei einer Vermischung. Ein gefährliches Experiment!

Wie hat ein deutscher Politiker einmal gemeint? – Eine Technologie, die den Menschen beherrscht – und nicht der Mensch die Technologie –, ist nichts! – Daher, glaube ich, muss man sagen: Keine Atomkraftwerke!

Eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung unter Einbindung der Nachbarstaaten Tschechiens ist unumgänglich! Das Kraftwerk in Temelin wird fast ausschließlich Strom für den Export produzieren. Das haben wir heute schon des Öfteren gehört. Österreich darf auf Grund des Energieliberalisierungsgesetzes keinen Strom aus Drittstaaten importieren, deren Anlagen nicht dem Standard europäischer Technik entsprechen. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, gilt es gegenüber dem Atomstrom aus Tschechien anzuwenden, falls Temelin ans Netz geht. Österreich muss in den europäischen Gremien auch wettbewerbsrechtliche Bedenken gegen Stromexport zu Dumpingpreisen aus Temelin vorbringen.

Trotz der Behinderung einer österreichischen Parlamentarierdelegation bei der Besichtigung des Atomkraftwerkes – das haben wir heute schon gehört: sie wurde daran gehindert, die neuralgischen Punkte des Baues zu besichtigen – konnte eine Abordnung erhebliche Mängel feststellen: Zum Beispiel befindet sich die Notfall-Schaltzentrale direkt unter dem Reaktor und wird somit bei einer Kernschmelzung als Erstes zerstört. (Abg. Mag. Schweitzer: Noldi Grabner hat sich verirrt!) Leider haben bis jetzt weder die tschechischen Energieversorger noch die Regierung auf die Bedenken Österreichs und die Diskussion in Europa reagiert. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Schweitzer. ) – Ich glaube, ein bisschen könntest du das ernst nehmen, Schweitzer Karl, angesichts der vielen Tausenden Menschen, die dort demonstrieren und die betroffen sind! Aber nicht nur die Menschen dort betrifft das, sondern es betrifft uns in ganz Österreich – und nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa!

Daher möchte ich sagen: Ich freue mich, dass es einen Vier-Parteien-Antrag gibt, und ich hoffe, dass das dazu beiträgt, dass dieses Problem doch besser gelöst werden kann. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Bravo, Noldi!)

23.2


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40. Sitzung / Seite 202

2

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer  – in Richtung des Abg. Grabner –: Noldi! Bei eurem Sprecherkarussell hast du den Umweltsprecher erwischt, oder wie? – Ruf: Das Karussell ist ein Weiser, du bist ein Weißer! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.)

Am Wort sind weder die "Weißen" noch andere, sondern Frau Abgeordnete Hagenhofer. – Bitte.

23.23

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! 26. April 1986: Tschernobyl – Reaktorunfall. Sechs Tage später wurde durch die sowjetische Nachrichtenagentur TASS gemeldet, dass es im Atommeiler zu Tschernobyl eine Havarie gab. Sieben Monate später kam von sowjetischen Zeitungen die Meldung, dass Tschernobyl 250 Todesopfer forderte, und im April 1990 kamen allmählich medizinische Konsequenzen bis hin zu Erkrankungen wie Schilddrüsenkrebs, Leukämie und dem so genannten Tschernobyl-AIDS, also einer durch Radioaktivität verursachten Immunschwäche, ans Tageslicht. Im Oktober 1990 kam die Meldung: Tschernobyl-Folgeschäden gehen in die Billionen Schilling.

Der Grund dafür, dass ich das hier und heute zitiere, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, liegt darin, dass ich meine, dass, obwohl sich das Land Oberösterreich vor fünf Jahren schon darum bemüht hat, Informationsarbeit in Tschechien, bei der tschechischen Bevölkerung darüber zu betreiben, welche Konsequenzen ein Reaktorunfall hat und auch für die Zukunft haben wird, dies einfach zu wenig war und dass es notwendig gewesen wäre, mit den Menschen in Tschechien über diese Konsequenzen, die ich hier jetzt in Kurzform verlesen habe, noch intensiver zu diskutieren. So wie auch Präsident Havel gesagt hat: Es war ein großer Fehler, dass er nicht vehementer gegen Temelin aufgetreten ist.

Ich meine, Umwelt betrifft alle: Sie betrifft Menschen, sie betrifft Tiere, und sie betrifft die Pflanzenwelt. Es kann daher nicht sein, dass es in der Europäischen Union zwar eine Regelung über den Krümmungsgrad der Gurken gibt, dass es eine Regelung darüber gibt, wo "Tomaten" und wo "Paradeiser" gesagt werden kann, dass es aber im EU-Recht keine Regelung über die nukleare Sicherheit gibt. – Kollege Gartlehner, du darfst schon klatschen, ja! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: ... klatschen sie, aber in der EU sind sie ohne Wenn und Aber! – Abg. Mag. Schweitzer: Der neue Sicherheitssprecher! Kurt! Was bist du jetzt geworden? Hast du jetzt "Bauten"? "Bauten" muss frei sein jetzt!)

Es wird daher von der SPÖ begrüßt, dass es einen Vier-Parteien-Antrag gibt, der besagt, dass eine verschärfte Fortsetzung der Kernkraftpolitik Österreichs betrieben werden muss. Vor allen Dingen meinen wir von den Sozialdemokraten aber, dass den Tschechen in diesem Zusammenhang finanzielle Ausstiegshilfen angeboten werden müssen. Immerhin gab es für Temelin 43 Milliarden Schilling an Investitionskosten. Wenn wir jetzt für ein kernkraftwerkfreies Mitteleuropa eintreten, dann muss die Bundesregierung – Herr Kollege Schweitzer, Sie können lächeln: es ist ernst! – auch finanzielle Ausstiegshilfen anbieten. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht nicht an, Gurken zu regeln (Abg. Mag. Schweitzer: Und Traktorsitze!), aber die Umwelt und die Menschen nicht zu schützen. In diesem Zusammenhang ist auch die Aufnahme von Bestimmungen über die nukleare Sicherheit in das Rechtssystem einzufordern. Wir haben es unter Kanzler Vranitzky noch geschafft, aktive Arbeitsmarktpolitik in der EU zum Thema zu machen und alle Länder in der EU zu verpflichten, dafür einzutreten. Es muss auch dieser Bundesregierung gelingen, zu erreichen, dass Bestimmungen über nukleare Sicherheit in das Rechtssystem der EU aufgenommen werden! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Der hat ja schon geredet heute! Der war ja schon dran!)

23.27

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Abgeordneter! Vielleicht sollte ich doch die Rede von meiner Kollegin wiederholen. (Abg. Dr. Stummvoll: Aber nicht die gleiche Rede! – Abg. Schwarzenberger: Der Großteil der Zuhörer würde es nicht merken!) Dann, glaube ich, werden Sie das auch verstehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Mag. Schweitzer: Welche haben Sie vorher vorgelesen?) Herr Kollege Schweitzer, nun hören Sie bitte einmal zu! Auch für Sie gibt es sicherlich Argumente im Bereich der Anti-Atompolitik, bei denen es notwendig wäre, dass Sie sie besser verstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Als niederösterreichischer Abgeordneter verstehe ich die Sorgen der Bevölkerung, ganz besonders in den Grenzregionen. Der aktuelle Fall Temelin ist nicht nur die "Spitze des Erzberges", auf die sich derzeit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit richtet. (Abg. Mag. Schweitzer: Der Erzberg hat keine Spitze! – Abg. Dr. Khol: Der Erzberg hat ein Plateau! – Heiterkeit des Abg. Mag. Schweitzer. ) Tatsache ist, dass in einer Zeit, in der die Mehrzahl der europäischen Staaten keine Atomkraftwerke hat oder den Ausstieg aus der Atomenergie bereits beschlossen hat und in der die EU alternative Energieformen fördert, die Entscheidung der tschechischen Regierung, das Atomkraftwerk Temelin nun in Betrieb zu nehmen, umso bedauerlicher ist. Dies darf uns aber nicht davon abhalten, weiterhin auf allen Ebenen auf einen Ausstieg Tschechiens aus der Atomkraft hinzuwirken und die politischen Verantwortungsträger bei unseren Nachbarn noch stärker auf die Gefahren und Risiken aufmerksam zu machen.

Umso mehr ist aber auch eine ehrliche und transparente Atompolitik auf allen Ebenen einzufordern. Dass es eine solche nicht gibt und dass auch die derzeitige blau-schwarze Bundesregierung ein sonderbares Spiel treibt, zeigen viele Aussagen der Vergangenheit. Wir erinnern uns: Kaum lagen die vergangenen Europawahlen einige Wochen zurück, konnte sich beispielsweise die ÖVP an die gegenüber der Bevölkerung abgegebenen Versprechen nicht mehr erinnern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So wurde aus der Anti-Atomwahlkämpferin und ÖVP-Delegationsleiterin Ursula Stenzel plötzlich und blitzschnell eine Atomlobbyistin, so etwa im Fall des grenznahen slowakischen Atomkraftwerkes Bohunice. Stenzels Kritik an Österreichs Anti-Atompolitik ist in einem Interview der Tageszeitung "Die Presse" für jeden nachzulesen, vor allem für jene Damen und Herren dieses Hauses, die das schon wieder vergessen haben. Stenzel hat es sogar geschafft, eine zentrale Forderung des Niederösterreichischen Landtages – es handelte sich um einen einstimmigen Beschluss im Niederösterreichischen Landtag – und der vergangenen Bundesregierung als Bedingung für einen EU-Beitritt der Slowakei ins Lächerliche zu ziehen. All unsere nationalen und internationalen Initiativen werden durch Aussagen solcher ÖVP-Politiker zu einer Farce! Die Interessen der Menschen in den Grenzregionen und deren Besorgnis um die Sicherheit der Schrottreaktoren werden dabei ins Lächerliche gezogen, und das ist wirklich betrüblich und bedauerlich! (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn Sie das lustig finden und mit Ihren Zwischenrufen ins Lächerliche ziehen, dann möchte ich Ihnen sagen, Herr Abgeordneter, nachdem Sie heute mit Ihren Redebeiträgen dieses Haus ohnehin schon sehr strapaziert haben: Die Menschen in den Grenzregionen, welche die Grenzübergänge blockieren, haben eine ehrliche und begründete Angst und werden Ihre lächerlichen Zwischenrufe und Ihre Bemerkungen zu diesem Thema sicherlich nicht vergessen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: Jawohl!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Hohe Haus wird – wie wir schon gehört haben – einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller Parlamentsparteien gegen Temelin und damit gegen die Atompolitik in unserem Nachbarland Tschechien verabschieden. Inhalt dieses Antrages werden unter anderem die verstärkte Hilfe für unseren Nachbarn beim Ausstieg aus der Atomenergiegewinnung, das Verbot von Atomstromimporten aus allen Drittstaaten sowie Maßnahmen gegen Preisdumping durch tschechischen und slowakischen Atomstrom sein.


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40. Sitzung / Seite 203

Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Forderung lautet: Kein billiger Atomstrom aus Tschechien! Wie wir wissen, bezieht die Wirtschaft heute schon billigen Atomstrom aus der Slowakei und Tschechien, und zwar über Deutschland. Das muss abgestellt werden! Unter anderem darauf bezieht sich der heute zu beschließende Entschließungsantrag.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was wir in unserer Anti-Atompolitik brauchen, ist mehr Ehrlichkeit, mehr Durchsetzungsvermögen und vor allem eine gemeinsame Sprache. Wir müssen unsere Argumente verstärkt auf Ebene der Europäischen Union einbringen. Wir müssen Lobbyismus für eine entsprechende finanzielle Hilfestellung an alle EU-Beitrittskandidaten, insbesondere an Tschechien und die Slowakei, zum Ausstieg aus der Atomenergie betreiben. Wir müssen gemeinsam mit der Bevölkerung in Österreich, aber auch in Tschechien und der Slowakei unseren Argumenten zum Durchbruch verhelfen.

Der Entschluss der tschechischen Regierung ist – so glaube ich – sicherlich nicht als endgültig und unumkehrbar zu betrachten, zumal den tschechischen Politikern sicherlich bewusst ist, dass sie mit ihren Entscheidungen in Bezug auf die EU-Osterweiterung einen Klotz am Bein haben. Niederösterreich beziehungsweise ganz Österreich darf in diesem Zusammenhang nicht nur Temelin allein sehen, sondern alle um die Grenzen positionierten Atomkraftwerke, so auch jene in der Slowakei.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich ersuche Sie: Handeln Sie! Das Hohe Haus wird Sie dabei im Interesse der österreichischen Bevölkerung unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.34

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte.

23.34

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich meine, dass über das Problem Temelin und über die Vier-Parteien-Einigung schon sehr viel gesagt worden ist. Gestatten Sie mir, in der gebotenen Kürze noch einen neuen Aspekt in die Debatte einzubringen.

Ich glaube, dass das Sicherheitsargument, das heute schon sehr oft zur Sprache gekommen ist, eines der Kernargumente ist. Im Hinblick auf dieses Sicherheitsargument muss uns bewusst werden, dass es egal ist, ob es um Kernkraftwerke innerhalb der Europäischen Union oder außerhalb der Europäischen Union geht, weil es – wie schon Vorredner erwähnt haben – das absolut sichere Kraftwerk nicht gibt, ob es sich nun um Kernkraftwerke oder herkömmliche Kraftwerke handelt.

Meine Damen und Herren! Es ist heute schon sehr viel über die weitere Vorgangsweise betreffend Temelin gesprochen worden. Herr Bundesminister! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, steht für den Fall, dass diese Forderung betreffend Temelin erfüllt werden sollte, der Erweiterung der EU eigentlich nichts entgegen. Da frage ich Sie: Was ist mit Dukovany? Ist Dukovany dann kein Thema mehr? Und was ist mit Mochovce? – Vor drei Jahren haben wir uns intensiv mit Mochovce beschäftigt. Ich weiß nicht, ob in Mochovce die Anforderungen, die wir an Temelin – berechtigterweise – stellen, erfüllt wurden. Der Bundeskanzler ist in die Slowakei gefahren und hat die Slowakei herzlich im großen Europa willkommen geheißen. Er werde alles tun, damit die Slowakei möglichst rasch beitreten kann. Da frage ich Sie, Herr Minister: Trotz Mochovce? Und wie schaut es mit Krško aus? Werden wir die Verhandlungen mit Slowenien im Kapitel Energie blockieren, bis sich in Krško etwas ändert, oder ist das kein Thema mehr?

Der zweite Punkt, auf den ich zu sprechen kommen will, betrifft weniger Sie, Herr Bundesminister, als Ihren Amtskollegen, den Innenminister. Es ist uns seit dem oft zitierten Tschernobyl-Unglück vollkommen klar, dass wir auch innerstaatlich etwas zu tun haben. Es ist innerstaatlich viel geschehen, es werden etwa über die Zivilschutzverbände Übungen durchgeführt. Bei einer dieser Übungen hat es ein Zusammentreffen in Laa gegeben. Es handelte sich um eine Dekontaminationsübung, die in Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich, den Bezirkshaupt


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mannschaften, den freiwilligen Feuerwehren, dem Bundesheer und dem Roten Kreuz durchgeführt wurde. Die Übung hat bestens funktioniert. (Zwischenruf des Abg. Jung. ) Erfahrungen wurden gesammelt. Herr Minister! Die Erfahrungen bei diesen Übungen sind immer dieselben. Es funktioniert ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jung. )  – Gib doch bitte Ruhe! Beschäftige dich mit dem Geheimdienst, davon verstehst du vielleicht mehr!

Die Erfahrungen, die gesammelt wurden, haben gezeigt, dass eine kleine Region beziehungsweise ein Bezirk durchaus abgedeckt werden können. Dafür ist es aber notwendig, dass alle Kräfte gesammelt und konzentriert werden. Für den Fall, dass dieses Ereignis jedoch flächendeckender sein sollte, bestehen Mängel, und zwar in der Ausrüstung, aber auch Mängel in der Kommunikation. Wir haben immer wieder gesehen ... (Zwischenruf des Abg. Jung. )  – Jung, komm herunter, wenn du noch eine Wortspende bringen willst!

Wir haben immer wieder gesehen, dass die Funksysteme nicht aufeinander abgestimmt sind. Unter Innenminister Schlögl hat es Versuche gegeben, den Blaulichtfunk zusammen mit dem Bundesheer einzuführen. Zuerst hat sich jedoch das Bundesheer verabschiedet, und jetzt wird das Funksystem im Bereich der Blaulichtorganisationen ebenfalls zurückgestellt. Wir verlängern also das Problem, ohne es zu lösen.

Meine Damen und Herren! Innenminister Strasser hat in Laa zu den Sicherheitsaspekten gemeint, dass die Probleme mit illegalen Grenzübertritten an der EU-Außengrenze in Zukunft die Tschechen lösen sollen, jetzt verlangen wir auch, ohne unsere eigenen Hausaufgaben zu machen, dass unsere innere Sicherheit bei Reaktorunfällen die Tschechen gewährleisten sollen. Ich weiß, Herr Bundesminister, dass ich an die falsche Adresse spreche, ich sage Ihnen das aber zumindest als Mitglied der Regierung: Unsere Bevölkerung hat Anspruch auf Sicherheit! Gewähren wir diese, und leisten wir den entsprechenden innerösterreichischen Beitrag! (Beifall bei der SPÖ.)

23.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

23.40

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir Parlamentsabgeordnete haben gemeinsam einen Entschließungsantrag eingebracht und die Regierung aufgefordert, auf europäischer und bilateraler Ebene alles zu unternehmen, um eine endgültige Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Temelin zu verhindern. Meine Damen und Herren! Die Regierung hat auch etwas unternommen, sie hat allerdings so gut wie nichts erreicht! Man kann nun darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, dass man zugunsten eines wirklich vordringlichen Wunsches der eigenen Bevölkerung gute nachbarschaftliche Kontakte aufs Spiel setzt. Ich bin aber davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass es überhaupt keinen Sinn hat, diese guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu gefährden, ohne in der Streitsache auch nur einen Millimeter weiterzukommen.

Mich beunruhigt in diesem Zusammenhang die Aussage von Miloš Zeman, der meint, dass er sich mittlerweile in der Frage der EU-Osterweiterung viel eher auf Deutschland als auf Österreich verlasse. Diese Regierung hat es geschafft, nicht zuletzt auch wegen ihrer ungeschickten Gesprächsführungen in der Angelegenheit Temelin, in Rekordzeit die künftige Schlüssel- und Mittlerrolle Österreichs gegenüber Tschechien zu verspielen. Wir müssen den Dialog mit Tschechien weiterführen, denn eines ist uns doch klar und muss auch dieser Regierung klar sein: In der Causa Temelin gibt es einen Konflikt mit der tschechischen Regierung und mit tschechischen Politikern, nicht aber mit dem tschechischen Volk.

Daher muss es eine sachliche Überzeugungsarbeit unsererseits geben, denn wir wissen ganz genau, dass die eigene Bevölkerung seitens tschechischer Politiker unsachlich informiert wird. So hat etwa der ehemalige Premier Václav Klaus bei uns in der Sendung "ZiB 2" erklärt, Temelin sei eines der technologisch ausgereiftesten Kernkraftwerke der Welt, und das wird er nicht nur bei uns erzählen, sondern das wir er natürlich auch in der ganzen Tschechischen Republik erzählen. (Abg. Rosemarie Bauer: Er glaubt das!)


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Als Waldviertler Mandatar weiß ich, wie wichtig das gute Einvernehmen zwischen der tschechischen und der österreichischen Bevölkerung ist, und daher sind wir aufgerufen, dass wir in einer unaufgeregten und Konsens suchenden Art und Weise das Wenige retten, was noch zu retten ist. Herr Minister Molterer! Ich fordere Sie auf, alles zu unternehmen, um eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Temelin Realität werden zu lassen. Ich glaube, dass auch durchgesetzt werden muss, dass entsprechende Früh- und Vorwarnsysteme installiert werden und dass im Bereich der Notfallpläne bis ins Detail alles klar festgelegt wird, denn die Bevölkerung an der Grenze hat ein Recht auf diese Maßnahmen.

Herr Bundesminister! Ich fordere Sie aber auch auf, das Gesprächsklima gegenüber den tschechischen Nachbarn wieder in friedlichere Bahnen zu lenken. Als niederösterreichischer Mandatar sehe ich sehr deutlich, wie viel Öl von der niederösterreichischen FPÖ in dieser Causa sozusagen ins Feuer gegossen wird, und ich glaube, gegen diese Vorgangsweise sollten wir auftreten, denn das Letzte, was wir brauchen können, meine Damen und Herren, ist eine argwöhnische Haltung der EU-beitrittswilligen Staaten gegenüber unserem Land! Das sollten wir trotz aller erheblichen Ärgernisse und berechtigter Empörung rund um Temelin nicht aus den Augen verlieren. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.44

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wimmer. Ich stelle die Uhr auf 3 Minuten. – Bitte.

23.44

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Alle Befürchtungen haben sich bestätigt: Temelin hat den Probebetrieb aufgenommen und wird bald ans Netz gehen. Von niemandem haben sich unsere Nachbarn von diesem Wahnsinnsprojekt abhalten lassen, unsere Argumente wurden vom Tisch gefegt und teilweise belächelt, und letztlich war die Inbetriebnahme – so habe zumindest ich es empfunden – eine peinliche Demonstration von Macht und Unnachgiebigkeit. Letztlich war dies ein trauriges Beispiel dafür, wie man in Nachbarschaft nicht leben soll und wie man miteinander einfach nicht umgehen kann!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir wissen, dass gerade dieses Prestigeobjekt eine riskante Technologie hat, die in der Europäischen Union nicht zugelassen wäre. Dieses Prestigeprojekt Temelin ist auch ein wirtschaftlicher Schwachsinn, denn es wird immer deutlicher, dass jetzt schon mit Dumping-Exporten gearbeitet wird. Es gibt keinen Inlandsbedarf, und wir wissen, dass Stromexporte teilweise bereits unter den Gestehungskosten, unter den Erzeugungskosten angeboten werden.

Vor dem Hintergrund dieser Fakten und Ereignisse muss es aber auch heute noch legitim sein, ein paar Fragen zu stellen wie zum Beispiel die Fragen: Wie wurde die politische Verantwortung tatsächlich wahrgenommen? Hat Österreich wirklich alles dafür getan, um dieses AKW zu verhindern? Wie sind die Kontakte des damaligen Außenministers zu bewerten? Waren sie eher gut, oder ist der Schuss nach hinten losgegangen? Und gab es vor allen Dingen dieselbe Sprachregelung unter den Verhandlern? Eine ganz wichtige Frage, meine sehr geschätzten Damen und Herren, ist auch: Warum hat es kein finanzielles Angebot an Tschechien gegeben, damit vielleicht wirklich Alternativen finanziert werden können?

Wir wissen, dass im grenznahen Raum, vor allen Dingen auch in Oberösterreich, in Zukunft sehr viel Geld für Zivilschutzmaßnahmen investiert werden muss. Das heißt, wir werden auch sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen, um Gefahren vorzubeugen.

Es freut mich, dass dieser gemeinsame Entschließungsantrag zustande gekommen ist. Wir fordern die Bundesregierung auf, dass sie mit allen Mitteln den österreichischen Anti-Atomkurs fortsetzt, und wir fordern eine Definition der europäischen Sicherheitsstandards gerade im Hinblick auf die Osterweiterung. Ich sage auch hier: Das muss bei den Beitrittsverhandlungen ein Thema sein, und wir glauben auch, dass die österreichische Bundesregierung noch einmal ein Angebot für den Ausstieg an die tschechische Regierung herantragen soll, denn ohne finanzielle Hilfe wird es Tschechien nicht schaffen, und das wäre fatal. Es geht letztlich um die


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Sicherheit und um die Gesundheit der dort lebenden Menschen und vor allen Dingen der Menschen in unseren Grenzregionen! (Beifall bei der SPÖ.)

23.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. Er hat die gleiche Redezeit. – Bitte.

23.47

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nach 25 Debattenrednern allein zum Kraftwerk Temelin sind die meisten Argumente gefallen, und ich möchte mich daher nur auf einige wenige konzentrieren und diese unterstützen.

Klar ist: Es bringt uns in der österreichischen Atompolitik nicht einen Schritt weiter, wenn wir hier nun gegenseitige Schuldzuweisungen treffen, wer den einen oder anderen Antrag mitgetragen oder nicht mitgetragen hat oder was die vergangene Bundesregierung versäumt hat. Tatsache ist, wenn es um sicherheitspolitische Fragen geht, dass es 100-prozentige Sicherheit in keiner technischen Anlage geben kann und schon gar nicht in einem Atomkraftwerk! Und wenn wir jetzt unserem Nachbarn mit Demonstrationen und Blockaden drohen, dann haben wir zwar erreicht, dass damit eine neue Diskussion in Gang gesetzt und in Gang gehalten wird, wir werden damit aber mit Sicherheit nicht das Abschalten von Temelin erreichen!

Temelin ist nicht von heute auf morgen gebaut worden. Es gab eine sehr, sehr lange Bauzeit, und bereits zu dieser Zeit hätten unsere damaligen Umweltminister mit sehr viel Diplomatie sehr viel erreichen und mit diplomatischen Ausstiegsszenarien Erfolge erzielen können. Bei einem bereits in Betrieb befindlichen Kraftwerk heute damit etwas erreichen zu wollen, scheint mir doch etwas an Utopie zu grenzen! Das möchte ich als Vorwurf an die ÖVP-Fraktion verstanden wissen, deren Wirtschaftsflügel sehr billigen Strom aus dem Ausland importiert. Wir alle wissen, aus welchen Kraftwerken dieser kommt, wenn etwa die steirische Energiegesellschaft sich mit der französischen fusioniert, um günstige Tarife anbieten zu können! Für jene, die glauben, dass wir diesbezüglich in Verbindung mit dem EU-Beitritt etwas erreichen, möchte ich nur noch etwas aus dem "FORMAT" zitieren: "... und indem Schüssel aus Temelin ein EU-Problem macht, sorgt er für neuen Zoff." (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosemarie Bauer: Kein Wort zu Dukovany?)

23.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schasching. – Bitte.

23.50

Abgeordnete Beate Schasching (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Umweltminister! Sehr verehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Daran, wie wir heute Umweltpolitik und Anti-Atompolitik machen, werden wir nicht nur von allen Österreicherinnen und Österreichern, sondern in Zukunft sicherlich auch von unseren Kindern und den nachfolgenden Generationen beurteilt werden, und ich denke, das sollte das oberste Gebot bei der Betrachtung dieser Problematik sein! Es geht nämlich nicht nur darum, jetzt vordergründige Überlegungen anzustellen, sondern es geht darum, Gesundheit und Leben zu sichern, und in diesem Sinne ist es wichtig und notwendig, dass wir hier heute gemeinsam einen Antrag beschließen.

Für mich geht es in diesem Zusammenhang allerdings auch um die Frage, wie man mit den Ängsten und Nöten der Menschen umgeht und diesen Gehör schenkt, und ich meine, dass es durchaus legitim und berechtigt ist, dass viele Bürgerinnen und Bürger jetzt aus Angst an die Grenzen pilgern, um dort ihren Unmut zu äußern, weil sie hoffen, dass damit doch noch eine Umkehr der Politik bewirkt werden kann und dass sie das unterstützen können.

Im Hinblick darauf ist es bemerkenswert, dass etwa auch von Seiten der FPÖ-Abgeordneten Partik-Pablé dieses Recht auf freie Meinungsäußerung in Demonstrationen immer wieder kritisiert wird und immer wieder mit Fingern auf die Demonstranten gezeigt wird, seien es die Demonstranten am Donnerstag, seien es die Studentinnen und Studenten gegen Studiengebühren oder Demonstranten in dieser Sache. Sie geht immer wieder darauf los und sagt: Das Demonstrieren kostet ja nur Geld! (Abg. Steibl: Das kostet wirklich Geld! Mich hat die Reparatur


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meines Autos 26 000 S gekostet!) Und das wundert mich umso mehr, wenn ich daran denke, dass es dem Landeshauptmann des südlichsten Bundeslands nicht zu dumm war, bis ganz hinauf in den Norden zu pilgern, um dort Solidarität zu beweisen! Diese Art der Argumentation, die diese Kollegin betreibt, ist doch sehr seltsam! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich in diesem Zusammenhang für mich nur eine Kernfrage: Inwieweit wird es uns gelingen, in dieser Sache gemeinsam Politik zu machen und gemeinsam die Fragen der Gegenwart und der Zukunft zu lösen? Inwieweit wird es Ihnen in der Regierung gelingen, sich gegen die übermächtige Wirtschaft durchzusetzen, die nur eines im Hinterkopf hat, nämlich künftighin billigen Strom für Prinzhorns und andere Großunternehmer zu sichern? Ob es in Anbetracht dessen gelingen wird, im Sinne der Vernunft, der Gesundheit und des Überlebens eine gemeinsame Politik durchzusetzen, das wage ich in diesem Falle sehr zu bezweifeln, aber ich hoffe, dass die Außenpolitik der Zukunft etwas erfolgreicher sein wird als jene der Vergangenheit, wenn wir einen der schlechtesten Außenminister jetzt auch noch als Bundeskanzler haben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.

23.53

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Heute wird wohl kaum einer hier gegen diesen Vier-Parteien-Antrag stimmen, mit welchem wir uns dafür einsetzen, dass Temelin, soweit es noch geht, verhindert wird!

Wissen Sie, was ich empfinde? – Ich empfinde höchste Hochachtung vor all den Menschen, die sich über Tage und Wochen an die Grenze gestellt haben und dort aus Angst – aus purer Angst! –, weil sie nicht weiter als 50 und 60 Kilometer von diesem AKW entfernt leben, demonstriert haben, zum Beispiel Landwirte, die sich mit ihren Traktoren hingestellt und daheim die Arbeit vernachlässigt haben, und zwar aus Angst und nicht aus Populismus!

Ich möchte auf drei Punkte eingehen.

Die Menschen, die dort demonstrieren, sind gegen diese Doppelbödigkeit, die hier immer wieder zu spüren ist. Herr Bundesminister! Sie haben heute wieder gesagt, dass Sie sich vorbehalten, zu überprüfen, wie sicher denn das Kraftwerk ist, bis man mit dem Vertrag so weit gekommen ist, dass man mit den Tschechen über Energie verhandelt. Wissen Sie, was die Menschen dort sagen? – Sie sagen: Glaubt ihr denn wirklich, dass, bis dieses Kapitel endlich verhandelt wird, noch etwas zu retten ist? Bis zu diesem Zeitpunkt ist Temelin in Vollbetrieb, und daher werden diese Aktionen dann nicht mehr zielführend sein.

Ein anderes Beispiel für Doppelbödigkeit: Junge Menschen nehmen dort in sehr großer Zahl an den Demonstrationen teil, und der Präsident des oberösterreichischen Landesschulrates, Herr Riedl, hat entschieden – und da bin ich bei ihm –, dass die Schüler frei bekommen, um dort hingehen, demonstrieren und ihren Unmut zum Ausdruck bringen zu können. So weit, so gut. Derselbe Präsident bestraft jedoch diejenigen Schüler, die gegen die Studiengebühren demonstrieren. Diese haben mit einer schlechten Betragensnote beziehungsweise sonstigen Folgen zu rechnen. – Und das ist Doppelbödigkeit, die die jungen Leute nicht verstehen! (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem gibt es noch den oberösterreichischen Landeshauptmann, der den größten Gegner von Temelin spielt. Hintenherum verhandelt er jedoch mit einem der größten Atomstromerzeuger darüber, ob er die OKA dort nicht günstig anbringen kann! Das ist Doppelbödigkeit, meine Damen und Herren!

Und wenn ich heute in den "Oberösterreichischen Nachrichten" lese, dass der Präsident des tschechischen Parlaments sagt, dass ihm von höchster politischer Ebene und mehreren Entscheidungsträgern in Österreich bestätigt worden sei, dass es keine Junktimierung zwischen EU-Beitritt und Temelin geben werde, dann verstehe ich, dass die Leute an der Grenze nicht mehr wissen, was sie von den politischen Aktionen halten sollen! – Ich denke, wir müssen mit


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diesen Doppelzüngigkeiten aufhören. Wir müssen den Menschen wieder das Vertrauen geben, dass wir für sie da sind und nicht einmal ein bisschen so und einmal ein bisschen so agieren! Die Regierung darf nicht angehalten werden, etwas zu tun, sondern die Regierung muss sofort etwas unternehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Endlich ein Umweltpolitiker!)

23.57

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nach dieser Debatte und da ich schon sehr lange mit Temelin beschäftigt bin und auch schon mit einer Delegation in Prag war, habe ich ein bisschen das Gefühl – um das einmal ganz ehrlich auszudrücken –, dass alle Fraktionen, und davon nehme ich keine aus, immer ein bisschen ein Verwirrspiel betrieben haben.

Man könnte das im Detail nachweisen: Ich habe mich daran erinnert, und es ist heute schon erwähnt worden, dass Kollege Schweitzer, jetzt Ihr Koalitionspartner, einmal sehr schlüssig das Versagen von ÖVP-EU-Abgeordneten bei einer Abstimmung aufgezeigt hat. Gleichzeitig geriet ich immer wieder mit ihm in Clinch, weil mir zum Beispiel zu Zeiten, als Meciar um das Regierungsamt angetreten ist, klar war, dass es kontraproduktiv gewesen wäre, wenn wir uns sozusagen groß aufgepudelt hätten, weil wir damit Meciar zu einem Wahlsieg verholfen hätten. Wir haben eure Anträge also in Wirklichkeit deswegen abgelehnt, weil natürlich dieser Anti-Beitrittseffekt dahinter war.

Es hat teilweise gute Phasen gegeben. Bei den Grünen ist es klar: Sie steigen immer dort auf – das habe ich etwa beim Kraftwerk Lambach gesehen –, wo man sich in Szene setzen kann, Wurscht ob dort eine Au ist oder nicht. Wir alle spielen auch – und da nehme ich meine eigene Fraktion zum Teil nicht aus – ein bisschen mit Ängsten der Leute.

Ich bin selbst Oberösterreicher und wohne ungefähr 200 Kilometer von diesem Kraftwerk Temelin entfernt. Spätestens seit Tschernobyl habe auch ich kapiert, dass das eine Technologie ist, die wir nicht wollen! Ich sage das einmal ganz deutlich: Die oberösterreichische SPÖ, aber vermutlich auch alle anderen Parteien wollen in Wirklichkeit dieses Kraftwerk in 50 oder 60 Kilometer Entfernung von unserer Grenze nicht, und das sollen wir auch immer wieder deutlich sagen!

Wir sollen aber auch nicht herumdrücken und sagen: Das ist ein Schrottreaktor à la Bohunice!, denn das ist er sicherlich nicht. Wir wissen auch, dass in Realität zwei Probleme bestehen, die wir nicht transparent machen konnten, weder der tschechischen Bevölkerung noch den tschechischen Politikern. Immerhin hat es eine Abstimmung im Ministerrat gegeben, die mit acht zu elf sehr knapp ausgegangen ist. Wir müssen uns also alle selbst bei der Nase nehmen. Wir haben da Verschiedenes nicht geschafft!

Erstens – das Sicherheitsproblem: Auch an diesem Mix aus Ost- und Westtechnologie, der uns Sorge macht, sind wir nicht ganz unbeteiligt, wenn man bedenkt, dass wir Kredite verhindert haben und die Tschechen letztlich auf Osttechnologie umgestiegen sind.

Zweitens – das Wirtschaftlichkeitsproblem: Wir können denen dort nicht klar machen, dass in Nordböhmen Arbeitsplätze verloren gehen und in Südböhmen dafür höchstens ein Viertel dieser Zahl an Arbeitsplätzen neu entsteht, dass in Wirklichkeit der Markt in Deutschland zu Dumpingpreisen beliefert wird und in Deutschland bereits Kraftwerke wie zum Beispiel Stade vorzeitig stillgelegt werden, und zwar deshalb, weil die Deutschen billigen tschechischen Strom bekommen. Die deutschen Gewerkschaften haben sich dieser Argumentation auch schon angenommen.

Abschließend möchte ich sagen: Das Sinnvollste für Österreich und um Temelin zu verhindern beziehungsweise wieder außer Betrieb zu setzen, wäre eigentlich, dass Tschechien so schnell wie möglich der EU beitreten würde, denn dann könnte Tschechien nicht weiter mit seinen


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Dumping-Preisen agieren, und das Kraftwerk würde aus Wirtschaftlichkeitsgründen in sich zusammenstürzen und müsste abgestellt werden.

Es wäre an der Zeit, über die Parteigrenzen hinweg – wir haben sowieso schon oft genug geredet – einmal ehrlich darüber zu reden. (Beifall bei der SPÖ.)

0.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

0.01

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Hohes Haus! Frau Abgeordnete Schasching hat behauptet, ich sei gegen das Demonstrationsrecht, insbesondere gegen die Donnerstags-Demonstrationen. – Diese Behauptung ist in dieser Art falsch.

Ich bekenne mich zum Demonstrationsrecht, bin aber gegen Gewaltausschreitungen bei Demonstrationen, wie dies bei den Donnerstags-Demonstrationen des Öfteren der Fall war. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

0.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Prammer. Gleiche Redezeit. Es ist das vorläufig die letzte Wortmeldung dazu. – Bitte.

0.01

Abgeordnete Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Die Rede des Herrn Abgeordneten Schweitzer hat mich dazu motiviert, meinen Redebeitrag etwas zu verändern.

Ich möchte 20 Jahre beziehungsweise 22 Jahre zurückgehen: 1978, als Österreich sehr, sehr knapp eine sehr kluge Entscheidung getroffen hat. (Abg. Mag. Schweitzer: Gegen den Willen des "Sonnenkönigs"!) Damals sind die Meinungen in Österreich quer durchs Land gegangen (Abg. Mag. Schweitzer: Gegen Kreisky!): Österreich war nicht einheitlich gegen Atomkraftwerke, aber die österreichische Bevölkerung, die Menschen in Österreich haben sehr klug gehandelt – und zwar nicht nur bei dieser Entscheidung damals, sondern vor allen Dingen auch nachher, als es einen nationalen Konsens gegen Atomkraftwerke gegeben hat und man sich einig darüber war, Anti-Atomkraft-Politik in Europa zu machen. (Abg. Mag. Schweitzer: Haben Sie damals eigentlich mit Nein gestimmt?)

Es war die Freiheitliche Partei, die diesen Konsens gebrochen hat. Es ist vollkommen klar, dass Regierungsparteien anders argumentieren als Oppositionsparteien, dass Regierungsparteien anders argumentieren als Umweltorganisationen, aber es war schon bezeichnend, dass bei all den Kraftanstrengungen, bei all den Debatten um gemeinsame Strategien die Grünen und die Umweltorganisationen uns immer dieses Verständnis entgegengebracht haben: dass es nämlich darum geht, eine gemeinsame Strategie zu finden – aber den Freiheitlichen ist es nicht darum gegangen! (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Den Freiheitlichen ist es um zwei Dinge gegangen: erstens um billige Propaganda und zweitens darum, klar und deutlich zu zeigen: Wir wollen Tschechien nicht in der Europäischen Union! (Abg. Gaugg: Woher wollen Sie das wissen?)  – Das haben Sie oft genug zum Ausdruck gebracht.

Ich möchte Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, dass Ihre Argumentation – auch der Bruch mit dieser gemeinsamen Vorgangsweise, mit dieser gemeinsamen Strategie – sehr viel dazu beigetragen hat, dass sich sehr wenig bis gar nichts mehr bei der tschechischen Bevölkerung bewegt hat. (Abg. Böhacker: Er hat Sie entlarvt, der Kollege Schweitzer!) Das war ja auch immer wieder das Wichtige und das Wesentliche: ob man, wenn man vorsichtig damit umgeht, einer gesamten Bevölkerung, einem gesamten Staat droht oder nicht. (Abg. Böhacker: Kollege Schweitzer hat Sie aufgedeckt!)


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40. Sitzung / Seite 210

Es ist Ihnen bis heute ein Herzensanliegen: keine Erweiterung der Europäischen Union! Vor diesem Hintergrund sind Sie motiviert, Ihre Aktivitäten zu setzen. (Abg. Böhacker: Er hat Ihr Versagen aufgedeckt!)

Herr Kollege Molterer! Ich wünsche Ihnen viel Glück mit diesen freiheitlichen Partnern bei der geplanten Vorgangsweise, bei all den Schritten, die folgen werden. Ich habe Ihre Töne schon verstanden – ich trage sie auch mit; ich frage mich nur: Wo sind hier die Partner? Wo ist der starke Bündnispartner – auch in der Bundesregierung – in Sachen Anti-Atompolitik? (Abg. Böhacker: Machen Sie sich keine Sorgen!) Man braucht auf beiden Seiten starke Bündnispartner in dieser Frage, das weiß ich genau – und ich weiß, wovon ich spreche.

Ich war knapp davor, aufzuzeigen, wie schwierig es war – auch während meiner Zeit –, Anti-Atompolitik zu machen. Aber das bringt nichts, weil wir wollen tatsächlich haben, dass Temelin ... (Abg. Dr. Martin Graf: Sie sind die größte Versagerin der letzten Koalition!) – Herzlichen "Dank", Herr Kollege Graf!

Es war die Freiheitliche Partei, die immer wieder Öl ins Feuer gegossen hat, die Freiheitliche Partei, der es ein Herzensanliegen war, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Ungarn – all unsere Nachbarn – nicht zur Europäischen Union zu lassen, und da sind die Kernkraftwerke ein willkommenes Argument gewesen.

Herr Kollege Schweitzer! Sie haben gefragt, was denn zustande gebracht worden sei. (Abg. Böhacker: Diese Rede hat Ihnen wehgetan!) Ich möchte Ihnen schon noch gerne etwas zitieren (Abg. Böhacker: Er hat Ihnen wehgetan! Das war spürbar, er hat Sie aufgedeckt!):

Der Rat betont, dass im Einklang mit den Nummern 6 und 7 hinsichtlich der Länder, die Reaktoren betreiben, welche nicht mit vertretbarem Kostenaufwand auf international akzeptierte Sicherheitsstandards nachgerüstet werden können, die für den Energiesektor festgelegten Strategien eine möglichst frühzeitige Stilllegung dieser Reaktoren sowie einen vereinbarten Zeitplan für die Stilllegung im Einklang mit den Prioritäten der Beitrittspartnerschaften und den Erfordernissen der einschlägigen Abkommen über den Fonds für nukleare Sicherheit vorsehen müssen. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das war ein Durchbruch auf europäischer Ebene, und es geschah während der österreichischen Präsidentschaft. Das sind die Schlussfolgerungen des Rates von Wien. Es ist meine Arbeit gewesen, dass dieser Durchbruch gelang, von europäischen Sicherheitsstandards zu sprechen, endlich gemeinsame Strategien im Nuklearbereich auch auf europäischer Ebene zu entwickeln, sodass endlich ein Anfang gemacht werden konnte. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Aktionsplan der damaligen Bundesregierung hat ja eine ganze Menge an Maßnahmen vorgesehen, und zwar absolut keine kurzfristigen Maßnahmen. Ich erinnere daran, dass ein Punkt – nämlich die Änderung des EURATOM-Vertrages – innerhalb dieses Anti-Atomplanes nach wie vor als unerledigter Punkt vorhanden ist. Die jetzige Bundesregierung wird daran gemessen werden, ob es ihr gelingt, tatsächlich Bewegung bei den europäischen Mitgliedstaaten, bei den europäischen Partnern zustande zu bringen, um diesen EURATOM-Vertrag verändern zu können.

Meine Damen und Herren! Der EURATOM-Vertrag muss demokratischer werden, der EURATOM-Vertrag muss das Instrument zum Thema Sicherheit werden, und es muss und kann auch innerhalb des EURATOM-Vertrages festgelegt werden, dass die Europäische Union einen Beschluss in die Richtung fasst, dass keine neuen Kernkraftwerke gebaut werden dürfen. Diese Chance existiert jetzt, und es wird an der österreichischen Bundesregierung liegen, diese Chance aufzugreifen, umzusetzen und mit äußerster Hartnäckigkeit ans Werk zu gehen.

Kollege Schweitzer! Eines möchte ich schon noch sagen: Es ist immer die Frage, mit welchen Instrumenten und mit welchen Argumenten man versucht, ein Gegenüber, einen Partner oder Partnerinnen zu überzeugen. Es kommt immer darauf an, wie man es anlegt. Es geht nicht darum, den Tschechen erstens zu drohen oder zweitens solch absurde Äußerungen zu tätigen


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40. Sitzung / Seite 211

wie: Wir kaufen euch das Kernkraftwerk ab!, sondern es geht darum, wie wir gemeinsam mit der tschechischen Bevölkerung Strategien beziehungsweise Alternativ-Konzepte entwickeln können.

Die böhmische Region braucht Beschäftigung. Es muss auch klar sein, dass das Unternehmen CEZ eine Zukunft hat, denn dort sind viele Menschen beschäftigt, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben, und das ist legitim und darauf müssen auch Antworten gegeben werden. (Abg. Böhacker: Das ist ja peinlich, Ihre Rede! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Dort muss angesetzt werden, dort müssen die Strategien entwickelt werden. Das ist Knochenarbeit, das ist Kleinarbeit – und nicht der plakative Populismus der Freiheitlichen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

0.10

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 334 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 38.)

5. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Entschließungsantrag 177/A (E) der Abgeordneten Mag. Ulrike Sima und Genossen betreffend einen österreichischen Klimaschutzmaßnahmenplan zur Erreichung der Kyoto-Ziels (355 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zu Punkt 5 der Tagesordnung.

Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen damit in die Debatte ein.

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sima. – Bitte.

0.11

Abgeordnete Mag. Ulrike Sima (SPÖ): Herr Präsident! – Der Herr Bundesminister ist leider nicht mehr anwesend. – Hohes Haus! (Rufe: Er ist anwesend! – Abg. Dr. Mertel: Der Herr Minister telefoniert!) Es freut mich, dass Herr Minister Strasser dem Bericht über Klimaschutz lauschen wird, an sich wäre es mir jedoch lieber, der Umweltminister wäre da.

In wenigen Wochen wird die Klimaschutzkonferenz in Den Haag stattfinden, die eine nächste entscheidende Konferenz zum Thema Klimaschutz sein wird. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Was ist? Wollen Sie auch mitreden beim Thema Klimaschutz?

Österreich hat noch immer keinen verpflichtenden Maßnahmenplan dafür, wie es das Kyoto-Ziel erreichen will. – Ich verstehe, die Stunde ist fortgeschritten, es ist aber trotzdem ein wichtiges Thema, und wenn Sie nicht immer dazwischenreden, dann sind wir alle schneller fertig und auch schneller wieder zu Hause. (Widerspruch und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Wenn Sie länger hier bleiben wollen: kein Problem!

Österreich hat noch immer keinen verpflichtenden Maßnahmenplan, wie wir das Kyoto-Ziel erreichen wollen. Alles, was wir haben, ist eine Art Wunschliste des Bundesministers. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Herr Kollege! Wenn Sie sich zu Wort melden, kommen Sie sicher auch noch dran. Sie brauchen sich nicht so aufzuregen.


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Was wir also vorliegen haben, ist eine Wunschliste. Es hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von Papieren gegeben, nämlich den Optionenbericht und eben dieses Maßnahmenpapier der Bundesregierung, es ist jedoch leider nichts beschlossen worden – bis auf ein elfseitiges Papier im Ministerrat, das eher sehr vage angibt, wie das Klimaschutzziel erreicht werden soll. Und selbst bei diesen elf Seiten besteht ein Dissens zwischen dem Finanzminister, der sagt, es sei nur die letzte Seite beschlossen worden, und dem Umweltministerium, das behauptet, es seien alle elf Seiten beschlossen worden.

Das heißt, es ist eigentlich nach wie vor völlig unklar, wie wir dieses Klimaschutzziel konkret erreichen werden. Ich finde das sehr bedauerlich, und ich wollte dem Herrn Umweltminister in diesem Zusammenhang eine Reihe von Fragen stellen. Aber so wie es ausschaut, wird das ein bisschen schwierig werden. – Wo ist denn der Herr Umweltminister? Ist er noch im Haus? Kommt er noch? Hört er noch zu? (Abg. Mag. Prammer: Nein, es hört niemand zu!) – Ich verstehe. Er ist virtuell anwesend. (Rufe: Er ist schon da! – Abg. Kopf: Haben Sie keine Rede vorbereitet, weil Sie sich so aufregen?)  – Herr Kollege Kopf! Ich habe mir einiges vorbereitet. Ich würde dem Umweltminister gerne ein paar Fragen dazu stellen, und es ist ganz nützlich, wenn er anwesend ist, sonst wird er sie schwer beantworten können.

Mich würde interessieren, wieso es bis jetzt keinen detaillierten, verpflichtenden Maßnahmenplan gibt, um das Kyoto-Ziel zu erreichen beziehungsweise bis wann ein solcher vorliegen wird, um ihn hier im Haus besprechen und beschließen zu können.

Mich würde auch interessieren, welche Position Österreich bezüglich des Handels mit den flexiblen Maßnahmen in Kyoto vertreten wird – ein umstrittener Punkt. Da wir morgen die Budgetdebatte beginnen, würde ich auch gerne wissen, wie viel Geld genau im Budget für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen ist. Sie haben im Ausschuss einen Betrag von, glaube ich, 650 Millionen Schilling genannt. Bleibt es dabei? Glauben Sie, ist das ausreichend, um die Klimaschutzmaßnahmen zu gewährleisten?

Wie schaut es aus mit der LKW-Maut? Ich habe Gerüchte gehört, dass das wieder verschoben werden soll. Trifft das zu? Wenn ja, bis wann? Und: Was ist Ihre Position dazu als Umweltminister, im Zusammenhang mit dem Klimaschutzziel?

Mich würde noch Folgendes interessieren: Bei den Finanzausgleichsverhandlungen mit den Ländern war ja geplant, dass man den Klimaschutz irgendwie mitberücksichtigt. Soviel ich weiß, ist das diesmal nicht passiert. (Ruf: Ist passiert!)  – Aha, ist doch passiert. Herr Bundesminister! Vielleicht könnten Sie darüber ein bisschen berichten, das wäre ganz interessant. Ich hoffe auf Ihre Antworten zu diesen Fragen.

Ich finde es persönlich ein bisschen schade, dass diese Klimaschutzmaßnahmen jetzt schon monatelang verschleppt werden und wir für Den Haag eigentlich nur eine Art Wunschliste vorliegen haben, aber nichts verpflichtend Beschlossenes, auf das wir verweisen beziehungsweise mit dem wir unser Klimaschutzziel erreichen könnten. Aber es ist immerhin erfreulich, dass wir einen Vier-Parteien-Antrag zustande gebracht haben, wodurch wir jährlich die Möglichkeit haben, über die Fortschritte oder Nicht-Fortschritte in diesem Bereich zu diskutieren (Abg. Mag. Schweitzer: Lauter Vier-Parteien-Anträge!)  – Karl Schweitzer freut sich auch, du kannst dich dann vom Rednerpult aus auch noch freuen –, und darüber zu reden, wie wir dieses Ziel wirklich erreichen, wie wir im Plan liegen, und welche Klimaschutzmaßnahmen noch dringend gesetzt werden müssen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

0.16

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fallent. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.16

Abgeordneter Ing. Gerhard Fallent (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Sima! Ich glaube nicht, dass es so unklar ist, in welche Richtung wir uns bewegen wollen. Sie wissen ganz genau, dass ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen wurde, und keiner hindert Sie daran, morgen bei


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sich selbst damit zu beginnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie können schon morgen versuchen, diesbezüglich tätig zu werden. Ich glaube nicht, dass Sie warten müssen, bis Beschlüsse im Parlament fallen, denn Klimaschutz geht ja tatsächlich jeden etwas an.

Ich glaube, dass es viele Bereiche gibt, wo man unabhängig von Gesetzen oder irgendwelchen Beschlüssen klimarelevante Maßnahmen setzen könnte. Gehen Sie einmal davon aus, dass auch Sie mit Ihrem Konsumverhalten – ich habe es heute schon angesprochen – in Bezug auf Klimaschutz Weichen stellen können. Geben Sie dem Prinzip der Nähe den Vorrang: Kaufen Sie Güter, die in der Nähe produziert werden, und Sie werden erkennen, dass Sie dadurch Verkehr verhindern können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Versuchen Sie auch, Produkte einzukaufen, die mit wenig so genannter "grauer Energie" erzeugt wurden, Produkte, bei denen die Herstellungsenergie möglichst gering ist. Versuchen Sie, diese Produkte, wenn möglich, aus Ländern zu kaufen, in denen es keinen Atomstrom gibt. Dann haben auch Sie schon einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz geleistet.

Zurück zu jenen Maßnahmen, die hier enthalten sind. Wir wollen natürlich im Bereich des Verkehrs, im Bereich der Raumwärme, der Energieerzeugung – der Umstellung auf erneuerbare Energieträger –, im Bereich der Abfallwirtschaft, der Industrie, der Landwirtschaft, und im Bereich der Vermeidung sonstiger Treibhausgase wirksame Schritte setzen – Schritte, die Machbarkeit voraussetzen, Schritte, die voraussetzen, dass die Maßnahmen ökonomisch tragfähig, ökologisch sinnvoll und sozial ausgewogen sind.

Das ist auch die Intention der neuen Bundesregierung, das ist die Intention unseres Bundesministers, und darum wird es auch im Wesentlichen bei der Klimakonferenz in Den Haag gehen.

Ich glaube, dass unser Bundesminister jene Position vertreten wird, die man Nachhaltigkeit nennt – eine langfristige Strategie, ein Weg vieler kleiner Schritte, aber ein Weg in die richtige Richtung, hin zur Energiewende, hin zu kleinen Kreisläufen, hin zu Kreisläufen, die mit wenig Abfall auskommen. Einwegproduktionen und Einwegprodukte sollen der Vergangenheit angehören. Ich glaube, viele dieser Bereiche werden eine große Herausforderung für uns sein.

Ich gehe auch davon aus, dass wir über diese Verantwortung Bescheid wissen und auch im Sinne der kommenden Generationen handeln müssen. Klimaschutz ist nicht nur eine Frage der Gegenwart, nicht nur eine Frage jener Menschen, die heute unseren Planeten besiedeln. Es ist auch kein rein österreichisches Problem, sondern es ist ein europäisches Problem, ja sogar ein weltweites Problem. Ich glaube, jeder ist aufgerufen, dazu seinen Beitrag zu leisten.

Wir sollten bereits morgen mit Bewusstseinsbildung beginnen. Die Handlungen sollten schrittweise erfolgen, denn nur das, was wirklich geschieht, hilft letztendlich unserer Umwelt, hilft letztendlich, unserer Lebensqualität auch in Zukunft eine Chance zu geben, hilft unseren Kindern, Lebensräume mit Zukunft zu haben. Das ist ein Gut, das für unsere Kinder wichtig sein wird, und sie werden dankbar dafür sein, wenn sie dieses auch in absehbarer Zeit noch haben werden.

Wir werden uns bemühen und uns anstrengen, um diese Ziele zu erreichen. Bundesminister Molterer ist sicher ein Garant dafür. Wir werden diesen Weg gehen, und gemeinsam werden wir das Ziel erreichen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.21

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.21

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Vorerst möchte ich einen Dank dafür aussprechen, dass es gelungen ist, einen Vier-Parteien-Antrag zum Kyoto-Ziel zustande zu bringen. Wir stehen dadurch alle unter Druck. Es ist ein anspruchsvolles Ziel.


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Aber der Antrag alleine ist zu wenig. Es braucht jede Kraft und Anstrengung und Maßnahmen, um das Kyoto-Ziel zur Umsetzung zu bringen. Ich persönlich bin sehr glücklich darüber, dass Bundesminister Molterer dafür verantwortlich ist, denn unter seiner Führung sollte dies möglich sein.

Ich möchte die Ausgangsposition kurz darstellen: Österreich ist beim Klimaschutz dank vieler freiwilliger Verpflichtungen im europäischen Raum im Spitzenfeld. Wir haben aber trotzdem den Auftrag, in diesem Zusammenhang noch mehr zu tun. Wir leben in einer Zeit, in der auf dem Energiemarkt viel in Bewegung ist, in der alternative Energieformen eine Chance haben. Es gibt also eine gewisse Krise, welche sich durch hohe Energiepreise natürlich auch in der Bevölkerung bemerkbar macht. Aber durch diese Krise werden Alternativen und Reserven wie Wald, Sonne, Wind oder Photovoltaik gefördert. Jeder Bürger kann dazu beitragen, das Kyoto-Ziel zu erreichen – sei es bei der Auswahl von Wohnung, Heizung oder Verkehrsmittel. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir können dem Bürger nicht täglich bares Geld geben, aber durch Einsparungen im Energiebereich kann zusätzliches Geld lukriert werden. Das Kyoto-Ziel richtet sich an jeden: vom kleinen Bürger über den Gewerbebetrieb und die Landwirtschaft bis hin zur Industrie. Wir müssen alle dazu beitragen, um das ehrgeizige Ziel, CO2- und Methangasemissionen um 13 Prozent zu reduzieren, zu erreichen.

Meiner Meinung nach gibt es drei Schwerpunkte: die Wirtschaft, die Landwirtschaft und den Verkehr. Ich komme aus Tirol, aus dem Bereich der Inntalschiene, wo wir mit dem Verkehr natürlich ein gewisses Problem haben. Wir haben die Grenzen erreicht und brauchen jetzt eine Unterinntalbahn, welche den zusätzlichen Verkehr, den wir in den nächsten Jahren erwarten, abfedert und somit dazu beiträgt, den Schwerverkehr von der Autobahn auf die Schiene zu verlegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der nächste Punkt ist die Wirtschaft. Wir leben in einer Aufbruchszeit, es gibt neue Trends, neue Dimensionen, zum Beispiel das Tiroler Niedrigenergiehaus. Es gibt Strategien, mit 4 kW ein Haus beheizen zu können, ohne einen Kamin zu benötigen. Ich denke, dass diese Technik, diese Technologie und Bauweise auch in Zukunft Chancen bringen und ein wesentlicher Beitrag dazu sein werden, gemeinsam mit der Industrie durch moderne Technik das Kyoto-Ziel zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Als nächsten und letzten Punkt möchte ich die Landwirtschaft erwähnen. Es sollte uns gelingen, die Bioenergie anzukurbeln, den Hackschnitzelmarkt aufzubauen, Bioheizwerke zu installieren und damit die Waldbewirtschaftung anzukurbeln. Eine weitere Schiene in der Landwirtschaft ist der Bereich Biogas, wo wir Energie produzieren können, die die Luft rein halten und gleichzeitig einen guten Dünger produzieren kann.

Das Kyoto-Ziel zu erreichen bedeutet, viele Schritte zu gehen, alle einzubinden, gezielte Förderungen im Investitionsbereich zu tätigen und Projekte mit Vorbildwirkung zu präsentieren. Der so genannte Umwelt-Oscar ist ein Beispiel dafür, wie man tüchtige Leute belohnen kann.

Die Energiepreise tun derzeit allen weh, aber sie sind Anlass zum Nachdenken. Wir müssen mit Energie sparsam umgehen, sie effizient einsetzen und nachhaltig denken, dann können wir dieses anspruchsvolle Kyoto-Ziel erreichen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

0.25

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

0.25

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Für die Klimaforschung steht es inzwischen völlig außer Diskussion, dass der Treibhauseffekt zu tief greifenden Klimaveränderungen und gravierenden ökologischen Problemen führen wird, und gerade Österreich mit seiner sensiblen Alpenregion sollte ein ganz besonderes Interesse am Klimaschutz haben. (Demonstrativer Beifall des Abg. Ellmauer. )


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Das Gebot der Stunde – das Fallent vorhin mit ziemlich viel Pathos strapaziert hat – ist nicht nur die Eigenverantwortung, sondern als Politikerinnen und Politiker haben wir auch die Aufgabe, politische Programme zu verabschieden, die es erst möglich und machbar machen, Eigenverantwortung wahrzunehmen. Ich halte nichts davon, den Menschen nur immer wieder zu sagen, sie sollen sich umweltbewusst verhalten, denn zum Beispiel umweltbewusst von Wien ins Burgenland mit dem Zug zu fahren, ist für jeden eine Strafe – und ich möchte nicht, dass die Menschen, die sich umweltbewusst verhalten, bestraft werden. (Beifall bei den Grünen.)

Das Budget, das heute als in Zahlen gegossene Politik vorgelegt wurde, sollte eigentlich auch eine umweltpolitische Weichenstellung für die kommenden Jahre sein. Gibt es jedoch keine ausreichenden Finanzmittel für den Klimaschutz, dann gibt es auch keine nationale Klimapolitik – das muss irgendwie klar sein. Wer beim Klimaschutz und beim Kyoto-Ziel spart, der spart auch auf Kosten von künftigen Generationen.

Der Finanzminister der FPÖ hat heute sehr viel von Weitblick und Verantwortungsbewusstsein gegenüber kommenden Generationen gesprochen. Was jetzt allerdings im Budgetvoranschlag für die Klimastrategie vorliegt, ist bei weitem nicht einmal das, was in Ansätzen notwendig ist. Wir wissen von der sehr guten Klimastrategie des Umweltministeriums, dass um die 1,25 Milliarden Schilling notwendig sein werden, um 2010 bis 2012 halbwegs das Kyoto-Ziel zu erreichen. Wir wissen auch, dass im Rahmen der Umweltförderung für 2001 zusätzlich lediglich 75 Millionen und für 2002 175 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt werden. – Ernsthaft: Das kann es wohl wirklich nicht sein.

Die berühmten fünf "Klimaschutzmilliarden" – inklusive der Gesamtmittel, die jetzt schon ausgeschüttet werden – können doch nicht "auf zusätzliche 75 Millionen für das Jahr 2001" heruntergekürzt werden. – Das ist wirklich absurd, und das geht in keiner Weise mit unseren internationalen Verpflichtungen konform.

Es muss uns allen klar sein – besonders der FPÖ, die ja den Finanzminister stellt –, dass dieses Budget den Vorgaben des Nationalrates, dass nämlich Klimaschutz im Budget verankert werden muss, nicht entspricht – keinesfalls entspricht! –, und dass das so auch nicht gehen kann. (Abg. Haigermoser: Wo sollen wir denn sparen? Sollen wir bei den Behinderten sparen? Das kommt für uns nicht in Frage!)

Wir haben uns dazu verpflichtet. Die derzeitigen Emissionstrends lassen jedoch befürchten, dass wir in Österreich auf sehr hohem Niveau – also jenseits der 66 Millionen Tonnen – keine Chance auf Reduktion haben, wenn wir nicht zu großen Einschnitten bereit sind.

Ich möchte noch kurz auf den Zwischenruf von vorhin eingehen: Wo sollen wir einsparen? – Es handelt sich im Prinzip nicht um eine Ausgabe, sondern um eine Investition. Gerade im Umweltausschuss kommt von vielen freiheitlichen Abgeordneten immer wieder der Hinweis, dass nationale Maßnahmen im Klimaschutzbereich Arbeitsplätze bringen, dass sie der regionalen Wirtschaft gut tun et cetera. Ich glaube, das muss ich jetzt nicht ausführlich erklären, weil das ohnehin immer wieder auch von Ihrer Seite als Argument kommt.

Geld für Klimaschutz ist Geld für Arbeitsplätze. Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen bringen weitaus mehr an regionaler Wertschöpfung als zum Beispiel Investitionen in Autobahnbau – wir haben ja heute die B 301, die Trassenverordnung unterschrieben bekommen. Eine Investition derselben Summe in den Klimaschutz, explizit in Wärmedämmung, wäre weitaus günstiger für die Arbeitsplatzsituation in Österreich.

Hohe Umwegrentabilität ist, glaube ich, auch allen Beteiligten ziemlich klar. Staatliche Gelder für Anreizmechanismen im Klimaschutz führen zu Investitionen mit hoher inländischer Wertschöpfung und damit auch zu einem erheblichen Steueraufkommen. Es geht also um ein Investitionspaket – und nicht um reine Subventionen.

Professor Schleicher hat die Klimaschutzpakete, die es in der Vergangenheit schon gegeben hat, die aber alle nicht umgesetzt worden sind, als Frischzellenkur für die österreichische Wirtschaft bezeichnet. – Ich weiß nicht, ob man diesem Argument etwas hinzufügen muss.


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Neue Exportmärkte für Spitzentechnologie – wir sind im Biomassebereich weltweit führend. Warum nicht in diese Heimtechnologie weiter investieren?

Abschließend vielleicht noch politische Gründe: Die Kunst der Budgetpolitik ist nicht das Sparen an sich. Die Kunst der Budgetpolitik ist das Sparen an den richtigen Stellen und das Investieren an den richtigen Stellen – und man sollte nicht bei Zukunftschancen sparen.

Gerade zu dem Argument von Herrn Bundesminister Grasser, im Interesse unserer Kinder Budgetpolitik zu machen, kann ich nur sagen: Das, was für den Klimaschutzbereich vorgelegt worden ist, ist nicht zukunftstauglich und wird in Zukunft nicht nur ökologische Belastungen, sondern auch erhebliche finanzielle Belastungen mit sich bringen. Im Jahr 2010, oder von 2008 bis 2012 müssen wir nämlich jene Reduktionen, die wir nicht selbst zustande gebracht haben, auf dem internationalen Emissionsmarkt einkaufen. Das wird Beträge in Höhe von Milliarden Schillingen kosten; es lässt sich jetzt noch nicht absehen, wird aber keinesfalls billig sein. Wer also jetzt hier spart, verbaut uns die Zukunft.

Abschließend: Bei Bundesminister Grasser habe ich den Eindruck, er hat wie ein Buchhalter agiert und beim "Rasenmäher"-Kürzen die übergeordneten Ziele aus den Augen verloren. Ich glaube, dass das Kyoto-Ziel ein Ziel ist, das wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, weil es, wie gesagt, für die regionale Wirtschaft, für die Arbeitsplatzsituation, für die regionale Wertschöpfung, für die Umwegrentabilität, für Österreich auch ein immens wichtiges Wirtschaftsprogramm ist. Jeder, der das nicht erkennt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Zu den umweltpolitischen Auswirkungen habe ich – mit Applaus der ÖVP – schon kurz gesprochen. Ich glaube, wir müssen, wenn wir es nicht heute noch schaffen, in der nächsten Sitzung, wenn es wirklich ums Budget gehen wird, die Frage der zusätzlichen Mittelaufbringung in irgendeiner Weise klären. Diese zusätzlichen 75 Millionen Schilling – und was jetzt auch immer im Bereich Wohnbauförderung ausgemacht worden ist – werden nämlich keinesfalls ausreichen. Wenn wir es jetzt nicht zustande bringen, werden wir im Jahr 2010, 2012 einiges an zusätzlichen Millionen bis hin zu Milliarden aufzubringen haben.

Also: Vorher nachdenken und dann sparen, aber auch an der richtigen Stelle investieren! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

0.32

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brix. – Bitte.

0.32

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Alle sprechen vom Kyoto-Ziel, die Bundesregierung spricht immer wieder vom Erreichen des Kyoto-Ziels – in Wirklichkeit sind das nur leere Worthülsen dieser Bundesregierung. Es wird nämlich nichts dazu beigetragen, dass wir endlich einmal auch nur einige Ansätze zum Erreichen des Kyoto-Ziels sehen.

Mehr und mehr LKW brausen täglich durch unser Land, ohne einmal stehen zu bleiben, ohne bei uns zu tanken und ohne bei uns Geld auszugeben. Das Einzige, was damit erreicht wird, ist, dass immer mehr Emissionen ausgestoßen werden. Aber wir sind noch immer nicht bereit, oder diese Regierung ist noch immer nicht bereit zu einer LKW-Verpflichtung, dem Road-Pricing-System oder zumindest einer LKW-Abgabe dafür, dass die LKW unsere Straßen benutzen, unsere Straßen kaputtfahren und bei uns die Emissionen ausstoßen. Im Gegenteil: Die Frächter-Lobby setzt sich durch, die Umwelt wird weiter verschlechtert, das Kyoto-Ziel wird weiterhin nicht erreicht.

Zweitens: Zementfabriken und andere bekommen mehr und mehr Aufträge zum Verbrennen. Das sind lauter Verbrennungsanlagen, die nicht an Abwärmeanlagen angeschlossen sind, sodass keine Wärmekoppelung vorhanden ist. Somit geht es bei diesen Verbrennungen ganz einfach wieder nur um den Profit.


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Drittens: Bei den Ländern wird Geld eingespart. Sie können die Wohnbauförderung nicht dazu nützen, Maßnahmen voranzutreiben, die zur Isolation von Wohnungen dienen, damit weniger Abwärme entsteht. Das sind also lauter Maßnahmen dieser Regierung, die dazu dienen, das Kyoto-Ziel nicht zu erreichen.

Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Nehmen Sie sich ein Beispiel – ich habe das mitgenommen, weil ich selbst viele Jahre lang Vorsitzender des Umweltausschusses war – an der Bundeshauptstadt Wien, der es gelungen ist, in relativ kurzer Zeit die CO2-Emissionen bei rund 2 Millionen Tonnen pro Jahr zu stabilisieren, obwohl in dieser Zeit die Stromerzeugung um 15 Prozent gesteigert und die Fernwärmeerzeugung fast verzehnfacht wurde. Der damalige Umweltstadtrat und heutige Bürgermeister Dr. Häupl hat vorgegeben, wie man das Kyoto-Ziel erreichen könnte. Aber das wollen Sie nicht! Sie wollen lieber, dass die Frächter noch mehr verdienen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.35

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Weinmeier. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.35

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Eingriffe des Menschen in die Natur haben bisher meist regionale Auswirkungen gehabt. Doch seit der intensiven Nutzung fossiler Brennstoffe hat sich das geändert, und es ist zu einem globalen Problem geworden. Daher sind auch globale Maßnahmen erforderlich.

Österreich hat sich in mehreren internationalen Konferenzen zur CO2-Reduktion verpflichtet; nur stichwortartig aufgezählt: Konferenz in Rio 1992, Toronto-Ziel, EU-Umweltministerratsbericht 1997 und schließlich die bereits erwähnte Kyoto-Konferenz 1997, bei der sich Österreich verpflichtet hat, den Wert von 1990 bis zum Jahre 2010 um 13 Prozent zu reduzieren.

Österreich hat sich also weltweit zu einer aktiven CO2-Reduktion verpflichtet. Leider ist aber in dieser Sache von Seiten der bisherigen Regierungen sehr wenig Zufriedenstellendes ge-schehen. Umso erfreulicher ist es, dass der Umweltminister jetzt diesen ersten Bericht über die österreichische Klima-Strategie vorgelegt hat und dass dieser Bericht auch im Ministerrat beschlossen wurde, gerade noch rechtzeitig vor der nächsten Konferenz in Den Haag am 6. November.

Die Bundesregierung hat den Ehrgeiz, trotz der Versäumnisse der bisherigen Regierungen das Kyoto-Ziel zu erreichen. Man muss aber auch sagen – das habe ich von dieser Stelle aus schon einmal getan –, dass die bisherige Entwicklung nicht zufrieden stellend ist. Ich bringe dazu nur einen Vergleich: Laut dem Bericht über die Wirksamkeit der Umweltförderungen – er wurde in der letzten Sitzung des Umweltausschusses diskutiert – kam es von 1996 bis 1998, also im Berichtszeitraum, zu einer Reduktion von ganzen 0,4 Millionen Tonnen, also 400 000 Tonnen. Zur Erreichung des Kyoto-Ziels brauchen wir aber pro Jahr 800 000 Tonnen. Das heißt, es sind um mindestens drei Viertel zu wenig gewesen.

Ganz kurz zum vorliegenden Bericht. Laut diesem Aktionsplan der Bundesregierung gibt es folgende Maßnahmenbereiche: Raumwärme minus 5 Millionen Tonnen, E-Sektor minus 2,5 Millionen Tonnen, im Verkehrsbereich – sicherlich der schwierigste Komplex – in Bezug auf Individualverkehr und LKW-Verkehr minus 3,7 Millionen Tonnen, Abfallwirtschaft minus 1,3 Millionen Tonnen – diesbezüglich kann ich das, was mein Vorredner gesagt hat, nur unterstreichen: Müllverbrennung nur dann, wenn es auch zu einer Kraft-Wärme-Koppelung kommt; denn sonst gibt es dadurch überhaupt keine CO2-Reduktion –, Industrie und Gewerbe, Land- und Forstwirtschaft sind die letzten zwei Bereiche.

Außerdem muss ich – wie hier schon einmal – etwas zu den so genannten flexiblen Maßnahmen sagen, die auch im Bericht erwähnt sind. Flexible Maßnahmen sind einerseits der so genannte Emissionshandel – zum Beispiel, indem man der Ukraine oder Russland Emissionen abkauft; die Folge davon ist keine weltweite Reduktion, sondern vielleicht sogar eine Steige


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rung – oder andererseits, als zweite Möglichkeit, der so genannte clean development mechanism, das bedeutet einen Abkauf nicht geleisteter Reduktion durch Investitionen bei Projekten im Ausland. Beides erachte ich volkswirtschaftlich als bedenklich. Daher soll es weiterhin Ziel dieser Bundesregierung sein, ein Maximum dieser Reduktion auf nationaler Ebene zu erreichen.

Noch ein Wort zur Finanzierung: Laut diesem Bericht wäre allein durch eine Anreiz-Finanzierung von 1,25 Milliarden Schilling pro Jahr – wie es auf Seite 8 des Berichts heißt – die Möglichkeit gegeben, die notwendigen klimarelevanten Investitionen in diesen vorher von mir genannten Bereichen zu tätigen. Diese 1,25 Milliarden Schilling pro Jahr müsste uns das Ziel, unser Klima zu erhalten, wirklich wert sein.

Abschließend muss ich sagen, es ist wirklich positiv zu vermerken, dass es einen gemeinsamen Ausschussantrag gibt. Es ist auch positiv, dass es nach diesem gemeinsamen Ausschussantrag einen jährlichen Bericht über die getroffenen Maßnahmen zur CO2-Reduktion seitens der Bundesregierung geben wird. Wir können daher diesem Antrag gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.40

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ellmauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Brinek: Schon wieder? – Abg. Ellmauer  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich habe eh eine Rede für eine halbe Stunde! Ihr braucht keine Angst zu haben! – Abg. Nürnberger: Uns ist das Wurscht!)

0.40

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Globale Probleme brauchen globale Lösungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die Stabilisierung der Treibhausgas-Konzentrationen in der Atmosphäre ist gegenwärtig eine global ungelöste Aufgabe. Man bedenke, dass man sich im Süden von Argentinien nicht länger als 20 Minuten in der Sonne aufhalten kann und dass in Sydney in Australien Eltern aufgefordert werden, für ihre Kinder Ganzkörper-Badeanzüge zu besorgen und sie keinesfalls länger als zehn Minuten in der Sonne spielen zu lassen. Dies ist erschreckend!

Eine Reihe von Aktivitäten zum Schutz des globalen Klimas mündeten im Kyoto-Protokoll von 1997, in dem sich die Industrieländer zu verbindlichen Reduktionen bei sechs Treibhausgasen verpflichteten. Der Kyoto-Prozess hatte damit begonnen und findet in den nationalen Plänen auf allen Ebenen seine Auswirkungen. Aus österreichischer Sicht wurde bereits ein Klimaschutzprogramm im Ministerrat verabschiedet. Österreich kommt damit seinen Verpflichtungen nach. Führende Beamte und Experten haben sich im Kyoto-Forum zusammengefunden und eine zielführende Strategie ausgearbeitet.

Meine sehr geehrte Frau Kollegin Glawischnig! (Abg. Haigermoser: Nicht da!) Sie ist nicht da, vielleicht richten Sie es ihr aus. Ich bin sehr für Ihre Ausführungen über die Sensibilität bei uns in den Alpen im Hinblick auf den Klimaschutz. Ich habe Ihnen dafür auch applaudiert. Aber mit den anderen Ausführungen kann ich nicht sehr viel anfangen. Die österreichische Bundesregierung weiß nämlich sehr wohl, was sie in Sachen Klimaschutz zu unternehmen hat, und braucht alles andere als Ihre Ratschläge. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Ratifikation des Kyoto-Protokolls geht bereits ihren nachhaltigen Weg. Sie können nur behaupten, dass das einstige Umwelt-Musterland – wie Sie Österreich in einer Aussendung darstellen – seine Verpflichtungen nicht erfüllt hat. Doch Sie können keine konstruktiven Beiträge bringen. Konstruktive Klimaschutzpolitik bedeutet nämlich vor allem, konstruktive Maßnahmen umzusetzen. Sie scheinen auch im Gegensatz zu Ihrem Klubobmann zu stehen. Dr. Van der Bellen hat nämlich das Umweltprogramm der Bundesregierung ausdrücklich gelobt.

Welche Maßnahmen sind notwendig? – Die thermische Gebäudesanierung vermindert CO2 um 1,7 Millionen Tonnen im Jahr. Die Energieeffizienzanhebung im Raumwärme-Versorgungsbereich bringt eine Reduktion von 1,5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr. Erneuerbare Energieträger reduzieren das CO2-Aufkommen um 3,5 Millionen Tonnen im Jahr. Im Bereich Verkehr kann


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man von einem CO2-Einsparungspotential von 3,7 Millionen Tonnen ausgehen – in diesen Bereich gehören Verbesserungen der Güterverkehrs-Logistik, bewusstseinsbildende Maßnahmen und die Einführung der fahrleistungsabhängigen LKW-Maut im Jahre 2002. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Moser. )

Die erfolgreiche Umsetzung dieser Maßnahmen ist entscheidend: Bewusstseinsbildung und breite Akzeptanz nach außen, rechtliche Rahmenbedingungen, Wohnbauförderung, Mietrechtsgesetz, Abfallwirtschaftsgesetz und andere, ein breiter internationaler Konsens über die Schaffung notwendiger Rahmenbedingungen, Anreiz-Finanzierung für erneuerbare Energieträger und Energieeffizienzanhebungen sowie Finanzierungsmodelle für Gebäudesanierungen. – Ich danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

0.44

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger. – Bitte. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Eigentlich hat Ellmauer schon alles gesagt!)

0.44

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Debatte über die Erreichung der Kyoto-Ziele und über den Klimaschutz bleibt immer unvollständig, wenn man einen Bereich, der prozentuell immer mehr zu den klimarelevanten Gasen beiträgt, unberücksichtigt lässt. Das ist der Bereich des Verkehrs und der Verkehrspolitik.

Die bisherigen Erfahrungen im Klimaschutz, die sich sehr stark im Bereich der Wärmebereitstellung und im Bereich der thermischen Gebäudesanierung konzentriert haben, haben auch klar gezeigt und aufgewiesen, dass es mit Setzung politischer Rahmenbedingungen sowie verschiedenen Maßnahmen und Anreizförderungen durchaus gelingen kann, schwere Belastungsfaktoren für die Klimagase zurückzunehmen und zurückzufahren und einen Profit für die einzelne Geldtasche des Menschen, der sich ein wärmegedämmtes Haus baut, für die Umwelt, weil weniger Energieverbrauch stattfindet, aber auch für die kleinräumig orientierte Bauwirtschaft, die bessere Aufträge in der Gebäudesanierung hat, zu erreichen. Das bedeutet also einen dreifachen Nutzen mit relativ geringen Fördermitteln.

Im Bereich des Verkehrs allerdings sehe ich bis jetzt eigentlich nur gegenteilige Maßnahmen, nämlich Maßnahmen zur Verkehrsförderung, und das trotz einer Analyse, die man sich zu Gemüte führen muss. Wir haben einfach die Situation, dass im Verkehr 25 Prozent mehr Emissionen als vor zehn Jahren zu verzeichnen sind, obwohl es eine Senkung des Treibstoffverbrauchs pro Fahrzeug gegeben hat, jeweils kompensiert durch den Ankauf schwererer, größerer Wagen und natürlich auch durch eine wesentlich höhere Fahrleistung, die in manchen Bereichen erbracht werden muss: Ich spreche von den Zwangspendlern – wir haben in der letzten Zeit schon einige Male darüber diskutiert –, weil öffentliche Verkehrsmittel in den letzten Jahren, und von dieser Regierung ganz besonders, bis zum Existenzminimum ausgehungert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie zurückdenken, was an Diskussionen und an Einstellungsdiskussionen – ich erinnere hier an die Nebenbahnen, ich erinnere an die Verkehrsverbünde – in den letzten Jahren, im letzten Jahr verursacht worden ist, meine Damen und Herren, dann werden Sie sehen, dass im Bereich Verkehr der Wille zu Maßnahmen im Klimaschutz schlicht und einfach fehlt. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn es nur das wäre, meine Damen und Herren! Es wird aber nicht nur jegliche Maßnahme unterlassen, die öffentliche Verkehrsmittel und damit eine Umorientierung im Verkehrsmittelgebrauch fördern würde, sondern es wird schlicht das Gegenteil getan. Zwei Trassenverordnungen von mehr als umstrittenen Projekten sind in den letzten Tagen, gestern und heute, erfolgt.

Da ist einmal die vollkommen unsinnige Nord Autobahn, eine Geldvernichtungsmaschine, die den Transit nach Österreich hereinzieht, auch nach Ostösterreich, als hätten wir in Westösterreich nicht schon die schlechtesten Erfahrungen mit dieser Art der Politik gemacht. Und da ist die B 301 im Süden Wiens, die nichts an Entlastung, aber enorm viel an Be lastung für die


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40. Sitzung / Seite 220

Bevölkerung bringen wird und keine gerechte Mobilität für die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Gegend bedeutet, wenn sie nach Wien pendeln müssen, wenn sie nach Wien fahren wollen. (Beifall bei den Grünen.) Das sind zwei Chaos-Projekte, die Klimaschutzziele genauso wie ökonomische Sinnhaftigkeit unterlaufen.

Ein weiteres Defizit, das dringend behoben werden müsste: Heute noch gibt es ein Riesen-Kerosinprivileg für den Flugverkehr. (Abg. Auer: Richtig, das stimmt! – Demonstrativer Beifall des Abg. Ellmauer. ) Heute noch gibt es keine Besteuerung, keinerlei Initiative von Österreich, auf internationaler Ebene diese Ungerechtigkeit endlich zu beseitigen (Beifall bei den Grünen) und dem Kerosin eine Steuerlast aufzubrummen – eine gerechte Steuerlast aufzubrummen, die auch einmal Gerechtigkeit im Verkehrswesen zumindest im Näherungswert herbeiführen würde. Das halte ich für dringend notwendig. Hier vermisse ich jegliche Aktivitäten.

Ich kann Ihnen sagen, dass immer mehr europäische Staaten über diese Frage diskutieren. (Abg. Murauer: Und was machen sie in Deutschland?) Die größte Schwierigkeit, das größte Verkehrswachstum haben wir in diesem Segment. Das sind diese 12 Prozent an Wachstum, die uns allen Sorgen machen müssen. Das sind jene 12 Prozent an Belastung, die heute schon aus dem Flugverkehr kommen.

Nun noch ein weiteres Defizit – und ich werde nicht müde werden, über dieses Defizit immer wieder zu sprechen –: Die Besteuerung des LKW-Verkehrs spottet jeglicher Beschreibung, wenn es um Gerechtigkeit gehen soll. (Beifall bei den Grünen.) Die Besteuerung des LKW-Verkehrs befindet sich auf einem Niveau, dass man eigentlich nur davon reden kann, Österreich beziehungsweise die derzeitige österreichische Bundesregierung nützt alle Möglichkeiten, um den Güterbeförderungssektor noch mehr zu privilegieren, ihn auch gegenüber den PKWs zu privilegieren. (Abg. Mag. Kukacka: Falsch!) Heute schon zahlt der PKW einen Großteil der Belastungen, die durch den LKW entstehen.

Sie wissen so gut wie ich, dass der Anteil des LKW an der gesamten Schadstoffbelastung viel größer als jener des PKW ist. Das sind einfach Tatsachen und Wahrheiten, denen auch Sie, meine Herren, die Sie immer dagegen argumentieren und die Sie es so lächerlich finden, wenn zum Beispiel Tirol unter dem Gütertransit leidet, sich irgendwann einmal werden stellen müssen. Diese Ungerechtigkeiten werden nämlich auch die Autofahrerklubs immer stärker angreifen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn nicht dieses Klima-Paket ergänzt wird mit einem ernsthaften Plan zum LKW-Road-Pricing – nicht einem, der jedes Jahr um ein weiteres halbes Jahr verschoben wird; ich weiß nicht, welche Frächter da jeweils antichambrieren gehen, damit es wieder einmal nach hinten verschoben wird (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Es geht nur über eine elektronische Lösung!)  –, wenn nicht die Förderung für die öffentlichen Verkehrsmittel ein Niveau erreicht, auf dem das Benützen des ÖV weniger Strafe und Kasteiung, sondern ökologisch sinnvolles, aber auch angenehmes Verhalten wird, dann ist ein Klimaschutz-Paket ineffizient.

Wir haben gelernt und an der Praxis gesehen, dass im Bereich der Wärmedämmung mit minimalen Förderungen, mit minimalen Maßnahmen in manchen Gemeinden Investitionen ausgelöst wurden und Verbesserungen erreicht wurden. Es ist wirklich wahr, Tirol ist im energieeffizienten Hausbau ein Vorreiterland geworden. Das gehört auch weiter gemacht. Aber wenn das nicht endlich durch Maßnahmen im Bereich der Verkehrspolitik ergänzt wird, dann wird alles, was wir in diesem Bereich einsparen, sofort kompensiert durch ein weiteres Verkehrswachstum, auch ein Verkehrswachstum, das durch Zwangspendeln verursacht wird. Hier fehlen Maßnahmen der Raumordnung genauso wie ein echtes Bekenntnis zum Klimaschutz.

Zu diesem echten Bekenntnis zum Klimaschutz hätten Sie ja heuer im Herbst Möglichkeiten gehabt. (Abg. Großruck: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?) Es gab europaweit den autofreien Tag, und ich muss Ihnen sagen: Während sich in Deutschland, in Italien, in Frankreich die großen Städte nahezu flächendeckend ernsthaft und sehr ambitioniert an diesem autofreien Tag beteiligt haben, mit einer enorm positiven Resonanz aus der Bevölkerung (Abg. Steibl: Wo?), war die Beteiligung und die Förderung in Österreich eigentlich eher zum Schämen.


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Wenn Sie sich bitte die Bilanzen anschauen, welche Großstädte sich in Italien, in Frankreich an dieser Aktion beteiligt haben, und wenn Sie sich anschauen, dass man sich in Wien nur dazu verstanden hat, ein paar Flugblätter zu verteilen, dann, muss ich ganz ehrlich sagen, hat Österreich im Klimaschutz, was den Verkehrsbereich betrifft, die rote Laterne, und es hat diese rote Laterne leider ganz klassisch verdient.

Ich weiß nicht, wer von den ÖVP-, SPÖ- oder FPÖ-Bürgermeistern diese Dinge endgültig und überall blockiert hat. Es war eine breite Front von Leuten, die sich lieber in Appellen erschöpft haben wie: Kauft ein Ziegenjoghurt vom benachbarten Bauern, dann haben wir den Klimaschutz eh schon erledigt! – statt effiziente Maßnahmen im Verkehrsbereich zu setzen.

Natürlich haben Sie Recht, dass privates Konsumverhalten eine enorme Kraft entfalten kann, würde es gelingen und auch hinreichend unterstützt werden, bei bestimmten Wirtschaftsgütern auch Informationen über die durch sie verursachte Energie- und Verkehrsbelastung mitliefern zu können.

Auch wenn da irgendjemand von der Geisterstunde redet: Wenn dieses Paket, dieses Klimaschutzpaket nicht endlich einmal mit Geist erfüllt und mit Geld dotiert wird, dann, meine Damen und Herren, wird unser Umweltminister bei der Konferenz in Den Haag maximal die rote Laterne für den Verkehrsbereich entgegennehmen können. Glücklicherweise gibt es aus der Vergangenheit die effizienten Maßnahmen im Wärmedämmbereich, sodass die Peinlichkeit sich zumindest diesbezüglich in Grenzen hält. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

0.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.56

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nur mit Hilfe der Gemeinden wird es möglich sein, die in den internationalen Abkommen vereinbarte Reduktion der CO2-Emissionen zu erreichen.

Ein Bereich, bei dem die Gemeinden in Zusammenarbeit mit den Ländern einen Beitrag leisten können, sind Raumwärme, Wärmedämmung und Kleinverbrauch. Bei den privaten Haushalten, gewerblich genutzten und öffentlichen Gebäuden war zwischen 1990 und 1998 ein Ansteigen der Treibhausgas-Emissionen zu verzeichnen. Trotz steigender Energieeffizienz im Neubau sind durch den insgesamt wachsenden Wohnungsbestand ohne zusätzliche Maßnahmen auch weiterhin steigende Emissionen zu erwarten.

Durch ein sinnvolles Maßnahmenprogramm ist es möglich, bis zum Jahre 2010 eine Reduktion der Emissionen zu erreichen. Dafür sind jedoch umfangreiche Maßnahmen notwendig. Die derzeitigen thermischen Sanierungsraten im Althausbestand sowie in öffentlichen und privaten Dienstleistungsgebäuden reichen bei weitem nicht aus, um den insgesamt steigenden Emissionstrend abzufangen.

Um das angestrebte Reduktionspotential zu erreichen, ist es notwendig, die Sanierungsrate in den nächsten zehn Jahren zumindest zu verdoppeln. Die rasche Umsetzung eines Maßnahmenprogramms "Raumwärme" ist nicht nur aus klimapolitischen Erwägungen, sondern auch auf Grund gesamtwirtschaftlicher und arbeitsmarktpolitischer Vorteile sinnvoll. Daher sind folgende Forderungen an die Bundesregierung zu richten:

Erstens: Sicherstellung ausreichender finanzieller Mittel für eine qualitätsbezogene und klimaschutzorientierte Wohnbauförderung. Wenn der Finanzausgleich die Zweckbindung für die Wohnbauförderung vor wenigen Tagen auf Infrastrukturmaßnahmen ausgeweitet hat, dann ist es durchaus sinnvoll, wenn Infrastruktur nicht Straße, sondern Kyoto-relevante Infrastruktur bedeutet.

Zweitens: Abschluss einer Artikel-15a-Vereinbarung über die Einführung eines bundeseinheitlichen Energieausweises.


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Drittens: Berücksichtigung von effizientem Energiesparen im Rahmen der nächsten Novellierung des Mietrechts und Wohnungseigentumsgesetzes.

Viertens: Energieeffizienzsteigerung in den Bundesgebäuden und ein entsprechender Auftrag für die Novelle des BIG-Gesetzes.

Erlauben Sie mir noch, auf die Klimapolitik des Burgenlandes im Zusammenhang mit der Wohnbauförderung-Neu hinzuweisen. Da wird für besondere thermische Qualität der Gebäudehülle ein zusätzlicher Energiesparzuschlag gewährt, es kann bei der Wohnhaussanierung für energiewirtschaftliche Maßnahmen ein Betrag in der Größenordnung eines Neubaus erreicht werden, und es werden für alternative Energieanlagen zusätzlich nicht rückzahlbare Zuschüsse gewährt. Das Burgenland ist bemüht, seinen Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Ziels zu leisten.

Nicht so ist die Bemühung durch die Bundesregierung gegeben, da für die Umweltförderung im Jahre 2000 nur 550 Millionen Schilling und für 2002 nur 650 Millionen vorgesehen sind, und diese Beträge nicht geeignet sind, die notwendigen 15 Milliarden jährlich auszulösen. Die Regierung wäre gut beraten, anstatt die Konjunktur durch Belastungspakete zu bremsen, besser zukunftswirksame und konjunkturstimulierende Maßnahmen zu setzen. Im Bereich des Klimaschutzes gibt es dazu ein weites Betätigungsfeld. (Beifall bei der SPÖ.)

1.00

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

1.00

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Tatsache, dass der Zuwachs des Anteils erneuerbarer Energieträger am Energieaufkommen in Österreich seit etwa zehn Jahren plus/minus null beträgt, ja dass dieser Anteil sogar leicht sinkend ist, sollte uns zu denken geben. Wir bemühen uns seit Jahren, und Ihre Kollegen – auch unsere Kollegen, würde ich sagen – vom Biomasseverband haben das schön dargestellt: Der Anteil an erneuerbarer Energie betrug im Jahre 1993 noch fast 25 Prozent, im Jahre 1998 lag er bei 23 Prozent.

Wie ist das möglich? Alle strengen sich an! Kollege Fallent – er ist hoffentlich jetzt hier im Saal – meint: Fangen Sie bei sich selbst an! Dazu brauchen wir keine Politik! Sie können selbst aktiv werden! Es muss eine Bewusstseinsbildung erfolgen!

Selbstverständlich, Kollege Fallent, ist das notwendig und auch richtig, aber gerade an diesem Beispiel sehen Sie, dass wir Politik machen. Wie erklären Sie sich sonst, dass der Anteil der erneuerbaren Energien prozentuell nicht so steigt, wie wir uns das wünschen? – Das hängt klarerweise damit zusammen, dass immer noch genug private Haushalte von Biomasse auf Gas- und Öl-Heizungen umstellen.

Herr Bundesminister! Das ist ein Faktum, und davor können wir die Augen nicht verschließen. Ich glaube, es wäre dringend geboten, dass solche Systeme nicht mehr mit öffentlichen Steuergeldern finanziert werden können. Das wäre ein richtiges Signal an die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, das ihnen klar und deutlich vor Augen führen würde, dass es keinen Sinn macht, jetzt von einer Holzheizung auf Öl oder Gas oder sonstige nicht erneuerbare Energieträger umzustellen. – Das ist ein Punkt.

Ihre Kollegen vom Biomasseverband fordern seit Jahren die ökologische Steuerreform: Wo ist sie, bitte, in diesem Budget? – Das wären wirkliche Antworten auf die Herausforderungen von Kyoto. Es würde auch klar werden, dass wir damit eine Entlastung im Bereich der Arbeitskosten, umgekehrt aber auch eine deutliche Steuerungsfunktion im Wirtschaftsgeschehen bewirken würden und dass wir damit in den nächsten Jahren wirklich Ziele erreichen könnten.

Auch im Bereich der Beheizung öffentlicher Gebäude ist viel zu tun, meine Damen und Herren. Hier kann die Politik klare Signale setzen. Es liegt einiges im Argen: Man denke nur etwa daran, dass selbst in Waldgebieten wie etwa in Windischgarsten in Oberösterreich – um ein Beispiel


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aus meiner Region zu nennen –, wo eine Gaspipeline durchführt, die Gemeinden mit Dumpingangeboten dazu gebracht werden, ihre Gebäude mit Gas statt mit Energie aus dezentraler Erzeugung, mit Fernwärme oder eben mit irgendeiner Form von erneuerbarer Energie, etwa mit Biomasse zu heizen.

Das, Herr Bundesminister, geht uns ab in Ihrem nicht vorgelegten genauen Strategiepapier. Sie haben einige wichtige Punkte angeführt, aber die Konsistenz dieses Programmes ist meiner Meinung nach nicht ersichtlich.

Wir müssen weiters klar sehen, meine Damen und Herren, dass es auch Maßnahmen geben wird müssen, die etwas einbringen können. Ich nenne nur ein Beispiel aus der Landwirtschaft – auch ein wichtiger Teil und Aspekt im Klimaschutzgesamtkonzept –: Es ist sehr wohl sinnvoll und überlegenswert, eine Betriebsmittelbesteuerung für gewisse Betriebsmittel vorzusehen.

Herr Bundesminister! Wir sollten auch diese Möglichkeiten nicht außer Acht lassen, weil wir ja den Bauern signalisieren: Wir wollen, dass sie Biomasse erzeugen, wir wollen, dass sie ökologisch produzieren. Wir müssen aber auf der anderen Seite auch schauen, dass jene Betriebe, die das nicht verstehen, ökonomische Anreize verspüren! Das wäre zum Beispiel auch ein Signal, das ich von Ihnen erwarten würde. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Rosemarie Bauer: Für die Kürze, muss ich sagen, ...!)

1.05

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Molterer. – Bitte.

1.05

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Willhelm Molterer: Herr Präsident! In aller Kürze: Meine Damen und Herren! Sie wissen, dass es den Bericht des Kyoto-Forums gibt. Sie wissen, dass die Bundesregierung einen Ministerratsvortrag, den ich gemeinsam mit Kollegen Grasser erarbeitet habe, vorgelegt hat, mit dem Auftrag, bis Jahresende die Klimastrategie zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Detail fertig zu stellen. Dafür haben wir Elemente, wie beispielsweise jetzt im Finanzausgleich die Zweckbindung der Wohnbauförderung, vorgesehen, die auch im Hinblick auf Kyoto erfolgen. Das ist ein ganz entscheidender Schritt. Wir können mit dem Budget einen ersten Schritt setzen, der zwar noch nicht ausreichend ist, um das angestrebte Förderniveau in der betrieblichen Umweltförderung zu erreichen, aber wir können trotz des Sparbudgets sagen, dass wir mit Kyoto in die richtige Richtung gehen. Sie können ferner sicher sein, dass Österreich auch in Den Haag gemeinsam mit den europäischen Staaten sehr konsequent unsere Positionen vertreten wird. (Beifall bei der ÖVP.)

1.06

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als letzter Redner dazu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

1.06

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! – Ich mache es wirklich kurz. – Wir haben uns in Österreich ein sehr hohes Ziel gesteckt: Wir wollen in Europa das Land mit der dritthöchsten Einsparung sein. Da stellt sich natürlich die Frage, was das bedeutet. Es bedeutet nämlich, dass wir bis zum Jahre 2012 16 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen müssen. Wir haben aber derzeit die Tendenz, dass, seit wir davon reden, die Treibhausgasemissionen steigen. Das heißt, wir haben bis jetzt nicht eine sinkende, sondern eine steigende Tendenz erreicht.

Es stellt sich also die Frage: Wo sind die Schwerpunkte? – Die Schwerpunkte wurden heute teilweise schon genannt: Sie liegen beim Transport, bei der Hausfeuerung, aber auch bei den Energieerzeugern und bei der Industrie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist also notwendig? – Notwendig ist, dass zunächst einmal das Kyoto-Ziel leistbar sein muss, und daran werden wir alle zu arbeiten haben.


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Zweitens müssen verbindliche Maßnahmen seitens der Bundesregierung gesetzt werden. Eine habe ich soeben erstmals vernommen, nämlich die Zweckbindung der Wohnbauförderung. Ich hoffe, dass man nicht nur für Sanierung, sondern auch für den Neubau genaue Zweckbindungen für alle Bundesländer festlegt. Ich weiß nicht, ob das so geregelt ist, aber darüber wird man ja noch reden können, nehme ich an; das ist ja nicht die Frage.

Es werden Maßnahmen gesetzt werden müssen, die kosteneffizient sind und gleichzeitig die Umwelt insgesamt entlasten. Es wird vor allem nicht so sein können, dass die 13 Prozent Einsparung über alle Bereiche gleichmäßig verteilt werden, sondern es muss natürlich dort, wo es die meisten Emissionen gibt, die höchste Einsparung erfolgen, und das sollte auch mit ein Ziel sein.

Es kann aber nicht so sein, dass man aus dieser Zielsetzung heraus jetzt eine reine Landwirtschaftsförderung betreibt und die Städte im Regen stehen lässt. Es ist hier vor allem wichtig, dass wir uns auch im Bereich der Fernwärme, auch im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplungen, auch im Bereich der Müllentsorgung und Schlammverbrennungsmöglichkeiten entsprechend positionieren.

Darüber hinaus ist es so, dass es bisher einen Klimastrategiebericht und einen Kyoto-Optionenbericht seitens des Umweltministeriums gibt. Beide Berichte sind aber überhaupt noch nicht mit der gesetzlichen Situation in Österreich abgestimmt, sie müssen daher möglichst rasch auch mit den Gesetzen, die wir brauchen, um das umsetzen zu können, abgestimmt werden. Es muss ja die Rechtslage vor allem im ElWOG, im Gaswirtschaftsgesetz, aber auch im Altlastensanierungsgesetz und in anderen Bereichen abgestimmt werden.

Ich möchte aber noch zu einem Bereich kommen, der heute nicht erwähnt wurde und bei dem das Einsparungspotential 17 Prozent des Gesamtaufwandes beträgt: Das ist die E-Wirtschaft. Ich habe leider vernehmen müssen, dass in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses ein Tagesordnungspunkt abgesetzt wurde, nämlich jener, bei dem es darum ging, über den 51-Prozent-Bundesanteil am Verbund zu reden. Diesbezüglich wird mir von Minister Bartenstein signalisiert, und auch Präsident Prinzhorn hat mich schon dahin gehend angesprochen, dass man einmal darüber reden und eine Lösung suchen sollte. (Abg. Dr. Puttinger: Vertagt haben wir es!)

Ich bin auch einverstanden damit, dass wir über diese 51 Prozent Bundesanteil reden, aber dann muss man wissen, worüber man spricht und was man spricht. Es kann nicht so sein, dass, wie ich der Zeitung entnehme, der Verbund Frankreichs EdF Kunden abjagt und Billigstrom aus Österreich vom Verbund nunmehr nach Frankreich exportiert wird, aber gleichzeitig die Wiener Stadtwerke, wenn sie an den Verbund herantreten, um für nächstes Jahr ihre Stromversorgung abzusichern, vom Verbund die Antwort bekommen, dass das nicht mehr in sein Verkaufskonzept passt und dass sie sich den Strom suchen sollen, wo sie wollen.

Darüber hinaus haben wir natürlich heute auch über Kernenergie und Kernkraftwerke diskutiert. Ich stelle jetzt wirklich einmal klar die Frage: Woher wird Strom überall importiert? Wird auch Strom aus Kernenergie weiter importiert? (Abg. Dr. Khol: Eder!) – Ja, das sind die Fragen! Ich weiß schon, Herr Kollege Khol, das tut ein bisschen weh, wenn man über diese Dinge redet. Aber wenn man mit uns über die Verbund ... (Abg. Rosemarie Bauer: Die Kürze ist schon vorbei! Nur keine leeren Versprechungen!) – Na gut, für Sie ist alles lächerlich, aber das ist typisch! (Abg. Dr. Khol: Nein! – Abg. Rosemarie Bauer: Nein! Wir lachen aus einem anderen Grund!) Früher war es ein bisschen anders, jetzt ist es eben so. Tut mir Leid! (Abg. Rosemarie Bauer: Wir lachen über die leeren Versprechungen, Herr Kollege! Sie haben gesagt, Sie werden es kurz machen!) Vielleicht wird es auch einmal eine Zeit geben, die für Sie nicht mehr so ganz zum Lachen sein wird!

Jedenfalls möchte ich Folgendes feststellen: Es fehlt in der Energiewirtschaft jegliches Konzept, und Minister Bartenstein ist jetzt wirklich gefordert, Ordnung in der österreichischen Energiewirtschaft zu schaffen. Nur die Generaldirektoren verhandeln zu lassen, ist ein bisschen wenig. Da sind die Eigentümer gefordert! Wenn die Eigentümer nicht entsprechend handeln,


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dann werden wir in Österreich keine vernünftige Lösung in der Energiewirtschaft und somit auch das Kyoto-Ziel nicht erreichen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

1.11

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht in 335 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Es ist dies einstimmig angenommen. (E 39.)

*****

Bevor wir zu Punkt 6 der Tagesordnung übergehen, möchte ich Folgendes bekannt geben:

Im Rahmen der Debatte zu Tagesordnungspunkt 2 hat Herr Abgeordneter Maier heute einen Zwischenruf von Herrn Abgeordnetem Gaugg erhalten, der die Bemerkung enthielt: "In der Arbeiterkammer habt ihr eine Spitzelabteilung, die nichts anderes tut ..." und so weiter. – Ich halte das für keine sehr nette Wortwahl, sondern für eine sehr unpassende, wie sie sich leider hier eingebürgert hat. Für einen Ordnungsruf reicht sie mir aber nicht aus. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Andererseits haben Sie, Herr Abgeordneter Maier, gesagt: "Die Frage, wie dieses Spitzelsystem der Freiheitlichen Partei organisiert ist, darüber gibt es einschlägige Literatur." – Ich finde auch das den Ausführungen eines Abgeordneten dieses Hauses nicht sehr würdig. Es ist mir aber für die Erteilung eines Ordnungsrufes ebenfalls nicht ausreichend. (Abg. Dr. Khol: Salomonisch! Das heißt salomonisch!)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (282 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Spanische Hofreitschule und das Bundesgestüt Piber rechtlich verselbständigt werden (Spanische Hofreitschule-Gesetz) (330 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nunmehr zu Punkt 6 der Tagesordnung.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

1.13

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Da wir nun eine Debatte über die Ausgliederung der Spanischen Hofreitschule und des Bundesgestütes Piber führen, möchte ich gleich anmerken, Herr Bundesminister: Wir haben in den letzten Jahren immer wieder über die argen Zustände des Bundesgestütes Piber, vor allem aber über die Führung des zuständigen Managements diskutiert.

Herr Bundesminister, es würde mich schon interessieren, ob Sie sich der Meinung des verantwortlichen Chefs von Piber, der zugleich auch der Chef der Spanischen Hofreitschule ist,


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nämlich, dass Piber ausgabenseitig größere Defizite aufweist, anschließen. Wissen möchte ich vor allem, wie die Berechnung bei der Zucht der Pferde erfolgt, und auch, wie das Futter für die Spanische Reitschule sowie die fachlichen, handwerklichen Tätigkeiten, die in Piber für die Spanische Reitschule erbracht werden, berechnet werden.

Ein weiteres Problem, Herr Bundesminister: Es wurde 1990 in Piber eine Veterinäranstalt gebaut, die über 30 Millionen Schilling gekostet hat. Benützt wird dieser Veterinärbereich aber nur für ganz einfache Behandlungen. Die mittleren und schwierigen Fälle gehen an die Uni. Ich werde begründen, warum:

Wir hatten einen Tierarzt, der von der Zucht der Pferde zu viel verstand. Deshalb gab es auch zwischen dem Direktor und dem Tierarzt ständig Auseinandersetzungen. Der Tierarzt sah natürlich keine Chance, notwendige Vorhaben umzusetzen, vor allem im Bereich der Ausnützung im Veterinärbereich sowie bei der Zucht der Pferde. Deshalb zog er es vor, wieder zu gehen. – Jetzt gibt es einen Tierarzt, der vorher mit der Hühnerzucht zu tun hatte. Der passt dem Geschäftsleiter. Was glauben Sie wohl, warum, meine Damen und Herren? – Ich möchte dazu den Spruch zitieren: Es darf das Küken nicht gescheiter sein als die Henne.

Herr Bundesminister! Warum gab es keine Kontrollen und keine Konsequenzen? All diese Vorkommnisse – und ich bringe hier nur einige Details – waren in Ihrem Ressort doch schon seit langem bekannt! Kann eine Person zwei so große Unternehmen, wie es die Spanische Reitschule und das Gestüt Piber sind – wo unter anderem auch die gleiche Person auf Dienstreisen und Tourneen geht –, führen? Ist es ein Wunder, wenn es zu Ausspielereien zwischen den Beschäftigten kommt, wenn jene Person, die als Stellvertretung eingesetzt wird, überhaupt keine Entscheidungen treffen darf oder kann? – Herr Bundesminister, da hätten Sie schon längst eingreifen müssen!

Meine Damen und Herren! Die Lipizzaner sind für Österreich ein Markenzeichen, und wir alle müssen dafür Sorge tragen, dass dies auch in Zukunft gewährleistet ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Einzigartigkeit dieses Juwels der österreichischen Kulturgeschichte muss erhalten bleiben. Kernstück ist und bleibt, meine Damen und Herren, das hervorragend ausgebildete Personal sowie dessen Verbundenheit mit dem Unternehmen, wobei der Standort Piber – und das ist meine felsenfeste Überzeugung – in der Lage wäre, was die Zusammenarbeit anlangt, weitaus mehr einzubringen, als bisher von manchen aus Wiener Sicht vermutet wurde.

Aber, meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem skandalösen Vorgehen der Bundesregierung gegenüber den Österreichischen Bundesforsten – ein Unternehmen, welches 1996 als 100-prozentige Tochter der Republik Österreich ausgegliedert wurde, das dank seines Managements und seiner Mitarbeiter bis heute hervorragende Arbeit geleistet hat und nun brutal gezwungen wird, 3 Milliarden Schilling an den Finanzminister abzuliefern, und sich damit hoch verschulden muss – wäre eine rechtliche Grundlage zum Schutz gegen derartige substanzschädigende Vorgangsweisen im Falle Piber beziehungsweise Hofreitschule zu schaffen.

Herr Bundesminister! Die Gesellschaft wird gut ausgestattet, es wird sehr viel Geld zur Verfügung gestellt. Aber die Gefahr, dass das Gestüt Piber und die Spanische Hofreitschule in zwei bis drei Jahren verscherbelt werden könnten, bleibt. Deshalb können wir dieser Regierungsvorlage nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

1.18

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Achatz. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

1.18

Abgeordnete Anna Elisabeth Achatz (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Kollegin Bauer, Sie hätten sich die Regierungsvorlage, mit der die Spanische Hofreitschule und das Bundesgestüt Piber nicht privatisiert, sondern ausgegliedert werden und zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes bleiben, einmal durchlesen müssen! Das wird eine Gesellschaft


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öffentlichen Rechts, und damit ist sichergestellt, dass es zu keinem Ausverkauf kommt! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wird einfach sichergestellt, dass die Spanische Hofreitschule und Piber durch diese Ausgliederung endlich eine Rechtsform – die haben sie nämlich bisher nicht gehabt – und dazu endlich auch eine wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeit bekommen: eine Gestaltungsmöglichkeit, Frau Kollegin Bauer, um auf dem Markt bestehen zu können und auch Maßnahmen setzen zu können, um zu neuen Einnahmequellen zu kommen. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Ziel dieses Gesetzes ist die dauerhafte Erhaltung und traditionsgemäße Zucht der Pferderasse Lipizzaner und die Erhaltung der Hohen Schule der Reitkunst.

Frau Kollegin Bauer, ich verstehe das nicht: Sie sind Erstrednerin Ihrer Fraktion, Sie waren auch im Ausschuss. Sie müssten die Regierungsvorlage doch kennen! Wir haben ja auch im Ausschuss ausführlich darüber diskutiert! (Weiterer Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Es sind auch, Frau Kollegin Bauer, die nötigen Finanzmittel bereitgestellt worden: 430 Millionen Schilling stehen zur Verfügung, damit der Betrieb, die Zucht und die Ausbildung sichergestellt sind. 80 Millionen davon werden für die höchst notwendigen Renovierungen der Hofburg und der Stallburg bereitgestellt. (Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. ) Da liegt es wirklich im Argen, Frau Kollegin Bauer – da gebe ich Ihnen Recht! Da war die vergangene Bundesregierung – aber der haben Sie ja bekanntlich angehört – säumig. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Sophie Bauer. )

Für Investitionen in Piber werden 30 Millionen Schilling geleistet, Frau Kollegin Bauer. Auch der Vorwurf – Ihr Vorwurf –, dass es durch die Ausgliederung eventuell zu einer Überbelastung der Pferde kommen könnte, ist unbegründet.

Die Organe der Gesellschaft sind eine aus zwei Mitgliedern bestehende Geschäftsführung, ein Aufsichtsrat, dem drei Mitglieder des Landwirtschaftsministeriums, ein Mitglied des Finanzministeriums und zwei Mitglieder der Spanischen Hofreitschule angehören. (Abg. Sophie Bauer: ... immer niedergestimmt!) Und zur Unterstützung dieses Bundesgestüts Piber und der Hofreitschule, Frau Kollegin Bauer, kann der Landwirtschaftsminister auch noch ein ehrenamtliches Komitee einrichten.

Sie können uns glauben, dass es der Bundesregierung wirklich ein großes Anliegen ist, dass dieses lebende Kulturgut, die Lipizzaner, auch in Zukunft erhalten werden und gesichert sind. (Abg. Sophie Bauer: Über die Bundesforste geht alles so hundertprozentig ...!) Die Spanische Hofreitschule und Piber bleiben zu 100 Prozent im Besitz des Bundes! Sie werden eine Gesellschaft öffentlichen Rechts, und der Bund hat die Sicherstellung übernommen, dass es auch in Zukunft eine dauerhafte Erhaltung der Spanischen Hofreitschule und Pibers geben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

1.22

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber. – Bitte.

1.22

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Eingangs möchte ich darauf hinweisen, dass uns diese Regierungsvorlage beziehungsweise der Abänderungsantrag keine 24 Stunden vor dem Ausschusstermin übermittelt wurden. Das heißt, dass die Zeit zur Prüfung des Antrages für die Ausschusssitzung unserer Auffassung nach eindeutig zu kurz bemessen war – das ist einmal eine formale Kritik. Ich möchte aber in aller Deutlichkeit festhalten, dass wir uns im Ausschuss natürlich vorbehalten haben, das dann noch weiter zu prüfen.

Klar ist, dass es hiebei um ein zentrales Identifikationsgut der österreichischen Kultur geht – da mag man dazu stehen, wie man will: das sind die Lipizzaner –, ein Kulturgut, mit dem Österreich weltweit identifiziert wird.


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40. Sitzung / Seite 228

Bei einem Budgetbedarf von etwa 20 bis 30 Millionen Schilling – das ist der Zuschussbedarf für die Lipizzaner – ist die, so würde ich sagen, Budgetrelevanz dieses Postens relativ gering. Seien wir doch ehrlich: Wenn wir alle Positionen, bei denen es Zuschussbedarf gibt, auslagern, dann haben wir bald nichts mehr im Budget!

Die entscheidende Frage aber ist: Kann damit auch wirklich etwas Wesentliches und Positives bewirken werden? – Unbestritten ist, dass ein gewisser Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Verbesserung der Struktur besteht. Das ist nachvollziehbar und in der Diskussion auch klar von uns anerkannt worden. Aber (Abg. Dr. Martin Graf: Herr Kollege, Sie müssen lauter sprechen! Kollegin Haidlmayr schläft schon ein!) – Herr Kollege Graf, Sie Gott sei Dank nicht, und daher können Sie mir folgen und werden mir doch zustimmen, denke ich (Abg. Dr. Martin Graf: Selbstverständlich! – Abg. Haigermoser: Das ist die innerparteiliche Kommunikation, Herr Kollege!) – bis Ende des Jahres 2004 besteht ein Finanzbedarf von 182 Millionen Schilling. Wenn ich das nun hochrechne und diese 182 Millionen dem jährlichen Zuschussbedarf von 20 Millionen Schilling gegenüberstelle, Herr Bundesminister, dann würde ich Sie ersuchen, auch das noch einmal zu erläutern. Ich habe es nicht verstanden! Wenn das eine Ausstattung ist, die für die nächsten Jahre sozusagen eine Art Ansparen für die Spanische Hofreitschule und das Gestüt Piber sein soll, dann stellt sich für mich die Frage: Welches Konzept wird damit verfolgt? – Das haben wir im Ausschuss nicht diskutiert, wir haben das Unternehmenskonzept nicht gesehen. Ist es gesichert, dass die Spanische Hofreitschule überhaupt kostendeckend zu führen ist? – Diese Frage müssen Sie mir beantworten, bevor wir das aus unserer Sicht abschließend positiv beurteilen könnten.

Wir sehen einige gute Aspekte in diesem Vorschlag, zum Beispiel, dass die Haltung und Zucht der Lipizzaner artgerecht durchgeführt werden soll – das finde ich wichtig und richtig – und dass es auch ein ehrenamtliches Komitee geben soll – auch das ist an sich wünschenswert und unserer Auffassung nach positiv anzumerken. Allerdings ist das eine Kann-Bestimmung, Herr Bundesminister, und eine Kann-Bestimmung ist keine Muss-Bestimmung. Auch das ist unserer Auffassung nach ein Manko in der Vorlage.

Eines sollten wir auch nicht vergessen: Mit der Ausgliederung fällt auch die Kontrolle durch den Rechnungshof weg, und das halte ich für nicht sehr gescheit, weil auch kulturpolitische Fragen damit verbunden sind. Ich werde Ihnen das am Beispiel der Markenpflege zu erläutern versuchen: Wir gehen ja davon aus, dass diese Ausgliederung zu einer Ökonomisierung, zu einer besseren Nutzung der Lipizzaner und auch dieser Marke führen soll, und es ist vorgesehen, dass Tochtergesellschaften gegründet werden können. Aber, Herr Bundesminister, diese Tochtergesellschaften sind natürlich nicht ausschließlich in der Hand des Bundes – zumindest geht das aus der Vorlage nicht hervor –, sondern können auch irgendwelche anderen Konstruktionen sein. Das ist nicht ausgeschlossen. Das halte ich aber für bedenklich, weil die Markenpflege unserer Auffassung nach auch einer öffentlichen Kontrolle unterliegen sollte.

Schließlich und endlich erhebt sich auch die Frage: Wie würde das andererseits aussehen, wäre diese Ausgliederung wirklich effizient und würden Gewinne anfallen? – Auch das ist nicht geklärt. Es geht aus der Vorlage nicht hervor, was mit allfälligen Gewinnen zu passieren hätte.

Schlussendlich wäre es, zumindest aus unserer Sicht, überlegenswert gewesen, auch das GmbH-Gesetz so weit zu nutzen, dass man in diesem Vorschlag auch die Möglichkeiten gemeinnütziger GesmbHs berücksichtigt hätte, weil es langfristig nicht glaubwürdig ist, dass ein Aushängeschild der Republik hundertprozentig Gewinn bringend zu führen sein wird. (Ruf bei den Freiheitlichen: Beim "Sacher" geht es auch!) Daher werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

1.27

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Auer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

1.28

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch zu so später Stunde eine Bitte an Frau Kollegin Bauer und an Kol


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legen Pirklhuber: Das Applaudieren seitens der SPÖ ist zu wenig. Man sollte dem zustimmen, wenn man haben will, dass dieses österreichische Juwel auch für die Zukunft gesichert werden soll! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Und an Kollegen Pirklhuber: Ein bisschen wirtschaftliches Denken gepaart mit Traditionsbewusstsein und ein wenig Reformbereitschaft – das wäre es für die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es ist doch geradezu absurd, alles in Frage zu stellen! Ich erinnere gerade die SPÖ daran, welch erfolgreichen Weg Stadl-Paura gegangen ist – und das war eine Privatisierung, keine Ausgliederung!

Heute gliedern wir aus in eine selbständige Gesellschaft. Es ist die zweite Maßnahme, die unter Bundesminister Molterer einen hervorragenden Weg sicherstellen wird. (Abg. Sophie Bauer: ... Bundesforste!) Geben wir diesem Weg eine Chance! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

1.29

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Molterer. – Bitte.

1.29

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Hohes Haus! Dass die Lipizzaner ein Aushängeschild Österreichs sind, steht außer Streit. Dass wir daher mit diesem Gesetz die klare Absicht haben, dieses Juwel auch in Zukunft zu pflegen und noch besser als bisher zu hegen, steht auch außer Streit. Es geht um die Qualität und die Tradition, und es geht um die Sicherung der Zucht. Das ist der Sinn und das Ziel dieser gesetzlichen Grundlage, die wir heute schaffen, meine Damen und Herren!

Erstens: Es ist eine zeitgemäße gesetzliche Grundlage für die Spanische Hofreitschule und für Piber. Beide Einrichtungen brauchen wir, beide Einrichtungen brauchen einander, beide Einrichtungen sind wichtig!

Zweitens: Wir haben eine Gesellschaft öffentlichen Rechts geschaffen, die klarerweise den Auftrag hat, auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen. Das ist ja letztendlich der Sinn einer Ausgliederung: dass auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten besser genutzt werden können als heute.

Frau Abgeordnete Bauer! Sie wissen, auch auf Grund Ihrer regionalen Herkunft, dass wir gerade im Tourismus in Piber Chancen haben, die wir jetzt nicht nutzen, und Ihre Rede, Frau Abgeordnete, enthielt eigentlich die Summe der Argumente, die für die Ausgliederung sprechen.

Es handelt sich um eine Gesellschaft, die zu 100 Prozent im Besitz des Bundes steht, deren Aufgabenbereiche wie etwa Zucht, Wahrung der Tradition und Hohe Schule der Reitkunst im Gesetz klar definiert sind, ebenso ist aber auch der Auftrag festgeschrieben, ausgeglichen in der Perspektive nach dem Business-Plan – Herr Kollege Pirklhuber! Ich komme noch darauf zu sprechen! – zu agieren. Es ist klar, dass wir die beratenden Ausschüsse dort aktivieren, wo es notwendig ist, beispielsweise hinsichtlich der Sicherung der Lipizzaner-Zucht, einer Aufgabe, die weit über Österreich hinausgeht.

Die wirtschaftliche Absicherung ist gegeben: Es erfolgt eine Vermögensübertragung an diese neue Einrichtung in dem Ausmaß, wie es diese neue Gesellschaft braucht. Es gibt Budgetmittel im Ausmaß von 182 Millionen Schilling, die nach dem Business-Plan, Herr Abgeordneter Pirklhuber, bis zum Jahre 2008 entstehende Abgänge bedecken. Dann wird es aber klarerweise das Ziel sein, eine ausgeglichene Gebarung zu erreichen, denn es ist ja per se nicht verständlich, warum ein Unternehmen, das ein derartiges Juwel zu bieten hat, nicht auch so geführt werden kann, dass es ohne Zuschüsse auskommt. Es ist klar, dass wir mit diesem Gesetz einen Investitionszuschuss sowohl für die Stallburg als auch für Piber geben, ebenso wie eine wirt


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schaftliche Reserve für den Fall, dass diese Gesellschaft einen Puffer braucht, was der Fall sein kann. – Diese Gesellschaft hat also eine gute wirtschaftliche Ausstattung, und wir haben im § 14 sichergestellt, dass der Bund selbstverständlich auch in Zukunft seinen Verpflichtungen hinsichtlich Zucht, Tradition und Reitkunst nachzukommen hat.

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass wir mit diesem Gesetz einerseits wirklich optimale Voraussetzungen für die Erhaltung von Zucht, Reitkunst und Tradition schaffen, andererseits aber auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so setzen, dass der wirtschaftliche Erfolg, nämlich eine ausgeglichene Gebarung, für dieses Unternehmen sichergestellt ist.

Ich bitte Sie daher, sich jenseits aller Parteigrenzen dazu zu entschließen, diesem vernünftigen Gesetz, von dem ich weiß, dass es allgemein als sehr vernünftig eingeschätzt wird, zuzustimmen und doch Abstand von der einen oder anderen aktuellen tagespolitischen Einschätzung zu nehmen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

1.33

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

1.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Minister, die Botschaft hörte ich wohl, allein es fehlt mir etwas an Vertrauen, nämlich das Vertrauen zu Ihren Ausführungen betreffend die finanziellen Auswirkungen.

Kollegin Achatz hat uns empfohlen, die Regierungsvorlage zu lesen. Darauf antworte ich: Wir haben die Regierungsvorlage gelesen! Herr Bundesminister! Über die gesamten finanziellen Auswirkungen et cetera finden wir in der Regierungsvorlage jedoch überhaupt nichts, denn diese Regierungsvorlage ist, Herr Kollege Khol, eine "Speed-kills-Vorlage"! (Abg. Neudeck: Was für eine Vorlage?)  – Eine "Speed-kills-Vorlage"!

Was hat diese Bundesregierung im Ministerrat einstimmig beschlossen? – § 7: Es wird "ein Barzuschuß in der Höhe von xxxx 000 000 Schilling" notwendig sein. – Die sechs Nullen kann ich unter Umständen zuordnen, was aber sind diese x?

Am reinen Gesetzestext will ich aber nicht verzweifeln, daher schaue ich halt ins Vorblatt, vielleicht werde ich dadurch gescheiter. – Im Vorblatt finden wir aber auch nichts beziehungsweise nur schlicht und einfach den Budgetansatz von 2000 und sonst nichts. Da heißt es, dass Kapitalausstattung notwendig ist und kurzfristig anfallende Ausgaben langfristigen Einsparungen gegenüberstehen.

Damit ist es aber noch immer nicht aus. In den Erläuterungen unter Allgemeiner Teil, Finanzielle Auswirkungen, finden wir jedoch noch weniger als nichts, Herr Minister, denn auch darin steht überhaupt nicht, was das kosten soll! (Abg. Auer: Kaufen Sie sich neue Brillen! – Zwischenruf des Abg. Dr. Khol. ) Nicht einmal 24 Stunden vorher, ist das, bitte schön, so durch den Ministerrat gegangen und einstimmig beschlossen worden. Was kümmern den Ministerrat der Republik Österreich die Finanzen in solchen Unterlagen? Diese Frage muss wirklich in den Raum gestellt werden! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Mag. Molterer: Und der Abänderungsantrag?)

Der Abänderungsantrag wurde kurz vorher eingebracht, das heißt also, das Finanzierungsproblem wurde ans Parlament delegiert. Da erhält man vielleicht eine Auskunft in der Art, wie Sie es erwähnt haben, Herr Minister!

Ich weiß nicht, ob der § 14 tatsächlich die Sicherung ist. Ich glaubte nämlich auch zuerst, dass das der Auffangpolster für den Fall ist, dass der von den Regierungsparteien eingebrachte Finanzierungsvorschlag nur Utopie sein sollte, denn nachvollziehbar war dieser nicht. Ich weiß nicht, ob die dauerhafte Erhaltung tatsächlich in Form dieser Gesellschaft als Teil der Republik gewährleistet ist oder ob wir damit nicht der Ausgliederung Tür und Tor öffnen.


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Herr Bundesminister! Bedauerlicherweise haben Sie in der letzten Zeit recht schlechte Beispiele geliefert, ich denke da etwa an die Bundesforste, denen die Regierung mit diesen Koalitionsparteien jetzt einen Rucksack in Form eines Betrages von 3 Milliarden Schilling umgehängt hat, den diese Gesellschaft nur durch Verkäufe hereinbringen kann. Ich erinnere daran, Herr Bundesminister, dass Sie im jetzt schon gestrigen "Kurier" zitiert werden, wonach Sie im Hinblick auf Österreichs Wasser angemerkt haben, dass Sie durchaus Modelle wie private Betreiber oder Kooperationsverträge für das Verscherbeln von Wasser sehen.

Herr Minister! In Anbetracht dieser Beispiele ist es durchaus angebracht, Bedenken zu haben, ob nicht als Nächste die Lipizzaner und das Gestüt Piber an der Reihe sind! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Mag. Molterer: Ich kann nur sagen: Sie sprechen wider besseres Wissen!)

1.37

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Papházy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

1.37

Abgeordnete Dr. Sylvia Papházy, MBA (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorerst zu Ihnen, Herr Kollege Pirklhuber! Ausgliederung heißt, dass die Verantwortung des Bundes und die Rechnungshofkontrolle bestehen bleiben und aus den Gewinnen Rücklagen gebildet werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Spanische Hofreitschule ist eine der touristischen Hauptattraktionen Österreichs, und für mich als Wienerin ist die Spanische Hofreitschule auch ein Stück Heimat und ein Stück Wiener Identität. Die Spanische Hofreitschule ist Kulturgut mit über 400 Jahren Tradition. Gerade unserer Fraktion ist die Bewahrung des kulturellen Erbes ein Anliegen, und der Wissensschatz betreffend Lipizzanerzucht und Reitkultur zählt für uns auch zum kulturellen Erbe.

Unsere Fraktion hat bereits Ende der achtziger Jahre mittlerweile schon des vorigen Jahrhunderts Handlungsbedarf gesehen und bauliche Verbesserungen gefordert, die Rufe unserer damaligen Bezirksrätin, der jetzigen Gemeinderätin und stellvertretenden Vorsitzenden des Kulturausschusses im Wiener Gemeinderat Heidemarie Unterreiner nach Sanierung der Stallungen und der Winterreitschule sind jedoch ungehört verhallt.

Der Brand der Hofburg und die EU-Präsidentschaft haben dann doch notdürftige Erhaltungsarbeiten nach sich gezogen. Tatsache ist, dass die Stallungen in einem schlimmen Zustand sind, die Winterreitschule, wie ich mich selbst kürzlich überzeugen konnte, schwer sanierungsbedürftig ist und der Komfort für die Touristen, die ja vielfach gerade wegen der Hofreitschule nach Wien kommen, nicht mehr gegeben ist.

Der Finanzminister hat in der nunmehr gestrigen Budgetrede auch schon auf die Bedeutung der Ausgliederungen hingewiesen. Es ist unserer Fraktion ein Anliegen – Anna Elisabeth Achatz hat es bereits gesagt –, dass die Spanische Hofreitschule wirtschaftlich geführt und dabei die Tradition erhalten wird. In diesem Zusammenhang ist für uns natürlich auch die Beachtung der Bedürfnisse der Hengste eine der obersten Maximen.

Es ist wichtig, dass der Leistungsphysiologie der Hengste, wie das so heißt, entsprochen wird. Derzeit gibt es neun von 15 vorgesehenen Bereitern für 64 Hengste. Der Aufbau einer zweiten Equipe, die immer wieder gefordert wird, dauert bis zu zwölf Jahre, und die Ausbildung der Hengste dauert bis zu acht Jahre. Dabei sind Urlaube, Ruhepausen und limitierte Tournee-Möglichkeiten zu beachten, sodass in diesem Fall nicht eins und eins gleich zwei ist. – Der Aufbau einer zweiten Truppe ist bis 2008 denkbar, und bis dahin wird es, wie ich meine, möglich sein, ausgeglichen zu bilanzieren.

Die Popularität der Lipizzaner hat – wie die "Kronen Zeitung" berichtet – auch Trittbrettfahrer auf den Plan gerufen, etwa die Ex-Miss World Ulla Weigerstorfer oder die "amtierende Bundespräsidentin" Löffler. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Löfflers begehrliches Auge richtet sich aber


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selbstverständlich weniger auf die Lipizzaner als vielmehr auf ein als standesgemäß erachtetes Domizil in der Hofburg.

Als Wienerin möchte ich auch noch auf die bevorstehende Ausgliederung der Bundesgärten eingehen. Die Bundesgärten sind Kulturgut mit sozialer Funktion und Naherholungsgebiet, der freie Zugang zu ihnen muss gesichert werden. Darüber hinaus halte ich es für wichtig, dass auch Projekte wie zum Beispiel das Gartentheater im Schlosspark Schönbrunn weiter angedacht werden. Sommerfestivals erfreuen sich großer Beliebtheit, und es sollte auch in Wien im Sommer Opern- und Operettengenuss für die Touristen ermöglicht werden. Auch da verweise ich wieder auf Heidemarie Unterreiner, deren diesbezüglicher Beschlussantrag voriges Jahr in einer Gemeinderatssitzung nicht angenommen wurde. Ich hoffe, dass im Zuge der Ausgliederung der Bundesgärten dieses Projekt wieder aufgegriffen wird! (Abg. Dr. Khol: Beachten Sie die Zeit! – Abg. Schwemlein: Beschreiben Sie all das ganz genau! Kollege Khol will alles hören!)

Zurück zur Spanischen Hofreitschule, zurück zum Abänderungsantrag, auch zu Ihnen, Frau Sophie Bauer und GenossInnen: Ich erinnere an Ihre Anfrage vom Frühjahr 2000. Sie haben darin positive Grundstimmung signalisiert, und ich würde mich sehr freuen, wenn wir alle gemeinsam für die Erhaltung dieses Kulturguts stimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

1.42


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40. Sitzung / Seite 233

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

1.43

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Im Gesetzesvorschlag wird man nicht fündig hinsichtlich der Summen, die da aufgewendet werden. Ich wurde jedoch in einer Presseaussendung des Herrn Abgeordneten Schweisgut fündig: Da habe ich festgestellt, dass in den nächsten fünf Jahren in die Spanische Hofreitschule 427 Millionen Schilling investiert werden sollen, also pro Jahr zirka 83 Millionen.

Das macht einen schon ein bisschen stutzig, und man fragt sich: Wird sie jetzt aufgeputzt, diese schöne Spanische Hofreitschule, damit man sie nachher vielleicht besser verkaufen kann, um in fünf Jahren ein Körberlgeld für eine wieder notwendige Budgetsanierung zu haben? (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Misstrauen ist durchaus begründet, denn die Bundesforste wurden zunächst auch nur ausgegliedert, und heute beginnen Sie, die Bundesforste, jede Diskussion verweigernd, über die Budgetbegleitgesetze zu verscherbeln! (Zwischenruf des Abg. Auer. ) Meine Damen und Herren! Das Misstrauen ist durchaus gerechtfertigt! (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurde im Zusammenhang mit der Spanischen Hofreitschule heute schon des Öfteren von Kulturgut, von historischer Bedeutung und vom Alter von 425 Jahren gesprochen. Herr Bundesminister! Ich darf Ihnen jetzt eine authentische Darstellung der Erhaltung der Spanischen Reitschule nach den infolge des Zusammenbruches der Österreichisch-Ungarischen Monarchie im Jahre 1918 eingetretenen Ereignissen beziehungsweise des Kampfes um die Erhaltung der Spanischen Hofreitschule überreichen. Wenn Sie sich diese Darstellung aufmerksam durchlesen, dann werden Sie feststellen, dass die Jahre 1918 bis 1921 – dann wurde die Hofreitschule vom Landwirtschaftsministerium übernommen – eine ganz, ganz schwierige Zeit waren. In diesem Werk steht zu lesen, dass Dr. Austerlitz, Abgeordneter dieses Hauses und Chefredakteur der "Arbeiter-Zeitung", sowie die Arbeiter-Bildungsvereine sehr wesentlich dazu beigetragen haben, dass diese Spanische Hofreitschule, die für Sie so wichtig und kulturell so bedeutend ist, überhaupt überlebt hat! (Abg. Neudeck: Heute gibt es die "Arbeiter-Zeitung" nicht mehr! Wer wird das jetzt machen?)

Damit die Spanische Hofreitschule auch weiterhin überlebt, werden die Sozialdemokraten Ihrem Vorhaben, jetzt damit zu beginnen, diese schön langsam an den Mann zu bringen, nicht zustimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

1.45

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

1.45

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir haben nicht die Absicht – wie die SPÖ uns gerne unterstellen möchte –, die Spanische Hofreitschule zu verkaufen, sondern diese wird ausgegliedert und bleibt eine 100-prozentige Tochter des Bundes. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. )

Wir haben bereits mehrere Kulturbereiche ausgegliedert: Die Ausgliederung von Schönbrunn war ein Erfolg, wir haben die Staatsoper und das Burgtheater ausgegliedert, und selbst die Wiener Philharmoniker sind kein Staatsbesitz mehr. All das sind ebenfalls Aushängeschilder von Österreich! (Beifall bei der ÖVP.)

Für die Spanische Hofreitschule und das Bundesgestüt Piber gibt es derzeit keine rechtlichen Normen. Mit diesem Gesetz werden entsprechende rechtlichen Normen geschaffen. Man muss sich allerdings auf der Zunge zergehen lassen – die Gründe wurden im Ausschuss genannt –, warum die SPÖ der Ausgliederung nicht zustimmen kann. Eine sozialistische Abgeordnete hat wortwörtlich gesagt: "Mit der Ausgliederung besteht die Gefahr, dass die Betriebe wirtschaftlich geführt werden." (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.) Das muss man wiederholen: Sie hat gesagt, dass mit der Ausgliederung die Gefahr bestehe, dass die Betriebe wirtschaftlich geführt werden! – Wir wollen, dass sie wirtschaftlich geführt werden, und deshalb stimmen wir für die Ausgliederung! (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP.)

1.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwemlein. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

1.47

Abgeordneter Emmerich Schwemlein (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn man Kollegen Schwarzenberger zuhört, dann kann man durchaus nachvollziehen, warum es wichtig ist, nicht nur seinen Worten zu glauben, sondern vielleicht auch jenen eines ehemaligen ÖVP-Klubsekretärs, der heute die Position des Präsidenten des Rechnungshofes einnimmt. Dieser Präsident des österreichischen Rechnungshofes, Herr Fiedler, sagt – ich zitiere –:

"Ich sehe keine Maßnahmen, sondern nur Ankündigungen. Ich möchte nur warnen, dass man Ausgliederungen und Privatisierungen alleine schon als Strukturreform betrachtet." – Zitatende.

Kollege Schwarzenberger! Es ist möglich, dass du nicht ganz genau nachvollziehen kannst, was Herr Präsident Fiedler meint. Wir können es jedoch, und daher warnen wir davor, nur zu sagen: Ihr seid jetzt privat!, denn wie wir gerade gehört haben, ist das zu wenig, wenn keine Strukturmaßnahmen gesetzt werden!

Ihr habt uns etwas vorgemacht – etwas, zu dem wir vom Grundsatz her nicht nur gestanden sind, sondern wofür wir ein wesentlicher Mitstreiter waren, nämlich die Österreichischen Bundesforste auf eigene Beine zu stellen, damit sie die Chance haben, als wirtschaftlicher Betrieb, der mit privatwirtschaftlichen Marktregeln umgehen muss, erfolgreich zu sein. In diesem Punkt haben wir euch unterstützt. Was macht ihr aber jetzt aus diesen Österreichischen Bundesforsten? – Ihr sagt zu dem Unternehmen: Geht und schaut, dass ihr erfolgreich seid! (Bundesminister Mag. Molterer: Es ist ein blühendes Unternehmen!)  – Danke für den Zwischenruf, Herr Bundesminister! Es ist ein blühendes Unternehmen, es ist ein Unternehmen, das 210 Millionen Schilling Gewinn macht, aber Sie kassieren 3 Milliarden dafür ab! Das ist eine sensationelle Rechnung! Ich gratuliere, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

Da wir gerade die Erfahrung gemacht haben, welche Rechnung ihr anstellt – und es ist nicht marktwirtschaftliches Denken, dass einer 210 Millionen erwirtschaften kann und ihm dann 3 Milliarden abgeknöpft werden! –, haben wir natürlich Bedenken betreffend die Lipizzaner und Piber. Wir fürchten nämlich, dass ihr sagen werdet: Macht euch selbständig, wir gliedern euch


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aus. Und wenn dann irgendwann einmal der große Onkel mit der noch größeren Brieftasche kommen und sagen wird: Ich bringe Kapital ein, ich garantiere euch einen Einmalerlös, der sehr attraktiv ist!, dann wird sich die Mehrheit in diesem Haus, wie sie im Augenblick noch herrscht – ich hoffe, nicht mehr lange! –, veranlasst sehen, dem Lockruf des Geldes zu erliegen. Daher können und wollen wir aus tiefster Überzeugung der Entlassung von Piber und der Entlassung der Spanischen Hofreitschule nicht zustimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

1.50

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

1.50

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Ich werde 20 Minuten und mehr reden! Das ist die Rache des Haigermoser für die Nichtbereitschaft, heute eine ordentliche Redezeit zu vereinbaren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Kollege Schwemlein! Die oppositionellen Zerredungskünste kann man auch übertreiben! Bei dem, was du jetzt verzapft hast, bleibt ja kein Pferdeauge trocken! Das ist nahezu der Eiertanz der Lipizzaner, nicht das Weichei des Tages. Ihr seid sämtliche Argumente schuldig geblieben und habt nur dafür plädiert, alles beim Alten zu lassen. Das kann es doch nicht sein, werte Freunde!

In Richtung Gaßner eine Kurzanmerkung: Es ist eine Chuzpe, wenn ein Sozialdemokrat die Monarchie als Zeugin seiner Worte herbeiredet. Ich erinnere nur daran, was sich alles im Zusammenhang mit Habsburg abgespielt hat! Das ist wirklich eine Chuzpe! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nun zu den Bundesforsten: Kollege Schwemlein! Wenn Sie den Bauern die Zukunft verbauen wollen, indem verhindert wird, dass die Landwirte auch privat aus Bundesbesitz zukaufen können, dann machen wir dabei sicherlich nicht mit, meine Damen und Herren! Da machen wir nicht mit! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Reden Sie doch mit den Landwirten!) Für die Bauern ist das eine neue Chance, sich auch eine Sparkasse für schwierige Zeiten zu schaffen!

Meine Damen und Herren! Zur Raubersg’schicht der Sophie Bauer, die sich die weißen Hengste wirklich nicht verdient haben: Ihre Vorlesung ist der Beweis dafür, dass diese Ausgliederung notwendig ist, um die Lipizzaner zu neuen Ufern zu führen und neue Chancen zu eröffnen! (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer. )  – Frau Kollegin! Ihr Versagen in der Sache AKW ist Beweis genug, dass Sie heute einmal schweigen sollten, denn diesbezüglich haben Sie nicht genug nach Hause gebracht!

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist in Sachen Spanischer Hofreitschule einmal mehr auf dem richtigen Geläuf unterwegs. Daher stimmen wir mit Begeisterung diesem Modell zu, weil es offensiv fortschrittlich ist und mit Sicherheit vom Publikum mehr denn je angenommen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Prammer: Waren das 20 Minuten?)

1.52

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schweisgut zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

1.53

Abgeordneter Johannes Schweisgut (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, über die Tradition und die jahrhundertelange Geschichte haben wir nun schon genug gehört.

Dass diese Bundesregierung die Spanische Hofreitschule und Piber privatisieren will, ist ein Märchen, das inzwischen widerlegt worden ist. Es geht nicht um eine Privatisierung, sondern um die Schaffung einer Gesellschaft mit öffentlichem Recht. Auch das haben wir schon gehört. Deswegen sind diese Argumente des Ausverkaufs aus der Luft gegriffen: Es wird sich nach wie


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vor um Bundeseigentum in Form einer Gesellschaft mit öffentlichem Recht handeln, und wenn Sie den Ausführungen des Ministers gefolgt sind, dann werden Sie gehört haben, dass es auch in Zukunft das Ziel des Staates ist, sowohl die hohe Reitkunst als auch das Gestüt zu erhalten, weil es sich dabei um alte Traditionen handelt.

Eine traurige Tatsache in diesem Zusammenhang ist lediglich, dass jahrelang ein Verlust in der Höhe von zirka 30 Millionen Schilling angefallen ist. Daher besteht meines Erachtens die dringende Notwendigkeit, sich das Ziel zu setzen, dass dieses Unternehmen wirtschaftlich geführt wird und nicht auf Kosten der Steuerzahler auf Dauer einen Verlust in der Höhe von 50 Prozent macht. Wenn man bedenkt, dass sich die Einnahmen des Gestüts Piber und der Spanischen Hofreitschule auf zirka 35 Millionen Schilling belaufen, und dann feststellt, dass ein Verlust in der gleichen Höhe anfällt, dann wird, glaube ich, klar, dass es in Zeiten, in welchen Sparen angesagt ist, einfach eine wirtschaftliche Notwendigkeit für den Staat ist, auch im Bereich der Spanischen Hofreitschule ein bisschen den Sparstift anzusetzen!

Mit dem vorliegenden Gesetz wurde durch Herrn Minister Molterer meiner Meinung nach aber auch in genügender Weise Vorsorge dafür getroffen, dass die Spanische Hofreitschule auf den Wettbewerb und auf den Markt von morgen vorbereitet ist: Die jährlichen Zuschüsse sind nicht als Zuschuss zu einem Abgang zu sehen, sondern es besteht auch die Möglichkeit, aus diesen Zuschüssen Rückstellungen für eine längere Zeit als nur für diese vierjährige Wartefrist zu bilden.

Mit dem Investitionszuschuss in der Höhe von über 100 Millionen Schilling sollen auch die baulichen Voraussetzungen für die Wahrung und Sicherung einer auch zukünftigen langen Tradition geschaffen werden. Ich glaube, dass es so durchaus möglich ist, die entsprechenden Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Spanische Hofreitschule sich dem internationalen Wettbewerb stellen und marktorientiert sein kann.

Ich wurde als Pferdeexperte angesprochen – ich leite auch einen Betrieb mit zirka 200 Pferden – und möchte sagen, dass der Ausbau der Veranstaltungen meines Erachtens möglich sein wird. Dafür gibt es genügend Beispiele. Der Aufbau einer zweiten Truppe ist in dieser Zeit ohne Probleme zu schaffen, und ich glaube, dass es Aufgabe eines Tourismuslandes ist, dafür zu sorgen, dass bei 60 Auftritten im Jahr in Zukunft auch im Sommer Auftritte in Wien stattfinden. Mit einer zweiten Truppe wird das möglich sein, und die Spanische Hofreitschule wird dadurch noch mehr zum Weltruf der Pferde aus Österreich beitragen! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

1.56

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als letzter Redner dazu ist Herr Abgeordneter Pistotnig zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

1.56

Abgeordneter Jakob Pistotnig (Freiheitliche): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss sich wirklich fragen, warum zwischen einer Ausschuss- und einer Plenarsitzung ein so hoher Unterschied besteht, und man muss sich auch fragen, was die Kollegen eigentlich wollen und welche Gedanken sie verfolgen.

Im Ausschuss hat Kollege Pirklhuber von den Grünen gesagt, dass ihm der geringe Tierbestand der Spanischen Hofreitschule beziehungsweise des Gestüts Piber nicht passe. Er hat bemängelt, dass Strategien fehlen. Schließlich hat er die ineffiziente Führung kritisiert. Da hat er unter Umständen Recht.

Frau Sophie Bauer hat gesagt, dass ihr die seltene Anwesenheit des Direktors nicht passe. (Zwischenruf des Abg. Schwemlein. ) Es hat keine Postennachbesetzung gegeben, Herr Schwemlein!

Es trifft schon zu, dass jedes Jahr Verluste von 30 Millionen Schilling gemacht werden und es keine Privatinitiative und keine effiziente Leistung gibt. Im Hinblick darauf kann man zwar sagen: Der Steuerzahler wird das schon bezahlen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwemlein. )


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40. Sitzung / Seite 236

Aber, Herr Schwemlein, das ist nicht das, was wir wollen! Ich sage Ihnen jetzt, wie die Zukunft ausschauen wird! (Präsident Dr. Fasslabend übernimmt wieder den Vorsitz.)

Die Spanische Hofreitschule und das Gestüt Piber werden nicht verkauft, sondern werden ausgegliedert, damit es eben mehr Privatinitiative gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben wahrscheinlich übersehen, dass der Bund Alleingesellschafter bleibt und dass die Hoheit selbstverständlich beim zuständigen Minister bleiben wird. (Abg. Schwemlein: Wie lange?) Die Gesellschaft ist so wie bisher dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft unterstellt. Für die Geschäftsführung werden zwei Personen bestellt. Der Aufsichtsrat wird aus sechs Personen bestehen. (Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Es gibt Gott sei Dank auch noch ein ehrenamtliches Komitee. Meine Damen und Herren von den Sozialisten! Das wird in Zukunft die Führung sein.

Auch über die Finanzierung hat man sich Gedanken gemacht. Soforthilfe: 182 Millionen Schilling. Bis zum Jahre 2004 bekommt die Hofreitschule, um die Burg zu reparieren und die Gebäude instand zu setzen, 80 Millionen Schilling, und das Gestüt Piber bekommt 30 Millionen Schilling. Das ist gesichert. Damit muss dann aber auch Schluss sein.

Außerdem bekommt diese Gesellschaft auch noch ein Paket mit, und zwar Immobilien im Wert von 135 Millionen Schilling, nämlich wunderschönen Wald im Umfang von ungefähr 1 000 Hektar.

In Anbetracht dessen muss ich Ihnen ehrlich sagen: Wenn es den Geschäftsführern dann nicht gelingt, dort pari auszusteigen, dann melde ich mich als Geschäftsführer, denn das mache ich mit der linken Hand, das schwöre ich Ihnen! Ich kann mir nicht vorstellen, wovor Sie Angst haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit des Abg. Schwemlein. )

Das Ziel dieser Ausgliederung ist die Erhaltung der Reitkultur, die Sie sich so wünschen, Herr Kollege Pirklhuber! Das Ziel ist die Erhaltung der Qualität der Zucht, die Erhaltung von Gebäuden und vor allem die Erhaltung eines der größten Kulturgüter, die wir haben.

Meine Damen und Herren! Wie ernst Sie dieses Thema nehmen, erkenne ich daran, dass Herr Pirklhuber sich bereits Gedanken darüber macht, wo der Gewinn etwa hinkommen würde, obwohl von Gewinn noch gar nicht die Rede ist. Auf der anderen Seite sieht Herr Kollege Kummerer überhaupt nichts. Herr Kollege Kummerer, seien Sie froh, dass Sie kein Lipizzaner sind, weil blinde Pferde würde man dort ausmustern! Gott sei Dank sind Sie Abgeordneter und kein Lipizzaner!

Meine Damen und Herren! Die Spanische Hofreitschule und das Bundesgestüt Piber müssen es schaffen, ab 2004 mit dem Rückhalt von knapp 1 000 Hektar schönstem Wald, sich selbst zu erhalten und dem Steuerzahler nicht mehr zur Belastung zu werden. Wenn Sie das wollen, was Sie auch in der Ausschusssitzung gewollt haben, dann stimmen Sie bitte diesem Antrag zu. Oder Sie stimmen aus rein politischen Gründen, weil es momentan gerade modern ist, Opposition zu betreiben und gegen alles zu sein, wogegen man sein kann, dagegen. Das ist Ihre Entscheidung. Wenn Sie sich blamieren wollen, dann machen Sie es so. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

2.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 330 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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40. Sitzung / Seite 237

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle ebenfalls die Mehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

7. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Antrag 262/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen zur Förderung der Maschinenstickerei im Lande Vorarlberg getroffen werden (Stickereiförderungsgesetz), BGBl. Nr. 222/1956, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 187/1985, aufgehoben wird (332 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

2.02

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! (Zwischenrufe.) Halt mich nicht auf! Ich will es kurz und prägnant machen. – Dieses Gesetz war in einer bestimmten Zeit von großer Bedeutung für die Lohnsticker Vorarlbergs, hat in den achtziger Jahren insofern eine Bedeutung gehabt, als es einen großen Export vor allem in Richtung Nigeria gegeben hat. Aber – wie von den Antragstellern richtig festgestellt worden ist – hat sich dieses Gesetz überlebt. (Abg. Mag. Firlinger: Richtig!)

Es wurde auch festgestellt, dass die EU-Konformität nicht mehr gegeben ist, und da auch noch sichergestellt wird, dass die noch vorhandenen Fondsmittel den Betroffenen zur Verfügung gestellt werden, stimmen auch wir zu, dass dieses Gesetz aufgehoben wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

2.03

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schoettel-Delacher zu Wort gemeldet. – Bitte.

2.03

Abgeordnete lic.oec. HSG Irina Schoettel-Delacher (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ich finde es schön, dass ein Gesetz, das keine Berechtigung mehr hat, auch einmal abgeschafft wird, und nicht immer nur neue Gesetze gemacht werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bravorufe bei der ÖVP.)

2.04

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 332 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle – wenn niemand eingeschlafen ist (Heiterkeit)  – die Einstimmigkeit fest. Damit ist das Gesetz angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle neuerlich die Einstimmigkeit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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40. Sitzung / Seite 238

8. Punkt

Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Entschließungsantrag 195/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Preisauszeichnung (331 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

2.05

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir haben jetzt den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gabriela Moser und Genossen betreffend Preisauszeichnung zu diskutieren. Vorweg: Dem Anliegen ist vollinhaltlich zuzustimmen.

Ich möchte heute keine Grundsatzposition zur Preisauszeichnung in Österreich insgesamt abgeben. Diese Diskussion haben wir bei der Umsetzung der Preisangaben-Richtlinie geführt, und unsere Kritik ist hinlänglich bekannt. Es geht um ein besonderes Problem, nämlich die fehlenden Preisauszeichnungsbestimmungen für den Bereich der Dienstleistungen.

Ich komme noch einmal auf das Preisauszeichnungsgesetz zurück. Damit wurde einerseits positiv in den Geltungsbereich eingegriffen, weil im Vergleich zur alten Rechtslage der Anwendungsbereich erweitert wurde, andererseits wurde auch die Preisauszeichnungspflicht für Dienstleistungen, die der Gewerbeordnung unterliegen, aufrecht erhalten. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, war das einzig Positive.

Das österreichische Preisauszeichnungsrecht ist immer noch völlig zersplittert. Es gibt keine einheitlichen Regelungen, und die Konsumentinnen und Konsumenten haben dementsprechend Probleme. Ich möchte das anhand von einigen Beispielen darstellen.

Auf der einen Seite gibt es Ausnahmebestimmungen, die zum Beispiel besagen, dass das Preisauszeichnungsgesetz für Leistungen nicht gilt, wenn es eine Geltung in anderen Bundesgesetzen gibt.

Auf der anderen Seite sind Waren von der Preisauszeichnungspflicht ausgenommen, die im Rahmen einer Dienstleistung angeboten werden. Ich frage Sie: Warum muss ein Friseur, eine Friseurin, der/die Waren im Rahmen seiner/ihrer Leistung anbietet, diese nicht auszeichnen?

Zum Schluss komme ich zu einem großen Problem, nämlich dazu, dass jene Dienstleistungen vom Preisauszeichnungsgesetz nicht erfasst sind, deren Anbieten nicht der Gewerbeordnung unterliegt. Das betrifft beispielsweise die Garagenanbieter, das betrifft den Telekom-Bereich, das betrifft den Bankenbereich, und das betrifft auch – das ist für uns Konsumentenschützer ein besonderes Problem – den Bereich der sogenannten Wechselstuben.

Herr Wirtschaftsminister! Sie haben in der vorletzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses dieses von mir aufgezeigte Problem zur Kenntnis genommen. Auf meine beiden parlamentarischen Anfragen, die sehr konkret waren, weil die Debattenbeiträge im Parlament sehr lustig waren – der freiheitliche Abgeordnete Hofmann hat gemeint, der Herr Finanzminister würde eine Verordnung machen, während der ÖVP-Vertreter gemeint hat, das mache der Wirtschaftsminister –, haben Sie erklärt, dass Sie eine derartige Verordnung erlassen werden, die die Preisauszeichnung in Wechselstuben regelt – und dafür bin ich Ihnen dankbar.

Herr Bundesminister! Etwas möchte ich schon noch sagen: Mir ist das zu wenig. Was bringt die Preisauszeichnung allein, wenn beim Wechseln von 700 Dollar – ich bringe immer wieder dieses Beispiel (Abg. Dr. Puttinger: Immer das Gleiche!)  – 1 000 S an Gebühren verrechnet werden? Wir meinen, dass da – analog zu den Banken, die höchstens 2,5 oder 3,5 Prozent als Wechselgebühr verrechnen – eine Begrenzung stattzufinden hat.


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40. Sitzung / Seite 239

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Preisauszeichnungsgesetz könnte man noch sehr vieles sagen, insbesondere zur Frage des Vollzugs, nämlich wo und wie in den Bundesländern kontrolliert wird. Wir könnten außerdem auch über die zivilrechtlichen Folgen bei fehlerhaften und falschen Angaben in der Preisauszeichnung diskutieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

2.10

Präsident Dr. Werner Fasslabend:  Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

2.10

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): 20 Minuten über die Preisproblematik zu diskutieren ist, glaube ich, notwendig, weil es um ein sehr wichtiges Problem geht, wie das Kollege Maier angesprochen hat. Daher werde ich mich an dieses Zeitlimit halten.

Kollege Maier! Ich frage mich allerdings: Was hat die – ach so große! – Koalition in den letzten Jahrzehnten getan, wenn du jetzt – wenige Monate, nachdem diese Reformregierung im Amt ist – einmahnst, was du versäumt hast beziehungsweise ihr jahrzehntelang versäumt habt? Irgend etwas stimmt da nicht zusammen. Das vielleicht einmal zur politischen Glaubwürdigkeit.

Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen ist insofern obsolet, als im § 3 des Preisauszeichnungsgesetzes eine Verordnungsermächtigung für den Bundesminister festgehalten und ihm diese Ermächtigung vom Parlament gegeben wurde; diese Verordnung ist in Ausarbeitung. Darüber hinaus ist auch das Problem betreffend die Apotheken enthalten. Daher glaube ich, dass diese Fragen, die Kollege Maier aufgeworfen hat, in besten Händen sind, und wir auch sehr konsumentenfreundlich vorgehen.

Ich möchte nur eine kurze Anmerkung zu einem Bürokratiemonster machen, dem so genannten Euro-Währungsangabengesetz – auch ein unseliges Erbe der alten, ach so großen Koalition. Da prasselt ein Bürokratiemonster auf die Betriebe nieder, das nicht vollziehbar ist. Als einziges Land in der Europäischen Union haben wir den Bürgern diese Zangengeburt zugemutet, und wir werden daran arbeiten, diesen Nonsens nicht auf die Verbraucher und auf die Bürger niederprasseln zu lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Insgesamt aber sind wir in der Preisauszeichnung in Europa vorbildlich, und ich glaube daher, dass aus diesem Grund – und aus vielen anderen Gründen – dem grünen Antrag nicht zuzustimmen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Lichtenberger: Herr Haigermoser! Sie sind für mich eine Enttäuschung gewesen!)

2.12

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

2.13

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wie mir meine Kollegin Lichtenberger berichtete, waren im Ausschuss eigentlich alle Anwesenden einer Meinung, dass es notwendig sei, auch die Dienstleistungen mit Preisen auszuzeichnen.

Mich wundert nur, dass im Plenum die Zustimmung fehlt. Ich rede nicht lange herum. Es ist ein Konsens unter Ihnen, dass die Dienstleistungen preisausgezeichnet werden sollen. Ich verstehe nicht, warum nicht jetzt, hier und heute. Es ist eine Notwendigkeit. – Damit schließe ich, um Sie nicht länger zu strapazieren. (Beifall bei den Grünen.)

2.13

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. – Bitte.

2.13

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Kollegin Moser! Ich bin froh, dass Sie herausgegangen sind und hier festgestellt


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40. Sitzung / Seite 240

haben, dass es für Leistungen keine Auszeichnungspflicht gibt. (Abg. Dr. Lichtenberger: Das hat sie nicht gesagt!)

Ich muss Sie berichtigen, denn Sie sind anscheinend überhaupt nicht am Laufenden, was in der Preisauszeichnung passiert. So wie Ihr Antrag ausschaut, haben Sie sich jetzt auch benommen.

Sie wissen, dass Ihr Antrag 195/A betreffend Preisauszeichnung im Prinzip von allen hier anwesenden Parteien unterstützt wird, aber wir alle sind als Konsumentenschützer hier; wir sind dazu da, die Konsumenten zu schützen. (Abg. Dr. Lichtenberger: Super!) Aber wenn Sie hier behaupten, dass wir keine Auszeichnungen für Leistungen hätten, dann muss ich Ihnen entgegenhalten, dass das nicht stimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie wissen ganz genau, dass im Jahre 1992 das Preisgesetz in das Preisauszeichnungsgesetz abgeändert worden ist. In Ihrem Antrag sprechen Sie immer noch vom Preisgesetz, Ihr Antrag beruft sich noch auf das Preisgesetz, obwohl Sie das Preisauszeichnungsgesetz meinen. Liebe Frau Moser, so geht das nicht!

Sie wissen, dass das Preisauszeichnungsgesetz, das wir schon seit dem Jahr 1992 haben, zwischen Sachgütern und Dienstleistungen unterscheidet. (Abg. Haigermoser: Genau so ist es!) Die Sachgüter haben wir ja auch eindeutig geregelt, dazu gibt es auch eine Novellierung, die erst seit September Gültigkeit hat – am 1. September des Jahres 2000 ist die Novellierung in Kraft getreten.

Außerdem sind dort die Dienstleistungen geregelt. Liebe Frau Moser, darf ich sie Ihnen vorlesen: 59 Dienstleistungen sind aufgezählt in dieser Verordnung, die Sie gar nicht kennen, denn Sie fordern, dass die Dienstleistungen endlich einmal berücksichtigt werden sollen.

Liebe Frau Moser! Es tut mir Leid, aber neben all diesen Dingen muss ich Ihnen schon sagen: Es ist nicht möglich, Anträge zu stellen, die sich bereits überholt haben beziehungsweise die auch durch eine Neuverordnung des Ministers in den nächsten Wochen überholt sein werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine Bemerkung noch zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Maier: Wenn Sie glauben, dass es eine Zersplitterung ist, auf Gebieten wie der Luftfahrt Preisauszeichnungen nicht in einem eigenen Gesetz, sondern im Luftfahrtsgesetz zu regeln beziehungsweise die Preisauszeichnung im Telekommunikationsgesetz festzuhalten, dann darf ich Ihnen sagen: Das ist keine Zersplitterung, sondern es ist eine Klarheit, womit man dem Konsumenten sagen kann, was besser, was richtiger ist.

In diesem Sinne können wir natürlich diesem Antrag, den Sie gestellt haben, nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

2.15

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Als nächster Redner ist Herr Bundesminister Dr. Bartenstein zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Nicht lange, bitte!)

2.15

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich schließe mich den Äußerungen des Abgeordneten Puttinger an, der schon darauf hingewiesen hat, dass einerseits eine Novelle zum Preisauszeichnungsgesetz seit kurzem in Kraft getreten ist und dass es andererseits keinesfalls so ist, dass Dienstleistungen im Gesamten durch das Preisauszeichnungsgesetz nicht erfasst werden.

Ich bin allerdings der Meinung des Herrn Abgeordneten Maier, der die Vorgänge im Bereich der Wechselstuben kritisiert und meint, dass da eine Preisauszeichnung zweckmäßig wäre, weil auch ich eine ähnliche Erfahrung mit geradezu absurden Aufschlägen für Umwechslungen von Dollar in Schilling gemacht habe. Ich habe Ihnen schon im Ausschuss mitgeteilt, dass diesbezüglich noch im Oktober dieses Jahres ein Verordnungsentwurf in Begutachtung gehen


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40. Sitzung / Seite 241

wird, der eine Preisauszeichnungspflicht für Wechselstuben vorsehen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

2.17

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Wirtschaftsausschusses, seinen Bericht 331 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu Ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

9. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (199 der Beilagen): Übereinkommen über den unerlaubten Verkehr auf See zur Durchführung des Artikels 17 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anhang und Erklärungen der Republik Österreich (303 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (200 der Beilagen): Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbestände samt Anlagen (304 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (201 der Beilagen): Kündigung des Übereinkommens vom 5. Juli 1980 betreffend die Veröffentlichung der Zolltarife und die Organisation einer Internationalen Vereinigung zur Veröffentlichung der Zolltarife samt seinem Durchführungsregulativ (305 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (203 der Beilagen): Europäisches Übereinkommen über die an Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte teilnehmenden Personen (306 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über die Regierungsvorlage (267 der Beilagen): Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (307 der Beilagen)

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen in die Debatte ein. Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Abgeordnete Mag. Luna-cek. – Bitte.

2.18

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Zu dieser späten beziehungsweise frühen Stunde noch einige außenpolitischen Punkte. Leider ist


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40. Sitzung / Seite 242

die Frau Außenministerin nicht selbst da, denn es gäbe ja durchaus einige spannende Themen im Rahmen dieser Debatte zu diskutieren, aber da sie nicht da ist, werde auch ich mich auf einen dieser hier zur Debatte stehenden Punkte beschränken, nämlich auf den Punkt 10: Übereinkommen zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens über die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weit wandernder Fischbestände samt Anlagen.

Natürlich könnten wir uns fragen, wozu wir das denn überhaupt beschließen sollen, wo wir schließlich kein Meer um Österreich herum haben, aber es ist natürlich so, dass internationale Abkommen von allen Ländern ratifiziert werden sollen. Außerdem hat diese internationale Debatte um die Fischbestände und die Frage der Überfischung der Bestände natürlich auch mit unserem Konsum zu tun und mit der Tatsache, dass wir zu jenen Ländern gehören, in denen in den letzten Jahren immer mehr Fisch konsumiert worden ist. Daraus ergibt sich eine bestimmte Verantwortung, wie wir uns in diesem Bereich zu verhalten haben.

Wichtig ist diese Durchführungsbestimmung und dass Österreich zustimmt und sie ratifiziert auch deswegen – auch wir Grüne werden daher diesem Punkt zustimmen –, weil es damit endlich ein Mittel gibt, von Seiten der internationalen Organisationen auch gegenüber der EU kräftiger aufzutreten, denn gerade einzelne EU-Länder sind es, die Raubbau betreiben. Spanien ist da eines der wichtigsten Länder. Das betrifft vor allem auch Länder Afrikas, vor deren Küsten die Fischbestände bereits so weit abgefischt worden sind beziehungsweise von EU-Mitgliedsländern – dazu gehören auch Schiffe, die unter deren Flagge fahren – immer noch abgefischt werden, dass die einheimische Bevölkerung kaum mehr eine Chance hat, die Fische für den Eigenbedarf oder eventuell zur Verarbeitung zu fischen.

In diesem Übereinkommen sind erstmals auch Leitlinien enthalten, wie so etwas wie eine nachhaltige Befischung stattfinden kann, wie Vorsorge getroffen werden kann, dass die Fischbestände erhalten bleiben und dass auch jene Fische, die weit wandern, in diesem Prozess nicht behindert werden und nicht überfischt beziehungsweise abgefischt werden dürfen.

Wichtig ist außerdem, dass in diesem Übereinkommen enthalten ist, dass Entwicklungsländern nicht unverhältnismäßig hohe Lasten aufgebürdet werden, damit sie nicht noch mehr, als es schon geschieht, zur Kasse gebeten werden und damit sie nicht für die eigene Bevölkerung viel zu wenig Fischbestand haben.

Natürlich ist dieses Übereinkommen noch lange nicht genug. Es gäbe noch viel mehr Dinge zu tun. Einige der Punkte, die zum Beispiel auch von Greenpeace gefordert werden, wären etwa, dass die weltweit industrielle Fangflotte innerhalb der nächsten fünf Jahre um die Hälfte reduziert werden sollte, dass die Regierungen ihre Subventionen für industrielle Schiffe und Flotten einstellen sollten, dass das Ausflaggen unter Billigflaggen gerade für die Befischung abgeschafft werden soll.

Es gibt noch mehr Aspekte, die einer internationalen Regelung bedürfen. Dennoch ist dieses Übereinkommen ein erster Schritt, und aus diesem Grund stimmen wir auch zu.

Wir stimmen auch den Übereinkommen in den Tagesordnungspunkten 11, 12 und 13 zu. Warum wir dem Übereinkommen im Tagesordnungspunkt 9 nicht zustimmen werden, wird Ihnen mein Kollege Dieter Brosz später erklären. (Beifall bei den Grünen.)

2.23

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

2.23

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! ich möchte meinen Beitrag zum Übereinkommen über den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften auf See nutzen, um auf die innenpolitische Diskussion hinzuweisen, die wir in diesem Bereiche zu führen haben werden beziehungsweise bereits führen.


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40. Sitzung / Seite 243

Lassen Sie es mich ganz kurz zusammenfassen: Wenn die Vorstellungen, die diese Bundesregierung in der Öffentlichkeit geäußert hat, sich bewahrheiten, kommt es in Österreich zu einer verstärkten Kriminalisierung und zu mehr Festnahmen.

Bereits mit Amtsantritt begann in der Drogenpolitik eine Trendwende zurück zu Strategien (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), die bereits vorher, Kollege Schweitzer, erfolglos waren. Ich erinnere mich nur an die Schladminger Gespräche, an die Drogenklausur der FPÖ-Landesorganisationen, wo man so absurde Vorstellungen gehört hat wie Drogentests für Lehrer oder Kindergärtnerinnen.

Ich persönlich glaube – und das ergibt sich jetzt aus den bisherigen Diskussionen in der Enquete-Kommission –, dass weiterhin ein gesundheitspolitischer Weg beschritten werden muss und Strafen zunehmend eingeschränkt werden sollten. Diese Bundesregierung hat vor, die Suchtgiftgrenzmengenverordnung zu ändern. Die Grenzmenge für Heroin soll von fünf auf drei Gramm reduziert werden. Weiters ist eine Änderung des Suchtmittelgesetzes geplant.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie das realisieren, dann wird das eintreten, was alle Experten bestätigen: In Österreich wird mehr eingesperrt und mehr Menschen werden kriminalisiert werden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Herr Bundesminister! Ich spreche zu dieser Sache, weil sie zu diesem Thema gehört. Es geht schlichtweg um die Frage, in welche Richtung die österreichische und die internationale Drogenpolitik gehen. Ich möchte Ihnen aus der Enquete-Kommission zum Thema "Die Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich, ihre Angemessenheit, ihre Effizienz, ihre Ausgewogenheit" zitieren, in der die namhaftesten Experten Österreichs diese Gesetzesänderung, wie Sie sie planen, abgelehnt haben, und zwar nachdrücklich.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Maier, Wurm und Genossen betreffend die Nichtnovellierung der Suchtgift-Grenzmengenverordnung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen wird aufgefordert, entsprechend der fast einheitlichen Auffassung des Strafrechtsexperten der Enquete-Kommission "Die Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich, ihre Angemessenheit, ihre Effizienz, ihre Ausgewogenheit" die Suchtgift-Grenzmengenverordnung nicht zu ändern und aus sachlichen und gesundheitspolitischen Gründen die bestehende Grenzmenge beizubehalten.

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich festhalten, dass aus unserer Sicht die Präventionsmaßnahmen verstärkt und finanziell abgesichert werden und Strafdrohungen gegenüber suchtgiftkranken Personen zugunsten gesundheitspolitischer Maßnahmen reduziert werden müssen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)


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40. Sitzung / Seite 244

2.28

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben vorgebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, handelt zwar nicht vom Verkehr zur See, aber hat einen sachlichen Zusammenhang und steht damit mit zur Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte.

2.28

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist das erste Mal, dass eine außenpolitische Debatte in eine Drogendebatte umgewandelt wird, und zwar vom Herrn Kollegen Maier und anschließend vom Herrn Kollegen Brosz, der, wie ich erfahren habe, auch einen Entschließungsantrag zur Freigabe von Cannabis einbringen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt handelt es sich um eine Erschwerung des unerlaubten Verkehrs mit psychotropen Substanzen und Drogen auf hoher See. Herr Kollege Brosz hat schon gewusst, dass es sich um Drogen und um nichts anderes handelt. Daher glaube ich, dass man dann dem ohne weiteres zustimmen muss, denn alles, was Drogenschmuggel, Drogenverkehr auf hoher See oder auch sonst irgendwo behindert beziehungsweise erschwert, ist zu befürworten. Alles, was zu einer Vereinfachung des Drogenbezuges und des Drogenhandels führt, ist abzulehnen.

Daher sind wir Freiheitlichen nach wie vor und gerade jetzt der Meinung, dass die Grenzmengenverordnung geändert werden muss, dass die Grenzmenge von Heroin deutlich, von derzeit fünf auf drei Gramm, gesenkt werden muss und dass der Schritt, den die Sozialistische Jugend geht und den Kollege Maier hier im Hohes Haus nachzuvollziehen versucht, abzulehnen ist. Dieser Schritt sieht folgendermaßen aus: Die gesamte sozialistische Fraktion bemüht sich um die Jugend, die für die Drogenfreigabe ist; dabei handelt es sich offensichtlich nur um die bereits süchtigen, drogenabhängigen Kinder und Jugendlichen.

Da glaube ich, dass wir diesen Weg nicht mit vollziehen können. Sie geiern um die Wählerstimmen mit den Grünen, und die Grünen sind Ihnen einen Schritt voraus. Der Ablehnungsgrund der Grünen ist nämlich der: Sie wollen diesen Schritt gegen den unerlaubten Verkehr auf hoher See ablehnen, weil damit der Haschischschmuggel und der Schmuggel mit anderen psychotropen Substanzen erschwert wird. Meine Damen und Herren, das ist schlicht abzulehnen!

Aber Sie buhlen hier um dieselbe Wählerschicht, die – wie die Sozialistische Jugend – eine Entkriminalisierung bei allen illegalen Drogen will. Den besten Weg, die beste Plattform dafür bietet Ihnen der Kollege Maier aus Salzburg. Sagen Sie das allen Salzburgerinnen und Salzburgern, was Sie mit Ihrer sozialdemokratischen Fraktion hier vorhaben! Sie überbieten hier sogar die Fraktion der Grünen in der Drogenlegalisierung und -liberalisierung. Diesen Schritt werden die Regierungsparteien sicher nicht mitgehen!

Heute ist die Tagesordnung etwas kürzer, weil ein Punkt nicht draufgekommen ist, nämlich jener, in dem es darum gegangen ist, das Amtssitzabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu behandeln. Dieser Tagesordnungspunkt wurde vertagt, denn wir wollen von der Leiterin dieser Beobachtungsstelle, die uns ja mit ihrem Sitz in Österreich beehrt, Auskunft bekommen. Wir sind alle froh darüber, aber sie kontrolliert nur Österreich und hat uns bis dato keinen einzigen Bericht über ihre Beobachtungen in benachbarten Staaten der Europäischen Union vorgelegt. Bundesrepublik Deutschland: Rassismus kommt dort vor, hört man von den Medien, Fremdenfeindlichkeit ebenso. Detto in Frankreich. Oder Belgien: Ein Wahlergebnis des Vlaams Bloks, das der Europäischen Union sehr viel Sorge bereitet hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir freuen uns schon darauf, wenn Frau Kollegin Dr. Winkler – Herr Kollege Spindelegger, wir freuen uns gemeinsam darauf – uns Bericht erstattet; freiwillig. Sie ist in den Ausschuss eingeladen, um uns Bericht zu erstatten über die Ergebnisse der Beobachtungen über Fremdenhass und Rassismus in anderen europäischen Ländern. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

2.32

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

2.32

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kollege Pumberger hat mich ja schon angekündigt, zwar von der Argumentation her unrichtig, aber von der Intention her im Wesentlichen nicht unrichtig. Ich möchte zunächst doch noch auf


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40. Sitzung / Seite 245

das zurückkommen, was Kollege Maier eingebracht hat. Ganz war es für mich da nicht schlüssig, wieso Sie zuerst gemeint haben, die Grünen seien einen Schritt voraus, und dann wieder gemeint haben, die SPÖ übertreffe die Grünen in der Drogenfreigabe. Das war ein gewisser Widerspruch, aber das werden Sie wahrscheinlich noch einmal aufklären können. (Abg. Dr. Pumberger: Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen!)

Die Frage der Grenzmengenverordnung bei Heroin ist wirklich eine äußerst interessante, schon wenn man sich nur anschaut, welche Stellungnahmen der Bundesländer es dazu gibt. Die wahrscheinlich speziell den Kollegen von der ÖVP bekannten Bundesländer – hinsichtlich ihrer politischen Führer, im Sinne der Landeshauptleute – Steiermark, Niederösterreich und Vorarlberg haben sich strikt und vehement gegen diese Änderungen in der Grenzmengenverordnung ausgesprochen. Es gibt kein einziges Bundesland – kein einziges Bundesland! –, das klar gesagt hat, es stehe hinter dieser Veränderung.

Daher finde ich das dauernde Berufen auf Expertenmeinungen recht amüsant, wenn man sich anschaut, was geschieht, wenn die Experten der Länder Stellung nehmen: Das hat auf Ihre Vorhaben offenbar keinerlei Auswirkungen. Darüber kann man im Hauptausschuss sicherlich noch diskutieren, dort werden Sie wahrscheinlich auch die Gelegenheit haben, zu den Stellungnahmen der Länder selbst etwas zu sagen.

Auch im zweiten Punkt haben Sie Recht. Ich würde Sie nur eines gerne fragen; danach habe ich auch schon im Ausschuss gefragt, habe aber keine Antwort bekommen. Es ist ein Folgeabkommen, worüber hier abgestimmt wird. Über das Abkommen über den Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen wurde bereits 1997 abgestimmt, und damals waren die Freiheitlichen gegen dieses Abkommen. Was sich jetzt in der Drogenpolitik der Freiheitlichen geändert hat oder warum Sie damals dagegen waren, haben Sie hier auch nicht erläutert. (Abg. Dr. Pumberger: ... kontrolliert!) Das wurde schon im Ausschuss gefragt, es kam keine Antwort.

Sie haben gesagt, unsere Intention sei es, dem nicht zuzustimmen, und das ist richtig. Wir stehen mit unserer Meinung im Gegensatz zu Herrn Staatssekretär Waneck, der mehrmals gesagt hat, dass man zwischen Drogen nicht differenzieren kann; Droge ist Droge, alles ist gleich gefährlich.– Ich finde, das ist eine äußerst verantwortungslose Politik, vor allem wenn man sich anschaut, wie die Konsumenten das aufnehmen könnten. (Abg. Haigermoser: Von "Konsumenten" ...!) Wenn Sie jemandem sagen: Es ist egal, ob Sie Cannabis oder Heroin konsumieren!, dann, denke ich mir, liegt die Verantwortungslosigkeit wohl eher auf Ihrer Seite als auf der Seite der Opposition. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Martin Graf: Welche Droge ist ungefährlich?)

Sie haben wieder einmal nicht zugehört, Kollege Graf! Ich habe nicht gesagt, dass Drogen ungefährlich sind. Wenn man das allerdings ernst nimmt, dann kann man wohl auch schwer zwischen illegalen und legalen Drogen unterscheiden, weil Sie mir wahrscheinlich darin zustimmen werden, dass auch Alkohol und Nikotin – jawohl! – nicht ungefährlich sind, die man ja herkömmlich zumindest bei ExpertInnen auch als Drogen bezeichnet und wo man nur zwischen legalen und illegalen Drogen unterscheidet.

Aber Cannabis ist für uns de facto eine Droge, die erstens von der Quantität her einen ganz wesentlichen Raum einnimmt. Ungefähr 70 Prozent der gesamten – unter Anführungszeichen – "Suchtgift-Kriminalität" – jetzt kriminalisiert – beziehen sich auf Cannabis. Cannabis ist einfach ein Mittel, eine Substanz, die man hinsichtlich der Gefährlichkeit – jetzt sage ich es einmal vorsichtig – sicherlich nicht über Alkohol und Nikotin einschätzen kann. (Abg. Großruck: Wie wirkt denn das, Herr Brosz?) Viele Experten sind der Meinung: Hinsichtlich des Suchtpotentials, des Gefährdungspotentials ist Cannabis wesentlich anders zu behandeln, nämlich im Sinn von weniger Gefahr, als legale Drogen. (Abg. Großruck: Können Sie uns erklären, wie Cannabis wirkt?)

Daher sind wir der Meinung, man muss es anders behandeln. Daher sind wir der Meinung, dieses Abkommen, das nicht differenziert, kann so nicht dargestellt werden. Wenn man nämlich meint – und das sagen wir –, dass es eine andere Form, einen legalen Konsum von Cannabis


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40. Sitzung / Seite 246

geben soll, dann muss man sich auch überlegen, wie die Konsumenten zu Cannabis kommen. Man kann ja nicht so tun, als ob das vom Himmel fiele. Und die logische Folge daraus ist, diesem Abkommen nicht zuzustimmen.

Ich möchte aber auf die internationale Entwicklung verweisen, die ja momentan einige Ansatzpunkte geben würde; ich denke nur an Portugal und an die Schweiz. Wer gestern den "Report" gesehen hat, weiß auch, welche Maßnahmen in der Schweiz gesetzt werden. Das ist übrigens auch nicht unbedingt ein Land, dessen Fortschrittlichkeit normalerweise in ganz Europa bekannt ist. Aber dort hat man sich zu einer rationalen Drogenpolitik bekannt und macht eine Politik, die sich an den Bedürfnissen und an den Folgen orientiert. Wenn man sieht, dass in Zürich die Szene durch eine vernünftige Politik quasi verschwunden ist, dann wäre es wohl auch in Österreich sinnvoll, endlich von der Drogenhysterie der FPÖ wegzukommen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte daher folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde betreffend "Ermöglichung des Konsums von Cannabis nach Schweizer Vorbild"

Der Nationalrat hat beschlossen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, nach dem Schweizer Vorbild Maßnahmen zu setzen, die den Konsum von Cannabis ohne Strafverfolgung ermöglichen, und damit der von ExpertInnen geforderten Differenzierung zwischen Drogen unterschiedlichen Gefährdungs- und Suchtpotentials nachzukommen.

*****

Danke. (Beifall bei den Grünen.)

2.38

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Dieser Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Großruck. – Bitte. (Abg. Dr. Khol: Jetzt gib dir einen Ruck! – Abg. Schwarzenberger: Einen großen!)

2.38

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist schon eigenartig, dass die Grünen und auch Teile der SPÖ zu einer an und für sich fast nicht diskutierbaren Regierungsvorlage – weil sie so selbstverständlich ist – jetzt eine Drogendiskussion vom Zaun brechen wollen. Was wir heute beschließen sollen, ist ein Übereinkommen über den unerlaubten Verkehr auf See – das hat nichts mit § 209 zu tun – zur Durchführung des Artikels 17 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen samt Anhang und Erklärung der Republik Österreich.

Herr Brosz und meine Damen und Herren von den Grünen! Entweder haben Sie sich dieses Übereinkommen nicht durchgelesen, oder Sie gehen nur von der Überschrift aus. Wissen Sie, was da drinsteht? – Deutsch gesagt: dass es ermöglicht werden soll, auf Verdacht einen Heroinlieferanten oder ein Drogenschiff außerhalb des Hoheitsgewässers aufzubringen. Darum geht es! Da steht nichts drin von weichen Drogen, von harten Drogen, und Sie stimmen dagegen, meine Damen und Herren – und Sie haben heute den Antrag eingebracht –, weil Sie hier auf schleichenden Pfaden in Österreich die Freigabe eines Rauschmittels einführen wollen.


Nationalrat, XXI.GP
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40. Sitzung / Seite 247

Meine Damen und Herren! Ich habe dafür überhaupt kein Verständnis. Ich meine, es ist Ihre Verantwortung und Ihre Argumentation, wenn Sie hier dagegen stimmen wollen, aber das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Jetzt sind Sie dagegen, dass Drogenschiffe auf hoher See aufgebracht werden – ein Übereinkommen der Vereinten Nationen. Bitte, das muss man einmal auf der Zunge zergehen lassen!

Zu Ihrem Antrag, Herr Brosz: Sie wissen ganz genau, wenn Sie hier dagegen stimmen, dann kann man umgekehrt implizieren, dass Sie auch dafür sind, dass harte Drogen transportiert werden, nicht nur Cannabis, nicht nur Haschisch, sondern Opiate, Heroin oder auch Kokain. Das lässt den Umkehrschluss zu! Sie müssen es dann verantworten, wenn mit diesen von Ihnen zur Erlaubnis freigegebenen Suchtmitteln auch die harten Drogen kommen. Dann werden Sie schon gefragt werden, wie Sie es verantworten können, dass unsere Jugend mit diesen Mitteln überrannt wird, dass Jugendliche abhängig gemacht werden und dass Jugendliche auch zu Tode kommen.

Auf der einen Seite wollen Sie die Jugend schützen, auf der anderen Seite wollen Sie ihr genau jene Instrumentarien in die Hand geben, die das Gegenteil bewirken. Es ist ja eine Tatsache, dass es nicht bei den leichten Drogen bleibt – dafür gibt es genügend Beispiele –, sondern dass das nur Einstiegsdrogen für härtere Drogen sind. Es gibt genügend Erfahrungen, auch in der Schweiz, wo man wieder restriktiv wird, oder beispielsweise auch in Holland, wo man die Erfahrung gemacht hat, dass zu den so genannten weichen Drogen, die in den Coffee-Shops abgegeben worden sind, die Dealer natürlich auch die harten Drogen mit verkauft und damit die Menschen abhängig gemacht haben.

Das wollen Sie in Österreich?! – Wir, meine Damen und Herren, wollen das nicht! Deshalb werden wir diesen Entschließungsantrag natürlich ablehnen, aber den anderen Punkten, die auf dieser Tagesordnung stehen, freudig und frohen Herzens auch zu dieser Morgenzeit zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

2.41


Nationalrat, XXI.GP
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40. Sitzung / Seite 248

Präsident Dr. Werner Fasslabend:
Nächster Redner: Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

2.42

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Frau Abgeordnete Lunacek! Ich darf Sie darüber informieren, dass ich deswegen die Ehre habe, die Frau Außenministerin zu vertreten, weil sie in Taschkent beziehungsweise Usbekistan die Interessen Österreichs vertritt und nicht hier sein kann.

Zum Zweiten möchte ich insbesondere die grüne Fraktion nochmals eindringlich auffordern, sich zu überlegen, ob sie diesem Übereinkommen nicht doch die Zustimmung geben kann im Hinblick auf den Inhalt, den Herr Abgeordneter Großruck noch einmal dargestellt hat. Ich hielte es für sehr befremdlich, wenn eine Fraktion des Hohen Hauses diesem Übereinkommen nicht beiträte.

Zum Dritten darf ich im Hinblick auf die geführte Debatte auch aus Sicht der Regierung klarstellen, dass eine Liberalisierung weicher Drogen wie Cannabis für die Bundesregierung ganz sicher nicht in Frage kommt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das hat einen sehr einfachen Grund. Es mögen medizinische und sonstige Wissenschafter darstellen können, dass das theoretische Suchtpotential von Cannabis und anderem durchaus mit Alkohol vergleichbar ist, aber es ist eine Tatsache, dass Cannabis in so gut wie allen Fällen für Heroin und härtere Drogen die Einstiegsdroge ist. Deswegen wollen wir nicht, dass weiche Drogen legalisiert werden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

2.43

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Frau Abgeordnete Mag. Lunacek hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

2.43

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Wir werden diesem Abkommen nicht zustimmen. (Ah-Rufe bei der ÖVP.) Um es vielleicht noch einmal deutlich zu sagen (Abg. Dr. Stummvoll: Das genügt schon!): Es ist notwendig, dass auch in internationalen Übereinkommen eine Differenzierung stattfindet, damit eben für eine andere Drogenpolitik, wie wir sie uns vorstellen und wie sie in anderen Ländern – wie schon gesagt wurde, zum Beispiel in der Schweiz – praktiziert worden ist, auch ein Weg bereitet wird.

Auch bei internationalen Übereinkommen ist es möglich, so zu differenzieren. Es ist leider in diesem Fall nicht geschehen. (Abg. Amon: Wie wissen Sie, was in dem Schiff drinnen ist?) Wenn Herr Kollege Großruck daraus schließt, dass wir auch dafür sind, dass die harten Drogen sehr wohl transportiert werden dürfen – diesen Fehlschluss machen wir nicht. (Abg. Großruck: So ist es! Wenn Sie gegen den Antrag stimmen, sind Sie dafür!) Wir wollen eine Differenzierung, und weil diese Differenzierung hier nicht gegeben ist, stimmen wir nicht zu.

Aber ich habe mich vor allem wegen einer Anmerkung zu Wort gemeldet, die Herr Pumberger vorhin gemacht hat bezüglich dessen, was ich schon am Vormittag aus dem letzten Außenpolitischen Ausschuss erwähnt habe.

Ich möchte noch einmal klarstellen, dass auch wir nicht gegen eine Einladung der Frau Winkler in den Außenpolitischen Ausschuss waren, damit es dort zu einem Gespräch mit ihr kommt und damit sie über ihre Arbeit im Rahmen der Beobachtungsstelle berichtet. Dagegen sind wir überhaupt nicht! Wogegen wir waren – und Sie haben jetzt wieder versucht, das sozusagen in einen Topf zu werfen, in dem Sinn: Na ja, der Dialog mit ihr muss sein!; gegen den hat ja niemand etwas! –, wogegen wir etwas haben, ist, dass hier quasi ein Junktim aufgebaut wird, dass nämlich gesagt wird: Dem Amtssitzabkommen werden wir schon zustimmen, aber das müssen wir jetzt vertagen, zuerst wollen wir einmal mit Frau Winkler sprechen.

Es wäre Ihnen unbenommen gewesen, diesem Amtssitzübereinkommen im letzten Außenpolitischen Ausschuss einfach zuzustimmen und Frau Winkler für die nächste Sitzung einzuladen. Aber so, wie es jetzt geschehen ist, ist das ein fatales Signal gegenüber der internationalen Gemeinschaft, wie Österreich gedenkt, mit internationalen Organisationen in Zukunft umzugehen: Nur dann, wenn sie genehme Aussagen tätigen, werden auch die Amtssitzübereinkommen gestattet und beschlossen. So sieht das nämlich aus!

Es ist auch ein Signal, das nur wieder das bestätigt, was auch im Bericht der "drei Weisen" steht: dass vor allem die Freiheitliche Partei ein – um es einmal so zu sagen – etwas eigenartiges Verhältnis dazu hat, wie Menschenrechte in Österreich behandelt werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Khol: Steht nicht drin!)

2.46

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Heinzl ist der nächste Redner. (Abg. Dr. Khol  – in Richtung der Abg. Mag. Lunacek –: Auch diese Stelle kann sich an die Grundregeln der Diplomatie halten und an die guten Manieren!)

2.46

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Voraussetzungen für eine praktische Zusammenarbeit zur Bekämpfung des unerlaubten Verkehrs mit Suchtgiften auf See zu schaffen und dafür konkrete völkerrechtliche Rahmenbedingungen vorzugeben, das ist unser gemeinsames Ziel. Selbstverständlich wird die sozialdemokratische Fraktion diesem vorliegenden Übereinkommen zustimmen. Mit diesem Übereinkommen ist es aber sicher nicht getan. Die Politik ist in den kommenden Jahren weiter gefordert, den Kampf gegen Drogen zu verstärken, effizienter und vor allem schlagkräftiger zu machen.


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40. Sitzung / Seite 249

Der Konsum von Drogen, insbesondere synthetischen Drogen und Kokain, ist, wie wir wissen, in Europa nach wie vor stark im Ansteigen begriffen. Weltweit sind mehr als 200 Millionen Menschen drogenabhängig. Es sind deshalb Überlegungen notwendig, wie internationale Maßnahmen zur Bekämpfung der Drogenproduktion, des Drogenhandels und der damit in Zusammenhang stehenden Kriminalität verstärkt werden können.

Drogenpolitik darf nicht an den Toren von Gefängnissen enden und als Steigerung von Strafandrohungen verstanden werden. Viel wichtiger ist es, ein abgestimmtes Miteinander von Maßnahmen der Aufklärung, der Prävention und der Verfolgung von Drogenkonsum und Drogenkriminalität zu finden, wobei hinsichtlich der jugendlichen Drogenkonsumenten der Schwerpunkt sicherlich bei Hilfestellung, Aufklärung und familienunterstützenden Maßnahmen liegen muss.

Sehr geehrte Damen und Herren! Strafen für Konsumenten sind für mich keine alleinige Antwort. Gefragt ist meiner Ansicht nach vielmehr eine stärkere Beschäftigung der Drogenpolitik mit den Einstiegsmechanismen des Drogenkonsums. Weiters ist nicht nur die Bestrafung der Konsumenten, sondern die Forcierung von Information und Aufklärung notwendig. Besonders wichtig sind auch Vorbeugungsprojekte im direkten Lebensbereich der Jugendlichen: der Schule, dem Freundeskreis, dem Jugendzentrum, der Familie und so weiter.

Ein weiterer Umstand, dem noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird, ist der Ursprung des Drogenhandels, die Armut in der Dritten, wohl auch in der Vierten Welt. In den drei Ländern Kolumbien, Bolivien und Peru sind etwa 480 000 Menschen vom Kokain-Anbau abhängig. Es ist die Armut, sehr geehrte Damen und Herren, die sie zu den illegalen Auspflanzungen treibt. Es ist die Angst um die Existenz ihrer Familien, die sie in die Hände international agierender Drogensyndikate treibt. Ich bin deshalb der festen Überzeugung: Bekommen wir die Armut in diesen Staaten in den Griff (demonstrativer Beifall des Abg. Zweytick ), so bekommen wir auch den illegalen Anbau von Drogen in den Griff.

Ein weiteres Problem vor allem der westlichen Industriestaaten sind die gewaltigen Steige-rungen beim Missbrauch synthetischer Drogen. Synthetische Drogen, vor allem künstlich hergestellte Aufputschmittel wie Ecstasy, haben gute Chancen, die Droge des 21. Jahrhunderts zu werden. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Die synthetisch hergestellten Muntermacher erwiesen sich in den neunziger Jahren als hauptsächlicher Wachstumsfaktor im internationalen Drogenmarkt. Blieben die beschlagnahmten Mengen von Heroin und Kokain im Laufe der vergangenen Jahrzehnte mit Steigerungsraten unter 50 Prozent verhältnismäßig stabil (demonstrativer Beifall bei der ÖVP), so vervierfachten sich die beschlagnahmten Mengen im einschlägigen Milieu als die schnellen bekannten Substanzen im gleichen Zeitraum. Weltweit, sehr geehrte Damen und Herren, wurden 1998 mehr als 12 Tonnen beschlagnahmt. (Beifall bei der SPÖ, den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn wir heute einen gemeinsamen Schritt zur Verbesserung der Verfolgung von Drogenschmuggel und Drogenkriminalität setzen, so können wir uns damit nicht zufrieden geben. Wir müssen weiterarbeiten und alles daransetzen (Abg. Dr. Khol: Heinzl! Zeit!), nicht immer einen Schritt hinter, sondern endlich einen Schritt vor den Drogendealern und den Drogensyndikaten zu sein. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Wir müssen diese schwarzen Schatten aus unserer Gesellschaft entfernen, sehr geehrte Damen und Herren, und wir müssen denjenigen Hilfe geben, die auch Hilfe in den Drogen suchen. (Beifall bei der SPÖ.)

2.51

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann ist der nächste Redner. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Dr. Kurzmann ist immer sehr schnell! – Abg. Dr. Khol: Ich hoffe, nomen est omen!)

2.51

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die fünf Regierungsvorlagen, die wir zurzeit beraten, waren im Außenpolitischen


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40. Sitzung / Seite 250

Ausschuss weitgehend Konsensmaterie. Das hat dort auch am 4. Oktober seinen Niederschlag gefunden. Bei vier der fünf Übereinkommen wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieser Staatsverträge zu empfehlen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber auch beim Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtgiften, 199 der Beilagen, hat es eine große Mehrheit im Ausschuss gegeben. Wenn jetzt hier im Hohen Haus die Einhelligkeit nicht möglich sein sollte, dann werden wir das auch zur Kenntnis nehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte aber die Gelegenheit wahrnehmen, um auf etwas aufmerksam zu machen, das mir insbesondere im Hinblick auf die vergangenen drei Tage wichtig zu sein scheint. Nach der Aufhebung der so genannten Sanktionen gegen Österreich ist nämlich die Gleichbehandlung österreichischer Parlamentarier mit den Volksvertretern anderer Staaten im Ausland noch immer nicht ganz selbstverständlich.

Neuestes Beispiel – das können alle bestätigen, die von Sonntag bis gestern an der COSAC-Konferenz in Versailles teilgenommen haben –: Der französische Vorsitzende der Tagung, ein Ihnen oder der Mehrheit von Ihnen wahrscheinlich zu Recht nicht bekannter Herr Barrau, hat nachweislich versucht, in Versailles die Rednerliste zu manipulieren. Wie man einer Rednerliste, die wir natürlich haben, entnehmen kann, war dort der österreichische Delegationsleiter, Karl Schweitzer, als fünfter Redner zu Wort gemeldet. Der Vorsitzende hat ihn im Laufe der Sitzung mehrmals bewusst übergangen, offenbar um zu verhindern, dass er dem französischen Ministerpräsidenten Jospin oder auch dem französischen Europaminister Moscovici unangenehme Fragen stellen kann.

Die österreichische Delegation hat sich das selbstverständlich nicht gefallen lassen. Wir haben ausrichten lassen, dass wir sehr lautstark protestieren würden, wenn diese Manipulationsversuche nicht eingestellt werden. Dann hat es plötzlich die Möglichkeit gegeben, dass Kollege Schweitzer das Wort ergriffen hat, und anschließend hatte er auch die Möglichkeit, in einem Interview die österreichischen Positionen darzustellen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht verabsäumen, mich hier im Hohen Hause bei den Betreuern unserer Delegation, Herrn Botschafter Dr. Toth, aber auch Herrn Mag. Koller, für ihre Loyalität und für ihren Einsatz zu bedanken. Bei vielen Auslandsreisen haben wir die Erfahrung gemacht, dass unsere Beamten – unabhängig von ihrer politischen Gesinnung und ihrer persönlichen politischen Überzeugung – den Dienst an unserer Republik und unserem Staat sehr korrekt beachten und in den Vordergrund ihrer Betrachtungen stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Abschließend möchte ich aber sagen: Wir sollten bei allen Tagungen und internationalen Konferenzen, die wir besuchen, den österreichischen Standpunkt sehr nachdrücklich vertreten und nicht davor zurückschrecken, gegen diplomatische Zurückhaltung zu verstoßen, wenn man uns benachteiligt.

Meine Damen und Herren! Freunde gibt es in der Politik nicht. Es gibt nur Interessen, und in der Außenpolitik haben wir ausschließlich die österreichischen Interessen zu vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

2.55

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort dazu ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages samt Anhang und Erklärungen der Republik Österreich in 199 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.


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40. Sitzung / Seite 251

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest, dass das mit Mehrheit geschieht und damit angenommen ist.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen betreffend die Nichtnovellierung der Suchtgift-Grenzmengenverordnung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Brosz und Genossen betreffend Ermöglichung des Konsums von Cannabis nach Schweizer Vorbild.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrags samt Anlagen in 200 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle fest: Das ist (Abg. Schwemlein: Vielheitlich!) einstimmig angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Antrag im Sinne des Artikels 49 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes, dass die authentischen Texte in französischer, arabischer, chinesischer, russischer und spanischer Sprache dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrags zur Kündigung des Übereinkommens vom 5. Juli 1890 betreffend die Veröffentlichung der Zolltarife und die Organisation einer Internationalen Vereinigung zur Veröffentlichung der Zolltarife samt seinem Durchführungsregulativ in 201 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle neuerdings Einstimmigkeit fest; es ist damit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrags in 203 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle ein weiteres Mal Einstimmigkeit fest, wodurch der Antrag angenommen ist.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrags in 267 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Ich stelle wieder Einstimmigkeit fest, der Antrag ist damit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Wir gelangen nun zur Verhandlung über zwei Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. (Abg. Schwarzenberger: Wo ist Gusenbauer? – Abg. Ing. Westenthaler: Wo ist der Antragsteller? – Weitere Zwischenrufe.)


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40. Sitzung / Seite 252

Es sind dies:

Antrag

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und GenossInnen gemäß § 33 GOG betreffend die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis S: 5, F: 4, V: 4 und G: 1 einzusetzen.

Gegenstand der Untersuchung:

Aufklärung der Vorwürfe bezüglich der Weitergabe von Polizeidaten an Dritte und der systematischen Bespitzelung durch Angehörige des Sicherheitsapparates.

Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeiten in Zusammenhang mit diesen Sachverhalten.

Untersuchungsauftrag:

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in die Akten des Bundesministeriums für Inneres und anderer Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand alle Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten hin überprüfen.

*****

Antrag

der Abgeordneten Pilz, Freunde und Freundinnen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Zur Untersuchung folgender Gegenstände wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt:

1. Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die illegale Weitergabe von Daten aus seinem Ressortbereich.

2. Organisationsmängel im Bereich der Sicherheitsbehörden, die dazu geführt haben, dass jahrelang unbemerkt personenbezogene Daten an nicht dazu Berechtigte weitergegeben wurden.

Zusammensetzung: 5 SPÖ, 4 ÖVP, 4 FPÖ, 1 GRÜNE

*****

Diese Anträge wurden inzwischen an alle Abgeordneten verteilt.

Im Einvernehmen mit den Antragstellern wird über die erwähnten Anträge eine gemeinsame Debatte unpräjudiziell durchgeführt, wobei dem jeweiligen Erstredner zur Begründung eine Redezeit von je maximal 10 Minuten zur Verfügung steht und im Anschluss daran je ein Redner pro Fraktion mit einer Redezeit von maximal je 5 Minuten zum Wort gelangt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zum Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim. Ich erteile es ihm.


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40. Sitzung / Seite 253

3.01

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag wurde verlesen, sie kennen ihn. Ich glaube nur, dass es nach der heutigen Diskussion vielleicht doch noch – das hat sich ja gezeigt – einiger Worte zur Begründung bedarf, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, vielleicht noch einmal zu überlegen, ob das, was Ihnen auch von außen zugerufen wird, für den einen oder anderen von Ihnen nicht vielleicht doch vorteilhaft wäre.

Meine Damen und Herren! Es ist zu befürchten, dass wir uns zukünftig damit anfreunden müssen, dass neben dem Begriff der organisierten Kriminalität möglicherweise auch Begriffe wie "organisierte Parteienkriminalität" eine Rolle spielen werden. In einer unglaublichen Art und Weise sind wir in den letzten Tagen und Wochen damit konfrontiert gewesen, dass Kriminelle aller Wahrscheinlichkeit nach ein professionelles Spitzelwerk innerhalb der Exekutive errichtet haben, das viele von uns erschaudern lässt und das durchaus dazu angetan ist, den Glauben an den Rechtsstaat, an den Sicherheitsstaat zu erschüttern. Wenngleich Sie heute im Rahmen der Diskussionsbeiträge immer wieder versucht haben – insbesondere Sie von Seiten der Freiheitlichen –, diese Entwicklung herunterzuspielen, darf ich Ihnen sagen: Ich glaube nicht, dass irgendjemand hier im Haus – Hand aufs Herz! – wirklich glaubt, dass das, was Kleindienst gebracht hat, alles an den Haaren herbeigezogen ist.

Dazu scheinen mir auch die Reaktionen eigentlich nicht die richtigen zu sein. Die Panik, die sich hier breit gemacht hat, hat es ja gezeigt: Dass Kollege Westenthaler im letzten "Format" erklärt: Ich bleibe, wie ich bin! und sagt: Ich werde weiterhin Pointiertheit und Humor in die Politik einbringen!, möchte ich vom Inhalt her nicht weiter kommentieren. Ich glaube, Herr Kollege Westenthaler, jeder kennt Ihre Stellungnahmen, Ihre Erklärungen, Ihr Potential (Abg. Parnigoni: Die Zwischenrufe haben eine enorme geistige Potenz!), und ich glaube, jeder kann beurteilen, was davon zu halten ist, dass Sie "weiterhin Pointiertheit und Humor in die Politik einbringen" wollen.

Ich glaube nur, dass es so, wie die Entwicklung derzeit steht, nicht ohne weiteres möglich sein wird, dass Sie das noch sehr lange hier tun. Das glaube ich – die Entwicklung wird es zeigen. Sie glauben vielleicht etwas anderes – Sie sagen jedenfalls etwas anderes. Ich denke, die Entwicklung wird uns zeigen, was tatsächlich passieren wird, und das wird nicht allzu lange dauern.

Was betroffen macht, ist allerdings der Umstand, dass dieser Spitzelskandal und dieser demokratiepolitisch-rechtsstaatlich wohl einzigartige Skandal – ich nehme an, dass Sie mir da auch zustimmen werden, wenn Sie davon ausgehen, dass das stimmt (Abg. Dr. Grollitsch: In Graz gibt es das auch in der SPÖ!)  – in einem Rahmen stattfindet, der all das vielleicht nicht ganz unerwartet erscheinen lässt, weil auch die demokratiepolitische Situation in der letzten Zeit doch eine sehr bedauerliche Entwicklung genommen hat, angefangen – ich möchte mich nicht wiederholen, Sie alle wissen das – von den Überlegungen des Herrn Altklubobmannes Haider über die politischen Gegner, die in Haft zu nehmen sind, über den Justizminister, der diesen Gedanken aufgenommen hat, bis hin zur Klagsflut gegen Künstler und Intellektuelle.

Ich darf vielleicht in Erinnerung rufen: Medienrichter Weis – erste Instanz –, eine Persönlichkeit, die weit über die Grenzen hinaus bekannt ist, hat sich nunmehr selbst in die Diskussion eingeschaltet und hat diese Art des Umgangs, die übrigens auch im "Weisen"-Bericht angekreidet worden ist, in einer Weise angeprangert (Abg. Dr. Grollitsch: Die Geisterstunde ist vorbei!), die an Offenheit nichts mehr zu wünschen übrig lässt. Herr Kollege Krüger! Ich nehme an, Sie haben diese Stellungnahme auch gelesen. Ich glaube, die Diskussion bringt ja auch etwas – es geht auch etwas weiter – und zeigt immer mehr, dass diese Vorgangsweise auch seitens der Justiz von Personen, die mit Sachverstand umgehen, als das erkannt wird, was sie ist: in einer Demokratie völlig unakzeptabel! Das kommt jetzt schön langsam heraus. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wir sind weiters damit konfrontiert, dass diese im Rahmen dieser Klagsflut übermittelten Schriftsätze den Namen eines Bundesministers, des Bundesministers für Justiz, tragen. Ich glaube, alle hier Anwesenden werden, wenn sie in sich gehen, sagen: Das ist in Wirklichkeit un


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40. Sitzung / Seite 254

erträglich! Es kann nicht sein, dass der Name des Bundesministers für Justiz mit dem Hinweis, dass er derzeit Justizminister ist, auf dem Briefpapier prangt – Herr Kollege, ich glaube, da sind wir uns einig –, das dazu dient, das Land mit einer Klagsflut zu überschwemmen! Das ist eines Rechtsstaates unwürdig, und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand von den hier Anwesenden wirklich glaubt, dass das gut ist, dass das etwas Herzeigbares ist, dass das etwas ist, auf Grund dessen man sagt: Seien wir stolz auf Österreich! Wir haben einen Justizminister, dessen Name auf dem Briefpapier prangt, mit welchem alle anderen, die Intellektuelle sind, die Künstler sind, die eine andere politische Gesinnung haben, geklagt werden! – Wenn das wirklich Ihre Meinung wäre, dann würde mich das schon sehr wundern. Es wäre jedenfalls erschre-ckend. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir waren weiters damit konfrontiert, dass unter der zweifelhaft kongenialen Federführung von Herrn Westenthaler – ob das auch unter "Pointiertheit und Humor" zu fallen hat, weiß ich nicht – eine Attacke gegen den ORF, gegen die Meinungsfreiheit in diesem Land stattfand, die einzugartig ist: 22 Telefonanrufe pro Tag, ein Interview, das wir alle gesehen haben – das man am besten vergessen sollte, wenn man staatsbewusst ist, das man aber nicht vergessen sollte, wenn man die Person von Herrn Westenthaler qualifizieren soll –, sowie einen Brief der ÖVP, in dem Vorwürfe erhoben werden in Form dieser Zitatenliste des Herrn Khol.

Das sagt ja aus demokratiepolitischer Sicht auch sehr viel aus, Herr Kollege Khol, dass Sie sich zu einer derartigen Vorgangsweise hinreißen lassen! Sie haben den im Rundfunk verwendeten Ausdruck "Sanktionen gegen die Bundesregierung" bekrittelt und wollten das auf "Sanktionen gegen Österreich" geändert haben, wohl wissend, dass – unabhängig jetzt von den Sanktionen – diejenigen, die davon gesprochen haben, sie auszuführen, immer davon gesprochen haben, dass es Sanktionen gegen die Regierung sind. (Abg. Dr. Puttinger: Das ist das, was ihr angeschafft habt!) Das heißt, dass das, was Sie verlangt haben, schlicht tatsachenwidrig ist. Es ist eigentlich ein Skandal, und es ist unwürdig! Dass die ÖVP sich für so etwas hergibt, erstaunt mich besonders. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Westenthaler hat dem Ganzen die Krone aufgesetzt, indem er bei einer der beliebten Montags-Pressekonferenzen Khol/Westenthaler, nachdem die Mikrophone – bis auf eines – abgeschaltet waren, angesichts kritischer Fragen eines ORF-Journalisten erklärt hat: Der Rundfunk wird sich jetzt die 600 Millionen Schilling in die Haare schmieren müssen! (Abg. Ing. Westenthaler: Spitzelskandal! Spitzelskandal!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, auch das bedarf keiner weiteren Information. Es ist offensichtlich "Pointiertheit und Humor", die Sie in die Politik einbringen, Herr Westenthaler! Dazu gratuliere ich Ihnen herzlich für die kurze Zeit, die Sie noch hier sein werden!

Im Großen und Ganzen müssen wir sagen, es handelt sich bei diesem Spitzelskandal, bei diesem gesamten Netz, das jetzt schön langsam auffliegt – die Namen sind auch heute hier genannt worden –, nicht nur um einen Kriminalskandal, der bei den Strafgerichten anhängig ist und auch aufgeklärt wird – wir vertrauen hier auf den Rechtsstaat und auf die Exekutive, die sich ja außerordentlich bemüht, sich aus diesem unerträglichen Netzwerk zu befreien und wieder das zu sein, was wir alle haben wollen, nämlich eines Rechtsstaates würdig und eine Garantie für die Sicherheit und nicht für das Gegenteil –, sondern es ist darüber hinaus auch noch so, dass das – wenn das alles stimmt – auf Grund dieses Parteiensystems natürlich auch eine politische Komponente hat.

Nun haben wir ja Untersuchungsausschüsse diskutiert und einen eingesetzt, und wir hatten die Vranitzky-Flüge, bei denen Sie alle so großartig argumentiert haben, warum das unbedingt sein muss, wobei Sie, insbesondere bei den Flügen, in einer Art und Weise agiert haben, die ja peinlich war, meine Damen und Herren, und einen Bericht erstellt haben, der eigentlich unglaublich ist! – Jetzt auf einmal aber ändert sich das alles: Bei den Flügen, ja, da muss das unbedingt untersucht werden – hier eine Destination von A nach B: unbedingt eine Prüfung! –, aber dieser Skandal soll ungeprüft bleiben, die Gerichte sollen sich damit befassen, das hat keine politische Relevanz.


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40. Sitzung / Seite 255

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen eines sagen: Sie werden das Problem dann bekommen, wenn die gesamte Wahrheit tatsächlich ans Tageslicht gekommen ist, und das wird nicht lange dauern. Wir werden Ihnen, wenn Sie in dieser Frage weiter beharren wollen, dann auch helfen, die Öffentlichkeit daran zu erinnern, dass Sie davor Untersuchungen jedenfalls immer abgelehnt haben. Ich bezweifle, dass Ihnen das politisch sehr nützen wird.

Ich darf Ihnen vielleicht noch einmal zurufen: Überlegen Sie sich, was Sie heute hier tatsächlich machen! Nehmen Sie diese Chance im Sinne des Rechtsstaates wahr! Halten Sie sich von einer Selbstbeschädigung zurück, und stimmen Sie daher diesem Ausschuss zu! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

3.11

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich erteile dem Antragsteller des zweiten Antrages, Herrn Abgeordnetem Pilz, das Wort. (Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung SPÖ –: Nicht einmal alle Abgeordneten von euch sind da! Ihr steht ja nicht einmal selbst dahinter! – Abg. Hagenhofer: Selber schauen! – Abg. Dr. Martin Graf: Wir wollen ja keinen Antrag durchbringen!)

3.11

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir schlagen einen Untersuchungsausschuss vor, der die Verantwortlichkeit der Politiker von den Innenministern abwärts klären soll. Meines Wissens handelt es sich ausschließlich um Innenminister der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Die SPÖ ist dafür, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die Freiheitliche Partei, die in dieser Zeit keinen Innenminister gestellt hat, ist dagegen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Wir werden schon irgendwann noch draufkommen, warum.

Zweitens: Abgeordneter Khol erklärt, man soll zuerst die Gerichte arbeiten lassen und dann – irgendwer hat da wieder "Psychofaschist" gemurmelt – ... (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist im "profil" gestanden! – Abg. Dr. Gusenbauer: Der Westenthaler war das!)

Ich habe wirklich genug davon, dass Abgeordneter Westenthaler sich selbst die ganze Zeit als "Psychofaschist" bezeichnet! Das soll er mit sich selbst ausmachen, aber nicht dauernd hier im Plenum des Nationalrates sagen! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Westenthaler: Das war schwach! Das war schwach! – Das "profil" hat Sie so charakterisiert, und ich muss zustimmen!)

Zum Ersten: Herr Abgeordneter Khol! Wenn es – und wir sollten dieses Argument ernsthaft diskutieren – wirklich so ist, dass ein Untersuchungsausschuss nur dann eingesetzt werden darf, wenn in der gleichen Causa sämtliche gerichtliche Ermittlungen abgeschlossen sind, dann ist das für den österreichischen Nationalrat eine neue Art und Weise, mit Untersuchungsausschüssen umzugehen. (Abg. Mag. Kukacka: Geh, geh, geh!) In der Causa "Lucona" oder "Noricum" – Sie erinnern sich daran – haben Sie und Ihre Fraktion damals die Anträge auf Untersuchungsausschüsse unterstützt (Abg. Kiss: Aber wenigstens ist er schon sehr müde! Er schläft schon ...!)  – ich weiß Ihren Kampf gegen den Schlaf in diesem Haus durchaus zu schätzen –, es muss daher einen völlig neuen Grund geben, von dieser Praxis jetzt abzuweichen.

Zum Zweiten: Mir ist nicht bekannt, dass in der Causa "Euroteam" eine einzige gerichtliche Untersuchung abgeschlossen wäre! Ich weiß von keiner einzigen gerichtlichen Untersuchung, die entweder mit der Einstellung des Verfahrens oder mit einem Urteil geendet hätte. (Ruf bei den Freiheitlichen: Der Rechnungshofbericht ...!) Soweit ich informiert bin, stehen mögliche gerichtliche Untersuchungen in der Causa "Euroteam" und in verwandten Causae erst an ihrem Beginn. Trotzdem hatten Sie kein Problem, mit Mehrheit dazu einen Untersuchungsausschuss zu beschließen. Das ist sachlich ja auch durchaus gerechtfertigt: Ein Untersuchungsausschuss untersucht die politische Verantwortung, und ein Gericht untersucht eben etwas ganz anderes.

Herr Kollege Khol! Ich verstehe den Grund, warum Sie sich nach wie vor dagegen wehren, die politische Verantwortung in dieser Causa "Spitzelaffäre" zu untersuchen, bald nicht mehr. Da wird an freiheitliche Funktionäre einiges an Fragen zu stellen sein, und da wird es auch um die Verantwortung sozialdemokratischer Innenminister gehen. Was in dieser Causa von Funktio


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nären, Mandataren oder Ministern der ÖVP zeugenschaftlich vorgebracht werden kann, ist mir bis jetzt völlig unbekannt. Ich sehe keinen Hinweis darauf, dass die ÖVP auch nur in irgendeiner Art und Weise in diese Affäre verwickelt sein soll. Es gibt also zumindest kein parteipolitisches Interesse, dem Untersuchungsausschuss zum jetzigen Zeitpunkt nicht zuzustimmen.

Nun gibt es ein Argument der Regierungsdisziplin. Okay, das haben wir bei Untersuchungsausschüssen auch immer erlebt: Man stimmt als zweite Regierungspartei nicht auf der Stelle einem Untersuchungsausschuss zu, der sich letzten Endes sehr stark gegen den Koalitionspartner richten kann. – Ja, aber, Herr Kollege Khol, das erklären Sie einmal Dr. Haider! Der verlangt ja schon längst den Untersuchungsausschuss! Warum sind Sie nach wie vor gegen einen Untersuchungsausschuss, der von Klagenfurt aus schon propagiert wird? (Abg. Dr. Fekter: Herr Kollege Pilz, es ist Viertel nach drei!)

Hoffentlich sinken Sie nicht auf das Niveau von Kollegen Westenthaler, der im heutigen "Kurier" erklärt, "ein U-Ausschuss sei daher nicht gerechtfertigt. In Haiders Verlangen sieht er keinen Widerspruch zu seiner Linie. ,Wir sind immer für U-Ausschüsse.‘" (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich verstehe das längst nicht mehr: Weil ein Untersuchungsausschuss nicht gerechtfertigt ist, ist Westenthaler immer für U-Ausschüsse und sieht deswegen keinen Widerspruch darin, dass er gegen und sein Altobmann für einen Untersuchungsausschuss ist. – Das ist ungefähr die Qualität der Erklärung der Spitzelvorwürfe!

Jetzt gibt es nur noch eine weitere Steigerung dieser Behauptung, und die entnehme ich dem "Format", nämlich die grundsätzliche Erklärung von Westenthaler über sein Verhältnis zu Haider – ich zitiere –: Man kann nicht einmal ein Löschblatt zwischen uns legen! (Heiterkeit bei der SPÖ.)  – Ich weiß zwar nicht, wer vorhat, ein Löschblatt zwischen Jörg Haider und Sie zu legen. Ich stelle mir das fürchterlich vor! Glauben Sie, dass, wenn Sie sich gerade wieder aneinander schmiegen, irgendwer von der Opposition kommt und sagt: Ich schaue, ob ich da ein Löschblatt dazwischenlegen kann!? (Neuerliche Heiterkeit.)  – Nein, Herr Abgeordneter Westenthaler! Das Hauptproblem dieses Hauses ist nicht, ob es uns rein technisch gelingt, zwischen Jörg Haider und Sie ein Löschblatt zu legen, sondern wir wollen einen Untersuchungsausschuss! (Abg. Ing. Westenthaler: Das "profil" hat doch Recht! – Abg. Rosemarie Bauer: Ein schlichtes Gemüt!)

Wenn Sie uns in diesem Untersuchungsausschuss dann als Zeuge unbedingt vorführen wollen (Abg. Rosemarie Bauer: Jetzt reicht’s mir!), dass kein Löschblatt zwischen Sie und Jörg Haider passt (Abg. Rosemarie Bauer: Ha, ha, ha! Wirklich "lustig"! – Niveaulos!), dann wird es doch möglich sein, Jörg Haider und Sie zu einem gemeinsamen Termin vor diesen Untersuchungsausschuss zu laden! (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ und Beifall bei den Grünen.)

Auch um die Löschblattfrage zu klären, meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion, brauchen wir dringend diesen Untersuchungsausschuss! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

3.18

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. Die Redezeit beträgt ab jetzt 5 Minuten. – Bitte.

3.18

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verstehe die Aufregung auf dieser Seite schon, denn wenn man etwas zu verbergen hat, dann wird man auch versuchen, alles zu vertuschen! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber halten wir uns an die Fakten. Erster Punkt: Es gibt einen Zeugen, der eindeutig belastendes Material über Sie zusammengetragen hat und dargelegt hat, wie diese Spitzelaffäre tatsächlich aufgezogen wurde. (Abg. Dr. Krüger: Das ist ja ein Beschuldigter!) Es gibt diesen Zeugen!


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Auf der anderen Seite gibt es einen, der ein Geständnis abgelegt hat, nämlich Alt-Parteiobmann Haider, der gesagt hat: Ich habe diese Informationen, und ich werde sie verwenden! (Abg. Rosemarie Bauer: Sie werden noch Staatssekretär werden!)

Dazwischen gibt es mittlerweile fünf Namen, die auch schon genannt wurden. Es sind die Namen Binder und Rumpold gefallen, und es werden noch andere Namen fallen. Das heißt, wir wissen auch schon, wer das ist! (Abg. Mag. Trattner: Das ist interessant, was Sie alles wissen!) Es ist jetzt immer noch die Frage: Was hält Sie davon ab, diese politische Verantwortung, die hier offensichtlich gegeben ist, so unter den Tisch kehren zu wollen, wie sie nicht mehr zu kehren ist, weil ja die Namen schon bekannt und das Naheverhältnis zur FPÖ schon ersichtlich ist. Es fehlt eigentlich nur mehr der, der es organisiert hat (Abg. Grabner: Wo ist er denn?), denn es werden diese Leute ja nicht von sich aus begonnen haben, flächendeckend in Österreich plötzlich über Prominente Daten auszuforschen und auszuheben und weiterzugeben, sondern die müssen wohl zusammengefasst worden sein. Und darin liegt die politische Verantwortung! (Abg. Mag. Trattner: Sie glauben wahrscheinlich ans Christkind! Oder glauben Sie an den Osterhasen?) Dass die anderen strafrechtlich verfolgt werden, das wissen wir, aber worum es hier geht, das ist die politische Verantwortung, die Frage, wo das zusammengelaufen ist, wer das organisiert hat. (Abg. Dr. Fekter: Wer war denn der Minister?) Ich glaube schon, dass das eine ganz interessante Frage wäre. (Ruf bei der ÖVP: Da musst du den Einem fragen!)

Ich würde ganz einfach sagen: Stimmen Sie doch zu! Wir wollen ja diesen Untersuchungsausschuss, auch wenn Sie immer sagen, dass da rote Minister waren. Dann fragen wir eben unsere Minister im Untersuchungsausschuss! (Abg. Dr. Stummvoll: Fragen Sie! Fragen Sie!) – Herr Stummvoll, es hält Sie niemand davon ab, zuzustimmen! Wieso tun Sie das nicht? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das ist doch keine Offensivstrategie! Oder Opfern Sie Ihre Ideale am Altar der Koalitionstreue? (Abg. Ing. Westenthaler: Wo haben Sie das Sakko gekauft?)

Herr Westenthaler! Für Ihren Vorgänger hat es wenigstens noch einen Job in Niederösterreich gegeben, aber Sie will man ja nicht einmal in Wien, wie man aus der Presse hört! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Wo haben Sie dieses Sakko gekauft?)

Für Sie wird es in dieser Situation also ganz schwierig, und ich glaube, für Sie bestünde die einzige Chance, sich rein zu waschen, darin, diesem Untersuchungsausschuss zuzustimmen und damit auch die Vorgabe aus Klagenfurt zu erfüllen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo haben Sie dieses Sakko gekauft?) Ich glaube, Sie täten gut daran, diesem Antrag zuzustimmen. (Abg. Haigermoser: Was haben Sie für ein Revers? Wer hat dieses Sakko verschnitten?)

Auch Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren der ÖVP, frage ich nochmals: Was haben Sie für ein Problem, einem Untersuchungsausschuss zuzustimmen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwemlein  – in Richtung des Abg. Haigermoser –: Er hat das Sakko bei dir gekauft!)

3.22

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Mag. Mainoni. – Bitte. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haigermoser.  – Abg. Mag. Prammer  – auf den sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Mainoni weisend –: Seines ist auch nicht besser!)

3.22

Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Damen und Herren Sozialdemokraten sind ganz schön vollmundig. Aber es wird Ihnen vielleicht noch passieren, dass Ihnen das Lachen vergeht! (Abg. Parnigoni: Warum drohen Sie schon wieder?)

Zu Ihren Anträgen und vor allem auch zu den Anträgen der Grünen ist natürlich schon einiges anzumerken: Es ist nämlich der untaugliche Versuch, zu skandalisieren, zu diffamieren und vor allem zu kriminalisieren, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Das Strickmuster ist ja bekannt. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Einer Ihrer Aufdecker, Herr Abgeordneter Johann Maier, behauptet in der morgigen Ausgabe einer Zeitung Folgendes – bitte aufzupassen, damit Sie dann auch Stellung nehmen können! –: Titel: "EKIS-Missbrauch – wieder neue Vorwürfe"

Weiters heißt es: "SP-Parlamentarier Johann Maier behauptet, einen Hinweis darauf zu haben, wie der Informationsfluss eines Gendarmeriebeamten zu anderen Personen in der FPÖ gelaufen ist." – Zitatende.

Maier behauptet also, dass er begründbare Verdachtsmomente einer strafbaren Handlung hat. In derselben Aussendung aber sagt Herr Abgeordneter Maier, er legt Wert auf die Feststellung, dass die Unschuldsvermutung gilt. Das heißt, dass er vermutet, dass der, den er hier anschütten will, unschuldig ist!

Meine Damen und Herren! Dieses Beispiel ist der klassische Beweis für die Art und Weise, in der hier zu skandalisieren versucht wird! Lieber Herr Kollege Maier! Lieber Herr Genosse Maier! Wenn Sie Beweise haben, dann auf den Tisch damit! Dann sagen Sie es! Dann haben Sie auch keine Angst vor der Klage! – In Wirklichkeit haben Sie gar nichts und versuchen nur, zu diffamieren! Das ist Ihre Art! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Grabner, Dr. Mertel und Parnigoni. )

Das Strickmuster ist ja bereits altbekannt: Aus einem Buch, das im belletristischen Stil Vorwürfe bringt, dessen Autor sich aber beharrlich weigert, tatsächlich Fakten, auf Grund deren tatsächlich von der Staatsanwaltschaft Erhebungen gepflogen werden könnten (Abg. Schwemlein: Aber das ist schon ein Blauer?), auf den Tisch zu legen, nehmen Sie sich einige Ihnen genehme Anekdoten heraus, stricken etwas zusammen und fordern dann einen Untersuchungsausschuss.

Meine Damen und Herren! Genau das ist Ihre Vorgangsweise! Aber ich mache Sie darauf aufmerksam, sehr geehrte Genossinnen und Genossen von der SPÖ: Dieses Unterfangen kann Ihnen zum Bumerang werden! In diesem Buch stehen nämlich noch einige Dinge und einige Anekdoten, die Ihnen persönlich sehr peinlich sein werden! Ich nenne nur ein Beispiel: Eklat in Vail – wer das Buch gelesen hat, wird möglicherweise schon etwas Sorge haben –: Ein Wiener Polizeijurist hatte – es ist keine eineinhalb Jahre her – anlässlich der Ski-WM in Vail eine Schlägerei mit einem ÖSV-Vizepräsidenten. Das Ergebnis: Der Vizepräsident des ÖSV hatte einen vierfachen Nasenbeinbruch, einen Jochbeinbruch, ein eingerissenes Ohr. – Alles nachzulesen im Kleindienst-Buch. Das Opfer musste ins Krankenhaus, musste mehrfach nachoperiert werden.

Das Opfer hat den Salzburger Landesgendarmeriekommandanten über die Tat informiert, und dieser hat keine Anzeige erstattet. Das wäre nämlich sein Pflicht gewesen. Das heißt – so wie Kleindienst schreibt –: Glatter Amtsmissbrauch und ein echter Vertuschungsskandal, meine Damen und Herren. Aber das dicke Ende für Sie kommt erst: Dieser Landesgendarmeriekommandant ist niemand geringerer als ein hochrangiges SPÖ-Mitglied und Intimfreund des Altbundeskanzlers Vranitzky, der stets auch bei seinen Flügen – unter anderem auch WestLB-Flügen – mit dabei war. (Abg. Leikam: Und wer war der Sparringpartner?) – Das werden wir einmal aufdecken! Da schauen wir uns einmal an, was da wirklich los ist! (Abg. Leikam: Wer war der Sparringpartner?)

Meine Damen und Herren! Allein diese Vorfälle, so wie viele andere mehr (Abg. Leikam: Wer war der Sparringpartner?), würden die SPÖ in ein Netzwerk von Tätern und Vertuschern schlittern lassen. (Abg. Leikam: Wer war der Sparringpartner?) Kommen Sie uns also nicht mit diesen haltlosen Unterstellungen und diesen Skandalisierungsversuchen! Sie treten dabei in einen Fettnapf, der für Sie fatale Folgen haben wird!

Eines, meine Damen und Herren, ist tatsächlich auch noch grotesk: Bis jetzt wurden ja Untersuchungsausschüsse von der SPÖ immer abgelehnt. Kostelka: Die Marizzi-Spitzelaffäre? – Nein, kein Ausschuss! Kurdenmorde? – Um Gottes Willen, kein Ausschuss! Banken-Untersuchungsausschuss? – Die Gerichte sollen arbeiten! Ähnlich war es beim Fall Lassing – alles Kostelka! – oder zum Beispiel in der Causa Omofuma unter Innenminister Schlögl. Wenn es


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darum ging, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, hieß es: Nein, kommt nicht in Frage, können wir nicht machen! (Abg. Leikam: Wer war der Sparringpartner von Herrn Schellhorn?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren vor allem der SPÖ! (Abg. Leikam: Wer war der Sparringpartner von Herrn Schellhorn?) Lassen wir zuerst einmal die Untersuchungen der Sonderkommission des Innenministeriums abschließen (Abg. Leikam: Sagen Sie es!), und lassen wir dann in Ruhe die Staatsanwaltschaft arbeiten. (Abg. Leikam: Wer hat den Vizepräsidenten niedergeschlagen? – Präsident Dr. Fasslabend gibt das Glockenzeichen.) So wird unsere Reihenfolge sein, und diese werden wir einhalten, ob es Ihnen passt oder nicht! (Abg. Leikam: Ich möchte hören, wer den Vizepräsidenten niedergeschlagen hat!) Deshalb werden wir den beiden Anträgen sicherlich nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Leikam: Wer war der Sparringpartner? Warum nennen Sie ihn nicht? – Eine schlagkräftige Organisation! – Weitere Zwischenrufe.)

3.27

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Miedl. – Bitte.

3.27

Abgeordneter Werner Miedl (ÖVP): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wittmann! Sie haben, an die ÖVP gerichtet, die Frage gestellt, was es denn für die ÖVP für einen Grund gibt, diesen beiden Ausschüssen nicht zuzustimmen, welche Probleme die ÖVP damit hat. – Ich kann es Ihnen schon sagen, Herr Kollege: Das eine ist ein sehr grundsätzliches Problem – und ich bin sehr verwundert, dass Kollege Jarolim als Vorsitzender des Justizausschusses nicht daran gedacht hat –, nämlich dass man, weil wir in einem Rechtsstaat leben, davon ausgehen muss, dass es Vorverurteilungen nicht geben kann! Ich habe durchaus den Eindruck, meine Damen und Herren, dass sich da ein paar aus politischen Gründen einen bestimmten Sachverhalt wünschen. Ich habe wirklich den Eindruck, dass das so ist.

Das andere ist ein wirklich großes sachliches Problem. Meine Damen und Herren, ich war Mitglied des Innenausschusses, und ich habe dieser Diskussion dort mit Schaudern gelauscht: Da reden Abgeordnete – auch Herr Abgeordneter Pilz, der sich immer so sachkundig zeigt – wie Blinde von der Farbe. Sie haben, wenn Sie über Polizeicomputer und Polizeidaten reden, gar keine Ahnung, wovon Sie überhaupt reden, meine Damen und Herren, und vor allem Sie nicht, Herr Kollege Pilz! Ich habe Sie sachlich viel höher eingeschätzt, als Sie tatsächlich sind. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist schon richtig: Die Organisationsmängel, die da in dem Antrag der SPÖ zitiert werden, die hätte kein ÖVP-Minister zu verantworten – hätte er nicht! Trotzdem sage ich Ihnen: Wenn der Zugang zum EKIS-System schwieriger wäre, was ja organisatorisch durchaus machbar wäre, dann hätte ich ein gravierendes sicherheitspolitisches Problem, weil es dann wirklich um die Sicherheit in unserem Staat ginge. Ich glaube, dass man da nicht so einfach diskutieren kann und auch nicht soll, weil das EKIS-System weltweit für die Polizeiorganisationen ein Problem darstellt. Die Tatsache, dass die Polizeidaten in ganz Europa sehr sorgsam behandelt werden müssen, ist auch einer der Gründe dafür, dass Österreich noch nicht der Europol angehört und die Europol so schleppend weitergeht: weil man Angst hat, dass Polizeidaten sozusagen in unbefugte Hände geraten.

Meine Damen und Herren! Das ist ein sehr sensibles Thema, und ich habe auch im Innenausschuss den Eindruck gewonnen, dass es Ihnen von der SPÖ und auch von den Grünen durchaus nicht um eine Klärung des Sachverhaltes geht, sondern es geht ums Anpatzen und ums politisch Schlechtmachen. Das ist Ihr Wunsch! (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Das wollen Sie in Wirklichkeit! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was ich bei dieser Geschichte besonders fies finde, ist, dass, obwohl Sie immer wieder betonen, die Exekutive könne da ja nichts dafür, in Wirklichkeit die Gazetten voll sind mit dem, was Sie ihnen füttern! (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Frau Kollegin! Sie füttern die Gazetten und berufen sich hier im Haus am nächsten Tag auf genau diese Gazetten, die Sie gefüllt haben (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Silhavy ), und dann sagen Sie: Die Exekutive wollen wir pauschal nicht verurteilen. – Das sind 32 000 Exekutiv


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beamte, die darunter leiden, die jeden Tag auf der Straße zu hören bekommen, was Sie hier skandalisieren (Abg. Silhavy: Ganz genau! Weil es einen Skandal gibt!) und in den diversen Medien von sich geben, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Es gibt bei dieser Geschichte aus meiner Sicht einen einzigen Gewinner und 32 000 Verlierer. Die 32 000 Verlierer sind die Exekutivbeamten (Abg. Silhavy: Die werden sich bei Ihnen bedanken!), der Gewinner ist Kollege Kleindienst – seinerzeit SPÖ-Funktionär, und in der Zwischenzeit, wie man hört, wieder SPÖ-Funktionär. Das ist der einzige Gewinner! (Heiterkeit der Abg. Dr. Mertel.  – Abg. Mag. Prammer: Ist das aus dem Polizeicomputer? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es geht um strafrechtliche Vorwürfe. (Zwischenruf der Abg. Silhavy. ) Frau Kollegin! Was Sie wollen, weiß ich ganz genau: Es geht Ihnen in dieser Frage ums politische Anpatzen! Es geht aber auch um strafrechtliche Vorwürfe, und ich bin dafür, dass diese strafrechtlichen Vorwürfe geprüft werden, und zwar durch Gerichte, die dazu befugt sind, und nicht durch einen Untersuchungsausschuss, dessen einziges Motiv politische Unterstellungen sind. Da tun wir nicht mit! Deswegen werden wir diesen beiden Anträgen keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

3.31

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gusenbauer und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest: Das ist die Minderheit und damit abgelehnt.

Schließlich lasse ich über den Antrag der Abgeordneten Dr. Pilz und Genossen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abstimmen.

Bei Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls die Minderheit und damit abgelehnt.

Einlauf

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 302/A bis 306/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1349/J bis 1381/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für heute, Donnerstag, den 19. Oktober 2000, 9 Uhr, ein. In dieser Sitzung findet weder eine Aktuelle Stunde noch eine Fragestunde statt. Die Tagesordnung wird im Wege der Klubs zugestellt werden.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 3.32 Uhr