Stenographisches Protokoll

43. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 30. Oktober 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

43. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 30. Oktober 1996

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 30. Oktober 1996: 11.02 – 23.00 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen G. m. b. H. und über den Antrag 270/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Otmar Brix und Genossen betreffend Nationalpark Donau-Auen

2. Punkt: Bericht über den Antrag 23/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Reduktion des Flottenverbrauchs

3. Punkt: Bericht über den Antrag 32/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Nationaler Umweltplan und Bundes-Abfallwirtschaftsplan als strategische Instrumente der österreichischen Abfallwirtschaft

4. Punkt: Bericht über den Antrag 21/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Erweiterung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung

5. Punkt: Bericht über den Antrag 15/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Nachdenkpause Wasserkraftwerk Lambach

6. Punkt: Bericht über den Antrag 170/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Rücknahme der Übertragung der Kompetenz zur Festlegung von Einspeisetarifen für elektrischen Strom an die Landeshauptleute, soweit Lieferungen elektrischen Stroms aus Windenergie-, Biomasse-, Biogas- und Photovoltaikanlagen davon betroffen sind

7. Punkt: Bericht über den Antrag 288/A der Abgeordneten Dr. Walter Schwimmer, Ing. Erwin Kaipel und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Antrag 233/A (E) der Abgeordneten Jakob Auer, Kurt Eder und Genossen betreffend Verordnungen zur Schaffung von Ausnahmeregelungen für Einsatzfahrzeuge bei der fahrleistungsabhängigen Maut und Vignette

9. Punkt: Bericht über den Antrag 73/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die Finanzierung und Fertigstellung des Abschnitts "Völkermarkt West–Klagenfurt Ost" der A 2 Süd Autobahn (Lückenschluß)

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird


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43. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird

14. Punkt: Medizinproduktegesetz – MPG

15. Punkt: Bericht über den Antrag 157/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion

16. Punkt: Erste Lesung des Antrages 229/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und die Gewerbeordnung geändert werden

17. Punkt: Erste Lesung des Antrages 241/A der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl der von Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament (Europawahlordnung – EuWO) geändert wird

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht des Abgeordneten Dipl.-Ing. Richard Kaiser 14

Angelobung der Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Ing. Wolfgang Nußbaumer und Dr. Michael Spindelegger 14

Personalien

Verhinderungen 14

Geschäftsbehandlung

Verkürztes Verfahren gemäß § 28a Abs. 1 der Geschäftsordnung (Verzicht auf Vorberatung der Regierungsvorlage 345 d. B.) 36

Antrag des Abgeordneten Mag. Helmut Peter, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 14/A betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten (Gewerbegesetz – GewG) 1996 gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 31. März 1997 zu setzen 36

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 37

Redner:

Mag. Helmut Peter 116

Dr. Kurt Heindl 118

Mag. Dr. Josef Trinkl 118

Helmut Haigermoser 119

Dr. Hans Peter Haselsteiner 121

Andreas Wabl 121

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 122


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43. Sitzung / Seite 3

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 37

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung 111

Unterbrechung der Sitzung 114

Antrag der Abgeordneten Johann Schuster, Heidemaria Onodi und Genossen, den Antrag 157/A (E) betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung an den Gesundheitsausschuß rückzuverweisen – Annahme 157, 166

Aktuelle Stunde (7.)

Thema: "Offensive Arbeitsmarktpolitik in Zeiten der Budgetkonsolidierung"

Redner:

Dr. Ewald Nowotny 15

Bundesminister Franz Hums 17, 33

Friedrich Verzetnitsch 20

Edeltraud Gatterer 21

Mag. Gilbert Trattner 23

Dr. Volker Kier 24

Karl Öllinger 25

Mag. Brigitte Ederer 27

Matthias Ellmauer 28

Sigisbert Dolinschek 29

Maria Schaffenrath 31

Mag. Doris Kammerlander 32

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 15

Ausschüsse

Zuweisungen 34, 36, 166, 177, 188

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Inanspruchnahme von Art. 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG (1387/J) 79

Begründung: MMag. Dr. Madeleine Petrovic 81

Bundesministerin Dr. Christa Krammer 85

Debatte:

Ing. Monika Langthaler 88

Annemarie Reitsamer 91

Johann Schuster 93

Mag. Herbert Haupt 95

Mag. Thomas Barmüller 96

Andreas Wabl 98

Mag. Johann Maier 100

Dr. Alois Pumberger 103

Dr. Martina Gredler 104

Mag. Doris Kammerlander 105


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43. Sitzung / Seite 4

Anna Huber 107

Werner Amon 108

Anna Elisabeth Aumayr 109

Dr. Stefan Salzl 110

Dkfm. DDr. Friedrich König 112

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Klara Motter, Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Maßnahmen gemäß Art. 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG – Ablehnung (namentliche Abstimmung) 91, 114

Entschließungsantrag (Mißtrauensantrag) der Abgeordneten Andreas Wabl und Genossen betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber der Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – Ablehnung 100, 115

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (342 d. B.): Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen G. m. b. H. und über den Antrag 270/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Otmar Brix und Genossen betreffend Nationalpark Donau-Auen (353 d. B.) 37

2. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 23/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Reduktion des Flottenverbrauchs (306 d. B.) 37

3. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 32/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Nationaler Umweltplan und Bundes-Abfallwirtschaftsplan als strategische Instrumente der österreichischen Abfallwirtschaft (307 d. B.) 37

4. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 21/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Erweiterung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (354 d. B.) 37

5. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 15/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Nachdenkpause Wasserkraftwerk Lambach (355 d. B.) 38

6. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 170/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Rücknahme der Übertragung der Kompetenz zur Festlegung von Einspeisetarifen für elektrischen Strom an die Landeshauptleute, soweit Lieferungen elektrischen Stroms aus Windenergie-, Biomasse-, Biogas- und Photovoltaikanlagen davon betroffen sind (356 d. B.) 38

Redner:

Anna Elisabeth Aumayr 38

Josef Schrefel 40

Mag. Thomas Barmüller 41

Günter Kiermaier (tatsächliche Berichtigung) 44

Otmar Brix 45

Ing. Monika Langthaler 46

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 49

Karlheinz Kopf 51


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43. Sitzung / Seite 5

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 52

Dr. Robert Rada 54

Dr. Volker Kier 55

Franz Stampler 57

Rudolf Anschober 58

Dipl.-Ing. Werner Kummerer 61

Robert Wenitsch 62

Jakob Auer 63

Andreas Wabl 65

Georg Wurmitzer (tatsächliche Berichtigung) 68

Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller 68

Andreas Wabl (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 69

Dr. Martin Graf 69

Walter Murauer 71

Georg Oberhaidinger 72

Annahme des Gesetzentwurfes in 353 d. B. 73

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 306, 307, 355 und 356 d. B. 74

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 306 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Reduktion des Flottenverbrauchs (E 27) 74

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 354 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Erweiterung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (E 28) 74

Entschließungsantrag der Abgeordneten Robert Wenitsch und Genossen betreffend Nationalpark Donau-Auen – Ablehnung 62, 73

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 288/A der Abgeordneten Dr. Walter Schwimmer,


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43. Sitzung / Seite 6

Ing. Erwin Kaipel und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird (347 d. B.) 74

8. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 233/A (E) der Abgeordneten Jakob Auer, Kurt Eder und Genossen betreffend Verordnungen zur Schaffung von Ausnahmeregelungen für Einsatzfahrzeuge bei der fahrleistungsabhängigen Maut und der Vignette (348 d. B.) 74

9. Punkt: Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 73/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die Finanzierung und Fertigstellung des Abschnitts "Völkermarkt West – Klagenfurt Ost" der A 2 Süd Autobahn (Lückenschluß) (349 d. B.) 74

Redner:

Peter Rosenstingl 75

Dr. Walter Schwimmer 78, 122

Mag. Thomas Barmüller 123

Kurt Eder 125

Rudolf Anschober 127

Hermann Kröll 129

Edith Haller 130

Peter Marizzi 132

Dr. Volker Kier 134

Matthias Ellmauer 135

Andreas Wabl 135

Ing. Erwin Kaipel 137

Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann 138

Günther Platter 139

Sigisbert Dolinschek 14


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43. Sitzung / Seite 7

1

Karl Gerfried Müller 142

Annahme des Gesetzentwurfes in 347 d. B. 143

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 348 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Verordnungen zur Schaffung von Ausnahmeregelungen für Einsatzfahrzeuge bei der fahrleistungsabhängigen Maut und der Vignette (E 29) 144

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 349 d. B. 144

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen – Ablehnung 76, 143

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung der Doppelmaut infolge der Einführung des Mautpickerls – Ablehnung 76, 143

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Mautpickerl für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen – Ablehnung 77, 143

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung von Geldverschwendung und Umweltzerstörung durch sinnlose Prestigeprojekte (Semmeringtunnel) – Ablehnung 139, 144

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (21 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird (362 d. B.) 144

11. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (92 d. B.): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (363 d. B.) 144

12. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (93 d. B.): Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 (BGBlG) (364 d. B.) 144

Redner:

Dr. Günther Kräuter 144

Mag. Cordula Frieser 145

Mag. Johann Ewald Stadler 146

Annahme der Gesetzentwürfe in 362, 363 und 364 d. B. 147

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (310 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird (388 d. B.)

Berichterstatter: Johann Schuster 148

14. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (313 d. B.): Bundesgesetz betreffend Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) (389 d. B.) 148

15. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 157/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion (390 d. B.) 148

Redner:

Dr. Alois Pumberger 149

Heidemaria Onodi 151

Dr. Günther Leiner 151

Dr. Stefan Salzl 152

Klara Motter 153

Mag. Herbert Haupt 155

Mag. Johann Maier 156

Johann Schuster 157

Dr. Martina Gredler 158

Hannelore Buder 159

Ridi Steibl 160

Dr. Elisabeth Pittermann 161

Karl Donabauer 162

Andreas Wabl 163

Verena Dunst 164

Anna Huber 164

Annahme der Gesetzentwürfe in 388 und 389 d. B. 165

Rückverweisung des Antrages 157/A (E) an den Gesundheitsausschuß 166

16. Punkt: Erste Lesung des Antrages 229/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und die Gewerbeordnung geändert werden 166

Redner:

Dr. Peter Kostelka 166

Dkfm. Dr. Günter Puttinger 167

Dr. Helene Partik-Pablé 168

Dr. Volker Kier 170

Mag. Terezija Stoisits 172

Günter Kiermaier 173

Mag. Walter Guggenberger 174

Dkfm. Dr. Günter Puttinger (tatsächliche Berichtigung) 175

Theresia Haidlmayr 176

Zuweisung des Antrages 229/A an den Verfassungsausschuß 177

17. Punkt: Erste Lesung des Antrages 241/A der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl der von Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament (Europawahlordnung – EuWO) geändert wird 177

Redner:

Maria Rauch-Kallat 177

Dr. Alfred Gusenbauer 178


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43. Sitzung / Seite 8

Ing. Wolfgang Nußbaumer 178

Dr. Martina Gredler 179

Zuweisung des Antrages 241/A an den Verfassungsausschuß 180

Eingebracht wurden

Petition 35

Petition betreffend "Vorrang für Österreichs Sicherheit durch eine Österreichische Sicherheitsdoktrin und die Anpassung des Landesverteidigungsplanes 85 (LVP 85)" (Ordnungsnummer 15) (überreicht vom Abgeordneten Herbert Scheibner )

Regierungsvorlagen 34

213: Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Notenwechsel und Verständigungsprotokoll

333: Bundesgesetz über die Leistung weiterer Beiträge zur Weltbank Konsultativgruppe für internationale landwirtschaftliche Forschung (CGIAR) für die Jahre 1996 bis 1998

334: Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD)

335: Schutzzertifikatsgesetz 1996 – SchZG 1996

343: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen

344: Wirtschaftskommission für Europa; Transeuropäische Eisenbahn (TER); Verlängerung des Kooperationsübereinkommens über den Treuhandfonds

345: Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen MSC. 21 (59) und MSC. 33 (63) über Änderungen des Übereinkommens

346: Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird

366: Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 1982 geändert wird

367: Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird

368: Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird

371: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

372: Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen

373: 4. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien


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43. Sitzung / Seite 9

379: Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz (KAG-Novelle 1996) geändert wird

380: Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen

381: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird

382: Vereinbarung gemäß Art. 15 a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000

383: Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige – SchUG-B

384: Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird

385: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird

386: Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitszeitgesetz für Angehörige von Gesundheitsberufen in Kranken-, Pflegeanstalten und ähnlichen Einrichtungen geschaffen (Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz – KA-AZG) und das Arbeitszeitgesetz geändert wird

387: Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden

394: 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 – 2. SRÄG 1996

Berichte 34

Vorlage 15 BA: Bericht über die Genehmigung von überplanmäßigen Ausgaben im 3. Quartal 1996; BM f. Finanzen

III-56: Bericht über den schulischen Teil der Berufsausbildung (Lehrlingsausbildung), 1995; BM f. Unterricht und kulturelle Angelegenheiten

III-57: Wahrnehmungsbericht über die Karawankenautobahn; Rechnungshof

III-58: Bericht gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1995; Bundesregierung

Anträge der Abgeordneten

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Änderung des Bezügegesetzes (309/A)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz geändert wird (310/A)

Karlheinz Kopf, Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird (311/A)

Karlheinz Kopf, Georg Oberhaidinger und Genossen betreffend Nachfolgeregelung zur Förderung erneuerbarer Energieträger zur Stromerzeugung (312/A) (E)


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43. Sitzung / Seite 10

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend langandauernde Untersuchungshaft für einen weitgehend unbescholtenen Tiroler (1360/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend das "Festival der Verlockung vom anderen Ufer ‚Wien ist andersrum‘" (1361/J)

Dr. Andreas Khol und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verhinderung des Fahndungserfolges durch den Innenminister (1362/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Interview der Zeitschrift "NEWS" mit dem Historiker Professor Botz und Formulierung des "BBA"-Bekennerschreibens (1363/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verankerung ultralinker Exponenten mittels Sondervertrag im Büro des Innenministers (1364/J)

Mag. Gilbert Trattner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Konsequenzen in der OeNB infolge des OGH-Urteiles 1 Ob 8/95 (betreffend die Erteilung einer Devisenhändlerermächtigung an die Rieger-Bank AG) (1365/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Österreichs Beitritt zur Europäischen Währungsunion und die damit verbundenen Folgen für die OeNB (1366/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auslegung des § 37 Abs. 5 EStG (1367/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Beschäftigung des ehemaligen SJ-Obmannes Karl Delfs im Innenministerium (1368/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Anfragebeantwortung 917/AB (1369/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend den linksextremen Journalisten Klaus Kufner (1370/J)

Peter Rosenstingl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend eine Verordnung der Schneekettenpflicht auf der Wiener Außenring Autobahn A 21 (1371/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Behinderung" behinderter Urlauber (1372/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Glücksspielmonopolverwaltung (1373/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Glücksspielgesetz (1374/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend die plötzliche Beförderung von 46 Staatsanwälten zu "Leitenden Staatsanwälten" beziehungsweise "Oberstaatsanwälten" (1375/J)

Dr. Michael Krüger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend die voraussichtliche Ernennung des ehemaligen Chefs


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43. Sitzung / Seite 11

des Büros von Bundesminister Scholten zum Generaldirektor der Hochleistungsstrecken AG und zum Chef der Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (1376/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundeskanzler betreffend die Umsetzung des Bundesgesetzes über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus (1377/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Umsetzung des Bundesgesetzes über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus (1378/J)

Ing. Monika Langthaler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend strafrechtliche Verfahren MVA Flötzersteig IV (1379/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Anrainerschutz bei Massentierhaltung (1380/J)

Karl Öllinger und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Deckelung bei der Notstandshilfe (1381/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend rechtswidrige Ausstrahlung von Werbefenstern über das Kabelnetz in Österreich (1382/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundeskanzler betreffend rechtswidrige Ausstrahlung von Werbefenstern über das Kabelnetz in Österreich (1383/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Anrainerschutz bei Massentierhaltung (1384/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Verkauf des E-Werkes Blühnbach der ÖBF (1385/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Importe von gentechnisch verändertem Soja sowie die Informationspolitik des Gesundheitsministeriums hinsichtlich EU-weiter Inverkehrbringungsanträge für gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und Lebensmittel (1386/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Inanspruchnahme von Art. 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG (1387/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzierung des Straßenstückes Nordspange Steyr (1388/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Unregelmäßigkeiten bei der Nachbesetzung der Leitung des Kriminalbeamteninspektorates bei der Bundespolizeidirektion Linz (1389/J)

Dr. Günther Kräuter und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Sicherheitsgipfel am Flughafen Thalerhof (1390/J)

Johann Schuster und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Tabakkonsum von Jugendlichen (1391/J)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Zusage des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung für eine Unterstützung des Ausbaus des Forschungsinstitutes für


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43. Sitzung / Seite 12

Symbolisches Rechnen der Universität Linz in Hagenberg und der Umbenennung in ein "Kurt Gödel-Internationales Forschungsinstitut für Symbolisches Rechnen" (1392/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Weitergabe der EU-Mittel für Projektrealisierungen (1393/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend die Zukunft der Pensionen in Österreich (1394/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Freilassung eines Schubhäftlings (1395/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verfahrensstand im Fall Dr. Pösel, Dipl.-Ing. Hanreich, Mag. Klima (1396/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Politik der Bundesregierung gegenüber dem Linksterrorismus in Österreich (1397/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile für liechtensteiner Frächter (1398/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Drogentoten in der Strafanstalt Hirtenberg (1399/J)

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Lücken im österreichischen Autobahnnetz (1400/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend illegalen Export von Kunststoffmüll (1401/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Anschaffung von 3000 Personal Computers (1402/J)

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Betonkrebs" (1403/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Weitergabe der EU-Mittel für Projektrealisierungen (1404/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Weitergabe der EU-Mittel für Projektrealisierungen (1405/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Probleme bei der Errichtung des Semmering-Basistunnels (1406/J)

Franz Lafer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die B 65 Umfahrung Großwilfersdorf (1407/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Häfenurlaub" (1408/J)

Mag. Dr. Josef Trinkl und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Süd-Ost-Spange (1409/J)


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Johann Schuster und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend flächensparendes Bauen (1410/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend die Finanzierung der Ausstellung über die "Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" (1411/J)

*****

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend die Umsetzung der Bundesgesetze über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus (6/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1171/AB zu 1199/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1172/AB zu 1337/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (1173/AB zu 1229/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen (1174/AB zu 1224/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Edeltraud Gatterer und Genossen (1175/AB zu 1271/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Murauer und Genossen (1176/AB zu 1281/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (5/ABPR zu 5/JPR)


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Beginn der Sitzung: 11.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie herzlich begrüßen und bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Ich erkläre die 43. Sitzung des Nationalrates für eröffnet .

Die Amtlichen Protokolle der 40. Sitzung vom 2. Oktober sowie der 41. und 42. Sitzung vom 3. Oktober sind aufgelegen und ohne Einspruch geblieben. Sie gelten damit als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dr. Löschnak, Grabner, Dr. Preisinger, Dr. Stippel, Schöll, Dr. Haider, Mag. Schweitzer, Dr. Povysil und Dr. Van der Bellen.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Nach der teilweisen Wiederholung der Nationalratswahl 1995 am 13. Oktober 1996 sind heute in der Parlamentsdirektion von der Bundeswahlbehörde die Wahlscheine für jene 23 Abgeordneten eingelangt, denen aufgrund der Feststellungen im dritten Ermittlungsverfahren beziehungsweise aufgrund von Mandatsverzichten Mandate zugewiesen wurden.

Es sind dies folgende Abgeordnete: Werner Amon, Dr. Gertrude Brinek, Dr. Josef Cap, Dr. Heinz Fischer, Dr. Martina Gredler, Dr. Jörg Haider, Theresia Haidlmayr, Dr. Hans Peter Haselsteiner, Eleonora Hostasch, Mag. Doris Kammerlander, Dr. Peter Kostelka, Franz Morak, Hans Helmut Moser, Dr. Sonja Moser, Klara Motter, Rudolf Nürnberger, Ing. Wolfgang Nußbaumer, Dr. Brigitte Povysil, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Maria Schaffenrath, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Alexander Van der Bellen.

Weiters ist von der Bundeswahlbehörde die Mitteilung eingelangt, daß dem Abgeordneten Dr. Spindelegger nach dem Ausscheiden aus dem Europäischen Parlament sein Nationalratsmandat gemäß § 111 Abs. 1 Nationalratswahlordnung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen erneut zugewiesen wurde, wodurch der Abgeordnete Dipl.-Ing. Richard Kaiser aus dem Nationalrat ausscheidet. Auch diesbezüglich liegt der ausgestellte Wahlschein vor.

Hinsichtlich jener Abgeordneten, die bis zum heutigen Tage dem Nationalrat schon angehört haben und die somit ihre parlamentarische Tätigkeit lediglich fortsetzen, erübrigt sich eine neuerliche Angelobung. Hingegen werden wir jene Damen und Herren Abgeordneten angeloben, die heute ihre parlamentarische Tätigkeit aufnehmen beziehungsweise wiederaufnehmen, also die Abgeordneten Dr. Martina Gredler, Ing. Wolfgang Nußbaumer und Dr. Michael Spindelegger.

Ich nehme an, daß die drei Genannten im Saale anwesend sind, sodaß wir die Angelobung vornehmen können.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch den Schriftführer werden die Mandatare ihre Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich darf Herrn Abgeordneten Auer bitten, als Schriftführer zu fungieren und die Gelöbnisformel zu verlesen. Ich bitte Sie, sich von den Sitzen zu erheben.

Schriftführer Jakob Auer: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Öster


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reich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

(Über Namensaufruf durch den Schriftführer Auer leisten die nachstehend angeführten Abgeordneten die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe": Dr. Martina Gredler, Ing. Wolfgang Nußbaumer und Dr. Michael Spindelegger. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße die neuen Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließungen des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel wird durch Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner vertreten und Herr Landwirtschaftsminister Mag. Molterer durch Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein.

Ich bitte um Kenntnisnahme.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nunmehr zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

"Offensive Arbeitsmarktpolitik in Zeiten der Budgetkonsolidierung"

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny. Redezeit: maximal 10 Minuten. – Bitte sehr.

11.08

Abgeordneter Dr. Ewald Nowotny (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben als Sozialdemokratische Partei den Bereich Beschäftigungspolitik als Thema dieser Aktuellen Stunde gewählt, weil es sich tatsächlich als ein wesentliches Problem für die Österreicherinnen und Österreicher darstellt, wobei es wichtig ist, daß man von einer realistischen und differenzierten Sicht der Probleme ausgeht.

Wenn man unter diesem Aspekt die Entwicklungen in Österreich betrachtet, so kann man natürlich sehen, daß es im Beschäftigungsbereich negative Entwicklungen gibt, man muß aber doch auch sehen, daß sich Österreich insgesamt gut gehalten hat.

Wenn ich mir die Arbeitslosenzahlen ansehe – ich nehme da OECD-Zahlen, also Zahlen, die unmittelbar vergleichbar sind –, so stelle ich fest, daß wir in Österreich eine Arbeitslosenrate von 4,6 Prozent haben, in den USA, die manchmal so als Wunderland dargestellt werden, eine Arbeitslosenrate von 5,7 Prozent (allgemeine Unruhe – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , in Deutschland von 10,3 Prozent, in Großbritannien von 8,2 Prozent.

Ein besonders sensibler Bereich ist die Jugendarbeitslosigkeit, sie ist hier als die Arbeitslosigkeit von Menschen unter 25 Jahren definiert. Da gibt es neue Statistiken der EU, die zeigen, daß Österreich die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit aller europäischen Staaten hat: Wir haben bei Jugendlichen eine Arbeitslosenrate von 5,2 Prozent, in Deutschland beträgt sie 10,2 Prozent, in Großbritannien 18 Prozent, in Frankreich 23 Prozent.

Natürlich können wir uns mit den Entwicklungen in Österreich trotzdem nicht zufriedengeben, aber ich glaube, es ist wichtig, sich diese Zahlen einmal herzunehmen, um zu sehen, daß man sich mit diesen Fakten auseinandersetzen muß.


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Wir haben in Österreich und auch auf EU-Ebene eine sehr eigenartige Entwicklung, wodurch wir im Bereich der Beschäftigungspolitik mit einer Verwechslung von Zielen einerseits und Instrumenten andererseits konfrontiert sind.

Es wird in Diskussionen oft so getan, als ob gewisse Instrumente schon für sich allein positiv sind, ohne zu schauen, wie sie denn dann tatsächlich wirken. Ich möchte ein konkretes Beispiel geben: das berühmte Stichwort Flexibilität. Natürlich kann Flexibilisierung unter manchen Aspekten positiv sein, aber man muß ganz deutlich sagen: Als Instrument der Beschäftigungspolitik wird sie maßlos überschätzt.

Es gibt in Europa kaum ein Land mit einem flexibleren Arbeitsmarkt als Spanien, Spanien hat alles gemacht, was man ihm aufgetragen hat. Ergebnis: Arbeitslosenrate 24 Prozent, Jugendarbeitslosenrate 35 Prozent.

Oder England, das Land, das hier von manchen Neoliberalen als Musterland gesehen wird: Arbeitslosenrate 8,2 Prozent, Jugendarbeitslosenrate 18,1 Prozent. – Also ich glaube, das alles sind keine schlagenden Beweise für die Vorzüge einer unbegrenzten Flexibilität, wie sie uns von manchen Seiten immer nahegelegt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich jetzt unter diesem pragmatischen Ansatz Beschäftigungsfragen ansieht, ergibt sich für uns Sozialdemokraten vor allem die Priorität im Bereich des Kampfes gegen die Jugendarbeitslosigkeit, das heißt, der Sicherung von Lehrstellen.

Wir haben heuer und auch im nächsten Jahr starke junge Jahrgänge, die auf den Arbeitsmarkt kommen. Natürlich ergibt sich daraus auch ein zusätzliches Problem, wir werden aber alles daran setzen, es zu lösen.

Ich möchte hier sehr deutlich sagen: Wir Sozialdemokraten stehen zum System der dualen Ausbildung. Es ist uns klar, daß dieses System der dualen Ausbildung nur funktioniert, wenn auch die Unternehmer, die ja einen wichtigen Teil dieser Ausbildung tragen, mitmachen, und sie werden nur dann mitmachen – auch das ist uns klar –, wenn es in ihrem Interesse ist.

Genau unter diesem Aspekt ist es, glaube ich, auch sinnvoll, einen Interessenausgleich zwischen den Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden und jenen Unternehmen, die keine Lehrlinge ausbilden, die jedoch später natürlich auch Arbeitskräfte qualifizierter Art haben wollen, herzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher treten wir für einen Lastenausgleich, wie er ja vereinbart wurde, ein, und wir erwarten, daß diese Vereinbarung auch hält. (Abg. Böhacker: Mit wem habt ihr das vereinbart?) Mit den Sozialpartnern, die ja dafür zuständig sind. Sie sind sicherlich nicht dafür zuständig, weil Sie haben für Beschäftigung nichts geleistet. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Beschäftigung wird im Unternehmer- und Sozialpartnerbereich geleistet.

Ein zweiter Bereich, von dem ich hoffe, daß er für Sie interessant ist und wo ich hoffe, daß Sie auch mitwirken, ist der Bereich Ausbildungsplätze. (Abg. Böhacker: Dürfen wir keine Lehrlinge ausbilden?) Aber selbstverständlich! Je mehr, desto besser! Deshalb wollen wir ja auch im Bereich der Ausbildungsplätze zusätzliche Hilfen geben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Wie viele Ausbildungsplätze haben Sie schon geschaffen?)

Wir haben im Bereich der Lehrwerkstätten nicht ausgelastete Kapazitäten, wir haben auch in anderen Bereichen nicht ausgelastete Kapazitäten. Das Arbeitsmarktservice hat sich bereit erklärt, 600 Millionen Schilling bereitzustellen, um zusätzliche Lehrplätze im Bereich der anderen Sektoren zu finanzieren.

Ich möchte hier sehr deutlich sagen: Wir als österreichisches Parlament können heute den jungen Menschen die Sicherheit geben, daß wir für junge Menschen, die als Schulabgänger mit 15 Jahren die Schule verlassen, eine Ausbildungsgarantie in dem Sinne leisten können, daß wir sagen, von ihnen wird niemand länger als sechs Monate entweder ohne einen Lehrplatz oder


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ohne eine entsprechende Beschäftigung oder ohne eine entsprechende Berufsvorbereitung sein.

Das ist ein Versprechen, das ist eine Verpflichtung, die wir da eingehen, und ich glaube, es ist wichtig, den jungen Menschen zu sagen: Da gibt es ein Problem, aber es gibt eine Problemlösung – eine Problemlösung, die von dieser Regierung bereitgestellt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß darauf hinweisen, daß Beschäftigungspolitik natürlich auch eine internationale Dimension hat, sowohl was die EU als auch was die weiteren Bereiche betrifft.

Im Rahmen der EU ist es so, daß die EU-Kommission sicherlich die Brisanz des Themas erfaßt hat, aber leider hat die Mehrheit der konservativ regierten Staaten die entsprechenden Ansätze bis jetzt verhindert. Es gibt etwa Großbritannien, ein Land, das nicht einmal noch der Sozialcharta beigetreten ist. Wenn der Herr Wirtschaftsminister, wie ich lese, jetzt ein Seminar in Großbritannien besuchen wird, so hoffe ich, daß er sich dort nicht nur mit Thatcher-Ökonomen bespricht, sondern auch mit Experten, die ihm die Lage objektiv darstellen und erklären, wie es sich in einem Land mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 18 Prozent lebt, und daß er daraus lernt, was man nicht machen darf. Ich glaube, das ist es vor allem, was er nach Österreich mitbringen muß. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt aber natürlich auch noch eine weltweite Dimension, die sehr aktuell ist, da wir ja heuer noch Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO haben, und auch diesbezüglich möchte ich sehr deutlich folgendes festhalten: Wir als Österreicher sind für freien Welthandel, aber wie jeder Markt braucht auch dieser Markt seine Regeln, und wir treten daher massiv für eine Bekämpfung des Umweltdumpings ein, des Sozialdumpings, wir setzen uns dafür ein, wenn es darum geht, im Interesse der entsprechenden Länder und im Interesse aller anderen Staaten entsprechende Sicherungsklauseln einzubauen. Auch diesbezüglich müssen wir in der EU in diesem Sinne kämpfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letztlich geht es darum, daß es ja in Europa gelungen ist, ein System einer sozialen Marktwirtschaft, eines Wohlfahrtsstaates, aufzubauen, in dem der Mensch eben nicht nur ein Kostenfaktor auf zwei Beinen ist, sondern in dem die Würde des Menschen zählt.

Wenn man hier von Reformen spricht, so ist es eben immer wichtig, zu fragen, in welche Richtung diese Reformen gehen sollen. Wir Sozialdemokraten werden uns allen Entwicklungen entgegensetzen, die zu Lasten der Würde des Menschen gehen, auch wenn wir wissen, daß wir hier manchmal nicht ganz auf der Welle des Zeitgeistes schwimmen.

Wir werden aber aktiv alle Reformen betreiben, die für die Menschen bessere Chancen bieten: bessere Chancen im Einkommensbereich, bessere Chancen im Beschäftigungsbereich. Das ist der Punkt, auf den es uns ankommt, und darauf wollten wir mit dieser Aktuellen Stunde heute auch hinweisen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.16

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Thema erhält Herr Bundesminister Hums das Wort. – Bitte, Herr Minister.

11.16

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Stunde ist ein guter Anlaß, die Beschäftigungssituation Österreichs in einer Phase des tiefgreifenden internationalen wirtschaftlichen Wandels darzustellen.

Dieser Wandel ist sehr eng mit dem derzeit vieldiskutierten Begriff der Globalisierung verbunden, und es ist auch für uns nach wie vor die größte Herausforderung, gute Beschäftigungsmöglichkeiten für alle zu schaffen.


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Wir haben dieses Problem bisher besser bewältigt als die meisten anderen Staaten. Das kann uns für die Zukunft zwar nicht beruhigen, es ist aber trotzdem notwendig, immer wieder festzustellen, daß wir innerhalb der Europäischen Union mit etwas mehr als 4 Prozent saisonbereinigter Arbeitslosigkeit nach Luxemburg die zweitniedrigste Arbeitslosenrate haben und weit unter dem Durchschnitt der EU liegen. Noch einmal: Das ist eine Tatsache, die uns nicht beruhigen kann, sondern die uns weiter anspornen muß, alles zu tun, um Beschäftigung zu schaffen, ganz besonders auch im Bereich der Jugend. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber wir müssen natürlich auch weiterdenken: über das hinaus, was wir konkret in jedem Einzelfall machen. Wir müssen die gesamte internationale Entwicklung sehen und auch dazu Stellung nehmen, denn nahezu alle Prognosen stimmen darin überein, daß in den nächsten Jahrzehnten der Wohlstand global neu verteilt wird und den Industriestaaten eine Umwälzung ins Haus steht, die den Begriff "Trendbruch" verdient.

Diese erheblichen Verschiebungen zwischen den Wirtschaftsblöcken werden zu Veränderungen führen, aber die Antwort auf die Globalisierung der Wirtschaft durch neue Technologien kann nur sein, daß wir gleichzeitig auch dafür eintreten müssen, daß Lebensqualität, Wohlstand und soziale Standards ebenso globalisiert werden, denn nur das wird sichern, daß wir nicht auf Dauer mit Niedriglohnländern zu konkurrieren haben, sondern daß auch in diesen Staaten Wohlstand, dadurch Kaufkraft und dadurch wiederum neue Marktchancen für uns entstehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist daher nicht nur eine primäre wirtschaftspolitische Aufgabe, sondern vielmehr die vordringlichste allgemeinpolitische Aufgabe, bestmögliche Antworten auf die Globalisierung und die sehr dynamische, dezentrale und schwer steuerbare Entwicklung zu finden.

Ich sehe folgende Antworten als prioritär an:

Erstens ist im Zusammenhang mit der Globalisierung auf die Bedeutung des EU-Beitritts für unser Land zu verweisen. Eine Strategie des Alleinstehens hätte im globalen Wettbewerb fatale Folgen auf Exporte, Investitionen und damit auf die Arbeitsplätze in unserem Land gehabt.

Auch unerfreuliche Wahlergebnisse ändern daher für uns nichts an der Richtigkeit der Entscheidung für den EU-Beitritt im Jahre 1994. (Abg. Haigermoser: Herr Bundesminister! Das Wahlergebnis war erfreulich und nicht unerfreulich! – Eine tatsächliche Berichtigung: erfreulich!) Unerfreuliche Wahlergebnisse können an der Richtigkeit dieser Entscheidung nichts ändern! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stadler: Sie reden ja nicht vor dem Gewerkschaftskongreß! Was glauben Sie?! Sie reden vor dem Parlament!)

Die Globalisierung wird zu einer völlig neuen, internationalen Arbeitsteilung führen. Ich bin überzeugt davon, daß dafür soziale und ökologische Mindeststandards erforderlich sind. Dies gilt hauptsächlich für den Welthandel, aber auch für den Handel innerhalb der Europäischen Union.

Die zweite Priorität dabei ist die weltweite Umsetzung dieser Mindeststandards, die im ureigensten Interesse Österreichs liegt. Dies kann natürlich nur gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten erfolgversprechend durchgeführt werden.

Die Verlagerung von Produktionen ins Ausland darf nicht zwangsläufig den Standort Österreich und die heimische Beschäftigungslage schwächen. Sie muß dafür genützt werden, neue Absatzmärkte zu erschließen, Zulieferungen zu lukrieren und die internationale Arbeitsteilung zur Ansiedlung von Kompetenzzentren in Österreich zu erreichen.

Es wird daher – drittens – die bestmögliche Bewältigung der Globalisierung gefordert, um in Schlüsselbereichen weiterhin strategisch planen und handeln zu können.

Bei der am 12. November 1996 stattfindenden Regierungsklausur werden daher die Bundesminister Klima und Scholten eine neue, angepaßte Österreich-Strategie präsentieren, die eine offensive Strategie für zentrale Bereiche unserer Wirtschaft umfaßt. Die beiden Minister arbeiten dabei an einem Paket zur Förderung der Ansiedlung von Unternehmenszentralen. Dieses ba


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siert auf einer grundlegenden Analyse der Wettbewerbsbedingungen für professionelle Dienste und einer bestmöglichen Unterstützung durch unser gesamtes heimisches System – Entbürokratisierung und auch die Folgen im Steuersystem. Eine offensive Strategie muß auf eine möglichst hohe Zahl von Kompetenz- und Entscheidungszentren in unserem Land setzen.

Der Ansiedlung und dem Erhalt der Headquarter-Funktionen kommt aufgrund der hohen Wertschöpfungsanteile und der wichtigen Unternehmensfunktionen bei den Entscheidungszentralen unter globalen Wettbewerbsbedingungen besondere Bedeutung zu.

Eines muß klar sein: Wir wollen auch in Zukunft Vollbeschäftigung anstreben, Arbeitsplätze sichern, jedoch nicht um den Preis des Lohn- und Sozialdumpings. – Nur das kann unsere Zielrichtung sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Viertens wird es daher, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, notwendig sein, mehr in Bildung, Forschung, Entwicklung und Technologie zu investieren. Der Produktionsfaktor Wissen wird für die Zukunft entscheidend sein, seine Bedeutung könnte die Bedeutung des Produktionsfaktors Kapital schon bald übersteigen.

Die Fragen der Aus- und Weiterbildung werden daher bei der Regierungsklausur am 12. November 1996 einen wichtigen Schwerpunkt darstellen. Das trifft für schulische und universitäre Fragen ebenso zu wie für die Lehrlingsausbildung – eine Frage, die uns heuer besonders am Herzen liegt, weil wir heuer 8 500 Fünfzehnjährige mehr haben als vor zwei Jahren und 4 700 Fünfzehnjährige mehr als im Jahr 1995. Ihnen gilt unser gesamtes Augenmerk.

Mein Vorredner, Herr Abgeordneter Dr. Nowotny, hat bereits darauf hingewiesen, daß wir mit dem AMS eine Garantie vereinbaren: Innerhalb von sechs Monaten soll es für alle junge Menschen diese Ausbildung, eine Beschäftigung oder zumindest eine Berufsvorbereitungsmaßnahme geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Darüber hinaus wird die Bundesregierung bei der Klausur die Umsetzung der Technologie-Milliarde ebenso diskutieren wie Investitionen in den Umweltschutz und die Frage einer neuen Gründerwelle im Zusammenhang mit einer geänderten Gewerbeordnung und einer modernen Administration zur Verfahrensbeschleunigung.

Diese Schwerpunkte der Arbeit der Bundesregierung zeigen, daß zwischen Budgetkonsolidierung und Beschäftigungspolitik kein grundsätzlicher Widerspruch besteht: einerseits deshalb, weil ein funktionsfähiger Haushalt die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Beschäftigungssicherung ist, andererseits deshalb, weil auch im Rahmen der Budgetkonsolidierung wichtige Schwerpunktsetzungen erfolgen.

Ich möchte darauf hinweisen, daß im Vorjahr über meine Initiative festgelegt wurde, daß trotz Budgetkonsolidierung in den nächsten fünf Jahren zusätzlich 60 Milliarden Schilling in den Infrastrukturausbau investiert werden. Darüber hinaus können, wie die Beispiele Gewerbeordnung, Lehrlingsausbildung, aber auch die heute vom Ministerrat beschlossene Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten zeigen, auch ohne zusätzliche budgetäre Mittel offensive beschäftigungspolitische Akzente gesetzt werden.

Um es ganz deutlich zu sagen: Mit der Liberalisierung der Gewerbeordnung, aber auch der Ladenöffnungszeiten und einer Verbesserung der Lehrlingsausbildung können Tausende Arbeitsplätze gesichert beziehungsweise zusätzlich geschaffen werden, ohne daß wir auch nur einen einzigen Budgetschilling zusätzlich ausgeben.

Hohes Haus! Die auf Österreich zutreffende Feststellung, daß Budgetkonsolidierung und Beschäftigungssicherung kein Nullsummenspiel sind, kann meines Erachtens auch auf die Ebene der Europäischen Union übertragen werden. Auch im Haushalt der EU sind Schwerpunktsetzungen vorzunehmen. Daß die Erfordernisse der Haushaltsdisziplin auch für den Gemeinschaftshaushalt ernst genommen werden, haben die Mitgliedstaaten mit den Entwürfen 1997 ohnehin bewiesen.


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Was die inhaltlichen Gewichtungen des Gemeinschaftshaushaltes angeht, wird sich Österreich weiterhin konsequent für die Schwerpunktsetzung im Bereich innovativer und beschäftigungsorientierter Politik einsetzen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Minister! Die Redezeit beträgt 10 Minuten, allerdings ist es eine Soll-Bestimmung. – Ich mache nur darauf aufmerksam.

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums (fortsetzend): Der Europäische Sozialfonds hat Österreich für zusätzliche Maßnahmen in der Beschäftigungspolitik 1,4 Milliarden Schilling zur Verfügung gestellt. Wir haben daher heuer für aktive Arbeitsmarktpolitik ein Rekordbudget in Höhe von 6,5 Milliarden Schilling. Damit werden zusätzlich für 55 000 Menschen Maßnahmen im Bereich der Ausbildung, Weiterbildung und Beschäftigungshilfe geschaffen.

Es trifft in besonderem Maß auf Österreich zu, daß in den Bereichen Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik nicht nur national, sondern darüber hinaus auch international Möglichkeiten gesucht werden müssen. Österreich tritt daher in der Europäischen Union dafür ein, daß in den Verträgen klargestellt wird, daß schon durch die Vertragsänderung das Ziel der Vollbeschäftigung auch in der Europäischen Union übernommen und gesichert werden soll.

Wir werden unsere Beschäftigungspolitik fortsetzen, nämlich Beschäftigung für alle Altersgruppen. Unser ganz besonderes Anliegen aber ist: Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa – das muß so bleiben! (Beifall bei der SPÖ.)

11.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für die weitere Debatte ist eine Redezeit von 5 Minuten vorgesehen.

Abgeordneter Verzetnitsch hat das Wort.

11.28

Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns heute mit der Beschäftigungspolitik auseinandersetzen, dann geht es nicht nur um die öffentlich bekannten Kündigungen und Betriebsschließungen, sondern, davon bin ich überzeugt, dann müssen wir uns mit dem gesamten Problem der Arbeitswelt auseinandersetzen.

Im Jahr 1995 kam es zu ungefähr einer Million Veränderungen hinsichtlich von Arbeitsplätzen – es gab Kündigungen, und neue Arbeitsverhältnisse wurden begründet. Im wesentlichen geht es darum, daß mit diesen Veränderungen nicht unbedingt ein Zugang zu einem besseren Arbeitsverhältnis verbunden ist, sondern die Lohnsituation ist dann da oder dort sogar schlechter.

Aus genau diesem Grund hat Herr Bundesminister Hums – in Erkennung der Problematik, die es in der Bauwirtschaft gibt – schon im vergangenen November begonnen, gemeinsam mit Bundesminister Klima und anderen beteiligten Bundesstellen darüber nachzudenken, wie man zum Beispiel eine Bauinitiative setzen kann, und diese umzusetzen. 30 Milliarden Schilling – bauwirksam eingesetzt – haben nachweislich dazu geführt, daß die Beschäftigung in der Bauwirtschaft stabil und besser geworden ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es sind aber auch zum Beispiel die Auswirkungen des 60-Milliarden-Schilling-Bahn-Infrastrukturinvestitionsprogramms auf die Beschäftigung deutlich erkennbar.

Wenn die Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter jetzt mit einem Jahresarbeitszeitmodell eine Verlängerung der Beschäftigung in der Bauwirtschaft um sechs Monate im Durchschnitt garantieren kann, so ist das ebenfalls ein positiver Baustein für die Beschäftigungssituation in Österreich.

Wenn zum Beispiel im Zusammenhang mit der Bauwirtschaft und der Bauhandwerkerschule der Zugang zur Poliertätigkeit für kleine und mittlere Unternehmern gesichert wird, so ist das einer der vielen kleinen Schritte im Qualitätsbereich, wenn es um Beschäftigung geht.


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Ich glaube, daß wir auch einen großen Sprung nach vorne machen könnten, der inlandswirksam ist und für die Klein- und Mittelbetriebe gilt, wenn es uns gelänge, die thermische Sanierung der Gebäude rascher voranzutreiben. Diesbezüglich sind vor allem vom Wirtschaftsminister und von der Bundesbaudirektion entsprechende Initiativen gefordert.

Erst in der letzten Nummer der Unternehmerzeitung der Wirtschaftskammer "Der Unternehmer" heißt es, daß in Österreich pro Arbeitnehmer pro Stunde mehr als 260 S an Lohn anfallen. Es ist das in meinen Augen eine sehr große Provokation – man braucht sich nur die tatsächliche Lohnentwicklung in Österreich anzuschauen. Es wird das aber als Argument dafür verwendet, daß die Arbeit in Österreich zu teuer ist.

Man muß dem gegenüberstellen, wie sich die Stundenproduktivität in Österreich entwickelt hat, vor allem in der Industrie: 1993: plus 4,4 Prozent, 1995: plus 5,9 Prozent, 1996: voraussichtlich plus 4,5 Prozent und 1997 voraussichtlich plus 5 Prozent. Im Bereich der Dienstleistungen gibt es in der gesamten EU – also inklusive Österreich – eine Zunahme der Produktivität in Höhe von 2 Prozent, die Zunahme der Löhne hingegen liegt bei 0,6 Prozent. Man kann daher sicher nicht das Argument, daß die Arbeit zu teuer geworden ist, aufrechterhalten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Peter. )

Ich bin überzeugt davon, daß das Senken der Löhne kein beschäftigungspolitisch richtiges Rezept ist. Sie wissen aus dem eigenen Bereich, ein Sinken um 0,8 Prozent ... (Abg. Haigermoser: Das ist richtig!) – Eben, ich will Sie in Ihrer Argumentation sogar noch bekräftigen. – Ein Rückgang der privaten Kaufkraft um 0,8 Prozent sollte uns zu denken geben, wenn gesagt wird, daß die Löhne oder die Lohnkosten insgesamt zu hoch sind.

Gehen wir doch an das Problem einmal praktisch heran: Wird irgendeine Firma, die heute zum Beispiel Schweißroboter einsetzt, bei niedrigeren Löhnen Schweißer einsetzen? – Ich glaube, daß das ein falscher Zug ist.

Das, was wir mehr denn je brauchen, meine Damen und Herren, ist der Zugang zur Beschäftigung nicht unter dem Titel "Weg mit den Lohnkosten!" – ich habe manchmal das Gefühl, daß der Arbeitnehmer als das neue Feindbild gesehen wird –, sondern wir müssen zu einer vernünftigen Entwicklung in der Beschäftigungssituation kommen. Dabei geht es auch um Nachtarbeit, um Flexibilität, aber auch um das heute aktuelle Thema Ladenöffnungszeiten.

Ich möchte nicht verschweigen, daß der immer wieder gestellten Forderung, die Geschäfte sollten länger offen halten, ein Problem gegenübersteht, daß nämlich zum Beispiel beim Billa-Konzern 300 000 Arbeitsstunden aufgrund einer veränderten Arbeitsmarktsituation nicht vergütet werden.

Meine Damen und Herren! Wenn immer vom längeren Offenhalten gesprochen wird, sollte man auch an die dort Beschäftigten denken. – Ich glaube, das wäre der sinnvollere Weg. (Beifall bei der SPÖ.)

11.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Edeltraud Gatterer. – Bitte sehr.

11.34

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Sozialminister! Das Erhalten und Schaffen von Arbeitsplätzen ist die zentrale Frage für die Politik und für die Zukunft. Ich glaube, alle politischen Parteien in diesem Haus müssen darin übereinstimmen, daß die Sicherung eines möglichst hohen Beschäftigungsniveaus absoluten Vorrang hat.

Jeder einzelne Arbeitslose bedeutet ein Einzelschicksal, ein Familienschicksal, stellt aber auch einen Kostenfaktor für Staat und Gesellschaft dar. Offensive Arbeitsmarktpolitik ist daher ein wichtiger Teil der Budgetkonsoldierung. Wachsende Arbeitslosigkeit würde dem Budget dramatische Schwierigkeiten bereiten. Wir würden auf der Ausgabenseite sofort neue Kosten haben


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und auf der Einnahmenseite Mittel verlieren. – Mit Lösungsansätzen von gestern können wir keine Arbeitsplätze von heute sichern und keine für morgen schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wissen heute – ich glaube, zu dieser Erkenntnis sind wohl alle Fraktionen hier in diesem Haus gekommen –, daß Schulden keine Arbeitsplätze sichern. Das berühmte Zitat von Bruno Kreisky hat ja nicht nur in zahlreichen Büchern seinen Niederschlag gefunden, sondern letztendlich auch in unserem Budget.

Meiner Meinung nach widerspricht es dem Generationenvertrag, daß man Schulden macht, um kurzfristig – was gar nicht immer gelingt – Arbeitsplätze zu sichern, und die Rückzahlung mit Zinsen und Zinseszinsen auf die Zukunft verlagert und die jungen Generationen damit belastet.

Schulden machen, das sichert keinen einzigen Arbeitsplatz! Es führt vielmehr zu höheren Steuern, zu höheren Abgaben, zu zusätzlichen Belastungen. Es gefährdet daher Arbeitsplätze! Die Schulden von heute sind die Steuern und Abgaben von morgen und kosten die Arbeitsplätze von übermorgen.

Offensive Arbeitsmarktpolitik bedingt daher eine Budgetkonsolidierung. Vollbeschäftigung wird in Österreich nur erreicht werden, wenn wir die Rahmenbedingungen ändern, nämlich die generellen Rahmenbedingungen.

Die ÖVP hat sehr wohl Antworten auf die neuen Herausforderungen, auf Globalisierung, Technisierung, das Computerzeitalter. – Ich möchte hier, da 5 Minuten nicht ausreichen, um alles detailliert zu durchleuchten und zu bringen, einige Punkte andiskutieren.

Flexible Arbeitszeiten – von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gewünscht. Das ist ein ganz wichtiger Schritt für den Wirtschaftsstandort Österreich. Wir brauchen liberalere Öffnungszeiten, das ist eine absolute Bedingung für den Wirtschaftsstandort Österreich, aber auch für die Arbeitsplätze.

Wir brauchen – die ÖVP hat diesbezüglich ein sehr gutes Papier vorgelegt – eine neue Lehrlingsoffensive.

Wir wissen, daß Arbeitslosigkeit – ich habe das am Anfang schon gesagt – für jeden ein Einzelschicksal, ein Familienschicksal, eine Belastung ist. Ich glaube, man kann Arbeitslosigkeit nicht bewerten, indem man sagt: Das ist schlimmer, und das ist weniger schlimm! Aber trotzdem muß ich sagen: Jugendarbeitslosigkeit ist sicher die schlimmste und erschreckendste Form der Arbeitslosigkeit. Ich meine, wir dürfen uns nicht nur auf internationale Vergleiche zurückziehen und sagen: Österreich ist im Vergleich zu den anderen Ländern noch immer relativ gut dran!, sondern wir müssen aktiv werden und eine Lehrlingsoffensive starten! (Beifall bei der ÖVP.)

Arbeitsplätze zu schaffen, Arbeitsplatzoffensive kann aber nicht nur bedeuten, neue Arbeitsplätze im unselbständigen Bereich zu schaffen, sondern ist untrennbar auch mit der Gründung von neuen Unternehmen verbunden. Wir brauchen eine neue Gründerwelle. Es darf nicht so sein, daß heute, wenn ein Jungunternehmer anfängt, Zulassungs- und Genehmigungsverfahren Hindernisläufe sind, die er gar nicht bewältigen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur noch ganz kurz folgendes erwähnen: Wir dürfen in unserer Politik den Arbeitsplatz Bauernhof nicht vergessen – er wird in diesem Zusammenhang selten genannt, ist aber für die Arbeitsplatzsicherung genauso wichtig. (Beifall bei der ÖVP. )

Ich möchte noch ganz kurz folgendes sagen: Bildungspolitik ist Investition in Arbeitskräfte der Zukunft. Wir brauchen in diesem Bereich mehr Mittel, wir brauchen auch verstärkt Forschung.

Die Harmonisierung der Mindeststandards in der EU wurde schon angesprochen.

Zum Schluß noch: Wir brauchen offensive Arbeitsmarktpolitik und Budgetkonsolidierung.

Ich darf noch eine Formel der ÖVP bringen: Wir brauchen keine Schulden, nicht mehr Bürokratie und nicht Umverteilung, sondern wir brauchen Leistung, Sparen und Deregulierung – nur


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so können wir auch die Schwachen in unserem Land langfristig unterstützen! (Beifall bei der ÖVP.)

11.39

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner. – Bitte.

11.40

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Professor Nowotny hat internationale Vergleiche gebracht und gemeint: Es ist bei uns eh nicht alles so schlimm! Eine Lehrlingsoffensive hat er angekündigt. Herr Bundesminister Hums hat ebenfalls nur angekündigt, was alles passieren könnte, bessere Rahmenbedingungen und so weiter – kein einziger konkreter Vorschlag darüber, wie man die Arbeitslosigkeit in Österreich reduzieren kann. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Haben Sie nicht zugehört?) Es ist offensichtlich das Ergebnis Ihrer Klubklausur, daß Sie hier überhaupt keinen vernünftigen Vorschlag unterbreiten können dahin gehend, wie man das Wirtschaftswachstum in Österreich wieder ankurbeln könnte.

Sie haben folgendes gemacht: Sie wollten das Budget konsolidieren – 1996/1997 –, und zwar ein Drittel einnahmenseitig, zwei Drittel ausgabenseitig. Jetzt haben wir das Ergebnis des dritten Quartals: 50 Milliarden Schilling an Steuermehreinnahmen, aber nicht aufgrund der konjunkturellen Situation, sondern aufgrund des Belastungspakets, mit dem Sie den Österreicherinnen und Österreichern in die Tasche gegriffen haben – nebenbei sind noch 40 000 Arbeitsplätze verlustig gegangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber es waren nicht nur die Freiheitlichen, die gemahnt haben hinsichtlich der Maßnahmen und gesagt haben, daß sie negative beschäftigungspolitische Auswirkungen haben. Ich denke nur zum Beispiel an das Bauherrenmodell. Der Spitzenkandidat der ÖVP in Wien hat gesagt, die Abschaffung des Bauherrenmodells bedeutet den Verlust von 2 000 Arbeitsplätzen, Mindereinnahmen für den Finanzminister aus den Investitionen beziehungsweise Mehrzahlung aus der Arbeitslosenversicherung in Höhe von 600 Millionen Schilling.

Das Wifo hat eine Untersuchung betreffend das Luxemburger Modell gemacht, und zwar in der Richtung, daß man gesagt hat: für den privaten Wohnbau eine Mehrwertsteuerrückvergütung in der Höhe von 10 Prozent. Das kostet zwar 5 Milliarden Schilling, damit werden aber 11 000 Arbeitsplätze neu geschaffen, 7 000 Arbeitslose weniger sind durch die Arbeitslosenversicherung zu bedienen und das Ausmaß der Schwarzarbeit wird reduziert, der Verlust an Steuereinnahmen aufgrund von Schwarzarbeit in der Größenordnung von 30 Milliarden Schilling wird um 10 Milliarden Schilling reduziert. Dazu kommt weiters der Beschäftigungseffekt – das hat auch das Wifo untersucht –, daß pro Milliarde aus dem Luxemburger Modell 1 700 bis 2 000 mehr Beschäftigte in der Bauwirtschaft angestellt werden können.

Warum ergreifen Sie nicht so konkrete Maßnahmen? – Reden Sie nicht immer von Rahmenbedingungen, von der Globalisierung, sondern gehen Sie auf konkrete Maßnahmen ein, die Sie in Österreich setzen werden, damit die Arbeitslosigkeit reduziert wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bei der Debatte über die Budgets 1996 und 1997 hat man gesagt: Die Bundeszuweisung an die Länder wird um 5 Milliarden erhöht – Zweckbindung Wohnbauförderung. Es vergeht eine Woche: Von der Zweckbindung ist nichts mehr zu hören, die 5 Milliarden sind zur freien Verfügung. Sie wissen aber ganz genau, daß jede Milliarde Schilling Wohnbauförderung für den Wohnbau zusätzlich 1 500 Arbeitsplätze schafft. Wenn man das zusammenzählt – das Luxemburger Modell und die Erhöhung der Wohnbauförderung um 5 Milliarden Schilling –, so sind das mindestens 12 000 bis 15 000 Arbeitsplätze, die zusätzlich geschaffen werden könnten, die das Budget zwar 5 Milliarden Schilling kosten, aber budgetwirksame Auswirkungen in der Größenordnung von 20 Milliarden Schilling haben.

Das ist ein konkretes Beispiel. Ergreifen Sie die Chance für die österreichische Bevölkerung beziehungsweise die Beschäftigungspolitik in unserem Land! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Sie haben gesagt, Sie wollen eine Lehrlingsoffensive starten. – Von der Lehrlingsoffensive, die Sie starten wollen, haben wir aber bis jetzt noch überhaupt nichts gemerkt. An Ihnen ist folgende Tatsache völlig vorbeigegangen: Ein Lehrling kostet 9 000 S, ein AHS-Schüler kostet 65 000 S, und ein Schüler einer HTL kostet im Jahr 93 000 S. Sie betreiben eindeutig eine Diskriminierung der Lehrlinge. Sie sprechen von einer Lehrlingsoffensive, führen aber eine Kommunalabgabe für die Lehrlinge ein (Abg. Verzetnitsch : Wer hat das verlangt?) und setzen sich darüber hinweg, eine Gleichstellung zwischen Lehrlingen und Absolventen berufsausbildender Schulen im Sinne der Mitversicherung herzustellen.

Sie reden von einer Gründeroffensive, führen aber eine Mindest-KÖST in der Größenordnung von 50 000 Schilling ein. Sie reden von Privatisierung, wissen aber ganz genau, daß die österreichische Bauwirtschaft derzeit mit Konkurrenzangeboten von Baufirmen konfrontiert ist, die zu 90 Prozent im öffentlichen Eigentum stehen, wie zum Beispiel hier in Wien, die in Tirol mit Dumpingpreisen "hineinfahren" – Beispiel: Umfahrung Kronburg – Zams – Landeck von der ÖBB, wo es eine Ausschreibung gegeben hat. Da die ÖBB jetzt privatisiert sind, ist die Anbotöffnung nicht öffentlich gewesen. Das Anbot der einen Firma lag bei 81 Millionen Schilling, jenes des Zweitbieters bei 95 Millionen Schilling.

Wenn man aufgrund der letzten Bilanzpressekonferenz die Betriebsergebnisse anschaut, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bitte um den Schlußsatz.

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (fortsetzend): ... wundert man sich nicht, daß sie solche Betriebsergebnisse erwirtschaften. Andererseits üben sie aber auf die private Bauwirtschaft einen sehr starken Druck aus, der zu einem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen und zur Vernichtung von Volksvermögen führt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

11.45

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde unter der Überschrift "Budgetkonsolidierung und offensive Arbeitsmarktpolitik" gibt mir die Gelegenheit, ein paar Bemerkungen aus der Sicht des Liberalen Forums einzubringen.

Es ist ja schon einiges gesagt worden, aber ich habe das beunruhigende Gefühl, daß sich das meiste an der Oberfläche der Symptome bewegt und nicht an die Strukturen gegriffen hat. Gelegentlich wird das eine Argument als Ausrede für das andere verwendet – das kommt mir besonders dann so vor, wenn von der sogenannten Globalisierungsfalle gesprochen wird.

Selbstverständlich bedeuten weltweit offene Märkte eine große Herausforderung, und selbstverständlich bedeuten weltweit offene Märkte, daß man sich nicht zurücklehnen kann in den alten Lehnstuhl der Regulierungen, daß man nicht festhalten kann an einer Gewerbeordnung, die eher einer Zunftordnung als einem Rahmengesetz für das Unternehmertum entspricht. Das bedeutet gleichzeitig, daß wir einen anderen Zugang zur Arbeitszeitorganisation finden müssen, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Das Element der Flexibilisierung ist etwas, das heute jeder im Munde führt – das ist völlig richtig. Es ist unbedingt notwendig, sich aus starren Organisationsformen zu lösen, also auch da im übertragenen Sinn Bürokratie zurückzunehmen, aber es ist auch notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen, daß die Flexibilisierung so gelebt werden kann, daß einzelne Mitglieder der Gesellschaft in absoluten Stunden ausgedrückt weniger arbeiten, aber trotzdem nicht zugrunde gehen. Das heißt, wir müssen Flexibilisierung mit der Komponente ausstatten, daß soziale Sicherheit von der Erwerbsarbeit entkoppelt ist. Wenn wir das nicht machen, dann sitzen wir in einer Arbeitszeitfalle, dann zwingen wir immer weniger Leute, letztlich immer mehr zu arbeiten. Gleichzeitig sind wir aber gezwungen, von diesen immer weniger werdenden Personen immer mehr abzuschöpfen, um alle jene, die wir künstlich aus der Arbeitswelt verdrängt haben – durch starre Regelungen –, zu alimentieren – ich sage bewußt "alimentieren", da ich bewußt einen negativen Unterton hineinlege. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wir verhindern auf der einen Seite, daß die Menschen in der Arbeitswelt ihre sozialen Kontakte, ihre Beziehungsgeflechte leben können und sich auch ihren Selbstwert selbst miterarbeiten können, überlasten aber gleichzeitig jene, deren Zahl immer geringer wird, nämlich jene, die wir zu vollen Zeiten beschäftigen.

Das hat deswegen einen Zusammenhang mit der sogenannten Globalisierungsfalle, weil ich glaube, daß es ein Denkfehler wäre, anzunehmen, daß wir ihr dadurch entkommen, daß wir in irgendeine Richtung nivellieren, indem wir zum Beispiel – ich hoffe, das will niemand in diesem Hohen Haus – Lohn-, Sozial- oder Umweltdumping zu Mitteln machen, um Kostenreduktionen in unserem System zu erreichen. Wir würden uns damit auf einen Wettlauf einlassen, der nicht nur unsozial, nicht nur unvernünftig, sondern auch zerstörend für unsere eigene Leistungskraft wäre. Darüber hinaus könnten wir ihn gar nicht gewinnen, schon aufgrund des Lohngefälles. Schauen Sie sich unsere Löhne an und vergleichen Sie sie mit jenen der östlichen Nachbarn. Sie sehen Stufen von 1:10, 1:100 – aber im Nenner des Bruches, nicht im Zähler.

Wenn wir daher die Arbeitswelt verbessern wollen, dann müssen wir insbesondere auch den Umstieg zwischen selbständig und unselbständig ermöglichen. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt unseres Ansatzes im Rahmen der Reform zur Gewerbeordnung. Ich möchte das in den Schluß meiner Ausführungen hier ganz deutlich einbringen.

Wir wollen deswegen unter anderem auch eine wirkliche Liberalisierung des Gewerbezugangs, weil das die Voraussetzung ist, daß durchaus gut ausgebildete, aber nicht im Regelsinn einer Zukunftsordnung gut ausgebildete Leute die Chance bekommen, sich selbständig zu machen. Solange wir zünftlerische Zugänge haben, solange wir Besitzstand wahrende Zustände haben im Gewerbezulassungssystem, so lange werden wir diesen Umstieg eigentlich verunmöglichen.

Und wenn wir uns darüber hinaus auch noch – und das ist ein letztes Ceterum censeo in meiner heutigen Wortmeldung – nicht entschließen, von der Pflichtversicherung wegzugehen und zur Versicherungspflicht zu kommen, was auch ein wesentliches Element für den Umstieg zwischen selbständig und unselbständig ist, dann werden wir das Problem nicht lösen können, dann werden wir in unserem kleinen Kästchen sitzen bleiben, und immer mehr werden draußen vor der Tür stehen, dann werden wir nicht die Zweidrittel-, sondern dann werden wir bald die Vierviertel- oder irgendeine Gesellschaft haben, und die Armut wird steigen, und der Reichtum, der auch steigen wird, wird uns nichts nützen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Karl Öllinger. – Bitte sehr.

11.51

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mich wundert ja schon etwas der Mut, mit dem eine Regierungspartei diese Debatte führt unter dem Titel "Offensive Arbeitsmarktpolitik in Zeiten der Budgetkonsolidierung". Meine Damen und Herren vor allem von der Sozialdemokratischen Partei! Sie können sich in dieser Debatte um offensive Arbeitsmarktpolitik nicht darüber hinwegschwindeln, daß die Zahlen, die Sie nicht genannt haben, nicht so positiv sind. Sie können sich nicht darüber hinwegschwindeln, daß wir in Österreich eines der wenigen EU-Länder mit einer steigenden Arbeitslosenzahl sind, und das unterscheidet uns beispielsweise auch von Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit innerhalb der EU, wie etwa Spanien.

Österreich und die Bundesrepublik haben steigende Arbeitslosenzahlen. Und Sie können sich nicht auf die Schulter klopfen und sagen: Wir haben noch immer eine der niedrigsten Arbeitslosenraten!, denn Sie wissen genauso gut wie ich, daß diese Arbeitslosenraten in den nächsten Jahren steigen werden. Sie können sich nicht darüber hinwegschwindeln, daß wir in Österreich kein Beschäftigungsprogramm haben, daß Sie zwar angetreten sind mit Ihrer neuen Regierung vor einem Jahr und gesagt haben: Es werden Milliarden ausgegeben für Beschäftigungsprogramme!, aber noch immer kein Konzept dafür vorliegt außer dem Verweis auf die Straßen, die noch gebaut werden, auf die Kraftwerke, die noch gebaut werden müssen, und meinetwegen auch auf einige Tunnels, die gegraben werden müssen, damit Sie zu Ihrer Art von Beschäf


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tigungspolitik kommen. – Das wird nicht ausreichen, um uns hier in diesem Land Beschäftigung zu sichern, und das zeigen gerade die Zahlen aus der Bauwirtschaft.

Sie können sich nicht darüber hinwegschwindeln, meine Damen und Herren, daß es auf EU-Ebene keine Beschäftigungspolitik gibt – nach wie vor eine völlige Absage an eine Beschäftigungspolitik! Sie können sich nicht darüber hinwegschwindeln, meine Damen und Herren, daß es kein Ökosteuerkonzept gibt, das tatsächlich Arbeit entlasten könnte und im Umweltbereich Arbeitsplätze schaffen könnte. Und Sie können sich nicht darüber hinwegschwindeln, Herr Bundesminister, daß der Finanzminister offensichtlich nicht bereit ist, Ihnen jene Mittel zu geben, die Sie brauchen würden, um eine aktive Beschäftigungspolitik, um eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben.

Wir haben doch vor wenigen Wochen hier in diesem Haus abgestimmt: Nehmen Sie die Mittel, die von der EU rücküberwiesen werden – das sind über 3 Milliarden –, her, um hier in Österreich zusätzlich Beschäftigung zu schaffen, und zwar durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Sie haben diesen Antrag abgestimmt. Die Zahlen, die Sie im Bereich aktiver Arbeitsmarktpolitik vorlegen, meine Damen und Herren, sind nur für das Jahr 1996 gut. In allen weiteren Jahren, nach dem, was Sie an Mitteln dafür vorausgeplant haben, sinken die Aufwendungen. Es sinken die Aufwendungen! (Zwischenruf des Abg. Koppler .)

Unser Vorschlag, Kollege Koppler, war ganz eindeutig: Nehmen wir die Mittel und verwenden wir Sie für aktive Beschäftigungspolitik, für aktive Arbeitsmarktpolitik. (Abg. Koppler : Das ist ein Schlagwort!)

Wie schaut es denn aus, Herr Minister, im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik, mit Betriebsgründungen, mit der Hilfe für Betriebsgründungen, was Sie mit "Existenz-", mit "Gründerprogramm" titulieren? Wie schaut es denn da aus?

Ich habe konkret Briefe von Personen, die arbeitslos sind, die längere Zeit schon arbeitslos sind, denen die Mittel genehmigt wurden, damit sie ihren eigenen Gewerbetrieb aufmachen können, und denen jetzt die Mittel gestrichen werden – unter dem Titel, sie sind auf dem Arbeitsmarkt nicht verfügbar. – Das sind Ihre eigenen Maßnahmen, die Sie gesetzt haben, die Hilfen für Betriebsgründungen, die Sie immer wieder angekündigt haben, wieder überflüssig machen. Und das ist das Problem.

Wie schaut es denn aus mit einer experimentellen Arbeitsmarktpolitik, mit der "Aktion 8000"? – Das waren doch Sie, Herr Minister, der zusammen mit den Freiheitlichen oder bedingt durch den Druck, den die Freiheitlichen und die ÖVP gemacht haben, die "Aktion 8000" durch ein Programm ersetzt hat, das derzeit nicht angenommen wird.

Wie schaut es denn aus mit dem Sabbatjahr? Wie schaut es denn aus mit einer Ausbildungsgarantie für Arbeitslose – nicht nur für Jugendliche, sondern für alle Erwachsenen? – Das könnten wir uns leisten! Wie schaut es denn aus mit einem Arbeitszeitgesetz, das nicht nur Flexibilisierung beinhaltet, Kollege Koppler, sondern auch Arbeitszeitverkürzung? Wo bleibt denn das Wort von den Sozialdemokraten, nämlich Arbeitszeitverkürzung im Zusammenhang mit Flexibilisierung? Wie schaut es denn aus mit einer Lehrlingsausbildung, mit einem Berufsausbildungsfonds? – Nichts geht weiter. Sie bewegen sich im Stillstand und verkaufen das als eine offensive Arbeitsmarktpolitik. Wie schaut es denn aus mit Ihrer offensiven Arbeitsmarktpolitik in den letzten Wochen? – Sie betreiben sie gegen die Arbeitslosen, aber nicht für die Arbeitslosen!

Herr Minister! Es nützt uns nichts, wenn Sie beschwichtigende Worte hier finden! Es nützt uns nichts, wenn Sie schöne Worte finden. Sie müssen handeln – mit oder ohne Turbo, das ist uns egal, aber im Interesse der Beschäftigten und vor allem im Interesse der Arbeitslosen hier in diesem Land, denn sie haben es verdient. (Beifall bei den Grünen.)

11.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Ederer. – Bitte sehr.


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11.57

Abgeordnete Mag. Brigitte Ederer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst zum Abgeordneten Kier noch eine Bemerkung machen zu der Frage Pflichtversicherung – Pflicht zur Versicherung. Ich halte das insofern für eine gefährliche Diskussion, weil ich davon ausgehe, daß die Sozialversicherungen ein Band sind, das uns gesellschaftlich zusammenhält. Und ich verstehe unter liberalen Forderungen, daß man letztendlich all diese Bänder, Herr Abgeordneter, in Frage stellt. Ich halte das – wenn man sich ansieht, wo es das gibt – für insofern gefährlich, weil es ein weiterer Schritt in Richtung Auseinanderreißen unserer Gesellschaft ist und letztendlich ein stärkeres Auseinanderdividieren ermöglicht. Die gewissen solidarischen Bänder gewährleisten, daß diese Gesellschaft eine ist, in der es eben nicht dieses Auseinanderreißen der Gesellschaft gibt, und ich glaube, daß das auch für Besserverdienende eine Lebensqualität darstellt, die dann nicht mehr gewährleistet wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich halte das wirklich für eine sehr problematische Darstellung. Liberalität in allen Bereichen – ich verstehe, daß Sie das fordern, ich glaube aber, daß Liberalität, die Freiheit jedes einzelnen, dort Grenzen hat, wo es die Notwendigkeit von Solidarität einer Gemeinschaft gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte zu der Frage "Beschäftigungspolitik" folgendes sagen: Erfolgreiche Beschäftigungspolitik bedeutet heute nicht mehr nur ein Instrument, und das ist erfolgreich, sondern es bedeutet das Zusammenspiel von mehreren Instrumenten. Und da geht es, glaube ich, zum ersten darum, daß man sich weiter zu traditioneller Beschäftigungspolitik bekennt. Im Gegensatz zum Kollegen Öllinger bin ich der Meinung, daß sehr wohl Investitionen in die Infrastruktur Sinn machen, sehr wohl Beschäftigung schaffen. Investitionen in die Telekommunikation in unserem Land sind sinnvoll, weil sie zum einen Beschäftigung sichern, zum anderen aber auch dazu führen, daß der Standort Österreich, was die Frage der medialen Möglichkeiten betrifft, weiterhin positiv ist, und das ist eine wichtige Voraussetzung für Investitionen in unserem Land. Das ist eine wichtige Frage, und daher kann traditionelle Beschäftigungspolitik nie obsolet sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Daneben muß es aber auch andere Bereiche geben. In einem Land, in dem 40 Prozent dessen, was hier erzeugt wird, nicht in diesem Land bleibt, sondern auf einen internationalen Markt geht, bedeutet das, daß man mit internationalen Rahmenbedingungen konfrontiert ist und darauf reagieren muß.

Nun sehe ich, daß nationale Spielräume in diesem Bereich zurückgehen, und wir müssen diese Spielräume auf internationaler Ebene zurückgewinnen. Das ist für mich ein Grund, warum ich für den Beitritt zur Europäischen Union war, nämlich um zu erreichen, daß 15 entwickelte Industriestaaten eine viel stärkere Stimme haben als eine Nation. Es geht beispielsweise darum – und das wurde schon vom Abgeordneten Nowotny gesagt –, im internationalen Welthandel soziale und umweltrelevante Mindeststandards durchzusetzen, um letztendlich Dumping zu vermeiden.

Nächster Bereich: Natürlich bleibt uns weiter nationaler Spielraum, der auch weiter nationale Kompetenz ist, wo es auch darum geht, weiter nationale Regelungen zu finden. Wir müssen auf veränderte Entwicklungen reagieren. Beispielsweise genügt es nicht, daß wir ausgebildet werden, danach arbeiten und dann in Pension gehen, sondern es wird verstärkt notwendig sein, lebensbegleitendes Lernen vorzusehen. Das erfordert sicherlich eine Umstellung des Schulsystems, vor allem aber auch eine Umstellung, was die Frage der Möglichkeiten jedes einzelnen betrifft, sich zusätzliche Bildung anzueignen. Ich persönlich bin der Meinung, daß Bildungskarenz eine wichtige Voraussetzung ist, um dieser Qualifikationsnotwendigkeit gerecht zu werden. Wenn man sich ansieht, wer heute arbeitslos ist, dann kann man vereinfacht sagen: Je schlechter man ausgebildet ist, desto eher ist die Gefahr gegeben, daß man arbeitslos wird. Das heißt, Bildung ist eine wichtige Voraussetzung, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind momentan konfrontiert mit einer rasch wachsenden Nachfrage im Bereich der Dienstleistungen. Unser Problem ist, daß das in westlichen Industriegesellschaften sehr stark öffentlich


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finanziert ist. Das heißt, es stößt an budgetäre Grenzen. Es geht darum, über die Frage nachzudenken: Wie kann man aus dieser Schere herauskommen, wie kann man auch die derzeit stattfindende Beschäftigung im Dienstleistungsbereich – sehr oft schwarz und illegal – in legale Beschäftigung umwandeln? – Ich halte es für absolut positiv, daß Bundesminister Hums mit Aktivitäten, wie zum Beispiel auch mit der Nachfolgeaktion der "Aktion 8000" versucht, Langzeitarbeitslose, Menschen, die länger arbeitslos sind, mit Hilfe von Prämien wieder in diesen Beschäftigungsprozeß hineinzubekommen.

Ziel ist es, Arbeitslose in langfristige Beschäftigung zu bekommen, weil eines schon sicher ist: Wenn man heute schwarzarbeitet und meint, man brauche das alles nicht und sei mitversichert, ist man mit 50, 52 dann enttäuscht, daß man keine Pensionsansprüche und keine soziale Absicherung hat. Auch deswegen ist es notwendig, aus der Illegalität heraus und in die richtige Beschäftigung zu kommen, um langfristig eine Absicherung zu ermöglichen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ellmauer. Gleiche Redezeit.

12.02

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Arbeitsplätze schaffen und sichern können auf Dauer nur Betriebe beziehungsweise Unternehmungen, die entsprechende Gewinne erwirtschaften. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Gewinne sind die Voraussetzung, um überhaupt Investitionen und Modernisierungen tätigen zu können, diese wiederum sind für den Bestand der Betriebe und ihre Wettbewerbsfähigkeit unbedingt notwendig. (Abg. Müller: Siehe Semperit!)

Die Politik in Österreich ist dazu aufgerufen, die Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft so zu gestalten, daß sie trotz des verstärkten internationalen Wettbewerbs bestmöglich bestehen kann.

Positive Maßnahmen, wie die Abschaffung der Gewerbe- und der Vermögenssteuer, sind durch entsprechende Vereinfachungen des Betriebsanlagenrechtes zu ergänzen. Der von der ÖVP vorgelegte Entwurf enthält eine echte Deregulierung in diesem Bereich: Verfahrenskonzentration – statt drei oder vier Verfahren nur mehr eines –, Verfahrensbeschleunigung – verspätet einlangende Einwendungen werden nicht mehr berücksichtigt, ähnlich wie bei der Zivilprozeßordnung –, Änderungen des Projektes im laufenden Verfahren – das Verfahren wird unter Berücksichtigung der Änderungen fortgeführt und nicht neu begonnen –, Abschaffung der Sonderstellung der Arbeitsinspektoren – sie sollen in Hinkunft normale Parteienstellung haben. Das vereinfachte Genehmigungsverfahren ist auszubauen, es soll eine Anerkennung von Betriebsanlagen geben, die bereits nach anderen Rechtsvorschriften genehmigt wurden, wie zum Beispiel bei der Ausgliederung von kommunalen Fernwärmeeinrichtungen – diese bedürfen in Hinkunft keiner neuen Genehmigung –, und so weiter.

Durch diese Reformschritte wird ein wichtiger Impuls nicht nur für die Klein- und Mittelbetriebe gesetzt, sondern die gesamte österreichische Wirtschaft wird von diesen Neuerungen profitieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein ebenso wichtiger Bereich ist die Neuregelung der Ladenöffnungszeiten. Wir werden vor allem in Zukunft gezwungen sein, in weiten Bereichen die Flexibilisierung der Arbeitszeiten einzuführen. Das Tempo des inneren Wandels der Betriebe muß an die Geschwindigkeit des äußeren Wandels des Marktes angepaßt werden, damit wir unsere wirtschaftliche Stellung nicht verlieren. In Zukunft wird nicht der größere Betrieb am Markt reüssieren können, sondern der flexiblere und schnellere. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Beibehalten der derzeitigen Regelungen würde Nachteile für unseren Wirtschaftsstandort Österreich bedeuten.


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Noch ein klares Wort: Die Österreichische Volkspartei ist nicht für einen Abbau sozialer Errungenschaften, jedoch für ein gesundes Augenmaß und eine gerechte Interessen- und Güterabwägung. Man muß vertretbare Änderungen in Kauf nehmen, um die Betriebe beziehungsweise den Standort zu sichern. Es ist eine Existenzfrage für Österreich, sich diesen Herausforderungen zu stellen und sich den internationalen Entwicklungen anzupassen.

Auch im wichtigen Bereich der Lehrlingsförderung hat die ÖVP ein umfassendes Programm zur Sicherung und Vermehrung der Ausbildungsplätze vorgelegt. Nach dem Erfolg, die Krankenversicherungsbeiträge um 1,5 Prozent zu senken, ist die Mitversicherung der Lehrlinge bei den Eltern zumindest in den ersten beiden Lehrjahren anzustreben. Weiters soll ein Lehrlingsausbildungsfreibetrag in der Höhe von 30 Prozent des Aufwandes dem Ausbildungsbetrieb wieder zugute kommen. Die Schaffung neuer Berufsbilder, Anerkennung der Meisterprüfung im öffentlichen Dienst sowie die Matura und so weiter runden dieses Programm ab.

Erstmals seit einigen Jahren steigen die Investitionen der österreichischen Industrie wieder. Während 1993 ein Rückgang um 18,5 Prozent und 1994 um 9,6 Prozent verzeichnet wurde, stiegen sie 1995 wieder um 4,5 Prozent. Dies bewirkte vor allem unser Beitritt zur Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben in Oberösterreich bereits 1989 im Rahmen unserer Aktion "Zukunft" das Projekt "Wirtschaft morgen" gestartet. 1994 haben wir dieses Projekt adaptiert und an die geänderten Rahmenbedingungen angepaßt. Der Ostöffnung und dem EU-Beitritt mußten wir Rechnung tragen. Nunmehr, 1996, haben wir die dritte Etappe, die Regionalisierung der Wirtschaft mit modernen High-Tech-Methoden, fortgesetzt: Vernetzung der Arbeitsplätze mittels EDV, Einrichtung entsprechender Infrastruktur und Schnittstellen für moderne Kommunikation und Information für die Betriebe, also Technozentren – dies vor allem, um unseren Mitbürgern auch in Zukunft sichere Arbeitsplätze und ein gesichertes Einkommen zu gewährleisten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Er hat das Wort.

12.08

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von seiten der Bundesregierung, von seiten des Bundeskanzlers, des Herrn Sozialministers wird immer wieder – so auch heute – darauf hingewiesen, daß die Beschäftigungspolitik die höchste Herausforderung für Österreich und für ganz Europa ist, und Ziel muß es sein, die Vollbeschäftigung wieder zu erreichen.

Die Zahl der Arbeitslosen, sehr geehrte Damen und Herren, steigt in Österreich aber nach wie vor weiter an. Wir haben heute saisonbereinigte Werte in Österreich von 4,1 Prozent, was zwar noch deutlich niedriger ist als der europäische Durchschnitt mit knapp 11 Prozent, aber das darf uns ganz einfach nicht beruhigen, wenn die Tendenz weiter steigend ist. Und die Dauer der Arbeitslosigkeit, sehr geehrte Damen und Herren, mit dieser steigenden Tendenz, die mit Ende September 1996 mit 149 Tagen um acht Tage länger ist als im Vorjahr, müßte uns eigentlich zu denken geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn dadurch, sehr geehrte Damen und Herren, kommt zum Ausdruck, daß die Dauer der Arbeitslosigkeit immer länger wird. Die Arbeitslosenrate vom September 1996 beträgt 191 867, prozentuell sind das 5,8 Prozent. Im Prinzip gibt es die größte Zuwachsrate bei den 30- bis 49jährigen und bei den 15- bis 19jährigen – und das bei Bau-, Gesundheits-, Lehrberufen und in den technischen Berufen.

Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen ging gegenüber dem Vorjahr um 20 Prozent zurück. Es wurde auch heute wieder vom Herrn Sozialminister darauf hingewiesen, daß wir die niedrigste Arbeitslosenrate in Europa haben. Aber die Zahlen beweisen ganz einfach, daß die Tendenz bei den 15- bis 19jährigen steigend ist und wir Gefahr laufen, dieselbe Arbeitslosigkeit wie im übrigen Europa zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Es ist auch hinlänglich bekannt, daß die Zahl der offenen Lehrstellen in Österreich wesentlich geringer ist als die der Lehrstellensuchenden – der Unterschied beträgt zirka 15 000. Das war in der Vergangenheit nicht so. Daß man da gegensteuern sollte, hat auch die Bundesregierung immer wieder beteuert. Wir von den Freiheitlichen fordern seit Jahren, daß man gegensteuert und daß man für die Lehrlinge eine Offensive einleitet. – Getan hat man bis heute überhaupt nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wurden neue Arbeitsübereinkommen angekündigt, um in der XX. Gesetzgebungsperiode eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, um eine Verstärkung der Qualifikationspolitik für Arbeitslose und Beschäftigte, deren Arbeitsplätze gefährdet sind, herbeizuführen. – Sehr geehrte Damen! Ich sehe nichts davon. (Abg. Gradwohl: Dann mach die Augen auf, Sigisbert!) Wenn zum Beispiel ein Tischler, der die Meisterschule besuchen will, nicht in eine Arbeitsstiftung kommt, wenn er nicht arbeitslos ist, dann kann er diese überhaupt nicht besuchen, weil er die gesamten Sozialleistungen selber tragen müßte, sich selbst versichern müßte. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dasselbe passiert einem Maurer, der eine Polierschule besuchen möchte. Sollte er nicht arbeitslos sein, sollte er nicht in eine Arbeitsstiftung kommen, kann er diese Polierschule nicht besuchen, weil er eben aus dem gesamten Sozialgefüge herausfällt. Er müßte sich selbst versichern, wenn er nicht arbeitslos ist und Arbeitslosengeld bezieht und nicht in einer Arbeitsstiftung ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Man kündigt hier an, auch für Beschäftigte, deren Arbeitsplätze gefährdet sind, soll etwas getan werden. Dann müßte aber für diese Leute dasselbe Recht gelten wie für Arbeitslose! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Das ist ein Teufelskreis!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wo wurden die Versprechungen der SPÖ im Wahlprogramm von 1994, nämlich 150 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, verwirklicht? – Vranitzky am 7. Oktober 1994: Ziel der SPÖ seien 150 000 neue Arbeitsplätze. – Kostelka, der Klubobmann der SPÖ: Der SPÖ gehe es um die vereinbarte Schaffung zusätzlicher 200 000 Arbeitsplätze.

Naja, mittlerweile sind zwei Jahre vergangen. Jetzt redet unser Bundeskanzler nur mehr von 80 000 neuen Arbeitsplätzen, die er schaffen will. Das hat er im Februar 1996 gesagt. Damit schießt er weiterhin den Vogel ab. Arbeitsplätze schafft man aber nicht durch das Hinausschicken von ausländischen Beschäftigten, sondern durch das Hereinholen von Aufträgen. Mir kommt es außerdem so vor, als ob Arbeitskräfte nach Österreich hereingeholt werden, aber die Arbeit ins Ausland verlagert wird. Im Schlaraffenland sind wir in Österreich aber nicht, denn die Armut steigt in Österreich rapide an.

Die österreichische Bundeswirtschaftskammer erdreistet sich sogar, ein Seminar darüber auszuschreiben, wie im Osten produziert werden soll. (Abg. Haigermoser: Wer war das? Die Bundeswirtschaftskammer?) Das ist eine Initiative der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Ich zitiere: Die in Zeiten eines globalen Wettbewerbs unter dem Druck nach Kosteneinsparungsmöglichkeit suchen, müßte man ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (fortsetzend): Selbstverständlich, Herr Präsident! Ich zitiere: Welches Land ist gerade für mein Unternehmen das richtige? Sind die Arbeitskräfte dort ausreichend qualifiziert? – Mit der Produktion auf und davon in die Reformstaaten des ehemaligen Ostens! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist eine Initiative der Niederösterreichischen Wirtschaftskammer! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)


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12.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. Sie hat das Wort.

12.14

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Sozialminister! Meine Damen und Herren! Bevor ich jetzt zum aktuellen Thema meinen Beitrag gebe, möchte ich, Frau Kollegin Ederer, Ihre Unterstellung, daß es in unserer Absicht läge, die Schere zwischen Arm und Reich zu vergrößern, auch im Namen meines Kollegen Kier ganz entschieden zurückweisen. Worum es uns tatsächlich geht, ist, auf Basis einer effizienten sozialrechtlichen Absicherung die bestmöglichen Entfaltungsmöglichkeiten für alle Menschen zu schaffen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Haselsteiner: Das hat Frau Ederer nicht verstanden!) An und für sich bin ich von Kollegin Ederer solche Unterstellungen auch gar nicht gewöhnt.

Nun aber zurück zur offensiven Arbeitsmarktpolitik. Wir diskutieren diese hier schon etwa eine Stunde lang. Eigentlich gehen alle hier von der Prämisse aus, Frauen wären am Arbeitsmarkt ohnehin gleichberechtigt, es bedürfe also nicht ganz gezielter frauenfördernder Maßnahmen. Dabei schaut die Situation für Frauen derzeit besonders traurig aus.

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist bedrängt. Das frauenbenachteiligende Sparpaket hat da seinen Beitrag geleistet. Die Tendenz "Frauen heim an den Herd" wird eigentlich Tag für Tag spürbarer. Sie sehen das ganz deutlich, wenn Sie sich die Zahlen bei den vorgemerkten Arbeitslosen anschauen. Da nimmt die Zahl der Frauen drastisch zu. So stieg zum Beispiel die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen im Vergleich September 1996 zu September 1995 bei Männern um 0,9 Prozent und bei Frauen immerhin um 7,6 Prozent.

Zum erstenmal seit Jahren sinkt die Frauenerwerbsquote. Letztendlich haben sich auch die politischen Zielvorstellungen entsprechend verändert. Einer der wohl wichtigsten Punkte für Frauen, nämlich eine Gleichstellungspolitik als fester Bestandteil von Wirtschafts- und Strukturpolitik, ist im neuen Koalitionsübereinkommen verschwunden, genauso wie eine Sensibilisierung für diese Thematik auch aus den Köpfen der Verantwortlichen verschwunden zu sein scheint. So wurde in allen namhaften Berichten über die wirtschaftliche Lage Österreichs, sei es vom Bundeskanzler, sei es vom Finanzminister oder vom Wirtschaftsminister, das Wort "Frau" nicht einmal erwähnt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Selbstverständlich brauchen wir eine gezielte Arbeitsmarktoffensive für Frauen. Wir brauchen aber auch eine Neuverteilung der Arbeit zwischen Männern und Frauen. Das wird umso wichtiger, je bedrängter die Situation am Arbeitsmarkt wird.

Der Arbeitsmarkt ist geschlechtsspezifisch segmentiert. Frauenarbeitsplätze werden schlechter bezahlt als Männerarbeitsplätze. Vollzeitarbeit scheint immer mehr ein Anrecht für Männer zu werden. Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigungen fallen in ständig steigendem Ausmaß den Frauen zu. Bezahlte Erwerbsarbeit bleibt den Männern vorbehalten. Frauen haben unbezahlte Arbeit im Bereich der Betreuung zu leisten. Herr Abgeordneter Khol ist heute nicht da, aber von ihm stammt dieser sinnige Ausspruch, Familienpolitik wäre Sozialpolitik, davon seien in hohem Maße die Frauen betroffen. – Frauen sollen also als unentgeltliche Sozialarbeiterinnen der Republik erhalten bleiben, und das noch dazu ohne sozialrechtliche Absicherung!

Die Diskriminierungen im Frauenbereich sind vielfältig. Die Diskriminierungsrate im Bildungsbereich ist erschreckend hoch. Nach wie vor haben fast 27 Prozent der 25- bis 30jährigen Frauen keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluß. Frauen werden deutlich unter ihrem Qualifikationsniveau eingesetzt. Der Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung, besonders wenn es um Führungspositionen geht, bleibt – sogar im Bundesdienst – nach wie vor letztendlich eine Männerdomäne.

Wir brauchen einen frauenspezifischen Maßnahmenkatalog, vor allem im Bildungsbereich, vor allem im Bereich der Erwachsenenbildung. Wir brauchen neue Arbeitsformen, flexiblere Arbeitszeitmodelle und eine umfassende Reform der Gewerbeordnung, um nicht weiterhin den Einstieg in die Selbständigkeit für Frauen mehr oder weniger ohne Grund zu verhindern. Vor allem möge auch das Arbeitsmarktservice seinen gesetzlichen Auftrag erfüllen. Ich denke hierbei insbeson


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dere an die Förderung von Lehrstellen für Mädchen in Männerberufen. Herr Minister! Ich hatte schon die Gelegenheit, Ihnen zu berichten. Das Arbeitsmarktservice agiert da eher demotivierend und hinderlich.

Wenn es den Beteiligten ernst ist mit einem Abbau der Diskriminierung, ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Maria Schaffenrath (fortsetzend): ... dann würde ich als ersten Schritt vorschlagen, die Gleichbehandlungsanwaltschaften zu regionalisieren. Der Kostenbeitrag wäre in etwa 15 Millionen Schilling, aber wahrscheinlich müssen wir darauf noch ein paar Jahre warten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander.

12.20

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Diese Aktuelle Stunde gibt Anlaß, so wie meine Vorrednerin besonders auf den frauenpolitischen Aspekt dieser Debatte einzugehen. Ich möchte jedoch noch an einen weiteren Aspekt anknüpfen, der mir ebenfalls durchaus aktuell erscheint.

Es liegt eine Reihe von Berichten vor, das ist im Herbst so üblich, und bei dieser Gelegenheit preist Ihr Ministerium wieder einmal alle frauenpolitischen Maßnahmen an, die Sie setzen, vor allem in der Arbeitsmarktpolitik. Man liest da von Qualifizierungsmaßnahmen, Berufsorientierungskursen, Unterstützung von Personen mit Betreuungspflichten – eine ganze Latte wunderbarster Dinge, wie ein Füllhorn. (Abg. Dunst: Super!) Nur, es steht nirgends und es wird meiner Meinung nach bewußt in keinem Bericht erwähnt, welche dieser Maßnahmen der sogenannten Strukturanpassung oder dem Sparpaket zum Opfer gefallen sind. Denn, bitte, es ist eine Farce, sich auf der einen Seite hinzustellen und zu sagen, was da alles auf dem Papier steht, wenn man die andere Seite völlig außer acht läßt, nämlich was es alles längst nicht mehr gibt. Und das ist nicht nur die Phantasie einer grünen Abgeordneten, daß es das nicht mehr gibt, sondern das ist Realität. Auch wenn Sie, Herr Minister, Ihr Ressort, Ihr Ministerium wie auch die Arbeitsmarktserviceeinrichtungen in den Ländern sich offensichtlich weigern, dem konkret nachzugehen und keine offiziellen Daten auf den Tisch legen, welche dieser speziellen frauenfördernden Maßnahmen, Qualifikationskurse, Berufsorientierungskurse und so weiter überhaupt noch gefördert werden und in welchem Umfang, haben wir ein Bild davon und wissen es.

Und ich sage Ihnen eines, Herr Minister: Wir werden uns mit Ihrer Untätigkeit nicht zufriedengeben. Ich halte es für eine ziemlich arglose oder auch verantwortungslose Art von Politik, zu sagen, das gibt es alles, aber ich überprüfe nicht, wie das wirklich funktioniert und ob diese Kurse so, wie sie angelegt sind, auch adäquat sind. Aber vor allem wird nicht geprüft, was den Sparmaßnahmen, die Sie ja ebenso verordnen, die Sie ja auch zu den regionalen Stellen durchgeben müssen, zum Opfer fällt.

Wir werden eine solche Recherche im nächsten Jahr durchführen. Wir werden von Verein zu Verein, von Einrichtung zu Einrichtung gehen und versuchen, das zu recherchieren, wenn Sie nicht bereit sind, hier die Unterlagen darüber auf den Tisch zu legen, welche dieser Maßnahmen überhaupt noch angewendet werden.

Gestern haben wir in der Zeitung lesen können, daß ein offensichtlich auch von der Öffentlichkeit sehr positiv beurteiltes, qualifiziertes Projekt, nämlich das Projekt AQUA, am Scheitern ist und das Aus signalisiert. Und das ist kein Projekt der autonomen Frauenszene. Das ist ein Projekt, das mit Unterstützung des AMS eingerichtet wurde und das seit seinem Bestehen mit ständigem Hinauszögern der Erfüllung von Versprechungen und mit langen Bearbeitungszeiten der Anträge zu kämpfen hatte – mit all den Dingen, die all jene kennen – vor allem Frauen –, die auf diesem Gebiet arbeiten und tätig sind.


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Es gibt eine Menge von Hürden, die Sie immer wieder einbauen: Die Bearbeitung der Anträge dauert zu lang, dann soll wieder etwas geändert werden – und das paßt dann wieder nicht. Wer zahlt die Arbeitszeit der Frauen, die in dem Bereich arbeiten? – Das ist einmal das eine Kapitel.

Das andere ist, daß die Zermürbung natürlich ihren Preis fordert, was Sie ja offensichtlich auch beabsichtigen. Viele werfen das Handtuch und sagen: Das tue ich mir einfach nicht an! Und so bleiben alle diese schönen Maßnahmen, die Sie in Ihren Berichten hier proklamieren und aufzählen, auf der Strecke, und aus dem Ganzen wird nichts als Papier, das Sie dann verteilen und von dem Sie hier berichten. Ich könnte Ihnen eine ganze Liste solcher Initiativen, solcher Einrichtungen, solcher Gruppen, solcher Vereine aufzählen, die nicht mehr arbeiten können. Und eines ist uns schon bewußt und klar: daß es gerade in diesem Bereich der Qualifizierungsmaßnahmen, der Berufsorientierung eine Menge zu tun gibt – das ist unbestritten –, daß es vieler Beratungsstunden bedarf, die Sie nie bezahlen, die Sie nie ausgleichen, die Sie nie einrechnen. Das, was Sie immer mehr tun, ist, daß Sie Leistung vom Amt zukaufen, aber nicht berücksichtigen, daß alle diese Einrichtungen auch existieren müssen, Infrastrukturkosten haben, Personalkosten haben. Sie setzen bewußt auf den Faktor der Selbstausbeutung der Frauen, damit irgend etwas kommt und Sie irgend etwas erreichen, damit Sie vielleicht einmal bei einem Projekt schreiben können: Das war halt schön.

Aber noch einmal: Das Resümee ist in der gestrigen Zeitung zu lesen. Und das war nur eines von vielen Projekten, die Sie ursprünglich unterstützt und gefördert haben. Wir werden Ihnen nächstes Jahr sicher eine Bilanz vorlegen können, wenn Sie nicht bereit sind, diese von sich aus hier auf den Tisch zu legen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

12.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Herr Bundesminister hat noch einmal um das Wort ersucht. – Bitte sehr.

12.26

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Im Sinne meiner Informationspflicht möchte ich eindeutig feststellen: Wir haben heuer im Bereich der gesamten aktiven Arbeitsmarktpolitik 1,5 Milliarden Schilling mehr zur Verfügung und verwenden diese auch. Wir haben wesentlich mehr Mittel für Frauenförderung zur Verfügung und verwenden sie auch. Und dazu kommen noch die Gemeinschaftsinitiativen der Europäischen Union. Daher: Es gibt nicht weniger, sondern mehr Mittel – wesentlich mehr Mittel – für die aktive Förderung der Frauen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

12.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisung verweise ich im Sinne der Geschäftsordnung auf die schriftlich verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1360/J bis 1386/J

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 6/JPR

2. Anfragebeantwortungen: 1171/AB bis 1176/AB

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 5/ABPR


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3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Leistung weiterer Beiträge zur Weltbank Konsultativgruppe für internationale landwirtschaftliche Forschung (CGIAR) für die Jahre 1996 bis 1998 (333 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) (334 der Beilagen),

Schutzzertifikatsgesetz 1996 – SchZG 1996 (335 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird (346 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 1982 geändert wird (366 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird (367 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (368 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (371 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen (372 der Beilagen),

4. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien (373 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz (KAG-Novelle 1996) geändert wird (379 der Beilagen),

Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen (380 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird (381 der Beilagen),

Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige – SchUG-B (383 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (384 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Abgeltung von Prüfungstätigkeiten im Bereich des Schulwesens mit Ausnahme des Hochschulwesens und über die Entschädigung der Mitglieder von Gutachterkommissionen gemäß § 15 des Schulunterrichtsgesetzes geändert wird (385 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem ein Arbeitszeitgesetz für Angehörige von Gesundheitsberufen in Kranken-, Pflegeanstalten und ähnlichen Einrichtungen geschaffen (Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz – KA-AZG) und das Arbeitszeitgesetz geändert wird (386 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden (387 der Beilagen),

2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 – 2. SRÄG 1996 (394 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuß:

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Genehmigung von überplanmäßigen Ausgaben im 3. Quartal 1996 (Vorlage 15 BA);


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Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 15 betreffend "Vorrang für Österreichs Sicherheit durch eine Österreichische Sicherheitsdoktrin und die Anpassung des Landesverteidigungsplanes 85 (LVP 85)", überreicht vom Abgeordneten Herbert Scheibner;

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Gesundheitsausschuß:

Petition Nr. 12 betreffend "Erhaltung der Akutversorgung im Krankenhaus Waiern", überreicht von den Abgeordneten Dr. Andreas Khol, Edeltraud Gatterer und Georg Wurmitzer;

Verfassungsausschuß:

Petition Nr. 1 betreffend "Änderung des § 7 Abs. 1 Volksbegehrengesetz", überreicht vom Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler,

Petition Nr. 2 betreffend "Änderung des § 124 der Nationalratswahlordnung 1992", überreicht vom Abgeordneten Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler,

Petition Nr. 3 betreffend "Bus und Bahn für alle – Resolution für ein Gleichstellungsgesetz", überreicht von den Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Volker Kier, Mag. Walter Guggenberger und Dr. Gottfried Feurstein;


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Verkehrsausschuß:

Petition Nr. 13 betreffend "20 Jahre Fluglärm sind genug – Donaustadt fordert ihr Recht", überreicht vom Abgeordneten Josef Edler;

Wirtschaftsausschuß:

Petition Nr. 4 betreffend "Die berufliche Eingliederung von lernbehinderten Jugendlichen", überreicht von den Abgeordneten Dr. Gottfried Feurstein, Dr. Helene Partik-Pablé, Klara Motter und Mag. Walter Guggenberger.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Finanzausschuß:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Notenwechsel und Verständigungsprotokoll (213 der Beilagen);

Gesundheitsausschuß:

Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 (382 der Beilagen);

Ausschuß für innere Angelegenheiten:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen (343 der Beilagen);

Rechungshofausschuß:

Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes über die Karawankenautobahn (III-57 der Beilagen);

Verkehrsausschuß:

Wirtschaftskommission für Europa; Transeuropäische Eisenbahn (TER); Verlängerung des Kooperationsübereinkommens über den Treuhandfonds (344 der Beilagen).

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Unterrichtsausschuß:

Bericht der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten über den schulischen Teil der Berufsausbildung (Lehrlingsausbildung) 1995 (III-56 der Beilagen);

Verfassungsausschuß:

Bericht der Bundesregierung gemäß § 9 Abs. 7 des Volksgruppengesetzes über die Volksgruppenförderung im Jahre 1995 (III-58 der Beilagen).

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters ist eingelangt das Internationale Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen über Änderungen des Übereinkommens (345 der Beilagen).

Nach Rücksprache mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz und nach Abwägung aller Gesichtspunkte haben wir uns entschlossen, hinsichtlich der Vorlage über den Wachdienst von Seeleuten von der Zuweisung an einen Ausschuß abzusehen und ihn ohne Vorbehandlung auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen des Nationalrates zu stellen.

Wird dagegen Widerspruch erhoben? – Das ist nicht der Fall. Es wird daher so vorgegangen.

Weiters bringe ich dem Nationalrat entsprechend der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz zur Kenntnis, daß aufgrund der Ergebnisse der teilweisen Wiederholung der Nationalratswahl 1995 am 13. Oktober 1996 eine Änderung in der Zusammensetzung des Hauptausschusses eingetreten ist.

Gemäß § 30 Abs. 3 der Geschäftsordnung setzt sich der Hauptausschuß nunmehr so zusammen, daß auf den Klub der SPÖ 12 Mitglieder entfallen, auf den Klub der ÖVP 8 Mitglieder, auf den freiheitlichen Parlamentsklub 7 Mitglieder und auf die Klubs Liberales Forum und Grüne je 1 Mitglied. Ich bitte um Kenntnisnahme.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub der Grünen hat nach § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung der heutigen Sitzung schriftlich eingebrachte Anfrage 1387/J der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen an die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Inanspruchnahme von Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Durchführung dieser Dringlichen Anfrage für 15.30 Uhr festgesetzt.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, daß Herr Abgeordneter Mag. Peter beantragt hat, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über


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den Antrag 14/A der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten eine Frist bis zum 31. März 1997 zu setzen.

Es liegt darüber hinaus das Verlangen vor, darüber eine kurze Debatte durchzuführen. Dem ist im Sinne der Geschäftsordnung Rechnung zu tragen. Da aber für die heutige Sitzung bereits eine dringliche Anfrage eingebracht und deren Verhandlung für 15.30 Uhr festgelegt wurde, wird diese kurze Debatte über den Fristsetzungsantrag im Anschluß an die Dringliche Anfrage vorgenommen werden. Unmittelbar nach der Debatte wird auch die Abstimmung durchgeführt werden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Was die heutige Tagesordnung betrifft, liegt mir der Vorschlag vor, die Punkte 1 bis 6, 7 bis 9, 10 bis 12 sowie 13 bis 15 jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so vorgehen.

Redezeitbeschränkungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: In der Präsidialkonferenz ist Konsens über die Dauer und Gestaltung der Debatten zur heutigen Tagesordnung wie folgt erzielt worden: Für alle Tagesordnungspunkte wurde eine Blockredezeit von sieben "Wiener Stunden" vereinbart, die sich wie folgt aufteilen: SPÖ 105 Minuten, ÖVP 98 Minuten, Freiheitliche 91 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 63 Minuten.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das einvernehmlich so beschlossen.

1. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (342 der Beilagen): Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen G.m.b.H. und über den Antrag 270/A (E) der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Otmar Brix und Genossen betreffend Nationalpark Donau-Auen (353 der Beilagen)

2. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 23/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Reduktion des Flottenverbrauchs (306 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 32/A (E) der Abgeordneten Anna Elisabeth Aumayr und Genossen betreffend Nationaler Umweltplan und Bundes-Abfallwirtschaftsplan als strategische Instrumente der österreichischen Abfallwirtschaft (307 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 21/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Erweiterung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (354 der Beilagen)


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5. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 15/A (E) der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen betreffend Nachdenkpause Wasserkraftwerk Lambach (355 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 170/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Rücknahme der Übertragung der Kompetenz zur Festlegung von Einspeisetarifen für elektrischen Strom an die Landeshauptleute, soweit Lieferungen elektrischen Stroms aus Windenergie-, Biomasse-, Biogas- und Photovoltaikanlagen davon betroffen sind (356 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zu den Punkten 1 bis 6 der Tagesordnung. Über diese wird die Debatte – wie eben festgelegt – gemeinsam durchgeführt.

Es sind dies: Berichte des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (342 der Beilagen), Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalpark G.m.b.H., Antrag 270/A (E) der Abgeordneten Kopf, Brix und Genossen betreffend Nationalpark Donau-Auen (353 der Beilagen), Antrag 23/A (E) der Abgeordneten Mag. Barmüller und Genossen betreffend Reduktion des Flottenverbrauches, Antrag 32/A (E) der Abgeordneten Aumayr und Genossen betreffend Nationaler Umweltplan und Bundes-Abfallwirtschaftsplan als strategische Instrumente der Abfallwirtschaft sowie der Antrag 21/A (E) der Kollegen Barmüller und Genossen betreffend Erweiterung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, weiters die Anträge 15/A (E) der Abgeordneten Anschober und Genossen betreffend Nachdenkpause für das Wasserkraftwerk Lambach und 170/A (E) der Abgeordneten Barmüller und Genossen betreffend Rücknahme der Übertragung der Kompetenz zur Festlegung von Einspeisetarifen für elektrischen Strom an die Landeshauptleute.

Ein Verlangen auf mündliche Berichterstattung liegt nicht vor, daher wird dies auch nicht geschehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr. Sie hat das Wort.

12.33

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Die Eröffnung des Nationalparks Donau-Auen am 26. Oktober war eines der besten Beispiele dafür, wie es aussieht, wenn man sich mit fremden Federn schmückt. Herr Minister Bartenstein, Herr Landeshauptmann Pröll! Sie beide sind jetzt zu den Schöpfern des Nationalparks geworden.

Wenn wir uns aber zurückerinnern, als vor zwölf Jahren – bei klirrender Kälte – Umweltschützer gegen den Kraftwerksbau demonstriert haben, dann muß man sagen: Diese waren auf sich allein gestellt. Erinnern Sie sich an den Werbefeldzug des Verbundes: In Österreich gehen die Lichter aus, wenn dieses Kraftwerk nicht gebaut wird, der Wirtschaftsstandort Österreich ist in Gefahr, Arbeitsplätze werden vernichtet.

Die Bauarbeiter wurden gegen die Umweltschützer aufgehetzt. "Verrückte Berufsdemonstranten" – alle möglichen Beschimpfungen mußten sich diese Menschen gefallen lassen, körperliche Verletzungen, Drohungen, ja sogar an den Haaren hat man diese Umweltschützer zum Teil durch die Au geschleift. Und immer wieder die Drohungen der Parteien, der Politiker: Die Lichter gehen aus, wenn nicht gerodet und nicht gestaut wird.

Bei Zwentendorf war es ganz ähnlich. Mit den gleichen Argumenten, mit einer Millionenwerbung für das Atomkraftwerk, wurde dafür geworben. Auch damals wurde gedroht, auch damals "gingen die Lichter" aus, auch damals "brach die Wirtschaft zusammen", hieß es und das Atomkraftwerk Zwentendorf sei absolut sicher. Alle Gegner waren auch damals Fortschrittsverweigerer, waren Ungebildete, waren dumm.


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Herr Minister! Diese beiden Beispiele, Hainburg und Zwentendorf, sind Beweise dafür, daß damals Politiker am Werk waren, die entweder nicht die Wahrheit gesagt haben oder sehr irrtumsanfällig waren. (Abg. Mag. Steindl : Sie waren nicht dabei! – Abg. Dr. Lukesch : Die Freiheitlichen!)

Die Freiheitlichen waren gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf, wenn Sie sich erinnern! Selbstverständlich! Die Freiheitlichen waren als einzige Partei dagegen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Auf alle Fälle haben die zuständigen Politiker falsche Prognosen gestellt. (Abg. Dr. Feurstein : Ihre Regierung!)

Herr Minister! Wie fühlt man sich eigentlich als Politiker, wenn man so wie Sie einen Nationalpark eröffnet, wo nach Ihrer Meinung eigentlich ein Kraftwerk hätte gebaut werden sollen? – Selbstverständlich: Sie sind "niemals" gegen dieses Kraftwerk aufgetreten! (Abg. Ing. Langthaler : Pfui, das war peinlich!)

Daß diese Regierungsvorlage zur Gründung des Nationalparks nur halbfertig ist, wird verschwiegen. Und es wird auch verschwiegen, daß die Grundablöse nicht stattgefunden hat und mit unfairen Methoden vorgegangen wird. Es wäre viel ehrlicher, Herr Bundesminister, wenn Sie den Grundeigentümern klare und offene Angebote für diese Entschädigungen machen würden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie machen das ja auch in anderen Bereichen, wo öffentliches Interesse besteht. Wenn eine Autobahn gebaut wird oder wenn KV-Leitungen gebaut werden sollen, treten Sie ja auch an die Grundeigentümer heran und legen Angebote darüber, wie hoch die Grundablöse sein soll. Warum tun Sie es in diesem Fall nicht? Sie spalten die Gesellschaft: Da die Guten, die für den Nationalpark sind, und dort die Bösen, die gegen den Nationalpark sind. Nur stimmt es so ganz einfach nicht!

Eines muß noch ganz klar gesagt werden: Wir können nicht die Umweltpolitik auf die Gründung von Nationalparks reduzieren. Im Nationalpark wird die Umwelt geschützt, außerhalb davon wird aber einer Naturzerstörung das Wort geredet. Es muß uns klar sein, daß zwei Generationen auf dieser Erde mehr Ressourcen verbraucht haben als alle anderen Generationen vor uns. Und die ökologische Steuerreform – sie ist zwar in aller Munde – wird ganz einfach nicht eingeführt.

Wenn die EU-Kommissare von der CO2-Steuer reden, dann immer mit dem Zusatz, daß diese Steuerregelung auch für die USA, auch für Japan zu gelten hat – das bedeutet ein Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.

Beim EU-Beitritt, von dieser Regierung mit aller Vehemenz betrieben, wurde auch gedroht, versprochen, wurden die Gegner wieder als dumm und ungebildet, als Fortschrittsverweigerer und als Feinde Europas hingestellt. Da wurde das gleiche Spiel getrieben wie bei Hainburg, wie bei Zwentendorf, nur in einem viel größeren Ausmaß.

Herr Bundesminister! Es wurde den Österreichern versprochen, daß die Umweltstandards in Österreich erhalten bleiben, daß österreichische Abgeordnete im Europäischen Parlament in Brüssel initiativ werden, damit die höheren österreichischen Umweltstandards für die gesamte EU gelten sollen. Sie haben die Unwahrheit gesagt, Herr Bundesminister! Sie wissen ganz genau, daß, wenn wir unsere höheren Umweltstandards in Österreich beibehalten, Arbeitsplätze verlorengehen werden – ganz zu schweigen davon, ob wir uns durchsetzen könnten in der Europäischen Union oder im Europäischen Parlament mit 21 Abgeordneten, die nicht einmal einen Antrag einbringen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie können in Österreich die strengsten Umweltgesetze einführen – es nützt ganz einfach nichts, wenn Produkte nach Österreich eingeführt werden können, die unter viel niedrigeren Öko-Standards produziert worden sind. (Bundesminister Dr. Bartenstein spricht mit Abg. Anschober. – Abg. Mag. Stadler: Anna Elisabeth, du mußt ein bißchen warten!)

Herr Kollege Anschober! Drei Minuten bitte! Sie sind ja auch noch auf der Rednerliste, glaube ich.


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Herr Kollege! Ich sage Ihnen, was ich vorschlage: Es müssen Importe ausländischer Äpfel nach Österreich zugelassen werden, die mit Pestiziden hergestellt werden, die in Österreich verboten sind – das ist kein freier Handel, das ist ein erzwungener Handel, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das ist ein absolut lebensfeindliches System, welches besagt: In Frankreich werden Hybrid-Äpfel billiger produziert – das heißt: und ihr in Österreich reißt eure Äpfelbäume aus! Oder ein wirtschaftliches Argument: In der Türkei, in Griechenland wird Leder billiger hergestellt – also schließt in Österreich eure Gerbereien! – Und das ist auch der Fall, das passiert wirklich täglich.

Die einzige Möglichkeit für den Wirtschafts- und Umweltstandort Österreich ist – jetzt komme ich zum Vorschlag, Herr Kollege Kopf –, daß wir uns, solange es in den anderen Ländern bei den Umwelt-, den Sozial- und Lohnstandards so große Unterschiede zu Österreich gibt, mit Schutzzöllen schützen. Denn wenn Sie weiterhin dieser grenzenlosen Liberalisierung und Globalisierung der Wirtschaft das Wort reden, werden wir Massenarbeitslosigkeit im Land bekommen. (Abg. Kopf : Und unseren Export geben wir dann auf?)

Herr Kollege! Warum glauben Sie denn, daß die Betriebe auslagern, daß die Wirtschaftskammer Niederösterreich Seminare veranstaltet darüber – wie mein Kollege Dolinschek vorhin aufgezeigt hat – , wie man im Osten produziert? Warum produzieren die Konzerne im Osten? – Weil es dort bedeutend niedrigere Umweltstandards und einen bedeutend niedrigeren Lohnstandard gibt. Solange dieses System aufrechterhalten wird, riskieren Sie den Umweltstandard Österreichs, unsere zum Teil hervorragenden Umweltgesetze und unsere Arbeitsplätze. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schrefel. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf 5 Minuten ein.

12.42

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Viel Wasser ist die Donau hinuntergeflossen, ehe am vergangenen Sonntag Umweltminister Bartenstein sowie Landeshauptmann Pröll und Bürgermeister Häupl ihre Unterschrift unter die Gründungsurkunde für den Nationalpark Donau-Auen gesetzt haben. Ein Vierteljahrhundert nach Zwentendorf und zwölf Jahre nach dem denkwürdigen Bürgerwiderstand auf dem Areal des damals geplanten Kraftwerkes Hainburg wird mit der Errichtung des Nationalparks ein einzigartiges Naturparadies gesichert. Die Volkspartei, liebe Frau Kollegin Aumayr, schmückt sich hier sicher nicht mit fremden Federn, wie Sie vorhin behauptet haben. (Abg. Meisinger : Mit falschen!)

Die Volkspartei war seinerzeit unter dem Generalsekretär Othmar Karas bei den Auschützern dabei, und Ihre Partei, Frau Kollegin, war damals in der Regierung Sinowatz – das muß man auch richtigstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Im März 1991 wurde im Auftrag des Bundes sowie der Bundesländer Niederösterreich und Wien die Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal mit der Erstellung eines Nationalpark-Konzepts beauftragt. Weiters wurde 1991 das Nationalpark-Forum als Organ der Bürgerbeteiligung gegründet, deren Mitglieder die Interessen der örtlichen Bevölkerung vertreten.

Die daraus erarbeiteten vier Varianten für einen Nationalpark Donau-Auen zeigen eine gewisse Bandbreite in der Entscheidungsfindung. Über 50 Wissenschafter haben mitgearbeitet, über 25 Studien wurden extern im Auftrag der Betriebsgesellschaft verfaßt. Auch massiven Gegnern ist es nicht gelungen, sachliche Mängel an diesem Konzept aufzuzeigen. Die polemische Argumentation der Gegner bestätigt die hohe Qualität des Konzepts.

Der in letzter Zeit immer häufiger geäußerte Wunsch hoher und höchster Politiker im Jahr 1996, also dem Millenniumsjahr, einen Nationalpark Donau-Auen eröffnen zu wollen, war Anlaß dafür,


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einen ersten und endgültigen Schritt zu setzen und zunächst 9 300 Hektar, welche sich ausschließlich in öffentlicher Hand befinden, unter Vertrag zu nehmen.

Die Unterschriften unter das Übereinkommen sind das Ende einer Etappe und der Beginn der nächsten Epoche in der Entwicklung des Nationalparks. Jetzt muß alles darangesetzt werden, das Vertrauen der Bevölkerung in der Region zu gewinnen, zumal ein Nationalpark gegen die Interessen der dort lebenden Menschen nicht zielführend sein kann.

Der nun unterzeichnete 15a-Vertrag beinhaltet zunächst diese 9 300 Hektar – im Endausbau soll das Nationalpark-Areal auf zirka 11 500 Hektar erweitert werden. Das nun vorliegende Nationalpark-Modell kann als effizient und kostengünstig beurteilt werden. Ab 1997 stehen jährlich 44 Millionen Schilling als Nationalpark-Budget zur Verfügung. Davon trägt das Umweltressort 22 Millionen Schilling, die zweite Hälfte teilen sich die Bundesländer Niederösterreich und Wien. Dies ist ein schlanker Nationalpark, der in seiner Endausbauphase nicht mehr als 60 Millionen Schilling kosten wird.

Die nunmehrige Variante "Status quo" beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit – ich betone das ausdrücklich. Private Grundeigentümer sollen konkrete Angebote erhalten. Zum Beispiel: Welche Nutzungsänderungen greifen Platz, welche Entschädigungen und Abgeltungen gibt es dafür? Die Grundeigentümer können sich dann freiwillig entscheiden, ob sie mitmachen oder nicht.

Aus der Erfahrung mit dem Nationalpark Hohe Tauern wissen wir, daß, nach anfänglicher Skepsis, die Bewohner vieler Ortschaften darauf drängen, daß ihre Gemeinden auch Nationalpark-Gemeinden werden – an der Donau wird das nicht anders sein. Wollen wir also nicht unzufrieden sein mit dem, was wir erreicht haben, und uns zunächst mit einem kleinen Nationalpark begnügen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Dieses Projekt ist ein natürliches Schaufenster zu einem einzigartigen und artenreichen Stück Natur, dessen Eingangstor die Millionenstadt Wien ist – und das auch dadurch einzigartig und einmalig ist. Meine Fraktion wird mit Freude diesem Vertrag zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend möchte ich festhalten, daß die Entscheidung für den Nationalpark Donau-Auen auch deshalb so wichtig ist, weil sie die Glaubwürdigkeit unserer Umweltpolitik unter Beweis stellt. Ich möchte mich somit der Diskussion "Kraftwerk ja oder nein" nicht mehr stellen. Auch wir sind stolz auf den Eröffnungsakt, denn er schließt mit der Natur einen Friedenspakt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.48

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Er hat das Wort.

12.48

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß in der Au jetzt der Friedenspakt mit der Natur geschlossen worden ist, aber ich versichere Ihnen, Herr Abgeordneter Schrefel, der Krieg mit der Opposition um dieses eine Gesetz fängt erst an. Vielleicht ist das Wort "Krieg" in diesem Zusammenhang ein bißchen zu martialisch, aber eines ist schon klar: Die nostalgischen Ausführungen, die hier gemacht worden sind, haben mit dem eigentlichen Thema, das heute auf der Tagesordnung steht, nichts zu tun, denn es geht nicht um den Nationalpark und dessen Einrichtung – diese Sache ist bereits "gegessen" –, sondern es geht darum, wie diese Gesellschaft, welche jetzt den Nationalpark verwalten soll, aussehen soll. Aber davon ist weder von der Frau Abgeordneten Aumayr noch vom Herrn Abgeordneten Schrefel in irgendeiner Art und Weise etwas gesagt worden.

Meine Damen und Herren! Faktum ist, daß die Liberalen selbstverständlich einer Gesellschaft, die das machen soll, positiv gegenüberstehen. Das ist notwendig, denn sonst kann man den Nationalpark nicht wirklich implementieren. Aber wir sehen nicht ein, daß unter diesem wichtigen


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Aspekt, unter diesem Öko-Mantel, seitens der Bundesregierung schon wieder versucht wird, etwas zu verstecken, was nicht hineingehört: Subventionen an die Österreichischen Bundesforste, die einfach nicht notwendig sind. Hier wird unter dem Deckmantel, etwas für die Natur zu tun, schon wieder vom linken Sack des Staates Geld herausgenommen und in den rechten Sack wieder hineingesteckt. Das lehnen wir ab! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Haselsteiner : Das ist empörend!)

Der Herr Bundesminister Bartenstein wirft von der Regierungsbank ein – und er hat das auch schon in der Diskussion im Umweltausschuß gesagt –, daß der Eigentumsbegriff der Liberalen offenbar ein etwas gestörter sei – sinngemäß, nicht wortwörtlich.

Ich wiederhole, Herr Bundesminister, daß, nachdem die Österreichischen Bundesforste ja nicht einmal eine eigene Gesellschaft, sondern nur ein selbständiger Wirtschaftskörper sind und völlig im Eigentum des Staates stehen, doch nicht ernsthaft behauptet werden kann, daß hier der Bund so quasi sich selbst eine Entschädigung gibt. Denn Faktum ist ja auch, daß pro Hektar Bundesforste vom Bund letztlich zugeschossen werden muß. Und jetzt wird jene Tätigkeit, die die Verluste mit sich gebracht hat, im Bereich der Au eingestellt, und jetzt sagen Sie: Na ja, wenn diese Verluste eben nicht mehr gegeben sind, kann es diese Zuschüsse nicht mehr geben, dann muß uns irgend etwas anderes einfallen.

Dann sagen wir eben, die Einschränkung der Nutzung, die hier gegeben ist, muß letztlich entschädigt werden. Es wäre ja kein Problem, Herr Bundesminister – und darüber wäre ja auch mit den Liberalen zu reden –, wenn Sie sich bei diesen Entschädigungen nicht am verlorenen Umsatz orientieren würden, sondern wirklich nur am verlorenen Gewinn. Das wäre ein Ansatzpunkt, aber das ist ja nicht der Fall. Ausgegangen wird davon, was so quasi an Umsatz durch die jetzt nicht mehr mögliche Holzbringung ausfällt; dieser Betrag wird ersetzt. Es wird nicht in Relation gestellt, daß hier ja auch Kosten eingespart werden und sich etwa auch durch andere Nutzungen – jagdwirtschaftliche beispielsweie – erhöhte Einnahmen ergeben können. Das ist nicht Gegenstand der Berechnung dieser Entschädigung gewesen, und daher bleibe ich dabei: Das ist in dem Ausmaß, wie es gewährt wird, eine Subvention und keine Entschädigung. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Es kann ja auch kein Zweifel daran bestehen, daß mit dieser Vorgangsweise, bei der Verluste abgedeckt werden – unter welchem Mantel auch immer –, jeder Reformdruck, der gerade auch im Bereich der Österreichischen Bundesforste endlich Platz greifen müßte, hintangehalten wird. Ich darf zu diesem Zweck aus einer Umfrage zitieren, die lobenswerterweise von den Österreichischen Bundesforsten selbst gemacht worden ist, um den Schwächen, die sie in ihrem Bereich haben, auf die Spur zu kommen und um eine Unternehmensentwicklung einzuleiten, die für die Österreichischen Bundesforste als Unternehmen wirklich sinnvoll ist.

Besonderer Handlungsbedarf besteht laut dieser Umfrage, die unter den Mitarbeitern der Österreichischen Bundesforste gemacht wurde, bei den sehr komplizierten und aufwendigen Arbeitsabläufen und bei der zu geringen Kunden- und Marktorientierung. Und was sich hier so abstrakt anhört, meine Damen und Herren, hat, wenn man sich die konkreten Zahlen ansieht, ein ganz anderes Gesicht. Auf die Frage nämlich, ob in den Österreichischen Bundesforsten so quasi eine Absicherungsmentalität besteht, wo sich niemand mehr traut, etwas selbständig zu machen, sondern jeder bis ganz oben durchfrägt, auf die Frage also, ob diese Absicherungskultur besteht, sagen 83,7 Prozent ja. Auf die Frage, ob es wichtiger sei, zuerst den Vorgesetzten zufriedenzustellen und dann den Kunden, sagen immerhin 66 Prozent ja. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben das Gefühl, unmündig zu sein, haben das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, denn auf die Frage: Fühlen Sie sich nicht ernst genommen? Fühlen Sie sich als unmündiger Mensch im Rahmen der Struktur der Österreichischen Bundesforste?, sagen 74,1 Prozent der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Ja, wir sind im Rahmen der Österreichischen Bundesforste unmündig in unserer Aufgabenerfüllung. Und, meine Damen und Herren, es sagen 63,8 Prozent der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, daß man sich in den Österreichischen Bundesforsten abgewöhne, selbständig zu denken und zu handeln.


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So positiv es ist, daß von diesem Unternehmen eine solche Untersuchung überhaupt in die Wege geleitet wurde, meine Damen und Herren, ist es nicht einzusehen, daß mit solchen Maßnahmen, wie ich sie vorhin auch beschrieben habe, der Reformdruck vom Unternehmen genommen wird. Wir halten nichts davon, daß die Österreichischen Bundesforste hier still und heimlich subventioniert werden sollen, sondern wir verlangen, daß auch politisch klar gemacht wird, daß diese Reformen im Unternehmen durchgeführt werden müssen. Und dabei, Herr Bundesminister, daß man uns sagt, wir machen jetzt aus dem selbstständigen Wirtschaftskörper eine AG, kann es doch nicht bleiben. Denn wenn die Österreichischen Bundesforste als AG ausgegliedert sind, heißt das ja noch überhaupt nicht, daß sich die Strukturen wirklich ändern.

Und, meine Damen und Herren, es heißt auch nicht, daß im Unternehmen eine andere Kultur einziehen wird, denn auf die Frage – ich zitiere wieder aus dieser schon genannten Umfrage unter den MitarbeiterInnen –, ob denn die Ausgliederung der Bundesforste aus dem Staatsbudget – und nur darum geht es: sie aus dem Budget auszugliedern, nicht, sie zu privatisieren, sondern nur, sie aus dem Budget auszugliedern – jenen Spielraum bringen wird, der notwendig ist, damit die organisatorischen Vereinfachungen wirklich durchgezogen werden können, antworten nur 41,6 Prozent der dort Beschäftigten mit ja und 55,4 Prozent sagen: Nein, da wird sich nichts ändern.

Sie sehen, meine Damen und Herren, es ist Kosmetik, was in diesem Zusammenhang gemacht wird, und das wird von uns vehement abgelehnt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

So froh ich bin, daß endlich einmal am Beginn der Tagesordnung ein ganzer Block von Umweltthemen behandelt wird, meine Damen und Herren, so sehr stimmt es mich traurig, daß über sehr wichtige Anträge, die ebenfalls heute auf der Tagesordnung sind und diesem Block zugehören, nicht geredet worden ist. Ich bin froh, daß es möglich war – letztlich von einem liberalen Antrag ausgehend, was die Ökologisierung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung angeht –, einen Konsens zu erzielen und zu einem zwar nicht besonders stringenten, nicht besonders viel Druck machenden Antrag zu kommen, aber doch zu einer gemeinsamen Willenserklärung aller fünf Parteien dieses Hauses, die da lautet, daß die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung bis zum Jahr 2000 jedenfalls um ökologische Faktoren erweitert werden muß.

Das ist etwas, was heute hier von allen fünf Fraktionen beschlossen werden wird und sinnvoll ist und wo es, gerade weil es von seiten der Regierung seit Jahren entsprechende Arbeiten gibt, notwendig ist, auch wirklich Druck zu machen. Es ist daher gut, daß in diesem gemeinsamen Antrag ein Zwischenbericht vom Herrn Bundeskanzler für das Jahr 1997 verlangt wird, und es ist auch sinnvoll, daß das ÖSTAT nicht allein, sondern in Kooperation mit Privaten diese Erweiterung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung betreiben soll, und zwar deshalb, meine Damen und Herren, weil ich Sie nur an dem Kampf, an die Auseinandersetzungen verbaler Art, die wir hier im Haus hatten, als es darum ging, österreichweit regionale Energiebilanzen zur Verfügung zu stellen, erinnern möchte. Es ging dabei um Dinge, die es von privaten Unternehmen bereits gibt, wo aber das ÖSTAT aufgrund seiner Struktur einfach nicht in der Lage war, diese Zahlen und Fakten zur Verfügung zu stellen. Und Sie haben sich vehement gewehrt, auf das zurückzugreifen, was die private Wirtschaft ohnehin schon zur Verfügung stellt, mit dem Argument, man dürfe kein Geld dafür ausgeben, man müsse, weil man Personal und Struktur habe, das alles selbst machen. Man berücksichtigte dabei nicht den Umstand, daß das ja intern ebenfalls Kosten verursacht. Diese Aufrechnung wird nicht gemacht. Hinzu kommt, daß das ÖSTAT in vielen Bereichen Dinge erhebt, die von privaten Unternehmen bereits erhoben worden sind und sinnvollerweise zugekauft werden sollten. Es sollte nicht vom ÖSTAT versucht werden, das alles selbst zu machen. Vom ÖSTAT selbst gibt es bis heute keine regionalen Energiebilanzen, aber von den privaten Firmen kann man sie nach wie vor beziehen.

Nichtsdestoweniger, meine Damen und Herren: Wir begrüßen, daß die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung jedenfalls mit dem Jahr 2000 um einen Part erweitert sein wird, der auch eine Abschätzung unserer Ressourcen ermöglicht, der einbezieht, daß Ressourcenverbrauch, etwa Landschaftsverbrauch durch Kraftwerke, etwa durch Umweltunfälle, etwas ist, was eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung negativ beeinflussen muß, und nicht so, wie es jetzt ist, daß


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dadurch quasi eine Erhöhung des volkswirtschaftlichen Wohlstandes erreicht wird, weil dafür Arbeitsleistungen notwendig sind, um das zu reparieren, und nur diese Arbeitsleistungen schlagen zu Buche, während der Verlust an Ressourcen nicht zu Buche schlägt.

Der letzte Punkt, den ich herausgreifen möchte und wo ich wirklich nicht verstehe, warum wir nicht zu einer gemeinsamen Lösung kommen konnten – zumal auch von seiten des Biomasse-Verbandes sehr vehement darauf gedrungen wird, daß es endlich zu einer klaren Regelung von Einspeisetarifen in Österreich kommt, nämlich wenn es um die Einspeisung von elektrischem Strom, der mit erneuerbaren Energieträgern erzeugt wird, geht –: Diese Frage, meine Damen und Herren, ist noch unter Herrn Bundesminister Schüssel damit abgetan worden, daß auf drei Jahre begrenzt ein freiwilliges Übereinkommen mit den einzelnen Energieversorgungsunternehmen abgeschlossen wurde, und dieses freiwillige Übereinkommen läuft nun mit 1. 1. 1997 aus.

Faktum ist, daß wir das rechtliche Instrumentarium haben, um ökologisch orientierte, sachlich gerechtfertigte höhere Einspeisetarife für erneuerbare Energieträger festzulegen. Es wäre Aufgabe der Landeshauptleute, das zu tun – bisher ist es nicht geschehen. In einzelnen Ländern, in denen Landeshauptleute in dieser Frage aktiv wurden, haben sie entweder die Zeit nicht bestimmt, oder sie haben es von der Leistung der Anlagen her so begrenzt, daß ohnehin nur jene gefördert werden, die bereits existieren: Aber ein wirklicher Schwung, etwa auch im Bereich der Biomasse oder im Bereich der Windenergie, wird nicht hineinkommen. Ich darf hier auf das deutsche Beispiel verweisen: Dort gibt es ein Einspeisegesetz, das dazu geführt hat, daß etwa die Windkraftindustrie in Deutschland seit dem Jahr 1990 geboomt hat. Es ist in dieser Industrie möglich gewesen, 15 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, und das wäre etwas, was auch in Österreich – gerade im Bereich der Anlagen für Biomasse – möglich und sinnvoll wäre, aber es werden von dieser Bundesregierung konsequent jene Rahmenbedingungen verweigert, die das wirklich ermöglichen würden.

Der Antrag, der von den Liberalen eingebracht worden war, um zu erreichen, daß der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in diesem Zusammenhang aktiv wird, ist abgelehnt worden. Wir nehmen also auch zur Kenntnis, Herr Bundesminister, daß damit genau jenen Grundsätzen zuwidergehandelt wird, die Sie und die Bundesregierung im nationalen Umweltplan festgeschrieben haben, die von dieser Bundesregierung und vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten – damals war das noch Schüssel – im Energiebericht 1993 festgeschrieben worden sind. Wir sind der Überzeugung, daß diese Art und Weise, Politik zu machen, gerade auch im Umweltbereich nicht goutiert werden wird.

Wir hoffen, daß das nicht vergessen wird und daß man erkennt, daß hier den monopolistischen Strukturen der Energieversorgung in Österreich der Vorzug vor einer ökologisch sinnvollen und letztlich auch volkswirtschaftlich sinnvollen Implementierung erneuerbarer Energieträger in Österreich gegeben wird. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.01


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Kiermaier gemeldet. Ich mache auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung und auf die gekürzte Redezeit aufmerksam.

13.01

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Frau Kollegin Aumayr ist leider gerade hinausgegangen. Sie hat gerade vorhin wortwörtlich erklärt, die Wirtschaftskammer Niederösterreich – und ich bin einer ihrer Vizepräsidenten – veranstalte Seminare für die Produktion in Osteuropa. Das kann doch bitte nicht sein! Das stimmt nicht!

Ich habe soeben mit der Kammer telefoniert, ich habe mit dem Präsidium telefoniert. Der Titel dieser Veranstaltung heißt: "Mit der Produktion auf und davon. Seminar zur Verhinderung der Abwanderung von Betrieben nach Osteuropa." (Beifall bei der SPÖ. – Ah!-Rufe bei SPÖ und ÖVP.)

13.02

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Otmar Brix. Er hat das Wort. Die Uhr ist auf 5 Minuten eingestellt.

13.02

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sonntag war wahrlich ein schöner und großer Tag für dieses Land, für dieses Österreich. Wir alle können eigentlich stolz darauf sein, daß im Jahre 1996, zur Jahrtausendfeier Österreichs, dieser Nationalpark Donau-Auen errichtet werden konnte. Diese Errichtung ist eine Jahrhundertchance für Österreich und seinen Naturschutz. Besonders wichtig ist es vor allem für unsere Kinder, daß dieser Nationalpark errichtet werden konnte.

Meine Damen und Herren! In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, daß das Gebiet der Donauauen in Wien und östlich von Wien bis zur Staatsgrenze für die Errichtung eines Nationalparks geeignet ist. Bei den Kraftwerksvarianten sind die Kriterien einer natürlichen Au nicht mehr erfüllt, daher ist ein Nebeneinander von Nationalpark und Kraftwerk nicht mehr möglich. Auch die Chance einer internationalen Anerkennung des Nationalparks ist nur mit freier Fließstrecke garantiert. Die freie Fließstrecke der Donau muß garantiert werden, eine Art Softy-Nationalpark kann nicht in unserem Interesse liegen, denn Natur, meine Damen und Herren, ist nicht erneuerbar.

Ich bin daher sehr froh, daß in der vergangenen Woche eindeutig festgestellt wurde, daß es zu keinem Kraftwerksbau unterhalb von Wien kommen wird. Es hat dies am vergangenen Donnerstag der Generaldirektor der Verbundgesellschaft, Johann Haider, im Rechnungshofausschuß erklärt, und es haben vor allem am Sonntag bei der Vertragsunterzeichnung die Landeshauptleute Dr. Häupl und Dr. Pröll sowie Bundesminister Bartenstein noch einmal dezidiert erklärt: Es kommt zu keinem Kraftwerksbau östlich von Wien. Daher halte ich die in den letzten Wochen aufgetretenen Meinungen und vor allem die von verschiedenen Medien lancierten Nachrichten über einen Kraftwerksbau für überflüssig und für nicht notwendig.

Eines lassen Sie mich noch anmerken: Ein umfassender Umwelt- und Naturschutz ist mit dem Bau eines Kraftwerkes nicht vereinbar. Österreich hat über 90 Laufkraftwerke mit einer Leistung von jeweils 5 Megawatt. Allein mit dem Werk Freudenau, das eine Leistung von 1 037 Millionen Kilowattstunden im Jahr hat, ist bereits mehr als die Hälfte des Strombedarfs der Wiener Haushalte gedeckt. Österreichs Strombedarf ist damit gedeckt, daher ist ein Kraftwerk dort unnötig. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Ebenso ist aber wichtig, meine Damen und Herren, daß mit diesem Nationalpark die Trinkwasserreserven in den Donauauen gesichert sind, zählen sie doch zu den quantitativ und qualitativ hochwertigsten Vorkommen in Österreich. Ein Nationalpark sichert diese Trinkwasserreserven.

Dieser Nationalpark, meine Damen und Herren, hat aber auch für Wien und für Niederösterreich neue Chancen im Tourismus geweckt. Es wird wirtschaftliche Impulse in dieser Region geben, und ich glaube, daß die wirtschaftlichen Impulse in dieser Region auch sehr notwendig sein werden. Außerdem hat man gleich einen einmaligen Erholungsraum in diesem großen Naturreservat zwischen Wien und Bratislava. Keine Weltstadt kann sich rühmen, am Eingangstor zu einem Nationalpark zu liegen. Das ist den Wienern vorbehalten, und mit Niederösterreich teilen sie gemeinsam ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Nicht einmal Chicago!) Herr Bundesminister, nicht einmal Chicago hat so einen schönen Nationalpark vor seinen Türen.

Meine Damen und Herren! Zurzeit umfaßt dieser Nationalpark 9 300 Hektar. Es ist auch richtig, daß die Gesellschaft eine sehr schlanke, effiziente Gesellschaft ist und daß die Zahlungen gerecht erfolgen. Es ist also nicht so, wie es Kollege Barmüller hier gesagt hat.

Eines lassen Sie mich abschließend noch feststellen: Am Sonntag wurde zwar dieser 15a-Vertrag unterzeichnet, aber jetzt gilt es auch, Aufklärungsarbeit für die Bevölkerung zu leisten, die noch nicht für den Nationalpark gewonnen wurde. Leider ist in der Vorbereitungszeit einiges passiert, was nicht im Interesse der Bevölkerung lag, und es wurden viele Fehlinformationen


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weitergegeben. Aber es hat nicht nur die Vorbereitung nicht funktioniert, es ist auch interessant, die Zickzacklinie, die die Freiheitlichen in den letzten Tagen, Wochen und Jahren mit dem Nationalpark verfolgt haben, zu beobachten. Hat sich Frau Kollegin Aumayr noch auf die Seite der Nationalparkbefürworter geschlagen und mit ihr auch Bundesgeschäftsführer Schweitzer, so hat die niederösterreichische Freiheitliche Partei eindeutig Stellung gegen den Nationalpark bezogen und damit eigentlich so operiert: Was wir auf der einen Seite vielleicht an Stimmen verlieren, können wir auf der anderen Seite gewinnen. Oder besser: Der eine sagt das, der andere sagt jenes, damit wir auf beiden Seiten Stimmen gewinnen. Das ist eben die Zickzacklinie der Freiheitlichen, das ist FPÖ: Einfach ehrlich, einfach FPÖ!

Ich glaube, wir können stolz sein, daß dieser Nationalpark im Sinne der österreichischen Bevölkerung geschaffen wurde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. – Bitte, Frau Abgeordnete. Redezeit: 20 Minuten.

13.08

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine umfassende Umweltdebatte, die wir heute hier führen können. (Abg. Mag. Barmüller: Monika! Könnten!) Könnten, ja. Leider sind die meisten Abgeordneten der SPÖ und der ÖVP offensichtlich noch auf Klausur und suchen den "Turbo". (Rufe bei der SPÖ: Wo sind die Grünen?) Na ja, bei uns ist das Verhältnis ein anderes. Leider, leider sind wir nur neun Abgeordnete, Sie sind über 70. Im Schnitt müßten daher von Ihnen viel mehr da sein. Aber gut. Wenigstens kommen die, die noch da sind, ein bißchen in Schwung, nachdem wir bisher so eine ruhige Debatte hatten und auf die Kernpunkte noch gar nicht eingegangen wurde.

Ich möchte, so wie meine Vorredner schon, auch mit dem angeblich so historischen Tag, dem letzten Sonntag, beginnen: Unterzeichnung des 15a-Vertrages für einen Nationalpark Donau-Auen. Drei Politiker ließen sich feiern: Umweltminister Bartenstein, Landeshauptmann Pröll und Landeshauptmann Häupl. Es war schon eine ein wenig pittoreske Veranstaltung. Herr Umweltminister, es sei Ihnen und Ihren Kollegen ja gegönnt, dort zu stehen, "Die Au ist frei!" zu sagen und "Kein Kraftwerk wird mehr gebaut!"

Was ein bißchen geschmerzt hat, ist, daß keiner der hohen Politiker bei seiner Rede darauf eingegangen ist, daß die wirklichen Helden diejenigen waren, die damals vor zwölf Jahren in der Au gefroren haben, die dort in der Kälte gesessen sind (Beifall bei den Grünen) und damals gegen den Widerstand dieser beiden Parteien, der SPÖ und der ÖVP, wirklich im sprichwörtlichen Sinne ihren Kopf hingehalten haben. Abgeordneter Wabl zum Beispiel war dort, Abgeordneter Öllinger war dort und ich auch. Wir waren ziemlich aktiv damals, und natürlich hat es uns gefreut, daß am Sonntag nach zwölf Jahren Debatte, nach Studien von allen Seiten mit Verhinderungsmethoden, die wirklich massiv waren, dieser Nationalpark jetzt endlich unter Dach und Fach gebracht wurde.

Ich glaube, daß es bei der Nationalparkgesellschaft, die wir hier heute beschließen und die dann das Management übernehmen soll – wir ratifizieren ja nicht den 15a-Vertrag –, doch noch zu Verbesserungen kam. Wir Grünen werden als einzige der Oppositionsparteien der Gründung dieser Errichtungsgesellschaft zustimmen, weil wir meinen, daß es an der Zeit ist, nun rasch mit einem vernünftigen Management zu beginnen, und weil wir meinen, daß die Frage mit den Österreichischen Bundesforsten eigentlich seriös gelöst wurde. Zweifellos gibt es bei den Österreichischen Bundesforsten Veränderungsnotwendigkeiten; diese gehören jedoch in den Bereich der Bundesforstegesetzgebung und nicht in dieses Gesetz, bei dem es um die Errichtung der Nationalparkgesellschaft, die den Nationalpark Donau-Auen schützen soll, geht. Das sollte man daher auch nicht hier diskutieren oder kritisieren.

Wir sind also froh, daß das Ganze jetzt endlich unter Dach und Fach ist, aber Marga Hubinek, die ehemalige Zweite Nationalratspräsidentin, eine sehr prominente ÖVP-Politikerin, hat bei der Eröffnungsfeier etwas sehr Richtiges gesagt. Sie war von den Rednern dort die einzige, die auf


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etwas Wesentliches aufmerksam gemacht, nämlich darauf, daß es nicht darum geht, daß sich jetzt die Unterzeichner feiern lassen und darauf hinweisen, wie glorreich ihre Taten waren, sondern daß es darum geht, sich anzuschauen, wie nach wie vor in Österreich wertvolle Biotope, wertvolle Natur zerstört werden und wie nach wie vor an einer im großen und ganzen konservativen und falschen Energiepolitik festgehalten wird. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller. )

Marga Hubinek hat am Sonntag gesagt, daß man dem Ganzen mit einem lachenden und einem weinenden Auge gegenüberstehen muß: mit einem lachenden Auge natürlich deshalb, weil wir es nach zwölf Jahren geschafft haben, ein ganz bestimmtes wichtiges Gebiet in Österreich hoffentlich endgültig unter Schutz zu stellen, und mit einem weinenden Auge deswegen, weil nach wie vor Kraftwerke gebaut werden, obwohl jeder Mensch in Österreich weiß, daß wir für die Stromversorgung in Österreich keine mehr brauchen. (Abg. Wabl: Lambach!)

Lambach an erster Stelle, aber natürlich auch das Projekt am Lech wurden stellvertretend hierfür genannt, und wir debattieren ja heute unter den in Verhandlung stehenden Tagesordnungspunkten auch einen Antrag des Kollegen Anschober, der mit Sicherheit noch im Detail auf das Projekt eingehen wird. Sie hätten ja im Ausschuß die Möglichkeit gehabt, ganz konkret zu zeigen, ob Sie es nur bei dem Projekt Nationalpark Donau-Auen, wo es nach zwölf Jahren endlich gelungen ist, ein bestimmtes Gebiet unter Schutz zu stellen, ernst meinen oder ob es dem Umweltminister und den maßgeblichen Koalitionsabgeordneten auch darum geht, sich insgesamt dazu zu bekennen, daß man wirklich endlich von der konservativen und zerstörenden Kraftwerkspolitik abgehen will.

Sie aber haben diesen Antrag niedergestimmt. Es ging dabei um eine Nachdenkpause für das Kraftwerk Lambach, damit man, bevor man weiterbaut, bevor man weiter Planungskosten investiert, entsprechende Umweltverträglichkeitsprüfungen abwartet und die dortigen Bürgerinitiativen einbindet und damit man unter Federführung des Wirtschafts- oder Umweltressorts dafür endlich ein Least-Cost-Planning durchführt.

Sie haben diesen Antrag abgelehnt, und das zeigt meiner Ansicht einmal mehr, daß es Ihnen eigentlich vorwiegend um Fototermine geht – da sind Sie ganz mutig, stolz und in vorderster Reihe, Herr Umweltminister –, denn wenn es darum geht, Widerstand zu leisten, wobei Sie selbstverständlich in einen Konflikt mit Ihrem Parteikollegen Pühringer und möglicherweise mit der ganzen oberösterreichischen ÖVP eintreten müßten, scheuen Sie ganz offensichtlich den Konflikt. Ich habe recht deutlich gesehen, wie Sie am Sonntag das Gesicht leicht verzogen haben, als Ihre Parteikollegin Hubinek auf diese beiden Problemfelder, nämlich auf Lambach und auf das Kraftwerksprojekt am Lech, aufmerksam gemacht hat. Das war Ihnen gar nicht recht, denn das hat die schöne Stimmung und die Fototermine ein bißchen gestört. Gestört hat auch, daß eine Bürgerinitiative aus Lambach Ihnen dann eine entsprechende Petition übergeben hat.

Es ist jetzt unsere Aufgabe, nachdem wir mit großer Unterstützung und großem Engagement von vielen, vielen Umweltschützern und nicht sosehr von der hohen Politik erreicht haben, daß die Donau-Auen geschützt werden, dafür zu sorgen, daß weitere Zerstörungen endlich hintangehalten werden.

Ich möchte Ihnen etwas zitieren – ich habe das schon im Ausschuß zitiert, aber ich halte das für so wichtig, daß ich meine, daß man bei jeder Energiedebatte darauf hinweisen muß –, woraus hervorgeht, daß die Kraftwerksbauer selbst zugeben, daß man die genannten Projekte nicht braucht. Ich lese aus einem Protokoll der TIWAG, der Tiroler Energieversorgungsunternehmen. Die TIWAG meint in ihren eigenen Papieren – Zitat –: "Während in offiziellen Programmen die Wasserkraft als regenerative Energie noch hochgehalten wird, nehmen die großen EVU, die bisher Wasserkraftwerke errichtet haben, ihre Projekte aus den internen Bauprogrammen heraus. Neue Wasserkraftwerke sind in den nächsten Jahren nicht wettbewerbsfähig."

Hans Haider, der Verbund-Chef, meinte dazu vor einigen Wochen im "Report", – wörtliches Zitat –, daß das Thema Lambach viel weniger eine wirtschaftliche Entscheidung sei, es sei in einem


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viel stärkeren Maße durch die Ereignisse des letzten Jahres in Richtung einer politischen Entscheidung gelaufen.

Er hat dieses Statement letzte Woche im Rechnungshofausschuß noch drastisch unterstrichen, als er ganz frei von der Leber weg gesagt hat, daß er selbstverständlich, weil es einen enormen Stromüberschuß von seiten des Verbundes, aber auch von seiten einzelner EVUs in Österreich gibt, problemlos jedes Angebot unterbieten könnte, daß es für diese Energieversorger volkswirtschaftlich, aber auch betriebswirtschaftlich gesehen viel günstiger, viel billiger wäre, wenn Sie dem Verbund den überschüssigen Strom abkaufen würden, anstatt in völlig unnötige Kraftwerke zu investieren. Dazu zählt Lambach, dazu zählt das Kraftwerk am Lech und dazu zählt selbstverständlich das Kraftwerk Theiß in Niederösterreich, wozu zu bemerken ist, daß es überhaupt der Schwachsinn schlechthin ist, heutzutage ein kalorisches Kraftwerk auszubauen. Mit 3 Milliarden Schilling! Das ist ein Schildbürgerstreich. Dazu kommt noch, daß der Generaldirektor, der dafür zuständig ist, sagt, daß man halt leider die Strompreise in Niederösterreich ein bißchen wird erhöhen müssen, weil man das ansonsten nicht wird finanzieren können.

Es geht dabei um Strom, den keiner dort braucht. Eine Abwärmenutzung wird es nicht geben, ein Wirkungsgrad von etwas mehr als 40 Prozent wird erreicht, aber alle schauen zu. Da geht es offensichtlich nicht um schöne Fotos, daher wird eben nicht gehandelt. Da handeln Sie nicht, Herr Umweltminister, der Wirtschaftsminister handelt auch nicht, und auch die Landespolitiker ziehen da offensichtlich die Köpfe ein. (Beifall bei den Grünen.)

Dort, wo es um Konflikte geht – da gibt es einige im Energiebereich und im Kraftwerksbereich –, sehe ich überhaupt keinen "Turbo" bei der ÖVP. Ganz im Gegenteil: Da mauern Sie sich ein und verharren in Regungslosigkeit, und es ist eigentlich in diesem Bereich nicht anders als vor zehn Jahren.

Wir Grünen wollen, daß es in Österreich endlich eine einheitliche Kraftwerkskoordination gibt, daß der Kantönligeist in den einzelnen Bundesländern aufhört, daß permanent gegeneinander Politik gemacht wird, anstatt sich – auf der einen Seite die Landes-EVUs, dominiert von der ÖVP, und auf der anderen Seite der Verbund, vielleicht ein bißchen dominiert von der SPÖ – zusammenzusetzen und eine gescheite österreichische Lösung zustande zu bringen.

Wenn Sie das nicht tun, dann wird das – davon bin ich felsenfest überzeugt – der nächste große Wirtschaftsbereich sein, den Sie leider werden ausverkaufen müssen, und das wäre ein großer Schaden für die österreichische Energiepolitik, es wäre ein großes Versäumnis, weil es dann nicht mehr möglich wäre, in dem Ausmaß wie bisher unsere Antiatompolitik fortzusetzen und vor allem in erneuerbare Energieträger zu investieren.

Dafür wären jetzt die Weichen zu stellen, darum geht es in den nächsten Monaten. Das sind die neuen wirklichen Konfliktfelder und Aufgaben, die vor uns stehen.

Herr Umweltminister! Sie haben jetzt die Sonntagsgeschichte gut über die Bühne gebracht, ich hoffe, daß des Eigenlobs dort genug war. Jetzt geht es darum, wirklich wieder zu arbeiten, es geht ganz konkret darum, vor allem die erneuerbaren Energieträger in Österreich zu fördern. Dafür gibt es viele Notwendigkeiten, viele Möglichkeiten – wir werden morgen darüber auch verhandeln –, Möglichkeiten für entsprechende Einspeisetarife, für konkrete Energiesparprogramme und natürlich auch für konkrete Naturschutzprogramme.

Trauen Sie sich, Herr Umweltminister – Sie haben unsere volle Unterstützung – dort, wo Sie zuständig sind und wo Sie auch als moralische Instanz auftreten könnten, dies auch zu tun! Sagen Sie ein klares Wort zu Lambach, ein klares Wort zu Theiß und ein klares Wort zum Kraftwerk am Lech und seien Sie auch diesbezüglich so couragiert, wie Sie es am Sonntag gegenüber den Fotografen in den Donauauen waren. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)


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13.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Minister.

13.19

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich verstehe schon, Frau Abgeordnete Langthaler, daß für Sie dieser Sonntag offensichtlich nicht unbedingt ein Freudentag war. (Abg. Ing. Langthaler: O ja!) Es ist aus Sicht einer Oppositionsabgeordneten wahrscheinlich etwas schwierig zu verkraften, wenn die Regierungsfraktionen, wenn der Umweltminister gemeinsam mit den Landeshauptleuten von Wien und Niederösterreich eines der wichtigsten Naturschutzprojekte Österreichs realisieren kann, endgültig mit dem Abschluß eines Staatsvertrages verwirklichen kann – noch dazu, wenn der Tag so herrlich ist, wie er war.

Sie betreiben Umweltpolitik eben lieber durch das Verbreiten von Angst und Schrecken, durch das Verunsichern, durch das Heruntermachen, durch das Kritisieren von OECD-Länderberichten und ähnlichen Papieren, die uns auszeichnen und bestätigen, daß Österreichs Umweltpolitik eine gute ist. Sogar Frau Abgeordnete Aumayr hat davon gesprochen, daß wir hervorragende Umweltgesetze haben.

Ich verstehe es, Frau Abgeordnete Langthaler, daß ein solcher Tag für Sie aus Sicht einer Oppositionspolitikerin kein besonderer Freudentag sein kann. Aber bitte verstehen Sie auch uns: Für uns war es ein Freudentag! (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Ing. Tychtl. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe bei allen Umweltdebatten – und das zieht sich jetzt schon durch mehrere Monate – ein immer wiederkehrendes Erlebnis: Ich werde von Frau Abgeordneter Aumayr von der FPÖ der Unwahrheit geziehen, und ehe ich Gelegenheit habe, darauf zu antworten und zu erwidern, ist sie leider nicht mehr anwesend. Ich würde Sie, meine lieben Kollegen von der freiheitlichen Fraktion, daher ersuchen, ihr folgendes auszurichten: Wenn Frau Abgeordnete Aumayr mir und der Bundesregierung die Unwahrheit vorwirft, nämlich wir würden Österreichs hohe Umweltstandards gegenüber der Europäischen Union nicht verteidigen, wir würden diese nicht im Rahmen des Review-Prozesses, der bis Ende 1998 läuft, erhalten können, dann soll sie einmal sagen, woraus sie denn diese Schlußfolgerungen zieht.

Das stimmt einfach nicht. Wir sind gut unterwegs. Wir haben die Verhandlungen, nachdem wir lange gedrängt haben, am 20. Juni dieses Jahres aufnehmen können. Einige Punkte kann man schon befriedigt abhaken – da hat die Europäische Union auf unsere Standards nachgezogen, ihre Standards verbessert –, und wir werden diesen Prozeß weiter fortführen und werden zum Ende des Jahres 1998 mit einem guten Resultat vor Österreichs Bevölkerung treten können. Man soll keine Unwahrheiten verbreiten, wenn man von den Dingen keine Ahnung hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Einige kurze Anmerkungen zum Thema Nationalpark Donau-Auen. Es ist damit ein gutes Stück Arbeit geleistet worden. Selbstverständlich, Frau Abgeordnete Langthaler – vielleicht haben Sie nicht zugehört oder waren nicht im Festzelt –, habe auch ich dort denjenigen gedankt, die vor nunmehr zwölf Jahren zu Weihnachten in der Au gefroren haben, von vielen noch mißverstanden. Eine Zeitung hat mich sogar zitiert; lesen Sie es bitte im "Standard" nach, Frau Kollegin Langthaler. Es ist auch von vielen anderen all denjenigen – etwa Nenning, Meissner-Blau, Heiligenbrunner und vielen anderen – gedankt worden, die Männer und Frauen der ersten Stunde, der ersten Nächte und Wochen damals in der Au waren.

Zweifellos ist dieses Projekt nach diesem zwölfjährigen Prozeß jetzt zu einem guten Abschluß gekommen: Es kam zu einem Staatsvertrag zwischen Bund und den Ländern Wien und Niederösterreich, und es steht nunmehr der Nationalpark. Und wenn das Hohe Haus heute dem Gesetz über die Nationalparkgesellschaft seine Zustimmung gibt, so ist ein weiterer Schritt getan.

Es ist schon erwähnt worden. Es ist mit diesem Gesetz eine schlanke Gesellschaft gegründet worden, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit fünf Mitarbeitern und einem Geschäftsführer. Das ist schlank.


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Ich danke Ihnen, Frau Langthaler, daß Sie gesagt haben, die Verhältnisse zu den Bundesforsten seien seriös. Das ist ein schwieriger Prozeß gewesen, aber wir haben jetzt den Vertragsnaturschutz in Österreich auf neue Beine gestellt. Das ist beim Nationalpark Donau-Auen erfolgt, das werden wir beim Nationalpark Kalkalpen fortsetzen.

Wenn ich daran denke, daß die jährliche Entschädigung für ein Hektar hochwertigen Nutzwaldes in den Donauauen bei 1 800 S ausverhandelt werden konnte – und selbst dahin haben wir eine Einschleifregelung über vier Jahre gefunden – und der Marktwert eines solchen Hektars weit über 100 000 S liegt, dann kann ich sagen: Daraus geht schon hervor, daß diese Entschädigung nicht einmal die Kapitalkosten – schon gar nicht bei diesen niedrigen Zinsen – decken kann und daß das daher faire Entschädigungsvolumina sind.

Ich wiederhole, daß ich das Liberale Forum in diesem Punkt nicht verstehe, denn Eigentum, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist unteilbar; jedenfalls ist die Volkspartei dieser Meinung. Eigentum ist unteilbar. Auch dann, wenn es öffentliches Eigentum ist und man es in Anspruch nimmt, hat man es zu entschädigen. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Ing. Tychtl. )

Wo kämen wir denn hin, wenn öffentlich Bedienstete beispielsweise in den auch dem Staat gehörenden Zügen der Bundesbahnen oder in den Bussen der Post ohne zu zahlen fahren könnten, weil das ja auch ein Umschaufeln von öffentlichen Geldern von einer Tasche in die andere ist. Das ist es, ja, aber es gehört zu einem ordentlichen Staat und es gehört zur Anerkennung des Eigentums, daß man auch da Entschädigungsleistungen zahlt, egal, ob es sich um eine Eisenbahnfahrkarte, um ein Briefporto oder auch um eine Entschädigungsleistung in Richtung der Österreichischen Bundesforste, die ja in wenigen Wochen als Aktiengesellschaft ausgegliedert werden, handelt. (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Ing. Tychtl. )

Was jetzt noch zu tun bleibt, ist nicht minder wichtig als das, was in den letzten zwölf Jahren geschehen ist. Es ist klar, daß die Gewässervernetzungsprojekte für die Erhaltung und für die Wiederbelebung der Auen von großer Wichtigkeit sind. Da sind mehr als zehn Gewässervernetzungsprojekte geplant. Eines in der Regelsbrunner Au ist schon quasi in Arbeit. Dem WWF ist dafür zuvorderst zu danken, denn er war diesbezüglich sehr aktiv, aber auch dem Wirtschaftsressort, das das finanziert. Es wird in den Jahren bis zur Jahrtausendwende notwendig sein, noch einige private Grundeigentümer einzubinden und damit noch 2 000 Hektar privater Grundflächen in diesen Nationalpark einzubringen.

Da Sie jetzt wieder da sind, Frau Abgeordnete Aumayr: Es ist schon richtig, daß es keine Entschädigungsleistungen für private Grundeigentümer gibt. Es sind bisher auch keine privaten Grundeigentümer in den Nationalpark eingebunden, und daher kann es solche Entschädigungsleistungen gar nicht geben. Das bitte ich Sie, zu berücksichtigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben von Regierungsseite her auch Wort gehalten, als wir gemeinsam mit dem Herrn Bundespräsidenten Klestil das Jahr 1996 zum Jahr der Nationalparke ausgerufen haben. Wir haben Wort gehalten, wir haben den Nationalpark Donau-Auen jetzt verwirklicht, und es sind die Weichen – wie ich meine, irreversibel – für eine Umsetzung des Nationalparks Kalkalpen im Jahre 1997 gestellt. Was aber noch bleibt, ist natürlich, Tausende Bürger in den Anrainergemeinden, vor allem in den Nordufergemeinden, in den nächsten Jahren auch noch zu Befürwortern des Nationalparks zu machen, sie nicht zu manipulieren, sondern sie dazu zu motivieren, zu ihrem Nationalpark ja zu sagen. Ich bin sicher, daß derselbe Prozeß, der in den Hohen Tauern und auch rund um den Neusiedlersee in den letzten Jahren gelaufen ist, auch dort wird laufen können und daß auch eine Gemeinde Orth an der Donau in absehbarer Zeit stolz sein wird, eine Ortstafel anbringen zu können, auf der "Nationalparkgemeinde Orth an der Donau" steht und auf der der Eisvogel abgebildet sein wird, weil die Bürger von Orth das wollen und weil sie auch stolz sein werden auf ihren Nationalpark Donau-Auen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Anmerkung schließen, die wichtig ist und die im positiven Sinne des Wortes von einem Vorstandsdirektor eines EVUs provoziert wurde, der sich zur Unzeit, nämlich eine Woche vor der Nationalparkeröffung, veranlaßt gesehen hat,


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mit einer Meldung aus einer Studie hinauszugehen, die noch dazu von einer Elektrizitätsgesellschaft in Auftrag gegeben wurde und die angeblich die Errichtung von Staustufen und von zwei Kraftwerken östlich von Wien als das einzige Mittel zur Rettung der Auen vorgesehen hat.

Ich wiederhole hier sehr deutlich, was alle Experten uns sagen: Die Au verträgt keinen Stau. Ein Kraftwerk oder gar zwei Kraftwerke östlich von Wien kommen nicht in Frage. Jedes Kraftwerksprojekt östlich von Wien ist mit dem Nationalparkprojekt Donau-Auen im höchsten Maße unvereinbar und unverträglich. Ich weiß mich mit den allermeisten – wahrscheinlich allen – Abgeordneten dieses Hohen Hauses einer Meinung, wenn wir die beiden Fließstrecken, die der Donau in Österreich noch verblieben sind, nämlich die Wachau auf der einen Seite und die Donau östlich von Wien bis Hainburg und Bratislava auf der anderen Seite, frei von Staustufen halten wollen, sei es im Sinne der Schönheit der Wachau, sei es im Sinne der Notwendigkeit des Nationalparks Donau-Auen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

13.28

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zwar nicht überrascht, aber doch immer wieder einigermaßen erstaunt über die Aussagen der Kollegin Aumayr. Frau Kollegin! Nicht alles, was hinkt, ist automatisch schon ein Vergleich. Wenn Sie hier irgendwelche importierten Äpfel mit Rosinen aufwiegen, die Sie sich offensichtlich aus einem Gesamtgebilde, aus einem geschlossenen System, das Welthandel heißt, herauspicken wollen, dann muß ich Ihnen sagen: So funktioniert das bitte nicht! Die Grenzen zumachen zu wollen ... (Abg. Aumayr: Nicht die Grenzen zumachen!) Ich werde diese Ihre Vorschläge gerne an unsere Exportwirtschaft weitergeben. Ich hoffe, sie decken sich nicht mit jenen ihres Wirtschaftssprechers Prinzhorn. Ich werde aber gerne weitergeben, daß Sie auf Exporte aus unserem Land, die dadurch selbstverständlich in einem hohen Maße diskriminiert und behindert würden, keinen Wert legen. Ich nehme das zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Aumayr: Wieso unsere Exporte?)

Überhaupt nicht verstehen kann ich aber Ihre Kritik an der Nationalparkeröffnung vom vergangenen Sonntag. Für jeden von uns, glaube ich, war das eine Sternstunde des Natur- und Umweltschutzes in Österreich. Der eingeschlagene Weg bei diesem Nationalpark, nämlich Vetragsnaturschutz zu betreiben, ist zwar mühevoll, aber der richtige, denn es werden dabei in einem hohen Maße Eigentumsrechte respektiert – der Herr Bundesminister hat schon darauf hingewiesen –, und wie man sieht, ist man dank intensivster Bemühungen des Umweltministers zu guten Ergebnissen gekommen.

Allein das bestätigt den von uns eingeschlagenen Weg, und es ist Ihnen, Herr Bundesminister, an dieser Stelle wirklich nochmals recht, recht herzlich für die Zähigkeit zu danken, mit der Sie diese Verhandlungen betrieben und zu einem guten Abschluß gebracht haben, aber auch für Ihr wirtschaftliches Denken, das Sie bei der Gestaltung der Gesellschaftsform und auch hinsichtlich der Größenordnung dieser Gesellschaft und ihrer Entscheidungsabläufe an den Tag gelegt haben.

Ich glaube, in Summe können sich dieser Nationalpark und auch die Gesellschaft, die ihn jetzt führen wird – natürlich unter Einbindung der vorhandenen Institutionen wie zum Beispiel eben den Bundesforsten –, nicht nur sehen lassen, sondern sie werden international auch große Beachtung finden. – Herzlichen Dank noch einmal dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch kurz zu drei anderen Punkten, die im Umweltausschuß Thema waren.

Zum ersten zum Antrag betreffend Flottenverbrauch der Kfz: Kollege Barmüller hat diesen Antrag eingebracht. Ich finde, es ist eine gute, wichtige und sehr begrüßenswerte Initiative von dir mit einer völlig richtigen Argumentation. Hier kann ein guter Beitrag zur Erreichung des Toronto-Ziels geleistet werden, nämlich Senkung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen vor allem über die Reduktion des Gesamtverbrauchs neu zugelassener Kfz. Ich glaube auch, daß diese Regle


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mentierung ein wichtiger Beitrag zur Technologieentwicklung in bezug auf den Kfz-Bau beziehungsweise die Kfz-Entwicklung sein kann, aber du negierst in deinem Antrag, so glaube ich, die Realität, was die Zuständigkeit und die Möglichkeiten für Reglementierung im nationalen Bereich betrifft. Ich glaube, der richtigere Weg ist der, den wir mit unserem eigenen Antrag beschritten haben, der sich dorthin richtet, wo das auch geregelt werden muß, nämlich auf der europäischen Ebene. Wir sind bekanntlich kein besonders bedeutsames Land, was den Kfz-Bau anbelangt.

Noch kurz zu einem zweiten Punkt, zur Erweiterung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung: Ich glaube, es ist wichtig, die Kostenwahrheit durch eine Internalisierung der externen Kosten zu verbessern. Ich bin sehr froh darüber, daß es gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag zustande zu bringen. Ich möchte auch den Experten des Umweltministeriums danken, die anwesend waren, als wir den Antrag formuliert, besprochen und auf Anregungen hin auch ergänzt haben.

Kollege Barmüller! Ich verstehe allerdings nicht ganz die neuerliche Kritik in bezug auf das ÖSTAT, weil ich der Meinung war, daß im Ausschuß – deine Zustimmung hat das gezeigt – auch darüber Einvernehmen erzielt werden konnte beziehungsweise dir die Fachleute des Umweltministeriums erläutern konnten, wieso die Formulierung genau so ist, wie wir sie gewählt haben. (Abg. Mag. Barmüller: Das habe ich eh nicht kritisiert!) – Ich habe zu wenig Zeit, ich kann leider nicht diskutieren mit dir.

Abschließend noch einen Punkt, der mir sehr wichtig ist: Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern. Jeder von uns bekennt sich zum Toronto-Ziel. Wir können dieses Ziel durch eine Effizienzsteigerung im Energieeinsatz erreichen. Wichtig ist aber auch, daß wir die erneuerbaren Energieträger bei der Wärmegewinnung direkt und natürlich auch bei der Stromerzeugung nutzen. Gott sei Dank haben wir ja einen sehr hohen Anteil an Wasserkraft.

Ich glaube – und hier bin ich bei Frau Kollegin Langthaler –, wir alle bekennen uns dazu, daß wir bei der Stromerzeugung verstärkt erneuerbare Energieträger einsetzen wollen. Wir werden morgen noch einmal ein Gespräch mit den Interessenvertretern des Biomasseverbandes und auch der IG Windkraft führen. Wir werden aber heute bereits einen Entschließungsantrag einbringen. Das hat nichts damit zu tun, daß wir die Gespräche morgen nicht mehr abwarten wollen. – Wir können sie aufgrund des Fristenlaufes des Parlaments nicht abwarten, weil wir in der morgigen Sitzung den Antrag bereits an den Wirtschaftsausschuß zugewiesen haben wollen, wo dieser dann Thema der Beratungen sein soll.

Wir haben Ihren Antrag allerdings deshalb abgelehnt, weil er, glaube ich, nur eine falsche Fortschreibung einer bestehenden Situation mit sich bringen würde. Wir wollen darauf abzielen, das Ganze primär als Technologieförderung aus einem von verschiedenen Seiten gespeisten Fonds zu sehen, der primär die Investition fördert. Damit wird es zu einer effizienten und vor allem effektiven Förderung dieser erneuerbaren Energieträger zur Stromerzeugung kommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

13.36

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mußte, Herr Bundesminister, leider feststellen, daß Sie sich zum Thema Lambach wieder einmal verschwiegen haben, obwohl es auch auf der Tagesordnung steht und Frau Kollegin Langthaler bereits darauf eingegangen ist. Das heißt, es gab bereits Stellungnahmen dazu, und mich persönlich würde Ihr diesbezüglicher Standpunkt brennend interessieren.

Eine Nachdenkpause, sehr geehrte Damen und Herren, ist, wie ich meine, angebracht. Warum angebracht? – Der derzeitige Stand hinsichtlich der Höhe der Baukosten soll 600 Millionen Schilling betragen – so zumindest Generaldirektor Windtner. Ich persönlich denke zwar, daß es


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zu einer höheren Investitionssumme kommen wird. Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine Summe, die, obwohl es sich um Wasserkraft handelt, letztlich in den Schornstein zu schreiben ist.

Dieses Kraftwerk, sehr geehrte Damen und Herren, ist betriebswirtschaftlich sinnlos, es ist volkswirtschaftlich verwerflich oder nahezu verwerflich, und es ist energiewirtschaftlich unnötig bis überflüssig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren der ÖVP, die Sie sich immer besonders stark für dieses Kraftwerk machen! Wo ist eine Bedarfsermittlung, die schlüssig die zusätzliche Produktion von Strom durch Wasserkraft in Lambach sinnvoll erscheinen läßt? – Mir sind eine derartige Bedarfsermittlung und eine derartige Studie nicht bekannt. (Abg. Murauer: Der Schweitzer hat schon die Antwort gegeben!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Großruck hat in einem Zwischenruf, der, wie ich meine, nicht protokolliert wurde, da er eher leise und zurückhaltend war, gemeint: Wasserkraft raus, Atomstrom nein! – Wenn Herr Generaldirektor Windtner in einer Fernsehsendung kundtut, das Kraftwerk Lambach müsse gebaut werden, weil der Atomstrom zu reduzieren sei und weil – zweite Begründung – die Abhängigkeit vom Verbund reduziert werden müsse, der Bedarf gegenüber dem Verbund zu reduzieren sei, so muß ich dem entgegenhalten, daß das eine polemische Behauptung ist, wenn man im gleichen Atemzug mit den Bayern-Werken über den Verkauf von Anteilen der OKA verhandelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, ich brauche nicht näher zu erläutern, daß die Bayern-Werke ein Atomstromproduzent par excellence sind. Für mich ist das also nicht ganz schlüssig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Verbund wäre, wie wir wissen, froh, müßte er Freudenau nicht bauen. Aber hier ist der Punkt bereits überschritten, hier kann kein Stopp mehr zu einer befriedigenden Lösung führen, wie das im Zusammenhang mit dem Kraftwerk Lambach sicherlich der Fall wäre.

Was wollen Sie damit? – Den Überschußstrom weiter erhöhen? – Einen Überschußstrom, für dessen Verkauf als Billigstrom an das Ausland wir letztlich eine Groscherlsumme als Erlös erzielen können? Das heißt, jeder Kubikmeter Wasser, der die Traun hinunterfließt, jede Kilowattstunde, die damit erzeugt wird, wird mit Geld des Bürgers gestützt, um diesen produzierten Strom ans Ausland verkaufen zu können. (Abg. Aumayr: Es ist ein Geschenk!) – Es ist ein Geschenk!

Die Interessenkollision des Herrn Landeshauptmannes Pühringer auf der einen Seite als Eigentümervertreter der OKA und auf der anderen Seite als Landeshauptmann, der die Interessen der Bürger, zwangsläufig der Zwangskunden der oberösterreichischen Kraftwerke, zu vertreten hat, läßt sich dadurch veranschaulichen, daß er sagt, "wir von der OKA", und es ihm offensichtlich egal ist, daß die Bürger und selbstverständlich auch die Industrie damit eine zusätzliche Belastung erfahren.

Nennen Sie mir einen Grund, sehr geehrte Damen und Herren, warum die OKA beispielsweise das Angebot, das seitens des Verbundes gemacht wurde, einen Strom zu Preisen zu liefern, die unter den Produktionskosten für Strom des Kraftwerkes Lambach liegen – dasselbe gilt im übrigen auch für das geplante EVN-Kraftwerk Theiß –, nicht annehmen sollte!

Erklären Sie mir, warum man jene Investitionssumme, die für das Kraftwerk Lambach vorgesehen ist, nicht sinnvoll für andere Maßnahmen einsetzt und sozusagen einen Investitionsfreiraum schafft, mit dem sehr wohl Arbeitsplätze und Beschäftigung geschaffen werden können. Es sind 600 Millionen Schilling, wahrscheinlich mehr, die tatsächlich zum Schornstein rausgeblasen werden. Statt eines sinnlosen Kraftwerkes Lambach sollten wir uns und sollten sich auch die Oberösterreichische Landesregierung und die OKA lieber mit jenen tatsächlichen Herausforderungen auseinandersetzen, die uns die Energiepolitik abverlangt: eine Neuorganisation der E-Wirtschaft unter Bedachtnahme der ureigensten österreichischen Interessen und eine Regelung der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien, sodaß der Einsatz


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von elektrischem Strom aus erneuerbaren Energieträgern tatsächlich zum Tragen kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rada. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

13.42

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe es gerne zu, daß für viele Österreicher und vor allem auch für Sie, Herr Bundesminister, der vergangene Sonntag ein Freudentag war, daß für Sie gutes Stück Arbeit geleistet war, daß Sie Ihr Versprechen "1996 – das Jahr der Nationalparke" eingelöst haben. Aber ebenso war es für ein gut Teil der betroffenen Bevölkerung, insbesondere nördlich der Donau, kein Freudentag.

Ich habe an dieser Stelle schon vor mehr als einem Jahr dargelegt, daß die Bewohner dieser Nordgemeinden gemessen an der österreichischen Bevölkerung zwar ein verschwindend kleiner Prozentsatz sind, daß sie aber doch mehrheitlich vom Nationalpark betroffen sind und sich 1993 in Abstimmungen zwischen 73 Prozent und 86 Prozent dagegen ausgesprochen haben. Die Zeit dazwischen, bis vergangenen Sonntag, wurde nicht genützt, diese Skepsis zu vermindern. Ganz im Gegenteil! Als man den Leuten dort in Veranstaltungen die neue Nationalparkverordnung darstellen wollte, hat sich gezeigt, daß diese Leute radikalisiert sind und in ihrer Verzweiflung nur noch mit bloßem Zynismus reagieren.

Das ist auch kein Wunder, denn es ist eine Reihe von Fragen ungelöst geblieben, so zum Beispiel die Unsicherheit über die landwirtschaftliche Nutzung. Viele Landwirte, deren Existenz von den Feldern, die jetzt im Nationalpark liegen, abhängig ist, stellen fest, daß ihre Felder mitten in der streng geschützten Naturzone liegen. Sie wissen nicht, ob sie wieder einen Pachtvertrag bekommen werden, wenn der alte abläuft. Die Wasservernetzung, die Sie angesprochen haben, mag durchaus in Planung sein. Es gibt aber noch kein vernünftiges Konzept dafür, was gegen die Donaueintiefung unternommen wird. Was nützt uns die Vernetzung, wenn sich die Donau jährlich weiterhin um zwei bis drei Zentimeter eintieft? Es wird sich dieses Wasser in der Au mit Sicherheit wieder den tiefsten Punkt suchen, und das ist eben einmal die Donau.

Auch die verkehrsmäßige Erschließung dieses Nordgebietes ist nicht gesichert. Es gibt keine Eisenbahn dorthin, es gibt einzig und allein Zufahrtsstraßen, die von PKW und Autobussen genützt werden und die heute schon tagtäglich und an Wochenenden ebenso zu Staus führen.

Es ist also vieles noch nicht geschehen. Man soll aber trotzdem nicht die Hoffnung aufgeben, daß vielleicht die neue Nationalparkgesellschaft die Bevölkerung doch überzeugen kann. Es wird wesentlich sein, inwieweit diese Beiräte, in denen die Bevölkerung mitreden darf, auch wirklich gehört werden oder ob sie eine ähnliche Funktion erfüllen wie einst bei der Errichtungsgesellschaft. Dann wundert es mich nicht, daß so mancher Bürgermeister ein Wahlergebnis hinnehmen muß, das er sich eigentlich nicht erwartet hat.

Deshalb verwundert mich eigentlich Ihre Aussage, Herr Abgeordneter Schrefel, wenn Sie meinen, daß Ihre Fraktion mit Freude zustimmen wird, denn gerade die Bürgermeister dieser Region, die Ihrer Fraktion angehören, haben am 13. Oktober etwas anderes feststellen müssen, denn ein bewährter Populist und Zickzackläufer, der einst vehement für den Nationalpark eingetreten ist, der eigentlich schon vor zwei Jahren hätte errichtet werden sollen, hat im letzten Augenblick die Kurve gekratzt und plötzlich gegen diesen Nationalpark gestimmt – in Niederösterreich und auch im Ausschuß. Es wird interessant sein, wie er heute stimmen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

13.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.


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13.47

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fülle der Tagesordnungspunkte, die wir zusammengefaßt diskutieren, erlaubt eine teilweise Auswahl. Ich möchte mich noch einmal auf die Energieaspekte konzentrieren, insbesondere auf das Thema Lambach, dies allerdings im Kontext mit Überlegungen zu den Einspeisetarifen, weil ich der Meinung bin, daß unter dem Vorwand einer wirtschaftlichen Argumentationsweise mit ziemlicher Brachialgewalt ein Projekt trotz Widerstände betrieben wird, wobei man sich gleichzeitig auf den Rechtsstaat beruft, was teilweise seine Richtigkeit hat. Aber es ist völlig in den Hintergrund getreten, daß es sich bei diesem Projekt um ein Vorhaben handelt, das bei einem Unternehmen, das nach wirtschaftlichen Kriterien geführt wird, überhaupt nicht stattfinden würde. Und das ist das eigentlich Beunruhigende, denn letztlich heißt das in eine einfache Sprache übersetzt: Das ist ein Projekt, bei dem die OKA draufzahlen wird. Sie halten bitte inne: Die OKA wird natürlich nicht draufzahlen, sondern die Stromkunden der OKA werden draufzahlen, die Haushalte, die bei ihrer Elektrizitätsnachfrage kaum ausweichen können, werden draufzahlen. Also draufgezahlt werden wir dann alle haben, und die OKA kann sich eines Projektes rühmen. Und das finde ich nicht nur schade, sondern das finde ich auch verantwortungslos. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Das Ganze trägt aber außerdem noch einen zweifachen Umweltaspekt. Der eine ist der, daß das Projekt – wie mir scheint – umweltmäßige Sorgfalt vermissen läßt, was seine Situierung anlangt, und der zweite ist der, daß wir durchaus die Leistungsfähigkeit der österreichischen Elektrizitätswirtschaft im Bereich der Einspeisetarife für alternative Energieversorgungen brauchen. Wenn Sie sich also vergegenwärtigen, wie unwirtschaftlich dieses Lambach ist und was wir daher an Quersubventionierungen werden aufbauen müssen, um Lambach letztendlich zu refinanzieren, dann bekommen Sie ein Volumen heraus, das spielend ermöglichen würde, bei der Frage der Einspeisetarife eine ganz andere Position einzunehmen.

Statt daß wir die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems dazu nutzen, daß Photovoltaik, Biomasse und Windenergie mit fairen Möglichkeiten an den Start gehen und zu fairen Konditionen liefern können – das kostet natürlich das Gesamtsystem auch etwas; wer das nicht sieht, macht einen Fehler –, statt also das zu tun und damit gleichzeitig auch innovatives Entwicklungspotential zu fördern und im übrigen auch Arbeitsplätze zu schaffen – ich erinnere an die heutige Aktuelle Stunde, da war das ein Thema –, weil das sehr dezentral laufen würde, wird sehenden Auges ein unwirtschaftliches Projekt wie Lambach sozusagen erzwungen, und zwar unter grenzwertiger Ausnützung des Rechtsstaates, so nenne ich es einmal vorsichtig. Mit "grenzwertiger Ausnützung" meine ich eine tendenziell unfaire Behandlung der Anrainer und Parteien, und zwar dadurch, daß man wieder den Rechtsstaat dazu benützt, um sie in die Knie zu zwingen, nämlich über Zivilrechtsverfahren und Besitzstörungsverfahren, die unter Umständen zwar mühsam verglichen werden können, aber die Schneid ist sozusagen abgekauft, und das ist ja die Idee dabei.

Das alles geschieht aber vor dem Hintergrund einer hochgradigen Unwirtschaftlichkeit! (Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Herr Kollege Murauer! Wir hatten in der Sitzung des Rechnungshofausschusses Gelegenheit, den Vorstand der Verbundgesellschaft – der sicherlich vom Verdacht frei ist, die Politik des Liberalen Forums oder der Grünen zu betreiben – zu befragen, wie er denn die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks Lambach sieht. In sehr höflichen, gentlemanliken Worten hat der Vorstand der Verbundgesellschaft zum Ausdruck gebracht, daß er sich deswegen dazu nicht äußern möchte, weil die Verbundgesellschaft jederzeit in der Lage sei, den Strom, der in Lambach wesentlich teurer erzeugt wird, zu wesentlich günstigeren Preisen zu liefern. (Zwischenruf des Abg. Murauer. )

Weil aber der Herr Landeshauptmann Pühringer im konkreten Fall seinen Zugang zum Aktienrecht so versteht, daß er einem weisungsfreien Vorstand Weisungen erteilen kann, und der Vorstand sich das außerdem noch – sozusagen zur höheren Ehre seiner Vertragsverlängerung – gefallen läßt, haben wir Lambach. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Murauer. )

Herr Kollege Murauer! Auch wenn Sie noch so oft zwischenrufen: Wirtschaftlich unvernünftig ist etwas dann, wenn es sich in den Zahlen so manifestiert wie im Fall von Lambach. Vor dem


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Hintergrund der Strommarktliberalisierung in Europa ist es überhaupt unverantwortlich, und ich verstehe nicht, wie eine Partei wie die Österreichische Volkspartei, die für sich in Anspruch nimmt, in wirtschaftlichen Fragen etwas zu sagen zu haben, in diesem Punkt derart unkritisch und gefolgschaftstreu hinter ihrem Landeshauptmann Pühringer nachhinken kann. Das verstehe ich nicht! Man muß das aber immer wieder sagen, weil die Bevölkerung von Oberösterreich, die das ja auch hört, wissen soll, daß sie einen Landeshauptmann hat, der mit dem Geld der Bevölkerung von Oberösterreich sorglosen Umgang pflegt! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Mag. Barmüller: Und für den Schaden muß die Bevölkerung auch noch aufkommen!)

Ich sage noch einmal: Wenn etwas rechtsstaatlich möglich ist, heißt das noch nicht, daß es wirtschaftlich vernünftig ist. Das möchte ich hier auch noch einmal ganz ausdrücklich festhalten: Wenn es möglich ist, ein Projekt genehmigt zu bekommen, ist damit nicht der Beweis erbracht, daß es wirtschaftlich vernünftig ist. Wer zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einen solchen Zugang hat, bei dem wundert es mich allerdings nicht, wenn die Wirtschaftspolitik teilweise so aussieht, daß sie manchmal ein trauriges Bild abgibt. Nur weil etwas erlaubt ist, muß es sich noch nicht rechnen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Im übrigen gibt es auch Beispiele für Doppelbesteuerungen in diesem System, zum Beispiel im Bereich der Elektrizitätsabgaben, wo etwa Befreiungstatbestände geschaffen wurden, wenn andere Energieträger verstromt werden. Da hat man gesagt: Zweimal soll nicht bezahlt werden. Wenn die Leute Gas verwenden, dann ist das freigestellt von der entsprechenden Abgabe, weil der Strom ohnedies versteuert wird.

Das gilt aber nur, solange Sie nur Strom erzeugen. Wenn Sie die perfide Idee haben, den Wirkungsgrad Ihrer Anlage anzuheben, indem Sie die Abwärme auskoppeln und in einem Fernwärmesystem verwenden, dann muß diese dort eingesetzte Primärenergie auf einmal versteuert werden. Mit anderen Worten: Wenn Sie die Abwärme zum Beispiel benützen, um die Donau aufzuheizen, weil Sie die Abwärme wegkühlen müssen, dann werden Sie steuerlich belohnt. Wenn Sie hingegen die Abwärme benützen, um Wohnungen zu beheizen, dann werden Sie steuerlich bestraft. Das ist zwar rechtsstaatlich in Ordnung, denn das hat der Nationalrat mit einer entsprechenden Mehrheit der Regierungsparteien beschlossen, aber wirtschaftlich vernünftig ist es nicht und ökologisch ist es schon gar nicht! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Der einzige Weg, einen solchen Mißstand zu beheben, wäre eine Änderung des Gesetzes, aber ich fürchte, das Hohe Haus wird sich mehrheitlich nicht dazu aufraffen können.

Daher ist ein weiterer Aspekt, den ich hier einbringen möchte, die Frage: Warum klammern sich die Landeshauptleute daran, die Kompetenz zu behalten, die Einspeisetarife zu regeln? Warum bleibt das nach unten delegiert? – Wir haben uns um diese Frage bemüht. Wir meinen, daß das ein ganz klassischer Fall ist, der aus einem Blickwinkel betrachtet werden muß, nämlich aus dem Blickwinkel des Bundesministers, der dafür zuständig ist. Sonst ist das nämlich – damit mache ich noch einmal einen Rückgriff auf Lambach – regelrecht eine herzliche Einladung an den Landeshauptmann von Oberösterreich, sich bei den Einspeisetarifen für alternative Energien zu helfen – beziehungsweise "seiner" OKA zu helfen –, damit er Lambach finanzieren kann. – So klein wird das auf einmal (der Redner macht eine entsprechende Geste ), so eng ist auf einmal der sich selbst regelnde Kreis! (Abg. Kopf: Die OKA ist doch sicher vorbildlich!)

Das finde ich wirklich außerordentlich bedauerlich. Ich meine nämlich – diesbezüglich sind wir auf der Ebene der Energiesprecher in mancher Hinsicht schon viel weiter, als es in den Regierungsfraktionen der Fall ist –, daß wir hier zu dem Grundsatz kommen sollten, uns zuerst wenigstens über die Fakten zu einigen, damit wir dann über die möglichen Entwicklungen streiten können. Solange es aber noch ein Thema ist, Lambach wirtschaftlich zu verteidigen, so lange haben wir natürlich noch einen weiten Weg bis zu einem Konsens über die Faktenlage. Wenn nicht einmal die Beurteilung der Ausgangslage übereinstimmt, dann ist die Chance, daß man zu einer konsensualen Lösung findet, sehr, sehr klein.


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Wir sollten uns wirklich bemühen, uns wenigstens über die Randbedingungen, wenigstens über die Umwelteffekte einig zu sein. Dann kann noch immer der eine sagen: Ich nehme diese Umwelteffekte in Kauf! oder der andere: Ich nehme sie nicht in Kauf. – Das ist dann ein sinnvoller Streit. Aber Umwelteffekte einfach abzustreiten, obwohl man in Wahrheit nur bereit ist, sie in Kauf zu nehmen, das ist unehrliche Politik, das macht auch die Menschen verdrossen. Ich bitte daher: Umdenken! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

13.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Abgeordneter Stampler. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeit: 5 Minuten.

13.57

Abgeordneter Franz Stampler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Am letzten Sonntag ging mit der Unterzeichnung des Nationalparkvertrages nicht nur eine unendliche Geschichte zu Ende, nein, es begann auch eine neue Ära der Ökologie, eine Ära, in der ein Nationalpark wichtiger ist als die Errichtung eines neuen Wasserkraftwerkes. Es ist wichtig für uns und unsere Kinder, so glaube ich, jene Stücke unberührter Natur, die es in Österreich noch gibt, zu erhalten und damit wieder einmal eine Vorbildfunktion in Europa einzunehmen.

Österreich entwickelt sich langsam zu einem Ökoparadies, was Nationalparks anlangt. So konnte man erst vor kurzem bereits den 25. Geburtstag des Nationalparks Hohe Tauern feiern. Dieser ist mit seinen fast 1 800 Quadratkilometern der größte Nationalpark Mitteleuropas. Er umfaßt eine Region mit 26 Gemeinden, in der rund 60 000 Menschen vorwiegend vom Tourismus leben, und liegt in einer der schönsten Kulturlandschaften der Alpen. Mit seinen etwa 10 000 verschiedenen Tierarten ist er wohl einzigartig. Ein solches Paradies kann und wird auch der Nationalpark Donau-Auen werden.

Zur Geschichte: Geredet wurde schon vorher oft davon, aber erst mit der Besetzung der Hainburger Au rückte ein bis dahin eigentlich nur von der örtlichen Bevölkerung geschätztes Stück Natur in den Mittelpunkt des Interesses aller Österreicher. Nun wurde die Au zu einem Politikum. Mit der Aktion des WWF "Natur freikaufen", mit dem Einsatz von Politikern, dem Auftrag an die Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal, den Nationalpark zu planen, und schließlich mit der Unterzeichnung des 15a-Vertrages am letzten Sonntag nahmen die Dinge ihren Lauf und erreichten schließlich ihren vorläufigen Höhepunkt.

Es war ein harter, steiniger Weg, und es wird noch viel Überzeugungsarbeit in den Gemeinden, in denen die Gegner des Nationalparks noch dominieren, zu leisten sein. Man muß den Menschen ihre zum Teil verständlichen Ängste nehmen und ihnen darlegen, daß es unumgänglich ist, eine so wertvolle Naturlandschaft zu erhalten.

Nicht Tiere und Pflanzen sind es, die unseren Lebensraum zerstören wollen, sondern eher umgekehrt. Die Jagd wird in beschränktem Ausmaß weiterhin möglich sein. Sie ist sogar notwendig, da der Wildbestand weiterhin reguliert werden muß. Auch die Fischerei ist nicht gänzlich verboten, und Teile der Au stehen weiterhin für die Holzverarbeitung und für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung.

Eines muß jedoch klar sein: Bei einem weiteren Ausbau des Nationalparks darf niemand zur Herausgabe seines Landes gezwungen werden. Wir von der Österreichischen Volkspartei stehen für den Schutz der Natur, aber auch für den Schutz des Eigentums. Wir müssen vielmehr versuchen, bei den Grundeigentümern eine Bewußtseinsänderung herbeizuführen. Herr Minister Bartenstein sagte es bei der Eröffnung am Sonntag wortwörtlich: Insbesondere gehe es darum, denjenigen, die noch nicht ja zum Nationalpark sagen, die Hand zu reichen.

Die Stadt Wien ist weltweit die einzige Stadt, innerhalb deren Grenzen sich nun ein Teil eines Nationalparks befindet, noch dazu die einzige nahezu unberührte Aulandschaft Europas. Das ist schützenswert!


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In der Stufe 1 werden sich auf einer Fläche von 9 300 Hektar 5 000 verschiedene Tierarten tummeln, von denen manche nur noch hier vorkommen, und es wird über 600 verschiedene Pflanzenarten zu bewundern geben. Aber auch der Bevölkerung bleibt der Nationalpark nicht verschlossen. Von speziell ausgebildeten Führern soll Jugendlichen, vor allem aus dem städtischen Raum, auf eigens eingerichteten Lehrpfaden die Schönheit der Natur nähergebracht werden.

Für den Tourismus, aber auch für die Landwirtschaft in dieser Region bieten sich völlig neue Möglichkeiten.

Vielleicht wird es möglich sein, den Nationalpark künftig auf die geplanten 11 500 Hektar auszuweiten. Auf jeden Fall ist es, wie ich glaube, eine Verpflichtung der Politik, diese Erde, die wir von unseren Kindern nur geliehen haben, zu bewahren, zu erhalten und sie ihnen auch zugänglich zu machen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Anschober. )

14.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Anschober. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

14.03

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann meinem Vorredner in allen Punkten nur recht geben. Es war beinahe eine grüne Rede! (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Ich muß vielleicht etwas einschränkend darauf hinweisen, daß der eine Satz, man möge bei Grundeigentümern in einem Nationalparkgelände auf die Bewußtseinsänderung warten, statt zwangsweise Grundstücke zu enteignen, Ihren Fraktionskollegen ins Handbuch geschrieben werden sollte, vor allem, wenn es um Straßenbauten geht.

Stellen Sie sich zum Beispiel beim Bau der Pyhrn Autobahn vor, Herr Kollege, daß der Wirtschaftsminister darauf wartet, bis die Grundeigentümer Einsehen haben, daß sie den Grund hergeben sollten, weil das Verkehrsprojekt anscheinend notwendig ist. Da wird in der ÖVP mit zweierlei Maß gemessen, und das ist unlauter. Dort, wo es um ökologische Fragen geht, wird das Recht auf Privateigentum hochgehalten. Auf der anderen Seite gibt es aber Projekte – siehe zum Beispiel oberösterreichisches Kremstal –, wo ganz brutal über Landwirte drübergefahren wird, wo Enteignungen zum schweren finanziellen Schaden der Betroffen durchgedrückt werden. Bei einer innerparteilichen Willensbildung sollte man sich sehr wohl ansehen, ob das wirklich sauber ist. (Abg. Koppler: Es haben unlängst auch ganz andere Betroffene demonstriert – wo war da der Rudi Anschober?) Ich bin nicht immer bei den Demonstranten. Man kann nicht gegen alles demonstrieren. Kollege Koppler, du solltest dich da ein bißchen zurücknehmen. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Interessanter bei dieser Debatte ist meines Erachtens die politische Klammer von Hainburg – der effizientesten Besetzung, der wahrscheinlich gravierendsten Umweltauseinandersetzung in den letzten Jahrzehnten in Österreich – bis hin zu Lambach, der längsten Besetzung bisher – volle drei Monate hindurch – und der aktuellsten Umweltauseinandersetzung in Österreich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es interessant gefunden, daß der Umweltminister gemeint hat: Nach zwölf Jahren ist es in Hainburg zu einem guten Abschluß gekommen. – Ich bin froh darüber, daß sich die Grünen durchsetzen, ich bin auch froh darüber, daß gemeinsam gefeiert wird und daß teilweise auch umgedacht wird, und zwar von Leuten, die – Herr Minister, Sie wissen es – damals vor zwölf Jahren gar nicht auf der Seite der Grünen gewesen sind, aber ich kann Ihnen eines garantieren: In Lambach wird es nicht zwölf Jahre dauern, daß sich die gute Sache durchsetzt, in Lambach wird das viel, viel rascher gehen! (Beifall bei den Grünen.)

Der Herr Minister hat auch gemeint, er danke denen, die da vor zwölf Jahren gefroren haben. – Dies tue ich auch, aber ich danke auch jenen, die da vor zehn Monaten in der Lambacher Au gefroren haben. (Abg. Mag. Kukacka: Dort gibt es keine Au! – Abg. Öllinger – in Richtung des Abg. Mag. Kukacka –: Jetzt gibt es keine mehr!) Ich bin das nächste Mal auch mit Sicherheit wieder bei ihnen, und viele unserer Fraktion werden auch bei ihnen sein, damit es in Lambach


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eben nicht zwölf Jahre dauert wie in Hainburg bis sich ein guter Abschluß tatsächlich durchsetzen läßt.

Herr Minister Bartenstein! Bei vielem, was Sie betreffend Hainburg sagen, gibt es absoluten Konsens auf unserer Seite. Über ein nicht mehr umstrittenes Projekt läßt sich hier viel Positives darstellen und sehr positiv argumentieren. Aber Sie sind in einem anderen Zusammenhang sehr konsequent, nämlich darin, die Frage Lambach konsequent zu verschweigen. Wo ist Ihre persönliche Positionierung, Herr Minister? Austrecken, Fließstrecken gibt es nicht nur in Hainburg! Wo ist Ihre persönliche Positionierung betreffend die 9 Prozent noch nicht verbauten, naturnahen Fließstrecken in Oberösterreich?

91 Prozent des Wasserkraftpotentials in Oberösterreich sind bereits ausgeschöpft. Sollte es für einen Naturschützer, für einen Umweltminister nicht selbstverständlich sein, sich dafür zu engagieren, daß die 9 Prozent Restfließstrecken, die noch naturnah sind, für unsere Kinder, für nächste Generationen erhalten bleiben? (Abg. Mag. Kukacka: Das ist doch alles reguliert! – Offensichtlich war er noch nie dort, sonst würde er nicht einen solchen Blödsinn erzählen!)

Herr Minister! Ich weiß, da gibt es Parteizwänge, ich weiß, da gibt es Druck, ich weiß, das ist nicht einfach für Sie, trotzdem erwarte ich mir von einem Umweltminister, daß die Umweltfrage für ihn wichtiger ist als die Parteidisziplin! (Beifall bei den Grünen.)

Dazu müssen Sie sich einmal erklären, aber nicht erst in zwölf Jahren im Festzelt zu Lambach und auch nicht in drei Jahren im Festzelt zu Lambach, wenn wir das Schutzgebiet Lambach feiern und eröffnen werden, sondern hier und heute! Jetzt müssen Sie an unserer Seite sein, nicht erst dann, wenn es nicht mehr umstritten ist!

Ein ganz wesentlicher Punkt in der Frage Lambach – gewissermaßen das Kernstück des Antrages, der heute in diesem Bündel von Anträgen zu Beginn der Umweltdebatte hier vorliegt – ist die beantragte Nachdenkpause betreffend den Bau des Kraftwerks Lambach. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte mir eigentlich keinen aktuelleren Zeitpunkt für die Debatte dieses Antrages vorstellen. Ich habe eine Nachdenkpause beantragt – nachdenken wird ja vermutlich in Österreich doch grundsätzlich nichts Negatives sein –, um in dieser Nachdenkpause eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchführen zu lassen.

In Lambach stehen wir vor der Situation, daß wir vermutlich, wenn die OKA tatsächlich ihr Wort hält und wenn auch Landeshauptmann Pühringer sein Wort hält, mit einem allfälligen weiteren Baubeginn zumindest bis zum endgültigen Entscheid der Höchstgerichte zuwarten werden. Sie wissen, Beschwerden sind bereits angekündigt, und man sollte nicht wieder den Fehler machen, einen Bau vorzuziehen, der jetzt zwar rechtlich machbar und möglich wäre, wo dann aber wieder der Verwaltungsgerichtshof das Stoppsignal sendet und den Bau unterbricht, weil er den Umweltschützern recht gibt. Landeshauptmann Pühringer und OKA-Generaldirektor Windtner haben beide erklärt, sie werden bis zum Vorliegen des OGH-Urteils warten. Das wird zumindest bis Mai, Juni, Juli des kommenden Jahres dauern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist der Kern des Antrages. Das ist bereits eine Nachdenkpause, und in dieser Nachdenkpause sollte man die Zeit nutzen und darangehen, sowohl die Umweltverträglichkeit als auch die Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Wer ein gutes Gewissen in diesen beiden Fragen hat und wer davon überzeugt ist, daß dieses Projekt umweltverträglich und auch wirtschaftlich ist, der müßte doch liebend gerne und mit Begeisterung sofort diesem Antrag zustimmen, weil er dann ja eine wunderbare Argumentation für den Bau dieses Projektes hätte!

Aber Sie wissen, daß dieses Projekt mit Sicherheit nicht umweltverträglich ist und daß es auch nicht wirtschaftlich ist, und zwar gerade unter den geänderten Rahmenbedingungen des liberalisierten Strommarktes in der Europäischen Union. Sie wissen, was auch andere EVU-Landesgesellschaften bereits festgeschrieben haben. Monika Langthaler hat bereits etwa das TIWAG-Protokoll über die Effizienz und fehlende Wirtschaftlichkeit zukünftiger Wasserkraftprojekte zitiert. Sie wissen das, und Sie wissen, daß gleichzeitig Österreich derzeit in einem unglaublichen


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Stromüberschuß schwimmt und dieser Stromüberschuß ein schweres volkswirtschaftliches Problem darstellt, weil der Verbundkonzern diesen ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka. ) Herr Kollege Kukacka! Eine Unwahrheit und Dummheit wird nicht klüger und wahrer, wenn sie laufend wiederholt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Kukacka! Schauen Sie sich die Zahlen einmal an! Ich würde Sie einladen, fahren Sie mit mir jede zweite Woche – wie ich es tue – nach Temelin und kämpfen Sie einmal dort! Aber da sehe ich Sie ja nie! Da sind Sie nicht vorhanden! Sie sind dann vorhanden, wenn es ums Polemisieren mit Atomstromimporten geht. Dann sind Sie da! (Beifall bei den Grünen.) Aber wenn es um das konkrete Engagement gegen Temelin geht, habe ich einen Kukacka vor Ort dort noch nie gesehen. Ich werde Sie das nächste Mal persönlich einladen, vielleicht werden wir dann Überzeugungsarbeit im Bereich der Stahlhelmfraktion der Österreichischen Volkspartei leisten können.

Wir haben eine Überschußsituation auf dem österreichischen Strommarkt. Das ist völlig unbestritten. Wir hatten im vergangenen Jahr einen Exportüberschuß von rund 1 400 Gigawattstunden. (Zwischenruf des Abg. Murauer. ) Herr Kollege Murauer! Einen Exportüberschuß! Das heißt mehr Export als Import. Bitte, ein Minimum an Fachbegriffen müßte doch in diesem Hause realistischerweise erwartet werden können! Wir hatten einen Exportüberschuß von 1 400 Gigawattstunden, das ist ungefähr 35mal die Leistung von Lambach. Wir haben seit Beginn dieses Jahres zusätzlich den sogenannten Nagymaros-Vertrag mit zusätzlichen 1 200 Gigawattstunden an Importen, die bis zum Jahre 2015 fixiert sind. Das hat keine grüne Bundesregierung durchgesetzt. Da habe ich Ihre Proteste nicht gehört. Da waren wir im Jahre 1985/86 diejenigen, die sich dagegen engagiert haben. Und wir haben als drittes das Kraftwerk Freudenau – ebenfalls von der gleichen Dimension –, das diesen Überschuß in Summe dann verdreifachen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Und genau das hat Verbundchef Haider im Rechnungshofausschuß auf Fragen unter anderem des Kollegen Vorsitzenden Wabl dargestellt. Da sind Sie sehr ruhig geworden, da haben Sie eigentlich kaum mehr argumentiert, als Verbund-General Haider gemeint hat, um diese Überschußkapazitäten in Österreich abzubauen, wäre es sinnvoller, nicht in Landesgesellschaften neue Kraftwerke zu errichten, die in Summe diese Überschußsituation noch weiter steigern, und Ihnen statt dessen angeboten hat, vom Verbund günstigen Strom zuzukaufen.

Ich sage: Für mich wäre es auch eine geeignete Variante, daß sich Landesgesellschaften an Verbund-Wasserkraftwerken direkt beteiligen. Sie wissen vielleicht, Oberösterreich – nicht die OKA, sondern Oberösterreich – produziert um ein Drittel mehr Wasserkraftstrom, als es insgesamt an Strom braucht. Die Stromproduktion im Bundesland Oberösterreich liegt um 30 Prozent über dem Gesamtstromverbrauch von Oberösterreich.

Diese Situation sollten wir nützen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und in dieser Situation erfolgt unser bereits angekündigter Antrag, daß – wie wir meinen – der Wirtschaftsminister seine Koordinierungsfunktion in diesen Fragen in die Hand nehmen muß und als Eigentümervertreter im Bereich des Verbundkonzerns dafür sorgen sollte, daß das Angebot, das von Haider im Rechnungshofunterausschuß erstmals formuliert wurde, auch der Öffentlichkeit bekannt wird, daß dieses konkretisiert wird und daß es zu konkreten Verhandlungen des Verbundkonzerns mit den Landesgesellschaften kommt, damit wir eine volkswirtschaftlich vernünftige und damit auch ökologisch vernünftige Lösung erreichen und die Überschußkapazitäten nicht weiter dadurch erhöhen, daß wir neue Kraftwerke der Landesgesellschaften errichten und dann diese Überschußstrommengen zu Dumpingpreisen mit enormen Verlusten im Ausland fast verschenken müssen.

Darum geht es. Dieser Antrag steht im Raum. Wir bringen diesen Antrag heute ein, wir lassen ihn aber nicht heute abstimmen. Nach Gesprächen mit einigen Politikern verschiedener Fraktionen wurde uns von mehreren Parteien angekündigt, das sei vernünftig, man könne sich vorstellen, dies zu unterstützen, sei aber in der Kürze der Zeit nicht in der Lage, zuzustimmen – noch dazu einem grünen Antrag. Das heißt, der Antrag wird – so vernehme ich von den Kollegen der anderen Fraktionen – sehr rasch, also bereits dem nächsten Wirtschaftsausschuß


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zugewiesen. Dieser wird in rund zwei Wochen tagen – ein konkreter Termin ist noch nicht festgelegt, aber es besteht Zugzwang aufgrund der anderen Handlungsnotwendigkeiten –, und in diesem Ausschuß könnte es über Parteigrenzen hinweg zum Startschuß für diese Verhandlungen zwischen Verbundkonzern und Landesgesellschaften – im konkreten Fall der OKA – kommen und damit der Startschuß für die überfällige Koordinierung der Energiepolitik in Österreich gegeben werden. Diese ist volkswirtschaftlich und auch ökologisch überfällig. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Dipl.-Ing. Kummerer. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.16

Abgeordneter Dipl.-Ing. Werner Kummerer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Auf der heutigen Tagesordnung steht die Errichtung der Betriebsgesellschaft für einen Nationalpark zur Behandlung. Ich möchte an die Wortmeldung meines Kollegen Rada anschließen. Ich setze in diese Betriebsgesellschaft sehr viele Hoffnungen, wir brauchen diese Betriebsgesellschaft notwendig. Denn ganz so, wie Kollege Schrefel es dargestellt hat, daß durch die Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal, die die Vorbereitungen getroffen hat, alles in Ordnung war, daß keine sachlichen Mängel aufzuzeigen sind, sehe ich es nicht.

Der Herr Minister hat den Nationalpark rund um den Neusiedlersee erwähnt. Dort haben wir ein Beispiel gehabt, wie man einen Nationalpark mit der Bevölkerung vereinbaren und aushandeln kann. Die Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal mit Herrn Christian ist in unserer Region leider ein negatives Beispiel, und es sind viele Fragen offengeblieben.

Eine Frage, über die wir heute abzustimmen haben, betrifft zum Beispiel die Nutzungsberechtigten. Es ist Herrn Christian entgangen, daß die halbe Fläche des Nationalparks Aufsuchungsgebiet für Kohlenwasserstoffe, also Bergbaugebiet, ist. Das bedeutet, daß die Republik Österreich Verträge abgeschlossen hat, die dazu verpflichten, hier nachzuweisen, ob bundeseigene Mineralien vorhanden sind oder nicht. Es ist ungeklärt, wie diesem Vertrag in Zukunft nachgekommen werden kann.

Es ist Herrn Christian weiters entgangen, daß im Nationalpark drei Gewinnungsfelder bestehen. Auch hier gibt es Verträge mit der Republik Österreich, wonach die bundeseigenen Kohlenwasserstoffe gefördert werden und die Republik dafür einen Förderzins kassiert. Es ist Herrn Christian auch entgangen, daß es im Nationalpark Leitungen für Rohöl gibt, mit dem die Raffinerie und das Tanklager Lobau angespeist werden. Es ist ihm entgangen, daß es Gasleitungen für die Anspeisung von Wien, für die Anspeisung des südlichen Niederösterreichs gibt.

Nicht zuletzt ist Herrn Christian auch entgangen, daß es Transitleitungen im Nationalpark gibt, die immerhin 18 Milliarden Kubikmeter an Erdgas – das ist rund der vierfache Verbrauch der Republik Österreich – nach Mailand transportieren. Wir reden in Verträgen mit den Italienern davon, diesen Transit um weitere 8 Milliarden Kubikmeter aufzustocken. Erst gestern wurde offiziell die sogenannte HAG-Leitung, die Hungaria-Austria-Gasleitung nach Györ, vom Herrn Bundeskanzler eröffnet. Auch diese Gasleitung geht durch den Nationalpark.

Und in noch einem Punkt möchte ich mich den Ausführungen des Kollegen Rada anschließen: Warum besteht ein Unterschied zwischen den Befürchtungen der Gemeinden am rechten Donauufer, also südlich, und am linken Donauufer, also nördlich? – Die Bevölkerung am linken Donauufer und auch ich haben Befürchtungen – ich habe mir erlaubt, das auch im Ausschuß anzudiskutieren –, daß es zu gravierenden Nachteilen kommen könnte, wenn diese Betriebsgesellschaft nicht ausgleichend eingreift.

Meine Damen und Herren! Das Weinviertel war in den letzten 50 Jahren mit Reichtümern und guten wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht sonderlich verwöhnt. Wir brauchen auch im Nationalpark Brücken, um südliche Räume erschließen zu können. Diese Brücken sollen verbinden


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und nicht trennen. Wir brauchen die Möglichkeit, die Wasserkraft – nicht als Kraftwerk, sondern als Straße für unsere Lasten – auch am linken Donauufer in Anspruch zu nehmen. Wir brauchen für eine gute Entwicklung in unserer Region Visionen wie zum Beispiel den Donau-Oder-Elbe-Kanal, der neben dem Tourismus in unserer Gegend einen zusätzlichen Aufschwung bringen könnte.

Meine Damen und Herren! Deshalb setze ich Vertrauen in den heutigen Beschluß. Ich setze Vertrauen in diese Betriebsgesellschaft, daß ein sinnvolles Miteinander, eine sinnvolle Festlegung von Außenzonen und Kernzonen der gesamten Region, der gesamten Bevölkerung Vorteile bringt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort kommt nunmehr Abgeordneter Wenitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter. Auch Sie haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.

14.22

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Nationalpark ist eines, das die Bürger, im Bezirk Gänserndorf zumindest, in zwei Lager spaltet.

Wenn Kollege Kummerer soeben davon gesprochen hat, welche wirtschaftlichen Kompetenzen wir in diesem für den Nationalpark vorgesehenen Gebiet aufrechterhalten werden müssen, und er sein Vertrauen in eine Betriebsgesellschaft setzt, die er noch nicht kennt, dann wundert mich das sehr, Kollege Kummerer, denn ich habe mir schon vorgestellt, daß man, bevor man eine Gesellschaft gründet, einmal festlegt, was sie überhaupt zu tun hat.

Er hat vom Donau-Oder-Elbe-Kanal gesprochen, davon, daß die Wasserstraße aufrechterhalten werden muß, von Brücken, von Gasleitungen nach Italien und so weiter, weil besonders im Bezirk Gänserndorf weder die Wirtschaft mit Arbeitsplätzen noch das Finanzamt mit Steuereinnahmen gesegnet ist. Wenn ich das Steueraufkommen, das im Finanzamt Gänserndorf im Jahr 1994 eingehoben wurde, mit dem Steueraufkommen 1995 vergleiche, dann muß ich einen riesigen Schwund feststellen. Da muß man sich dann schon überlegen, welche Verantwortung diese Gesellschaft in Zukunft tragen wird und welche Kompetenzen sie haben wird.

Kollege Kummerer! Aus diesem Grund habe ich einen Entschließungsantrag für heute vorbereiten lassen, den ich hiermit einbringen will, Herr Präsident. Ich werde dann näher darauf eingehen, warum.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Robert Wenitsch, Dr. Martin Graf, Mag. Reinhard Firlinger und Kollegen betreffend Nationalpark Donau-Auen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend alle relevanten Maßnahmen zu ergreifen, um die Errichtung eines zusammenhängenden Naturschutzgebietes Donau-Auen, in welchem der Schutz der Natur im Vordergrund steht, unabhängig von der internationalen IUCN-Richtlinie zu ermöglichen.

Auf die bestehenden Rechte aller betroffenen Gemeinden und Grundstückseigentümer ist jedenfalls bei weiteren Verhandlungen mit diesen Bedacht zu nehmen.

*****

Warum, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Das Land Niederösterreich hat es in seinen Verhandlungen – hier stelle ich sehr bewußt Herrn Umweltlandesrat Blochberger in den Vordergrund – anscheinend verabsäumt, mit den Anrainern oder den Grundstückseigentümern Eini


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gung zu erzielen. Jetzt gehen wir hier im Parlament her, beschließen faktisch die Gründung einer Gesellschaft, schieben dort das Steuergeld der österreichischen Bürgerinnen und Bürger hinein und wissen in Wirklichkeit noch gar nicht, wie diese Gesellschaft aussehen wird, welche Aufgaben diese Gesellschaft haben wird, welche Kompetenzen sie haben wird und ob überhaupt Einigung mit den betroffenen Grundstückseigentümern, den Gemeinden und den Anrainern dort erzielt wird.

Wenn ich heute dieses Schreiben von der ÖGNU hernehme, daß der zukünftige Nationalpark bestenfalls ein Fleckerlteppich werden wird, Herr Minister, dann muß ich dem zustimmen, denn solange Sie keine Einigung mit den Grundeigentümern erzielen, ist dieser Nationalpark ein Fleckerlteppich. Das kann aber nicht in Ihrem Interesse liegen, wenn Sie die Natur in diesem Gebiet schützen wollen. Wir brauchen ein zusammenhängendes Naturschutzgebiet, es muß kein Nationalpark nach internationalen Richtlinien sein. Ich glaube, das ist das Entscheidende. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesminister Dr. Bartenstein hält Unterlagen in die Höhe.) Ich weiß, aber es gibt an der Donau noch genug Gemeinden, mit denen das noch nicht abgeklärt ist, Herr Minister. Ich weiß nicht, woher Sie diese Unterlagen haben, aber ich weiß von Gemeindevertretern von angrenzenden Nationalparkgemeinden, daß mit diesen noch keine Einigung erzielt wurde. Das möchte ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: So soll vielleicht einmal das Ergebnis ausschauen!) So wird es vielleicht einmal im Endeffekt ausschauen, aber im Moment können Sie nur die Bundesforsteflächen einrechnen, denn bezüglich der anderen wurde noch keine Einigung erzielt.

Auf jene Gründe, warum dieser Nationalpark international gar nicht anerkannt werden kann, wird mein Kollege Martin Graf näher eingehen, der aus dem Wiener Teil des zukünftigen Nationalparks kommt.

Ich stelle eines ganz klar fest: Solange mit den Bürgerinnen und Bürgern keine Einigung erzielt wird, so lange ist das Thema Nationalpark hier im Parlament nicht spruchreif. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der von Abgeordneten Wenitsch vorgetragene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsmäßig unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Als nächster ist Abgeordneter Auer zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.28

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorerst eine Bemerkung zu einer Reihe von Rednern, die zu den verschiedensten Vorlagen, mit denen wir uns heute beschäftigen, Stellung genommen haben. Eine Stellungnahme hat mich tatsächlich beeindruckt, nämlich jene des Kollegen Dr. Rada.

Mein Respekt für das, was Sie hier gesagt haben, denn mir kommt es auch schön langsam so vor: Jeder ist für die Schaffung eines Nationalparks, jeder ist für die Schaffung von Naturschutzgebieten, von Schongebieten und dergleichen, aber nur dort, wo er nicht zu Hause ist, damit er in der Ausweitung der Gemeinde, damit er in der Problematik der Bewirtschaftung, damit er in seinem Umfeld als privater Hausbesitzer oder auch als Firma nicht gestört wird.

Meine Damen und Herren! Das ist tatsächlich ein wenig einfach. Sosehr wir uns über jede Schaffung derartiger Einrichtungen freuen, eines sollte man schon auch wissen: Dort, wo derartige Schutz- und Schongebiete veranlaßt, verordnet werden, gibt es große Schwierigkeiten. Ich weiß, wovon ich rede, denn in meiner Gemeinde gibt es ein Naturschutzgebiet, die Fischlhamer Au, das ohne Entschädigung verordnet wurde, das Schwierigkeiten für Grundbesitzer bringt und so weiter.

Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt zum Thema Lambach etwas sagen, denn am 28. Februar dieses Jahres gab es ja eine Dringliche Anfrage der Grünen. Es war dies letztlich


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ein kläglicher Versuch, eine rührselige Geschichte von "50 Tagen der Besetzung" – so wurde dies von Anschober formuliert – hier zu erzählen, von "friedvollen Besetzungen" wurde gesprochen, "vom Baggerkampf in der Traun" war etwas zu vernehmen, von einer "mutwilligen Zerstörung des Augebietes". Schwere Vorwürfe wurden erhoben, weil unschuldige Bürger verletzt und gefährdet worden seien. Die Eskalation sei nicht zu verhindern, hieß es.

Im Gerichtsverfahren, Herr Kollege Anschober, hat sich jedoch herausgestellt, daß der angeklagte Baggerfahrer schuldlos ist, denn mit Video wurde dokumentiert, daß sich der Demonstrant bewußt und absichtlich verletzen wollte. Aber dann nach dem Freispruch des Gerichtes, nach der klaren Feststellung des Gerichtes, nach dem Urteil – auch nach offensichtlich falschen Zeugenaussagen, denn per Video wurde der Vorgang dokumentiert – erklärte plötzlich der ach so bekannte Sprecher von "Global 2000" – auch das ist nachzulesen –, das sei so quasi eine einsame Handlung eines einzelnen gewesen. Vorher hat man darüber etwas ganz anderes lesen können. – So geht es tatsächlich nicht!

Unter diesen Berufsdemonstrierern, Herr Kollege Anschober, sind auch Sie, Ihr Kollege Wabl und Ihre Frau Kollegin Petrovic zu finden gewesen. (Abg. Wabl: Uiii!) Nachher betrieb "Global 2000" Kindesweglegung, meine Damen und Herren.

Jetzt kommt eine neue Facette betreffend den Bau dieses Kraftwerkes Lambach: Der Verbund hätte billigen Strom, und die OKA sollte doch wirtschaftlich denken. Wirtschaftlichkeit ist plötzlich gefragt. Bis gestern hatte die OKA vom Verbund allerdings weder ein schriftliches noch ein mündliches Angebot. (Abg. Anschober: Dem Antrag zustimmen!) Wissen Sie, was wir statt dessen haben, meine Damen und Herren? – Der Verbund ist Verpflichtungen eingegangen, aus Nagymaros Strom um 70 Groschen pro Kilowatt zu kaufen, und zwar indexgesichert! Damit fördert man keine österreichischen Arbeitsplätze, aber man möchte diesen Strom, obwohl sich der diesbezügliche Vertrag als ein Waterloo, als ein finanzielles Desaster erweist, nun gerne den Oberösterreichern, der OKA und anderen EVUs verkaufen, damit man die eigene Unfähigkeit, die man bei der Vertragsvereinbarung an den Tag gelegt hat, ein wenig kompensieren kann.

Die OKA baut in Lambach ein Kraftwerk, bei dem der Strom bei sinkenden Strompreisen mit derzeit 77 Groschen veranschlagt ist, bei Wegfall der Zinsenbelastung also billiger wird als der Strom, den der Verbund in Ungarn einkauft. Und dann wollen Sie uns hier etwas von einer vernünftigen Energiepolitik erzählen! – Dafür danken wir, darauf verzichten wir, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Anschober – die Hände links und rechts an den Kopf haltend –: Sie haben Scheuklappen angelegt, Herr Kollege!)

Ja, dieses enge Gesichtsfeld, Herr Kollege Anschober, legen Sie in Lambach tatsächlich an den Tag. Das Ihre ist sogar noch schmäler geworden, denn früher haben Sie berechtigterweise immer von Folgekosten gesprochen, die aus Atomkraftwerken resultieren – diesbezüglich haben Sie ja durchaus Verdienste, das sei unbestritten festgehalten –, aber heute ist es Ihnen Wurscht, wie der Importstrom erzeugt wird. Es ist Ihnen offensichtlich egal, ob das in kalorischen Dreckschleudern geschieht oder in Atomkraftwerken, wichtig ist, daß man, weil es auf dem Weltmarkt, auf dem europäischen Strommarkt billigen Strom gibt – wie er erzeugt wird, ist ja gleichgültig –, Lambach nicht baut. Das ist Ihre Philosophie! Darauf verzichten wir, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Und eines hat mich auch noch verwundert: Sie legen hier großes Engagement an den Tag, aber im Umweltausschuß konnte ich feststellen, daß sich außer der Berichterstatterin, Frau Kollegin Langthaler, niemand von den Grünen an der Debatte beteiligt hat. Na, sagenhaft! (Abg. Ing. Langthaler: Wir haben leider nur einen Sitz im Ausschuß!) Ich weiß, daß Sie nur einen haben (Abg. Ing. Langthaler: Wie sollen wir das machen?) , aber Sie hätten sich ja auch an der Debatte beteiligen können, meine Damen und Herren! Sagenhaft Ihr Engagement! (Abg. Ing. Langthaler: Wenn Sie uns unterstützen, bekommen wir zwei!)

Und da Sie immer Pühringer, unserem Landeshauptmann in Oberösterreich, vorwerfen, er wisse sich nicht einig mit der dort wohnenden Bevölkerung, sei Ihnen zum Schluß eines gesagt: Bei der EU-Abstimmung am 13. Oktober erzielte die ÖVP in Lambach – man höre und staune,


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meine Damen und Herren! – ein Plus von 5,5 Prozent, was somit weit über dem Bundes- und Landesdurchschnitt lag. Die Grünen, die so dafür eintreten, ein Plus von – wieviel? – eins Komma etwas, und in Stadl Paura – ich bedaure das durchaus – mußte Kollege Gerhard Ernst ein Minus von knapp 16 Prozent hinnehmen. (Abg. Aumayr: Und die Freiheitlichen, Kollege Auer?) Daraufhin hat er seine Funktion zurückgelegt, weil er erklärt hat, er hält den Kopf nicht mehr für andere hin.

Ich sage: Respekt vor dieser Haltung! Sie liegen mit Ihrer umweltpolitischen Zielsetzung in Lambach völlig daneben, und Sie werden, so wie in Lambach Ihre Meinungen die Traun hinuntergeschwommen sind, in Zukunft ebenfalls die Traun hinunterschwimmen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Der Kollege Auer hätte ruhig sagen können, daß die FPÖ dort über 30 Prozent hat!)

14.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit: 20 Minuten.

14.35

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Auer! Sie hätten nur ein Wort auszuwechseln brauchen bei Ihrer hervorragenden Rede: Statt Lambach hätten Sie ein anderes Kraftwerk – vielleicht das Kraftwerk Hainburg – nennen können, dann hätten diese Vorwürfe betreffend Berufsdemonstranten und andere Dinge gepaßt. Ich kann mich an all die Argumente von damals erinnern. Ich kann mich erinnern, was da an Anschuldigungen gekommen ist, was Sinowatz gesagt hat, was Hesoun, der damalige Sozialminister, gesagt hat. (Abg. Auer: Zu Lambach?) Nein, zu Hainburg! – Das waren ähnliche Begriffe, wie Sie sie heute verwendet haben.

Rudi Anschober hat Ihnen schon eine Einladung geschickt, damit Sie dann nach zehn Jahren in einem Festzelt Festredner sein dürfen (Abg. Auer: Das überlassen wir jemand anderem!) , wenn über die Lambacher Sünden gesprochen wird. Dort können Sie dann bescheiden und demütig Ihre Vorträge halten.

Meine Damen und Herren! Ich finde den Anlaß, den der Herr Bundesminister hier begrüßt hat ... (Zwischenruf des Abg. Haigermoser in Richtung ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Die FPÖ ist stimmenstärkste Partei in Stadl Paura!) Ich weiß schon, Sie haben immer noch die Koalitionsmehrheit hier in diesem Haus – trotz Hainburg, trotz Zwentendorf, trotz der vielen Desaster, die Sie in vielen Bereichen haben. Das ist mir schon alles klar. Ich weiß schon, das wird möglicherweise noch einige Zeit dauern. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Er hat von der FPÖ gesprochen!) Ja, das ist manchmal schwer unterscheidbar.

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Auer! Sie sollten sich wirklich einmal konkret anschauen, was im Rechnungshofausschuß besprochen worden ist. Ich glaube, Herr Haider ist nicht verdächtig, Mitläufer der Grünen, der Liberalen oder der Freiheitlichen zu sein (Ruf: Da schon!) , dennoch hat Herr Haider vom Verbund dort klar und deutlich gesagt, daß diese beiden Kraftwerke – nämlich Theiß und Lambach – volkswirtschaftlich unsinnig sind – er hat es etwas vornehmer ausgedrückt –, und er hat dort auch klargestellt ... (Abg. Wurmitzer: Das hat er nicht gesagt!) Ja, er hat es etwas vornehmer gesagt, damit Sie nicht beleidigt sind, Herr Wurmitzer; ich weiß schon. (Abg. Wurmitzer: Sie sagen die Unwahrheit!)

Herr Haider hat dort klar gesagt, daß die Strompreise leicht unterfahren werden können und daß die Unternehmensleitungen – sowohl von der OKA wie auch von der EVN – davon verständigt sind. Herr Abgeordneter Wurmitzer, das können Sie heute hier nicht wegdiskutieren! Sie haben im Ausschuß dazu betroffen geschwiegen, weil Sie genau gewußt haben, welch eine brisante Aussage von Verbund-General Haider das war. (Abg. Wurmitzer: Betroffen war ich über die Vorsitzführung!)

Meine Damen und Herren! Ich halte diesen Sonntag für einen wunderbaren Sonntag! Es sollen alle dort feiern, ganz gleich, welche Meinung sie früher einmal, vor zehn Jahren, zwölf Jahren oder wann immer dazu oder zu Zwentendorf oder zu sonst irgendeinem Kraftwerk vertreten


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haben. Jeder kann sich ändern, jeder kann einmal etwas Falsches gesagt haben – auch die Grünen.

Aber, meine Damen und Herren, schauen wir uns heute die Realität an! Schauen wir uns an, welche großen Sünden nach wie vor begangen werden! Lambach ist schon ausreichend diskutiert worden. Es liegt ganz klar auf dem Tisch, Herr Kollege Wurmitzer, daß die Verbundgesellschaft günstiger liefern könnte.

Herr Kollege Auer hat natürlich auch recht mit dem Strom aus Nagymaros, aber wenn er im Rechnungshofausschuß gewesen wäre, dann wäre ihm klargeworden, daß diese Beschlüsse damals einstimmig gefaßt worden sind, weil hier in diesem Haus auch eine große Mehrheit dafür war, Nagymaros zu bauen, dieses unsinnige ungarische Kraftwerk, das damals noch gemeinsam mit der kommunistischen Regierung hätte gebaut werden sollen, was wiederum die Umweltschützer verhindert haben.

Daß sich daraus dann Verträge ergeben haben, die sich heute als unwirtschaftlich erweisen, hat der Verbund-General deutlich gemacht. Es ist nun ein Schiedsgericht eingesetzt worden, damit diese Dummheiten – sage ich jetzt einmal so salopp – beendet und bereinigt werden. Aber das jetzt heranzuziehen, um damit Lambach zu argumentieren – das ist ein starkes Stück, Herr Auer! Das ist allerhand!

Kein Mensch von der ÖVP ist auf die Dummheit eingegangen, die in Niederösterreich mit der EVN passiert, mit dem 400-MW-Kraftwerk Theiß, das dort um 2,3 Milliarden Schilling geplant ist und wo der Verbund wiederum sagt, er könnte billiger liefern. Keine Rede davon!

Wo ist, Herr Bundesminister, von Ihrer Seite ein klarer Standpunkt zu solch einem unsinnigen Projekt zu vernehmen? (Abg. Mag. Kukacka: Wollen Sie Atomstrom? – Abg. Schwarzenberger: Wir wollen keinen Atomstrom!)

Wir haben außerdem im Rechnungshofausschuß über eine Sünde diskutiert, die schon seit Jahren und Jahrzehnten evident ist, das ist Voitsberg. Ich bin froh über diesen Nationalpark, aber ich bin nicht froh, daß an anderen Stellen unseres Bundesgebietes nach wie vor grobe Umweltsünden passieren, nämlich insofern indirekt passieren, als wir gehört haben, daß in Voitsberg bereits 3 Millionen Tonnen Braunkohle auf Lager liegen. Das bedeutet Zinsverluste, das bedeutet, daß die Braunkohle zu Blumenerde verrottet, das bedeutet eine Viertelmilliarde Verlust jährlich. (Abg. Schwarzenberger: Blumenerde hat eine höhere Wertschöpfung als Braunkohle!) Wir haben dort eines der modernsten kalorischen Kraftwerke mit 3 Milliarden Schilling saniert, meine Damen und Herren, aber wir waren nicht in der Lage, mit den Slowenen und den Kroaten darüber zu verhandeln, ob es nicht vernünftiger wäre, dieses Kraftwerk zu verwenden, statt in Slowenien und in Kroatien die Atomenergie weiterzufahren. Es hat keinerlei Annäherung gegeben. – Wo ist Ihre Position dazu, Herr Bundesminister?

Ich bin – nochmals – froh, daß Sie beim Nationalpark den Vertrag hochgehalten haben. Es steht Ihnen zu, Sie sollen sich darüber freuen, wie sich alle in diesem Haus darüber freuen sollten. (Abg. Dr. Maitz: Er hat es durchgesetzt!) Er hat es nicht durchgesetzt (Abg. Dr. Maitz: Aber natürlich!) , er hat es dann vollzogen. Herr Abgeordneter Maitz, die politischen Vorgänge sind etwas komplizierter. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Ich habe meinen Beitrag dazu geleistet!) Er hat seinen Beitrag dazu geleistet, gar keine Frage, aber die politischen Prozesse sind etwas komplexer.

Meine Damen und Herren! Hierzu müßten aber Positionen bezogen werden. Wissen Sie was diese Viertelmilliarde bedeutet, die da jedes Jahr an Verlusten eingefahren wird? Das ist die gesamte Lohnsumme der Kumpel, die dort im Braunkohletagbau arbeiten. Das heißt nicht nur, daß man da Menschen in einem Bereich arbeiten läßt, der längst der Steinzeit zuzurechnen ist, der Betonzeit in unserem Jahrhundert, sondern das bedeutet, daß diese Verluste auf der anderen Seite auch Alternativenergie und Alternativtechnologie blockieren.

Wir reden über einen Fonds mit 120 Millionen Schilling. Meine Damen und Herren, ich halte diesen Fonds für eine gute Idee, aber die Verhältnismäßigkeit in diesem Bereich ist doch


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unglaublich! Schauen Sie sich das an: jährlich eine Viertelmilliarde Abgang, Verluste – und auf der anderen Seite 120 Millionen Schilling für einen Fonds!

Wir blockieren unsere Alternativtechnologien, und das ist auch das Problem mit Lambach, das ist das Problem mit Theiß. Die Wasserkraft ist doch nicht etwas Böses an sich. (Abg. Mag. Kukacka: Ach so! Da habe ich aber schon etwas anderes gehört! – Abg. Schwarzenberger: Nur jedes konkrete Projekt ist etwas Schlechtes!) Meine Damen und Herren, das ist doch nicht das Problem! Hier wird ökonomisch falsch vorgegangen. (Abg. Mag. Kukacka: Die Wasserkraft an sich ist nichts Schlechtes! Das war jetzt entlarvend!) Lassen wir einmal den Naturschutz beiseite. Wir schenken Ihnen, daß dieses Stück Fließstrecke nicht das schönste der Welt ist, wir schenken Ihnen auch, daß Sie Unrecht haben im Rechtssystem, aber rechnen Sie doch wenigstens mit dem Rotstift, was ökonomisch dabei herausschaut. Doch das ist nicht Ihr Geschäft, denn Sie verordnen dann wieder Strompreise für die Haushalte und halten sich an diesen schadlos, Herr Kukacka. Das ist das Problem! Sie repräsentieren eine geistige Wüste im Energiebereich – das ist verheerend! Das belastet kommende Generationen noch viele, viele Jahrzehnte. Das ist das Problem, das Sie hier repräsentieren und das Sie nicht lösen können.

Meine Damen und Herren! Herr Umweltminister! Sie werden heute noch einige Male Gelegenheit haben, hier Standpunkte zu beziehen. Zu Lambach haben Sie heute noch nichts gesagt, zu Theiß haben Sie noch nichts gesagt, zu Voitsberg haben Sie noch nichts gesagt. Herr Umweltminister, Sie werden heute auch noch in der Dringlichen einige Gelegenheiten haben.

Eine Bitte habe ich allerdings zu einem ganz anderen Thema, das heute bereits kurz von Kolegen Barmüller angesprochen worden ist, und zwar im Zusammenhang mit den Österreichischen Bundesforsten. Heute ist, soweit ich informiert bin, im Ministerrat ein Vorschlag bezüglich einer Errichtung einer Aktiengesellschaft zur Fortführung des Betriebes ÖBF durchgegangen. (Abg. Schwarzenberger: Sie sind total informiert! – Bundesminister Dr. Bartenstein: Ich habe nachgeschaut. Die Dringliche ist aber nicht an mich gerichtet!) – Ich weiß schon, daß sie nicht an Sie gerichtet ist, aber ich denke mir, daß das doch ein bißchen mit Ihrem Umweltbereich zu tun hat; vielleicht nicht direkt in Ihrer Kompetenz, aber möglicherweise von der Idee her, vom politischen Umfeld her, Herr Kollege Bartenstein. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Ich bin nicht für alles zuständig!)

Das ist auch etwas, was wir immer kritisiert haben: daß Sie zwar ein wunderschönes Ministerium haben, aber wenig Kompetenzen. Ich verstehe schon Ihr Dilemma. Ich möchte niemals auf Ihrem Platz sitzen. Vielleicht macht das einmal Frau Langthaler. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Die Gefahr ist gering!) Die Gefahr ist Gott sei Dank im Augenblick noch nicht da, aber vielleicht wird einmal Frau Langthaler dort sitzen. Mit diesen Kompetenzen würde ich auf diesem Sitz allerdings keine zwei Tage ausharren, denn sich nur all die Prügel von der Umweltbewegung einzuhandeln, gleichzeitig null Kompetenz zu haben, wenig Budget zu haben, im Ministerrat praktisch immer nur nicken zu dürfen – das ist ein schweres Los! Aber Sie werden es schon verkraften, Sie sind ja noch jung und leidensfähig, Herr Bundesminister. Außerdem ist es ja nicht so, daß Sie, wenn Sie nicht mehr Minister sind, deshalb vor dem Nichts stehen. (Abg. Schwarzenberger: Martin! Der Fuchs hat auch gesagt, die Weintrauben sind ihm zu sauer, weil sie zu hoch oben waren!)

Meine Damen und Herren! Ich freue mich über diesen Beschluß, daß es einen wunderschönen Nationalpark gibt, ich bin aber der Meinung, daß ganz Österreich ein wunderbarer Nationalpark werden muß, in dem die Menschen leben können, wirtschaften können und glücklich sind. (Ruf bei der ÖVP: Wie die Indianer!) Nicht wie die Indianer, nicht wie die "schwarzen" Indianer in der ÖVP, nein, nachhaltig, Herr Kollege Schwarzenberger, nachhaltig! (Abg. Schwarzenberger: Seit wann sind Sie Rassist?) Jetzt kommt das auch noch! (Abg. Schwarzenberger: Das war eindeutig eine rassistische Äußerung!) Herr Kollege Schwarzenberger, auf dieser Ebene, in dieser geistigen Wüste will ich nicht bleiben, da will ich schnell in Gebiete gehen, wo es etwas feuchter ist. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: In die Cafeteria! – Lebhafte Heiterkeit.)

14.46


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Herr Abgeordnete Wurmitzer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. Redezeit: 2 Minuten. Beginnen Sie die Berichtigung mit jenem Sachverhalt, dem Sie Ihre Version gegenüberstellen wollen.

14.46

Abgeordneter Georg Wurmitzer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Von dieser Stelle aus wurde soeben die Behauptung in den Raum gestellt, der Vorstandsdirektor der Österreichischen Verbundgesellschaft, Dr. Haider, hätte die Behauptung aufgestellt, daß die beiden Kraftwerksprojekte Lambach und Theiß ein volkswirtschaftlicher Unsinn seien.

Diese Darstellung ist vollkommen unrichtig. Eine derartige Feststellung wurde nie getroffen, und es hat auch keinerlei Aussagen des Vorstandsdirektors Dr. Haider gegeben, die einen derartigen Rückschluß zulassen würden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Zu einer Erwiderung!)

14.47

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Keppelmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.47

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Peter Keppelmüller (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Obwohl ich auch nur 5 Minuten Zeit habe und gern zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung reden möchte, doch eine Vorbemerkung zur Problematik des Nationalparks und der Kraftwerke.

Ich freue mich natürlich auch, daß dieser Nationalpark Hainburg jetzt zumindest in einem brauchbaren Ansatz entstanden ist und sich vermutlich weiterentwickeln wird, möchte aber doch sehr deutlich sagen, daß ich mich dagegen wehre – und das schon wiederholt –, daß man Hainburg mit Lambach verquickt, also eine Au im wesentlichen mit einem Maisfeld. Ich glaube, Kollege Anschober hat sogar gemeint, man werde auch einmal das Schutzgebiet Lambach feiern. Da werden wir viele Schutzgebiete bekommen, wenn wir die Maisfelder von Österreich unter Schutz stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber nicht verhehlen – Vorsicht mit dem Applaus! –, daß ich aus ökonomischen Gründen natürlich auch gegen dieses Kraftwerk Lambach bin (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka ), und ich meine, gerade in Oberösterreich, wo wir im Tourismus zunehmend Defizite haben, wäre es natürlich schön, Kollege Kukacka, dieses Geld für den Denkmalschutz einzusetzen. Das würde uns wesentlich mehr Arbeitsplätze bringen, und Sie hätten dann auch viel mehr Möglichkeiten in Ihren Medien, in lokalen Fernsehsendern über Erfolge zu berichten. (Abg. Schwarzenberger: Kollege Keppelmüller! Kaprun ist die größte Fremdenverkehrsattraktion in Salzburg! Das Kraftwerk Kaprun!) Ich glaube aber, daß man einer Illusion nachhängt, wenn man meint, daß das Kraftwerk Lambach eine Fremdenverkehrsattraktion werden würde, Kollege Schwarzenberger. Man soll immer – sowohl Grün als auch Schwarz – die Kirche im Dorf lassen.

Ein bißchen belustigt hat mich Kollege Wenitsch. Kollege Brix hat ja diese Doppelbödigkeit der Freiheitlichen Argumentation bereits aufgezeigt: auf Bundesebene für den Nationalpark und sogar dringend, aber an Ort und Stelle – Kollege Wenitsch war heute ganz schaumgebremst; er hat bei Versammlungen dort schon ganz anders gesprochen – mehr oder minder dagegen. Kollege Wenitsch hat gemeint, so lange mit den Bürgern kein Einvernehmen erzielt wird, ist dieses Thema im Parlament nicht spruchreif. Er irrt! Wir sprechen heute darüber, und den Nationalpark gibt es. Das ist also bereits spruchreif. (Abg. Dr. Graf: Sie wissen nicht, was "spruchreif" ist!) Vielleicht können Sie mir das dann in einem Privatissimum erklären, Herr Kollege. (Abg. Dr. Graf: Ich werde mich bemühen!) Ich bin ja leider nur ein Chemiker, und Sie sind, glaube ich, Jurist. Sie sind da sicher etwas gefinkelter. (Abg. Dr. Graf: Wir werden uns beide bemühen!) Genau.

Zur ökologischen Gesamtrechnung, zum Antrag, der von Kollegen Barmüller initiiert worden ist. Wir haben bereits am 12. März 1988 eine Entschließung gefaßt, die dahin ging, die volks


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wirtschaftliche Gesamtrechnung in eine ökologische Gesamtrechnung umzuwandeln. In der Diskussion hatten wir Gelegenheit, zu sehen, daß auf diesem Gebiet doch schon einiges getan wurde – auch in Österreich. Auch vom Statistischen Zentralamt sind Vorbereitungen getroffen worden, denn der Bundeskanzler hat ja damals in Erfüllung des Parlamentsauftrages das ÖSTAT beauftragt. Es gibt bereits eine Studie mit dem Titel "Neue Wege zur Messung des Sozialproduktes".

Kollege Barmüller hat also einen Anstoß gegeben, dem wir gerne gefolgt sind, nämlich neuerlich die Bundesregierung aufzufordern, die Anstrengungen zu verstärken und Maßnahmen zu setzen, damit wir tatsächlich einmal zu einer wirklich runden volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung kommen. Denn es ist ja wirklich kurios – in der Begründung ist das Beispiel Ölpest genannt –, daß die Beseitigung von Schäden einer Ölpest positiv in eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung eingeht.

Aber um vielleicht auch ein österreichisches Beispiel zu bringen, daß das sehr deutlich macht: Auch die 3,9 Milliarden Schilling, die der Bund jetzt für die Beseitigung der Mißstände in der Fischer-Deponie und in der Berger-Deponie aufbringen muß, würden sich in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung positiv zu Buche schlagen. – So kann es nicht sein.

Eine kleine Anmerkung: Diese 3,9 Milliarden Schilling "verdanken" wir natürlich – ich glaube, das steht fest – dem Land Niederösterreich, wo ja schon 1975 aufgrund von Gutachten bekannt war, daß es so nicht weitergehen kann, aber wo man weiter munter zugeschaut hat. Es ist für mich ein wenig problematisch, wenn Landeshauptmann Pröll beim Semmering-Basistunnel über Geldverschwendung klagt. Er sollte sich selbst bei der Nase nehmen. Die 3,9 Milliarden, die der Bund für die Sanierung der Deponien aufwenden muß, "verdanken" wir auch – ich sage es jetzt einmal so pauschal – den Verantwortlichen des Landes Niederösterreich. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Wabl hat zur tatsächlichen Berichtigung des Abgeordneten Wurmitzer eine persönliche Erwiderung beantragt.

Herr Abgeordneter! Sie sind zwar nicht namentlich genannt worden, aber ich gehe davon aus, daß Sie persönlich einbezogen worden sind. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie sich nach § 58 Abs. 3 bei der tatsächlichen Erwiderung auf die Sachverhaltsdarstellung zu beschränken haben. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte, Sie haben das Wort.

14.52

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Abgeordneter Wurmitzer hat behauptet, daß hier vom Rednerpult aus – und zwar hat er jene Zeit gemeint, als ich mich am Rednerpult aufgehalten habe – die Unwahrheit im Zusammenhang mit einer Aussage des Verbund-Generals Haider gesagt worden sei, daß nämlich Lambach aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten unwirtschaftlich sei.

Ich habe hier gesagt, daß Verbund-General Haider dies sinngemäß gesagt hat. (Abg. Wurmitzer: Auch nicht! – Beifall bei den Grünen.)

14.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Graf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.53

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um hier nicht den Eindruck entstehen zu lassen, als ob sich dieser – unter Anführungszeichen – "Nationalpark" ausschließlich in Niederösterreich befände. Für mich als Wiener Abgeordneten und als Vertreter der Donaustadt, wo das Herzstück des Nationalparks angesiedelt werden soll, gibt es auch einiges zu sagen. Es waren gerade die Freiheitlichen in Wien und besonders in dieser Region von Anbeginn an begeisterte Befürworter des Nationalparks, weil wir darin die Chance gesehen haben, dem Flächenumwidmungswahn der sozialistischen Regierungsmehrheit in der Lobau in Wien, die ein Herzstück


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dieses Nationalparks darstellen soll, Einhalt zu gebieten. Das ist – das muß man offen zugeben – auch gelungen. Aber es wird mit dem Nationalpark offener Etikettenschwindel betrieben. Das muß man auch so sagen, wie es ist.

Was ist denn gerade auf Wiener Boden, wo die Aulandschaft auszutrocknen drohte, weil es ganz einfach eine Kappung vom Fließverbund der Gewässer zum Donaustrom gegeben hat, passiert? – Man hat es in letzter Zeit immerhin geschafft, auch aufgrund unserer Initiativen, die Alte Donau, die als Kernstück dieses Fließverbundes zu sehen ist, wiederum mit Wasser zu versorgen, allerdings nicht in der Fließrichtung, sondern bergauf. Das ist zwar ein Wermutstropfen, entspricht aber offensichtlich sozialistischer Politik, daß Wasser halt den Berg hinauffließt.

Aber was ist noch passiert? – Es gab keine Zuführung von Wasser in die Lobau. Man hat einen zweiten Durchstich gemacht, um die Versorgung zu garantieren, aber der bleibt eben nach wie vor trockengelegt.

Wir Freiheitlichen haben auch immer die Hoffnung damit verbunden, daß, wenn es dort zu einer Errichtung eines Naturschutzgebietes kommt, das im Gebiet der Lobau befindliche Öltanklager und auch die dazugehörige Raffinerie abgesiedelt wird, weil wir eben meinen, daß in einem Naturschutzgebiet oder auch in einem Nationalpark Öltanklager an sich fehl am Platz sind.

Wir haben auch gehofft, daß die massiven Umweltschäden, die durch die Bombardierung der Öltanklager im Zweiten Weltkrieg hervorgerufen wurden, wo es einen riesigen Ölsee gab – der Sanierungsbedarf würde rund 6 Milliarden Schilling betragen, wenn das kontaminierte Erdreich entfernt würde –, beseitigt werden. Das ist allerdings nicht geschehen.

Das sind zwei ganz wesentliche Gründe. Es kommt ja nicht von ungefähr, daß jetzt mitten durch den Wiener Teil des Nationalparks die Raffineriestraße führt, was ja ein Synonym dafür ist und wo sich die Frage stellt, ob man entsprechend den internationalen IUCN-Richtlinien noch von einem Nationalpark auf Wiener Seite sprechen kann.

Es ist mir aber tatsächlich völlig egal, ob dieser Etikettenschwindel aufrechterhalten wird oder nicht. Mir und meiner Fraktion geht es ausschließlich um den Naturschutz in diesen Gebieten. Da ist uns jede Initiative recht, daß man dort tätig wird, denn auf niederösterreichischem Boden gibt es massive Bedenken, die quer durch alle Fraktionen geteilt werden, weil man Anrainer beziehungsweise Rechte von Menschen dort eben nicht in ausreichendem Maße einbezogen hat.

Herr Bundesminister! Dieser Etikettenschwindel kann, wie schon erwähnt, nicht als Lebenslüge des Nationalparks ewig aufrechterhalten werden. Entweder man entschließt sich tatsächlich, einen Nationalpark nach internationalen Richtlinien, nach den IUCN-Richtlinien einzurichten, oder man soll aufhören, davon zu träumen und auch der Bevölkerung diesbezüglich Sand in die Augen zu streuen, daß ein Nationalpark errichtet wird, der im wesentlichen nur den Namen Nationalpark hat.

Herr Minister! Senf wird nicht dadurch zu Ketchup, daß auf der Tube "Ketchup" steht. Das geht halt ganz einfach nicht, und das ist eine Binsenweisheit. (Abg. Mag. Kukacka: Nicht alles, was ein Vergleich ist, hinkt!) Das macht nichts. Der Vergleich hinkt vielleicht, aber er ist schon richtig.

Wie gesagt, die Initiative in diese Richtung ist richtig, aber man darf nicht vergessen, daß es bei diesem Gesetz nur um die Errichtung einer Betreibergesellschaft und um nichts anderes geht. Es wird zwar groß davon geredet, daß dadurch der Nationalpark errichtet wird. Es wird aber nicht der Nationalpark errichtet, sondern eine Betreibergesellschaft gegründet – nicht mehr –, die die Verwaltung in diesem Gebiet übernehmen soll.

Der zweite Schritt ist jetzt als erster gesetzt worden, jetzt muß der erste Schritt folgen. Sie müssen ein klares Bekenntnis ablegen: Wenn Sie für einen Nationalpark sind, dann muß das Öltanklager abgesiedelt werden. Dann muß letztlich auch noch mehr geschehen, denn ein Nationalpark mit einem Kraftwerk Freudenau ist international ebenfalls unvereinbar. Desgleichen


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muß auch der Umweltschaden in der Lobau, der aufgrund eines Ölsees entstanden ist, behoben werden.

Herr Minister! Der zweite Schritt wird heute gesetzt. Sie sind aufgerufen, den ersten Schritt nachzuholen, sonst fällt man nämlich nieder. Ansonsten haben wir Wiener in diesem Gebiet einen Nationalpark mit Öltanklager samt Ölsee im Boden und als Herzstück ein Kraftwerk. Das kann es meiner Meinung nach nicht sein. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Murauer. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

14.59

Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Rudi Anschober hat zum Nachdenken aufgerufen und möchte dies in Sachen Lambach tun, wozu ich Stellung nehmen möchte. Als ich Kollegen Wabl zugehört habe, hat er über die Schrecklichkeit, über die unendlichen Spuren, die die Wasserkraft hinterläßt, die Wasserkraftwerke hinterlassen, für die nächsten Generationen gesprochen, hat er über die Bauten, über das Betonierenmüssen beim Kraftwerksbau gesprochen. Daraus kommt dann dieser schreckliche Strom, den wir alle im Überfluß haben und den wir so billig, ach so billig zur Verfügung stellen könnten. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Das darf doch alles bitte nicht wahr sein, sondern hier darf ja wirklich nachgedacht werden. Herr Kollege Oberhaidinger! Ich darf auch dich darum ersuchen. In Oberösterreich hast du Gelegenheit nachzudenken, nämlich auch über das Kraftwerk, über den Kraftwerksbau Lambach. Und es darf darüber nachgedacht werden, woher dieser Überschuß kommt, von dem immer gesprochen wird, warum er so billig ist und ob auch die Natur, geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus, einen Kostenstellenwert hat.

Kollege Wabl und Rudi Anschober haben von diesem Kostenfaktor überhaupt nicht gesprochen, auch nicht darüber, ob er im Ausland oder im Inland zur Verfügung gestellt wird, ob die Stromkosten nur jetzt so günstig sind oder ob wir diese Garantie auch jahrzehntelang haben, wie es zum Beispiel bei den Stromkosten der Fall ist, die in einem österreichischen Wasserkraftwerk anfallen und die kalkulierbar sind.

Es darf darüber nachgedacht werden, meine Damen und Herren, daß ein Kraftwerk Lambach 17 000 Haushalte beliefern kann. Ich möchte nur nebenbei erwähnen, daß dabei zum Beispiel 16 000 Tonnen Öl eingespart werden oder 24 000 Tonnen Kohle.

Ich darf auch bei dieser Gelegenheit die Au erwähnen, die es zu schützen gilt, die ich allerdings vergeblich gesucht habe. Vergleiche mit Hainburg sind nicht angebracht. Es handelt sich dort um keine Au, sondern um einen Uferbewuchs. Jeder, der dort war, kann das bestätigen.

Herr Kollege Wabl! Zu Ihrer persönlichen Erwiderung, was Verbundgeneral Haider betrifft. Ich darf Sie daran erinnern, daß Verbundgeneral Haider auch nicht sinngemäß die Unsinnigkeit eines Kraftwerkes Lambach oder Theiß erwähnt hat. Da die Arbeitsplätze dem einen oder anderen ein so großes Anliegen sind, darf ich daran erinnern, daß für einen Kraftwerksbau natürlich Arbeit notwendig ist. Wenn ich die Kosten des Kraftwerkes Lambach mit 600 Millionen Schilling – oder seien es vielleicht 700, ich weiß es nicht – ansetze und eine Arbeitsstunde mit 200 S, dann können Sie vielleicht kurz mitrechnen, und es wird sich herausstellen, daß es sich um viele Millionen Arbeitsstunden handeln müßte.

Also Arbeitsplätze dürfen auch im Zusammenhang mit der Errichtung eines Kraftwerkes erwähnt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Stromimport nach Österreich erfolgt zu 12 Prozent aus Atomstrom und zu 40 Prozent aus kalorischen Kraftwerken der Ostblockstaaten. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß wir von diesen Kraftwerken den Billigstrom beziehen.


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Über eines, glaube ich, sollten wir uns im klaren sein, und da sollten wir auch einig sein in diesem Haus: daß wir miteinander möglichst wenig Energie verbrauchen und daß es arbeitsplatzsichernde, energiesparende Maßnahmen gäbe, wenn es uns gelänge, die Heizungen in Bauten im öffentlichen und privaten Bereich zu optimieren.

Ein Zweites – und da, glaube ich, sollten wir uns auch einig sein –: Wenn wir Energie verbrauchen, dann sollte darunter möglichst viel erneuerbare Energie sein. Dazu gehört das Wasserkraftwerk, das kann man einfach nicht abstreiten, dazu gehört auch Lambach. (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens: Möglichst viele Reserven sollten aus eigenen Kraftwerken, also aus österreichischen Kraftwerken zur Verfügung gestellt werden. Ich darf die Grünen auffordern, die Nachdenkpause dazu zu nutzen, auch die Glaubwürdigkeit ihrer energiepolitischen Vorstellungen ein wenig mehr zu überdenken. (Beifall bei der ÖVP.)

15.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Oberhaidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.05

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! An die Adresse meines Vorredners, des Kollegen Murauer, gerichtet möchte ich sagen: Auch wenn unrichtige Bemerkungen, unrichtige Behauptungen noch so oft wiederholt werden, werden sie, lieber Kollege Murauer, deswegen um keine Spur richtiger. (Beifall bei den Grünen.)

Da du das Arbeitsplatzargument so sehr in den Vordergrund gestellt hast (Abg. Murauer: Das ist für mich wichtig!) , möchte ich sagen, da kann ich dir nur in einem recht geben: Investitionen in Wärmedämmung und andere energiesparende Maßnahmen sind wünschenswert. Dies schafft tatsächlich über längere Zeit hinweg Arbeitsplätze.

Du weißt genau, beim Kraftwerksbau Lambach wären maximal eineinhalb Jahre vielleicht 600, 700 Menschen beschäftigt. In erster Linie ist ein derartiges Projekt kapitalintensiv, maschinenintensiv. Wenn das Kraftwerk fertig ist, dann wird man weit und breit keine Arbeitskraft mehr sehen, weil das Kraftwerk locker extern steuerbar und zu führen ist.

Also wenn wir von Arbeitsplatzbeschaffung und Arbeitsplatzsicherung reden, dann, so meine ich, gäbe es viele, viele andere Möglichkeiten, wirklich wirksam zu agieren.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen hier im Hohen Haus! Es wurde das Thema Strom aus Nagymaros angesprochen. Auch mich freut die Situation nicht, in die der Verbund mit diesem Vertrag gekommen ist. Aber dieser Strom wird nun einmal geliefert, und wir werden diesen Strom so gut wie möglich in Österreich einsetzen müssen. Dazu ist es in den nächsten zehn Jahren erforderlich – so lange läuft dieser Vertrag –, nicht notwendige Kraftwerksbauten so lange hintanzuhalten, bis sie unter Umständen aufgrund von Dingen, die wir heute noch nicht voraussehen können, erforderlich sind.

Es wurde heute gesagt und auch bedauert, daß die Anträge in bezug auf das Kraftwerk Lambach hier im Hohen Haus immer abgelehnt wurden. Für meine Fraktion kann ich nur sagen, es ging nicht um den Inhalt, sondern wir sind nach wie vor der Meinung, daß das Plenum des Nationalrates dafür nicht zuständig ist, und daher unsere Ablehnung.

Meine Damen und Herren! In einem Naturschutzverfahren, so zumindest in Oberösterreich, sind Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen. Es wurden Ökologie und Ökonomie gegeneinander abgewogen. In zweiter Instanz wäre dieses Verfahren eindeutig für Ökologie ausgegangen. Damit es nicht soweit kommen konnte, wurde vom Kollegialorgan Landesregierung, in diesem Fall von der ÖVP-Mehrheit, das Verfahren in die Landesregierung hineingenommen, und die Naturschutzlandesrätin als zuständige Referentin war nicht mehr imstande, einen Bescheid zu erlassen.


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Diese Situation im Zusammenhang mit dem Kraftwerk Lambach, die eindeutig in Richtung Ökologie ging, wird noch unterstrichen durch das Angebot des Verbundes. Der Verbund hat dieses Angebot ja mit Forderungen verknüpft. Es wurde gesagt, wir liefern unter jenen Preisen, zu denen ihr produziert. Ihr müßt aber auf den Ausbau von Theiß und auf den Neubau des Kraftwerkes Lambach verzichten. Meine Damen und Herren! Man wird die Verantwortlichen der OKA früher oder später fragen müssen, ob sie wirklich mit der notwendigen kaufmännischen Sorgfalt diese Frage entschieden haben. (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin davon überzeugt, daß über kurz oder lang der Rechnungshof sich in einer Sonderprüfung mit den Entscheidungen und der Entscheidungsfindung des OKA-Vorstandes auseinandersetzen wird.

Lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt, den wir auf der Tagesordnung haben, ansprechen. Es geht um die Einspeiseregelung.

Es wurde heute vom Kollegen Kopf bereits gesagt, wir werden einen Entschließungsantrag einbringen, einen Selbständigen Antrag, der in Richtung Wirtschaftsausschuß geht.

In diesem Antrag ersuchen wir den Wirtschaftsminister erstens: bis wir eine Neuregelung haben, das bestehende Generalübereinkommen so lange zu verlängern, bis das neue in Kraft tritt. Wir fordern in diesem Antrag explizit rasche Verhandlungen. Wir fordern in diesem Antrag, daß die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energieträgern höchst effizient und ohne Wettbewerbsverzögerung gefördert wird, und ich hoffe, daß wir tatsächlich sehr rasch – vielleicht im ersten Halbjahr 1997 – eine neue Einspeiseregelung haben werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ein Schlußwort des Berichterstatters wird nicht gewünscht.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich lasse über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 342 der Beilagen. Hiezu hat Herr Abgeordneter Mag. Barmüller das Verlangen auf getrennte Abstimmung hinsichtlich § 3 Abs. 1 Z 4 gestellt. Ich werde daher über den vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen nun zunächst zur Abstimmung über § 3 Abs. 1 Z 4 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist abermals die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen nun gleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf stimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wenitsch und Genossen betreffend Nationalpark Donau-Auen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag beitreten wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 306 der Beilagen zur Kenntnis nehmen zu wollen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 306 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist gleichfalls die Mehrheit. Angenommen. (E 27.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 307 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 354 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen. (E 28.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 355 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte im Falle Ihrer Zustimmung um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 356 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Ich beende damit das Abstimmungsverfahren.

7. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 288/A der Abgeordneten Dr. Walter Schwimmer, Ing. Erwin Kaipel und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird (347 der Beilagen)

8. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 233/A (E) der Abgeordneten Jakob Auer, Kurt Eder und Genossen betreffend Verordnungen zur Schaffung von Ausnahmeregelungen für Einsatzfahrzeuge bei der fahrleistungsabhängigen Maut und der Vignette (348 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Bautenausschusses über den Antrag 73/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die Finanzierung und Fertigstellung des Abschnitts


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"Völkermarkt West – Klagenfurt Ost" der A 2 Süd Autobahn (Lückenschluß) (349 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich möchte jetzt schon darauf aufmerksam machen, daß um 15.30 Uhr wegen der Behandlung der Dringlichen Anfrage die Tagesordnung zu unterbrechen sein wird.

Es sind dies die Berichte des Bautenausschusses über die Anträge 288/A der Abgeordneten Dr. Walter Schwimmer, Ing. Erwin Kaipel und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird, 233/A (E) der Abgeordneten Jakob Auer, Kurt Eder und Genossen betreffend Verordnungen zur Schaffung von Ausnahmeregelungen für Einsatzfahrzeuge bei der fahrleistungsabhängigen Maut und der Vignette und 73/A (E) der Abgeordneten Ing. Mathias Reichhold und Genossen betreffend die Finanzierung und Fertigstellung des Abschnitts "Völkermarkt West – Klagenfurt Ost" der A 2 Süd Autobahn (Lückenschluß).

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Wortmeldung liegt vom Herrn Abgeordneten Rosenstingl vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

15.15

Abgeordneter Peter Rosenstingl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen heute das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz novellieren – ein Gesetz, das vor wenigen Monaten erst hier im Haus mit Mehrheit der Regierungskoalition beschlossen wurde, ein Gesetz, durch welches wieder einmal den Bürgern in die Tasche gegriffen wird. Es ist aber klar und deutlich, daß dieses Bundesstraßenfinanzierungsgesetz – dabei handelt es sich, wie Sie alle wissen, um die Einführung der Autobahnvignette – ein schlechtes Gesetz ist.

Diese Einführung des Autobahnpickerls wird natürlich überhaupt keine Verkehrsprobleme in Österreich lösen. Es wird der Autoverkehr nicht weniger werden in Österreich, nur weil man diese Vignette bezahlen muß. Es wird keinerlei Veränderung eintreten, es wird niemand auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Die Einführung der Autobahnvignette ist eine reine Geldbeschaffungsaktion der Bundesregierung. Die Autofahrer werden wieder einmal zur Kasse gebeten, weil Sie nicht imstande sind, eine ordentliche Budgetpolitik zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann immer wieder nur in Erinnerung rufen, daß die Österreicherinnen und Österreicher die Autobahnen und die Schnellstraßen in Österreich schon einmal mit ihren Steuergeldern bezahlt haben, und es ist daher wirklich eine Zumutung, daß man durch die Einführung der Autobahnvignette wieder einmal die Österreicherinnen und Österreicher zur Kassa bittet.

Es wurde bisher bereits ein Zuschlag auf die Mineralölsteuer eingehoben, und dieser Zuschlag sollte eigentlich zur Errichtung und Erhaltung des hochrangigen Straßennetzes verwendet werden. Die Verwendung dieser Gelder ist unklar. Diese Gelder verschwenden Sie mit Ihrer Politik. Sie vernichten Arbeitsplätze, daher müssen Sie Arbeitslose bezahlen, die diese Regierungskoalition Vranitzky/Schüssel laufend schafft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieses Gesetz ist aber auch deswegen ein schlechtes Gesetz, weil es zahlreiche Sonderregelungen gibt und weil die Kontrollierbarkeit dieser Vignette sehr erschwert wird. Außerdem wird der krisengeschüttelte Tourismus wieder einmal in Mitleidenschaft gezogen, weil zu befürchten ist, daß die Einführung dieser Autobahnvignette auch auf den Tourismus Auswirkungen haben wird.


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Außerdem ist zu befürchten – und das konnte von niemandem hier in diesem Haus, dies konnte in keiner Debatte, auch nicht bei der Diskussion im Rechnungshofausschuß, widerlegt werden –, daß es einen Ausweichverkehr auf Bundesstraßen geben wird, daß Autofahrer in Zukunft die Autobahnen wegen der Vignettenregelung nicht mehr benützen werden. Es werden daher Nachteile für alle Verkehrsteilnehmer sowie für die Sicherheit und Umwelt entstehen. Außerdem wird es zu einer Verdrängung der Autofahrer von den Stadtautobahnen kommen. Es wurde schon oft darüber diskutiert.

Als Ditz noch zuständiger Minister war, hat er gemeint, er könne die Stadtautobahn nicht ausnehmen, er weiß nicht, wie er das machen soll. – Wenn ich das berücksichtige, daß er nicht weiß, wie er das machen soll, dann war es gut, daß Ditz gegangen ist, weil das eine ganz einfache Lösung wäre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Es wäre freundlich von Ihnen, wenn Sie mir Ihr Ohr leihen würden, umso mehr, da Sie im Ausschuß eine etwas seltsame Einstellung zu meiner Wortmeldung bekundet haben. Als ich sagte, man müßte doch wenigstens etwas verbessern, nämlich zum Beispiel die Stadtautobahnen aus dieser Regelung ausnehmen, haben Sie gesagt: Wenn Sie gegen das Gesetz sind, warum machen Sie dann Verbesserungsvorschläge?

Herr Bundesminister! Ich sage es Ihnen heute, und ich sage es auch für das Protokoll: Wir machen Verbesserungsvorschläge, weil Sie ein schlechtes Gesetz machen (Beifall bei den Freiheitlichen) und weil wir anscheinend die einzigen sind in diesem Haus, die dieses schlechte Gesetz verbessern können.

Daher bringe ich auch heute wieder einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Kollegen betreffend Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird im Interesse der städtischen Wohn- und Lebensqualität sowie im besonderen aus ökologischen Erwägungen und mit Rücksicht auf die Sozialverträglichkeit der urbanen Verkehrsentwicklung dringend ersucht, die sogenannten "Stadtautobahnen" nicht in die geplante Mautpflicht einzubeziehen.

*****

Das ist ein Bereich.

Ein zweiter Bereich, den Sie nicht geregelt haben, ist die Verhinderung der Doppelmaut. Sie benachteiligen unsere schönen Tourismusgebiete in Österreich, nämlich die südlichen und die westlichen Bundesländer, die Doppelbemautung haben.

Daher werde ich auch diesbezüglich einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Kollegen betreffend Verhinderung der Doppelmaut infolge der Einführung des Mautpickerls

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß es zu keiner doppelten Mauteinhebung auf österreichischen Autobahnen kommt, und


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dadurch zu verhindern, daß es zu negativen Erscheinungen wie einer Verdrängung von Verkehren auf das Bundesstraßennetz oder die Benachteiligung von Tourismusregionen kommt.

*****

Um Ihnen noch weiter klarzulegen, wie schlecht Ihr Gesetz ist, darf ich Ihnen noch einen Entschließungsantrag einbringen. Sie haben nämlich ganz einfach vergessen, in Ihrem Gesetz festzuhalten, wie das Mautpickerl für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen zu regeln ist. Ich möchte Ihnen daher eine Anregung geben und bitte um Zustimmung:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Kollegen betreffend Mautpickerl für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, bei der beabsichtigten Einführung der Mautvignette dafür Sorge zu tragen, daß Besitzer von Wechselkennzeichen die Maut nur einmal entrichten müssen.

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen aber im Bereich der Verkehrswege vor einem ganz anderen Problem. Wir stehen vor dem Problem, daß Geld verschwendet wird, daß Umweltzerstörung betrieben wird, daß in sinnlose Prestigeprojekte investiert wird. Man muß berücksichtigen, daß es bei den Verkehrswegeinvestitionen keine sachlich begründeten Entscheidungsgrundlagen gibt.

Herr Bundesminister! Diese Bundesregierung hat es bis heute nicht zusammengebracht, einen Bundesverkehrswegeplan vorzulegen. Wir wissen gar nicht, in welche Straßen wir investieren sollen, weil Ihre Minister Klima und Scholten es nicht zusammenbringen, einen Verkehrswegeplan vorzulegen. Dadurch wird immer wieder und weiter in sinnlose umweltzerstörende Projekte investiert.

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Und ein solches Projekt – und das muß man auch bei der Finanzierung von Verkehrswegen sagen, bei der Finanzierung von Straßenbauten –, das finanziert werden soll, das aber sinnlos ist, ist der Semmering-Basistunnel. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! In diesen Tagen, während der es im Sondierstollen des Semmering-Basistunnels zu einem Wassereinbruch gekommen ist – all das haben wir, haben die zuständigen Herren, die sich damit beschäftigen, vorausgesagt –, müßten Sie innerhalb der Bundesregierung als ein zuständiger Minister für Verkehrswege dafür eintreten, daß dieses Projekt eingestellt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind sofort die Baumaßnahmen beim Semmering-Basistunnel einzustellen. Wir können es der Umwelt gegenüber nicht verantworten, daß dort weitergebaut wird. (Abg. Parnigoni: Schuster, bleib bei deinem Leisten!) Wir können, Herr Kollege, nicht verantworten, daß wir die Wasserreserven gefährden, etwas, das Sie mit Ihren sozialistischen Prestigeprojekten jedoch tun. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Parnigoni. ) Herr Kollege! Sie als Vorsitzender des Verkehrsausschusses sollten als erster dafür eintreten, daß das eingestellt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ihre sozialistische Politik, Herr Kollege, wird Umweltschäden in einem beträchtlichen Ausmaß herbeiführen. Gegen diese Umweltschäden, gegen diese umweltfeindliche Politik werden wir


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Freiheitliche immer wieder auftreten (Abg. Parnigoni: Jawohl!) , wir werden nicht aufhören, Ihnen zu sagen, daß Sie dieses Prestigeprojekt einstellen sollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nehmen Sie den Straßenbenützern nicht das Geld aus der Tasche. Sie, die Sozialisten, sind dafür bekannt. Seit 27 Jahren nehmen Sie allen Österreicherinnen und Österreichern das Geld aus der Tasche. Stoppen Sie endlich diese Belastungen, und tun Sie endlich etwas für die Bürger – das haben Sie nämlich verlernt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Parnigoni: Sie nicht?!)

15.25

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die eben verlesenen drei Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt, stehen daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Redezeit: 5 Minuten; Sie können nach der Debatte zur Dringlichen Anfrage natürlich fortsetzen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.25

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn man Tatsachen nicht zur Kenntnis nimmt, nennt man das Ignoranz. Die Rede des Abgeordneten Rosenstingl war gerade das Beispiel von parlamentarischer Ignoranz. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Abgeordneter Rosenstingl regt sich darüber auf, daß ihn der Minister im Ausschuß – meiner Ansicht nach völlig zu Recht – gefragt hat: Warum machen Sie Verbesserungsvorschläge, wenn Sie an sich die Sache grundsätzlich ablehnen?

Die Ignoranz geht noch weiter: Abgeordneter Rosenstingl weiß nämlich gar nicht, was wir heute debattieren, was wir heute beschließen. Er hat schlicht und einfach seine alte Rede über das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz gehalten, hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich anzusehen, was heute hier zur Debatte steht, denn heute stehen Verbesserungen und Erleichterungen bei der Maut zur Debatte. (Abg. Rosenstingl: Aber nicht genug!)

Über das Ausmaß von Verbesserungen oder Erleichterungen kann man immer reden, aber wenn Sie dagegen stimmen (anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen) , wenn Sie gegen Verbesserungen und gegen Erleichterungen reden, dann nenne ich das – ich wiederhole das – parlamentarische Ignoranz. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Was wir heute beschließen, ist eine benutzerfreundlichere und für viele, die die Autobahnen Österreichs nicht ganzjährig benutzen wollen, auch eine wesentlich billigere Regelung. Es ist eine Regelung, die dem Rechnung trägt, was Abgeordneter Rosenstingl in Unkenntnis dessen, was im heute zu beschließenden Gesetz steht, verlangt hat: nämlich auf den Tourismus Bedacht zu nehmen.

Der wesentlichste Inhalt der heutigen Novelle, der heutigen Änderung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes ist die Einführung einer sogenannten Wochenvignette – wobei es mehr ist als eine Wochenvignette, aber auch das weiß der Abgeordnete Rosenstingl offensichtlich nicht, wenn er hier gegen das Gesetz spricht.

Es handelt sich nämlich um eine Wochenvignette, die sogar für zehn Tage gilt, die zwei Wochenenden vollständig mit einschließt und die zu einem Betrag von 70 S zu erwerben ist. Es ist dies eine wesentliche Verbesserung, eine wesentliche Erleichterung, die es anderswo überhaupt nicht gibt. (Abg. Rosenstingl: Sie haben davon keine Ahnung!)

Schauen Sie in die Tschechische Republik, dort gibt es nur die Jahresvignette. Fragen Sie Ihre Vorarlberger Kollegen, wie es in der Schweiz ist, dort gibt es auch nur die Jahresvignette.

Und so schlecht kann das gar nicht sein. Ich war heuer im Sommer in Tirol und in Vorarlberg auf Urlaub. In Vorarlberg habe ich fast auf jedem Auto die Schweizer Mautvignette gesehen. Die Leute fahren sicher nicht täglich auf Schweizer Autobahnen, aber es ist ihnen wert, nicht auf Schweizer Bundesstraßen auszuweichen, sondern die Schweizer Vignette zu kaufen und auf den Schweizer Autobahnen mit der Vignette zu fahren. (Zwischenruf der Abg. Haller. )


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Warum sollen sich die Österreicher im eigenen Land anders verhalten, als sie sich auf ausländischen Autobahnen mit der ausländischen Jahresvignette verhalten? (Zwischenruf des Abg. Rosenstingl. – Abg. Dr. Ofner: Du hast schon lange nicht "Ignorant" gesagt! – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

Ich habe den Abgeordneten Rosenstingl jetzt leider nicht verstanden. Wahrscheinlich hätte ich Anlaß, es noch einmal zu sagen, wenn ich ihn verstanden hätte.

Ich wiederhole noch einmal: Wir haben mit diesem Gesetz eine Wochenvignette geschaffen, die für zehn Tage gilt, die für einen Betrag von 70 S zu erwerben ist und die damit vor allem Tourismusnotwendigkeiten Rechnung trägt.

Wir haben weitere Erleichterungen – vor allem auch bei den Strafbestimmungen –, was jemandem, der das vielleicht übersehen hat, absolut entgegenkommt, indem nämlich Fristen hinsichtlich der Bezahlung mittels Erlagscheines innerhalb von drei Werktagen Rechnung getragen wird. Es gibt nun die Möglichkeit, daß auch die Exekutive Zahlungen, Maut und Zuschlag entgegennimmt; damit wird vor allem ausländischen Kraftfahrzeugbenützern, die ohne Maut betreten werden, eine Möglichkeit geboten, ohne Sicherheitsleistungen, ohne Beschlagnahme von irgendwelchen Gegenständen die Angelegenheit in Ordnung zu bringen.

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter! Entschuldigen Sie, ich muß Sie dann alsbald unterbrechen.

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (fortsetzend): Ich beende vorläufig meine Rede und bitte, mich dann wieder aufzurufen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Ofner: Und g’schwind noch einmal "Ignorant" sagen!)

15.30

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Danke schön.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Ing. Monika Langthaler, Andreas Wabl und Genossen an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Inanspruchnahme von Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG (1387/J)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 1387/J. Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Ab Herbst 1996 werden erstmals ungekennzeichnete Lebensmittel in den Verkaufsregalen stehen, die zum Teil aus genmanipulierten US-Sojabohnen hergestellt wurden. In den USA werden seit heuer gentechnisch veränderte Sojabohnen mit konventionell gewonnenen vermischt. In den Verhandlungen mit der EU-Kommission wurde von dem multinationalen Konzern MONSANTO darauf hingewiesen, daß aufgrund der Vermischung in den USA eine Unterscheidung zwischen konventionell und gentechnisch erzeugten Sojabohnen nicht mehr möglich sei. Aus diesem Grund sei auch eine Kennzeichnung, wie etwa "gentechnisch verändertes Produkt", vor allem gegenüber den konventionell anbauenden Landwirten unfair, da ja diese auf den Einsatz der Gentechnik verzichtet haben. Die EU-Kommission hat daraufhin den Sojabohnenimporten – ohne Kennzeichnungsvorschriften – aus den USA ihre Erlaubnis erteilt. Somit werden erstmals im diesjährigen Herbst gentechnisch veränderte Sojaprodukte ungekennzeichnet auf den Markt kommen.

Die Lebensmittel, die davon am meisten betroffen sein werden, sind Pflanzenfette zum Braten und Backen, sowie in verarbeiteter Form als Margarine, Brotaufstriche, Kuchen, Süßwaren, Feinkostsaucen et cetera. In Österreich wurden 1994 rund 11 600 Tonnen Sojaöl importiert; dies


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entspricht rund 6 Prozent der Gesamtmenge der auf dem österreichischen Markt befindlichen Pflanzenöle. Um ein Vielfaches größer sind dagegen die Einfuhren von Ölkuchen und Preßrückständen von Soja, die hauptsächlich als Futtermittel dienen. Laut Statistik wurden 1994 davon rund 460 000 Tonnen importiert. Diese Ölkuchen und Preßrückstände werden zu eiweißhaltigem Schrot verarbeitet, der vornehmlich an Schweine und Geflügel verfüttert wird und so über diesen Umweg in die Lebensmittelkette gelangen kann.

Zahlreiche Mitglieder der Bundesregierung sowie die Spitzenkandidaten der Regierungsparteien zur EU-Wahl haben im Zuge des EU-Wahlkampfes eine fortschrittliche und auch mutige Umwelt- und Konsumentenschutzpolitik Österreichs in der EU versprochen. Vor allem im Bereich des Einsatzes der Gentechnologie in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion wurden viele Versprechen gemacht, die auch nationale Alleingänge miteinschlossen.

Es geht nicht nur um die Glaubwürdigkeit österreichischer Qualitätspolitik in der EU, sondern es geht vor allem auch um die Glaubwürdigkeit österreichischer Politik vor der eigenen Bevölkerung.

Nicht nur, daß die gesundheitlichen und ökologischen Langzeitwirkungen und Risiken weiterhin ungeklärt sind, fordern rund 82 Prozent der österreichischen Bevölkerung laut Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes Fessel, Wien, daß keine gentechnisch veränderten Lebensmittel auf den heimischen Markt kommen sollen. 94 Prozent der österreichischen und 95 Prozent der deutschen Bevölkerung fordern zudem die lückenlose Kennzeichnung gentechnisch veränderter Produkte, sollten diese doch auf den Markt gelangen. Auch der Großteil der Handelsketten hat sich – im Interesse der österreichischen Konsumenten und Konsumentinnen – gegen das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ausgesprochen.

Es besteht für die österreichische Bundesregierung die Möglichkeit und die Verpflichtung, im Interesse und zum Schutz der österreichischen Bevölkerung von Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG Gebrauch zu machen und den Import von gentechnisch verändertem Soja und Produkten, die gentechnisch verändertes Soja enthalten, zumindest vorübergehend zu unterbinden. Zudem würde eine derartige Entscheidung eine EU-weite Diskussion einleiten. Auch andere EU-Mitgliedstaaten erwägen derzeit ein derartiges Vorgehen nach Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie.

Artikel 16 der EU-Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG besagt:

"(1) Hat ein Mitgliedstaat berechtigten Grund zu der Annahme, daß ein Produkt, das nach dieser Richtlinie vorschriftsmäßig angemeldet wurde und für das eine schriftliche Zustimmung erteilt worden ist, eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt, so kann er den Einsatz und/oder Verkauf dieses Produkts in seinem Gebiet vorübergehend einschränken oder verbieten. Er unterrichtet hiervon unter Angabe von Gründen unverzüglich die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten.

(2) Eine Entscheidung hierüber ergeht innerhalb von drei Monaten nach dem in Artikel 21 festgelegten Verfahren."

Die österreichische Bundesregierung hat nun die einmalige Chance, im Interesse der Umwelt und zum Schutz der Gesundheit der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten aktiv tätig zu werden und dadurch auch wieder Vertrauen in die Handlungsfähigkeit österreichischer Politik zu wecken. Es wird jetzt zu ermessen sein, ob die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz den Willen und die Ängste der überwältigenden Mehrheit der österreichischen Bevölkerung bezüglich Gentechnik ernst nimmt oder den Interessen einiger multinationaler Konzerne in die Hände spielt.

Da gentechnisch verändertes Soja und Produkte, die gentechnisch verändertes Soja beinhalten, aller Voraussicht nach im November beziehungsweise Dezember 1996 ungekennzeichnet auf den Markt gelangen werden, wenn nicht raschest von Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG Gebrauch gemacht wird, stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz folgende


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43. Sitzung / Seite 81

Dringliche Anfrage:

1. Werden Sie zum Schutz und im Interesse der österreichischen Bevölkerung hinsichtlich der Importe von gentechnisch verändertem Soja (mit erhöhter Verträglichkeit gegenüber dem Herbizid Glyphosat – 96/281/EWG) und der Produkte, die gentechnisch verändertes Soja enthalten, die in Kürze ungekennzeichnet auf den Markt gelangen werden, von Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG Gebrauch machen, um deren Inverkehrbringen zu unterbinden?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf § 93 Abs. 2 GOG verlangt.

*****

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Petrovic als erster Fragestellerin das Wort. (Abg. Dr. Petrovic: Zur Geschäftsordnung!) – Bitte, zur Geschäftsordnung.

15.31

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne) (zur Geschäftsordnung): Herr Präsident! Wir legen großen Wert darauf, daß die Frau Bundesministerin für Gesundheit bei dieser Debatte zugegen ist. Ich stelle daher den Antrag, ... (Bundesministerin Dr. Krammer eilt in den Sitzungssaal. – Abg. Parnigoni: Die Frau Bundesministerin wurde draußen nur von Ihrer Kollegin Stoisits aufgehalten! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir wollten nur warten.

15.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich fahre fort, wie folgt: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Petrovic als erster Fragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. Gemäß der Geschäftsordnung: Redezeitbeschränkung 20 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.32

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grüne Klub hat eine Dringliche Anfrage zu einem ganz speziellen Bereich der Gentechnik eingebracht, erstmals eine Dringliche Anfrage mit einer einzigen Frage.

Ich weiß – und Sie alle wissen das –, es gibt viele offene Punkte in Sachen Gentechnik: wissenschaftliche Fragen, politische Fragen, Fragen der sozialen Verträglichkeit. Und es gibt unterschiedliche Beurteilungen – auch bei den Grünen – zwischen medizinischen Anwendungen, landwirtschaftlichen Anwendungen der Gentechnik, weil da eben auch der Nutzen – beziehungsweise der mangelnde Nutzen – verschieden zu qualifizieren ist.

Doch jetzt, Frau Bundesministerin, geht es um eine einzige Frage. Wir könnten all diese anderen Fragen – und wir waren damit einverstanden –, die wissenschaftlichen Argumente pro und kontra, die Diskussion des Nutzens: Was hat die Gesellschaft davon? Ist es schädlich, oder ist es nützlich?, all das könnten wir tatsächlich in einem Unterausschuß noch reiflich diskutieren. Aber ein Punkt muß hier und heute entschieden werden, denn dieses Problem läßt sich nicht mehr aufschieben: Es geht um die Zulassung, es geht um das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Soja auf den europäischen Märkten. Dieses Soja wird derzeit in Amerika geerntet. Die Ernte wird zusammengeschüttet: gentechnisch veränderte Sojabohnen und naturbelassene Sojabohnen. Diese Produkte sollen auf die europäischen Märkte kommen.

Vor der EU-Abstimmung in Österreich hat diese Bundesregierung ganz klar der Bevölkerung versprochen, und zwar unter dem Titel "mehr Sicherheit für Konsumenten": Gesunde Lebensmittel, strenge Standards können beibehalten werden, Konsumenten werden durch strengere Schutzvorschriften bei der Lebensmittelkennzeichnung profitieren.


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Jetzt stehen wir vor der Situation, daß diese gentechnisch veränderten Sojabohnen ungekennzeichnet auf die Märkte kommen sollen und in zahlreichen Produkten enthalten sein werden: in Fetten, in Ölen, in Süßspeisen, in Brotaufstrichen – und vor allem in vielen Produkten zur Tierfütterung. Ungekennzeichnet, ohne Information der Konsumentinnen und Konsumenten!

Frau Bundesministerin! Dazu kommt eine Vorgangsweise im Ausschuß, die uns wirklich zu denken gibt. Sie wissen, wir waren hier zu Kompromissen bereit. Wir hätten ohne weiteres dem zugestimmt, alle offenen Fragen in einem Unterausschuß zu diskutieren – allerdings mit Ausnahme dieser Frage, die wir heute als Dringliche eingebracht haben, nämlich der Frage: Bricht die Bundesregierung, brechen auch Sie, Frau Bundesministerin, das Versprechen an die österreichische Bevölkerung, solche gentechnisch veränderten Nahrungsmittel nicht zuzulassen oder zumindest dafür Sorge zu tragen, daß jedes Produkt gekennzeichnet sein muß?

Frau Bundesministerin! Das ist eine politische Frage. Dem haben Sie schon einmal in einer Debatte in diesem Hohen Haus zugestimmt. Das ist keine naturwissenschaftliche Frage. Sie wissen ja, wie verschieden die Argumente in der Wissenschaft heute sind. Sie wissen auch, wie mächtige, wie finanzkräftige Lobbies diesbezüglich Druck machen.

So gibt es auch Argumente eines Teils der Wissenschaft, der diese Technologie – auch in der Landwirtschaft, auch in der Nahrungsmittelproduktion – als unbedenklich einstuft. Aber Sie wissen genausogut wie wir Frau Bundesministerin, daß es ganz gravierende Argumente gibt, seriöse und sachliche Argumente, die auf ein riesengroßes Gefahrenpotential hinweisen. – Frau Bundesministerin, Sie sind jene Person in der Bundesregierung, die es in der Hand hat, aus diesen Argumenten der Kritikerinnen und Kritiker jetzt eine politische Strategie zu machen. Sie haben das Instrument des Artikels 16 der EU-Freisetzungsrichtlinie in der Hand. Wir fragen Sie heute nur: Werden Sie dieses Instrument einsetzen – ja oder der nein?

Diese Freisetzungsrichtlinie verlangt nicht die Sicherheit, daß ein Produkt schädlich ist. Das wäre ja noch schöner, wenn man beweisen müßte, daß etwas sicherlich gefährlich, lebensbedrohlich oder ökologisch zerstörend ist. Nein: Diese Richtlinie verlangt in ihrem Artikel 16 einen berechtigten Grund zur Annahme, daß ein gentechnisch verändertes Produkt eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt. Und dann sind Sie berechtigt, dann sind Sie meiner Meinung nach sogar verpflichtet, Frau Bundesministerin, dieses Instrument auch einzusetzen.

Frau Bundesministerin! Jene wirtschaftlichen Kräfte, die in Richtung Zulassung, in Richtung Außerachtlassung der Vorsicht Druck machen, sind mächtig, sind finanzstark. Sie sind Ministerin für den Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten. Wenn es berechtigte Bedenken gibt, dann müssen Sie handeln, Frau Bundesministerin! (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt hier ganz neue Argumente, und diese sind nicht entkräftet worden: nicht auf EU-Ebene und nicht in Österreich. Es ist nicht getestet worden, ob diese herbizidresistent gemachten Sojabohnen, was die Firma behauptet – der Konzern MONSANTO, man soll da auch Namen nennen –, wirklich identisch, wirklich gleich sind.

Man ist nicht auf die Frage eingegangen, ob dieses Herbizid, ein Totalherbizid, gegen das die Pflanze resistent gemacht wird, wirklich völlig abgebaut wird. Man hat überhaupt keine derartigen Tests gemacht. Man hat mit nichtbehandelten Sojabohnen, die nur resistent gemacht wurden, dann aber nicht mit dem Herbizid behandelt wurden, Tests durchgeführt. Diese Tests sind ungültig, sie sind irrelevant. Die Testung war mangelhaft!

Wir wissen, daß die Herbizidresistenz und der Einsatz des Herbizids den Stoffwechsel der Pflanze nachhaltig beeinflussen können. Das ist bei anderen Pflanzen mit anderen Herbiziden bereits passiert. Das sind keine Vermutungen, sondern das ist Realität, Frau Bundesministerin! Da gibt es keine Zweifel.

Wir wissen, daß die Befürworterinnen und Befürworter dieser Technologie mehrfach die Unwahrheit gesagt, mehrfach geirrt haben.


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Frau Bundesministerin, das Schadenspotential, die Ausbreitung der Pflanze, die Resistenz bei anderen Pflanzen, bei Unkräutern etwa, ist nicht ausgeschlossen. – Diese Pflanzen, diese Produkte sollen weltweit in Umlauf gebracht werden, das heißt auch in Ländern mit wärmerem Klima, wo die Samen sehr wohl überlebensfähig sind. Die Firma hat mit der nördlichen Hemisphäre, mit den kalten Gegenden argumentiert, nur: Das entspricht nicht ihrem Aktionsradius. – Wieder hat die Firma unwahr informiert, unvollständig informiert.

Die Gründe für die Inanspruchnahme des Artikels 16 sind hundertfach gegeben.

Frau Bundesministerin! Noch einmal: Es ist das eine politische Frage, und Sie können sich dieser Entscheidung nicht entziehen! (Beifall bei den Grünen.)

Es geht aber noch um mehr, Frau Bundesministerin, als um diesen Antrag, um die immensen ökologischen und gesundheitspolitischen Gefahren: Dieser Antrag steht stellvertretend für die Situation der Gesundheitspolitik in Österreich, vielleicht auch überhaupt der Politik in Österreich. Es stellt sich hier die Frage: Welchen Stellenwert hat der Gesundheitsschutz, welchen Stellenwert hat das Vorsichtsprinzip, und welche grenzenlose Macht haben mittlerweile bestimmte Konzerne, die offenbar nicht einmal mehr die Überprüfung – noch nicht das vollständige Verbot, sondern die Überprüfung – zulassen wollen und Druck ausüben auf die Regierenden?

Es stellt sich die Frage – und sie stellt sich bei diesem Antrag, hier und heute, und sie stellt sich Ihnen, Frau Dr. Krammer –: Wird das, wird Ihre Entscheidung zu einem "Zwentendorf" oder zu einem "Tschernobyl" der Gentechnik? Diese Entscheidung geht weit über den Anlaßfall hinaus. Und sie ist aus einem zweiten Grund bedeutsamer als der Anlaßfall. Es stellt sich nämlich die Frage, ob sich die Regierenden in diesem Lande, ob sich auch die sozialdemokratische Fraktion damit abfindet, daß die Politik gegenüber der Übermacht der Konzerne auf dem Rückzug ist – oder ob sie in einem ganz wichtigen Bereich eine Neuregulierung im Sinne des Gesundheitsschutzes wagen. Die Sympathien der gesamten österreichischen Bevölkerung, die Sympathien der österreichischen Umweltbewegung wären Ihnen dann sicher.

Frau Bundesminister! Wollen Sie diesen Rückzug der Politik, der in allen Bereichen im Gange ist? Im Mietrecht, in Fragen der Frauengleichberechtigung, überall stellt man fest: Da gibt es so mächtige Kräfte, und die wollen das halt nicht. Sie haben da ein ganz konkretes Instrument, und es stellt sich die Frage: Ergreifen Sie es – oder ergreifen Sie es nicht? Machen Sie Politik oder lassen Sie die Hände in den Schoß sinken und sagen: Die anderen sind zu mächtig, ich traue mich nicht mehr.

Wir brauchen in vielen Bereichen eine Neuregulierung. Sicherlich gibt es auch obsolete Vorschriften. Sicher kann man auch teilweise entbürokratisieren und überflüssige Regelungen abbauen. Aber hier haben wir einen Bereich, in dem dringend eine gesundheitsorientierte, eine ökologische Neuregelung notwendig ist.

Eine dritte Grundsatzfrage stellt sich, nämlich die der Glaubwürdigkeit der Politik, auch der Glaubwürdigkeit der SPÖ. Sie haben gerade in den letzten Tagen sehr viel diskutiert über Wahlergebnisse, über die Frage, warum immer mehr Menschen Wahlentscheidungen fernbleiben, und Sie haben auch diskutiert über die Darstellungsformen der Politik. Das ist ein Bereich, in dem die ganz, ganz überwältigende Mehrzahl der Konsumentinnen und Konsumenten Antworten verlangt. Das ist ein Bereich, zu dem man nicht schweigen kann. Das ist nicht eine Frage einer Verkaufsstrategie, sondern das ist eine Frage inhaltlicher Glaubwürdigkeit. Und inhaltliche Glaubwürdigkeit ist nur dann gegeben, wenn man Argumente auf den Tisch legt, keine Geheimniskrämerei zuläßt, auf jedes Argument der kritischen Seite, die keinen ökonomischen Vorteil daraus hat, eingeht und darüber eine politische Entscheidung fällt. Entziehen kann man sich dem nicht. Das Vertagen in Ausschüssen, ein Schubladisieren nützt nichts!

Wie gesagt: Das gentechnisch veränderte Soja kommt jetzt auf die Märkte, und daher muß jetzt politisch entschieden werden. – Noch einmal: Die Entscheidung lautet ja oder nein, und Sie sind aufgerufen, eine solche Entscheidung zu treffen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)


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Mit der Frage der Glaubwürdigkeit der Regierung beziehungsweise der SPÖ ist auch die Frage verbunden: Kurswechsel oder Stagnation der Politik? Wir haben doch alle das Gefühl, daß in diesem Land große Gefahren gegeben sind, daß das Protestverhalten, daß die Abstinenz bei Wahlen im Zunehmen begriffen ist. Darin liegen die Gründe, daß eben ganz wichtige Entscheidungen einfach nicht getroffen, vertagt, verschoben oder ignoriert werden.

Wenn es einen Kurswechsel geben soll in diesem Land, wenn man endlich ausbrechen will aus dieser Stagnation, dann muß etwas geschehen – und ich habe den Eindruck, daß das auch etliche in den Regierungsparteien wollen, daß sie sehen, daß es nicht so weitergehen kann, daß die Bevölkerung in totale Resignation fällt und die Politik ohnehin nur entweder für korrupt, unnötig oder ohnmächtig einschätzt.

Wenn Sie der Meinung sind, es muß ein Kurswechsel zumindest einmal eingeleitet werden, dann ist das eines der wichtigsten Gebiete der Politik, ein Gebiet, in dem Sie beweisen können, ob Sie zu einem solchen Kurswechsel bereit sind – oder ob Sie der Stagnation das Feld räumen.

Ich komme zu einem allerletzten Punkt, Frau Bundesministerin, nämlich zu Ihrer ganz persönlichen Glaubwürdigkeit, zu Ihrer ganz persönlichen Rolle in der Regierung.

Frau Bundesministerin! Sie haben ein sehr schwieriges Ressort übernommen, ein Ressort, das sich – vielleicht neben dem Umweltressort – in der Rolle befindet, gegen teils wirklich fast übermächtige Kräfte eines entfesselten Marktes antreten zu müssen. Es ist kein Zufall, daß im Bereich des Umwelt- und des Gesundheitsressorts die Fluktuation jener Personen, die dort handeln, so groß ist – größer als in allen anderen Ressorts, weil, wie gesagt, die Aufgabe wirklich eine schwierige, eine fast unlösbare ist.

Ich weiß, daß Sie, Frau Minister, unter Druck stehen: in der eigenen Fraktion – von Teilen dieser Fraktion, nicht von allen –, in der Regierung, und daß Sie unter Druck der Wirtschaftslobbies stehen. Nur, Frau Bundesministerin: Sie können auch Verbündete haben, und zwar viel, viel mehr als diejenigen, die dagegen sind. Die ganze österreichische Bevölkerung, die ganze Umweltbewegung könnten Ihre Verbündeten sein, und das sind zuverlässige Verbündete, die nicht vergessen, wer einmal eine mutige Entscheidung getroffen hat, und sie sagen das auch in der Öffentlichkeit.

Frau Bundesministerin! Ich habe bei jeder Gelegenheit hervorgehoben, daß Sie – nach einer anfänglichen Stagnation – in Ihrer Amtsführung durchaus mutige Entscheidungen getroffen haben, so etwa bei der Neuregelung des Obersten Sanitätsrates, bei der Entflechtung von Interessenkollisionen oder auch bei der Wahrung zumindest eingeschränkter Möglichkeiten für bestimmte Naturheilmittel, die verboten hätten werden sollen.

Ich habe Ihnen Respekt gezollt, weil ich weiß, daß Sie auch damals einem schweren Druck ausgesetzt waren. Sie haben in Sachen Gentechnik aber bisher sehr unentschlossen agiert, besser: reagiert. Meine Kollegin Monika Langthaler wird dann noch näher darauf eingehen. Aber diese Unentschlossenheit muß jetzt zu Ende sein. Wie gesagt: Ich weiß, Sie stehen unter Druck, aber Sie müssen sich entscheiden, Frau Minister, mit wem Sie jetzt gehen, wessen Argumente Sie ernst nehmen! Ich garantiere Ihnen: Eine mutige Entscheidung würde honoriert werden, und eine solche macht Sie auch unanfechtbar.

Ganz zum Schluß, Frau Bundesministerin, und auch an die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion gerichtet, zitiere ich jetzt wörtlich, was vor gar nicht allzulanger Zeit, nämlich am 25. April 1996, in diesem Hohen Haus gesagt wurde, und zwar adressiert an mich. Damals sagten Sie zu mir:

"Sie haben sich auch zur Sojabohne in Amerika geäußert. Ich teile diese Bedenken. Ich gehöre auch zu jener Gruppe, von der Sie gesprochen haben. Mir hat das in der Seele weh getan! Ich habe einmal mit Leuten aus den USA gesprochen, die bei mir waren und gefragt haben, warum ich nicht dafür bin, daß Sojabohnen nach Österreich hereinkommen. Ich habe gesagt, daß ich für die Kennzeichnung bin. Darauf sagten sie: In Amerika ist das nicht üblich. Man weiß gar


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nicht, welche Sojabohnen gentechnisch verändert sind und welche nicht. – Da habe ich gesagt: Solange das in Amerika nicht klargestellt ist, bin ich dagegen, daß Sojabohnen aus Amerika zu uns kommen, und zwar aus den Gründen, die Sie genannt haben." (Beifall bei den Grünen.)

Frau Bundesministerin! Diejenige, von der dieses Zitat stammt, sind Sie selbst. Sie haben diese Worte hier im Hohen Hause am 25. April 1996 gesagt. Wir waren damals sehr froh. Wir haben hier ein Zeichen der Hoffnung gesehen, daß Sie sich auch in Fragen der Gentechnik auf die richtige Seite stellen, die immer honoriert wurde. Sie haben gesagt: Ich bin dagegen, daß Sojabohnen aus Amerika zu uns kommen.

Frau Bundesministerin! Jetzt ist der Moment erreicht, in dem diese Entscheidung zu treffen ist. Jetzt bitte ich Sie, daß Sie sich an Ihre eigenen Worte erinnern und daß Sie diesem Versprechen an die österreichische Bevölkerung und an dieses Hohe Haus treu bleiben. Ich bringe hier noch keinen Mißtrauensantrag ein. Wir warten Ihre Entscheidung ab, Frau Bundesministerin, Ihre Antwort auf diese einzige Frage, die wir Ihnen stellen: Wenden Sie Artikel 16 an, verbieten Sie die ungekennzeichnete Zulassung gentechnisch veränderter Sojabohnen oder nicht?

Wir werden von dieser Ihrer Antwort unser weiteres parlamentarisches Verhalten abhängig machen. Ich bin mir auch sicher, daß Ihre Antwort auch weit außerhalb dieses Hohen Hauses gehört wird und daß auch die österreichische Umweltbewegung von Ihrer Antwort ihr weiteres Verhalten abhängig macht. Ich ersuche Sie dringend, Frau Bundesministerin, werden Sie Ihrer Aufgabe als Ministerin für Konsumentenschutz gerecht! (Beifall bei den Grünen.)

15.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich nun die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz gemeldet. Frau Bundesministerin, die Redezeit soll bitte 20 Minuten nicht übersteigen. – Danke schön.

15.52

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal einige grundsätzliche Bemerkungen: Die Biotechnologie und die Gentechnik als Teilgebiet der Biotechnologie gewinnen in immer mehr menschlichen Lebensbereichen rasant an Bedeutung. Biotechnologische Verfahren, wie zum Beispiel die beim Bierbrauen angewandte Fermentationstechnik, werden seit 6 000 Jahren von den Menschen genutzt.

Viele Österreicherinnen und Österreicher stehen allerdings den jüngsten Entwicklungen in vielen Bereichen der Gentechnik kritisch gegenüber. Die Gentechnik – das heißt: Verfahren, mit denen genetisches Material charakterisiert, isoliert und neu kombiniert werden kann – entwickelt sich seit Anfang der siebziger Jahre. Die biochemischen und zellbiologischen Techniken der Gentechnik erweitern ständig das Spektrum biotechnologischer Produkte und Dienstleistungen in einem bisher nicht dagewesenen Ausmaß.

Gegenwärtig konzentriert sich die Nutzung gentechnischer Verfahren in den Einsatzbereichen der Medizin, der Tierproduktion, der Pflanzenproduktion und in biotechnologischen Prozessen in der Rohstoffproduktion und -umwandlung.

Lassen Sie mich bitte im folgenden zentrale Aspekte und Grundzüge der künftigen österreichischen Gesundheitspolitik im Bereich der Gentechnik darstellen.

Der Einsatz gentechnologischer Forschung und Verfahren im Bereich der Biomedizin findet bei der heimischen Bevölkerung die relativ größte Akzeptanz. Viele Anwendungsmöglichkeiten der Gentechnologie in der Biomedizin sind aus heutiger Sicht durchaus positiv zu beurteilen. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Entwicklung von gentechnisch erzeugten Diagnostika, Medikamenten zur Bekämpfung und Eindämmung von Krankheiten wie Krebs, Aids, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und multipler Sklerose.


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Im Gegensatz zu den positiven Möglichkeiten der Gentechnik im Bereich der Biomedizin stehen deren Risken. Die Politik hat die Aufgabe, den Mißbrauch genetischer Daten zu verhindern und sich entschieden gegen die Versuchung zu Eingriffen in die menschliche Keimbahn zu stellen.

Die Umweltbiotechnologie besitzt vielfache Anwendungsmöglichkeiten und Anwendungspotentiale bei der Sanierung kontaminierter Areale und bei der Abfallbehandlung. Im Vergleich zu physikalischen Reinigungsmethoden ist die biologische Bodensanierung vor Ort wesentlich kostengünstiger und verursacht eine wesentlich geringere Beeinträchtigung der Umweltbedingungen.

Die Risken der Umweltbiotechnologie – zum Beispiel die Verdrängung der natürlichen Bodenflora durch genetisch veränderte Mikroorganismen, die Auslösung von Krankheiten bei Pflanze, Tier und Mensch – müssen selbstverständlich besonders genau und streng beachtet und kontrolliert werden. Zweifellos gesundheitspolitisch am sensibelsten ist der Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittel- und Agrartechnologie.

Die österreichische Gesundheitspolitik war und ist in Anbetracht der technologischen und vielerorts revolutionären Umwälzungen, die die Gentechnik im Bereich der Biotechnologie brachte und laufend mit sich bringt, gefordert. Ein erster und gleichzeitig sehr wesentlicher Schritt, der das Forschen mit gentechnisch veränderten Organismen, deren Freisetzung zu Forschungszwecken und das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Erzeugnissen regelt, war das vom Parlament im Juni 1994 beschlossene Gentechnikgesetz. Ziel dieses Gesetzes war und ist es, ein hohes Maß an Sicherheit für die Gesundheit des Menschen und für die Umwelt zu erreichen und die Anwendung der Gentechnik zum Wohle des Menschen zu fördern – wie es ausdrücklich heißt.

An innerösterreichischen Rechtsvorschriften waren darüber hinaus vom Ministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz Durchführungsverordnungen zum Gentechnikgesetz auszuarbeiten. Neben der Systemverordnung, die die Sicherheit bei Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen in geschlossenen Systemen regelt, tritt demnächst auch eine Verordnung zur Regelung der gemäß Gentechnikgesetz vorgesehenen Anhörungsverfahren sowie die Freisetzungsverordnung, mittels der den Antragstellern von Freisetzungen zu Forschungszwecken strenge Informationsvorgaben auferlegt werden, in Kraft.

Lassen Sie mich bitte noch einmal betonen, daß durch die strengen österreichischen gesetzlichen Vorgaben die Sicherheit für die Gesundheit der Menschen und Umwelt gewährleistet ist. Generell verfolgt das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz als Genehmigungsbehörde für Freisetzungen zu Forschungszwecken die Politik der Entscheidung von Fall zu Fall. Diese Politik ist Garant dafür, daß einerseits dem Vorsorgeprinzip, das heißt, allen Sicherheitsstandards für Mensch und Umwelt, entsprochen wird, andererseits darf es aber zu keinen unangemessenen Beschränkungen für die Forschung auf dem Gebiet der Gentechnik und deren Anwendung kommen. Denken Sie bitte in diesem Zusammenhang an die möglichen zukünftigen Anwendungsgebiete der Gentechnik im Bereich der Medizin.

Im Gegensatz zur Freisetzung zu Forschungszwecken von gentechnisch veränderten Organismen, über deren Zulassung im wesentlichen auf innerstaatlicher Ebene entschieden wird, werden Entscheidungen über das Auf-den-Markt-Bringen von Gentechnikerzeugnissen im Rahmen eines EU-weiten Zulassungsverfahrens gefällt.

Von großer gesundheits- und konsumentenpolitischer Bedeutung ist daher die Kennzeichnung von diesen in Verkehr gebrachten – das heißt, Konsumenten zum Kauf angebotenen – gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Agrarprodukten. Ich habe mich immer grundsätzlich für eine EU-weite umfassende Kennzeichnung eingesetzt. Aus diesem Grund hat Österreich im Oktober 1995 gemeinsam mit Deutschland, Dänemark und Schweden gegen die Verabschiedung des gemeinsamen Standpunktes des Rates zur Novel-food-Verordnung gestimmt. Der damals vorgelegte Verordnungstext entsprach nicht den österreichischen Vorstellungen im Sinne einer bestmöglichen Konsumenteninformation.


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Österreich unterstützt vorbehaltlos alle vom Europäischen Parlament zur Novel-food-Verordnung vorgebrachten Änderungsvorschläge und setzt sich auch bei den Beratungen des Vermittlungsausschusses dafür ein, daß diese Änderungen vom Rat möglichst unverändert übernommen werden. Darüber hinaus habe ich an die Gesundheitsminister von Deutschland, Frankreich, Irland, Luxemburg und den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich die dringende Bitte gerichtet, den österreichischen Standpunkt zu unterstützen. Derzeit wird, wie Sie wissen, die Novel-food-Verordnung im Vermittlungsausschuß weiterverhandelt.

Angesichts der Verzögerungen bei der Umsetzung einer EU-weiten Kennzeichnungsregelung gab ich im Frühsommer dieses Jahres den Auftrag zur Ausarbeitung von zwei Verordnungen betreffend die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Agrarprodukten. Ich erachte es nämlich als gesundheits- und konsumentenpolitischen Auftrag, österreichischen Verbrauchern beim täglichen Einkauf die Möglichkeit zu geben, sich als mündige Konsumentinnen und Konsumenten für oder gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel zu entscheiden. Eine ausreichende Kennzeichnung aller in Österreich zum Verkauf angebotenen gentechnisch veränderten Lebensmittel und Agrarprodukte ist eine unerläßliche Voraussetzung für die freie Wahlmöglichkeit der Verbraucher.

Positiv hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die Aktivitäten vieler österreichischer, aber auch ausländischer Lebensmittelhersteller und Handelsbetriebe, die unseren Vorschlägen gefolgt sind und sich zur freiwilligen Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln bereit erklärt haben beziehungsweise von ihren Vorlieferanten die Lieferung von ausschließlich gekennzeichneten oder überhaupt gentechnikfreien Produkten fordern.

Neben der Politik einer umfassenden Kennzeichnung von Gentechnik-Erzeugnissen möchte ich an dieser Stelle zum Importverbot für gentechnisch veränderte Organismen gemäß Artikel 16 Freisetzungsrichtlinie 90/220 Stellung beziehen:

Ein Importverbot seitens eines EU-Mitgliedstaates kann generell dann ausgesprochen werden, wenn berechtigter Grund zur Annahme besteht, daß ein gentechnisch verändertes Produkt, das gemäß dem EU-Zulassungsverfahren europaweit zugelassen wurde, eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und Umwelt darstellt. Um ein solches Importverbot durchsetzen zu können, müssen jedoch Erkenntnisse gegeben sein, die bei der Sicherheitsbeurteilung im Rahmen des ursprünglichen Zulassungsverfahrens noch nicht vorgelegen sind.

Sollte der begründete Verdacht entstehen, daß gentechnisch veränderte Erzeugnisse eine Gefahr für die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher oder die heimische Umwelt darstellen, werde ich keinen Augenblick zögern, ein solches Importverbot auszusprechen. Die politische Entscheidung für oder gegen ein Importverbot kann und wird sich daher immer am Einzelfall orientieren.

Bei der aktuellen Diskussion um die Einfuhr gentechnisch veränderter Sojabohnen liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, die bei der Sicherheitsbeurteilung im Rahmen des ursprünglichen Zulassungsverfahrens noch nicht vorlagen und daher ein Importverbot gemäß Artikel 16 rechtfertigen könnten.

Umso wichtiger wird daher eine umfassende und rasche Umsetzung der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Meine nächsten konkreten Vorhaben im Bereich der Gentechnikpolitik könnten wie folgt umrissen werden:

Erstens: die Durchführung einer breit angelegten Informationsoffensive mit dem Ziel, den subjektiven Informationsstand über die Gentechnologie und deren Auswirkungen bei der österreichischen Bevölkerung zu heben.

Zweitens: Ich werde beide Verordnungen zur Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Produkten unterschreiben und an die beiden zuständigen Minister Farnleitner und Bartenstein übermitteln, und ich fordere die ÖVP-Minister hiemit im Interesse der Konsumentinnen und


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Konsumenten auf, auch ihre Unterschrift zu leisten, damit diese so wichtigen Verordnungen unverzüglich in Kraft treten können. (Beifall bei der SPÖ.)

94 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind für die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Produkten. Deren Wunsch wird damit Rechnung getragen.

Frau Dr. Petrovic! Sojabohnen, die nicht gekennzeichnet sind, können somit nicht nach Österreich kommen.

Drittens: Ein Importverbot gemäß Artikel 16 der EU-Freisetzungsrichtlinie ist für mich ein zentrales politisches Instrument, um Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt dieses Landes abzuwehren. Ich werde dieses Instrument immer dann einsetzen, wenn die Einfuhr gentechnisch veränderter Organismen die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher oder unsere Umwelt gefährden sollte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Die an mich gerichtete Anfrage beantworte ich daher wie folgt:

Gemäß Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie kann ein Mitgliedsstaat den Einsatz und/oder Verkauf eines Produktes, das nach dieser Richtlinie vorschriftsmäßig angemeldet wurde und für das eine schriftliche Zustimmung erteilt worden ist, in seinem Gebiet vorübergehend einschränken oder verbieten, sofern er berechtigten Grund zur Annahme hat, daß dieses Produkt eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder Umwelt darstellt.

Voraussetzung für eine solche Maßnahme ist das Vorliegen von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die bei der Beurteilung im Rahmen des vorangegangenen Zulassungsverfahrens noch nicht vorlagen und daher nicht beurteilt werden konnten. Wissenschaftliche Beweise, daß die gentechnisch veränderten Sojabohnen der Firma MONSANTO eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen oder für die Umwelt darstellen, lagen aber zum Zeitpunkt des EU-Zulassungsverfahrens nicht vor und sind bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erbracht worden. Im Hinblick auf die gegebene Beweislage kann somit ein nationales Verbot auf Grundlage dieser Freisetzungsrichtlinie derzeit nicht begründet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sollten jedoch neue Erkenntnisse den begründeten Verdacht entstehen lassen, daß dieses oder jenes gentechnisch verändertes Erzeugnis eine Gefahr für die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher oder für die heimische Umwelt darstellt, dann werde ich keinen Augenblick zögern, ein solches Importverbot auszusprechen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

16.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich bringe in Erinnerung, daß die Gesamtredezeit pro Klub 25 Minuten beträgt und innerhalb derer die Höchstredezeit 10 Minuten.

Die erste Wortmeldung liegt von der Frau Abgeordneten Ing. Langthaler vor. – Bitte, Frau Abgeordnete.

16.05

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! – Frau Ministerin! Ich glaube, Sie haben heute einen Ihrer größten politischen Fehler begangen. (Beifall bei den Grünen.) Ich denke, Sie hätten heute die Chance gehabt, aus diesem Haus zu gehen und nicht nur in Österreich als mutige, engagierte Ministerin dazustehen (Abg. Dr. Pumberger: Der größte war die Rufbereitschaft!) , die sich für die Gesundheit, für vorbeugenden Gesundheitsschutz im Interesse der Konsumenten einsetzt, sondern Sie hätten auch das Haus verlassen und europaweit bekannt werden können, und zwar als eine, die es tatsächlich gewagt hat, den Multis im Genbereich die Stirn zu bieten.

Es geht nicht darum, nochmals zusätzlich wissenschaftliche Begründungen zu liefern, die es damals angeblich noch nicht gab. Wir haben diese Unterlagen beigebracht. Nicht nur von Umwelt


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schutzorganisationen und Grünen hier in Österreich, sondern in ganz Europa wurde in den letzten Wochen aufgezeigt, wurden Unterlagen, Studien gebracht, an die Kommission geschickt, in denen darauf aufmerksam gemacht wurde, daß neue Erkenntnisse eindeutig darauf hinweisen, daß es gesundheits- und umweltgefährdende Anzeichen gibt, wenn diese gentechnisch veränderte Sojabohne auf den Markt kommt.

Ich verstehe einfach nicht, warum Sie so große Angst haben, diesen Artikel 16 hier anzuwenden. Wann wollen Sie ihn denn dann anwenden, wenn nicht bei diesem konkreten Fall?

Sie haben gerade gesagt – da gebe ich Ihnen recht –, man müsse sich die Anwendung dieses Artikels 16, in dem es konkret um ein Importverbot von einem Produkt geht, am konkreten Einzelfall anschauen. Das ist in den letzten Wochen passiert. Wir stehen jetzt vor der Situation, daß in den nächsten zwei Wochen die Importe aus den Vereinigten Staaten kommen. Wir stehen jetzt vor der Situation, daß die Politiker entscheiden müssen, weil weder die Kommission noch ein politisch gewähltes Gremium, sondern gewählte Vertreter, Regierungsmitglieder endlich handeln müssen und das, was immer versprochen wird, daß es nämlich um Konsumentenschutz geht, umsetzen müssen. 90 Prozent der österreichischen und der europäischen Bevölkerung wollen diese Produkte nicht.

Der zweite wichtige Bereich: Es ist ein großes Risiko dabei, wir können es nicht ausschließen. Brauchen Sie den ersten Toten, um sagen zu können: Jetzt glaube ich es, es ist gefährlich!?

Das mag für Sie überspitzt klingen, aber ich sage Ihnen eines: Wir wissen aus Versuchen mit gentechnisch verändertem Soja, wie einige Allergiker darauf reagiert haben. Wir haben das bei der letzten Debatte hier in diesem Haus thematisiert. Ich sage das auch als persönlich Betroffene, Frau Ministerin, ich habe Ihnen das schon damals gesagt. (Bundesministerin Dr. Krammer: Da gibt es die Kennzeichnung!)

Damals gab es den Versuch, das Gen der Paranuß in die Sojabohne zu implementieren. Was das bewirkt hat, wissen Sie: Nußallergiker – ich und viele andere gehören dazu – ersticken daran, wenn sie das essen. So einfach ist das. (Bundesministerin Dr. Krammer: Wenn es gekennzeichnet ist, ersticken Sie nicht, weil dann essen Sie es nicht!) – Aber es ist nicht gekennzeichnet!

Bis Ihre Verordnung kommt, Frau Ministerin, ist das Soja längst auf dem Markt. (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic .) In zwei Wochen gibt es in Europa diese Produkte, in zwei Wochen werden die Tiere in Österreich und in ganz Europa damit gefüttert werden, und es gibt keine Kennzeichnung.

Wir gehen von einem Status quo aus, daß es keine Kennzeichnung gibt. Sie sagen, Sie werden diese Verordnung unterschreiben, und Herr Farnleitner von der rechten Reichshälfte wird sagen: Es tut mir leid, das ist einfach nicht möglich, das hatten wir schon in den letzten Wochen, und das ist in den Zeitungen Länge mal Breite dokumentiert worden, es gibt keine Kennzeichnung. (Abg. Dr. Petrovic: Sie können handeln und tun es nicht!)

Dann gehen Sie doch heraus und sagen Sie jetzt, die Verordnung liegt doch vor. Dann fragen wir doch Herrn Minister Farnleitner! Holen Sie ihn! Er ist im Haus, der nächste Tagesordnungspunkt betrifft ihn ohnehin.

Ja, die Verordnung tritt mit 1. November in Kraft, das ist in wenigen Tagen. Mit 1. November tritt diese Verordnung in Kraft. All diese Produkte werden also gekennzeichnet. Können Sie das hier und heute garantieren, Frau Ministerin? (Zwischenbemerkung der Bundesministerin Dr. Krammer. )

Sie spielen den Ball jetzt elegant an die ÖVP zurück. Zwei Minister sind heute nicht hier, und Sie sagen: Ich wasche meine Hände in Unschuld.

Es haben viele Umweltorganisationen und Wissenschafter neue Gutachten vorgelegt. Ich kann sie Ihnen hier später, wenn Sie wollen, im Detail zitieren. Es gibt neue Erkenntnisse, wonach es


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einfach gerechtfertigt ist, den Artikel 16 anzuwenden, und wonach es absolut gerechtfertigt ist, ein Importverbot auszusprechen. Was würde denn dann passieren? – Dann würde eine neue Untersuchung in Gang gesetzt, es würde europaweit im Rahmen der Kommission geprüft, und es könnte auch der Rat mit qualifizierter Mehrheit eine entsprechende Entscheidung treffen. Die Politik ist hier gefragt und tatsächlich vor allem die Politik zum Schutz der Konsumenten und eine vorbeugende Gesundheitspolitik. (Beifall bei den Grünen.)

Sie, Frau Ministerin, stellen sich hierher und sagen: Ich unterschreibe ganz sicher – das haben Sie auch schon früher einmal gesagt –, daß das gekennzeichnet wird. Was meine beiden Kollegen von seiten der ÖVP machen, weiß ich nicht, es geht mich nichts an, vielleicht haben wir die Kennzeichnung irgendwann. – Wir sind da ein bißchen skeptisch, weil Sie vieles angekündigt haben, was dann einfach nicht geschehen ist.

Bei einer Pressekonferenz am 13. Mai dieses Jahres beispielsweise, die Sie eilig einberufen haben, haben Sie wortwörtlich gesagt, daß Sie sich persönlich dafür einsetzen werden, ein vorläufiges Moratorium für die Freisetzung gentechnischer Organismen beziehungsweise Pflanzen aus dem Bereich der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie einzuführen. (Bundesministerin Dr. Krammer: Das ist falsch!) Sie wurden so zitiert, wir haben es damals ja auch alle in der "Zeit im Bild" gesehen, das ist im O-Ton erhalten und nicht nur in der APA nachzulesen.

Wenige Wochen später, nachdem der Druck – vor allem, nehme ich an, der verschiedenen Industrie- und Wirtschaftsbetriebe, die im Bereich der Gentechnik aktiv sind – Wirkung gezeigt hat, haben Sie mir in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung gesagt, der Begriff Moratorium sowie die dabei ins Spiel gebrachte Frist von zwei Jahren stammen nicht von Ihnen und Sie werden in diesem Bereich deshalb auch nicht mehr tätig werden. – Soviel zu Ihren Versprechungen.

Es gibt wenig Grund, daß wir Ihnen heute Glauben schenken, daß Sie, wenn Sie schon nicht den wichtigsten und eigentlich effektivsten Schritt setzen – nämlich ein Importverbot nach Artikel 16 der EU-Freisetzungslinie –, dann den weniger starken Schritt setzen: eine Kennzeichnungspflicht. Woher nehmen Sie das Vertrauen, daß wir Ihnen Durchsetzungskraft gerade gegenüber der ÖVP abnehmen? Und wie verstehen Sie denn Ihr Amt als Konsumentenschützerin, als höchste Konsumentenschützerin Österreichs? (Bundesministerin Dr. Krammer: Richtig verstehe ich es!) Richtig verstehen Sie es? – Sie verstehen es offenbar so, daß Sie hier und heute, wenn Sie schon nicht den Mut haben, ein Importverbot auszusprechen, den Ball eben elegant an die ÖVP spielen und wir hier keinen Minister zur Verfügung haben, den wir fragen können, ob es denn zu einer Kennzeichnung ab 1. November – das wäre der einzig richtige Zeitpunkt – in Österreich kommen wird.

Was, Frau Ministerin, werden Sie denn tun, wenn die beiden Herren nicht unterzeichnen? Was werden Sie dann tun? Mit welcher Ausrede werden Sie in wenigen Wochen wieder hier vor diesem Hohen Haus stehen?

Was ich nicht verstehe, ist, warum eine Firma wie MONSANTO, die man aus früheren Jahren kennt, einen dermaßen großen Einfluß auf die Politik ausüben kann. Wir wissen – das ist in der "Zeit" vor kurzem sehr klar beschrieben worden –, daß in Amerika die Senatoren einfach gekauft wurden. Sie wurden ganz einfach ordentlich geschmiert, und so wurden die entsprechenden Zulassungen gekauft.

MONSANTO hat in Amerika schon längst traurige Berühmtheit erlangt, weil sie "Agent Orange" im Vietnamkrieg geliefert hat, weil sie durch viele Schmiergeldaffären aufgefallen ist und weil sie sich durch massiven Druck auf die Politik in den letzten Jahrzehnten sehr, sehr viele Zulassungen gerade im Bereich der Totalherbizide erkauft hat. Das ist ein Multi, und diese verdienen doppelt: Sie haben das genmanipulierte Saatgut und liefern das entsprechende Totalherbizid gleich dazu. Jene Farmer in Amerika, die das Saatgut anwenden, sind vertraglich verpflichtet, das Herbizid nur bei MONSANTO zu kaufen. Es ist also mehr als notwendig, diese Multis in ihre Schranken zu weisen und endlich eine mutige Politik zu machen.

Ich bringe zum Schluß einen


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Entschließungsantrag der drei Oppositionsparteien ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Motter, Dr. Salzl und Genossen betreffend Maßnahmen gemäß Art. 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz werden ersucht, das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Sojabohnen (und Produkte, die diese enthalten) mit erhöhter Verträglichkeit des Herbizids Glyphosat (96/281/EWG) gemäß Art. 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG zu unterbinden.

*****

Seien Sie doch bitte endlich in der Lage, politische Entscheidungen zu treffen! Lassen Sie sich nicht von verschiedenen Multis aus Amerika, aus der Europäischen Union treiben, die zum Schaden der europäischen und der österreichischen Bevölkerung viel Profit machen und deren Politik bisher schon dadurch aufgefallen ist, daß sie sich weder um Gesundheitsvorsorge noch um Umweltschutz je geschert haben.

Die österreichische Bundesregierung hat versprochen, eine Vorreiterrolle in der EU auszuüben. Beweisen Sie es doch! Das ist sicherlich der beste und wichtigste Anlaßfall in diesem Jahr. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

16.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

16.16

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Auch wenn man gentechnisch hergestellte oder mit Hilfe von Gentechnik veränderte Lebensmittel ablehnt wie auch ich – ich habe hier im Haus nie ein Hehl daraus gemacht –, dann darf man doch die Augen nicht vor der Realität verschließen, daß immer mehr solche Lebensmittel auf den Markt gelangen. Es ist daher ganz besonders wichtig, daß die KonsumentInnen entsprechend informiert sind, und das kann bitte nur über eine lückenlose Kennzeichnung erfolgen. Da ist nicht das Importverbot im einen oder anderen Fall, sondern eine lückenlose Kennzeichnung das Rezept! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gerade die sozialdemokratischen Abgeordneten Österreichs im Europäischen Parlament, ganz zuvorderst Ilona Graenitz, haben sich ganz massiv für eine Abänderung der völlig unzureichenden Novel-Food-Verordnung eingesetzt und auch selbst eine Reihe von Abänderungsanträgen eingebracht. Leider sind sie damit unterlegen, nicht zuletzt deshalb, weil auch Abgeordnete der ÖVP dem Lobbyismus der Lebensmittelindustrie, den ich vor Ort erleben und beobachten mußte, auf den Leim gegangen sind. (Beifall bei der SPÖ.) Die Abstimmung in Straßburg ist das eine, meine Damen und Herren, die Lippenbekenntnisse zu Hause sind das andere. Jetzt liegt diese Novel-Food-Verordnung beim Vermittlungsausschuß – Entscheidung: bitte warten.

Gestern, nach Kenntnis, daß es eine Dringliche der Grünen geben wird – ich habe es fast erwartet –, habe ich auch den Kraftakt von Minister Bartenstein feststellen können. Im "Standard" hieß es, er kokettiere mit einem Importverbot für genmanipuliertes Soja und wolle Bundesministerin Krammer in Zugzwang bringen. – Zuversicht meinerseits, daß die von der Frau Bundesministerin vorbereiteten Verordnungen für den nationalen Alleingang bezüglich der Kennzeichnung die volle Zustimmung des Koalitionspartners finden würden, es müßte ein Leichtes sein, die für das Erlassen dieser Verordnung erforderlichen Unterschriften der Minister Farnleitner und Bartenstein zu bekommen.


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Im "Eurokonsument" vom 28. August 1996 war unter dem Titel "Gentechnik: Wie weiter?" zu lesen: Das österreichische Gesundheitsministerium bereitet sich auf den Fall vor, daß es mit der Novel-Food-Verordnung nicht klappt. Sollte es dazu kommen, so stünden die Entwürfe für zwei österreichische Verordnungen zur Debatte, die kurzfristig erlassen werden können und den rechtsfreien Zustand in diesem Bereich bis zu einer europäischen Entscheidung durch eine innerstaatliche Regelung abdecken könnten.

Meine Damen und Herren! Hätte ich gewußt, was ich seit heute mittag weiß, so hätte ich nicht einmal den Vertagungsantrag im Gesundheitsausschuß mitgetragen. Die sozialdemokratische Fraktion ist für eine lückenlose Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel und sieht den nationalen Alleingang auch als wichtiges Signal Richtung EU, zumal mehr als 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung diese lückenlose Kennzeichnung wünschen.

Meine Damen und Herren! Die Wahl von Nahrungsmitteln ist ein Bereich, in dem die meisten Menschen auf ihrem Gestaltungsrecht und ihrer Entscheidungsfreiheit bestehen und eine politische Mitentscheidung geradezu einfordern. Diese berechtigte Forderung der Bürger zu ignorieren hieße für mich, ein Stück lebbarer Demokratie zu beschneiden.

Freisetzung zu Forschungszwecken ist eine nationale Entscheidung, eine Entscheidung, die von Fall zu Fall zu treffen ist. Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln sollte – zumindest, sage ich, denn ich würde es mir weltweit wünschen – europaweit geregelt werden.

Da diese Entscheidung, wie schon gesagt, auf sich warten läßt, das gentechnisch veränderte Soja aus den USA aber schon in den nächsten Tagen die europäischen Märkte erreichen wird und ein Importverbot nach Artikel 16 der EU-Freisetzungsrichtlinie keine Aussicht auf Erfolg hat, sind die nationalen Verordnungen dringendst zu erlassen.

Ich sehe nicht, wo die Frau Bundesministerin einen Fehler gemacht haben sollte, aber es handelt sich wahrscheinlich um eine vorbereitete Rede der Kollegin Langthaler, die nicht mehr umgeschrieben werden konnte.

Bundesminister Farnleitner hat uns heute gesagt, wenn keine Kennzeichnungsentscheidung der EU bis 31. Dezember 1996 vorliegt, dann unterschreibt er. Die ÖVP-Abgeordneten ließen uns wissen, daß sie eine Frist bis Februar 1997 wünschen. – Meine Damen und Herren, dann brauchen wir die nationale Verordnung nicht mehr, denn dann ist der Markt durchmischt. Es haben uns zwar die Lebensmittelproduzenten wissen lassen, daß sie mit Soja eingedeckt wären und vorerst nichts kaufen müßten, aber eines ist sicher: Es gibt genug Firmen, die diesen rechtsfreien Raum jetzt nützen und sich eindecken würden. (Abg. Dr. Petrovic: Sagen Sie das nicht uns, das ist an die Adresse der Regierung!) Hören Sie einmal zu, ich habe Ihnen auch zugehört! Können wir uns darauf verständigen, Frau Kollegin? Lassen Sie mich fertigreden!

Wir haben dann die Durchmischung des Marktes, die können wir nicht mehr rückgängig machen und nicht mehr kontrollieren. Daher: nationale Verordnung jetzt, denn sonst ist das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung wirklich endgültig erschüttert. Wir brauchen diese Verordnung jetzt. Wenn die EU dann eine entsprechende Verordnung trifft, dann kann man diese nationale Verordnung leicht zurücknehmen. Das ist kein Problem.

Ich frage die ÖVP, ob sie es sich leisten kann, über 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung oder mehr drüberzufahren. Wahrscheinlich geht es um einen billigen Erfolg gegenüber den Sozialdemokraten, denn heute war in "NEWS" zu lesen, daß man der SPÖ keinen Spielraum lassen möchte. – Nur zu! Ich finde das billig, wenn es um den Gesundheitsschutz der österreichischen Bevölkerung geht.

Die Antwort kann nur lückenlose Kennzeichnung sein. Die Verordnungen der Frau Bundesminister sind fertig, werden von ihr unterschrieben, werden den Regierungspartnern zugeleitet, damit sie unterschreiben und die Verordnungen unverzüglich in Kraft treten können. (Beifall des Abg. Dr. Haselsteiner. )


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Jetzt liegt es an Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP. Wir sind es den österreichischen KonsumentInnen und als Tourismusland – darauf legen Sie ja immer so besonders viel Wert – auch unseren Gästen schuldig, jede, auch nur die kleinste Unsicherheit bezüglich gentechnischer Anwendung bei Inverkehrbringen von Lebensmitteln auszuschließen. Sollte aber die ÖVP heute ihren Entschließungsantrag einbringen und damit weiter verzögern, was wir wichtig und richtig finden, dann werden auch wir einen Entschließungsantrag einbringen, und wir sind sicher, dafür eine Mehrheit zu finden.

Es liegt also jetzt bei Ihnen, meine Damen und Herren KollegInnen von der ÖVP. Die Frau Bundesminister hat nicht die Absicht, sich einer so wichtigen Entscheidung zu entziehen. Bleiben wir doch lieber der Sand im Getriebe der Gentechniklobby, wie vielfach von uns behauptet wird. Die Österreicher erwarten das von uns, und es ist wichtig und richtig, daß wir uns so verhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

16.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schuster. – Bitte.

16.24

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der vorliegende Brief ist mit 29. September dieses Jahres datiert. Der österreichische Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie schreibt an die Kommissarin, die in Brüssel dafür zuständig ist, Ritt Bjerregaard – ich zitiere aus diesem Brief –:

Äußerst bedenklich erscheint mir der unkontrollierte und ungekennzeichnete Sojaimport – dies auch im Hinblick auf die Vermittlungsgespräche, die mit dem Europäischen Parlament bezüglich der Novel-Food-Verordnung und hier wieder insbesondere bezüglich der Kennzeichnungspflichten bevorstehen. Es wäre doch im höchsten Maße unverantwortlich, würde der EU-Markt gerade jetzt und damit unmittelbar vor einer Neuregelung der Kennzeichnungspflichten, zumindest für Nahrungsmittel, mit ungekennzeichneten gentechnisch veränderten Produkten überschwemmt. – Zitatende.

Das war am 29. September, bevor es eine Dringliche Anfrage der grünen Abgeordneten in diesem Hause gab und bevor meine Vorrednerin meinte, daß die Sozialdemokraten alles mögliche getan haben und die Volkspartei hier auf der Bremse steht.

Meine Damen und Herren! Faktum ist: Die Europäische Volkspartei hat Anträge gestellt, diesen Anträgen sind die Sozialisten im Europäischen Parlament beigetreten. Die Anträge haben eine Mehrheit gefunden. Der Rat wurde damit gezwungen, diese Thematik in den Vermittlungsausschuß zu tragen, sie dort zu diskutieren und eine neue Formulierung zu finden, nämlich: eine lückenlose Kennzeichnung aller genbehandelten Lebensmittel. – Meine Damen und Herren, das ist ein Faktum! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Leiner: Frau Reitsamer, wieso sagen Sie das nicht?)

Hohes Haus! Keine Technologie bewegt die Öffentlichkeit so massiv und gleichzeitig so nachhaltig wie die Gentechnologie. Selbst die friedliche Nutzung der Atomenergie tritt zurück, wenn es um Gentechnologie geht – nicht nur, weil es hierbei um Möglichkeiten zur Veränderung alles Lebenden geht, sondern weil diese Materie so schwer zu durchblicken ist. Die Gentechnik selbst weckt die stärksten Emotionen in der ganzen Bandbreite von tiefsten Ängsten, meine Damen und Herren, bis hin zu großen Erwartungen.

Es ist nicht anders zu erwarten, geht es hier doch um Eingriffe in die subtilsten Lebenssteuerungen, um bewußte und gezielte Einflußnahme auf die Erbmasse, um Weichenstellungen für alle nachfolgenden Generationen. Speziell ethische Fragen stellen sich bei der Anwendung der Gentechnologie im Humanbereich, wenn zum Beispiel Voraussetzungen für Experimente in den Frühstadien menschlichen Lebens geschaffen werden, wenn zum Beispiel zur Feststellung von Krankheitsgefährdungen und verdeckten erblichen Belastungen Analysen angewendet werden.


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Hohes Haus! Der stete Zuwachs menschlicher Kenntnisse und Eingriffsmöglichkeiten ermöglichte das Sprengen der bis jetzt festgelegten naturalen Vorgabe.

Wir brauchen nicht die punktuelle Beleuchtung und Betrachtung, was Gentechnik alles kann, wir müssen den Blick auf das Ganze werfen. Zum Blick aufs Ganze gehört auch, Hohes Haus, die eigene Begrenztheit nicht zu verdrängen, sondern diese in die Lebenskultur zu integrieren.

Es kann allgemein festgehalten werden: Die Entwicklung der Gentechnik ist in der Medizin am weitesten fortgeschritten. Dort gibt es eine Fülle von praxisgerechten Anwendungen. Keine der im Hohen Haus vertretenen Parteien zweifelt an der Notwendigkeit. Insulin für Zuckerkranke, Medikamente zur Krebstherapie – all das wird gutgeheißen und als selbstverständlich angesehen.

Nun im Detail, meine Damen und Herren, zum Inhalt der Dringlichen Anfrage. Die grünen Abgeordneten stellen fest, daß im heurigen Herbst erstmals ungekennzeichnete Lebensmittel in den Verkaufsregalen zu finden sein werden. Grundsätzlich möchte ich als Redner der Regierungsparteien, speziell der Österreichischen Volkspartei, festhalten, daß Österreich selbst eines der strengsten Gentechnikgesetze hat, welches am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten ist. Jede Freisetzung ist vom verantwortlichen Betreiber zu beantragen und behördlich zu genehmigen. In Österreich tut dies das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz.

Doch eines muß uns klar sein: Angst hat die Geschichte von uns Menschen geprägt. Geschichte war und ist eine immerwährende Auseinandersetzung mit Ängsten. Eine ständig zu erbringende Kulturleistung ist es – und diese Aufforderung ergeht an uns, an die Politiker –, angstfreie Räume zu schaffen und nicht, wie es einige Abgeordnete bei diesem sensiblen Thema versuchen, Angst zu schüren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin bei all jenen, die sagen: Jawohl, es gibt eine österreichweite Umfrage, 80 Prozent der Konsumenten lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. – Ja gut, ein Zeichen, daß Österreichs Konsumenten in dieser Sache reif sind.

Frau Bundesministerin! Wenn wir davon reden, ob Österreich selbst national tätig werden soll, daß Europa gefordert ist, weil wir offene Grenzen haben, dann möchte ich Ihnen sagen: Wenn Sie auch nur im geringsten davon überzeugt sind, daß genbehandelte Produkte importiert werden, die gesundheitsschädlich sind, dann bitte greifen Sie zum geltenden österreichischen Lebensmittelrecht, es gibt Ihnen immer die Möglichkeit, zu handeln. Ich möchte Sie hier auffordern, auch diese Sache miteinzubeziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Grundsätzlich ist ein gänzliches Verbot der Gentechnologie unrealistisch, wenn wir bedenken, daß seit dem Jahre 1986 weltweit mehr als 4 000, in der Europäischen Union mehr als 500 Freisetzungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen stattgefunden haben.

Doch eines muß klar sein: Eine Patentierung von gentechnisch veränderten Tieren und Pflanzen muß unter allen Umständen verhindert werden – sie ist abzulehnen. Die freie Nutzbarkeit der Pflanzen- und Tierzüchtung muß gewahrt bleiben.

Frau Bundesministerin! Eine europäische Kraftanstrengung ist neben einer österreichischen Solidarität notwendig, und ich glaube nicht, daß Sie das Auswärtsspiel in Brüssel und Straßburg schon aufgegeben haben, als verloren ansehen. Ich fordere Sie daher auf, Frau Bundesministerin, auch eine europäische Kraftanstrengung in dieser Sache zu unternehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Österreichs Bauern wollen dem Konsumenten gesundheitlich einwandfreie Lebensmittel anbieten und werben mit hoher Qualität aus naturnaher Produktion. Der weitaus größte Teil der Konsumenten will auch in Zukunft die unverfälschten Produkte. Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind daher, Frau Bundesministerin, absolut entbehrlich. (Beifall bei der ÖVP.)

16.33


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Mag. Haupt vor. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

16.33

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Für die heutige Dringliche Anfrage hätte ich mir für meine Fraktion gewünscht, daß die Frau Bundesministerin sie mit einem einzigen Wort, mit einem klaren "Ja", beantwortet. Dieses "Ja" ist leider ausgeblieben.

Die Begründung dazu war umfassend und ausführlich. Hinsichtlich der Versprechungen, die sie uns im Hinblick auf die Kennzeichnungsverordnung gemacht hat, werden wir in der Zukunft beurteilen können, wie das in der Praxis funktionieren wird.

Ich glaube, daß Frau Kollegin Reitsamer Anerkennung dafür auszudrücken ist, daß sie wenigstens heute im Plenum in der Lage ist, zu erkennen, welchen Fehler sie mit dem Vertagungsantrag, dem Antrag der Kollegin Petrovic, im Gesundheitsausschuß gemacht hat.

Frau Kollegin Reitsamer! Das ehrt Sie, es ist aber leider zu spät – wenn man heute im Plenum als Folge der geänderten Haltung nicht eine Beipflichtung zum entsprechenden Antrag nachfolgen läßt. Ich glaube, daß die Freisetzung von gentechnologisch verändertem Soja und die bedenkenlose Beimischung zu landwirtschaftlich herkömmlich produziertem Soja in Amerika ein weitaus größeres und brisanteres Problem sind, als es sich für viele österreichische Konsumentinnen und Konsumenten heute darstellt.

Es ist klar und deutlich: Sobald die Chargen über die Firma Unilever und die anderen Ölproduzenten den europäischen Markt überschwemmt haben, wird eine klare Auseinanderdividierung, auch bei strengster Kennzeichnungspflicht für Produkte aus Soja und Sojaöl, die maßgeblich verändert werden – das sind immerhin 60 Prozent aller Verzehrprodukte, vom Kindernahrungsmittel bis zum Seniorendiabetikum, das mit Soja gar nicht in Kontakt kommt –, nicht mehr möglich sein.

Maßgeblich verändert werden auch Produkte, die für Diabetiker und extreme Risikogruppen der Bevölkerung als einzige Nahrungsmittel bei Allergien und sonstigen Erkrankungen heranzuziehen sind.

Ich glaube daher, daß dieses Problem ernster ist und dringlicher zu behandeln ist als viele anderen Probleme der Politik und daß der Gesundheitsausschuß in seiner letzten Sitzung eine falsche Konsequenz gezogen hat, indem er mehrheitlich auf Zeitverzögerung und nicht auf schnelles Handeln gesetzt hat.

Die Firma MONSANTO hat vor zwei Jahren in Amerika eine gentechnologisch veränderte Baumwollpflanze zugelassen, die in Amerika in freier Natur massenhaft angebaut wurde und den enormen Vorteil gehabt haben soll, gegen den gefährlichsten Schädling der Baumwollpflanzen immun zu sein.

Ein Jahr lang hat dieses Produkt funktioniert. Im heurigen Jahr jedoch hatte die amerikanische Baumwollindustrie die größte Mißernte seit 42 Jahren, weil die gentechnologisch veränderte Baumwolle von MONSANTO im Kern verfault und für die wirtschaftliche Nutzung ungeeignet ist. (Abg. Wabl: Das ist ja beeindruckend!)

Dem Herrn Kollegen Schuster sei ins Stammbuch geschrieben: Die amerikanischen Landwirte – sicherlich nicht Landwirte nach unserem Bauernbild, aber auch Landwirte – haben heute in einem anderen Rechtssystem schwierige Prozesse zu führen, um durch Schadensnachweis zu zeigen, wer für diese Mißernte verantwortlich ist.

Glauben Sie wirklich, Herr Kollege Schuster – als landwirtschaftlicher Vertreter, der hier angeblich seinen Berufsstand vertritt –, daß Ihre Haltung, mit Ausnahme des letzten Satzes, den Sie


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gesagt haben, mit der Landwirtschaft und der Gesundheit unserer Konsumenten in Zukunft vereinbar sein wird?

Sehr geehrte Damen und Herren! Bedenken Sie, daß, wenn Sie heute der gemeinsamen Initiative der Opposition nicht Rechnung tragen, die Folgekosten dieser Fehlhaltung zweifelsohne über das Gesundheitssystem – das, wie heute in der Finanzierungsdebatte nachgewiesen wurde, am Rande der Finanzierbarkeit steht – hereingebracht werden müssen. Dadurch hervorgerufene Allergien oder sonstige Gesundheitsschäden werden nicht die Firmen Unilever und MONSANTO behandeln und bezahlen, sondern die österreichischen Steuerzahler – vom kleinsten Beitragszahler bis hin zum Multimillionär. Wir Österreicher werden die Beiträge national aufzubringen und die Reparatur dieser Fehlentscheidung durchzuführen haben.

Frau Bundesminister! Ich wünsche mir, daß Sie Ihre auf diese Dringliche Anfrage gegebene Antwort noch im Laufe dieser Debatte ändern und eine verantwortungsvolle Haltung den österreichischen Konsumenten gegenüber einnehmen – gemäß Ihrer Aufgabe als Gesundheits- und Konsumentenschützerin. Es war deutlich zu hören und zu sehen, wenn man Ihre Stellungnahmen der letzten Monate und Wochen verfolgt hat, daß Sie im tiefsten Herzen eigentlich eine andere Haltung einnehmen. Sie stehen offensichtlich unter Zugzwang innerhalb der Koalition.

Ich glaube, daß die Kennzeichnungspflicht zur Lösung dieses Problems zu spät kommt, und ersuche alle, die dieser Frage ihre Aufmerksamkeit gewidmet haben, sich vielleicht noch einmal in den verbleibenden Minuten der Debatte zu vergegenwärtigen, was die seinerzeitige Gentechnik-Kommission und die Enquete-Kommission dieses Parlaments in der vorletzten Gesetzgebungsperiode verabschiedet haben.

Manche der wichtigen Parlamentarier der damaligen Zeit sind heute nicht mehr hier – Kollege Brünner etwa sitzt im steirischen Landtag. Aber ich glaube, das, was damals alle vier Parteien, schlußendlich alle fünf Parteien, aus gutem Grund verabschiedet haben, sollte auch in der jetzigen Gesetzgebungsperiode für diese Regierung Richtschnur sein und darf nicht so einfach über Bord geworfen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen, dem Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Am Wort ist nun Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.39

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß Frau Abgeordnete Reitsamer so vehement dafür eingetreten ist, eine lückenlose Kennzeichnung möglichst schnell durchzuziehen. Vor allem deshalb, weil ich mich noch gut erinnere, wie es war, als das Gentechnikgesetz hier im Hause beschlossen wurde, als die Enquete-Kommission über die Technikfolgenabschätzung des Einsatzes der Gentechnologie einen Bericht formulierte, der eine klar verständliche und ersichtliche Kennzeichnung auf Produkten unmißverständlich und eindeutig vorsah.

Es war niemand Geringerer als der damalige Bundesminister Ausserwinkler, der im wahrsten Sinne des Wortes die Arbeit dieser Enquete-Kommission – und damit auch dieses Hauses – unterlaufen hat, indem er, unmittelbar bevor dieser Bericht hier im Hause abgestimmt worden ist, seinen Entwurf des Gentechnikgesetzes medial vorgestellt hat – interessanterweise ohne genau jene Kennzeichnungsbestimmungen darin zu berücksichtigen, die in der Folge vom Parlament gefordert wurden.

Aber sollte es nun so sein, daß man erkannt hat, damals als Regierungspartei fälschlicherweise dem Herrn Bundesminister gehorsam gewesen zu sein und die Zustimmung zu diesem Gesetz erteilt zu haben, ohne das in monatelanger Arbeit hier im Hause als notwendiger Bestandteil Herausgearbeitete hineinzureklamieren, dann würde mich das eher positiv stimmen, als es als schlechtes Zeichen für weitere Maßnahmen zu werten.


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Meine Damen und Herren! Auch Herr Abgeordneter Schuster übersieht in seiner Wortmeldung eindeutig, daß sein Vorstoß zur Frage des Einsatzes der Gentechnologie in Österreich im Grunde genommen alle Bemühungen, die Landwirtschaft in Österreich zu einer qualitativ hochstehenden zu machen und dieses Argument auch als Verkaufsargument auf dem Markt zu nutzen, völlig zunichte macht. In Wahrheit konterkariert der Herr Abgeordnete mit seiner Wortmeldung all das, was angeblich Regierungspolitik von Bundesminister Molterer und auch des österreichischen Kommissars in Brüssel, Fischler, ist.

Ich meine, daß gerade in der heutigen Frage klar sein muß, daß vielleicht für MONSANTO Zeit gleich Geld ist, es für uns aber vor allem bedeutet, daß wir in etwas hineinschlittern, aus dem wir nicht mehr herauskommen können – deshalb nicht, weil unser Ruf dann ruiniert sein wird, weil wir nicht in der Lage sind, klarzustellen, daß wir auch politisch diese Technologie, etwa im Bereich der Landwirtschaft, deutlich ablehnen.

Herr Abgeordneter Schuster! Ich meine, das ist doch etwas, das im Hohen Haus unbestritten ist und das auch durch Ihre Wortmeldung – vermute ich – nicht hätte konterkariert werden sollen.

Meine Damen und Herren! Die Aussagen der Frau Bundesminister gerade zum Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinien, der heute angesprochen wurde, gehen insofern fehl, als nicht klar und deutlich verlangt wurde, daß neue, wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse vorliegen müssen, um hier einen Vorstoß zu machen.

Frau Bundesminister! Es ist – etwa in der Rechtsprechung, die der EuGH in solchen Fragen des Gesundheitsschutzes pflegt – klar nachzulesen, daß den nationalen Staaten selbstverständlich ein Handlungsspielraum offensteht. Auch der Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie verlangt nur den "berechtigten Grund zur Annahme", daß solche Probleme bestehen würden. Damit gebe ich Ihnen recht: Ein vorschnelles Handeln würde Österreichs Glaubwürdigkeit in dieser Frage eher untergraben.

Meine Damen und Herren! Faktum ist aber auch, daß ein wissenschaftlicher Beweis nicht verlangt wird, und, Frau Bundesminister, da Sie bisher so engagiert in dieser Sache vorgegangen sind: Er sollte jetzt auch nicht herangezogen werden, um sich selbst zu fesseln.

Meine Damen und Herren! Faktum ist weiters, daß es sich bei Artikel 16 nur um ein kurzfristiges Instrument handelt – aber genau diese Zeit werden Sie auch brauchen, Frau Bundesminister, um die von Ihnen ausgearbeiteten Verordnungen mit Ihren Regierungskollegen abzustimmen. Ich verstehe daher nicht, daß – wenn Sie verbal nun einmal politischen Druck an die Minister Ihrer Koalitionspartei weitergeben – Sie nicht hergehen und sagen: Ja, ich werde nach Artikel 16 einen Grund geltend machen, um zu erreichen, daß wir in Österreich selbst die Zeit haben, unsere Verordnung auf die Schiene zu setzen und auch innerhalb der Regierung wirklich abzustimmen. (Beifall des Abg. Wabl. ) – Ich bedanke mich beim Abgeordneten Wabl für den Applaus!

Niemand kann mir erzählen, daß es auf europäischer Ebene hilfreich ist, wenn wir in Österreich selbst in einer Koalitionsregierung unterschiedliche Meinungen vertreten, wenn auf der einen Seite die Frau Bundesminister bisher schon engagiert vorangegangen ist – wie auch Bundesminister Bartenstein –, Farnleitner sich jedoch bedeckt hält und eher, wie ich höre, dagegen ist.

Das ist auf den Tisch zu legen. Wenn in der Regierung schon bisher – obwohl dieses Thema vor sich hin köchelt – keine einheitliche Meinung gebildet worden ist, ist dies nun auszudiskutieren und klar zu positionieren. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Frau Bundesminister! Ich hoffe, daß in Ihrem Ressort bereits überlegt wird, inwieweit nicht andere rechtliche Instrumente des EG-Rechts verwendet werden könnten – ich denke da an den Artikel 100a Abs. 4 –, um in weiterer Folge in Österreich ein höheres Schutzniveau aufrechterhalten zu können, um höheren Anforderungen gerecht zu werden.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß gerade die Liberalen nicht in Verdacht stehen, den freien Handel behindern zu wollen. Nicht umsonst haben wir aber von Anbeginn – gerade auch


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in Fragen der Gentechnologie – gesagt: Wir wollen eine klar ersichtliche und verständliche Kennzeichnung dieser Produkte.

Ich verstehe auch den Widerstand jener nicht, die die Gentechnologie anwenden und sagen: Das ist eine tolle Sache, da können wir Dinge tun, die wir sonst nicht tun könnten, das steigert die Qualität der Produkte. – Warum schreibt man es dann nicht drauf? Ich kann mir nicht vorstellen – und Sie werden mir in diesem Beispiel sicher folgen –, daß Mercedes hergeht und sagt: Wir bauen ganz tolle Autos, aber wenn wir sie auf den Markt werfen, dann schreiben wir nicht drauf, daß das ein Mercedes ist, dann machen wir es so, daß sie möglichst von anderen Autos nicht zu unterscheiden sind, weil das könnte uns vielleicht in irgendeiner Weise schaden. Wenn es also etwas ist, das qualitativ hochwertig ist – was immer wieder behauptet wird –, dann schreiben Sie es drauf. Dann wird das ein Verkaufsargument sein und nichts anderes.

Frau Bundesminister! Hindern Sie daher die Gentechnologie nicht daran, genau dieses Verkaufsargument geltend zu machen, und versäumen Sie auch nicht, Ihren Regierungskollegen zeitlich die Möglichkeit zu geben – ich will gar nicht sagen: unter Druck zu setzen –, daß sich auch noch jemand, der aus einer Kammer stammt – wie Herr Bundesminister Farnleitner –, innerhalb eines politisch adäquaten Zeitraumes entschließen kann. Herrn Bundesminister Farnleitner sollten wir diese drei Monate geben, die nach Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie maximal gegeben werden können – dann kann er diesbezüglich zu einer Entscheidung finden.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen auch Haftungsregeln, die der Gentechnologie und den Problemlagen gerecht werden. (Abg. Wabl : Vorher, nicht nachher!) Natürlich ist auch der von Ihrer Fraktion entsandte Herr Bundesminister Bartenstein in die Ziehung zu nehmen, weil bisher alle Diskussionen über das Umwelthaftungsgesetz eingeschlafen sind.

Die wirklichen Problemlagen im Umweltbereich generell – sie sind zu einem Gutteil auch auf den Bereich der Gentechnologie umzulegen – werden durch das jetzige Haftungsregime nicht berücksichtigt, das muß neu geregelt und vorangetrieben werden. Es ist besonders Herr Bundesminister Bartenstein, der bisher nicht voran gemacht hat.

Meine Damen und Herren! Das verlangen wir von ihm, denn der Gang der Ereignisse verlangt jetzt ein flottes Handeln. War man bisher nicht in der Lage, im Rahmen der Bundesregierung zu einer einheitlichen Meinung zu finden, muß dies jetzt geschehen. Der erste Schritt dazu ist, zu sagen: Wir werden das jetzt nicht importieren, weil wir noch keine Kennzeichnungsregelungen haben, wir brauchen noch Zeit.

Alles, was von Kollegin Langthaler, aber auch von anderen angesprochen worden ist betreffend das Problem der Allergiker, ist nicht aus der Luft gegriffen. Es sind Dinge, die bestritten wurden und erst durch das Auftreten der Fälle wirklich zutage kamen. Das war auch medial nachzulesen, das ist kein Geheimnis. (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Herr Abgeordneter Leiner! Sich darauf zu stützen, ist ein berechtigter Grund zur Annahme, daß hier die Gesundheit gefährdet ist. Das rechtfertigt die Anwendung des Artikels 16.

Frau Bundesminister! Das rechtfertigt von Ihnen ein klares Ja zu der in der Dringlichen Anfrage gestellten Frage, und das würde uns hier im Hause die Möglichkeit geben, auch auf europäischer Ebene jenes Signal zu setzen, das notwendig ist, um diese Sache zu einem guten Ende bringen zu können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.48

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung, die heute in diesem Haus zu fällen ist, ist ohne Beispiel. Von bisherigen Entscheidungen habe ich den Eindruck, daß sie manchmal schlecht überlegt, reversibel und schlecht durchdiskutiert sind, man immer noch etwas daran ändern könne.


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Frau Bundesministerin! Diese heutige Entscheidung ist so etwas wie eine "historische Entscheidung". Man sollte mit diesem Begriff nicht zu häufig agieren, denn was macht man dann, wenn eine solche Entscheidung wirklich zu fällen ist?

Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Geschichte der Gentechnologie ansieht, kann man zwei große Strömungen beobachten: auf der einen Seite Wissenschafter, die – im Namen der Wissenschaft – versuchen, das Wissen zu vermehren, die begeistert und ehrgeizig sind und oft übersehen, in wessen Diensten sie stehen. Auf der anderen Seite gibt es jene, die mit diesen wissenschaftlichen Ergebnissen Geld verdienen und dadurch oft vergessen, wem sie verpflichtet sind.

Meine Damen und Herren! Die politische Entscheidung, die hier und heute und insgesamt auf dem europäischen Kontinent getroffen wird, ist: Gibt es gegen die Lobbyisten der Gentechnologie auf dem Lebensmittelsektor ein politisches Gegengewicht? In Amerika ist die Auseinandersetzung hart, und große Konzerne versuchen natürlich, sich in diesem Spiel optimal zu verhalten und keine Verluste im Bereich von Marktsegmenten einzufahren. Sie versuchen ein sehr geschicktes und variantenreiches, trickreiches Spiel. Sogar große Konzerne wie Unilever oder Nestlé versuchen auszuloten, wo der mächtigste Spieler ist. Und der mächtigste Spieler, meine Damen und Herren, in diesem sehr gewagten, politisch riskanten Spiel sind meines Erachtens die Konsumentinnen und Konsumenten. Diese Gruppe, Frau Bundesministerin, hat sich eindeutig gegen gentechnologisch hergestellte Lebensmittel entschieden.

Es gibt aber noch eine mächtige Lobby dahinter: die Landwirte, meine Damen und Herren – zumindest jene Landwirte, die seit Jahrzehnten versuchen, auf dem biologischen Sektor eine Vorreiterrolle zu spielen und gerade in Österreich besonders naturnah zu produzieren.

Frau Bundesministerin! Sie als Ministerin für Konsumentenschutz haben heute hier die Gelegenheit gehabt, für die Konsumentinnen und Konsumenten eine politische Position einzunehmen, die klar ist. Das, was Sie hier demonstriert haben, ist ein ganz gewöhnliches politisches Ping-Pong-Spiel mit Ihrem Koalitionspartner. (Beifall bei den Grünen.) Das ist in der üblichen Koalitionsmanier das Abgehen von Standpunkten: indem man dem anderen die Schuld gibt.

Kollege Schuster geht sogar so weit, daß er hier sagt, wir können auf diese Produkte verzichten. Wer braucht sie dann in diesem Haus? Wer will sie in diesem Land? – Jetzt ist die Frage: Mit welcher Kraft, mit welchem politischen Einsatz wird dagegen aufgetreten? Die Lobbyisten von MONSANTO und anderen Firmen, die auf gentechnisch veränderte Lebensmittel setzen, die die Bauern nur mehr als Zuträger und Hilfsarbeiter benötigen, wo die Konsumenten nur mehr willfährige Esser sind, haben sich klar entschieden. Diese Firmen wollen um jeden Preis mit ihren Produkten auf den Markt.

In Amerika wurde die Entscheidung klar getroffen. Man vermischt bei der Ernte des Jahres 1996 gentechnologisch hergestellte Sojabohnen mit jenen, die aus gewöhnlichem Anbau stammen, die nicht gentechnologisch produziert sind – absichtlich, um ja die Front nicht zu durchbrechen, daß die Konsumenten und auch die Lebensmittelhersteller sich klar für die Konsumentenmehrheit entscheiden. Sie wissen ganz genau, Frau Bundesministerin, daß es, wenn hier und heute keine klaren Schritte gesetzt werden, in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, zu unterscheiden. Ich rede jetzt überhaupt nicht von den Tieren, die diese Futtermittel fressen. Da kann der Bauer entscheiden. Aber wir haben bitte keine Kennzeichnung! Und was wird passieren? – Wir werden bei all den Produkten, die aus Soja hergestellt werden, nicht mehr unterscheiden können, wo gentechnologisch hergestelltes Soja drin ist und wo nicht.

Was machen Sie mit Brot, Speiseöl, Babynahrung, Mozartkugeln, Sojamilch, Tofu, Margarine, Schnitten, Backfett, vegetarischen Aufstrichen, Mayonnaise, Frau Bundesministerin? Was werden Sie mit all diesen Produkten machen? Wie werden Sie den Konsumenten zum mündigen Bürger erziehen? Was ist denn das für ein Gerede, Frau Bundesministerin? Sie haben heute, hier und jetzt zu entscheiden, daß Sie auf der Seite der österreichischen Bevölkerung stehen und sonst nirgends, Frau Bundesministerin (Beifall bei den Grünen), nicht auf der Seite von Ge


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schäftemachern auf Kosten der Gesundheit, auf Kosten der Bauern und auf Kosten der dritten Welt.

Meine Damen und Herren! Kollege Barmüller hat eine taktische Variante bis zum Zeitpunkt der Kennzeichnung angeboten. Jetzt plötzlich sind viele hier im Haus für die lückenlose Kennzeichnung. Warum gibt es das noch nicht? Ich behaupte, daß das im gentechnologischen Bereich letztendlich nicht möglich sein wird, sondern daß wir uns ausschließlich dagegen wehren können, indem hier ein Importverbot beschlossen wird.

Frau Bundesministerin! Sie haben heute hier in diesem entscheidenden Punkt versagt, und deshalb bringen die Grünen einen Mißtrauensantrag gegen Sie ein.

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Wabl, Freunde und Freundinnen betreffend Versagung des Vertrauens gegenüber der Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz, eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde an die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Inanspruchnahme von Art. 16 der Freisetzungsrichtlinien der EU.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz wird im Sinne des Art. 74 Abs. 1 B-VG das Vertrauen versagt.

*****

Meine Damen und Herren! Das ist das schärfste parlamentarische Instrument, über das dieses Haus verfügt. Die Wortmeldungen von seiten der SPÖ und die Wortmeldungen von seiten der ÖVP haben klar erkennen lassen, daß keine Abhilfe auf diesem Sektor von der Bundesregierung und von den Koalitionsparteien zu erwarten ist.

Frau Bundesministerin! Sie hätten zumindest in Ihrer Ministerverantwortlichkeit hier ein klares Importverbot aussprechen können und hätten damit europaweit ein Signal gesetzt, daß sich ein kleines Land gegenüber den mächtigen Lobbies der Nahrungsmittelindustrie, der gentechnologischen Herstellung von Lebensmitteln, der Patentierung von Leben wehren kann.

Frau Bundesministerin! Sie haben einzig und allein in einem müden, traurigen Vortrag, der in Ihrem Ministerium geschrieben worden ist, über Bereiche erzählt, die ohnedies außer Streit sind. Niemand hier in diesem Haus hat jemals in Abrede gestellt, daß Gentechnik im medizinischen Bereich sehr sinnvoll sein kann und sinnvoll ist. Aber Sie haben im entscheidenden Bereich, der gentechnologischen Herstellung von Lebensmitteln und dem Handel und Import nach Österreich, versagt.

Deshalb ersuche ich Sie, meine Damen und Herren hier in diesem Haus, dieser Frau Ministerin, die offensichtlich nicht weiß, auf welcher Seite sie zu stehen hat, das Vertrauen zu versagen. (Beifall bei den Grünen.)

16.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht und ist entsprechend unterstützt. Er steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

16.57

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! – Kollege Wabl, namens meiner Fraktion darf ich diesen Mißtrauensantrag mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Ich werde versuchen, im


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Detail zu begründen, warum die Entscheidung der Frau Bundesministerin, für eine sofortige, lückenlose und umfassende Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel einzutreten, eine richtige ist.

Diese Diskussion erfordert allerdings auch – und ich sage das hier in aller Klarheit – eine ganz bewußte Auseinandersetzung mit der Politik der ÖVP in diesem Bereich. Ich habe mich über das gewundert, was Kollege Schuster gesagt hat. Wenn er der Meinung ist, daß gentechnisch veränderte Lebensmittel verboten werden sollen, dann soll er einen entsprechenden Initiativantrag einbringen und in der Koalition dieses Thema ausverhandeln!

Zum Grundsatz: Gentechnologie ist auch für mich eine Zukunftstechnologie, der man sich grundsätzlich nicht verschließen kann. Ich glaube auch nicht, daß man hier eine Schwarzweißmalerei betreiben kann. Es ist jeder Anwendungsbereich und im Extremfall jeder Einzelfall, wie heute die Frage des Inverkehrbringens von gentechnisch verändertem Soja, zu prüfen. Es ist zu fragen: Wem nützt es, und welche möglichen Auswirkungen gibt es auf Gesundheit, Wirtschaft, Ökologie und Verbraucherpolitik?

Für unsere Fraktion ist es nur dann denkbar, gentechnisch veränderte Lebensmittel zuzulassen, wenn deren Sicherheit durch strenge Kontrollen garantiert und eine klare, umfassende, verbindliche Kennzeichnung gewährleistet ist.

Und jetzt komme ich zu dieser politischen Frage, die von Kollegin Petrovic angeschnitten wurde. Sie hat gemeint, Frau Bundesministerin Krammer macht keine Politik gegen die Konzerne.

Meine Damen und Herren! Worum geht es? – Es geht um zwei Fragen: zum einen um die Verbotsphilosophie und zum anderen um die sogenannte Kennzeichnungsphilosophie, nämlich: Wollen wir Lebensmittel, die gentechnisch verändert wurden und für die der Nachweis gelungen ist, daß sie unter anderem eine Gesundheitsgefährdung auslösen können, verbieten? Dieses Verbot unterschreibe ich, dazu sage ich ganz klar ja.

Wenn wir den Beweis dafür aber nicht erbringen können, dann können wir ein Verbot nicht aussprechen, ein Verbot – und das möchte ich als Jurist in aller Klarheit sagen –, das höchstens drei Monate haltbar ist.

Die andere Möglichkeit besteht darin, für eine lückenlose verpflichtende Kennzeichnung einzutreten. Auch das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist eine Politik gegen die Konzerne, denn die europäischen Konsumenten, die österreichischen Konsumenten, werden sich nicht für diese Produkte, sondern gegen diese Produkte entscheiden. Und das – das möchte ich ganz klar sagen –, Kollege Wabl, ist eine glaubwürdige Politik: ein Ja zur verpflichtenden Kennzeichnung.

Nun zu diesem Antrag der drei Oppositionsparteien. – Bleiben wir beim Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie. Ich möchte mich nicht näher damit befassen, die Regelung ist klar: Wenn ein berechtigter Grund zur Annahme besteht, dann kann unter bestimmten Voraussetzungen ein gentechnisch verändertes Produkt verboten werden. Eine Entscheidung – wie es so schön heißt – hierüber ergeht innerhalb von drei Monaten nach dem im Artikel 21 festgelegten Verfahren.

Nach den mir zur Verfügung gestellten Informationen gibt es – entgegen der Auffassung der Kollegin Langthaler – keine zusätzlichen Informationen, die nicht schon bei der Sicherheitsbeurteilung geprüft worden wären. Daher – und das muß auch in aller Deutlichkeit gesagt werden –: Eine derartige Entscheidung unserer Frau Bundesministerin würde innerhalb von drei Monaten aufgehoben werden.

Daher – und das ist auch die Linie des Ministeriums – treten wir für eine sofortige verpflichtende und ganz klare Kennzeichnung ein.

Ein Wort noch zu den Ausführungen der Kollegin Petrovic: Kollegin Petrovic hat gemeint, die Bundesregierung habe nach dem EU-Beitritt ein Versprechen gebrochen. Damals wäre verspro


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chen worden – ich zitiere wortwörtlich –, Konsumenten würden von einer strengeren Lebensmittelkennzeichnung profitieren, und das würde jetzt nicht mehr eingehalten werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Versprechen wird nicht gebrochen. Im Gegenteil: Es wird nun durch die Initiative der Frau Bundesministerin Dr. Krammer realisiert. Notwendig ist allerdings – und ich sage das hier auch gegenüber der ÖVP mit aller Deutlichkeit –, daß die beiden vorliegenden Verordnungen so rasch wie möglich unterschrieben werden. Das heißt, Herr Bundesminister Bartenstein und Herr Bundesminister Farnleitner sind aufgefordert, diese Entscheidung zu treffen, damit die österreichischen Konsumenten eine Entscheidung gegen dieses importierte gentechnisch veränderte Soja treffen können.

Warum halten wir die Kennzeichnung für so notwendig? – Ich darf Sie über die neueste Umfrage informieren. Für eine deutliche Kennzeichnung der Gentech-Lebensmittel sprechen sich immer mehr Menschen aus: praktisch 100 Prozent der Schweizer sind dafür, 95 Prozent der Deutschen und 1995 waren 94 Prozent der Österreicher dafür. Die Untersuchung vom Mai 1996 ergibt eine Steigerung in diesem Bereich. 1996 forderten bereits 97 Prozent der Österreicher eine klare Kennzeichnung. Damit wird – und das darf ich hier auch sagen – die Politik der Frau Bundesministerin klar unterstützt.

Ich möchte jetzt nicht auf die ganze Problematik der Novel-food-Verordnung eingehen, aber trotzdem eines ganz klar festhalten: Wir meinen, daß es um ein Höchstmaß an Sicherheit für alle Gentechnik-Produkte geht – und zum anderen um Transparenz. Es geht aus unserer Sicht um mehr als nur eine knappe, gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung irgendwo auf dem Produkt oder dem Etikett. Transparenz, wie wir sie verstehen, meint dabei einen freien Zugang zu allen Informationen, die für interessierte Verbraucher wichtig sein könnten, um entscheiden zu können, ob sie ein Produkt kaufen wollen oder nicht. Erst diese Kennzeichnung und diese Transparenz sichern das Recht auf eine freie, souveräne Entscheidung. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Und jetzt komme ich wieder zur ÖVP und muß mit aller Klarheit sagen: Bedauerlicherweise, Kollege Schuster, ist diese klare Linie von den ÖVP-Parlamentariern im Europäischen Parlament – neben anderen Punkten – nicht unterstützt worden. Die Linie der Sozialdemokraten und der Grünen im Europäischen Parlament konnte dafür leider nicht die erforderliche Mehrheit bekommen.

Die ÖVP stimmte hier beispielsweise gegen eine Haftpflicht für die Produzenten von Novel-food bei etwaigen Folgeschäden. Sie stimmte gegen das Verbot, gentechnisch veränderte Produkte als ökologisch zu bezeichnen und so weiter.

Mir ist auch das Schreiben des Herrn Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie, in dem er sich sehr deutlich gegen eine nationale Regelung ausspricht, bekannt. Mir ist hingegen aber auch die Aussage des Landeshauptmannes von Salzburg, aus jenem Bundesland, aus dem ich herkomme, bekannt, der offen gegen die ÖVP-Parteilinie auftritt und dessen Position sich sehr klar mit der der Frau Bundesministerin deckt. – Und dann lese ich wieder: Farnleitner blockiert.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Nach Ihrer Klubklausur haben Sie von einem "Turbo" gesprochen. In dieses Getriebe muß aber nicht nur Sand gekommen sein, sondern da muß ja ein Felsbrocken hineingefallen sein.

Ich darf Sie von der ÖVP sehr deutlich einladen, keine Politik gegen 97 Prozent der Bevölkerung zu machen. Daher: Überreden Sie Ihre Minister, daß sie den beiden Verordnungsentwürfen der Frau Bundesministerin Dr. Krammer zustimmen.

Ich darf hiezu auch noch eine persönliche Anmerkung machen – ich bin noch nicht lange im Parlament –: Ich erwarte mir persönlich gerade von den beiden ÖVP-Ministern, daß diese beiden Verordnungen unterschrieben werden. Wenn diese beiden Verordnungen nicht unterschrieben werden und es zu keiner verpflichtenden Kennzeichnung kommt, werde ich mir persönlich – neben anderen Mitgliedern unserer Fraktion – meine Haltung zu einem Antrag nach Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie neu überlegen. (Beifall bei der SPÖ.)


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17.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. Die Redezeit ist auf 5 Minuten eingestellt.

17.08

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich Herrn Abgeordneten Maier zuhöre, verstehe ich die Welt wirklich nicht mehr. Er hätte ja diese Forderungen, die er hier stellt, schon längst erfüllt haben können, und zwar spätestens seit vergangenen Donnerstag, bei der Sitzung des Gesundheitsausschusses. Er hätte nur den Anträgen der Opposition, sechs an der Zahl, zuzustimmen brauchen, dann hätten wir uns die gesamte Debatte hier ersparen können.

Es ist es darum gegangen, daß wir eine Kennzeichnungspflicht einführen, und der weiterführende Antrag der Freiheitlichen hat sich auch mit der Haftungsregelung befaßt. Von der Haftung wurde aber heute überhaupt noch nicht gesprochen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte diese heutige Dringliche Anfrage der Grünen wirklich für berechtigt. Wenn man den gentechnischen Überblick der vergangenen Jahre betrachtet, sieht man, daß vom Oktober 1991 bis Ende 1995 bereits 512 Anträge auf Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in den EU-Mitgliedsländern gestellt wurden. Allein im ersten Halbjahr 1996 wurden genau 200 Anträge in der EU gestellt.

Sie können daraus ersehen, daß solcherart gewonnene Lebensmittel in einem Maße zunehmen werden, sodaß wir uns in Zukunft wahrscheinlich leichter tun werden, wenn wir jene Lebensmittel in den Regalen kennzeichnen, die noch nicht gentechnisch verändert sind; das wäre ein wesentlich geringerer bürokratischer Aufwand – außer wir handeln jetzt. Wir sind aufgerufen, eine verantwortliche Politik zu machen, vor allem Frau Bundesministerin Krammer ist dazu aufgerufen. Sie aber spricht immer nur davon. Sie macht Pressedossiers, sie erklärt uns allen und vor allem der Öffentlichkeit, wie wichtig die uneingeschränkte Kennzeichnungspflicht ist und wie rasch diese eingeführt werden muß.

Frau Kollegin Reitsamer stellt sich auf Ihre Seite, schiebt die Schuld auf die ÖVP, indem Sie sagt, bis 31. Dezember möchte das die SPÖ erledigt haben, aber die "böse" ÖVP, der Koalitionspartner, mit dem sie, ja die ganze SPÖ-Fraktion, in einem Bett liegt, verschiebt das wieder auf Februar. – Da haben die Bürger nichts davon. Die SPÖ will es bis 31. Dezember, die ÖVP bis Ende Februar 1997, aber die Bürger in Österreich wollen es jetzt und sofort haben – und wir Freiheitlichen auch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da stehen wir auf der Seite der Bürger. Wir reden nicht nur davon, wir haben diesbezügliche Anträge schon vor Jahren eingebracht. Wir haben uns schon bei der Enquetekommission, die 1992 stattgefunden hat, dazu geäußert – genauso wie die Abgeordneten von ÖVP und SPÖ damals. Da war die Abgeordnete Reitsamer dabei, da war der Abgeordnete Feurstein dabei, da war der Abgeordnete Guggenberger dabei: Sie alle haben sich damals dafür ausgesprochen. Es gab damals in der Enquetekommission einen einstimmigen Beschluß für die Kennzeichnungspflicht genmanipulierter Lebensmittel. Jetzt aber will niemand von Ihnen mehr etwas davon hören. Vier Jahre später weiß niemand mehr etwas davon. Jetzt schieben Sie sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben am Donnerstag im Gesundheitsausschuß den Konsumentenbericht beraten, und da ist nicht einmal zur Sprache gekommen, darin steht überhaupt nicht, welche Interessen die Konsumenten in bezug auf den Konsum genmanipulierter Lebensmittel haben. Wenn sich 94 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gegen solche Lebensmittel aussprechen, dann sollen sie doch wenigstens das Recht darauf haben, selbst zu entscheiden, ob sie aus den Regalen ein Lebensmittel nehmen, das gentechnisch verändert ist oder nicht. Wer es nehmen will, der soll es dann nehmen, wenn es ganz deutlich gekennzeichnet ist. Wer es aber nicht nehmen will, für den muß es auch erkennbar und daher gekennzeichnet sein, ob ein Lebensmittel genmanipuliert ist. Das ist doch eine Minimalforderung, etwas, was unseren Bürgern zusteht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Frau Bundesministerin! Da sind Sie aufgefordert, daß Sie dem so rasch wie möglich nachkommen. Sie haben auch in einer Fragestunde im Nationalrat, und zwar noch am 20. September, gesagt, daß Sie für die Kennzeichnungspflicht eintreten, und zwar nicht nur bei Lebensmitteln, sondern auch bei Saatgut und Futtermitteln. – Heute höre ich davon gar nichts mehr. Auf die Haftbestimmungen gehe ich dann ein anderes Mal ein.

Ich kritisiere auf jeden Fall, daß im Gesundheitsausschuß eine SPÖ-Abgeordnete wörtlich sagte, die sechs Anträge seien wegen ihrer eminenten Bedeutung zu prüfen, aber im nächsten Satz jede Debatte diesbezüglich abwürgt, indem sie den Antrag auf Vertagung aller sechs Anträge stellt. Somit war dieses Thema vom Tisch. Man wollte nicht darüber reden.

Genauso wenig wollten Sie, Frau Bundesminister, über die Rufbereitschaft der Ärzte reden. Sie wollen über sehr viele Dinge überhaupt nicht reden, und wenn Sie reden, dann kommt dabei meistens nichts Gescheites heraus. Daher unterstütze ich als freiheitlicher Abgeordneter und als Obmann des Gesundheitsausschusses auch, aber nicht in dieser Funktion, den Mißtrauensantrag der Grünen, und zwar nicht nur wegen des Gentechnik-Desasters, sondern in erster Linie deswegen, Frau Bundesministerin, weil Sie mangelhafte Gesprächsbereitschaft mit den Ländern, mit ihrem Koalitionspartner und mit allen, die mit dem Gesundheitswesen befaßt sind, zeigen, weil Sie unrealistische Vorschläge machen, wie die Schließung kleiner Krankenhäuser, ohne Ersatzmöglichkeiten anzubieten, und – zu guter Letzt – weil Sie sich für die Rufbereitschaft so stark gemacht haben und Fachärzte von den Spitälern in den Nachtstunden abziehen und unsere Patienten einer großen Gefahr aussetzen wollen.

Daher unterstützen wir Freiheitlichen diesen Mißtrauensantrag der Grünen und hoffen, daß eine bessere Ministerin oder ein besserer Gesundheitsminister Ihr Nachfolger wird. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

17.14

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Tatsächlich sehen wir eine große Änderung im Lebensmittelbereich auf uns zukommen. Unklar ist, ob gentechnisch manipulierte Sojabohnen keinen Einfluß auf den menschlichen Körper haben. Unklar ist, ob durch die Darmpassage eine Mutationsfreudigkeit ausgelöst wird. Unklar ist, ob der Anbau dieser Lebensmittel eine Veränderung der Natur oder der Artenvielfalt bewirkt. Unklar ist, wer die Haftungsschäden übernehmen soll. Unklar ist, wo diese überhaupt anklagbar sind. Unklar ist, ob immer weniger Herbizide und Pestizide verwendet werden oder gar mehr. Unklar ist, unklar ist – diese Liste ist unendlich.

Ein dicker Nebel schwebt über die Gentechnologie im Lebensmittelbereich. Ich bin nicht prinzipiell gegen die Gentechnologie. Insulin, Blutbestandteile, Tumorbekämpfungsmittel und einige andere Produkte im medizinischen und im diagnostischen Bereich sind ein Segen für die betroffenen Patienten, weil sie viel sicherere Produkte darstellen.

Eine Genmanipulation ist nicht notwendigerweise eine Modifikation der Eiweißstruktur, und daher ist sie wahrscheinlich nicht immer zwingend mit einer Erhöhung der Allergiehäufigkeit kombiniert. Aber: Dieses genmanipulierte Soja stellt weder eine Verbesserung der Qualität dar, noch ist ein Engpaß zu überbrücken. Wir brauchen ihn in Europa nicht. Wer keine Kennzeichnung für den Bürger beansprucht, der verrät eigentlich den Bürger und die Bürgerinnen in unserem Land, der verrät den Konsumenten, weil der Konsument sich nicht mehr aussuchen kann, ob er oder sie durch Gentechnik manipulierte Speisen essen möchte.

Ich glaube an die Zukunft der Gentechnologie erst dann, wenn sie als sicher eingestuft werden kann. Dadurch könnte aber das Welternährungsproblem gelöst werden. Auf den Philippinen werden jetzt Reissorten mit einer größeren Korngröße angebaut, die unter widrigeren Umständen überleben. Ich glaube, daß das ein wirklich interessanter Bereich für die Zukunft ist, allerdings ist er noch zu unausgegoren.


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In der EU war ich dabei, als die Novel-food-Verordnung im Europäischen Parlament verabschiedet beziehungsweise dem Vermittlungsausschuß zugewiesen wurde. Bei der Abstimmung im Europäischen Parlament war der Unterschied, daß die SPE-Anträge die weiter gehenden waren und daß die Kollegen der EVP eigentlich nur für eine Kennzeichnung von erheblich veränderten Lebensmitteln gestimmt haben. Deswegen kam sozusagen dieser Zwiespalt zustande, sodaß dann diese Verordnung dem Vermittlungsausschuß zugewiesen wurde. Tatsache ist, daß dadurch die Novel-food-Verordnung nicht rechtzeitig in Kraft getreten ist.

Meine Damen und Herren! Etwas, was ich offensichtlich wirklich nicht mitbekommen habe, ist, daß wir anscheinend in Österreich zwei Regierungen haben. Die eine Seite sind die Sozialisten. Diese sagen, daß eigentlich die schwarzen Minister zuständig sind. Die schwarzen Minister wiederum sagen, daß die Sozialdemokraten zuständig sind. Ich kenne mich da nicht mehr aus: Haben wir jetzt eine Regierung – oder haben wir zwei Regierungen? Vielleicht wäre es einmal an der Zeit, daß sich die Regierung einheitlich in der Beziehung äußert, daß wir eine umfassende Kennzeichnung in Österreich erreichen sollten.

Daher, Frau Minister, würde ich Ihnen empfehlen, diesen Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220 EWG auszunützen. Er gibt Ihnen die Möglichkeit, die österreichische Bevölkerung auch dann, wenn die EU säumig ist, zu schützen, Das ist das Prinzip der Subsidiarität, das da zur Anwendung kommt. Daher, ist es, glaube ich, gerechtfertigt, wenn Sie jetzt davon Gebrauch machen. Das hat meiner Meinung nach nichts mit Mut zu tun, sondern das hat damit zu tun, daß Sie Ihre Rechte, die Ihnen die EU gibt, ausschöpfen. Deshalb ist die Subsidiarität ein wichtiges Prinzip für Liberale, und das ist daher auch in diesem Fall anwendbar.

Zum Schluß kommend: Ich hoffe, daß Österreich nie eine gentechnikfreie Zone wird. Forschung und medizinische Anwendungen müssen immer möglich sein. Jedoch muß man, glaube ich, für den Konsumenten eine umfassende Kennzeichnung verlangen. Dies ist Ihnen möglich, Frau Minister. Nützen Sie Ihre Chance! Sie werden sehen, Sie werden von der EU nicht angeklagt werden. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei den Grünen.)

17.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kammerlander. – Bitte.

17.19

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Vorrednerin hat am Schluß ihrer Ausführungen gesagt, Sie empfiehlt Ihnen, Frau Bundesministerin, vom Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie Gebrauch zu machen. Ich sage: Ich empfehle es Ihnen nicht, aber ich habe es eigentlich erwartet, daß Sie das nach all Ihren Ankündigungen tun. Meine Kollegin Petrovic hat darauf hingewiesen, daß es noch gar nicht so lange her ist, daß Sie hier im Hohen Hause ganz klar deklariert haben: Sie werden nicht zulassen, daß diese Sojabohne, wenn sie nicht gekennzeichnet ist, auf den europäischen Markt kommt. Jetzt sind Sie gefordert, jetzt ist der Zeitpunkt da, wo Sie Ihr Wort einlösen könnten, das Sie damals gegeben haben – aber jetzt kneifen Sie und drücken sich.

Wie gesagt: Ich habe es erwartet, daß Sie das tun. Es wäre das, wie schon oft hier angeführt, eine einmalige Chance gewesen, Rückgrat zu zeigen genau dann, wenn es knifflig wird, knifflig deshalb, weil Sie sicher durch die Konzerne, die da dahinter stehen, unter Druck gekommen wären. Aber Sie hätten auch zeigen können, was das Wort einer österreichischen Ministerin wert ist und was vor allem – und das ist nach der EU-Wahl nicht so unbedeutend – das Wort einer sozialdemokratischen Ministerin wert ist.

Denn eines muß ich Ihnen, Frau Bundesministerin, und auch Ihren Kolleginnen und Ihren Kollegen von Ihrer Fraktion schon sagen: Wundern Sie sich nicht – das ist ein Stück der Politik –, daß Sie, wenn Sie ständig an den klar deklarierten Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung vorbeisehen und dann nicht reagieren, wenn es gefordert ist – zum Beispiel wenn Sie in einem Ausschuß einen Antrag absetzen, vertagen, nicht behandeln – , den letzten Rest von Vertrauen verlieren.


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Das ist nicht nur das Ergebnis einer Umfrage, sondern das wird immer wieder bestätigt: Nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern spricht sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung klar für eine Produktdeklaration, für eine Kennzeichnung von gentechnisch manipulierten Lebensmitteln aus und sagt noch dazu, sie würde solche Lebensmittel nicht kaufen. Das scheint ja das eigentlich Bedrohliche für die betreffenden amerikanischen Konzerne zu sein, nämlich daß es auf dem europäischen Markt eine überwiegende Mehrheit gibt, die sagt: Wenn das Produkt gekennzeichnet und klar erkennbar ist, daß es sich um ein genmanipuliertes Produkt handelt, dann kaufe ich dieses Produkt nicht, sondern dann nehme ich ein anderes Produkt, eines, das nicht gentechnisch manipuliert ist.

Frau Ministerin! Es ist eine müde Ausrede – das muß ich Ihnen sagen –, zu sagen, Sie können von diesem Artikel nicht Gebrauch machen, weil keine neuen wissenschaftlichen Fakten auf dem Tisch liegen. Das stimmt nicht! Es gibt eine Auflistung, die Sie genauso gut wie ich kennen. Ich sage es Ihnen nur in Schlagworten, weil die Zeit nicht reicht, das ausführlich darzulegen. Aber Sie kennen das und Sie wissen Bescheid.

Es stimmt nicht, daß das Roundup der Sojabohne auf Glyphosat-Anwendung hin bewertet wurde. Es wurde das Allergiepotential nicht hinreichend überprüft. Es wurde das Schadenspotential in den südlichen EU-Mitgliedstaaten nicht vollständig genug bewertet. Nur ein Faktum von dem sollte dafür ausreichen und Sie dazu bewegen, daß Sie von diesem Artikel 16 Gebrauch machen. Es ist eine müde Ausrede, wenn Sie hier in Ihrer Antwort sagen, Sie sehen dazu keine Veranlassung, weil die neuen wissenschaftlichen Fakten seit der Zulassung auf der Ebene der Europäischen Union nicht vorhanden sind. – Das stimmt einfach nicht!

Dieses Ping-Pong-Spiel zwischen den beiden Regierungsparteien, das wir hier jetzt in den letzten zwei Stunden erlebt haben, ist ein politisches Armutszeugnis der Sonderklasse gewesen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn Sie Ihre politische Verantwortung nur einigermaßen ernst nehmen würden, dann würden Sie sich das selbst ersparen, daß Sie sich hier die Schuld zuschieben, wer eigentlich wann etwas wollte oder nicht wollte oder diese Verordnung unterschreiben wird. Tatsache ist: Die Verordnung hilft uns nichts in vier Wochen, sie hilft uns nichts Ende Dezember, Ende dieses Jahres, sie hilft uns nicht im nächsten Jahr, sondern wir hätten eine Verordnung jetzt gebraucht, wir hätten die Behandlung der diesbezüglichen Anträge im Ausschuß jetzt gebraucht. Das haben Sie aber nicht zugelassen, das haben Sie abgesetzt, das haben Sie vertagt.

Dann ist doch die einzige Möglichkeit, rechtzeitig dem eindeutigen Willen der Konsumentinnen und Konsumenten entgegenzukommen, politische Stärke und Mut zu zeigen. Es ist das eine politische Entscheidung, Frau Ministerin, es ist das keine Entscheidung, die Sie jetzt und hier in dieser Situation aufgrund der Faktenlage, die übrigens bekannt ist, treffen müssen. Es ist das ausschließlich eine politische Entscheidung. – Wenn es Ihre Ministerin nicht kann, dann tun es doch bitte Sie, meine Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Hause!

Noch einmal: Wenn eine überwiegende Mehrheit, wenn an die 90 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten sagen, sie wollen diese Kennzeichnungspflicht und sie würden keine gentechnisch manipulierten Lebensmittel kaufen, dann frage ich mich, wozu wir das noch diskutieren. Die Sache ist doch klar! Dann können Sie doch nur mehr diesem Entschließungsantrag der Oppositionsparteien zustimmen und sagen, es soll von diesem Artikel 16 Gebrauch gemacht werden, anstatt davor zu kneifen.

Frau Ministerin! Wenn Sie sich das nicht noch in den nächsten zehn Minuten überlegen, dann ist dieser Mißtrauensantrag, der wirklich ein hartes und sicher selten angewendetes Mittel ist, in diesem Fall ein gerechtfertigtes Mittel, weil sie offensichtlich nicht begriffen haben, wann die Stunde da ist, etwas politisch zu entscheiden, und wann welche Prioritäten zu setzen sind. (Beifall bei den Grünen.)


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17.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Anna Huber zu Wort. Die Redezeit ist auf 8 Minuten eingestellt.

17.26

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Kollegin Kammerlander hat zum Schluß Ihres Debattenbeitrages gemeint: Wozu diskutieren wir da eigentlich noch, wenn 94 Prozent der Konsumenten eine strengere Kennzeichnung wollen? Ihre Schlußfolgerung daraus war dann: Deshalb wollen wir ein Importverbot. Daraus ist erkennbar, daß diese Debatte offensichtlich außerordentlich emotionalisiert ist, und ich vermisse da manchmal den Blick für das real Machbare und Sinnvolle. Denn wenn da von einem Importverbot für genmanipulierte Sojaprodukte gesprochen wird, so kann ich als österreichische Konsumentenschützerin eigentlich diese Forderung nur vertreten, und zwar vollständig und nachhaltig, und auch unterstützen – allerdings mit dem Zusatz, daß es dann ein gesamteuropäischen Importverbot geben muß, denn so etwas im Alleingang durchzuführen, klingt zwar recht hübsch und das bringt den Verfechtern auch positive Schlagzeilen, wie es die Initiative von Minister Bartenstein, der ja das sehr vollmundig angekündigt hat, allerdings inzwischen vom Wirtschaftsminister schon zurückgepfiffen worden ist, zeigt aber, daß das sehr schwierig. Warum dieses Importverbot gemäß Artikel 16 der Freisetzungsrichtlinie nicht möglich ist, ist in dieser Debatte schon hinlänglich diskutiert worden.

Aber jetzt zu den Kollegen von der ÖVP, die hier auf den Vermittlungsausschuß in Brüssel verweisen, wo um bessere und schärfere, um eine lückenlose Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmittel gerungen wird. Da frage ich mich: Haben wir das nicht in Wirklichkeit doch den ÖVP-Kollegen im Europäischen Parlament zu verdanken, die sich ja gegen eine harte und umfassende Kennzeichnung ausgesprochen haben?

Jetzt besteht eigentlich Handlungsbedarf, denn es besteht ja die Gefahr, daß in Kürze genmanipuliertes Soja in die österreichischen Regale kommt. Deshalb geht es darum, jetzt zu handeln, und die Frau Minister hat gehandelt. Jetzt frage ich mich tatsächlich: Wo bleiben aber die Handlungen des Umwelt- und des Wirtschaftsministers?

Das ist kein Spiel und schon gar kein Ping-Pong-Spiel, sondern das ist eine Frage von Kompetenzen. Es geht jetzt darum, zu handeln – und nicht zu warten, bis es vielleicht in Brüssel doch zu einer für uns, das heißt für die österreichischen Konsumenten, zufriedenstellenden Lösung kommt. Denn bis dahin – und da gibt es ja eine zeitliche Lücke, und das ist wohl unbestritten – brauchen wir Sicherheit für die österreichischen Konsumenten, und da steht die sozialdemokratische Fraktion hundertprozentig dahinter. Jeder Verbraucher, der da so ein Sojapackerl in sein Wagerl hineinlegt (die Rednerin hält ein Sackerl Sojabohnen in die Höhe), der muß wissen, um welches Soja es sich handelt: Ist es eines, das im Marchfeld erzeugt worden ist, oder ist es eines, das made in USA ist und eventuell dadurch schon genmanipuliert ist. Sehen und erkennen kann man das nämlich nicht.

Weil eben 94 Prozent der Verbraucher keine genmanipulierten Lebensmittel essen wollen, diese Lebensmittel aber auf den Markt kommen, müssen sie – und das ist wohl ganz logisch und klar – gekennzeichnet sein. Ich bin überzeugt davon, daß diese 94 Prozent der Konsumenten dann handeln werden, nämlich insofern, als sie diese Lebensmittel nicht kaufen werden und damit genmanipulierte Produkte aus unseren Regalen verschwinden werden.

Ich halte auch die Meinung des Kollegen Barmüller für ungeheuer wichtig, und ich freue mich daher schon auf die hoffentlich weniger emotionale und sachlichere Diskussion im Gesundheitsausschuß, wenn es dann um Produkthaftungen und Produkthaftungsregelungen geht.

Wir haben festgestellt, wir brauchen sofort diese lückenlose Kennzeichnung, und die Verordnung ist ja bereits unterschrieben von der Frau Ministerin. Ich frage mich wirklich, wohin sich dieser Mißtrauensantrag richtet. Ich denke, entweder ins Leere oder an die falsche Seite.

Die Regelung könnte ja sofort in Kraft treten mit den Unterschriften des Umwelt- und des Wirtschaftsministers. Damit würden wir hier in Österreich ein Zeichen setzen, zum einen ein Zeichen für die Verhandler in Brüssel, daß unsere Forderungen nach lückenloser Kennzeichnung genmanipulierter Produkten ernstgenommen werden müssen, und zum anderen für die österreichischen Konsumenten, nämlich für jene 94 Prozent, die auch in Zukunft sicher sein wollen, daß


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genmanipulierte Produkte nur dann in den österreichischen Regalen stehen können, wenn sie als solche gekennzeichnet sind.

Daher fordere ich die ÖVP auf, sich dafür einzusetzen, daß die Regelung, die eine sichere, eindeutige und klare Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln garantiert, sofort in Kraft treten kann, und dazu fehlen nur zwei Unterschriften, nämlich die des Umwelt- und die des Wirtschaftsministers. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Er hat das Wort.

17.32

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich glaube, daß die Debatte dieser Dringlichen Anfrage sehr wichtig ist, zumal dieses Thema natürlich sehr viele Österreicherinnen und Österreicher interessiert. Allerdings glaube ich, daß man diese Debatte auch sehr sorgfältig führen muß, denn es gibt gerade im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten Produkten Ängste, zum Teil begründete, zum Teil aber auch unbegründete Ängste. Ich glaube, daß es falsch ist, mit Ängsten zu spielen und auf der Klaviatur der Angstmacherei hier zu agieren, denn man produziert damit eine Nervosität und eine Aufgeregtheit, die wirklich nicht notwendig ist.

Die Diskussion ist schon auch von einer gewissen Scheinheiligkeit geprägt, das muß man schon sagen, insbesondere wenn freiheitliche Mandatare hier heruntergehen und kategorisch alles ablehnen. Und dann findet man in diesem Bücherl der "Freiheitlichen Landwirtschaftspolitik" ein Drei-Stufen-Modell für die finanzielle Zuwendung an Landwirte und liest, daß die Freiheitlichen eine Zuwendung wollen bei Verzicht auf Stickstoffdünger, eine Zuwendung bei Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel und Unkrautbekämpfungsmittel und zum dritten eine Abgeltung von Wettbewerbsnachteilen aufgrund kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Da wird der Verzicht auf Hormone und Gentechnik angeführt. – So weit, so gut.

Das heißt also, Ihrer Meinung nach ist eine Zuwendung berechtigt, wenn jemand auf Gentechnik verzichtet. Allerdings sagen Sie dann schon einen Absatz weiter: Die Teilnahme am Umweltprogramm soll selbstverständlich freiwillig sein. Das heißt, Sie erlauben all diese Dinge, Sie wollen diese Sachen, aber Sie verlangen, wenn jemand freiwillig darauf verzichtet, eine Zuwendung. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Und das ist eine Doppelmoral, die sicherlich zurückzuweisen ist! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir von der Österreichischen Volkspartei sind der Meinung, daß der Konsument ein Anrecht darauf hat, zu wissen, welches Produkt er konsumiert, daß der Konsument auch tatsächlich das Produkt bekommen soll, das er haben will. Daher ein ausdrückliches Ja zur Kennzeichnung manipulierter und veränderter Produkte im Zusammenhang mit der Gentechnik.

In diesem Zusammenhang möchte ich anmerken, daß wir den Mißtrauensantrag gegen die Frau Bundesministerin ablehnen werden. Sie hat im Zusammenhang mit dem § 16 die rechtliche Situation dargelegt – und dem ist nichts hinzuzufügen.

Aber ich glaube, daß man diese Debatte noch weiterführen muß, und zwar in die Richtung, daß ja nicht nur die Konsumenten ein sehr geringes Interesse an gentechnisch veränderten Produkten haben, sondern daß auch die Produzenten und die Handelsketten im Grunde genommen dieser Materie eher sehr skeptisch gegenüberstehen, denn sie können auch kein Interesse daran haben, daß die Konsumenten ihre Produkte nicht kaufen. Wenn etwa Unilever und Nestle ankündigen, daß sie auf derart veränderte Produkte verzichten wollen, wenn die drei größten österreichischen Handelsketten von sich aus sagen, daß sie ihre Konsumenten vor solchen Produkten bewahren wollen, dann, so glaube ich, sieht man hier schon eindeutig, in welche Richtung wir da unterwegs sind, nämlich in eine durchaus richtige.

Frau Bundesministerin! Es ist aber auf der anderen Seite sicherlich ein Kraftakt erforderlich, und zwar ein europäischer Kraftakt, denn mit der "Schrebergarten-Politik" muß Schluß sein! Das bestätigen ja auch die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Wabl, wenn er hier fragt, ob wir


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wirklich glauben, daß eine lückenlose Kennzeichnung denkbar ist. – Ja glauben Sie, daß es dann wirklich möglich wäre, ein lückenloses österreichisches Importverbot sicherzustellen? So etwas kann nur auf europäischer Ebene gelöst werden. Und dafür muß sich die Regierung voll einsetzen und voll hineinwerfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dank ist sicherlich auch Bundesminister Bartenstein zu zollen, der das Umweltbundesamt mit einer Untersuchung beauftragt hat. Die Ergebnisse dieser Untersuchung und auch der Untersuchungen des Gesundheitsministeriums bleiben sicherlich abzuwarten, um, wenn die Ergebnisse dementsprechend sind, auch weitere Schritte zu setzen. Aber ich warne sehr, gerade in Anbetracht der heiklen Materie, vor einer Panikmache! Wir leben Gott sei Dank in einem Land, in dem wir sehr gute Produkte haben – und nicht in einem gentechnisch veränderten "Jurassic Park". (Beifall bei der ÖVP.)

17.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Aumayr.

17.38

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Frau Ministerin! Herr Präsident! Herr Kollege Amon, Sie haben heute Ihrer Fraktion einen Bärendienst erwiesen! Wie können Sie sich vom Herrn Kollegen Schwarzenberger so ein G’schichterl hineindrücken lassen? Sie haben heute von etwas gesprochen, bei dem Sie sich doch überhaupt nicht auskennen! So etwas ist wirklich gefährlich, muß ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Solange es, Herr Kollege Amon, kein ausdrückliches Verbot für die Anwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft gibt – und dieses Verbot gibt es nicht! –, solange kann ein Verzicht nur freiwillig sein. Sie können keinen Verzicht vorher aussprechen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schwarzenberger: Es gibt ein Hormonverbot!)

Herr Kollege Amon! Der oberste Agrarbeamte in Österreich, ein Herr Astl – aber diese Herrschaften kennen Sie ja nicht –, war früher Chef der AMA, jetzt ist er in einer wichtigen Position in der PRÄKO. Dieser spricht sich ganz klar und entschieden für die Gentechnik in der Landwirtschaft aus. Und fragen Sie bitte einmal, Herr Kollege Amon, wie der Herr Präsident Schwarzböck zur Gentechnik in der Landwirtschaft steht oder der Herr Kollege Schwarzenberger. Diese Herren verschweigen sich ja ständig!

Eines frage ich Sie auch noch, Herr Kollege Amon: Warum hat denn Ihre ÖVP-Fraktion im Europäischen Parlament gegen eine strenge Kennzeichnung gestimmt? Ich meine, noch doppelbödiger geht es überhaupt nicht mehr! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Diese Debatte hier ist der Beweis dafür, daß die österreichische Bundesregierung seit dem Beitritt zur Europäischen Union absolut nicht mehr in der Lage ist, den Wunsch von fast 100 Prozent der Bevölkerung zu erfüllen. Sie haben am 12. Juni mit dem Beitritt zur Europäischen Union diese Möglichkeit aufgegeben.

Die österreichischen Konsumenten und Konsumentinnen wünschen sich nicht eine Kennzeichnung, so wie das bisher der Fall gewesen ist. Da sind kleine Nummern auf einem Produkt aufgedruckt, die kein Mensch ohne Brille lesen kann. Wenn, dann wünschen sie sich eine Kennzeichnung, wodurch klar und deutlich erkennbar ist, daß es sich um gentechnisch veränderte Lebensmittel handelt.

Die österreichische Bevölkerung wünscht sich ein Verbot der Gentechnik im Zusammenhang mit Lebensmitteln, und diesem Wunsch können Sie einfach nicht mehr Folge leisten.

Es bringt jetzt eigentlich relativ wenig, eine Kennzeichnung in Österreich einzuführen, denn wir bekommen durch den freien Markt weltweit bereits Produkte von Tieren geliefert, an die dieser Gen-Sojaschrot bereits verfüttert worden ist. Das heißt, Sie müßten auch den Import von Fleisch und Wurst aus der Europäischen Union und aus den Reformstaaten verbieten.

Wieweit die Konzerne bereits die Qualität der Lebensmittel beziehungsweise über das Saatgut bestimmen, Frau Ministerin, das ist wirklich erschreckend. Große Konzerne wie Pioneer,


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Chemiekonzerne wie Ciba Geigy präsentieren und verkaufen momentan das Saatgut. Ein Bauer kann heute sein Saatgut, standortgerechte Sorten, nicht mehr selbst produzieren und verkaufen. Das ist verboten, denn es darf nur Saatgut angeboten werden, das vorher von der Saatgut-Kommission genehmigt worden ist. Diese Genehmigung kostet Hunderttausende Schilling, das heißt, die Konzerne haben in diesem Punkt bereits die völlige Macht.

Es muß Ihnen wirklich klar sein: Sie haben mit dem Beitritt zur Europäischen Union die Möglichkeit aufgegeben, die österreichische Bevölkerung vor genmanipulierten Lebensmitteln zu schützen. Die Frau Ministerin handelt voll auf der gesetzlichen Basis des Maastricht-Vertrages, das muß Ihnen klar sein, und Sie alle waren dafür. Also verabschieden Sie sich jetzt nicht von der Verantwortung! Sie sind letztlich dafür verantwortlich, daß die österreichische Bevölkerung derart verunsichert und die Glaubwürdigkeit der Politiker schwerst geschädigt ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. Er hat das Wort.

17.43

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Dringliche Anfrage der Grünen zeigt, daß man nicht dadurch Probleme löst, indem man sie einfach ignoriert. Seit Jahren hätte man eine ehrliche Diskussion über Biotechnologie, Gentechnik und Genmanipulationen führen müssen. Dabei hätten Wissenschaft und Forschung die Fakten liefern müssen, und Aufgabe der Politik wäre es gewesen, die Bevölkerung zu informieren und die notwendigen gesetzlichen Weichenstellungen vorzunehmen.

Genau diese ehrliche Diskussion, meine sehr geehrten Damen und Herren, über die Vorteile, aber auch über die Risken der Gentechnik zu führen, wurde verabsäumt. Es gibt viele Bereiche, vor allem in der Medizin, wo die Gentechnik aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken ist, ja geradezu lebensnotwendig geworden ist, wie etwa zum Beispiel bei der Insulinproduktion.

Früher wurden aus Bauchspeicheldrüsen von zirka 100 000 Schlachttieren lediglich etwa 500 Gramm Insulin gewonnen, noch dazu in sehr unterschiedlicher Qualität und mit sehr unterschiedlichem Wirkungsgrad. Heute wird dieses Insulin in der benötigten ausreichenden Menge gentechnisch im Genlabor hergestellt, und zwar in höchster Reinheit und höchster Qualität.

Ähnlich verhält es sich auch beim Hormon EPO, das für die Bildung der roten Blutkörperchen notwendig ist. Hier waren ebenfalls Tausende von Litern menschlichen Harns notwendig, um einige Tausendstel Gramm dieses Hormons herzustellen. Heute wird dieses Hormon in der benötigten Menge aus gentechnisch veränderten Mäusezellen hergestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt also, wie ich hier angeführt habe, Bereiche, vor allem in der Medizin, wo die Gentechnik sicherlich ihre Bedeutung hat und wo auch zwei Drittel der Bevölkerung dies akzeptieren, ja sogar begrüßen. So erwarten sich etwa zwei Drittel der Bevölkerung Verbesserungen durch die Gentechnik im Bereich der Medizin, vor allem im Bereich der Medikamentenproduktion; es werden bereits über 100 Medikamente gentechnisch produziert. Auch in Bereichen der Diagnostik erwartet sich die Bevölkerung Fortschritte, wie etwa beim HIV-Test, wodurch erst eine Früherkennung von Aids möglich geworden ist. Aber auch in der Krebsbekämpfung und vor allem auch im Bereich der Transplantationsmedizin wird es zu wesentlichen Änderungen und zur Lösung vieler Probleme durch die Genforschung kommen.

Während also die Genforschung im Bereich der Medizin ziemlich außer Streit steht und auch als notwendig erachtet wird, wird sie im Bereich der Lebensmittelproduktion vielfach abgelehnt. Umfragen des Meinungsforschungsinstituts ÖKONSULT haben ergeben, daß rund 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher keine gentechnisch veränderten Lebensmittel kaufen oder gar essen wollen.


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Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung wünschen sich diesen Bereich in Österreich überhaupt gentechnikfrei und treten für eine Volksabstimmung in dieser Frage – ähnlich wie bei Zwentendorf – ein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dieser Umfrage hat sich auch herausgestellt, daß der Grund für das Mißtrauen der Bevölkerung gegenüber der Gentechnik in einem extremen Informationsdefizit liegt. Fast drei Viertel der Befragten fühlen sich über die Gentechnik und über die Folgen dieser Gentechnik von Wissenschaftern und Politikern nur unzureichend informiert. Und genau das, Frau Bundesministerin, haben Sie hier seit Jahren verabsäumt. Sie geben es auch indirekt zu, wenn Sie sagen, daß Sie eine große Informationskampagne starten wollen. Aber diese Kampagne kommt im gegenständlichen Fall zu spät. Auch die Ankündigung bezüglich der beiden Verordnungen kommt im gegenständlichen Fall zu spät.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Sie sind diesbezüglich offensichtlich vom Umweltminister und vom Wirtschaftsminister hingehalten worden. Es kommt auch die Einsicht der Frau Abgeordneten Reitsamer zu spät, wenn sie jetzt sagt: Wenn sie gewußt hätte, daß es sich nur um eine Verzögerungstaktik handelt, hätte sie einer Vertagung dieses Problems im Gesundheitsausschuß nicht zugestimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel des gentechnischen Einsatzes in der Lebensmittel- und Nahrungsmittelerzeugung ist weniger, wie hier bereits ausgeführt wurde, die Qualitätsverbesserung als vielmehr die Senkung der Produktionskosten.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, die Redezeit zu beachten! Es ist eine freiwillige Redezeitbeschränkung. Sie können weitersprechen, ich wollte nur darauf aufmerksam machen.

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (fortsetzend): Danke schön, Herr Präsident. – Ziel ist also die Senkung der Produktionskosten sowie die Vereinfachung der Herstellung und damit das Ermöglichen der industriellen Produktion beziehungsweise die Schaffung neuer Produkte – teilweise sogar mit minderwertigen Ausgangsprodukten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freiheitlichen bekennen uns zu einer gesunden und naturnahen Lebensmittelproduktion, zu einer Biologisierung unserer Landwirtschaft. Ich fordere Sie daher auf, diese profitorientierte Entwicklung im Bereich der Gentechnik gerade auf dem Lebensmittel- und Futtermittelsektor zu unterbinden!

Frau Bundesministerin! Strafen Sie jene Lügen, die Ihnen hier Entscheidungsschwäche vorwerfen, und erlassen Sie ein Importverbot für diese gentechnisch manipulierten Produkte, für dieses gentechnisch manipulierte Soja! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich fordere in diesem Zusammenhang auch die SPÖ auf, ihrer Frau Bundesministerin den Rücken zu stärken und dem Entschließungsantrag der Oppositionsparteien zuzustimmen. Es kann doch nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß hier nach dem Motto agiert wird: Wenn man wissenschaftlich nicht oder noch nicht nachweisen kann, daß etwas gefährlich ist, so gilt es als ungefährlich – und dies, obwohl größte Bedenken dagegen bestehen und Experten meinen, daß sehr wohl eine Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt gegeben ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So wird Entscheidungsschwäche und Unwissenheit zum Sicherheitsrisiko.

Wir wollen auch namentlich genau wissen, welche Abgeordnete beziehungsweise welcher Abgeordnete die Österreicherinnen und Österreicher, die er ja zu vertreten und zu schützen hätte, einem derartigen Sicherheitsrisiko aussetzt. Wir stellen daher folgenden Antrag:

Die Abgeordneten des FPÖ-Parlamentsklubs und des Klubs der Grünen verlangen die Durchführung einer namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petrovic, Langthaler, Motter, Salzl, Freundinnen und Freunde betreffend Maßnahmen gemäß Art. 16 der Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, Sie unterstützen diesen Antrag, der hier von den Oppositionsparteien eingebracht wurde – zum Schutze der Österreicherinnen und Österreicher! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. König. Er hat das Wort.

17.53

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgeordneter Dr. Salzl hat zu Recht darauf verwiesen, daß die Gentechnik in der Medizin segensreich ist. In der Lebensmittelwirtschaft hingegen gibt es zu Recht weitgehend Bedenken gegen die Verwendung gentechnisch veränderter Produkte. Deshalb muß der mündige Konsument frei entscheiden können – und das kann er nur, wenn gekennzeichnet wird.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun etwas zum Europäischen Parlament und zum Europäischen Rat sagen, weil hier vom Rednerpult aus so viel Unrichtiges verbreitet wurde. Die Frau Gesundheitsministerin hat zu Recht darauf verwiesen, daß Österreich, Deutschland, Schweden und Dänemark im Rat bei der Abstimmung über die Kennzeichnung in der Minderheit geblieben sind. Die Mehrheit im Rat hat beschlossen, daß nur signifikant veränderte Lebensmittel zu kennzeichnen seien. (Abg. Mag. Haupt: Das ist die Schweinerei!)

Wären wir, wie es die Freiheitliche Partei immer gewünscht und vertreten hat, vor Maastricht in die EU eingetreten, dann wäre dieser Beschluß des Rates endgültig gewesen und wir hätten keine Möglichkeit mehr gehabt, innerösterreichisch etwas dagegen zu unternehmen – wir wären gebunden gewesen. Aber wir sind nach Maastricht eingetreten, und seit Abschluß des Maastricht-Vertrages gibt es eine völlig gleichberechtigte Stellung des Europäischen Parlaments. Weil es aber diese gleichberechtigte Stellung gibt, war es dem Europäischen Parlament möglich, diesen Beschluß des Rates aufzuhalten. – Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Allerdings bedurfte es der qualifizierten Mehrheit von mindestens 314 Stimmen, sonst wäre die Meinung des Rates trotzdem Gesetz geworden.

Nun hat die Europäische Volkspartei sieben Anträge eingebracht, deren wichtigster Abänderungsantrag besagte, das Wort "signifikant" sei zu streichen. Also nicht nur jene gentechnisch veränderten Produkte, die signifikant verändert sind, sind zu deklarieren, sondern alles, was nachweislich gentechnisch verändert wurde, ist zu deklarieren. Das ist der entscheidende Unterschied. Und für diesen Antrag und die anderen sechs, die sich noch auf Zusatzstoffe et cetera beziehen, gab es weit mehr als 314 Stimmen, was nicht möglich gewesen wäre, hätten nicht auch die sozialdemokratische Fraktion, die liberale Fraktion und andere Fraktionen diesen Anträgen der EVP ihre Zustimmung gegeben. Das ist im Europäischen Parlament ganz entscheidend gewesen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn hier gesagt wurde, daß sozialistische Anträge abgelehnt wurden, so stimmt das nicht ganz. Sie wurden nicht abgelehnt, sondern sie haben nicht die Mehrheit von 314 Stimmen gefunden. Aber was waren das für Anträge? – Es gab zum Beispiel von einer deutschen Sozialdemokratin 120 Abänderungsanträge: eine ungeheure Verbürokratisierung! Das konnte nicht durchgehen. Die anderen Anträge waren aber gemeinsamer Bestandteil. – Ich freue mich, daß die Frau Gesundheitsministerin hier erklärt hat, daß sie voll und ganz hinter dieser Haltung des Europäischen Parlaments steht, auch im Rat, so wie das vom Europäischen Parlament jetzt beschlossen ist.

Nun gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Rat akzeptiert diese Meinung des Europäischen Parlaments, dann sind sämtliche nachweislich gentechnisch veränderte Produkte zu kennzeichnen, oder er akzeptiert sie nicht – dann steht es den einzelnen Länder frei, selbst ihre eigenen Regelungen zu treffen. (Abg. Dr. Graf: Und dort, wo man es nicht nachweisen kann?) Wenn es nur behauptet wird, dann nicht!


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Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es ist ein starkes Stück, wenn hier ein Mißtrauensantrag gegen die Frau Ministerin darauf basiert, daß von Seite der Grünen einfach behauptet wird, man habe genügend Grund zu der Annahme, daß Gefahr für Gesundheit und Umwelt bestehe, und deshalb sei die Ministerin sozusagen "fällig", weil sie kein Verbot aufgrund dieser Bestimmung ausspricht.

Meine Damen und Herren! Abgeordneter Maier hat zu Recht darauf hingewiesen: Es gibt nach dieser Prüfung nichts, was wir neu auf den Tisch legen können, was nicht geprüft worden wäre. Man muß auch eine gewisse Seriosität an den Tag legen. Aus diesen Gründen einen Mißtrauensantrag zu stellen, ist einfach unseriös und rein provokant! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dieser Fall zeigt, wie wichtig es sein wird, daß das Europäische Parlament auch in den anderen Fragen, in denen es noch keine volle Mitkompetenz hat, diese volle Mitkompetenz bekommt. Dafür sollten wir eintreten!

Hinsichtlich der Kennzeichnung kann ich Ihnen versprechen, daß unser Kollege Rübig und, wie ich annehme, auch Frau Kollegin Graenitz dafür sorgen werden, daß das Europäische Parlament nicht nachgibt und auf der Streichung dieser gewaltigen Einschränkung, daß nur signifikant veränderte Produkte gekennzeichnet werden müssen, weiterhin besteht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.59


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zum Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen.

Als erstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Petrovic, Motter, Dr. Salzl und Genossen betreffend Maßnahmen gemäß Art. 16 der Freisetzungsrichtlinien.

Es liegt mir ein Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung nach § 66 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor, und ich werde deshalb so vorgehen.

Wir haben in der Präsidialkonferenz die bei der letzten namentlichen Abstimmung aufgetretenen Probleme erörtert und einvernehmlich einen Modus für die namentliche Abstimmung festgelegt.

Demnach erfolgt die Stimmabgabe der Abgeordneten vom Platz des Abgeordneten aus. Die Abstimmenden werden gebeten, sich zum Zwecke der Bekanntgabe des Abstimmungsverhaltens nach dem Namensaufruf vom Platz zu erheben und deutlich ausschließlich mit "Ja" oder "Nein" zu antworten. Eine Stimmenthaltung ist nicht zulässig.

Der vorsitzführende Präsident wird durch Wiederholung des Namens des abstimmenden Abgeordneten und Wiedergabe dessen Stimmverhaltens zusätzliche Klarheit über das Abstimmungsverhalten schaffen. Ist ein Abgeordneter nicht anwesend, was logischerweise zur Folge hat, daß er auch nicht abstimmen kann, dann wird dieser Umstand vom Vorsitzenden ausdrücklich festgehalten.

Die Klubvorsitzenden werden bei Ihren Fraktionen für diszipliniertes Verhalten sorgen. Das ist im Präsidialprotokoll auch festgehalten.

Wir stimmen also in der Weise ab, daß ich mit Namensaufruf die einzelnen Abgeordneten bitte, ihr Stimmverhalten kundzutun. Wer dem Antrag Petrovic, Motter, Salzl und Genossen zustimmt, wird mit "Ja" sein Abstimmungsverhalten deklarieren, wer gegen den Antrag Petrovic, Motter, Salzl und Genossen stimmt, wird mit "Nein" antworten.

In diesem Sinne beginne ich jetzt mit dem Namensaufruf.

(Präsident Dr. Fischer beginnt mit dem Namensaufruf, und die Abgeordneten geben mündlich ihre Stimme von ihrem Platz aus ab.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche die Sitzung.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 18.13 Uhr unterbrochen und um 18.18 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, weil wir noch eine Abstimmung haben.

Ich gebe das Abstimmungsergebnis wie folgt bekannt: gültig abgegebene Stimmen 163, davon "Ja" -Stimmen 50, "Nein" -Stimmen 113.

Der Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

Gemäß § 66 Abs. 2 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenommen:

Mit "Ja" stimmten die Abgeordneten:

Anschober, Apfelbeck, Aumayr;

Barmüller, Blünegger, Böhacker;

Dolinschek;

Firlinger;

Graf, Gredler;

Haidlmayr, Haigermoser, Haller, Haselsteiner, Haupt, Hofmann;

Kammerlander, Kier, Koller, Krüger;

Lafer, Langthaler;

Madl, Meischberger, Meisinger, Mentil, Moser Hans Helmut, Motter;

Nußbaumer;

Ofner, Öllinger;

Partik-Pablé, Peter, Petrovic, Pumberger;

Reichhold, Rosenstingl, Rossmann, Ruthofer;

Salzl, Schaffenrath, Scheibner, Schmidt, Schöggl, Stadler, Stoisits;

Trattner, Trenk;

Wabl, Wenitsch.

Mit "Nein" stimmten die Abgeordneten:

Ablinger, Achs, Amon, Antoni, Auer;

Bauer Rosemarie, Bauer Sophie, Binder, Brinek, Brix, Buder, Bures;

Cap;


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Dietachmayr, Dunst;

Eder, Ederer, Edler, Ellmauer, Elmecker;

Fekter, Feurstein, Fink, Fischer, Freund, Frieser, Fuhrmann;

Gaal, Gartlehner, Gradwohl, Großruck, Guggenberger, Gusenbauer;

Heindl, Hlavac, Höchtl, Horngacher, Hostasch, Huber;

Jäger;

Kaipel, Kampichler, Karlsson, Kaufmann, Keppelmüller, Khol, Kiermaier, Kiss, König, Kopf, Koppler, Kostelka, Kräuter, Kröll, Kukacka, Kummerer, Kurzbauer;

Lackner, Leikam, Leiner, Lukesch;

Maderthaner, Maier, Maitz, Marizzi, Mertel, Mock, Morak, Moser Sonja, Mühlbachler, Müller, Murauer;

Niederwieser, Nowotny, Nürnberger;

Onodi;

Parfuss, Parnigoni, Pittermann, Platter, Posch, Puttinger;

Rada, Rauch-Kallat, Reitsamer, Riedler, Riepl;

Sauer, Schieder, Schrefel, Schuster, Schwarzböck, Schwarzenberger, Schwemlein, Schwimmer, Seidinger, Sigl, Silhavy, Spindelegger, Stampler, Steibl, Steindl, Stummvoll;

Tegischer, Tichy-Schreder, Trinkl, Tychtl;

Verzetnitsch;

Wallner, Wimmer, Wurm, Wurmitzer;

Zweytick.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wabl und Genossen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Zu einem solchen Beschluß des Nationalrates ist ein spezielles Quorum, und zwar die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates, erforderlich. Ich stelle fest, daß dieses Quorum gegeben ist.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den Mißtrauensantrag des Abgeordneten Wabl aussprechen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Damit haben wir diese Debatte samt den Abstimmungen erledigt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen als nächstes zur Durchführung der verlangten kurzen Debatte. Sie betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Mag. Peter, dem Wirtschafts


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ausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 14/A der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten eine Frist bis zum 31. März zu setzen. Nach Schluß dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag durchgeführt werden.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 57a Abs. 1 in dieser Debatte kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf. Der Erstredner erhält zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung sollen gleichfalls 10 Minuten nicht überschreiten.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Abgeordneter Mag. Peter, für – wie soeben gesagt – eine Redezeit von 10 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.20

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Lang, lang ist’s her! Am 15. Jänner 1996, im tiefen Winter, haben die Liberalen einen Antrag auf Neufassung eines Gewerbegesetzes eingebracht, das die alte Gewerbeordnung ersetzen soll. Es war der Antrag Nummer 14 in dieser Legislaturperiode. Seit 15. Jänner 1996 ist nichts passiert. Der Antrag ruht tief und fest im Wirtschaftsausschuß.

Meine Damen und Herren! Die Gewerbeordnung, die Zulassung zum Unternehmertum ist ein wesentlicher Bereich auch der Beschäftigungspolitik in Österreich, der wir heute die Aktuelle Stunde gewidmet haben. Nur ein freierer, einfacherer Zugang zum Gewerbe, zur Selbständigkeit kann einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit bieten. Wir haben in Österreich eine Summe von Hürden auf dem Weg zur Selbständigkeit, eine der größten ist die Gewerbeordnung. Wir Liberalen haben uns die Mühe gemacht, ein völlig neues Gewerbegesetz in den Ausschuß einzubringen, zur Diskussion zu stellen. Das Parlament verweigerte bisher die Diskussion darüber. Die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Frau Abgeordnete Tichy-Schreder, ist unter uns, sie weiß von diesem Antrag, sie hat die erste Lesung mitverfolgt, sie hat unsere Aufforderung gehört, einen Unterausschuß einzuberufen, um diesen Antrag zu behandeln. Nichts dergleichen ist bisher geschehen!

Meine Damen und Herren! Wir können nicht zulassen, daß diese wichtige Frage der Neugestaltung der Gewerbeordnung genauso behandelt und zerredet wird wie die Ladenschlußfrage. Was wir da in den letzten Tagen erlebt haben, ist skurril, ist lächerlich: 60 Stunden, 66 Stunden – und das alles im vorparlamentarischen Raum! Es ist immer noch das Parlament, es ist immer noch dieses Hohe Haus, das in seinem Wirtschaftsausschuß und anschließend im Plenum darüber diskutiert, wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Ladenschlusses in Österreich zu sein haben.

Gleiches gilt für die Gewerbeordnung. Nur: Die Ausschüsse des Hohen Hauses tagen nicht. Anträge der Opposition liegen dort, liegen dort und liegen dort und werden nicht behandelt. Ist das Ihre Vorstellung von parlamentarischer Demokratie, Frau Vorsitzende? Ist das Ihre Vorstellung, wie Sie mit Anträgen Ihrer Kollegen im Ausschuß umgehen? Der Ausschuß tagt ganz einfach nicht! Das Thema wird nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Der Vorschlag, einen Unterausschuß einzuberufen, wird nicht zur Kenntnis genommen.

Meine Damen und Herren! Das ist der echte demokratiepolitische Skandal, von dem wir hier reden! Das passiert ja nicht nur in dem einen Fall. Das ist mit dem Schulzeitgesetz so lange passiert, bis es dann zu spät war, um die Semesterferien für das Jahr 1997 zu reparieren. In der Ladenschlußdebatte hat sich der Wirtschaftsausschuß noch nicht zu Wort gemeldet. Er wird dann irgendwann einmal tagen, wenn man sich im vorparlamentarischen Raum vielleicht oder doch wieder nicht geeinigt hat.

Ja ist dieses Parlament wirklich nur ein Beschlußgremium im nachhinein, um im nachhinein zu sanktionieren, was sich die Sozialpartnerschaft schon ausgemacht hat? Und die Regierung verkauft das Ganze dann. Ist das die Vorstellung, wie wir ... (Zwischenruf.) Na ja, da tut sie sich


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leichter, da muß sie nicht zuhören. Es würde sie schmerzen. Aber sie geht zumindest nicht hinaus. Das ist schon ein Vorteil.

Meine Damen und Herren! Das ist das wirkliche Problem, über das dieses Parlament in seinem Selbstverständnis diskutieren muß! Es gibt offensichtlich keinen Antrag, keine vernünftige Aktion, die die Oppositionsparteien hier durchführen können, so fundiert, so sachlich ausgearbeitet können sie gar nicht sein, daß sich die Frau Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses bereit erklärt, den Wirtschaftsausschuß einzuberufen und über diese Materie und die Vorschläge der anderen Parteien diskutieren zu lassen. Dr. Heindl von den Sozialdemokraten hat einen Vorschlag gemacht, es gibt Vorschläge von der Österreichischen Volkspartei, die Freiheitlichen haben sich zu diesem Thema geäußert. Das ist in einen Unterausschuß zu bringen, und die Verhandlungen haben dort zu beginnen, wo sie hingehören, nämlich ins Parlament, ins Hohe Haus.

Ich kann Ihnen eines versprechen, meine Damen und Herren und liebe Frau Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses: Sie werden von uns von nun an jeden Monat in dieser Tagungsperiode des Parlaments einen Fristsetzungsantrag – das nächste Mal ohne Debatte – bekommen, und zwar so lange, bis Sie es der Mühe wert halten, das zu tun, was Ihre parlamentarische Pflicht ist, nämlich Anträge, die Sie in einem Ausschuß liegen haben, ernst zu nehmen, durchzulesen und parlamentarisch zu behandeln. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Inhaltlich wurde viel über die Frage der Gewerbeordnung diskutiert. Alle außer wenigen Zünftlern sind sich mittlerweile darin einig, daß die jetzige Gewerbeordnung unhaltbar ist. Sie ist unhaltbar, und der Herr Bundesminister hat sich dankenswerterweise in diese Richtung geäußert und Vorschläge gemacht, wie wir zu einer Liberalisierung der Gewerbeordnung kommen können.

Es liegt in der Natur der Sache, Herr Bundesminister, daß von unserer liberalen Position aus Ihre Vorschläge zu wenig weitgehend sind. Aber genau das zu beraten, Herr Bundesminister, ist der Wirtschaftsausschuß dieses Hohen Hauses da. Genau dazu gibt es das Instrument eines Unterausschusses. Nur großkoalitionär abzublocken, das ist halt ein bisserl wenig. Es ist halt ein bisserl wenig, zu glauben: Das machen wir uns im außerparlamentarischen Raum aus, und dann berufen wir – husch, husch! – den Wirtschaftsausschuß ein. Da wird es dann – g’schwind, g’schwind! – abgesegnet und kommt schließlich ins Plenum. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das ist jene Art der Gesetzgebung, die diese Bundesregierung ganz ähnlich beim Konsolidierungsprogramm, beim Sparpaket und beim Strukturverbesserungsgesetz angewendet hat. 98 Gesetzesmaterien auf einen Streich hier beschließen zu wollen, 98 Gesetzesmaterien in einem Ausschuß durchzupeitschen, und zwar ohne jede Diskussionsbereitschaft: Das ist kein Parlamentarismus, das ist der Neokooperatismus österreichischen Stils! Das ist die Art und Weise, wie wir mit der parlamentarischen Demokratie umgehen, und die Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen spielen das Spiel mit. Man fährt über sie genauso drüber, wie man über uns drüberfährt!

Frau Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses! Ich fordere Sie allen Ernstes auf, den Wirtschaftsausschuß einzuberufen, von der üblen Gewohnheit abzuweichen, einen Unterausschuß einzusetzen und wirklich dort über die Gewerbeordnung zu verhandeln, wo das Thema hingehört, nämlich ins Parlament, denn das ist immer noch die gesetzgebende Körperschaft. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich beantrage daher, daß das Hohe Haus diesem Antrag eine Frist bis zum 31. März 1997 setzen soll. Das ist etwas weniger als ein halbes Jahr, doch Zeit genug, um dort ernsthaft zu verhandeln, wo verhandelt werden sollte, nämlich im Parlament. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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43. Sitzung / Seite 118

18.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die Redezeit der weiteren Mitglieder des Hohen Hauses, die dazu das Wort ergreifen, beträgt 5 Minuten.

Der nächste auf der Liste ist Kollege Dr. Heindl. – Bitte sehr.

18.27

Abgeordneter Dr. Kurt Heindl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Peter, ich verstehe Ihren Ärger. Auch ich hätte gerne, daß die Reform der Gewerbeordnung schon beschlossen wäre. (Beifall beim Liberalen Forum.) Nur: Wenn wir ernsthaft ein großes Werk schaffen wollen (Ruf bei der ÖVP: Ein Jahrhundertwerk!), dann müssen wir – und man muß dazusagen, daß es bei der Gewerbeordnung auch um das gesamte Anlagenrecht geht – auch die Meinungen der Länder hören. (Abg. Dr. Schmidt: Halbes Jahr!)

Sie wissen genau, daß der erste Teil des gesamten Reformpaketes vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten in die Begutachtung gegangen ist. Es werden in den nächsten Tagen, so hoffe ich, die ersten Stellungnahmen einlangen. Dann kommt der zweite Teil oder, wenn Sie so wollen, der erste Teil, die eigentliche Gewerbeordnung. Wenn wir alle Stellungnahmen haben, dann wird das ausführlich diskutiert, das verspreche ich Ihnen, weil wir auch daran interessiert sind – ich habe das bei x Debatten gesagt und wiederhole es –, einen breiten Konsens, aber auch ein gutes Gesetz zu erreichen.

Doch da hier viele Materien hineinspielen – Sie wissen genau, das ganze Anlagenrecht ist ja viel breiter und viel problematischer als der Zugang zum Gewerbe allein, so wichtig auch dieser Punkt ist –, hat eine Fristsetzung bis 31. März 1997 oder 20. April 1997 keinen Sinn. Wir haben uns selbst eine Frist gesetzt. Wir wollen, daß mit 1. Juli dieses gesamte Gesetzeskonvolut in Kraft tritt, zuvor aber ordentliche Beratungen stattfinden. Dazu werden wir mindestens zwei, drei Monate im Frühjahr brauchen. Daher lehnen wir eine Fristsetzung ab. Zuerst wollen wir dazu die Stellungnahmen der Länder einholen, und dann werden wir darüber ausgiebig beraten und hoffentlich einstimmig entsprechende Beschlüsse fassen. Keine Fristsetzung bis 31. März! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Trinkl. Er hat das Wort.

18.29

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist Herrn Abgeordneten Peter zuzustimmen: Nur Unternehmer schaffen Arbeitsplätze, und wir müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, daß Unternehmer auch wieder etwas unternehmen können. Und dabei spielt die Gewerbeordnung sicher eine wichtige Rolle. Ob sie das wichtigste Instrument ist, um die Rahmenbedingungen wirtschaftsfreundlicher zu gestalten, das lasse ich heute dahingestellt.

Wir alle hier im Raum beziehungsweise hier im Hohen Haus wissen, daß an dieser Materie seit Monaten intensiv gearbeitet wird. Und es ist das Ziel, ein zukunftsweisendes Gewerberecht zu schaffen, mit dem wir auch die Herausforderungen der Zukunft meistern können.

Wir begrüßen daher den Weg, den der Herr Bundesminister gegangen ist, nämlich das Betriebsanlagenrecht, das ja oft das größte Hindernis für eine Unternehmensgründung ist, herauszunehmen, dieses Betriebsanlagenrecht zu verhandeln, zu begutachten und, wie er zugesagt hat, dem Parlament sicher noch in diesem Jahr als Regierungsvorlage zuzuleiten.

Wenn man die Regierungsvorlage zum Betriebsanlagenrecht studiert hat, so sieht man, daß dieser Weg richtig ist. Er bringt Verwaltungsvereinfachungen, Bürokratieabbau, Ausbau des vereinfachten Verfahrens. Wir können also mit dem verbesserten Betriebsanlagenrecht sehr wohl den Zugang zum Unternehmertum erleichtern.

Wir wissen, daß in vielen Gremien – das wissen Sie, Herr Peter, genauso wie wir alle – bereits über den zweiten Teil der Gewerbeordnung – die Gewerbeordnung an sich, die Regelung des Gewerbezuganges – sehr, sehr intensiv verhandelt wird. Ich muß meinem Vorredner zustimmen: Es geht hier um eine sehr komplexe Materie, und da geht nichts im Husch-Pfusch-Verfahren. (Abg. Schaffenrath: Wieviel Zeit wollen Sie noch dafür aufwenden?)

Ich muß mich schon über eines wundern: Wenn ich mich richtig erinnere, war es gerade die Opposition, waren gerade Sie vom Liberalen Forum jene, die im Zusammenhang mit der Verab


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schiedung des Budgets 1996/97 hier von einer Husch-Pfusch-Aktion geredet haben. Ihnen war es zuviel, die Unterlagen zu studieren und zu lesen. Geben Sie daher bitte den verantwortlichen Stellen in dieser Republik die Möglichkeit, diese so wichtige Materie eingehend zu verhandeln und eingehend vorzubereiten! (Abg. Mag. Peter: Im Parlament! Dort, wo es hingehört! – Abg. Haigermoser: Wie lange noch?)

Herr Abgeordneter Peter und Herr Abgeordneter Haigermoser! Im Parlament können wir erst dann über eine Materie verhandeln, wenn ein ernstzunehmender Vorschlag da ist. (Abg. Mag. Peter: Geh, bitte!) Bitte entschuldigen Sie, wenn ich die Meinung vertrete, daß der liberale Vorschlag kein ernstzunehmender Vorschlag in unserem Sinn ist. Wir haben das im Rahmen der ersten Lesung auch schon eindeutig festgestellt.

Unser Weg ist ein anderer. In der Sache selbst gilt für uns nach wie vor der Grundsatz: Renovieren und nicht demolieren! Zum Procedere lassen Sie mich bitte festhalten: keine Husch-Pfusch-Aktionen, zielstrebig und ergebnisorientiert verhandeln und nach Möglichkeit einen breiten Konsens herbeiführen!

In dieser Situation, in der bereits so viel an Vorbereitungen getroffen ist, in der vom Herrn Wirtschaftsminister die Zusage besteht, noch in diesem Jahr eine Regierungsvorlage, sowohl was das Betriebsanlagenrecht, aber auch was den Zugang zum Gewerbe anlangt, ins Parlament zu bringen und zügig weiterzuverhandeln, meine ich, daß der gegenständliche Fristsetzungsantrag ins Leere geht. Er läuft, was das Betriebsanlagenrecht anlangt, der Entwicklung teilweise hinterher. (Abg. Mag. Peter: Was da hinterherläuft, das müssen Sie mir erklären!) Sie werden daher verstehen, daß wir Ihrem Antrag nicht die Zustimmung geben können. (Beifall bei der ÖVP.)

18.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. Er hat das Wort.

18.33

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Vorweg festgehalten: Wir werden diesem Fristsetzungsantrag gerne zustimmen, weil wir auch, so wie Peter, der Meinung sind, daß die Reform der Gewerbeordnung eine unendliche Geschichte ist. Und diese Ausrede, Kollege Trinkl, es müsse jetzt qualitätsvoll verhandelt werden, stimmt in der Form einfach nicht, weil die Bürger und jene, die sich selbständig machen wollen, schon Jahrzehnte hingehalten werden.

Es ist nicht Zeit, jetzt auf die Inhalte des liberalen Vorschlages einzugehen. Wir werden uns noch – hoffe ich zumindest – in einem Unterausschuß treffen. Wir Freiheitlichen haben ja auch einen entsprechenden Antrag eingebracht, der, so meine ich, eine taugliche Grundlage für eine moderne Reform der derzeitigen Gewerbeordnung ist.

Aber es ist ganz interessant, wenn man so das Sittenbild nachzeichnet, welches sich rund um die "Reform" – unter Anführungszeichen – der Gewerbeordnung darstellt: Da legt man ein umfangreiches Konvolut an Geheimpapieren vor, welches in der Wirtschaftskammer hin- und hergeschickt wird, und darin gibt es einige Schmankerl. Da wird sogar die Zwangskammer Wirtschaftskammer dazu mißbraucht, die Sache des Wirtschaftsbundes zu betreiben. Das ist ganz interessant für dieses Parlament, meine Damen und Herren!

In einem Schreiben der Bundesinnungsgruppe, Sektion Gewerbe und Handwerk, vom 11. Oktober 1996 – auf offiziellem Briefpapier der Wirtschaftskammer! – heißt es: "Beiliegende Aufforderung zur Stellungnahme ist insbesondere unter dem Licht der Sitzung des Bundesvorstandes der Fraktion Österreichischer Wirtschaftsbund zu sehen."

Man höre und staune! Das offizielle Papier der Wirtschaftskammer wird als Transportmittel für das Wollen einer Parteiorganisation mißbraucht, meine Damen und Herren. Das ist schon starker Tobak, und das ist Ihnen offensichtlich Wurscht, Frau Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses! (Abg. Mag. Trattner: Sie findet nichts dabei!)


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Das geht so locker weiter: Wirtschaftskammer Österreich: Die ÖWB-Klausur wird hier in diesem offiziellen Papier erwähnt. (Abg. Dr. Trinkl: Wo sind die freiheitlichen Vorschläge? Wo sind die konkreten freiheitlichen Vorschläge?) – Wiederum ein Mißbrauch der Zwangsmitgliedsbeiträge, meine Damen und Herren! Was denn sonst?

Gehen wir jetzt aber einmal ans Eingemachte, wie mit dem Parlament von Ihnen umgesprungen wird. Es wird nämlich in diesen Papieren festgehalten, es sollen keine ideologischen Bastionen abgebaut werden. Es ist also eine ideologische Bastion für Sie, eine moderne Gewerbeordnung unterzubringen. Das ist aus einem weiteren Papier herauszulesen.

Außerdem macht sich unter anderem noch die Innung der Mieder- und Wäscheerzeuger – ein honoriges Gewerbe – dafür stark, daß überhaupt nichts dergleichen passiert in diesem Lande. (Abg. Tichy-Schreder: Das ist ein freiheitlicher Wunsch!)

Das letzte ist die These – wörtliches Zitat aus diesem Schreiben vom 15. Oktober auf offiziellem Papier der Bundeswirtschaftskammer; jetzt müssen Sie aufpassen, meine Damen und Herren! –: "Gute Reform gelingt jetzt und mit aller Kraft." So weit, so gut. "Je länger verzettelt wird, umso mehr werden andere" – die Parlamentsparteien – "die Gestaltung übernehmen."

Was heißt das? – Um Gottes Willen, das Parlament, das dazu berufen ist, die Parlamentsparteien werden die Gestaltung übernehmen! (Rufe bei der ÖVP: Andere! "Andere" heißt es!) Das muß mit aller Kraft verhindert werden, meine Damen und Herren: "Mit aller Kraft werden wir Kämmerer verhindern, daß das Parlament die Gestaltung in der Gewerbeordnung übernimmt." – Na gute Nacht, Demokratie! Das finden Sie noch lächerlich (Abg. Dr. Puttinger: Nein!) , und dazu wird noch das Papier der Bundeswirtschaftskammer mißbraucht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Mit aller Gewalt werden wir, die Innung der Mieder- und Wäscheerzeuger, verhindern, daß der Zugang zum Gewerbe, zum Selbständigwerden, zum Unternehmenschaffen, zum Arbeitsplätzeschaffen erleichtert wird.

Meine Damen und Herren! Jetzt weiß ich, warum Sie dieser Fristsetzung nicht zustimmen. Sie wollen Zeit gewinnen, Sie wollen über das Ganze Gras wachsen lassen, um dann so wie bisher die Dinge beim alten zu lassen.

Meine Damen und Herren! Wir haben Sie ein weiteres Mal auf frischer Tat ertappt. (Abg. Dr. Trinkl: Zuerst hast du gesagt, es dauert zu lange, und jetzt ist es frische Tat!) Sie haben leider Gottes undichte Stellen in Ihrer Rohrpostanlage, aber das ist ja gut so, denn Ihre Zwangsmitglieder sind in zunehmendem Maße nicht mehr bereit, diesen Weg, den Sie hier vorgeben, nachzuvollziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher fordere auch ich Sie auf, Frau Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses: Kommen Sie jener Eidesformel nach, die auch Sie hier geschworen haben, nämlich dem Parlament jene Rechte zu geben, die ihm laut Verfassung zustehen, und verhindern Sie nicht, daß das Parlament seines Amtes walten kann! Dazu sind Sie aufgerufen!

Diese Dinge, die ich hier nur auszugsweise zitiert habe, haben Ihnen ein weiteres Mal den Spiegel vorgehalten, jenen Spiegel, in dem sichtbar wird, was bis dato dazu geführt hat, daß wir in Österreich eine hinterwäldlerische Gewerbeordnung haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Trinkl: Der Haigermoser war auch schon besser!)

18.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster hat Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner das Wort. – Bitte sehr.

18.38

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde es sehr zu schätzen wissen, meine Damen und Herren Kammerfunktionäre und -repräsentanten, wenn Sie drei Minuten zuhören könnten – ich verspreche, es braucht nicht länger –, die Worte gehen in erster Linie an Sie. (Abg. Dr. Puttinger: Wir hören immer zu!) Ich tue das normalerweise auch, wenn Sie sprechen.


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Wir beklagen bei verschiedenen Gelegenheiten eine Entwicklung in Österreich, die wir gemeinsam bedauern und deren Gefahr wir auch richtig erkannt haben. Wir haben dafür auch schlagwortartig Rezepte parat. Wir sprechen von Innovationsschub, Beschäftigungsinitiative, Exportmilliarde – oder wie immer das Patentrezept heißt – und sind uns eigentlich darin einig, daß diese Instrumentarien zumindest erfolgversprechende sind.

Andere Schlagworte sind: Erneuerungsinitiative, Entbürokratisierung, Erneuerungsschub und ähnliches mehr. Aber jetzt, meine Damen und Herren, ist die Frage: Wann wollen wir reden und wann wollen wir handeln? Dabei wissen wir, daß wir in unseren Handlungen nicht autonom sind. Wir wissen, daß wir auf verschiedene Dinge – nicht nur auf die Landeshauptleute, auf die vielleicht am allerwenigsten – Rücksicht nehmen müssen. Es gibt andere Dinge im Wirtschaftsleben, die uns in der Entscheidung einschränken. Aber eines, meine Damen und Herren, können wir: Wir können jenen Aufgaben gerecht werde, für die wir in dieses Hohe Haus entsandt wurden.

Eine dieser Aufgaben ist, Gesetzesvorlagen oder Gesetzesinitiativen – unerheblich, von wem sie eingebracht werden – zu behandeln. Ich lehne es jedoch ab, Herr Trinkl, wenn Sie sagen: Nur ernstzunehmende Anträge werden behandelt, und was ernst zu nehmen ist, bestimme ich. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das ist nicht nur demokratiefeindlich und ein Schlag ins Gesicht der Opposition – das mögen Sie vielleicht noch beabsichtigen –, sondern hier sägen Sie am eigenen Stuhl. Das können wir so nicht hinnehmen.

Wenn ich dich richtig verstanden habe, lieber Kurt Heindl, so hast du von Eile mit Weile gesprochen. Dazu muß ich sagen: Du bist doch ein Mann der Wirtschaft, du weißt doch, daß die Eile oder der Zeitdruck nicht von uns bestimmt wird, er wird uns ja von außen vorgegeben. Denn während wir hier nicht handeln, gehen Tausende Arbeitsplätze verloren, versäumen wir täglich, wöchentlich und monatlich die Chance, endlich Arbeitsplätze zu schaffen, um einen insbesondere von euch beklagten Übelstand zumindest zu erleichtern. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Trinkl! Es ist mir unerträglich, wenn Sie begründen, dies sei eine komplexe Materie, sie müsse zielstrebig und ergebnisorientiert bewältigt werden. So zielstrebig und ergebnisorientiert wie das Sparpaket I in acht Tagen, wie das Sparpaket II in sieben Tagen oder wie die Werkvertragsreform?! Wie zielstrebig und wie ergebnisorientiert meinen Sie denn, daß dies geschehen solle?

Das sind doch Ausreden, meine Damen und Herren. Geben Sie dem Parlament und allen Parlamentariern wenigstens die faire Chance, eine Materie in einem Ausschuß zu diskutieren – das ist doch das mindeste, das ist ja nichts Unbilliges –, und lassen Sie uns dann, wenn wir unsere Gedanken und Argumente ausgetauscht haben, durchaus hier im Plenarsaal darüber abstimmen. Setzen Sie dann Ihre Mehrheit ein, denn Sie haben es auch zu vertreten.

Nur: Die Diskussion würde auch Ihnen nicht schaden, wenn Sie in Anspruch nehmen wollen, die Interessen der Wirtschaft und die Interessen dieses Landes zu wahren. Die Diskussion, Frau Tichy-Schreder, sollten Sie zulassen. Wir wollen Sie nicht in Ihrer Entscheidung präjudizieren. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Wabl. Ich erteile es ihm.

18.43

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist sehr viel über den Parlamentarismus geredet worden. Was ich nicht nachvollziehen kann, Herr Kollege Trinkl, ist, daß Sie sich mit einer Vehemenz gegen einen Vorgang wehren, der an sich der normalste in diesem Parlament sein müßte. Sie argumentieren, Sie wollen kein Husch-Pfusch-Gesetz. Sie argumentieren, die Landeshauptleute müssen gehört werden, Sie argumentieren, wir müssen das ganz genau prüfen, wir müssen da ganz genaue Besprechungen durchführen und und und.


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Aber, meine Damen und Herren, daß Sie einen Antrag des Liberalen Forums hier einmal diskutieren, ob er gut oder schlecht ist, ob er etwas taugt oder nicht – diese einfache Vorgangsweise verweigern Sie. Und damit machen Sie einen ganz, ganz großen und entscheidenden Fehler: Sie verhindern, daß Bevölkerungsgruppen und Mandatare zeitgerecht in einen Diskussionsprozeß eingebunden werden, der möglicherweise verhindert, daß es zu solchen Gesetzen kommt wie der Werkvertragsregelung, und der möglicherweise verhindert, daß es zu Lösungen kommt, die dann in ein, zwei, drei Monaten wieder umgedreht werden müssen.

Meine Damen und Herren! Ich goutiere den Gesetzesvorschlag des Kollegen Peter nicht, obwohl ich der Meinung bin, daß die Gewerbeordnung zu einem der restriktivsten Gesetze, zu einem jener Gesetze gehört, die ausschließlich irgendwelchen Herrschaftsinteressen von irgendwelchen Kammern und Kämmerern dienen, und daß das in der Wirtschaft nur hinderlich ist. Ich habe das selber oft genug erlebt. So etwas von einem Bürokratendschungel und so etwas von Restriktionen, das hat nichts mit liberal oder illiberal zu tun, sondern das hat einfach mit einer Bestemmhaltung, einer versteinerten Bürokratie zu tun, die offensichtlich noch im letzten Atemzug ihre Claims absteckt.

Meine Damen und Herren! Wir Grünen sind für diese Fristsetzung, weil wir wollen, daß dieses Haus seine Aufgaben wahrnimmt und daß die Diskussion darüber offen, fair und demokratisch geführt wird. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) All Ihre Argumente sind nur dann glaubwürdig, wenn Sie auch mit der Opposition einen Dialog, einen Diskussionsprozeß darüber führen. Dann können Sie die Worte "ergebnisorientiert" und "zielorientiert" hier in den Mund nehmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

18.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, dem Wirtschaftsausschuß zur Berichterstattung über den Antrag 14/A der Abgeordneten Mag. Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten eine Frist bis zum 31. März 1997 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag Mag. Peter eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Damit haben wir die kurze Debatte über den Fristsetzungsantrag abgeschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich nehme jetzt die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 7 bis 9 wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Schwimmer. Es wird mir berichtet, daß seine Redezeit 5 Minuten und 19 Sekunden beträgt. – Bitte sehr.

18.46

Abgeordneter Dr. Walter Schwimmer (ÖVP): Danke, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte nur kurz wiederholen: Was wir heute beschließen, ist nicht die Einführung der Mautvignette, wie das der Erstredner fälschlicherweise dargestellt hat, sondern das sind Erleichterungen, Verbesserungen zur Mautvignette, die zum Teil aus dem Konsultationsverfahren mit der Europäischen Kommission resultieren, zum Teil aber auch aufgrund von eigenen Überlegungen in Österreich durchgeführt werden.

Es sind dies die Wochenvignette – die in Wahrheit allerdings mit zwei Wochenenden sogar zehn Tage gelten wird – zum Preis von 70 S, weitere Erleichterungen vor allem durch die reformierten sogenannten Strafbestimmungen und bessere Möglichkeiten, für den Fall einer hinterzogenen Maut fristgerecht Maut samt Zuschlag einzahlen zu können. Damit wird die Handhabung der Mautvignette sicherlich praxisfreundlicher gestaltet, was vor allem auch für den Tourismus in Österreich wesentliche Erleichterungen bringt.


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Ich möchte dem Wirtschaftsminister auch dafür danken, daß er den Anregungen des Parlaments Folge geleistet hat, was die Entschließungsanträge hinsichtlich der Freistellung der Einsatzfahrzeuge anbelangt. Gemäß der entsprechenden Verordnung sind nicht nur die Einsatzfahrzeuge, die Fahrzeuge des Straßendienstes, die Heeresfahrzeuge, die Fahrzeuge im öffentlichen Sicherheitsdienst, sondern auch die Behindertenfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die im Rahmen humanitärer Hilfstransporte eingesetzt werden, von der Mautpflicht befreit.

Ein nach wie vor wichtiges Argument für die Einführung der Autobahnmaut durch die Vignette in Österreich ist, daß damit ermöglicht wird, den Lückenschluß bei internationalen Verkehrsverbindungen zu schaffen und auf ein europäisches Niveau zu kommen, daß aber mit diesem Lückenschluß – auch das möchte ich dem Erstredner von der FPÖ entgegenhalten – vor allem Arbeitsplätze geschaffen und Arbeitsplätze gesichert werden. Die Behauptung, daß mit der Mautvignette Arbeitsplätze gefährdet würden, ist überhaupt völlig unsinnig. Genau das Gegenteil tritt ein: Von den Mehreinnahmen und von deren Einsatz für den Lückenschluß geht ein ganz kräftiger Beschäftigungsimpuls vor allem für die Bauwirtschaft aus.

So wie ich daher der Einführung der Mautvignette selbst zugestimmt habe, weil sie den richtigen Weg darstellt, stimmen wir heute auch den hier zu beschließenden Erleichterungen bei der Mautvignette zu. (Beifall bei der ÖVP.)

18.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte sehr, Herr Kollege.

18.50

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Abgeordneter Schwimmer davon gesprochen hat, daß es Erleichterungen für die Österreicherinnen und Österreicher geben soll, die in Zukunft die Autobahnen benützen werden, dann muß man ihm schon sagen, daß der Grund nicht einfach nur aus dem Konsultationsverfahren mit der Europäischen Union hervorgegangen ist, warum von der Bundesregierung solche Erleichterungen geschaffen werden, sondern daß auch das Faktum, daß von europäischer Seite gesagt worden ist, es handle sich um ein Abcashen, das in diesem Ausmaß nicht akzeptabel sei, dabei eine Rolle gespielt hat. Deshalb hat man jetzt auch eine Wochenvignette eingeführt, damit etwa Touristen in Österreich nicht für das ganze Jahr oder für einen größeren Zeitraum zahlen müssen. Das war der Grund.

Meine Damen und Herren! Das zeigt aber auch ganz klar, daß diese Maßnahme keine ökologische Maßnahme, sondern eine reine Finanzierungsmaßnahme gewesen ist. Es ist schon eigentümlich, daß diese Bundesregierung immer öfter dazu verhalten ist, Gesetze, die sie in einem Jahr beschließt, noch im selben Jahr zu novellieren. Dem Bundesstraßenfinanzierungsgesetz ist die Jahreszahl 1996 beigefügt. Die vorliegende Novelle, meine Damen und Herren, trägt auch die Jahreszahl 1996. Das zeigt, daß der Turbo, der offenbar in der Bundesregierung eingebaut worden ist, nicht die Qualität erhöht hat, wohl aber den Gesetzesausstoß aus diesem Haus.

Meine Damen und Herren! Die Vignette soll, ganz klar und deutlich ausgesprochen, den Lückenschluß auf österreichischen Autobahnen finanzieren. Ich frage mich, Herr Abgeordneter, warum denn diese Bundesregierung die Zweckbindung der Mineralölsteuer aufgehoben hat. Die Mineralölsteuer sollte ja den Straßenbau finanzieren. Diese Zweckbindung hat man aufgrund von Budgetproblemen aufgehoben, man ließ das Geld, das für den Straßenbau zweckgebunden war, ins allgemeine Budget fließen, hat keine Reformmaßnahmen gemacht und ist heute damit konfrontiert, daß das Geld für den Straßenbau nicht mehr vorhanden ist und man neue Finanzierungsquellen erschließen muß.

Meine Damen und Herren! Die Liberalen werden dieser reinen Geldbeschaffung eine Absage erteilen. Wir sehen nicht ein, warum wir als Opposition die Fehler der Regierung mit unserer Unterstützung ausbügeln sollen. Das ist nicht notwendig, und zwar vor allem deshalb nicht, weil die Vignette in keiner Art und Weise eine ökologische Steuerung des Verkehrs bedeutet. Das wäre etwas, was wir uns nicht nur von einem Road-pricing wünschen, sondern auch von ersten Schritten, die in diese Richtung gemacht werden. Das wäre etwas, wofür Sie die Liberalen


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gewinnen könnten. So aber werden Sie, meine Damen und Herren, von uns die Zustimmung dazu nicht bekommen.

Kostenwahrheit im Verkehr – und das sei insbesondere der Bundesregierung ins Stammbuch geschrieben – kann ja nicht damit beginnen, daß man quasi pro Auto, das irgendwo in Österreich herumfährt, einen Beitrag einhebt, sondern Kostenwahrheit im Verkehr muß wohl daran orientiert sein, wieviel jemand fährt, wie stark die Umwelt durch den öffentlichen oder privaten Verkehr belastet wird. Wenn das geschieht, dann wird man auch in der Lage sein, eine wirkliche Wettbewerbssituation zwischen dem öffentlichen Verkehr auf der einen Seite und dem Individualverkehr auf der anderen Seite zu erzeugen. Das ist etwas, was die Liberalen haben wollen.

Erinnern Sie sich bitte an diesen Sommer. Da waren es die Liberalen, die, eine Idee der Europäischen Union aufgreifend, vorgeschlagen haben, daß man alle pauschalen Abgaben, die derzeit im Verkehrsbereich in Österreich, besonders im Individualverkehrsbereich, existieren, in Steuern umwandeln sollte, die kilometerbezogen und emissionsbezogen erhoben werden. Das wäre eine Maßnahme, die eine sehr starke ökologische Steuerungsfunktion haben würde. Das würde aber auch bedeuten, meine Damen und Herren, daß man klar auf den Tisch legen muß, wie groß bereits heute die finanzielle Belastung von Kraftfahrzeugen in Österreich ist. Wir haben das nämlich für einzelne Kraftfahrzeuge umgerechnet. Dabei stellte sich heraus, daß bei Wägen, die durchaus weit verbreitet sind, etwa bei einem Audi A4 mit 74 KW, ein kilometermäßiger Gleichstand erst bei über 34 000 Kilometern erreicht werden würde. Wenn man nämlich sagt, wie stark bereits die pauschale Belastung, die finanzielle Belastung pro PKW ist, dann wird klar, wie tief die Bundesregierung bereits in den Sack der Staatsbürger greift, ohne daß dies allerdings in irgendeiner Art und Weise eine ökologische Auswirkung hat, denn die pauschalen Abgaben werden auch dann eingehoben, wenn Sie Ihr Kfz nicht benutzen und somit keine umweltmäßige Belastung entsteht.

Wenn es der Bundesregierung ein Anliegen gewesen wäre, insbesondere die ökologischen Lasten zu berücksichtigen, dann hätte sie bereits auf die "Verkehrswegerechnung Straße für Österreich" zurückgegriffen, die Herrn Bundesminister Farnleitner sicherlich nicht unbekannt ist, weil sie aus dem Jahr 1993 stammt. Aus dieser Verkehrswegerechnung für österreichische Straßen geht hervor, daß ein PKW, der primär Autobahnen benützt, einen Kostendeckungsgrad, und zwar unter Berücksichtigung der Unfallkosten und der Umweltkosten, von 57 Prozent erreicht, während ein PKW auf einer Bundesstraße nur einen Kostendeckungsgrad von 31 Prozent erreicht.

Meine Damen und Herren! Faktum ist aber auch, daß durch die Einführung der Vignette selbstverständlich Verkehr von den Autobahnen auf die Bundesstraßen gedrängt werden wird. Faktum ist auch, daß damit die Umweltbelastungen steigen und daß damit, Herr Abgeordneter, aus ökologischer Sicht auch in einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ein Mehr an Kosten produziert werden wird. Das ist der Grund, warum wir heute – und ich darf nur daran erinnern, daß dieser Vorschlag von Ihnen in der Schnelligkeit, wie wir es uns gewünscht hätten, nicht angenommen worden ist – verlangt haben, daß die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung möglichst bald auch um ökologische Kriterien erweitert wird. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Das wird aufgrund der Initiative der Europäischen Union bis zum Jahr 2000 jedenfalls geschehen müssen. Wir hätten in Österreich bereits einen Schritt vorausgehen können, was aber, wie gesagt, noch nicht geschehen ist.

Da also das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz absolut keine positiven ökologischen Auswirkungen haben wird und in Wahrheit nur dazu dient, jene Finanzierungslücken, die durch die Abschaffung der Zweckbindung der Mineralölsteuer von der Bundesregierung aufgerissen worden sind, zu schließen, werden die Liberalen diesem Gesetz nicht ihre Zustimmung geben.

Was den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen, der sich für ein Mautpickerl für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen ausspricht, betrifft, möchte ich sagen, daß


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wir diesem Entschließungsantrag beitreten werden, und zwar aus dem Grund, weil es letztlich durch ein Fahrzeug, das mit einem Wechselkennzeichen ausgestattet ist, keine ökologischen Mehrbelastungen gibt. Man kann nur mit einem Fahrzeug fahren. Daher ist es nicht notwendig, für beide ein Pickerl zu haben, sondern es reicht, wenn man ein Pickerl löst, weil man – ich sage es noch einmal – nur einmal eine Umweltbelastung induziert.

Gegen den Entschließungsantrag betreffend Verhinderung der Doppelmaut infolge der Einführung des Mautpickerls werden wir stimmen. Wir meinen, daß es nicht sinnvoll ist, wenn man schon den Schritt in Richtung mehr Kostenwahrheit gehen will, jene punktuellen Gebühreneinhebungen, die es für ganz spezielle Bauprojekte gegeben hat – und zwar als es eine Zweckbindung der Mineralölsteuer gegeben hat –, aufzuheben. Wir meinen, daß das nicht sinnvoll ist. Wir werden daher diesem Entschließungsantrag nicht unsere Zustimmung geben.

Wir wollen auch nicht Stadtautobahnen aus einer generellen Kostenwahrheit oder aus dem Bemühen um eine Kostenwahrheit im Verkehr ausschließen. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum etwa auf Überlandautobahnen andere Kriterien gelten sollen als auf Stadtautobahnen.

Dem Tagesordnungspunkt 8, der den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten auffordert, für die Einsatzfahrzeuge entsprechende Ausnahmeregelungen vorzusehen, werden wir zustimmen. Das halten wir für sinnvoll.

Dem Tagesordnungspunkt 9, der hier unter einem verhandelt wird – es handelt sich dabei um einen Antrag des Abgeordneten Reichhold, der eine Lückenschließung einer bereits bestehenden Autobahn im Kärntner Bereich vorsieht –, werden wir ebenfalls zustimmen. Wir meinen, daß der Antrag des Abgeordneten Reichhold sinnvoll ist. Aber, meine Damen und Herren, wir halten in diesem Zusammenhang auch fest, daß wir es nicht für sinnvoll halten, noch neue Autobahnen in Österreich im großen in Angriff zu nehmen. Es ist sinnvoll, einzelne Lücken zu schließen. Aber wir wollen nicht, daß man in einer Situation, in der keine Kostenwahrheit, keine faire Wettbewerbssituation zwischen dem Individualverkehr auf der einen Seite und der Schiene auf der anderen Seite besteht, in dem Maße, wie es jetzt noch geschieht, weiter den Individualverkehr bevorzugt. Wir meinen, daß der öffentliche Verkehr mehr an Aufmerksamkeit verdient. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.59

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. Ich erteile es ihm.

18.59

Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Reform der Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes in Österreich ist seit einigen Jahren in Diskussion. Nicht zuletzt seit der Zusammenlegung der Straßensondergesellschaften hat gerade meine Fraktion richtungweisende Konzepte ausgearbeitet und präsentiert. Bereits im Rahmen der erwähnten Zusammenführung der Straßensondergesellschaften hat sich gezeigt, daß da enorme Sparpotentiale gegeben sind.

Im übrigen ist es mir ein besonderes Anliegen, zu betonen, daß die angeführten Effizienzsteigerungen und Rationalisierungen bei diesen Gesellschaften ohne soziale Spannungen in den Betrieben erfolgen konnten und kein Personalabbau stattgefunden hat. Mein Dank gilt daher insbesondere auch der Belegschaft und ihren Vertretern in diesen Gesellschaften, von denen ich weiß, daß sie auch in der Frage der endgültigen Zusammenlegung in ein Unternehmen äußerst flexibel und kooperativ mitarbeiten würden. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Neben dieser Fusionierung stand für uns auch immer die Frage des Road-Pricing im Vordergrund. Da teile ich auch in einigen Bereichen die Meinung meines Vorredners, des Herrn Mag. Barmüller. Nur durch die Fahrleistungsabhängigkeit eines Mautsystems ist ein zufriedenstellendes Ausmaß an Kostenwahrheit erzielbar. Die Vignette, deren Gestaltung wir mit der heute zu beschließenden Novelle an entsprechende Anregungen der Europäischen Kommission anpassen, die sich aus dem Konsultationsverfahren ergeben haben, ist daher ebenfalls nur als Übergangslösung für uns zu betrachten.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einen Abänderungsantrag hier einbringen, der ... (Abg. Mag. Barmüller: Nichts hält so lange wie österreichische Provisorien!) Ich sage Ihnen dann auch noch die Termine dazu, Herr Kollege Barmüller. Aber lassen Sie mich vorher noch schnell einen Abänderungsantrag einbringen, der davon ausgeht, daß die Organe der Zollwache bisher nur im Rahmen ihrer Tätigkeit als Grenzkontrollorgane an der Vollziehung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996 mitwirken. Nunmehr soll vorgesehen werden, daß die Organe der Zollwache im Rahmen aller ihrer gemäß Zollrechts-Durchführungsgesetz obliegenden Aufgaben tätig werden.

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Kurt Eder, Dr. Walter Schwimmer und Genossen zum Antrag 288/A der Abgeordneten Dr. Walter Schwimmer, Ing. Erwin Kaipel und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes (347 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der im Titel bezeichnete Antrag wird wie folgt geändert:

Ziffer 8 lautet:

"8. § 13 lautet:

‚§ 13. Die Organe der Straßenaufsicht (§ 97 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159) und – im Rahmen der Wahrnehmung der ihnen sonst obliegenden Aufgaben – die Organe der Zollwache (§ 15 Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994) haben an der Vollziehung des § 12 dieses Bundesgesetzes mitzuwirken

1. durch Überwachung der Einhaltung seiner Vorschriften,

2. durch Maßnahmen, die für die Einleitung oder Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren erforderlich sind, und

3. durch Entgegennahme der Zahlungen gemäß § 12 Abs. 3.‘"

*****

Meine Damen und Herren! Ich erinnere nur daran, daß im Gesetz selbst als Termine – und das ist jetzt an die Adresse des Kollegen Barmüller gerichtet – für die Installierung des Road-Pricing die Jahre 1998 für den LKW und 2001 für den PKW im Gesetz festgeschrieben sind. Die technischen Möglichkeiten werden zu diesem Zeitpunkt ... (Abg. Mag. Peter: Wir werden Sie daran erinnern!) Ja, ich werde selbst darauf achten, daß wir das tun. Wir werden es gemeinsam machen.

Die technischen Möglichkeiten werden zu diesem Zeitpunkt ohne Zweifel gegeben sein, denn sie sind meines Erachtens jetzt schon in hohem Maße soweit, wie ausländische Beispiele zeigen.

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Die Vignette ist aus zwei Gründen nunmehr als rasche Lösung von Vorteil. Zum ersten ermöglicht sie relativ rasch, Einnahmen zu erzielen – das ist gar keine Frage –, die ebenfalls laut Gesetz dem Straßenbau zugute kommen. Damit kann unter anderem der Lückenschluß – und ich spreche hier wirklich nur vom Lückenschluß – des hochrangigen Straßennetzes schneller vorangetrieben werden. Dies ist nicht nur für die Autofahrer wichtig, die neben der Erhaltung der bestehenden Strecken eine weitere konkrete Gegenleistung erhalten, sondern insbesondere auch für die Wirtschaft und im speziellen natürlich auch für die Bauwirtschaft.


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Ich brauche wohl nicht zu betonen, was die in dem Baugipfel der Bundesregierung beschlossenen Projekte für den heimischen Arbeitsmarkt bedeuten.

Zum zweiten steht die Vignette auch in engem Zusammenhang mit der Möglichkeit, die Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes in Österreich den Maastricht-Kriterien konform anzugliedern und damit die vorhin erwähnten Synergieeffekte und Effizienzgewinne voll zu nutzen.

Die vorgesehene Fusionierung, von der ich gesprochen habe, wird jedenfalls schon in der Zeit vor Einführung des Road-Pricing-Systems die entsprechenden EU-Kriterien erfüllen.

Weiters ist es auch aus EU-Sicht erforderlich, daß die neue Gesellschaft, die hier zu gründen wäre, 1997 bereits Bilanz legt. Dafür ist sie mit entsprechendem Vermögen auszustatten, was meiner Ansicht nach durch die Übertragung des Fruchtgenußrechtes am hochrangigen Straßennetz erfolgen sollte. So hoffe ich beispielsweise, daß die Länder, die jetzt an den Straßensondergesellschaften immer noch Anteile halten, der Fusionierung nicht im Wege stehen werden. Bei der Zusammenlegung vor drei Jahren hat es doch einige Schwierigkeiten gegeben. Ich hoffe, daß diese nicht mehr auftreten werden.

Die Frage der Erhaltung sehe ich in diesem Zusammenhang nicht als Problem. Ich gehe davon aus, daß an den Zuständigkeiten der Bundesstraßenverwaltung der Länder und der Straßensondergesellschaften kurzfristig keine Änderungen eintreten werden. Mittelfristig würde ich aber doch dafür plädieren, die Landeseinrichtungen so weit zu verselbständigen, daß sie als eigenständige Marktbewerber in Konkurrenz treten können, auch um das ohne Zweifel vorhandene Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch besser und flexibler als jetzt nutzen zu können.

Aus all den erwähnten Gründen, meine Damen und Herren, wird meine Fraktion der heute zur Beschlußfassung vorliegenden Novelle zustimmen, wobei ich noch extra auf unseren – Kollege Schwimmer hat ja bereits darauf hingewiesen – im Bautenausschuß beschlossenen Entschließungsantrag hinweisen möchte, mit dem der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ersucht wird, bestimmte Einsatzfahrzeuge, Polizei, Rettung, Feuerwehr, Bergrettung und so weiter, wie es Kollege Schwimmer gesagt hat, mittels Verordnung dann aus der Vignettenlösung auszunehmen.

Ich möchte aber abschließend noch einmal betonen, daß die Arbeiten an der skizzierten umfassenden Neukonstruktion der Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes in Österreich aus meiner Sicht mit Nachdruck weiterverfolgt und die erwähnte Fusionierung spätestens im ersten Quartal des kommenden Jahres durchgeführt werden sollte. Das wäre meine Forderung an den Herrn Bundesminister. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Eder vorgetragene und geschäftsordnungsgemäß unterstützte Antrag wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Als nächster hat sich Herr Abgeordneter Anschober zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

19.07

Abgeordneter Rudolf Anschober (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Grünen von der Vignette halten, brauche ich eigentlich nicht zu wiederholen. Wir haben das schon sehr klar und deutlich dokumentiert. Ich halte sie für ein sozial und ökologisch völlig unausgegorenes Geldbeschaffungssystem, das nicht dem entspricht, was wir alle miteinander – da kann ich nur an die Vorredner anschließen – als notwendig erachten würden, nämlich Schritte und Maßnahmen in Richtung Kostenwahrheit gerade im Individualverkehrsbereich.

Man kann eine grundlegend falsch angesetzte Konzeption nicht dadurch retten, daß Detailerleichterungen, die tatsächlich enthalten sind, aufgrund welchen Drucks auch immer, teilweise seitens der Europäischen Union, teilweise natürlich auch seitens der Autofahrerorganisationen,


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die sich auch massiv für einige Ausnahmen engagiert haben, geschaffen werden. Die beste Lösung für die Vignette wäre meiner Ansicht nach die Ausnahme für alle Bürger und die sehr, sehr rasche Einführung von alternativen Maßnahmen, die auf dem Tisch liegen. Das ist entweder das elektronische Road-pricing, das ja in manchen Bereichen in Europa bereits funktioniert, also kann es in Österreich nicht an der Technologie alleine liegen, da fehlt schon langfristig die Vorbereitung. Ich kann mich an Parlamentsdebatten aus dem Jahre 1991 erinnern, wo es bereits die Forderung gegeben hat, wo man auf internationale Beispiele verwiesen hat, wo es funktioniert. Aber dies wurde leider Gottes nicht rechtzeitig angegangen.

Das zweite wäre – ich muß sagen, da gibt es ja auch Konzepte im Wirtschaftsministerium selbst, die sich mit dem decken, was die Grünen als Lösung in diesem Bereich vorschlagen – eine Kilometerabgabe, die nicht auf die Autobahn reduziert ist, sondern generell ohne Gesamterhöhung der Belastung für alle Straßenbereiche definiert ist.

Es gibt eine parlamentarische Anfragebeantwortung, die vor zirka einem halben Jahr erfolgt ist, in der dezidiert auch Überlegungen des Wirtschaftsministeriums in diese Richtung angestellt wurden. Dies wäre ja auch leicht meßbar, etwa mit einem plombierten Tachometer und dem Ablesen bei der jährlichen Pickerlkontrolle. Das wäre ein relativ billiges System, das machbar wäre, das rasch vor einer elektronischen Umsetzung eine österreichweite Kilometerabgabe und damit eine Form von Road-pricing realisieren könnte.

Auf die Nachteile der Vignette ist Thomas Barmüller bereits eingegangen. Ich erspare es mir, das jetzt zu wiederholen. Wir haben es schon mehrfach thematisiert.

Aber, Herr Minister, vielleicht ist das eine Gelegenheit, daß wir einen zweiten Bereich kurz andiskutieren, und da wäre ich auf Ihre Meinung jetzt sehr neugierig.

Es hat vor einem halben Jahr eine Anfragebeantwortung gegeben, worin die jährlichen Nettoeinnahmen aus der Vignette mit rund 1,2 Milliarden Schilling geschätzt wurden. Ich weiß: Prognosen in einem neu einzuführenden System sind keine einfache Angelegenheit, ganz klar. Aber ich gehe doch davon aus – und da werden Sie mir wahrscheinlich nicht widersprechen –, daß jede Ausnahme, so klein die davon betroffene Bevölkerungsgruppe auch sein mag, trotzdem nicht zur Erhöhung der Einnahme, sondern eher zum Gegenteil führen wird – auch wenn es, wie gesagt, kleinere Bevölkerungsgruppen sind –, aber auch die von der EU erzwungenen Regelungen werden nicht zur Einnahmenerhöhung beitragen.

1,2 Milliarden Schilling waren also die damalige Schätzung. Nun höre ich, daß in Ihrem Ministerium seit drei Wochen fix und fertig der Verordnungsentwurf für die Finanzierung des ersten Lückenschlußpaketes, des 15-Milliarden-Schilling-Paketes, vorliegt, daß er auch bereits dem Finanzministerium zur Herstellung des Einvernehmens – ich glaube, so lautet die konkrete Formulierung – vorgelegt wurde; dabei ist die Refinanzierung natürlich über Vignette und Road-pricing geplant. Und da wird plötzlich nicht mehr von 1,2 Milliarden Schilling, sondern, wie ich höre, von 2,5 Milliarden Schilling ausgegangen – dies trotz dieser Ausnahmeregelungen, die heute wahrscheinlich beschlossen werden!

Meine Frage ist jetzt: Da es natürlich insgesamt für Österreich eine wesentliche finanzpolitische Frage ist, ob die Prognosen eintreffen, frage ich Sie, wie Sie plötzlich eine Verdoppelung der Einnahmen errechnen, wie Sie zu diesen neuen Zahlen kommen, wie Sie von 1,2 Milliarden auf 2,5 Milliarden Schilling kommen.

Denn – und das brauche ich, hoffe ich, niemandem hier in diesem Hause zu erklären – damit kann natürlich auch indirekt die Staatsschuldenquote betroffen sein, weil ja unser Schuldenstand via ASFINAG in einer Größenordnung von rund 77 Milliarden Schilling – meiner Erinnerung nach über den Daumen gepeilt – plus die 15 Milliarden Schilling, die wir hier einrechnen müßten, sauber gerechnet nur dann ausgegliedert gelten und aus der Staatsschuldenquote herausgerechnet werden können, wenn das Verhältnis der Einnahmen und der Investitionen auch tatsächlich stimmt – vereinfacht ausgedrückt.


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Das ist meiner Ansicht nach, wenn die Prognosen hinsichtlich der Einnahmen – 2,5 Milliarden Schilling – nicht sehr fundiert sind und nicht mit Sicherheit halten, ein Risiko, das man diskutieren sollte.

Deswegen in dieser Debatte mein Ersuchen, Herr Minister, uns hier Einblick zu geben, wie es zu diesen neuen Prognosen gekommen ist.

Ich weiß, es steckt eine Studie dahinter, die in Auftrag gegeben wurde. Dennoch: Sagen Sie uns, welche konkreten, völlig veränderten Schätzungen und Kalkulationen hier vorliegen, damit auch dieses Haus mit gutem Gewissen sagen kann, das ist so erklärbar und das könnte so Realität werden. – Ich danke im voraus. (Beifall der Abg. Haidlmayr. )

19.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Kröll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.13

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Zum Antrag 288/A und 233/A (E) betreffend Bundesstraßenfinanzierungsgesetz und Verordnung zur Schaffung von Ausnahmen der Mautvignette liegt einiges vor, so auch die Beilagen der Beratungen des Bautenausschusses 347 und 348 mit der Antragsbegründung.

Mir ist schon klar, daß mit der Einführung einer Jahresmautvignette – dies wurde heute bereits des öfteren festgestellt –, mit dem Grundsätzlichen und der Ausnahmeregelung für Autobahnen und Schnellstraßen nicht alle eine Freude haben werden.

Dennoch kann man aus gutem Grund den Anträgen des Bautenausschusses, der entsprechenden Abgeordneten mit den nun vorgesehenen verbesserten Maßnahmen und Erleichterungen zustimmen. Es geht nämlich primär wirklich um die EU-Anpassung und um erhebliche Regelungen von Erleichterungen und Ausnahmen.

Begründung: Erstens: Wir brauchen noch weitere Straßen, und zwar nicht nur die Schließung von Autobahnlücken, sondern generell. Aus meiner Heimat weiß ich, daß die Lücke der Pyhrn dringend geschlossen werden müßte, aber auch im Ennstal warten wir zum Beispiel seit vielen Jahren auf eine Regelung. Weitere Straßenbauten sind also notwendig. Dazu brauchen wir natürlich auch finanzielle Mittel, die aus den Budgetmitteln im allgemeinen nicht zur Verfügung stehen.

Das war ja auch die Begründung für die Vignette, daß – ich glaube, es handelt sich um rund 1,5 Milliarden Schilling – diese Einnahmen dem Straßenbau gezielt und konkret zur Verfügung stehen.

Als betroffener Obersteirer sage ich: Eine generelle Vignette für alle Österreicher und alle Verkehrsteilnehmer, die auch aus dem Ausland zu uns kommen und auf Autobahnen und Schnellstraßen durch Österreich reisen, ist gerechter als die jetzige Lösung.

Ich habe schon Verständnis dafür, daß ein Wiener oder ein Niederösterreicher am liebsten nie etwas zahlen möchte. Wir aber zahlen, wenn wir in die Landeshauptstadt nach Graz oder nach Linz fahren, immer schon Maut, und wir sehen auch nicht ein, daß wir benachteiligt werden. Daher halte ich die Vignette für eine gerechtere Lösung, weil es eine Lösung ist, die ganz Österreich betrifft. (Abg. Apfelbeck: Wir wollen nicht zweimal zahlen, Herr Kollege!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Haigermoser: ... Schladming!) Du, damit kann ich gut leben. Ich habe zehn Mandate und ihr zwei Mandate. Das ist kein Problem. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir also mehr Gerechtigkeit erzielen und gleichzeitig Mittel für weitere Straßenbauten erhalten, ist es auch der richtige Weg. Wenn wir genügend Geld hätten und keine Straßen mehr zu bauen bräuchten, bräuchten wir uns auch nicht mit Vignetten und diesbezüglichen Ausnahmen zu befassen. Aber so ist es eben nicht.


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Die vorgesehenen Ausnahmeregelungen per Verordnung durch das Wirtschaftsministerium, mit der Zustimmungskompetenz des Finanzministeriums, berücksichtigen sowohl die Interessen der Arbeitspendler – das ist eine wichtige Sache – sowie der Jahresmautkartenbesitzer. Es ist auch eine Lösung für die Einsatzfahrzeuge gefunden worden, nämlich eine Befreiung für Behindertenkraftfahrzeuge, für die gesamte Exekutive, Feuerwehr, Rettung, Bergrettung sowie für die Heeresfahrzeuge.

So ist das, glaube ich, wirklich eine Lösung, zu der man auch ja sagen kann, wenn man die Voraussetzung so sieht, wie wir sie sehen: daß wir noch Mittel für Straßenbauten brauchen. Diesbezüglich darf ich auf die Bemühungen der Landeshauptleute, auch unserer Frau Landeshauptfrau Klasnic, sowie auch vieler Bürgermeister aus diesen Regionen verweisen, die damit beim Herrn Minister im wesentlichen das durchbringen konnten, was hier angesprochen wurde.

Durch diese Befreiung beziehungsweise durch die Berücksichtigung bei den Jahresmautkarten und bei den Pendlerkarten ist sichergestellt, daß es für diese Gruppen zu keiner zusätzlichen Bemautung kommt.

Die Tarifgestaltung – und da komme ich dann auch schon auf das Stichwort zurück – mit den Kurzzeitangeboten ist nämlich nicht nur eine EU-konforme Lösung, sondern vor allem auch eine tourismusfreundliche. Die Wochenkarte mit der 10-Tage-Gültigkeit und zwei Wochenenden um 70 S für den PKW oder für einen Autobus mit 300 S ist ebenso interessant wie eine 2-Monats-Vignette um 80 S beziehungsweise um 150 S für mehrspurige Kfz oder um 1 500 S für den Omnibus. Man hat damit auf berechtigte Anliegen und Bedürfnisse des Tourismus in unseren Regionen reagiert und war durchaus flexibel.

Ich glaube daher, daß diese Kurzzeitstaffelungen nun auch EU-konform sind und daß es – wie ich schon sagte –, wenn man alles bewertet, keine Frage ist, ob wir das brauchen oder nicht, sondern weiterer Straßenbau ist einfach notwendig. Dafür sind finanzielle Voraussetzungen zu schaffen, und zwar möglichst gerechter Art. 

Daher sind Ausnahmen notwendig. Gleichzeitig soll es aber eine Vignette für alle Österreicher und alle Verkehrsteilnehmer, die in unserem Land hochrangige Straßen befahren, geben. So kann man, glaube ich, bei grundsätzlicher Regelung den verbesserten Ausnahmebestimmungen und Erleichterungen zustimmen. Wir tun es, und ich lade Sie ein, es auch zu tun. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

19.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haller. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Redezeit: 7 Minuten.

19.20

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn der Kollege Schwimmer in seiner Wortmeldung meinem Kollegen Rosenstingl Ignoranz unterstellt hat, ist das erstens schärfstens zurückweisen (Abg. Marizzi: Da hat er ja nur recht gehabt!) , zweitens ist ihm im Gegenzug Doppelzüngigkeit zu unterstellen, es sei denn, er hat nicht zugehört, was der Kollege Rosenstingl erklärt hat. (Abg. Parnigoni: Er hat ja nur die Wahrheit gesagt!) Er hat ganz genau erklärt, worum es uns Freiheitlichen geht. (Abg. Dr. Schwimmer: Sie haben ja zugegeben, Sie unterstellen es mir!) Sie können jetzt herausschreien, was Sie wollen, das was Sie gemacht haben, war Ignoranz! (Abg. Dr. Schwimmer: Sie haben ja selbst gesagt, Sie unterstellen es mir!)

Ich unterstelle es Ihnen, und zwar geht es um folgendes: Es geht um zwei Tagesordnungspunkte, die hier behandelt werden: Dem Punkt, bei dem es um Ausnahmeregelungen für Einsatzfahrzeuge geht, Herr Kollege Schwimmer, stimmen auch wir Freiheitlichen zu, weil wir darin eine Verbesserung sehen.

Nicht zustimmen werden wir natürlich dem Antrag 288, denn da sind keine Verbesserungen enthalten, das ist nur ein Feinschliff des Belastungspaketes der Vignette, Herr Kollege Schwimmer.


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(Abg. Parnigoni: Warum mischen Sie sich überhaupt ein?) Ich verteidige meinen Kollegen Rosenstingl.

Wir alle wissen, worum es geht: um eine Änderung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes, das wir vor Monaten hier beschlossen haben und wo wir Freiheitliche schon nicht mitgestimmt haben, weil dieses Vignetten-System grundsätzlich falsch ist, Herr Kollege Schwimmer. Das sagen auch Fachleute, nicht nur wir Freiheitliche. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang hat es in der politischen Diskussion Zusagen des damaligen Bundesministers Ditz gegeben, den Abschnitt Kufstein/Kiefersfelden und Kufstein/Ausfahrt Süd mautfrei zu halten.

In diesem Bundesstraßenfinanzierungsgesetz ist ausdrücklich festgehalten, daß die Anschaffung der Vignette bei der Benützung von Bundesautobahnen erforderlich ist. Also ist es dann auch ganz logisch, daß Ausnahmen von dieser Vignetten-Ankaufspflicht auch im Wege des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes festgelegt werden müssen.

Wir haben einen Punkt, wo es solche Ausnahmeregelungen gibt, und zwar den für die Einsatzfahrzeuge; auch dafür sind wir Freiheitliche. Es wäre nur logisch und sinnvoll, die zugesagte Ausnahmeregelung, zu der sich in der Zwischenzeit auch nach längerem Hin und Her Herr Bundesminister Farnleitner bekennt, auch als Ausnahmeregelung im Bundesgesetz zu verankern, denn anscheinend hat man die dramatische Situation in Kufstein, bedingt durch den Tagestourismus im Raum Kitzbühel, doch erkannt, denn sonst würde man nicht eine Lösung gesucht haben, die jetzt allerdings so ausschaut, daß man die Hinweistafeln erst kurz vor der zweiten Ausfahrt aufzustellen gedenkt.

Würde man die Ausnahmeregelung im Gesetz festhalten, wären Beispielsfolgen nicht zu befürchten. Sehr wohl sind aber Beispielsfolgen zu befürchten, wenn man diese nun von Ihnen angestrebte Lösung verwirklicht. Denn: Können Sie mir sagen, Herr Bundesminister, was man dann in Bregenz machen wird? Vielleicht diese Tafeln anderswo aufstellen?

Sie müssen es sich einfach gefallen lassen, daß ich die Wirksamkeit dieses Gesetzes insgesamt und die Gesetzeskonformität dieser Regelung für Kufstein anzweifle und in Frage stelle, denn wie wollen Sie denn dann die Kontrollen in diesem Bereich durchführen? Es darf dann keine Grenzkontrolle bei der Einreise geben, es darf dann auch die ersten fünf Kilometer keine Verkehrskontrolle geben. Damit werden dann auch alkoholisierte Lenker oder Geschwindigkeitsübertreter in diesem Bereich nicht kontrolliert, weil doch laut Abänderungsantrag 288/A diese Kontrollen nur im Zusammenhang mit einer verkehrstechnischen Überwachung durchgeführt werden können.

Wie stellen Sie sich das dann bei der Rückreise vor, Herr Bundesminister? Da ist doch die Rechtsunsicherheit noch größer. Da müßte man dann die Kontrolle an der Grenze bei der Ausfahrt durchführen und würde den allwöchentlichen Grenzstau, den es bereits jetzt schon gibt, noch weiter verstärken.

Herr Bundesminister! Ich glaube, Sie kennen die Realität einfach zu wenig. Ich bezweifle überhaupt, daß die Kontrollen in Tirol so ausgeführt werden können, daß sie letztlich das Ergebnis erbringen, das Sie sich vorstellen.

In Urlaubszeiten gibt es 90 Prozent Durchzugsverkehr, und wer in den entsprechenden Bereichen nicht von der Autobahn abfährt, kann dann nur bei einer stichprobenartigen Überprüfung angehalten werden; beim erstmaligen Anhalten beziehungsweise beim erstmaligen Betreten von Mauthinterziehern gibt es nicht einmal eine Verwaltungsstrafe. Das findet Herr Kollege Schwimmer positiv – ich nicht!

Er hat auch das Schweizer Modell angeschnitten. Da gibt es sehr hohe Verwaltungsstrafen, obwohl ich es im Prinzip nicht vergleichen möchte.


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De facto ist es so, daß die "dummen Touristen", die in Tirol bleiben, die Vignette kaufen müssen, auch die Österreicher werden sie kaufen müssen, und die nur Durchreisenden werden wieder alle Möglichkeiten ausnützen – wie es jetzt schon im Bereich der Brennermaut passiert –, entweder auf das untergeordnete Straßennetz auszuweichen oder einer Verkehrskontrolle zu entkommen.

Herr Bundesminister! Sie haben zu mir im Ausschuß gesagt, eine Lex Kufstein sei für Sie wegen der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes undenkbar. Wir Freiheitliche sind aber für solch schlampige Gesetzumgehungslösungen, wie sie jetzt von Ihnen und Ihren Parteikollegen forciert werden, nicht zu haben.

Deshalb stellen wir folgenden Abänderungsantrag zum Antrag 288/A:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Edith Haller und Kollegen

Der erste Satz des § 1 Abs. 1 wird wie folgt geändert:

§ 1. (1) Der Benützer von Bundesstraßen A (Bundesautobahnen), mit Ausnahme des Autobahnabschnittes Kufstein/Kiefersfelden bis Kufstein/Ausfahrt Süd, sowie von mehrspurigen Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) und Bundesstraßen B, die ähnliche Merkmale wie Bundesstraßen A aufweisen, hat dem Bund als Entgelt eine fahrleistungsabhängige Maut zu leisten.

*****

Ich würde Sie bitten, dem Versprechen des Herrn Bundesministers Ditz auch gesetzeskonform nachzukommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Haller eben vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Als nächster Redner ist Abgeordneter Marizzi zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. 20 Minuten Redezeit.

19.28

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Haller, ich verstehe Sie nicht. Sie sind gegen die Vignette und gleichzeitig für die Ausnahmeregelungen. Das ist für mich so, als wäre Ihr Mann gegen einen Autokauf ist und würde Ihnen dann zu Weihnachten vier Winterreifen anstelle einer Perlenkette schenken. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Haller. ) Ich kann mir nicht vorstellen, wie das alles zusammenpaßt, Frau Kollegin Haller. (Abg. Haller: Ich habe ja das Versprechen der Mautbefreiung nicht gegeben, Herr Kollege!)

Sie sind gegen die Vignette und für die Ausnahmeregelungen. Nur kennt sich da niemand aus. Sie müssen mir das dann erklären, ich möchte in 5 Minuten Schluß machen. (Abg. Auer: Was populär ist, da ist sie dagegen!) – Ja: Wir sind gegen alles, aber wissen nicht, warum.

Kollege Schwimmer hat schon über die positiven Veränderungen dieser Novelle gesprochen, und auch im Ausschuß wurde das ausführlich diskutiert.

Kollege Rosenstingl hat schon wieder die Schlagwortphilosophie gebracht: Arbeitsplatzvernichter. Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Die Bundesregierung wird in den nächsten fünf, sechs Jahren mindestens 37 Milliarden Schilling in den Ausbau des Verkehrsnetzes investieren. Da sollte man mit dem Wort "Arbeitsplatzvernichter" ein bißchen vorsichtig sein, denn wenn man ein bißchen rechnen kann, Kollege – man kann ja vielleicht den Taschenrechner nehmen –, dann kann man sich ausrechnen, wie viele Arbeitsplätze damit ge


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sichert werden und wie viele Aufträge die Bauwirtschaft hat. Dieser Vorwurf kommt wirklich aus der letzten Lade.

Kollege Rosenstingl! Wenn Sie sagen, die Vignette wäre grundsätzlich eine Schröpfaktion, dann muß ich Ihnen entgegenhalten: Jährlich – Sie sind ja so ausländerfreundlich – fahren 77 Millionen ausländische PKWs und LKWs durch Österreich. Nachbarländer wie Italien haben eine Bemautung, die Schweiz hat eine Vignette, Frankreich hat ein Road-Pricing-System, und dann fahren die Leute durch das Land und tanken nicht einmal mehr. Einerseits wissen wir, daß wir ein Transitland sind, und dann kommt der Vorwurf, das sei eine Schröpfaktion.

Es ist gerecht, weil in ganz Europa die Leute sagen, auch die Autobahnbenützung muß etwas kosten. Und wenn 77 Millionen ausländische LKWs und PKWs durchfahren, meine sehr geehrten Damen und Herren der Freiheitlichen, dann muß man eigentlich darüber reden und muß sagen, der erste Schritt ist die Vignette. Die Schweiz hat sie, sie ist damit zufrieden, und ich glaube, kein Österreicher, der in Italien auf einer Autobahn fährt, kann dort gratis fahren.

Damit bin ich gleich beim nächsten Thema, weil Sie sagen, das ist tourismusfeindlich:

In Italien kostet die Fahrt von Tarvis nach Venedig auf der Autobahn, glaube ich, mehr als 70 S, und eine Tourismusvignette für zehn Tage kostet 70 S, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, da sollte man bei uns nicht alles miesmachen und madig machen.

Meiner Meinung nach haben die Einführung der Vignette und die ganzen Veränderungen einerseits eine positive Auswirkung auf den Straßenbau, andererseits kommen wir so auch zu einer Kostenwahrheit im Verkehr.

Weil Kollege Barmüller hier sitzt: Ich weiß, ich bin in meiner Fraktion damit vielleicht allein, aber ich bin vorsichtig mit der Einführung des Road-Pricing. Die Vignette kostet den österreichischen Steuerzahler etwas, bringt aber dem Staat 2,2 Milliarden Schilling. Das Road-Pricing wird den Autofahrer mit 10 Milliarden belasten. Ich glaube, wenn Herr Kollege Barmüller auf der einen Seite sagt, der Autofahrer ist jetzt so stark belastet, und auf der anderen Seite für das Road-Pricing plädiert, dann muß ich sagen, da geht er einen schmalen Weg auf der Rasierklinge, weil das Road-Pricing 10 Milliarden kostet.

Ich weiß schon, die Grünen wollen das, und die Liberalen wollen das auch. Vielleicht wollen sie, daß die ÖVP und die SPÖ bei den nächsten Wahlen verlieren, denn wir werden es beschließen, und die anderen werden dagegen sein. Und damit sind wir wieder in einer Situation, von der die anderen sagen: Ja, wir waren im Parlament für die andere Variante, aber die Regierung hat es beschlossen.

Kollege Rosenstingl hat wieder etwas verwechselt – er hat wieder über den Semmering-Tunnel gesprochen: Er hat den Bahntunnel gemeint, ich meine jetzt den Straßentunnel, denn nicht der Bahntunnel wird mit der Vignette und mit diesen Finanzierungssystemen finanziert, sondern der Straßentunnel. Richtet das bitte Kollegen Rosenstingl aus! Er hat über den Semmering-Eisenbahntunnel gesprochen; hier in diesem Bautenkomplex ist der Straßentunnel gemeint. Und ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus dem Bezirk Neunkirchen stammend, sage Ihnen: Wir sind froh!

Herr Bundesminister! Herr Kollege Ditz hat am 18. März 1994 hier von diesem Platz versprochen, die Finanzierung sei jetzt gesichert und es werde begonnen. Herr Kollege Anschober hat Sie diesbezüglich gebeten, etwas zu erledigen, und ich möchte gerne einmal den Terminplan sehen und mir das einmal genau ansehen. Ich wäre daher froh, wenn Sie mir das einmal zusenden könnten, wann wirklich der Spatenstich dort ist und wann dort mit den offiziellen Arbeiten begonnen wird. Dieses Projekt dauert schon zehn Jahre. Der Semmering – Sie wissen das – erlebt eine Renaissance des Tourismus, aber er erstickt im Verkehr.

Wir haben eine 80prozentige Verkehrsbelastung, und wir wollen dort den Tourismus ausbauen. Alle politischen Parteien im Bezirk haben den Konsens, daß dieser Semmering-Straßentunnel


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gebaut werden soll. Herr Bundesminister! Sie können uns eine Freude machen, wenn vielleicht im Frühjahr nächsten Jahres dort der Spatenstich ist. Dann werden wir alle kommen.

Grundsätzlich sind wir alle – auch ich persönlich – für die Vignette, ich persönlich bin auch für die vorgesehenen Verordnungen. Beim Road-Pricing muß man ein bißchen aufpassen – es kostet 10 Milliarden Schilling. Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein erster Schritt in Richtung Kostenwahrheit. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.34


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Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Als nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. Mögliche Redezeit: 20 Minuten.

19.34

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Warum ich mich hier zu Wort gemeldet habe, hat zwei Gründe: Der eine ist der Aspekt des Kollegen Marizzi. Ich meine, die Vignette und das Road-Pricing sind eben zwei sehr verschiedene Zugänge zur Kostenwahrheit im Verkehr. Ich glaube, daß aus diesem Grund die Vignette zwar die schnelle Lösung im Rahmen des Sparpaketes war, weil sie verhältnismäßig einfach einführbar ist, daß aber die nachhaltige Lösung zur Herstellung von Kostenwahrheit im Verkehr – und im übrigen auch zur Herstellung einer chancenmäßigen Wettbewerbsgleichheit zwischen Schiene und Straße – die kilometerabhängige Belastung sein sollte.

Daß das nicht problemfrei ist, sei zugegeben, und daß es etwa auch im Bereich der Pendler und so weiter und so fort unter Umständen einen diffizilen legistischen Bedarf geben wird, lasse ich völlig offen, das räume ich ein, das ist so. Das heißt aber nicht, daß man sich nicht um den Grundsatz einer Lösung bemühen muß, die die Inanspruchnahme des Verkehrssystems widerspiegelt.

Daher meine ich, Road-Pricing ist sicher nicht problemlos, aber es ist gerechter, verursachergerechter als die Vignette, die linear und unflexibel wirkt.

Was aber hier heute von mir auch noch angemerkt werden soll und was ich gerne eben auch in den Stenographischen Protokollen stehen hätte, ist folgendes: Wir haben hier schon wieder einmal eine "Novellierung im kurzen Rhythmus", also wieder eine der Reparaturen im Rahmen des sogenannten Sparpaketes – diesmal von außen auferlegt: Es war nicht ganz EU-kompatibel, von jedem, der sich hier auch nur kurz aufhält, die Jahresvignette zu verlangen, daher haben wir eine Novelle in Form eines Initiativantrages vorliegen, wobei ja das ganze Sparpaket ein Initiativantrag war.

Dann verstehe ich an sich aber umso weniger, warum jetzt die Kollegen Auer und Eder die Ausnahmeregelungen für Einsatzfahrzeuge in Form eines Entschließungsantrages eingebracht haben. Also das ist eine Ausnahme, die sehr wohl formulierbar ist! Wenn man das gerne möchte, dann hätte man auch hier den Weg des Initiativantrages und nicht des Entschließungsantrages wählen können.

Hier fordern jetzt die Abgeordneten, die teilweise genau das im Rahmen des Sparpaketes beantragt und beschlossen haben, was jetzt bei den Einsatzfahrzeugen unbefriedigend ist – da sind wir ja inhaltlich völlig beieinander –, die Bundesregierung auf, das zu ändern, was das Parlament im Wege eines Initiativantrages beschlossen hat. Also da hätte ich mir doch eher einen Initiativantrag erwartet. (Abg. Mag. Peter: Vielleicht dürfen sie nicht anders!) Aber vielleicht war das mehr ein Antrag für das Schaufenster, und da ist ein Entschließungsantrag allemal schneller geschrieben und weniger verbindlich im Effekt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Peter. )

Er ist im konkreten Fall sehr mehrheitsfähig, ich frage mich nur, wann wir damit rechnen dürfen, daß dann tatsächlich diese Ausnahme, zu der sich alle bekennen, so beschlossen werden wird, daß sie auch Gesetzeskraft hat. Der Entschließungsantrag ist schön – unsere Fraktion wird ihm zustimmen –, viel lieber hätten wir einem einschlägigen Initiativantrag zugestimmt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Ellmauer. – Herr Abgeordneter, bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

19.38

Abgeordneter Matthias Ellmauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Kollegen haben zur Änderung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996 schon eingehend Stellung genommen; lassen Sie mich noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen dazu machen.

Eine entsprechende Infrastruktur zu errichten, zu erhalten, weiter zu verbessern und auszubauen, ist die Voraussetzung für das Florieren der Wirtschaft und somit für den Erhalt, die Sicherung und die Neuschaffung von Arbeitsplätzen. Die Entwicklung des Straßenverkehrs ist mit ein Indikator für die Wirtschaft insgesamt, und diese ist hoffentlich auch in Zukunft von Produktivitätssteigerungen geprägt.

Vergleicht man die Verkehrszahlen im Bundesgebiet des Jahres 1995 mit denen des Jahres 1980, so stellt man fest, daß das Verkehrsaufkommen in den vergangenen 15 Jahren um 80,2 Prozent gestiegen ist. Es ist daher legitim und unbedingt notwendig, neue Finanzierungsformen zur Schließung der Lücken im höherrangigen Straßennetz zu suchen. Der Erlös der Vignette, der ab 1. Jänner 1997 hereinkommt, sowie der Erlös des Road-Pricing, der hoffentlich für LKWs ab 1. Jänner 1998 hereinkommt, muß natürlich dann zu 100 Prozent für die Fertigstellung und den Lückenschluß des hochrangigen Straßennetzes verwendet werden.

Ein paar andere Gedanken: Der Tourismus, Herr Bundesminister, steckt nicht nur aufgrund eines geänderten Gästeverhaltens in einer Strukturkrise, auch eine leichte Erreichbarkeit mit entsprechender Infrastruktur ist für ein Tourismusgebiet von großer Wichtigkeit.

Wenn die Gäste nicht schnell und problemlos anreisen können, meiden sie dieses Gebiet und fahren dorthin, wo dies möglich ist. Deshalb ist ein zügiger Ausbau von Ortsumfahrungen für Tourismusgemeinden lebensnotwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Man kann auch der Bevölkerung sehr schwer erklären, warum in Gebieten, wo niemand wohnt, die aber sicherlich durch Steinschlag und Lawinen gefährdet sind, Tunnels gebaut werden, und dort, wo über 1 000 Menschen ihren Lebensmittelpunkt haben, zurzeit noch nichts geschieht.

Es ist schon klar, daß das eine aus dem Katastrophenfonds bezahlt wird und das andere aus Mitteln der Bundesstraßenverwaltung zu berappen ist, nur für die Bürger ist das Steuergeld ein Geld ohne Mascherl, und ihnen ist dies kaum zu erklären.

Außerdem ist die B 145, von der ich jetzt spreche, nach der B 1 in Oberösterreich die meistfrequentierte Bundesstraße und der wichtige Zugang zum Salzkammergut. Im Salzkammergut werden etwas mehr als 50 Prozent der touristischen Wertschöpfung des Bundeslandes Oberösterreich erwirtschaftet. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, das letzte schwierige Nadelöhr zum Salzkammergut zu beseitigen und so rasch wie möglich die Ortsumfahrung von Traunkirchen zu errichten.

Sehr geehrter Bundesminister! Seit Juni 1966 liegt das generelle Projekt für die Ortsumfahrung Traunkirchen dem Ministerium zur Genehmigung vor. Morgen wird in dieser Angelegenheit eine Besprechung mit dem Baudirektor von Oberösterreich sein. Ich bitte dich, nach Vorliegen eines positiven Ergebnisses dieser Besprechung dafür zu sorgen, daß die Ortsumfahrung Traunkirchen ehestmöglich genehmigt wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.42

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Am Wort ist nunmehr Herr Abgeordneter Wabl. Mögliche Redezeit: 20 Minuten.

19.42

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine noch anwesenden Damen und Herren! Wir haben im Ausschuß darüber diskutiert, wie zweckmäßig diese


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Maßnahme der Bemautung ist, wie zweckmäßig die Ausnahmeregelungen sind und wie zweckmäßig oder unzweckmäßig die Frage des Road-Pricing ist. An sich ist die Ideologie oder die Idee des Road-Pricing die adäquateste Antwort auf die Problematik der leistungsabhängigen Besteuerung. Aber, meine Damen und Herren, ich halte dieses System für äußerst problematisch.

Ich glaube, daß ein viel einfacheres System zu wesentlich besseren Effekten führen würde im Zusammenhang mit der Erreichung der Kostenwahrheit: eine ganz gewöhnliche Verplombung der Kilometerzähler und eine Abrechnung ähnlich wie bei der Gasrechnung oder Stromrechnung, wobei das mit der immer wiederkehrenden Überprüfung durch die Kfz-Werkstatt beim Pickerl durchgeführt werden könnte. Das wird dann mit der Versicherung miteinbezahlt. Man könnte sogar noch den Verbrauch mit als Schlüssel verwenden.

Wenn dann das Argument kommt, daß Menschen, die sehr weit fahren müssen, natürlich sehr viel zahlen müssen – selbstverständlich, die Kostenwahrheit soll durchschlagen –, dann müssen wir eben auf dieser Seite versuchen, einen Ausgleich zu schaffen, aber wir sollen nicht das Fahren verbilligen. Deswegen halte ich an sich die Ausnahmeregelung für Feuerwehr, Rettung und Bundesheer auch für den falschen Weg, obwohl ich der Meinung bin, daß selbstverständlich die Allgemeinheit und der Staat dafür aufkommen sollen, aber die Kostenwahrheit soll selbstverständlich trotzdem gewahrt bleiben. Ich glaube, daß diese Art der Ausnahmeregelungen falsch ist.

Aber es kommt im Zusammenhang mit der Verplombung der Kilometerzähler meistens das Argument, daß jene in Europa und in Brüssel etwas ganz anderes wollen, und diese haben uns signalisiert – da gibt es besondere Kreise, die so etwas signalisieren, das sind wahrscheinlich die Lobbies, die mit dem neuen technischen System des Road-Pricing Milliarden verdienen –, das wird nicht kommen.

Dann kommt das hervorragende Argument: Was machen wir mit den Kfz, die vom Ausland hereinkommen? – Denen biete ich selbstverständlich auch etwas an! Entweder verplomben sie – das werden sie nicht tun –, oder ich werde ihnen eine Vignette anbieten – angepaßt an ihren Aufenthalt und ihre Aufenthaltsdauer.

Meine Damen und Herren! Ich weiß schon, daß das alles sehr kompliziert ist und daß die Kräfteverhältnisse in Europa sehr schwierig sind. Aber warum ist es nicht möglich, wenn ich tatsächlich Kostenwahrheit will, eine einfache unbürokratische Lösung zu suchen und auch zu finden? – Es gibt genug technisch begabte Leute und praktisch veranlagte Menschen, die darüber nachdenken und zu sehr guten und schlüssigen Lösungen kommen.

Ich weiß das nur als Gasbezieher und Strombezieher, daß das klaglos funktioniert. Ich bin jetzt ungefähr zehn Jahre in Wien, und bei mir war noch nie jemand ablesen. Das funktioniert automatisch. Ich habe meinen Strom- und Gaszähler, und ich gebe die Zahlen bekannt, und wenn die Gas- und die Stadtwerke mir mißtrauen, dann sollen sie nachlesen. Beim Autofahrer ist es noch viel einfacher: Er geht zur Werkstatt, und dort wird automatisch mit dem Pickerl das Ablesen vorgenommen, und dann zahle ich das an die Versicherung ein, wie ich das bei der Kfz-Steuer mache.

Meine Damen und Herren! Solche einfachen Lösungen gehen deshalb nicht durch, weil ich den schrecklichen und fürchterlichen Verdacht habe, daß die Kostenwahrheit eigentlich nicht angestrebt wird, sondern daß all diese Maßnahmen lediglich dazu benützt werden, um Budgetlöcher zu stopfen.

Ich habe im Ausschuß schon erklärt, meine Damen und Herren, daß ich nichts dagegen habe, daß eine Regierung, daß einzelne Minister versuchen, ihre Budgetlöcher zu stopfen. Das ist notwendig. Man muß irgendwo das Geld herholen. Aber dann bitte ich um eine korrekte Argumentation, eine korrekte Linie beim Eintreiben von Steuern. Man muß den Menschen sagen, warum diese Steuern eingehoben werden, und dafür auch um Verständnis werben.


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Denn wenn ich unter dem falschen Titel Steuern einhebe und den Menschen suggeriere, ich mache das, um Kostenwahrheit zu erreichen, dann halte ich das für den falschen Weg, weil ich damit meines Erachtens eine der wichtigsten Maßnahmen im Steuersystem diskreditiere, nämlich die Ökologisierung des Steuersystems.

Damit verringere ich das Verständnis der Menschen für eine wichtige Steuermaßnahme. Ich weiß aus Umfragen, die in den letzten Monaten und Jahren durchgeführt worden sind, daß ein Großteil der Menschen einen Beitrag für den Umweltschutz leisten möchte, auch wenn es etwas oder viel kostet. Aber es gibt null Verständnis, meine Damen und Herren, wenn unter dem Titel Ökosteuer, unter dem Titel Umweltschutz lediglich Maßnahmen getroffen werden, um das Budget zu sanieren. Denn dann ist es korrekter, wenn ich sage: Ich muß das Budget sanieren, und ich versuche, hier zu Geld zu kommen, und ergreife Maßnahmen, die viel Geld bringen.

Meine Damen und Herren! Das halte ich für zulässig. Aber ich halte es nicht für zulässig, daß mit diesen Maßnahmen ökologische Instrumente diskreditiert werden, die letztendlich zum Schaden aller sind.

Sie haben einen Weg gewählt, den ich für falsch halte. Sie wissen ganz genau, daß Kostenwahrheit erst dann erreicht ist, wenn ich tatsächlich das, was ich im Zusammenhang mit volkswirtschaftlichen Gesamtkosten berechnet habe, einnehme und wenn ich tatsächlich alle externen Kosten draufgeschlagen habe. Daß das auch dazu führen würde, die Wettbewerbsfähigkeit in Österreich insgesamt zu erhöhen, und daß das unserer österreichischen Wirtschaft einen großartigen Wettbewerbsvorteil auch in Zukunft bringen würde, das übersehen Sie leider. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Vorschläge, die Sie eingebracht haben, abzulehnen. Ihnen, Herr Bundesminister, würde ich wünschen, daß Sie etwas konsistentere Vorschläge in diesem Zusammenhang vortragen und auch durchsetzen. – Danke schön. (Beifall des Abg. Hans Helmut Moser. )

19.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit: 20 Minuten.

19.48

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Novelle des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes sind im wesentlichen Vorstellungen der Europäischen Kommission nach hoher Benützungsfreundlichkeit berücksichtigt, und ich glaube, daß damit auch dem österreichischen Tourismus Rechnung getragen wird.

Es wird für PKWs bis 3,5 Tonnen eine Vignette für die Woche zu 70 S geben und für einspurige Kraftfahrzeuge für zwei Monate zu 80 S. Ebenso wird die Gültigkeitsdauer der Wochenvignette auf zehn Tage erhöht. Das entspricht auch der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer unserer Gäste in Österreich.

Wegen dieser Wochenvignette wird die vorgesehene Kombivignette, die zwei Fahrten für bemautete Strecken einschließt, nicht erworben werden können.

Weiters sind auch Anpassungen bei den Strafbestimmungen vorgenommen worden. Bestimmungen zur Nachzahlung bei der Benutzung der Autobahn ohne Vignette wurden konkretisiert.

Die Strafbedingungen des vorliegenden Gesetzentwurfes sollen aufgrund öffentlicher Interessen die Einhaltung privatrechtlicher Vorschriften sicherstellen. Das kann aber nur gewährleistet werden, wenn der Strafrahmen so gestaltet ist, daß Betroffene ohne übermäßigen Kontrollaufwand zu gesetzeskonformem Handeln verhalten sind. Die Strafdrohung muß deutlich machen, daß derjenige, der die Maut hinterzieht, ein erhebliches Kostenrisiko trägt.

Die mit der Überwachung betrauten Organe werden die ordnungsgemäße Entrichtung der Maut entweder stichprobenweise im Rahmen von Verkehrsüberwachungen oder auch regelmäßig bei Grenzkontrollen kontrollieren. Bei Betretung eines Kfz-Lenkers, der die Maut hinterzogen hat,


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wird zunächst die Möglichkeit geboten werden, die Maut samt einem in der Mautordnung festgesetzten Betrag zu bezahlen. Wird diese geleistet, so hat der Lenker die Möglichkeit, noch weitere 24 Stunden die mautpflichtigen Straßen zu benützen. Das hat den Sinn, daß die Fahrzeuglenker nicht gezwungen werden, bloß wegen der Betretung vom hochrangigen Straßennetz abzufahren und andere Straßen zu verwenden. Leistet der Lenker die Zahlung aber trotz Aufforderung nicht, dann wird entsprechend dem Verwaltungsstrafgesetz vorzugehen sein.

Selbstverständlich werden die Strafgelder der Bundesstraßengesellschaft zugeleitet, da die Gelder ja dieser auch vorenthalten wurden. Daß das Geld für die Erhaltung der Bundesstraßen verwendet wird, ist selbstverständlich.

Ich bin auch sehr froh, daß der Ausschuß in Form einer Entschließung an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten diesen ersucht hat, mittels Verordnung Ausnahmeregelungen zu schaffen und Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr, Sicherheitsexekutive, Rettung, Bergrettung und Heeresfahrzeuge sowohl von der fahrleistungsabhängigen Maut wie auch von der Vignettenpflicht zu befreien. Diese Ausnahmeregelungen sind im Sinne des allgemeinen öffentlichen Interesses und sind zweifelsfrei sachlich gerechtfertigt. Es wäre wohl auch nicht vertretbar, die diversen Hilfsorganisationen für Einsatzfahrten im Interesse der Allgemeinheit, zum Beispiel zur Bergung von Unfallopfern auf Autobahnen, zur Entrichtung der vorgesehenen Maut zu verpflichten.

Ich glaube, meine Damen und Herren, daß die Novelle einerseits gerechtere Benutzungsregelung und andererseits wirtschaftlichere Administration ermöglicht. Die gegenwärtige Mautlösung stellt insgesamt eine sinnvolle Übergangslösung zum Road-Pricing dar, welches, so hoffe ich, im vorgesehenen Zeitplan auch umgesetzt werden wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.53

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der nächste Redner ist Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten.

19.53

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren die Novellierung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes, eines Gesetzes, das gleich jung wie schlecht ist, wie ich meine. Es wird mit dieser Vignette mit Sicherheit kein Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel erfolgen, sie wird mit Sicherheit keine Lösung der Verkehrsprobleme darstellen. Es ist das, wie schon einige meiner Vorredner kundgetan haben, einfach wieder einmal eine Abschöpfung für das Budget.

Die Straßen sind bereits aus der Mineralölsteuer bezahlt worden. Diese wird allerdings nicht mehr zweckgebunden eingesetzt, die Zweckbindung wurde aufgehoben. Das führt nun dazu, daß einmal mehr ein Griff in die Tasche der Bürger gemacht wird. Dies werden wir mit Sicherheit nicht unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn ich an die Argumentationen diverser Vorredner denke, sehr geehrte Damen und Herren, im speziellen an die des Abgeordneten Schwimmer, der da meint, daß dies alles Erleichterungen und daher durchaus positiv zu sehen sind, daß dem Fremdenverkehr eine besonders positive Richtung gezeigt wird durch diese Maßnahmen, die hier getroffen werden, so rundet das das Bild, das ich mir von der SPÖ-ÖVP-Regierung und ihren Abgeordneten mache, eindeutig ab. Es geht, wie er meinte, darum, daß das Inkasso erleichtert wird, das heißt das Inkasso durch die Exekutive. Der Vignettenverkauf kann quasi durch den Exekutivbeamten erfolgen, unter gleichzeitiger Einhebung des Strafzuschlages. Er hat ausdrücklich gesagt: Die Vignette ist ein Vorteil für den Fremdenverkehr. – Das sollte man beispielsweise den Tirolern sagen, daß dies im Bereich des Tagestourismus ein Vorteil sei. Ich sehe es nicht so.

Wenn die Einführung einer Vignette die Lösung der Arbeitsplatzprobleme ist, dann müßten wir logischerweise zum Schluß kommen: Führen wir noch weitere Vignetten ein, dann haben wir wieder die Vollbeschäftigung in diesem Lande.


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Herr Kollege Marizzi sieht einen Widerspruch in den Aussagen meiner Kollegin Edith Haller, einen Widerspruch deswegen, weil die Freiheitlichen gegen die Vignette sind und trotzdem für die Ausnahmeregelungen stimmen. – Nun, realpolitische Erkenntnisse, Herr Kollege Marizzi, müssen Sie uns auch zugestehen. Wir wissen, daß die Vignette nicht zu verhindern ist, und ich kann mir sehr gut vorstellen, mit welcher Äußerung Sie sich gemeldet hätten, würden die Freiheitlichen gegen diese Regelungen stimmen. Dann wären die Freiheitlichen wahrscheinlich Bösewichte, die gegen diese Erleichterungen sprechen. Es ist nicht ganz nachvollziehbar.

Sie haben Kollegen Rosenstingl angesprochen. Ich darf Ihnen erläutern, warum Kollege Rosenstingl über den Semmering-Basistunnel gesprochen hat. Wir diskutieren hier zugegebenermaßen das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz, aber, sehr geehrte Damen und Herren, ich darf Sie daran erinnern – Herr Kollege Marizzi, ich nehme an, Sie wissen das –, daß der Niederösterreichische Landtag im Jahr 1988 den Beschluß für den Bau der Semmering-Schnellstraße, der S 6, gefaßt hat. Dieser Beschluß wurde mit Zustimmung aller Landtagsfraktionen gefaßt, und es wurde diesem Bau eine entsprechende Priorität, nämlich Stufe 1, eingeräumt.

Gebaut wird der Basistunnel, die finanziellen Mittel für den Bau der Schnellstraße stehen nicht zur Verfügung. Ich denke aber, daß es sinnvoll wäre, der Forderung nach dem Bau der Schnellstraße entgegenzukommen und dieses unsinnige Projekt – wir wissen, welche Probleme damit im Zusammenhang stehen aufgrund der Sondierungsbohrungen, die vorgenommen wurden – endlich zu stoppen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erlaube mir, einen Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Rosenstingl, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Kollegen betreffend Verhinderung von Geldverschwendung und Umweltzerstörung durch sinnlose Prestigeprojekte (Semmeringtunnel)

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst wird aufgefordert, den bereits im Jahr 1992 verfügten Baustopp für das Projekt Semmering-Basistunnel wieder in Kraft zu setzen."

*****

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Hofmann vorgetragene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt. Ich beziehe ihn in die Verhandlung mit ein.

Der nächste Redner ist Abgeordneter Platter. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: 5 Minuten.

19.58

Abgeordneter Günther Platter (ÖVP): Sehr verehrter Herr Minister! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz diskutieren, so müssen wir zuerst einmal folgende allgemeine Fragen stellen: Welche finanziellen Möglichkeiten haben wir, daß die dringend notwendigen Lückenschlüsse im hochrangigen Straßennetz bewältigt werden können? Welche finanziellen Möglichkeiten haben wir, daß Straßen erhalten beziehungsweise instandgehalten werden können? Und wir müssen uns auch ganz ehrlich die Frage stellen, wie wir die ASFINAG-Schulden entsprechend abbauen können, damit wir für die nächsten Generationen keinen gewaltigen Schuldenberg hinterlassen, weil wir daran interessiert sind, daß auch die Jugend eine gute Zukunft hat. (Beifall bei der ÖVP. – Abg.


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Haigermoser: Herr Kollege, das ist das Parlament, nicht das Sonntagsrednerpult! 50 Prozent mehr Steuer!) – Soviel zur allgemeinen Betrachtung.

Ich habe lediglich 5 Minuten Zeit, lassen Sie mich bitte reden! – Wenn ich nun, meine Damen und Herren, als Tiroler Abgeordneter speziell auf die Tiroler Situation eingehe, so muß ich trotz aller Bedenken, die es da oder dort gibt, beipflichten, daß man der Vignettenpflicht zustimmen soll. Bisher waren gerade jene Regionen, wo es Sondermauten gegeben hat, ganz besonders benachteiligt, und jetzt ist eine Angleichung vorgenommen worden. Jedoch muß man darauf achten, daß bei künftigen Systemen noch mehr Gleichheit geschaffen wird.

Um diese Benachteiligungen in Grenzen zu halten, wurden bestimmte Lösungsvorschläge gemacht. Ich denke zum Beispiel im Fall von Sondermauten an Jahreskartenbesitzer, denen die Vignette rückvergütet wird. Ich denke an die Pendler, zum Beispiel an die stark belasteten Pendler vom Wipptal, die ebenfalls Ausnahmeregelungen genießen. Ich denke aber auch an die Zehntagesvignette um 70 S – zwei Bier –, die bestmöglich eine Mautflucht verhindern soll, wobei hier noch Begleituntersuchungen durchgeführt werden. Der Herr Minister wird uns darüber berichten. (Abg. Haigermoser: In Deutschland bekommt man eine Kiste Bier um 70 S!)

Nun ganz konkret zum Problem Kufstein, das die Abgeordnete Haller hier angesprochen hat – sie ist leider nicht anwesend. Ich gebe zu, daß dieses kurze Teilstück ein Problem ist, aber es wurde von unserem Herrn Minister auf unbürokratische Art und Weise eine Lösung vorgeschlagen, nämlich daß die Kennzeichnung erst einige Kilometer danach erfolgt und auch keine Vollziehung durch Exekutivorgane durchgeführt wird. Und ich glaube, das soll man nun dem zuständigen Landesrat der Freiheitlichen, Lugger, sagen, der alle Möglichkeiten hat, um die Anrainer zufriedenzustellen. Da wäre eine unbürokratische Maßnahme von Landesrat Lugger möglich. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß auch unser Entschließungsantrag vom Juni 1996 berücksichtigt wurde und Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr, Rettung, Bergrettung und dergleichen mehr von der Vignettenpflicht ausgenommen wurden.

Meine Damen und Herren! Es ist in Tirol kein Geheimnis, daß ich mich von Anfang an immer für die Vignette ausgesprochen habe, und zwar deshalb, weil ich aus einer Region komme, die einer gewaltigen Verkehrsbelastung ausgesetzt ist. Ich komme aus dem Bezirk Landeck, dem westlichsten Bezirk des Landes Tirol. Durch die Stadt Landeck donnern 20 000 Fahrzeuge pro Tag. Und es sind nicht einmal, Herr Abgeordneter Wabl, die Grünen dagegen, daß dort eine Umfahrung gebaut wird, daß die Südumfahrung Landeck gebaut wird. Ich bedanke mich hier beim Herrn Minister dafür, daß demnächst mit dem Bau dieser Umfahrung begonnen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich denke darüber hinaus auch an das Stanzertal. Wer es nicht weiß: Das ist jenes Tal, wo die Schiweltmeisterschaft im Jahre 2001 stattfinden wird. Dort ist ebenfalls noch ein Flaschenhals, der bereinigt werden muß. Aber das kann man nur dann machen, wenn entsprechende Möglichkeiten, wenn entsprechende Einnahmen vorhanden sind. Es kann nicht so sein, meine Damen und Herren, daß man beim Fordern die Muskeln spielen läßt, aber dann, wenn es ums Finanzieren geht, die Augen verschließt. (Beifall bei der ÖVP.)

Aufgrund all dieser kurzen Überlegungen sage ich ja zur Vignettenpflicht. Ich sage ja zur Zweckbindung dieser Mittel für den Lückenschluß im hochrangigen Straßennetz. Ich sage ja zum Naturschutz. Ich sage aber auch, meine Damen und Herren, ein deutliches Ja zum Schutz der belasteten Anrainer und dazu, daß entsprechende Entlastungsmaßnahmen aus Mitteln der Maut getroffen werden können.

Abschließend, Herr Minister, hätte ich eine Bitte: Ich ersuche um verstärkte positive Öffentlichkeitsarbeit im Ausland, damit unserer im Vergleich zu anderen Ländern moderaten Mautgebühr Verständnis entgegengebracht wird, damit Tirol, damit Österreich weiterhin als Tourismusland im Herzen Europas attraktiv bleiben kann und damit Vernaderei und Schlechtmacherei ein Ende haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.05


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43. Sitzung / Seite 141

Präsident Dr. Heinrich Neisser:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Mögliche Redezeit: 20 Minuten.

20.05

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur eine kurze Bemerkung zur Vignettenpflicht. Ich habe immer die Auffassung vertreten, daß, wenn Autobahnen schon bemautet werden, nicht alles über einen Kamm geschoren werden soll. Ich glaube aber, daß eine Vignette, die die anderen Mautgebühren nicht einschließt, die es in Österreich schon gibt, ein großer Blödsinn ist. Die Österreicher wären mit einer Vignette, die etwas teurer ist, aber alle anderen Mautgebühren miteinschließt, sicher zufriedener. Das Ganze ist nichts anderes als eine reine Geldbeschaffungsaktion der Bundesregierung, sonst gar nichts!

Mein Debattenbeitrag bezieht sich hauptsächlich auf den Antrag 73/A meines Kollegen Reichhold betreffend Finanzierung und Fertigstellung des Abschnittes Völkermarkt West –Klagenfurt Ost der A 2 Süd Autobahn. Das Land Kärnten ist seit mehr als 30 Jahren bestrebt, die Süd Autobahn, also die A 2, innerhalb der Landesgrenze fertigzustellen. Trotz des starken Verkehrsaufkommens – es frequentieren diesen Abschnitt 30 000 Fahrzeuge pro Tag – und eifrig vorangetriebener Planungsarbeiten konnte der verbleibende Streckenabschnitt zwischen Klagenfurt und Völkermarkt bisher nicht realisiert werden. Die Planung des Abschnittes, welcher 17 Kilometer umfaßt, erfolgte unter Einbindung aller betroffenen Gemeinden beziehungsweise Bürgerinitiativen und das Konzept wurde im September 1994 dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Erlassung der sogenannten Trassenverordnung vorgelegt.

Durch den überaus regen Durchzugsverkehr wird insbesondere die Bevölkerung des betroffenen Abschnittes der Packer Bundesstraße und des Klagenfurter Siedlungsraumes mit einer unvertretbaren Lärm- und Schadstoffbelastung konfrontiert. Die Lebensqualität, die Sicherheit und die Flüssigkeit des Verkehrs sowie die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung sind in diesem Bereich zweifellos massiv beeinträchtigt. Ich komme aus diesem Teil Kärntens und kann das nur bezeugen. Der Schließung dieser Autobahnlücke kommt aus verkehrs- und wirtschaftspolitischer Sicht somit oberste Priorität zu. Aus diesem Grunde sollte, wie bereits von Wirtschaftsminister Schüssel anläßlich einer Aussprache mit Landeshauptmann Dr. Zernatto und Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Ambrozy sowie Landeshauptmann-Stellvertreter Ing. Reichhold im Mai 1994 zugesagt, mit dem Bau dieses Lückenschlusses noch im Jahr 1996 begonnen werden.

Darüber hinaus erscheint es aus arbeitsmarktpolitischer Sicht sinnvoll und notwendig, infrastrukturelle Projekte der öffentlichen Hand vorrangig zu verwirklichen. Die Trassenverordnung liegt auf Betreiben des Wirtschafts- und Verkehrsreferenten des Landes Kärnten, Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Karl Heinz Grasser, bereits seit 23. Mai 1995 vor. Die Unterflurtrasse Haidach ist mit 14. Oktober 1996 von der Österreichischen Straßenaktiengesellschaft ausgeschrieben. Mit den ersten Aushubarbeiten soll noch im heurigen Jahr begonnen werden. Für weitere Abschnitte laufen derzeit die Grundablöseverfahren beziehungsweise Wasserrechtsverhandlungen. Im Frühjahr 1997 sollen weitere Ausschreibungen erfolgen. Der gesamte Abschnitt wird von der Österreichischen Straßenaktiengesellschaft errichtet. Die Bauaufsicht für den zweiten Abschnitt Dolina – Völkermarkt wird eventuell die Bundesstraßenverwaltung durchführen.

Herr Bundesminister! Nachdem also alle Voraussetzungen bereits geschaffen wurden, liegt jetzt der Ball bei Ihnen. Es liegt an Ihnen, die notwendigen Bundesmittel flüssigzumachen, um den letzten Lückenschluß der Süd Autobahn zwischen Wien und Palermo im Sinne der betroffenen Bevölkerung entlang der Packer Bundesstraße raschest durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Wurmitzer: Mitstimmen!)


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43. Sitzung / Seite 142

20.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Als letzter Redner hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Karl Gerfried Müller zu Wort gemeldet. – Bitte. Redezeit: 20 Minuten.

20.10

Abgeordneter Karl Gerfried Müller (SPÖ): Verehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Mit dem Lückenschluß der Süd Autobahn im Bereich Klagenfurt – Völkermarkt wird ein langgehegter Wunsch der betroffenen, leidgeprüften Bevölkerung in Erfüllung gehen. Vor allem ist das ewige Hin und Her an Schuldzuweisungen, wie ich hoffe, nun endgültig vorbei. Die Kärntner Landesregierung hat den Ball dem Wirtschaftsministerium zugespielt, dieses wiederum hat in der vorvorletzten Sitzung des Bautenausschusses, soweit ich mich erinnere, mir gegenüber erklärt, daß das Land bei der Planung säumig sei. Das Land hat das seinerseits natürlich wieder bestritten. Wie gesagt: Es gab ein ständiges Hin und Her.

Tatsache aber ist, daß das Wirtschaftsministerium heuer neun Monate für die Übertragungsverordnung benötigt hat, und ich bin froh darüber, daß das Finanzministerium rascher arbeitet und auf diese Übertragungsverordnung innerhalb von fünf Tagen geantwortet hat. Die Grundablöse ist vollzogen, die Ausschreibungsunterlagen für den ersten Bauabschnitt wurden bereits ausgegeben. Die Vergabe der Arbeiten für die sogenannte "Grünbrücke Haidach" kann im Jänner nächsten Jahres erfolgen, sodaß tatsächlich im Frühjahr 1997 mit dem Bau begonnen werden kann. (Beifall bei der SPÖ)

Dieser Lückenschluß des Autobahnnetzes wurde ja nicht nur von der Bevölkerung, sondern Jahrzehnte hindurch von allen Parteien im Land Kärnten massivst gefordert. Es scheint jedoch so zu sein, daß der Baubeginn mangels Finanzierung immer wieder aufgeschoben werden mußte. Durch die Einführung der Straßenvignette ist die Finanzierung jedenfalls gesichert, und die Bewohner der vom Verkehr so belasteten Ortschaften können nach der Realisierung dieses Bauvorhabens endlich wieder aufatmen. Für sie und für viele weitere Verkehrsteilnehmer beginnt meiner Meinung nach ein neuer Zeitabschnitt.

Die ständigen Kolonnen, die Tag und Nacht durch die Ortsgebiete donnern, wird es bald nicht mehr geben, und die Gefahren für die Kinder durch den Straßenverkehr, die vielen schweren Unfälle, die sich dort ereigneten, gehören hoffentlich der Vergangenheit an.

Dieser Ausbau wird zum einen unser hochrangiges Straßennetz vervollständigen, aber es geht schlicht und einfach auch darum, die Anrainerorte wieder lebenswerter zu machen.

Im Straßenbau wird das Ausbauprogramm erst 1998 voll zum Tragen kommen. Von den 18 vorgesehenen Projekten mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von mehr als 37 Milliarden Schilling sind ja bis dato erst Projekte mit einem Bauvolumen von etwa 17 Milliarden Schilling ausschreibungsreif. Es ist daher unbedingt erforderlich, daß die Behördenverfahren wie auch die Planungen beschleunigt werden. Es darf einfach nicht mehr passieren, daß dringend notwendige Bauvorhaben, bei denen sogar die Finanzierung bereits sichergestellt ist, durch langwierige Verfahren unnötig in die Länge gezogen werden. Der Lückenschluß Klagenfurt – Völkermarkt ist leider ein negatives Beispiel – wenngleich das Ergebnis nun doch ein positives ist – dafür, wie lange die verschiedensten Verfahrensstufen jeweils dauern können. Die Leidtragenden sind in der Hauptsache immer wieder die Bewohner der betroffenen Ortschaften. Ich hoffe, daß, wie es auch unsere Initiative vorsieht, bald eine Verwaltungsvereinfachung zum Tragen kommt, und zwar in der Form, daß dabei weder die berechtigten Anliegen der Bürger noch die Interessen des Umweltschutzes vernachlässigt werden.

Hohes Haus! In Zeiten, in denen wir eine Konjunkturflaute zu überwinden haben, ist rasches Handeln gefragter denn je. Jedes Hinauszögern kostet Geld und Arbeitsplätze.

Dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen auf sofortigen Baubeginn habe ich im Ausschuß zugestimmt, weil die Tatsache nicht geleugnet werden kann, daß es schon 1994 eine Zusage zum sofortigen Baubeginn seitens des damaligen Wirtschaftsministers Dr. Schüssel vor den zuständigen Mitgliedern der Kärntner Landesregierung gegeben hat, und weil ich mir von einem Minister erwarte, daß er zu seinem Wort steht, auch wenn es mittlerweile einen Ressortwechsel gegeben hat.


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Herr Bundesminister! Ich hoffe im Interesse aller Betroffenen, daß von Ihnen nun alles unternommen wird, damit der von allen versprochene Lückenschluß endlich zur Gänze und raschest realisiert wird. (Beifall bei der SPÖ)

20.15

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Bitte, jetzt die Plätze einzunehmen, weil wir mehrere Abstimmungen durchzuführen haben.

Ich lasse über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 347 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Haller und Genossen einen Zusatzantrag eingebracht, die Abgeordneten Eder, Dr. Schwimmer und Genossen einen Abänderungsantrag. Ich werde zunächst über den Zusatzantrag, dann über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Haller und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf § 1 Abs. 1 bezieht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Zusatzantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Eder, Dr. Schwimmer und Genossen bezieht sich auf die Ziffer 8 des Gesetzentwurfes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Eder, Dr. Schwimmer und Genossen sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Abänderungsantrag ist angenommen.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil in der Fassung des Ausschußberichtes ist angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf auch in der dritten Lesung sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen. Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Das ist die Minderheit . Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt .

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung der Doppelmaut infolge der Einführung des Mautpickerls.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Das ist die Minderheit . Dieser Antrag ist nicht angenommen worden.

Ich lasse nunmehr über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen betreffend Mautpickerl für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen abstimmen.


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Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Minderheit. Der Entschließungsantrag hat keine Zustimmung gefunden.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosenstingl und Genossen betreffend Verhinderung von Geldverschwendung und Umweltzerstörung durch sinnlose Prestigeprojekte (Semmeringtunnel).

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Das ist die Minderheit . Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt worden. (Unruhe bei den Freiheitlichen.) – Vielleicht könnte man die Emotionen nach der Abstimmung herauslassen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht in 348 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit . Diese Entschließung ist mehrheitlich angenommen worden. (E 29.)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Bautenausschusses, seinen Bericht in 349 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme dieses Berichtes ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit . Der Bericht ist mit Mehrheit angenommen worden.

10. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (21 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird (362 der Beilagen)

11. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (92 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (363 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (93 der Beilagen): Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 (BGBlG) (364 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 10 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies Berichte des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlagen 21 der Beilagen: Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird (362 der Beilagen), 92 der Beilagen: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (363 der Beilagen), und 93 der Beilagen: Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 (364 der Beilagen).

Auf die Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir können daher sofort in die Debatte eingehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. Redezeit: 20 Minuten.

20.20

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Mit der Regierungsvorlage 93 der


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Beilagen, dem Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt, beschließen wir ein wichtiges, ein elementares Gesetz, wichtig für die Bevölkerung und für uns, für den Nationalrat selbst. Immerhin wird in diesem Gesetz definiert, wie unsere Gesetzesbeschlüsse verlautbart werden.

Das hat zwar bisher auch funktioniert, aber sicherlich ist eine Reform, eine Verwaltungsreform, eine Rationalisierung angebracht, und das aus einer ganzen Reihe von Gründen. Zum einen steigt die Übersichtlichkeit, die Auffindbarkeit, die Benützerfreundlichkeit durch eine Trennung in einen ersten, zweiten und dritten Teil. Sicherlich kommt es auch zu Kosteneinsparungen für die Bezieher der Gesetzblätter, von Journalisten über Rechtsanwälte bis zu Gemeindeverwaltungen, zum Beispiel findet auch die Österreichische Staatsdruckerei eine rechtliche Basis vor, um elektronische Möglichkeiten zu nutzen, und es gibt noch viele andere Verbesserungen.

Meine Damen und Herren! Es ist positiv, daß wir hier, so wie auch im Verfassungsausschuß, einen einstimmigen Beschluß fassen werden. Die Grünen haben gefehlt. Ich gehe aber davon aus, daß auch die Grünen dieser Vorlage ihre Zustimmung geben werden.

Ein kleiner Preis war aber für diese Einstimmigkeit zu bezahlen. Die FPÖ hat partout die Vorlage ein bißchen umständlicher, ein bißchen mißverständlicher gemacht, denn im § 2 Abs. 2 Ziffer 2 ist in der ursprünglichen Fassung hinter dem Ausdruck "Allgemeine Verordnungen" in Klammer das Wort "Weisungen" gestanden.

Meine Damen und Herren! "Weisung" ist hier als Begriffspaar mit Verordnung zu verstehen, also als Verwaltungsverordnung, als Erlaß, als Dienstinstruktion. Das ist ein historisch gewachsenes Begriffspaar. Die Trennung, die Streichung bringt Unklarheit. Unklar ist auch das Motiv; es ist mir unbekannt. Es können doch nicht neue Qualen für Studenten der Rechtswissenschaften die Gründe dafür sein.

Aber bei einer Güterabwägung muß man sagen, es hat Sinn gemacht, diesen kleinen Unfug zu akzeptieren, um den einstimmigen Beschluß dieser wichtigen Materie zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Noch ein Aspekt. Die Trennung Gesetz – Verordnung – Staatsverträge in Teile eins, zwei und drei – jetzt grob vereinfacht – relativiert die Klagen bezüglich der Gesetzesflut und macht transparent, daß nicht einmal ein Viertel der Seiten, die im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, Gesetze beinhalten. Rund 44 Prozent sind Verordnungen, rund 30 Prozent Staatsverträge und der Rest sonstige Verlautbarungen.

Meine Damen und Herren! Es ist im übrigen auch populistischen Laienspielern der Boden entzogen, die die Gesetzesflut beklagen, und – so sehe ich das – damit auch ein Ende des obskuren "Vereins gegen die Gesetzesflut" gekommen, denn man kann nun nicht mehr mit falschen, spektakulären Zahlen Schlagzeilen machen.

Ich schlage daher vor, daß sich heute anläßlich dieses Gesetzesbeschlusses dieser "Verein gegen die Gesetzesflut" auflöst; als Liquidator drängt sich Kollegin Frieser geradezu auf.

Meine Damen und Herren! Generell und abschließend: Bei Gesetzen kommt es nicht auf die Seitenanzahl an, sondern auf die Qualität, auf Kosten und Folgekosten, und letztlich kommt es darauf an, ob die Gesetze das Fundament für hohe Beschäftigung in Österreich, für soziale Gerechtigkeit und für die Achtung aller Menschen, die sich in Österreich aufhalten, bilden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Frieser. – Bitte, Frau Abgeordnete. Sie begnügen sich mit einer Redezeit von 5 Minuten.

20.25

Abgeordnete Mag. Cordula Frieser (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auch wir von der ÖVP freuen uns, daß wir heute endlich das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt verabschieden, und ich freue mich auch ganz besonders, daß dieses


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Gesetz die Zustimmung aller fünf hier im Parlament vertretenen Parteien findet. Das ist zumindest einmal ein Zeichen dafür, daß in diesem Haus auch die Vernunft siegen kann.

Die Neugestaltung dieses Bundesgesetzblattes hat mehrere Vorteile; das wurde auch schon im Ausschuß erwähnt. Es wird zum ersten in der Produktion billiger, zum zweiten wird es auch für die Bezieher billiger. Und ich als jemand, der aus dem rechtsberatenden Beruf kommt, möchte eines besonders hervorheben: die Erwartung, daß die Neugestaltung des Bundesgesetzblattes sich auch bei den Kosten für den Bezieher niederschlägt. Vor allem aber wird auch die Archivierung des Bundesgesetzblattes für uns in Hinkunft leichter.

Als drittes positives Element an diesem Gesetz möchte ich es bezeichnen, daß dieses Gesetz ein Beitrag, wenn auch ein klitzekleiner, zur Entbürokratisierung ist und auch ein Schritt, wenn auch wiederum ein ganz, ganz kleiner, in Richtung New Public Management.

Meine Damen und Herren! Wir alle verwenden permanent die Schlagwörter "schlanke Verwaltung", "Entbürokratisierung", "Deregulierung". Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, daß die Ursache für eine Überbürokratisierung, für eine Überregulierung in Wahrheit unsere Gesetze sind. Das wird uns nicht nur von Beamten attestiert, sondern auch vom Verfassungsgerichtshof. Wir sind daher alle aufgerufen, nur wirklich notwendige Gesetze, nur verständliche Gesetze und möglichst kostengünstige Gesetze zu verabschieden.

Nun zu Ihnen, Herr Kollege Kräuter. Sie haben sich einmal mehr zu einem Thema geäußert, von dem Sie nichts verstehen, beziehungsweise zu einem Verein, über den Sie sich nicht informiert haben. Wären Sie etwas kompetenter, würde ich Sie einladen, bei diesem Verein mitzuarbeiten. Aber leider ist das nicht der Fall. (Beifall des Abg. Haigermoser. )

Das Anliegen dieses Vereins ist es nämlich gerade, qualitativ hochstehende Gesetze zu ermöglichen oder Hilfestellung dafür zu leisten. Ein Mitglied dieses Vereins ist Frau Professor Ruth Wodak. Sie ist Linguistin. "Linguistin" heißt Sprachwissenschaftlerin und hat mit italienischen Nudeln nichts zu tun. Frau Professor Ruth Wodak hat den Wittgenstein-Preis erhalten. Sie ist eine Wissenschafterin, die besondere Reputation auch dadurch erlangt hat, daß sie Gesetzestexte verständlich formuliert. (Zwischenrufe des Abg. Dr. Kräuter .) Aber Sie dürften zu jenen gehören, die alle Gesetze verstehen. Wenn Sie wirklich so gut sind, dann würde ich Ihnen empfehlen, daß Sie dem Herrn Professor und Präsidenten Fischer beistehen, das Mietengesetz endlich einmal so zu formulieren, daß es alle verstehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

20.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte, Herr Abgeordneter. Auch Sie wollen mit 5 Minuten Redezeit auskommen.

20.29

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Die drei Gesetzesmaterien, die nun zur Beschlußfassung im Nationalrat anstehen, sind in der Tat – und das hat sich auch aus der Debatte im Ausschuß ergeben, Herr Staatssekretär – unstrittige Materien. Ich verstehe daher nicht, wieso man jetzt krampfhaft versucht, durch einen Debattenbeitrag noch irgendwelche Dissonanzen und Divergenzen zu konstruieren. Eine Diskussion im Ausschuß wird wohl noch gestattet sein, und die Ausschußdebatte ... (Abg. Dr. Kräuter: Aber im Plenum auch!) Selbstverständlich! Aber versuchen Sie nicht krampfhaft, Ihre inhaltslose Rede dadurch anzureichern, indem Sie irgendwelche Widerstände bei den Oppositionsparteien oder bei den anderen Fraktionen des Hohen Hauses herausstreichen, die gar nicht vorhanden waren.

Es gilt der Grundsatz, daß im Ausschuß eine substantielle Debatte stattfinden soll. Eine solche hat stattgefunden, die Fraktionen haben sich auf eine gemeinsame Beschlußfassung dieser an sich unstrittigen Materie geeinigt und haben geschlossen den Vorlagen zugestimmt.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich möchte den heutigen Tag und die Tatsache, daß wir heute über das Bundesgesetzblattgesetz Beschluß fassen, zum Anlaß nehmen, auf den 30. Oktober 1918 zu verweisen. Heute vor genau 78 Jahren hat die Republik Österreich den


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ersten maßgeblichen Rechtssetzungsakt ihrer Geschichte vorgenommen: den Staatsgründungsbeschluß der Provisorischen Nationalversammlung, die eine parlamentarische Vorläufereinrichtung des heutigen Nationalrates war. Nicht zuletzt deswegen heißt der österreichische Nationalrat auch "Nationalrat".

Dieser Beschluß der Provisorischen Nationalversammlung, die damals die oberste Gewalt im Staate ausgeübt und den Staatsgründungsakt getätigt hat, wurde im Staatsgesetzblatt Nummer eins kundgemacht. Das Staatsgesetzblatt war ja bekanntermaßen das Vorläuferpublikationsorgan unseres Bundesgesetzblattes.

Damals wurde auch festgelegt, daß die Staatsgewalt der Republik Österreich – damals noch Deutsch-Österreich – aufgeteilt werden soll in eine vollziehende Gewalt, die durch den Staatsrat der Republik Deutsch-Österreich, der zunächst Vollziehungsausschuß hieß, ausgeübt wurde, und in eine gesetzgebende Gewalt, die von der Provisorischen Nationalversammlung ausgeübt wurde.

Dieser Beschluß der Provisorischen Nationalversammlung als Staatsgründungsbeschluß am 30. Oktober 1918 wurde nicht hier im Haus gefaßt, weil in diesem Haus noch die Abgeordneten, die auf den Kaiser vereidigt waren, getagt haben, sondern – und das ist auch als föderalistischer Akt bei der Gründung unserer Republik zu sehen – im Saal des Niederösterreichischen Landtages in der Herrengasse in Wien.

Meine Damen und Herren! Ich meine, es ist angemessen, heute dieses Staatsgründungsaktes zu gedenken. Ich bedauere, daß heute niemand im offiziellen Staatsgeschehen – im offiziellen Staatskult sozusagen, den andere Staaten weiß Gott viel ausgiebiger zelebrieren – diesem Gründungsakt vom 30. Oktober 1918 etwas mehr Aufmerksamkeit schenkt und daß man heute die Gelegenheit nicht dazu benützt, um auf diese erste Kundmachung in einem Publikationsorgan der Republik Österreich zu verweisen. Für uns Freiheitliche sollte dieser 30. Oktober 1918 jedenfalls eine besondere Würdigung erfahren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.33

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung . – Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Ich lasse zunächst über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 362 der Beilagen abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zugleich zur dritten Lesung.

Ich bitte auch in diesem Fall um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen worden.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 363 der Beilagen.

Da es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um ein Bundesverfassungsgesetz handelt, stelle ich zunächst im Sinne § 82 Abs. 1 des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Dieser Entwurf ist einstimmig angenommen worden.

Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


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Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entwurf in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen worden.

Nunmehr lasse ich über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 samt Titel und Eingang in 364 der Beilagen abstimmen.

Diejenigen Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, mögen dies durch ein Zeichen kundtun. – Dieser Entwurf ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer dem Entwurf in dritter Lesung zustimmt, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen worden.

13. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (310 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird (388 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (313 der Beilagen): Bundesgesetz betreffend Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) (389 der Beilagen)

15. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 157/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion (390 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nunmehr kommen wir zu den Punkten 13 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies: Berichte des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage 310 der Beilagen: Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird (388 der Beilagen), Regierungsvorlage 313 der Beilagen: Medizinproduktegesetz (389 der Beilagen) sowie über den Antrag 157/A (E) der Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion (390 der Beilagen).

Wünscht jemand die Berichterstattung? – Herr Abgeordneter Schuster hat sich zur Berichterstattung gemeldet. – Herr Abgeordneter! Ich bitte Sie, zum Punkt 13 der Tagesordnung Ihren Bericht zu erstatten.

Berichterstatter Johann Schuster: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage 310 der Beilagen: Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird.

Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union macht im Bäderhygienerecht eine Anpassung an die Rechtslage der EU erforderlich. Diese Richtlinie ist in innerstaatliches Recht umzusetzen.

Weiters darf ich folgende Druckfehlerberichtigungen zum ausgedruckten Ausschußbericht in 388 der Beilagen betreffend das Bäderhygienegesetz vorbringen.

Auf Seite 3 hat der 5. Absatz wie folgt zu lauten:


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"Zusätzlich ist mit Kosten für die Anschaffung mindestens einer Secci-Scheibe (Kosten zirka 3 500 S), eines tragbaren pH-Meters (Kosten zirka 9 000 S) und eines tragbaren Sauerstoffmeßgerätes (Kosten zirka 10 000 S) pro Probenehmer beziehungsweise Bundesstaatlich bakteriologisch-serologischer Untersuchungsanstalt zu rechnen. Ausgehend davon, daß jede Bundesstaatlich bakteriologisch-serologische Untersuchungsanstalt über je zwei der genannten Geräte (je ein Ersatzgerät) verfügen soll, ergibt dies Anschaffungskosten von zirka 270 000 S. Diese Erfordernisse sind im Bundesvoranschlag 1997 bereits berücksichtigt."

Auf Seite 12 in Ziffer 20 § 15 Abs. 3 hat es in der letzten Zeile nicht "die Mindestdauer des Testbetriebes", sondern "die Mindestdauer des Testbetriebs" zu lauten.

Auf Seite 12 in Ziffer 20 § 15 Abs. 5 hat es in der vorletzten Zeile nicht "wie Flockungsmittel, Desinfektionsmittel oder Mittel zur pH-Wert-Einstellung", sondern "wie Flockungsmitteln, Desinfektionsmitteln oder Mitteln zur pH-Wert-Einstellung" zu lauten. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Auf Seite 13 in Ziffer 26 § 14 Abs. 4 hat es in der vorletzten Zeile nicht "eine Bewilligung der Nebeneinrichtung", sondern "eine Bewilligung als Nebeneinrichtung" zu lauten.

Als Ergebnis seiner Verhandlungen stellt der Gesundheitsausschuß somit den Antrag , der Nationalrat wolle dem dem schriftlichen Ausschußbericht angeschlossenen Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der soeben referierten Druckfehlerberichtigung die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Herr Präsident! Ich ersuche Sie, zu diesem Tagesordnungspunkt die Redner aufzurufen.

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich habe gar nicht gewußt, daß eine Berichtigung soviel Heiterkeit hervorrufen kann. – Herr Berichterstatter! Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Ausführungen.

Auf die mündliche Berichterstattung zu den Punkten 14 und 15 wurde verzichtet.

Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Als erster Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pumberger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten.

20.41

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte jetzt den Eindruck, daß der Herr Berichterstatter nicht nur eine Druckfehlerberichtigung, sondern teilweise auch eine Ergänzung durchgeführt hat. – Ich glaube nicht, daß ich mich verhört habe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Aviso betreffend die heutige Tagesordnung hatte ursprünglich wesentlich mehr Tagesordnungspunkte für den Block Gesundheit vorgesehen. Dann wurde jedoch zum einen der Konsumentenbericht bereits im Gesundheitsausschuß endbehandelt und zum anderen – wie ich heute schon gesagt habe – die Behandlung von gleich sechs Anträgen betreffend Kennzeichnungspflicht gentechnologisch veränderter Organismen kurz und bündig, ohne eine Debatte darüber zu ermöglichen, vertagt.

Nun sind drei Tagesordnungspunkte übriggeblieben. Einer davon betrifft das Bäderhygienegesetz. Hiebei handelt es sich um eine Anpassung an die EU-Richtlinie 76/160/EWG. Dabei geht es in erster Linie darum, daß auch mikrobiologische, physikalische und chemische Parameter für die Oberflächengewässer eingeführt werden. Die Überprüfung der Wasserqualität von Whirlpools, also Warmwassersprudelbecken, Kleinbadeteichen und, gemäß einem Zusatzantrag der Koalitionsparteien, Warmluft- und Dampfbädern wird in das Gesetz aufgenommen.

Diese Richtlinie zum Schutz der Badenden vor Infektionen oder sonstigen Gesundheitsschäden finde ich gut. Sie ist positiv nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für den Tourismus, bei dem es in Österreich wirklich größte Probleme gibt. Wenn wir durch die Mitbefürwortung dieses


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Gesetzes eine entsprechende Badewasserqualität gewährleisten können, dann tun wir, wie ich finde, einen wesentlichen Schritt in Richtung Ankurbelung unseres darnieder liegenden Fremdenverkehrs.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu kritisieren sind an diesem Gesetz die verschiedenen Zuständigkeiten. Wenn jetzt etwa festgestellt wird, daß die Badewasserqualität in einem Bereich nicht in Ordnung ist, dann wird zunächst einmal die Gesundheitsbehörde verständigt, und zwar die Bezirkshauptmannschaft. Diese wiederum verhängt dann im schlimmsten Fall ein Badeverbot. Sie ist aber nicht berechtigt, die entsprechende Sanierung des Badewassers zu veranlassen. Dazu muß erst die Wasserrechtsbehörde, also der Landeshauptmann, eingeschaltet werden. Er muß aufgefordert werden, dafür zu sorgen, daß das Wasser in Ordnung gebracht wird.

Außerdem ist die Badewasserqualität nicht nur von bestimmten, jeweils gleichen Kriterien abhängig, sondern es kommt auch auf die Abwässer, die Abwässereinleitung, die diffusen Einträge durch die Landwirtschaft und so weiter an, sodaß also auch die Landwirtschaft in Betracht gezogen werden muß. Im Hinblick darauf wäre zu fordern, daß die Zusammenarbeit der verschiedenen Bereiche wirklich besser und unbürokratischer funktioniert. Das wäre wünschenswert, damit es zu einer raschen und unbürokratischen Sanierung von eventuell verseuchten, verschmutzten, nicht der EU-Richtlinie entsprechenden Badewässer kommt.

Der nächste Punkt betrifft das Medizinproduktegesetz. Meine Damen und Herren! Da verhält es sich schon ein bißchen anders. Dieses Medizinproduktegesetz ersetzt im wesentlichen das Gesundheitsschutzgesetz. Dieses hat acht Paragraphen, die auf eineinhalb Seiten festgeschrieben sind. Jetzt wird es durch dieses Konvolut ersetzt. Die Regierungsvorlage umfaßt aber schon im ersten Artikel 117 Paragraphen! – Ich wundere mich, daß Frau Kollegin Frieser sich in diesem Zusammenhang noch nicht darüber beschwert hat, daß hier eine neuerliche Aufblähung einer Gesetzmaterie stattfindet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich ist eine verbesserte Qualitätssicherung bei Medizinprodukten zu begrüßen. Alle Produkte, die in der Medizin Anwendung finden – von den Injektionsnadeln bis zu den Großgeräten, wie beispielsweise dem Gammaknife –, unter einen Hut zu bringen, ist sehr schwierig. Es wird nun eine Einteilung in fünf Gruppen vorgenommen, und gruppenüberschneidende Artikel werden durch Verordnungsermächtigung der Ministerin mit der einen oder anderen Auflage belegt, wobei es wieder zu Ungerechtigkeiten kommen kann.

Darüber hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren, regelt dieses Gesetz eine weit über die EU-Richtlinie hinausgehende Materie. Die EU-Richtlinie fordert bei weitem nicht so viel, wie wir in Österreich schon wieder als Fleißaufgabe machen! – Man könnte zwar sagen: Das ist ja gut, es kann nie genug Sicherheit bei den Medizinprodukten geben! – Aber wir müssen auch an die Hersteller und Produzenten denken. In Österreich kommen aufgrund dieser strengen Auflagen Hunderte Klein- und Mittelbetriebe in einen deutlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Herstellern in anderen EU-Ländern. Daher bedeutet dieses Gesetz einen schweren Nachteil für unsere Klein- und Mittelbetriebe, die Medizinprodukte herstellen. Es ist wirklich nicht notwendig, daß wir heute eine dermaßen aufgeblähte, weit über die EU-Richtlinie hinausreichende Regierungsvorlage beschließen.

Sehr merkwürdig in diesem Gesetz sind die 29 Verordnungsermächtigungen. Diese Vollmachten für die Ministerin sind sehr weitreichend und völlig unüblich. Der Exekutive wird sehr viel Ermessensspielraum gelassen. Diese Verordnungsermächtigungen werden auch nicht der direkten parlamentarischen Kontrolle unterzogen. – Ich glaube, daß all das nicht unbedingt notwendig ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch etwas kritisieren. Wenn in einem EWR-Staat ein Medizinprodukt zugelassen wird, dann muß dessen Inverkehrbringen in jedem anderen Land geduldet werden. Das kann dazu führen, daß etwa ein Hersteller aus der Bundesrepublik die sogenannte Konformitätsbewertung in Portugal durchführen läßt und das Pro


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dukt dann in der Bundesrepublik und in Österreich verkauft, was wir dulden müssen. Das kann in dem einen oder anderen Fall, wenn wir eine nationale Zulassung nicht mehr gewährleisten oder nicht mehr zwingend durchführen können, zu großen Schwierigkeiten führen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte abschließend sagen, daß es sich hiebei insgesamt um eine aufgeblähte Gesetzesmaterie handelt, die viel zu viele, nämlich 29 Verordnungsermächtigungen enthält. Das Gesetz geht weit über die von der Europäischen Union vorgegebenen EU-Richtlinien hinaus. Das geht zum Nachteil der heimischen Produzenten, insbesondere der Klein- und Mittelbetriebe. Österreich muß außerdem das Inverkehrbringen von einmal in einem EU-Staat zugelassenen Produkten dulden und kann keine nationale Zulassung verlangen. Aufgrund dieser vielen negativen Punkte werden wir diesem Gesetz die Zustimmung nicht geben. (Beifall bei Freiheitlichen.)

20.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Onodi. – Bitte, Sie haben das Wort. 3 Minuten Redezeit. 

20.48

Abgeordnete Heidemaria Onodi (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der Begriff "Medizinprodukt" ist relativ neu und umfaßt sehr viele Produkte. Viele von ihnen gehören zu unserem Alltag, wie etwa Brillen, Verbandsmaterial oder auch Fieberthermometer. Ihr überwiegendes Einsatzgebiet finden die Medizinprodukte aber in der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung.

Der Bereich der Medizinprodukte war bis jetzt in Österreich nicht sehr klar geregelt. Die nunmehr vorliegende Regelung für Medizinprodukte schafft nun in einem wesentlichen Bereich Rechtssicherheit und ist damit für den gesamten Medizinkomplex von weitgehender Bedeutung.

Medizinprodukte sind ebenso wie die medizinische Forschung in einem zunehmend internationalen Bereich gültig, wo sie auch erhältlich sind. Die vorliegende Regierungsvorlage sieht eine Anpassung an europäische Normen wie an internationale Abkommen vor. Dies erscheint nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern ist auch im Hinblick auf die qualitätssichernde Komponente für jeden Anwender dieser Produkte wirklich wünschenswert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bereich der Medizinprodukte ist durch eine enorme Entwicklungsdynamik gekennzeichnet. Immer neue und ständig verfeinerte Technologien finden heute in immer kürzerer Zeit ihren Weg von der technologischen Entwicklung über die Erprobung im Bereich der Spitzenmedizin bis zur breiten Anwendung im medizinischen Alltag. Daher regelt ein wichtiger Teil des vorliegenden Entwurfes die Voraussetzungen und die Durchführung von klinischen Prüfungen.

Klinische Forschung mit Medizinprodukten muß als Forschung am Menschen besonders hohen medizinischen, ethischen und rechtlichen Anforderungen genügen. Innovationsphasen und Erprobungen sind immer mit einem gewissen Risiko behaftet. Daher muß der Schutz der Versuchspersonen an oberster Stelle stehen.

Die Vorschriften betreffend Planung und Durchführung der Studie und ihrer wissenschaftlichen Aussagekraft und Überprüfung sind ebenfalls sehr streng mit dem Schutz der Versuchspersonen verbunden, ebenso die Regelung, daß eine klinische Prüfung eines Medizinproduktes nur durchgeführt werden darf, wenn zuvor die Beurteilung durch eine Ethikkommission erfolgt ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wabl. Da er aber nicht im Saal ist, kann diese Wortmeldung nicht stattfinden.

Ich rufe daher Herrn Abgeordneten Dr. Leiner auf. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

20.51

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Zirka 400 000 Medizinprodukte, vom Heftpflaster bis zum


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Herzschrittmacher, zur Herz-Lungen-Maschine und zum Gammaknife, werden in diesem Gesetz sehr hohen Qualitätskontrollen unterworfen. Gerade bei den genannten Geräten ist es wichtig, daß sie einer hohen Qualitätskontrolle unterworfen werden.

Ich gebe Herrn Dr. Pumberger wirklich recht, wenn er sagt, daß es zu viele Zuständigkeiten gibt, daß diese besser koordiniert werden sollten und die Bürokratie etwas verringert werden sollte. Ich glaube und hoffe, daß die Frau Ministerin auch in diesem Bereich ihren Einfluß geltend machen wird.

Es ist richtig und sinnvoll, daß europaweit ein Mindeststandard für derartige Produkte eingeführt wird, vor allem auch deshalb, weil unser Land zu klein ist, um hochentwickelte und spezialisierte medizinische Apparate herzustellen oder zu prüfen. Für manche Geräte, wie etwa Computertomographen, Gammaknives und so weiter, ist selbst Europa noch ein kleiner Markt.

Das österreichische Gesetz – das wurde auch schon erwähnt – geht weit über die EU-Richtlinien hinaus, und das bringt natürlich schon gewisse Probleme mit sich. So sind etwa Medizinprodukte-Berater nur im deutschen und im österreichischen Gesetz verankert. Diese Medizinprodukte-Berater haben in Deutschland bereits Initiativen ergriffen und dort eine eigene Vereinigung gegründet und eine eigene Ausbildung ermöglicht, was natürlich wieder zu Mehrkosten führt. Das wollen wir in Österreich nicht. Die Qualifizierung der österreichischen Medizinprodukte-Berater ist einer eigenen Verordnung vorbehalten. In diesem Bereich ist also noch alles möglich.

Auch in einem weiteren Punkt gebe ich Herrn Dr. Pumberger recht. Die vielen Verordnungsermächtigungen – 29 sind es! – machen mir auch als Parlamentarier Probleme. Die entsprechenden Entscheidungen gehen auf diese Weise doch am Parlament vorbei! Die Frau Ministerin ist daher aufgerufen, mit Augenmaß an die Problematik heranzugehen und die Ermächtigungen im Sinne unserer Volkswirtschaft und des Patienten zu nutzen. Frau Ministerin! Ich bin fest davon überzeugt, daß Sie das tun werden!

Bedenken Sie – das wurde schon gesagt –, daß die Struktur des heimischen Medizinproduktehandels zu 87 Prozent aus Kleinbetrieben mit bis zu zehn Beschäftigten besteht. Die Umsetzung dieses Gesetzes bedeutet für diese Betriebe jetzt schon erhebliche Mehrkosten. Mindestens 60 Prozent haben eine Qualitäts-Management-Zertifizierung nötig.

Ein wichtiger Faktor für den Medizinproduktehandel ist die ständige Verfügbarkeit der Apparate und deshalb auch die Verfügbarkeit eines geschulten Service vor Ort. Denn die Behebung von Störfällen durch überregionale Servicenetze wäre sehr teuer und mit Wartezeiten verbunden, sodaß für viele Anwendungsfälle, besonders in der Intensivmedizin, sehr aufwendige Zweitgeräte notwendig wären. Deshalb sind alle entsprechenden Maßnahmen so zu setzen, daß die kleinbetrieblichen Strukturen der Medizinproduktehändler in Österreich erhalten bleiben.

Mit dem weiters vorliegenden Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird, werden medizinisch-hygienische Maßnahmen zum Schutze der Gesundheit der Badenden getroffen.

Die eigene Gesundheit und die der Bevölkerung ist nur zu einem kleinen Teil Schicksal. Im wesentlichen ist die Gesundheit etwas zu Gestaltendes. Jeder einzelne kann in Selbstverantwortung seinen Beitrag dazu leisten. Analog dazu sind wir als Politiker aufgerufen, die besten Bedingungen für eine gute Gesundheit der Bevölkerung zu gestalten! (Beifall bei der ÖVP.) Dies geschieht auch mit der vorliegenden Novelle, die eine Qualitätsverbesserung für die Gesunderhaltung unserer Bevölkerung darstellt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Salzl. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Redezeit: 7 Minuten.

20.56

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits am 22. Mai 1996 habe ich im


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43. Sitzung / Seite 153

Rahmen einer Anfrage an die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die mangelnden Sterilisationsbedingungen mancher TKV-Anlagen innerhalb der EU hingewiesen. Anlagen, die drucklos und mit Trockenerhitzung arbeiten, sind, wie ich damals ausgeführt habe, nicht dazu geeignet, den BSE-Erreger und andere Keime, vor allem hitzeresistente Sporenbildner, wie Milzbrandsporen oder Clostridien, wirklich ausreichend abzutöten.

Derartige Anlagen sind aber aufgrund der laxen EU-Gesetzgebung und der laxen Handhabung innerhalb der EU, wie sie speziell noch im Jahre 1992 praktiziert wurde, bis zum heutigen Tag legal in Betrieb. Es ist nicht auszuschließen, daß verseuchte Produkte aus derartigen Anlagen auch zu uns nach Österreich gelangen.

Um zu verhindern, daß Krankheitserreger durch mangelhafte Sterilisation in die Nahrungskette unserer Haustiere gelangen, habe ich damals die Frau Bundesministerin gefragt, ob sie Importbeschränkungen für derartige Produkte aus mangelhaften TKV-Anlagen in Erwägung ziehen würde. – Die damalige Antwort der Frau Bundesministerin war in etwa so vage und unbefriedigend wie heute beim beantragten Importverbot für gentechnisch verändertes Soja. Sie hat nämlich damals geantwortet: "Da es sich bei Tiermehlen und -fetten um Produkte handelt, die der Harmonisierung durch entsprechende EU-Vorschriften unterliegen, ist für die Zulassung oder Beschränkung des Importes wie auch die Kontrolle der Drittlandbetriebe die Europäische Kommission zuständig."

Weiters hat sie gesagt: "Sollte sich jedoch die Notwendigkeit ergeben, aus Gesundheitsgründen und zum Schutz der österreichischen Bevölkerung oder der österreichischen Tierpopulation darüber hinausgehende Beschränkungen zu erlassen, wird das Gesundheitsministerium zusätzliche Maßnahmen aufgrund der §§ 2c und 5 Abs. 1 des Tierseuchengesetzes ergreifen."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will jetzt den gesamten Wortlaut der Antwort gar nicht weiter vorlesen. Welche fatalen Folgen jedoch derart ungenügend erhitztes und sterilisiertes Futter haben kann, hat uns die BSE-Krise aufgrund der BSE-Epidemie in Großbritannien gezeigt. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wir können froh sein, daß wir in Österreich einen hohen Standard bei den Tierseuchengesetzen und auch bei den gesetzlichen Bestimmungen bezüglich unserer TKV-Anlagen haben. Die österreichischen Tierkörperverwertungsanstalten haben einen sehr hohen hygienischen Standard und unterliegen einer ganz hervorragenden Kontrolle, wobei mittels Druckschreiber, mittels Temperaturschreiber und aufgrund der Zeitdauer der Erhitzung jederzeit eine Kontrolle der Anlage und auch der dort erhitzten Futtercharge gegeben ist. Weiters wird zusätzlich eine Produktkontrolle durchgeführt, indem das erzeugte Tierfett oder Tiermehl in den Untersuchungsanstalten zusätzlich darauf untersucht wird, ob noch irgendwelche Krankheitskeime vorhanden sein könnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch den hohen Hygienestandard in unseren TKV-Anlagen und das Fütterungsverbot von Tier- und Knochenmehl – da muß ich der Frau Bundesministerin wirklich danken, sie hat damals hervorragend reagiert – war BSE in Österreich bis dato wirklich kein Problem. Ich hoffe daher, durch diesen zur Beschlußfassung aufliegenden Entschließungsantrag betreffend ein Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl aus TKV-Anlagen mit niedrigem Hygienestandard das letzte Restrisiko beseitigen zu können. Dieser Beschluß ist mit Sicherheit auch im Interesse unserer heimischen Landwirtschaft, insbesondere der Tierproduktion. Deshalb unterstützen wir Freiheitliche diesen Antrag vollinhaltlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.01

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Bäderhygienegesetz stellt eine erforderliche Anpassung an die Rechtslage der EU dar. Die Novellierung beinhaltet Richtwerte, sogenannte


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43. Sitzung / Seite 154

Grenzwerte, zum Baden in Oberflächengewässern – nach mikrobiologischen, physikalischen und chemischen Parametern.

Da dieses Gesetz auch Kosten verursacht, die für 1997 mit 3,4 Millionen Schilling erstmals veranschlagt wurden und in weiterer Folge jährlich 3,1 Millionen betragen werden, hoffe ich, daß diese Kosten, zumindest für 1997, im Budget berücksichtigt wurden.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen, wie bereits im Ausschuß, sowohl dem Gesetz als auch dem Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Guggenberger und Dr. Leiner zu. Den § 14 Abs. 3 Z. 17 betreffend möchte ich allerdings einen Abänderungsantrag einbringen, der eine weitergehende Vorgangsweise beinhaltet. Der am 24. Oktober im Gesundheitsausschuß eingebrachte Abänderungsantrag Guggenberger/Leiner ist ein Schritt, der auch unseren Intentionen entspricht. So können gemäß § 212 der Gewerbeordnung neben Sachverständigen für Hygiene auch Ziviltechniker einschlägiger Fachgebiete oder chemische Laboratorien vom Inhaber einer Badeanlage mit der Probenentnahme und Laboranalyse betraut werden. Paradox dabei ist allerdings, daß ein Ziviltechniker, der nach § 50 des Lebensmittelgesetzes zur Untersuchung, Analyse und Begutachtung der Genußtauglichkeit von Trinkwasser berechtigt ist, kein Gutachten über die Qualität von Wasser, das nur zum Baden und Duschen verwendet wird, erstellen darf. (Abg. Mag. Peter: Unerhört!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, da muß etwas geschehen. Unsere Kritik ist sicher angebracht. Wir sehen nicht ein, warum diese Ziviltechniker – auch Privatunternehmen und Initiativen, die im Trinkwasserbereich tätig sein können – gegenüber den Hygienefachärzten kraß benachteiligt werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bringe daher folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Motter, Peter und Partner/innen zur Regierungsvorlage (310 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird (CELEX-Nr.: 376L0160, 390L0656, 391L0692)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

In Ziffer 17 lautet § 14 Absatz 3:

"(3) Als Sachverständige der Hygiene sind Amtsärzte, Hygieneinstitute von österreichischen Universitäten oder Gebietskörperschaften, bundesstaatliche bakteriologisch-serologische Untersuchungsanstalten oder gleichartige Anstalten, die unter der Leitung eines Facharztes für Hygiene und Mikrobiologie stehen oder die gemäß § 50 LMG berechtigt sind, Trinkwasser auf seine chemische, mikrobiologische und hygienische Genußtauglichkeit zu untersuchen und zu beurteilen, oder gleichqualifizierte Einrichtungen anderer Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum heranzuziehen. Sind aufgrund des Ortsbefundes und der Messungen vor Ort Proben zu entnehmen – bei Kleinbadeteichen sind diese jedenfalls zu entnehmen –, kann der Inhaber eines Hallenbades, künstlichen Freibades, Warmsprudelbeckenbades oder Kleinbadeteichs für Laboranalysen auch Personen und Einrichtungen beauftragen, die zu den dafür erforderlichen Untersuchungen berechtigt sind (z. B. Ziviltechniker einschlägiger Fachgebiete, chemische Laboratorien gemäß § 212 der Gewerbeordnung 1994)."

*****

(Beifall beim Liberalen Forum.)


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
43. Sitzung / Seite 155

Meine Damen und Herren! Zur Regierungsvorlage Medizinproduktegesetz sei festgehalten, daß mit diesem Gesetz in Zukunft jeder Hersteller medizinischer Produkte im EU-Raum an einer geeigneten Stelle seiner Wahl die Konformitätsbewertung, die sogenannte EURO-Zulassung, abwickeln und auch sein Produkt in Verkehr bringen kann. Wir halten dies – im Gegensatz zum Gesundheitsvorsitzenden der freiheitlichen Fraktion – für positiv; meine Kollegin, Dr. Gredler, wird noch näher darauf eingehen. Durch die bekannterweise ungeheure Produktionsvielfalt und Dynamik auf diesem Gebiet ist eine Kennzeichnung dieser Waren notwendig; meine Vorredner haben dies bereits ausführlich erläutert.

Ein Kritikpunkt ist – ich habe ihn bereits im Ausschuß vorgebracht –, daß dieses Gesetz ein Gesetzesmonster darstellt. Es darf die Frage erlaubt sein, ob ein neues Gesetz ein solches Ausmaß an Vorschriften beinhalten muß, zumal die Europäische Union für ihre einschlägigen Regelungen mit weniger Vorschriften auskommt.

Herr Kollege Leiner! Habe ich Sie jetzt oder im Ausschuß nicht richtig verstanden? Sie waren nämlich der Meinung, daß dieses Gesetz auch Vorbildwirkung haben könnte. Da möchte ich Ihnen nochmals entgegenhalten: Ich glaube nicht, daß von einer Gesetztesaufblähung Vorbildwirkung ausgehen sollte. (Abg. Dr. Leiner: Da sind ja Sicherungsinstrumente drinnen!) Ich glaube trotzdem, daß es sich um eine Aufblähung handelt, weshalb ich auch die Kritik der Ärztekammer nicht so ablehne, wie Sie es mir gegenüber im Gesundheitsausschuß formulierten. Denn: Daß in Zukunft viele Medizinprodukte in bezug auf ihre Eignungsprüfung in Richtung Industrie verlagert werden sollen, ist bedenkenswert.

Ich bin auch der Meinung, daß zum Beispiel Pflaster, Verbände et cetera, also einfachere Medizinprodukte, von der genauen Dokumentationsverpflichtung ausgenommen werden sollten, da dies einen immensen Mehraufwand an Kontrolle erfordern würde. Ob da Kontrolle unbedingt erforderlich ist, sei dahingestellt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Trotz dieser Kritik stimmen wir dem Gesetz zu, weil für uns die Vorteile überwiegen. So eröffnet zum Beispiel der Wettbewerbsvorteil aufgrund einer einheitlichen Qualitätszertifikation auf dem Weltmarkt neue Perspektiven, denen wir uns nicht verschließen wollen.

Abschließend möchte ich noch auf den Entschließungsantrag Firlinger/Motter betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion eingehen. Der vorliegende Antrag wurde bereits im April 1996 eingebracht und ist deshalb in dieser Form nicht mehr aktuell. Ich bin aber sehr froh, daß dieser nicht mehr aktuelle Antrag Anlaß zu einem neuen Fünfparteienantrag geworden ist. Meine Vorredner haben dies bereits ausführlich erläutert, und wir geben diesem Antrag gerne unsere Zustimmung. (Beifall beim Liberalen Forum und des Abg. Mag. Maier. )

21.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

21.09

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hoher Ausschuß! Ich möchte zunächst auf den Abänderungsantrag zum Bäderhygienegesetz, den Frau Kollegin Motter eingebracht hat, Bezug nehmen. Ich glaube, er ist eine durchaus sinnvolle Ergänzung zum vorliegenden Gesetzestext und ihm ist seinem Inhalt nach, wie ihn Frau Kollegin Motter in ihrem Abänderungsantrag formuliert hat, auch von unserer Fraktion zuzustimmen.

Ich möchte zum Bäderhygienegesetz noch hinzufügen: Wie schon im Ausschuß bin ich auch heute noch nicht davon überzeugt, daß die damalige Auskunft richtig war.


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43. Sitzung / Seite 156

Ich stimme diesem Bäderhygienegesetz nur unter jenen Bedingungen zu, die im Bericht des Gesundheitsausschusses enthalten sind: nämlich unter der Voraussetzung der Kostenwahrheit von 3,5 Millionen Schilling im ersten Jahr und 3 Millionen Schilling in den folgenden Jahren. Im Ausschuß hat mich stutzig gemacht, daß beim Begutachtungsverfahren zu diesem Bäderhygienegesetz allein das Land Niederösterreich gleich viele Badeanstalten, die von diesem Gesetz betroffen sind und sinnvollerweise zu untersuchen wären, genannt hat, wie sie jetzt als Grundlage für die gesamte Republik Österreich angenommen werden.

Wenn man auch noch bedenkt, daß dieses Bäderhygienegesetz gegenüber dem ursprünglichen Entwurf noch um zwei weitere Bereiche – Saunaanlagen, speziell Warmluft- und Dampfbäder – erweitert worden ist, so darf es, glaube ich, uns Parlamentariern, die wir mit der Budgethoheit ausgestattet sind, auch nicht egal sein, ob diese Kostenfrage in oberflächlicher Art und Weise behandelt wird. Ich hoffe, daß die Befürchtung, diese Zahlen könnten nicht halten und Mehrkosten würden erwachsen, nicht eintritt.

Frau Bundesministerin! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in einer kurzen Wortmeldung zu diesen von mir im Ausschuß vorgebrachten Bedenken – vielleicht auch mit konkreten Zahlen, die Kostendeckungsfrage betreffend, auch bezüglich der Erweiterung des Bäderhygienegesetzes, die der Ausschuß vorgenommen hat – Stellung nehmen würden.

Das Medizinproduktegesetz betreffend hat meine Fraktion eine andere Haltung. Frau Kollegin Motter hat ausgeführt, daß für sie und ihre Fraktion das neu zu schaffende Qualitätsgütezeichen so dominierend positiv ist, daß – im Vergleich zu dem aufgeblähten Gesetzeswerk mit 29 Verordnungsermächtigungen für die Frau Bundesministerin, die nunmehr zu erfüllen sind – für sie die Vorteile überwiegen und die Sicherheit der Produkte im Vordergrund steht.

Ich möchte für meine Fraktion anmerken, daß gerade diese Qualitätsgütesiegelzuteilung eine schwierige Angelegenheit ist. Es werden zwar primitivere Medizingüter einem einfachen Verfahren des Qualitätsnachweises unterzogen, bei komplizierteren und technisch aufwendigeren Geräten – von Sonographen, arthroskopischen Geräten, Operationstischen angefangen bis hin zu automatischen Medikamentendistributoren und Großgeräten – wird es aber dann nicht mehr möglich sein, daß die Überprüfungsstandards von jenen Firmen, die den Weltmarkt beherrschen, und ihren Lobbies abweichen werden. Es wird das also das nahezu einzige Verfahren sein und die kleinen, heute durchaus erfolgreichen und innovativen Mitanbieter werden auf diesem Sektor enorme Nachteile bekommen. Diese Qualifizierung – nach der EU-Regelung in verschiedenen Qualifikationsklassen und für die jeweiligen Verarbeitungsschritte durchzuführen – kann auch abweichend davon nachgewiesen werden, was für Extranachweise solche Kosten entstehen läßt, daß die kleinen Anbieter gezwungen werden, sich den großen Firmen anzupassen, und hier ein Einheitsmarkt an Medizinprodukten geschaffen wird.

Gerade für innovative kleine Anbieter, die sich aufgrund der individuellen Ansprüche, die an Großgeräte gestellt werden, eine Marktnische geschaffen haben, bedeutet das einen entscheidenden Nachteil. Dies ist auch ein enormer Nachteil für die Lebensqualität der davon betroffenen Patienten, die diese Standardprodukte verwenden müssen, Produkte, die ausschließlich standardisiert und nicht mehr individuell angepaßt sind. Trotz aller guten Intentionen, die diesem Gesetz zugrunde liegen, bleibe ich daher bei meinem Entschluß, das Gesetz abzulehnen – auch weil dessen Umsetzung aus meiner Sicht fehlerhaft, lückenhaft und zu bürokratisch erfolgt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.15

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten.

21.15

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich beim Kollegen Haupt, der klar festgestellt hat, daß die Grundintention dieses Gesetzes stimmt. Wir gehen einen Schritt weiter: Wir glauben, daß dieses Medizinproduktegesetz mehr Sicherheit für Patienten und Konsumenten und damit insgesamt ein Mehr an Rechtssicherheit bringt.


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43. Sitzung / Seite 157

Der Kritik der Freiheitlichen Partei, beispielsweise in der Frage der Verordnungsermächtigung, können wir uns keinesfalls anschließen. Wir glauben, daß genau durch diese Verordnungsermächtigung auf den Markt reagiert werden kann und klare Entscheidungen durch die zuständige Bundesministerin getroffen werden können. Wir glauben auch nicht, daß das Argument richtig ist, daß dieses Gesetz weit über die EU-Richtlinien hinausgeht und daher abzulehnen wäre.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Wir sind sehr froh, daß dieses Gesetz einen Schritt weiter geht, weil es uns hilft, Personen und Firmen zu bekämpfen, die wir als Konsumentenschützer schlichtweg als Gauner bezeichnen.

Ich habe mir erlaubt, Ihnen einige Unterlagen aus unserem Kundenverkehr mitzubringen, beispielsweise den Bericht einer Patientin, die von einem oberösterreichischen Arzt betreut wird, der ihr Edelsteinketten zum Preis von 4 000 S verkauft, mit dem Ziel, daß sie dadurch von ihrem Krebs geheilt wird.

Was bringt uns nun dieses Gesetz? – Dieses Gesetz bringt uns die Möglichkeit – im dritten Abschnitt, im Bereich Werbung für Medizinprodukte –, diese Gaunereien, gleichgültig, ob sie von Ärzten oder Gewerbetreibenden begangen werden, aktiv zu bekämpfen. Eine derartige Möglichkeit hat bislang gefehlt.

Gestatten Sie, daß ich ein weiteres Beispiel anführe. Ich habe hier eine Magnetdecke (der Redner zeigt eine Decke) zum Preis von 4 300 S, die bei Werbefahrten in Österreich, in der Bundesrepublik Deutschland, im europäischen Raum an Pensionisten verkauft wird. Versprochen wird dabei die Heilung von – ich erlaube mir, die Liste der Leiden hier vorzulesen – Allergien, allgemeiner Schwäche, Angina Pectoris, Morbus Bechterew, Narbenschmerzen, Neuralgien, Rheumabeschwerden, vegetativen Störungen, Zellulitis, Ischias, Herpes, Herzbeschwerden. – Diese Decke wird derzeit als medizinisches Produkt verkauft. Durch dieses Gesetz haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit, aktiv – nämlich verwaltungsstrafrechtlich, aber auch wettbewerbsrechtlich durch seriöse Anbieter – dagegen vorzugehen. Wir sind daher sehr froh, daß dieses Gesetz nun in Kraft tritt, und unsere Fraktion beziehungsweise die Koalition bekennt sich vollinhaltlich zu diesen Bestimmungen, weil diese Bestimmungen den österreichischen Patienten und Konsumenten helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.18

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Schuster. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

21.18

Abgeordneter Johann Schuster (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Der Tagesordnungspunkt 15 des heutigen Sitzungstages befaßt sich mit dem Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion. Die Abgeordnete des Liberalen Forums, Kollegin Motter, hat darauf hingewiesen, daß dieser Antrag bereits im April des heurigen Jahres eingebracht wurde, und zwar damals aus Aktualitätsgründen. In der Zwischenzeit hat sich vieles geändert, und dieser Antrag wurde daher zurückgezogen, was im Ausschuß nicht ganz einfach war, weil der Erstunterzeichner nicht anwesend gewesen ist. Jetzt aber gibt es erfreulicherweise einen Fünf-Parteien-Antrag zu dieser Thematik.

Ich darf nun folgenden Antrag in die Diskussion einbringen:

Antrag

der Abgeordneten Schuster, Onodi und Kollegen auf Rückverweisung des Antrages 157/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion (390 der Beilagen) (Punkt 15 der Tagesordnung des Nationalrates) an den Gesundheitsausschuß gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 GOG.


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43. Sitzung / Seite 158

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Antrag 157/A (E) der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion (390 der Beilagen) (Punkt 15 der Tagesordnung des Nationalrates) wird gemäß § 53 Abs. 6 Z. 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates nochmals an den Gesundheitsausschuß verwiesen."

*****

Es war damals im Ausschuß eine sehr turbulente Situation, es gab mehrere Abstimmungen, Fehlverhalten und anderes mehr. Wir glauben, daß in der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses dieses Thema noch einmal erörtert wird, und ich hoffe, daß der Fünfparteienantrag – so, wie meine Vorredner es angekündigt haben – auf jeden Fall die Zustimmung findet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist jetzt Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete. Keine freiwillige Redezeitbeschränkung.

21.22

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Zum ersten Bereich, zur Tiermehl- beziehungsweise Kadavermehlverfütterung: Diese entspricht eher einer Fütterung von Aasgeiern als einer Fütterung normaler Tiere. Ich glaube aber, daß wir – durch die Initiative, die von den Liberalen ausgegangen ist – jetzt zu einer vernünftigen Regelung kommen werden.

Das größere Problem sind allerdings die Wachstumsförderer in der Tierfütterung, nämlich die Antibiotika. Antibiotika bereiten uns Konsumenten größte Sorgen, weil sie Resistenzen hervorrufen, die zum Tod führen können. Wenn es so weitergeht, wird man in der Intensivmedizin schon bald keine Antibiotika mehr verwenden können, wenn man weiterhin toleriert, daß diese sogenannten Wachstumsförderer, also Antibiotika, zum Beispiel auch an Hühner verfüttert werden. Grundsätzlich sollte man dazu festhalten, daß Tiere Anspruch auf tiergerechtes Futter haben.

Zum Bundesgesetz betreffend Medizinprodukte ist ein Labyrinth entstanden: Die Millimeterangaben von Verbänden müssen genauestens eingehalten werden. Wie will man das überprüfen? – Ob man dann zu der richtigen Millimeteranzahl kommt oder nicht, hängt vom Zug und Druck ab, den man ausübt. Ich kenne allerdings keinen Chirurgen, der auf den Millimeter genau einen Schnitt setzt, um einen Verband anzulegen zu können, weshalb ich glaube, daß es ein Unsinn ist, zu versuchen, eine Überregelung zu schaffen. Frau Kollegin Motter hat ohnehin schon ausgeführt, daß man einiges von dieser Regelung ausnehmen sollte.

Die Europäische Arzneimittelagentur, die vor kurzem gegründet wurde, hat auch den Sinn, daß eine Produktkonformität und eine Erleichterung des Zulassungsverfahrens erreicht wird. Ich glaube, da hat man eine sehr gute Lösung im Sinne der österreichischen beziehungsweise europäischen Konsumentinnen und Konsumenten gefunden.

Was mir fehlt, ist, daß man im § 3 Abs. 8 auf die Freiwilligkeit nicht hingewiesen hat, diese wird erst später geklärt, wo unter § 49 Abs. 4 ein Ausscheiden aus einer Studie zu einem beliebigen Zeitpunkt ohne nachteilige Folgen erwähnt wird. Man vergißt aber, daß man bei einer Studie auch Medikamente verabreicht, die man "ausschleichen" muß, weil sie sonst zu gröberen Katastrophen – bis zum Herzinfarkt des Patienten – führen können, weshalb es so, wie es da drinnen steht, auf jeden Fall nicht anwendbar ist.

Als letzter Punkt zum Bäderhygienegesetz: Ich muß dazu sagen, daß diese späte Anpassung deshalb zustande gekommen ist, weil es im EU-Vertrag ausgehandelt wurde, was einen gravierenden Nachteil mit sich brachte. Es wurde heuer zum ersten Mal eine Liste der 3 000 reinsten Badeplätze Europas veröffentlicht. Österreich war dabei nicht vertreten.


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Diese 3 000 Orte haben natürlich mit ihrer Wasserqualität beziehungsweise der Reinheit ihrer Strände Werbung betrieben; die österreichischen Orte wurden davon ausgenommen. Unsere Tourismusorganisationen haben somit nicht die Möglichkeit gehabt, darauf hinzuweisen, daß in Österreich durchaus paradiesische Zustände herrschen, die man anpreisen könnte, um Personen aus dem europäischen Raum nach Österreich zu locken. Ich glaube, da ist etwas versäumt worden, weshalb es höchste Zeit war, daß es zu dieser Anpassung gekommen ist. Hätten wir sie früher gehabt, wäre der eine oder andere Hotelier vielleicht nicht in jene Bredouille gekommen, die im heurigen Jahr gegeben war. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Bezüglich der Schwimmbäderqualität kann ich nur darauf hinweisen, daß die Wasserpröbchen, die aus den Schwimmbädern entnommen werden, nichts über die tatsächliche Qualität des Wassers aussagen. Ich habe einen Tauchkurs in Österreich besucht und war einen Monat lang auf minus drei Meter zu finden. Sie können sich nicht vorstellen, wie grausig es ist, wenn dort Haarbüschel und andere Grausigkeiten an Ihnen vorbeiziehen, die Sie am Vortag schon gesehen haben. Ich würde diesen Wasserprüfern einmal empfehlen, sich drei Meter unter die Wasseroberfläche zu setzen und dort ihre Pröbchen zu ziehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Buder. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten.

21.27

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat das Bäderhygienegesetz angesprochen – es stimmt, daß es eine späte Anpassung ist, denn die Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 8. 12. 1975 macht eine Änderung des derzeit geltenden Bäderhygienegesetzes notwendig, um es der Rechtslage der EU anzupassen. Bei den Beitrittsverhandlungen wurde Österreich für die Novellierung des Bäderhygienegetzes eine Frist bis zum 31. 12. 1996 gestattet, und diese Frist wird nun eingehalten.

Das neue Bäderhygienegesetz legt bestimmte Qualitätsanforderungen, Meß- und Prüfmethoden zum Schutz der Badenden vor Infektionen und sonstigen Gesundheitsschäden sowie zur Bewahrung und Verbesserung der Badewässerqualität fest. Durch die Änderung der EU-Richtlinie in Österreichisches Recht wird der Anwendungsbereich des Bäderhygienegesetzes – bisher auf Hallenbäder, künstliche Freibeckenbäder, Bäder in Oberflächengewässern und Saunaanlagen begrenzt – auch auf Warmsprudelbeckenbäder, Kleinbadeteiche und Badestellen in Badegewässern sowie durch den im Gesundheitsausschuß mit behandelten Abänderungsantrag der Abgeordneten Onodi und Dr. Leiner auch auf Warmluft- und Dampfbäder erweitert. Außerdem wurde mit der Umsetzung dieser Richtlinie natürlich sichergestellt, daß Badestellen gewissen Mindestanforderungen entsprechen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch kurz auf den erweiterten Anwendungsbereich zu sprechen kommen: Dieser wird auf Bäder und Badestellen in Oberflächengewässern und auf Kleinbadeteiche erweitert. Hinsichtlich der Warmsprudelbeckenbäder wird ein Mindestmaß an hygienischen Anforderungen bezüglich der Beschaffenheit und der Betriebsführung präzisiert. Die Präzisierung bezüglich der Warmsprudelbeckenbäder ist notwendig geworden, weil die höchste potentielle Gefährdung durch Übertragung von Krankheitserregern in Bädern von diesen kleinräumigen warmen Becken ausgeht.

Eine gute Wasserqualität beim Baden kommt der Bevölkerung und den Touristen gleichermaßen zugute, was für ein Land wie Österreich außerordentlich wichtig ist, welches doch mit Stolz auf seine sauberen Flüsse und Seen verweisen kann und damit auch im Fremdenverkehr wirbt.

Wenn meine Vorrednerin schon von paradiesischen Zuständen spricht, dann glaube ich, daß man in Europa sehr wohl weiß, wie es um unsere Flüsse und Seen bestellt ist.


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Gegenüber der EU haben wir für die Badesaison 1997 erstmals Berichtspflicht. Die Berichtslegung kann nur dann erfolgen, wenn von den Ländern sechs Wochen nach Ablauf der Badesaison der Bericht an das Gesundheitsministerium übermittelt wird.

Die erste Beprobung hat Anfang Juni zu erfolgen, und es sind sechs Untersuchungen vorgesehen.

Es wurde auch schon über die Kosten gesprochen: Sie belaufen sich auf über 3 Millionen Schilling im Jahr. Das Budget für 1997 wurde zwar schon beschlossen, aber durch Umschichtungen im Budget wird dieser Betrag aufgebracht werden.

Natürlich sind auch zusätzliche Geräte für die Beprobung notwendig. Für diese Geräte sind im Budget 1997 270 000 S vorgesehen. Den Ländern erwachsen keine zusätzlichen Kosten, außer den Kosten für die Berichterstellung.

Ich meine, daß das Geld für die Kosten der Beprobungen besser angelegt ist, als wenn man Folgekosten bezahlen muß, die dann für die Heilung von Krankheiten anfallen.

Natürlich sind in diesem Gesetz auch Strafen für die Nichterfüllung der Bestimmungen beziehungsweise für die Nichteinholung der vorgeschriebenen Bewilligungen vorgesehen. Sie gehen bis zu einer Höhe von 100 000 S. Wenn aufgrund eines derartigen Verstoßes eine schwerwiegende Gefahr für Leben oder Gesundheit von Personen entstanden ist oder wenn der Täter schon zweimal nach diesen Bestimmungen bestraft worden ist und der Tatbestand einer strafbaren Handlung besteht, sind Geldstrafen bis zu 300 000 S vorgesehen.

Ich hoffe jedoch, daß es zu keinem strafbaren Tatbestand kommt. Ich meine, daß mit der vorliegenden Regierungsvorlage, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird, ein weiterer wesentlicher Beitrag in Richtung Gesundheitsvorsorge geleistet wird, und ich hoffe, daß alle Fraktionen dieses Hohen Hauses diesem Gesetz zustimmen werden.

Dem Abänderungsantrag der Frau Abgeordneten Motter können wir aus gesundheitspolitischen Gründen leider nicht zustimmen, denn die Infektionsgefahr ist bei Badewasser erheblich größer und vielfältiger: Man bedenke nur, daß die Infektionen über die Nase und über die Haut auch in die Lunge gelangen können. Daher können wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Abg. Motter: Und das Trinkwasser?) Eine Erweiterung der Begutachtungsstellen ist durch den Abänderungsantrag Onodi, Dr. Leiner im Gesundheitsausschuß schon erfolgt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.32

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Mit dem Medizinproduktegesetz liegt uns ein Gesetz vor, das eine weitere Lücke in der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht schließt.

Dieses Gesetzeswerk wurde zwar kritisch betrachtet, stellt aber im Endeffekt dennoch ein Werk dar, das weit über die EU-Richtlinien hinausgeht und europaweit sehr wohl vorbildhaft wirken kann und auch wirken wird. Es wurde auf alle Probleme Bedacht genommen, und unser Gesetz ist in Art und Umfang dem vor zirka zwei Jahren in Deutschland beschlossenen Gesetz sehr weit voraus. Es ist sicher um einiges umfangreicher, dennoch meine ich, daß wir aus der Vorgangsweise in Deutschland gelernt und Fehlerquellen vermieden haben.

Einige wichtige positive und auch kritische Punkte wurden schon in der Diskussion vorweg angesprochen. Ich möchte die Diskussion über dieses Gesetz nicht verlängern. Im Gesundheitsausschuß gab es eine sehr ausführliche Diskussion darüber, wie dieser Ausschuß ja immer sehr ausführliche Diskussionen führt. Wir von der ÖVP werden diesem Gesetz zustimmen,


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wissen aber, daß eine Anpassung beziehungsweise eine darüber hinausgehende Verbesserung noch eine aktive Begleitung und Beobachtung brauchen. – Ich danke, daß Sie zugehört haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.34

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Neben der Pharmaindustrie kennen wir eine weitere stark expandierende Industrie, nämlich die medizintechnische Industrie.

Die medizinisch-technischen Entwicklungen der letzten 50 Jahre sind für uns selbstverständlich. Ich erinnere mich noch: In meinen frühen Kindheitstagen sah ich noch viele Kriegsinvalide mit primitiven Holzprothesen. Welch technische Wunderwerke sind dagegen die heutigen Prothesen!

Die Nierenfunktion kann durch Dialysen, die Herz- und Lungenfunktion durch die Herzlungenmaschine, die viele Herzoperationen erst ermöglicht, ersetzt werden.

Stammzellen werden mittels Zellseparatoren gewonnen und ersparen Knochenmarksentnahmen, mit Endoskopen können wir das Körperinnere untersuchen und minimal invasive operative Eingriffe durchführen.

Waren vor 50 Jahren Maskennarkosen mit Äther sowie äußerst unangenehme Röntgenuntersuchungen mit hoher Strahlenbelastung Standard, so verfügen wir heute über Narkose- und Überwachungsapparate, die schonende Narkosen bei Hochrisikopatienten ermöglichen, und über wenig belastende, hoch auflösende bildgebende Verfahren, von denen wir vor kurzem nur träumen konnten.

Der Einsatz von Linsenimplantaten, Gelenksimplantaten, Gefäßimplantaten, Ballondilatationen und Infusionspumpen ist heute selbstverständlich.

Aus Zeitgründen erspare ich Ihnen weitere Aufzählungen. Diese Vielfalt zeigt jedoch die Bedeutung der Sicherung der Qualität von Medizinprodukten. Daher begrüße ich dieses Gesetz, das diese Sicherung gewährleistet und EU-Konformität herstellt.

Die Möglichkeiten, durch Medizinprodukte Menschen ein längeres und qualitativ besseres Leben zu geben, sind faszinierend. Trotzdem sollten wir etwas ganz Wesentliches nicht vergessen: Für Kranke sind auch menschliche Zuwendung und Gespräche eminent wichtig. Leider sind Spitalserhalter aber eher zu technischen als zu menschlichen Investitionen bereit. Apparate werden eher bewilligt, wenn dadurch eine Personalvermehrung unnötig oder eine Personaleinsparung eventuell möglich ist.

Die im Medizinbereich Tätigen erfüllt es mit Sorge, daß unter dem Druck der immer größeren Möglichkeiten, Schwerstkranke in immer kürzerer Zeit zu behandeln, bei steigenden Verwaltungs- und Dokumentationspflichten die Menschlichkeit, aber auch die Ausbildung der Jüngeren auf der Strecke bleiben. Schon heute zeigen Studien, daß Spitalspatienten am meisten Kontakt mit dem Reinigungspersonal haben. Als Gegnerin einer Zwei-Klassen-Medizin wünsche ich mir, daß jeder Patient das Maß an menschlicher Zuwendung findet, das er benötigt, und nicht nur der private und prominente Patient.

Gewinne von Konzernen und Aktionären sind wichtig, sie dürfen jedoch nicht zum Götzen der Politik werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Sprachlosigkeit und Entsolidarisierung der Gesellschaft sind mahnende Zeichen. Stellen wir immer den Menschen mit seinen Bedürfnissen, Wünschen und Sorgen in den Mittelpunkt unserer Überlegungen und unseres Handelns! Dieses Gesetz hat mit seinem Schutz für Siche


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rung der Qualität einen Anteil daran. Fördern wir jedoch mit gleichem Einsatz auch die menschliche Qualität! (Beifall bei der SPÖ.)

21.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.38

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Ich gebe Frau Dr. Pittermann recht, wenn sie sagt, daß die Menschen in der Medizin und in der Heilbehandlung mehr Zuwendung brauchen. Tatsache ist aber, daß durch den Einsatz der medizinischen Möglichkeiten und Hilfsmittel erreicht wurde, daß die Lebenserwartung der Bürger in Österreich enorm gesteigert werden konnte.

Wie zu vielen Bereichen des Lebens kann man auch zu dem Medizinproduktegesetz verschiedener Meinung sein. Es wurde hier gesagt, daß dieses Gesetz eigentlich zu weit geht und die EU-Normen weit überschreitet. Das ist richtig. Das ist sicherlich ein Nachteil für die Hersteller. Meiner Meinung nach ist es aber ein Vorteil für die Konsumenten, und die Gesundheit der Menschen wiegt für uns in dieser Frage mehr. Deshalb werden wir diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gehöre normalerweise nicht zu denjenigen, die eine Überschreitung der EU-Normen befürworten, vor allem dann nicht, wenn es dabei um Konkurrenz für unsere Wirtschaft geht. Unsere Wirtschaft wird aufgrund dieses Gesetzes eher Nachteile haben. Dennoch glaube ich, daß wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.

Wir diskutieren heute ferner über einen Entschließungsantrag bezüglich des Fütterungsverbotes für Tier- und Knochenmehl. Es wurde gesagt, die Situation habe sich geändert und wir hätten neue Erkenntnisse gewonnen. Meine Damen und Herren! Tatsache ist folgendes: Im Ausschuß wurde uns dieser Antrag der Kollegin Motter und des Kollegen Firlinger vorgelegt. Nachdem sich Herr Firlinger jedoch auf Wanderschaft von seiner Gruppe ins Paradies der Freiheitlichen befindet, konnte dieser Antrag nicht weiter beraten und umgesetzt werden. Er konnte auch nicht zurückgezogen werden, weil Herr Firlinger in der anderen Fraktion im Gesundheitsausschuß nicht vertreten ist. Das ist peinlich. Ich kann aber nichts dafür.

Deshalb kam es unter nicht sehr professioneller Vorsitzführung – das muß man auch einmal sagen – zu einigen Abstimmungsturbulenzen. Das hat zur Folge, daß wir heute hier diesen Antrag beraten, wo wir das ungestört tun können.

Lassen Sie mich jetzt einige Feststellungen treffen:

Erstens: Alle Fachleute, und nicht zuletzt Professor Dr. Franz Lettner, ein international anerkannter Fachmann, sagen, daß die Verfütterung von Tiermehlen und Knochenmehlen in Wahrheit nichts Gefährliches oder Bedenkliches ist. Ganz im Gegenteil: Das unterstützt den natürlichen Kreislauf. Das wird von der Wissenschaft voll mit getragen und empfohlen, jedoch mit der Auflage, daß Tier- und Knochenmehl, vor allem Tiermehl, nicht an Wiederkäuer verfüttert werden soll.

In Österreich besteht ein diesbezügliches Verbot. Das ist etwas Positives, und ich glaube, daran werden wir uns auch orientieren, auch wenn Kollegin Dr. Gredler sagt, daß sie bei Tier- und Knochenmehl das Problem sieht, daß Hormone und Antibiotika darin enthalten sind. (Abg. Dr. Gredler: Das habe ich nicht gesagt!) Frau Dr. Gredler! Das stimmt nicht. Sie können sich über die Produktion von Tiermehl und dessen Kennzeichnung unterrichten lassen! Sie werden sehen, daß es auf diesem Gebiet keine Probleme gibt.

Wenn Sie meinen, ein Tier habe ein Anrecht auf tiergerechtes Futter, dann gebe ich Ihnen recht. Aber wir haben auf diesem Gebiet wirklich keine Probleme. Ganz im Gegenteil: Man sagt, daß die Verfütterung von Tiermehl bei der Herstellungsart, wie wir sie in Österreich haben – und ich bin grundsätzlich immer für strenge Vorgaben –, eine positive Entwicklung in der gesamten Pro


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duktion bewirkt hat. Auch auf die Fleischqualität gibt es in keiner Weise auch nur annähernd bedenkliche negative Auswirkungen. Das soll gesagt werden! Ich glaube, darüber muß man reden.

Tatsache ist, daß Tiermehl im Zusammenhang mit BSE ins Gerede kam. Wie kam es dazu? – In England wurde Tiermehl von kranken Schafen an Wiederkäuer verfüttert. Das war ein kapitaler Fehler, den heute nicht zuletzt auch die österreichischen Bauern mit enormen Einkommenseinbußen zu bezahlen haben. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Das ist passiert, Herr Kollege Haigermoser!

Ich meine auch, daß sich unser Minister Mag. Molterer in der letzten Sitzung des Agrarministerrats tapfer geschlagen hat, in der es darum ging, daß alle BSE-geschädigten Betriebe eine entsprechende Abgeltung bekommen sollen. Ich hoffe, daß auch das Verursacherland möglichst bald einlenkt und wir zu vernünftigen Lösungen kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden dem Entschließungsantrag, den wir eingebracht haben, zustimmen, weil er der bessere Antrag ist, und zwar deshalb, weil er beide zuständigen Ministerien – sowohl jenes für Gesundheit und Konsumentenschutz als auch jenes für Land- und Forstwirtschaft – zum Handeln auffordert. Das ist richtig, denn alle anderen Anträge davor wurden nur aus Aktualitätsgründen und nicht wegen sachlicher Inhalte gestellt. Da wir also den besseren Antrag haben, werden wir demselben auch mit Begeisterung zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

21.44

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Wabl . – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.44

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Meine Damen und Herren! Ich spreche vor allem zu Ihnen, Frau Kollegin aus der Steiermark. Ich spreche allerdings nicht über die Gesetzesflut und die fürchterlichen, nicht lesbaren Gesetzestexte, die Sie nicht verstehen und die die Menschen draußen nicht verstehen.

Ich möchte zu diesem wunderbaren Antrag des ehemals liberalen Abgeordneten Firlinger kurz Stellung beziehen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Er ist immer noch ein Liberaler, sagt er!) Aha, er ist immer noch ein Liberaler! – Ich möchte auch auf die Ausführungen meines Vorredners kurz eingehen, wobei ich glaube, daß es hier ein ganz großes Mißverständnis gibt.

Im Grunde genommen ist es richtig, wenn Kollege Donabauer meint, daß die Verfütterung von Tiermehl an sich der Kreislaufwirtschaft entspricht. Sie haben natürlich recht. Wenn von einem Schlachthof jenes Fleisch, das für den menschlichen Genuß bestimmt ist, auf den Markt gebracht wird und der Rest, nämlich die Knochen und andere Fleischabfälle, Fette und sonstiges, zu Tiermehl vermahlen wird, dann halte ich das für legitim und zulässig. Es muß jedoch die massive Einschränkung getroffen werden, daß dieses Tiermehl nicht an Wiederkäuer verfüttert werden darf. Diese Einschränkung ist richtig und wichtig. Man kann doch nicht Teile der Tiere, die geschlachtet wurden, für den menschlichen Verzehr herrichten, während man andere Teile derselben Tiere als ungenießbar verbrennt, vergräbt oder sonstwo deponiert. Das kann doch nicht Sinn und Zweck dieses großartigen liberalen Antrags des Kollegen Firlinger sein!

Gemeint hat Kollege Firlinger vielmehr, daß erstens einmal ausgeschlossen werden muß, daß Wiederkäuer mit Knochen- und Tiermehl gefüttert werden. Er hat das allerdings nicht differenziert. Dazu war er nicht mehr in der Lage, weil er schon mit Vorbereitungen für den Wechsel zu den Freiheitlichen beschäftigt war.

Zweitens ist es sehr wichtig – das muß man auch in Österreich noch klären –, daß Reste von kranken Tieren, möglicherweise auch von Tieren, die von BSE befallen sind, nicht einmal zur Verfütterung an Allesfresser verwendet werden dürfen. Wir wissen, daß England riesige Lager von Tiermehl hat, die man auf dem internationalen Markt auf irgendeine Art und Weise unterzubringen versucht. Das ist sehr gefährlich, und deshalb, Herr Kollege Donabauer, bin ich der Meinung, daß man hier besonders streng und restriktiv sein muß.


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Im Grundsatz gebe ich Ihnen allerdings recht, Herr Kollege, daß der Antrag falsch und undifferenziert ist und deshalb zurückverwiesen werden muß. Ich bin deshalb Kontraredner, weil ich bei den anderen Punkten dagegen bin, und deshalb hat man mich so gemeldet. In diesem Antrag bin ich aber ausnahmsweise auf Ihrer Seite, wenngleich ich der Meinung bin, daß man in dieser Hinsicht sehr vorsichtig sein muß. Der Antrag Firlinger ist schlecht durchdacht, undifferenziert und wird nicht besser, auch wenn ihn die anderen Liberalen jetzt noch verteidigen.

21.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dunst. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.48

Abgeordnete Verena Dunst (SPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte drei Bemerkungen zu den heute besprochenen Inhalten machen.

Zunächst einmal: Es freut mich, daß alle fünf Parteien in Sachen Bäderhygiene die gleiche Ansicht haben. Einer solchen Neuregelung kommt natürlich in einem Fremdenverkehrsland wie Österreich besondere Bedeutung zu. Man kann sicherlich von vertrauensbildenden Maßnahmen sprechen, wenn dafür gesorgt wird, daß die Kontrollauflagen beachtet werden. Der in- und ausländische Gast soll mit Genuß in unseren heimischen Gewässern baden können, ohne sich fürchten zu müssen. Er soll vor allem die Gewißheit haben, daß ständige Kontrollen und ein entsprechendes Warnsystem die hohe Qualität der österreichischen Bäder sichern.

Zweitens: Ich war nicht gerade positiv überrascht, als ich von mehreren Rednern hören mußte, daß ihnen das Medizinproduktegesetz zu lang sei! Frau Abgeordnete Motter! Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Wenn gerade Sie von einem Monstergesetz sprechen, dann ist meine Enttäuschung besonders groß. Sie werfen ein, daß die EU mit weniger als 29 Verordnungen auskommt. Ich gebe in diesem Fall jedoch der Frau Minister völlig recht: Dieses Gesetz zum Schutz des Konsumenten kann nicht lang genug sein. Ich glaube, das sollte man hier noch einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Redezeit ist kurz. Daher möchte ich gleich zum dritten und letzten Punkt meiner Ausführungen kommen. Abgeordneter Salzl und viele andere meiner Vorredner haben den Entschließungsantrag betreffend das Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl angesprochen. Ich möchte dazu nur ganz kurz zwei Bemerkungen machen:

Erstens: Wie wir alle wissen, ist in Österreich die Verfütterung von Tierkörpermehl an Wiederkäuer bereits seit 1990 verboten.

Zweitens: In den österreichischen Tierbeständen ist bisher kein einziger Fall von BSE aufgetreten. Seit 1990 werden routinemäßig die Gehirne aller Tiere mit zentralnervalen Störungen nach deren Tötung in der Bundeslehranstalt für Tierseuchenbekämpfung in Mödling untersucht.

Wenn es heute zu einer Zurücknahme kommt, dann kann ich nur sagen: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. In der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses wird dieser Fünf-Parteien-Antrag – davon bin ich überzeugt – sicherlich wieder zustande kommen. Herr Dr. Pumberger! Herr Abgeordneter Schuster! Frau Abgeordnete Motter! Frau Abgeordnete Haidlmayr! Ich hoffe, Sie werden zu Ihrem Wort stehen! – Danke.

21.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Huber. 3 Minuten Selbstbeschränkung in der Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.51

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte zunächst einmal ganz kurz auf das Medizinproduktegesetz zu sprechen kommen, das wir Sozialdemokraten – das möchte ich hier betonen – nicht als zu aufgebläht und als zu weit gehend erachten, denn wenn es um die Gesundheit geht, kann es kein Zuviel an Kontrolle, an Hygiene und an Schutz für die Patienten geben.


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Insbesondere die vorgesehene Meldepflicht ist für mich ein zentraler Punkt dieses Gesetzeswerkes. Damit wurde erreicht, daß eine lückenlose Rückverfolgung aller medizinischen Produkte möglich ist, damit im Krisenfall dann punktgenau und rasch eingeschritten werden kann und verdächtige oder schädliche Produkte ohne langes Suchen aus dem Verkehr gezogen werden können. Damit ist das Risiko für die Patienten, mit einem minderwertigen oder sogar schädlichen Produkt behandelt zu werden, weitgehend minimiert.

Ich sehe auch in der Einrichtung des Medizinregisters einen weiteren Sicherungsmechanismus, vor allem deshalb, weil dieser Sicherungsmechanismus im Zusammenhang mit der kommenden europäischen Datenbank gesehen werden muß. Daß das Vorhandensein eines solchen zentralen Registers sehr sinnvoll und wichtig ist, hat uns die Praxis gezeigt, denn Österreich verfügt seit über sieben Jahren über ein eigenes Herzschrittmacherregister, welches sich bestens bewährt hat.

Ich meine, daß vor allem auch die über den Verordnungsweg zu erlassenden Sonderbestimmungen hinsichtlich Hygiene und Qualität ein wesentliches Kriterium für die Gesundheitsministerin darstellen. Denn dadurch wird jeglichem Pfusch, gerade in hochsensiblen medizinischen Bereichen, ein Riegel vorgeschoben. Dieses Medizinproduktegesetz, das aus der Notwendigkeit der Umsetzung einer EU-Richtlinie entsteht, wird – davon bin ich überzeugt – für viele Betroffene, Patienten und Konsumenten, mehr Sicherheit, mehr Schutz und mehr Lebensqualität bedeuten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet, und damit ist die Debatte geschlossen.

Wünschen der Berichterstatter beziehungsweise die Berichterstatterinnen das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir treten daher in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich werde über jeden Ausschußantrag getrennt abstimmen lassen.

Wir gelangen daher zuerst zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 388 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Motter und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Motter und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Z. 17 § 14 Abs. 3 bezieht.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse nun über Z. 17 § 14 Abs. 3 in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hierfür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich nun zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes, und zwar einschließlich der vom Berichterstatter vorgebrachten Druckfehlerberichtigung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein bejahendes Zeichen. – Der Antrag ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist gleichfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend Medizinproduktegesetz samt Titel und Eingang in 313 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 389 der Beilagen beigedruckten Abänderungen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diesen Gesetzentwurf aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte daher jene Damen und Herren, die dem gegenständlichen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung angenommen.

Die Abgeordneten Schuster und Onodi haben einen Rückverweisungsantrag hinsichtlich des Antrages 157/A (E) von Mag. Firlinger und Genossen betreffend Fütterungsverbot für Tier- und Knochenmehl in der Lebensmittelproduktion gestellt.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für den erwähnten Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Schuster und Onodi aussprechen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Dieser Antrag ist daher neuerlich vom Gesundheitsausschuß vorzuberaten.

16. Punkt

Erste Lesung des Antrages 229/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und die Gewerbeordnung geändert werden

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung: Es ist dies die erste Lesung des Antrages 229/A der Abgeordneten Dr. Kostelka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen und die Gewerbeordnung geändert werden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.58

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident! Vor zwei Jahren haben wir in diesem Haus anläßlich des grauenhaften Mordes an vier Roma und Sinti in Oberwart debattiert. Im Zuge dieser Debatte ist bekannt geworden, daß Lokalverbote aus ethnischen, rassischen, religiösen Gründen und auch aus Gründen der Behinderung in Österreich nicht seit 55 Jahren Vergangenheit sind, sondern auch heute noch vorkommen.

Ich habe damals von dieser Stelle aus erklärt, daß ich das nicht gewußt habe. Als ich diese Worte gesagt habe, wurde mir allerdings klar, daß das Worte sind, die ich in meiner Jugend bezogen auf das NS-Regime nur allzu häufig gehört habe. Ich habe mir daher damals geschworen, daß es nicht noch einmal die Entschuldigung "Ich habe es nicht gewußt!" geben darf, ohne daß dem Ganzen Taten folgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe in der weiteren Folge mit Freunden in meiner Fraktion einen Antrag auf Änderung der Gewerbeordnung und des EGVG mit dem Ziel eingebracht, daß es drastische, aber vertretbare


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Strafen in jenen Fällen gibt, in denen jemand aufgrund seiner Behinderung, seiner rassischen oder ethnischen Herkunft oder seiner religiösen Einstellung eines Lokals verwiesen wird oder daran gehindert wird, es zu betreten.

Meine Damen und Herren! Wir waren in der letzten Legislaturperiode der Lösung dieses Problems nahe. Beschlossen werden konnte die Novelle jedoch nicht, weil von seiten einer Fraktion des Hauses, die die Wirtschaft zu vertreten behauptet, die Haltung eingenommen wurde, daß eine Strafe von maximal 3 000 S bei einem solchen Lokalverbot vertretbar sei, aber kein Schilling mehr.

Meine Damen und Herren! So verhindert man keine Lokalverbote! Wir wollen diese Schande von Österreich auch im internationalen Raum nehmen. Wir wollen verhindern, daß jemand aus einem dieser seit 55 Jahren in Österreich nicht mehr akzeptablen Gründe eines Lokales verwiesen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben Verständnis dafür, daß Rowdytum von Lokalen ferngehalten werden soll. Sie können mit mir darüber diskutieren, ob es Lokale geben soll, in denen man einen Schlips als Voraussetzung für den Besuch tragen muß – nicht akzeptabel aber ist, als Voraussetzung für das Betreten eines Lokales die Hautfarbe hinter diesem Schlips festzulegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Keine Bagatellstraftatbestände und keine Bagatellstrafen für eine solche eklatante, gravierende Verletzung der Humanität. Geben Sie sich, Ihrer christlichen Einstellung und der Humanität in Österreich eine Chance: Stimmen Sie mit uns für eine Verdammung des Lokalverbotes und ein effektives Verbot einer solchen Handlungsweise. Ich fordere Sie dazu auf! (Beifall bei der SPÖ.)

22.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Puttinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

22.01

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Klubobmann Kostelka! Wenn Sie von "einer Partei dieses Hauses" sprechen, dann sagen Sie doch wer damit gemeint ist! Wir spielen hier ja nicht Verstecken. Sagen Sie, daß es die ÖVP ist, daß es Wirtschaftsleute der ÖVP sind oder daß es der Dr. Puttinger gewesen ist. Man sollte nicht zu feig sein, denjenigen zu nennen, der dagegen aufgetreten ist. (Abg. Dr. Kostelka: Das wären Sie!)

Der vorliegende Antrag sieht vor, daß die Gewerbeordnung im § 87 bezüglich der Schutzinteressen von Personen, die allein aufgrund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung diskriminiert werden, erweitert wird. In dieser Form ist der Antrag voll akzeptabel.

Nicht akzeptabel aber ist der Artikel 1 Ihres Antrages, der die Erhöhung der Geldstrafen von 3 000 S – und das haben Sie in Ihrer Rede nicht dazugesagt – auf 30 000 S vorsieht. (Beifall bei der ÖVP.) Ich möchte klar feststellen, daß ich mich gegen jede Form der Diskriminierung verwahre. Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ – Herr Klubobmann Kostelka, diesen Vorwurf mache ich auch Ihnen –, nehmen die Sache aber ein bißchen zu leicht. Es bedarf wohl anderer Mittel, als bei Diskriminierung einen Strafrahmen phantasielos hinaufzusetzen und den Entzug der Gewerbeordnung anzudrohen. Ihr Antrag ist vordergründig und letztendlich eine scheinheilige Maßnahme. (Abg. Dr. Mertel: Fest reinhauen! – Abg. Dr. Kostelka: Ja natürlich! – Abg. Dr. Haselsteiner: Wieviel darf es denn sein: 3 000 S oder 5 000 S?)

Ich sage Ihnen schon noch, was ich mir vorstelle, bleiben wir einmal beim Prinzipiellen: Geld kann die Einstellung nicht ändern. Es tut mir leid, daß Sie der Auffassung sind, Sie könnten sich die Einstellung mit Geld erkaufen. (Beifall bei der ÖVP.) – Es bedarf vielmehr der Aufklärung über Intoleranz, und zwar schon in den Schulen, aber auch des Eintretens von uns allen gegen Fälle der Intoleranz in der Öffentlichkeit.


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Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie glauben, das sei eine Sache des Verwaltungsstrafverfahrens und sonst nichts. Sie tun mir leid, denn es geht da um wesentlich mehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Beim vorliegenden Initiativantrag handelt es sich außerdem wieder um eine klassische Anlaßgesetzgebung. (Abg. Mag. Guggenberger: Da müssen wir das Strafgesetz abschaffen! – Abg. Dr. Kostelka: Jetzt genieren Sie sich wirklich!) Herr Klubobmann! Sagen Sie hier heraußen nichts anderes, als in der Begründung Ihres Antrages steht: Ich zitiere: "Zuletzt wurde ein Fall aus Salzburg bekannt, in dem einem Afrikaner allein aufgrund seiner Hautfarbe der Besuch einer Diskothek verweigert wurde." (Abg. Dr. Nowotny: Wollen Sie das verteidigen? – Abg. Mag. Guggenberger: Das Gesicht war unpassend!)

Ich danke Ihnen, daß Sie mich das fragen, und gebe Ihnen und den sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialistischen Partei folgende Auskunft: Herr Klubobmann Kostelka! Die Wahrheit besteht darin, daß sich dieser Afrikaner, der sich bereits im Jahr 1994 über dieses ausländerfeindliche Lokal beschwert hat, nach Aussage des Türstehers aggressiv verhalten hat und unpassend gekleidet gewesen ist. (Abg. Dr. Kostelka: Schämen Sie sich!) Jetzt kommt das Interessante dabei – hören Sie gut zu! –: Der Türsteher, der diesem Afrikaner den Eintritt verweigert hat, war ebenfalls ein Afrikaner. Erklären Sie mir jetzt bitte, wie ein afrikanischer Schwarzer einen anderen afrikanischen Schwarzen wegen der Hautfarbe diskriminieren kann! (Abg. Dr. Kostelka: Schämen Sie sich! – Abg. Wabl: In der ÖVP passiert das täglich, daß Schwarze diskriminiert werden! – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu kommt noch, daß in diesem Lokal – und das wissen Sie sehr genau, denn das haben wir Ihnen in den Verhandlungen mitgeteilt – Schwarzafrikaner angestellt sind und daß auch der Großteil der Besucher Schwarzafrikaner sind.

Hohes Haus! Halten wir uns abschließend vor Augen: Toleranz gegenüber von Diskriminierung betroffenen Personengruppen ist zweifellos eine wichtige Komponente des friedlichen Zusammenlebens in einer Demokratie, führt aber über Herz und Hirn der Menschen und nicht über das Verwaltungsstrafrecht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

22.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zum Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte, Frau Abgeordnete. Sie haben eine Redezeit von 12 Minuten.

22.06

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Dr. Kostelka! Ihr Antrag betrifft ein sehr gravierendes Problem, da bin ich – und auch meine Fraktion – mit Ihnen durchaus einer Meinung. Nur glaube ich – so wie mein Vorredner –, daß es der falsche Weg ist, diese Diskriminierungen durch erhöhte Strafbestimmungen abzubauen. Es geht doch darum, daß Diskriminierungen abgebaut werden! Mit höheren Strafbedingungen baut man aber bestenfalls Diskriminierungen auf. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diskriminierungen baut man am allerbesten ab, indem man Verständnis hervorruft; auch da gebe ich dem Kollegen Puttinger recht. Dieses Verständnis und dieses Klima der Toleranz, von dem Sie ständig reden, sehr geehrter Herr Dr. Kostelka und meine sehr geehrten Damen und Herren, darf sich nicht nur darauf beziehen, welche Hautfarbe jemand hat, welcher Nationalität er angehört, sondern muß sich natürlich auch auf politische Andersdenkende beziehen. (Abg. Wabl: Genug!) Doch da, Herr Dr. Kostelka, bemerke ich bei Ihnen und Ihrer Fraktion ein ganz gewaltiges Manko. (Abg. Dr. Graf: Jetzt flüchtet er! – Beifall bei den Freiheitlichen.) Heute ist es schon so, daß der gesamte Linksblock darüber entscheidet, wann gesellschaftlich zu diskriminieren ist und wer zum Abschuß freigegeben werden darf. (Abg. Dr. Nowotny: Das ist doch absurd! Haben Sie Beispiele?) Das ist überhaupt nicht absurd, Herr Kollege Nowotny! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich nenne Ihnen sofort ein Beispiel: Ihr Bundeskanzler hat im Einvernehmen mit seinen Beratern den Freiheitlichen gegenüber die Ausgrenzungsphilosophie kreiert. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Aber erfolglos!) Er hat gesagt, die ge


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samte FPÖ, samt Bundesparteiobmann, muß ausgegrenzt werden, und sie damit schwerstens diskriminiert. Angesichts dessen geht Herr Dr. Kostelka her und bringt diesen Antrag, der Diskriminierung bekämpfen möchte, im Parlament ein. Gestatten Sie mir, daß ich das paradox finde. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. )

Frau Kollegin Mertel! Ich würde an Ihrer Stelle in dieser Sache den Mund gar nicht groß aufmachen, sie wissen ganz genau, wie Sie sich hier uns gegenüber im Parlament verhalten haben. Sie haben in Österreich ein Klima geschaffen, wo bestimmte Leute festlegen, was gedacht werden soll und gesagt werden darf, und wer sich nicht an diese Vorgaben hält, der wird beinhart ausgegrenzt und diskriminiert. (Abg. Haigermoser: Gehirnwäsche! – Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben in Österreich eine Meinungsdiktatur geschaffen, die ihresgleichen sucht, wo sich alle intellektuellen Politiker mit der Regierung zusammentun, um gemeinsam gegen die Oppositionspartei zu marschieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vranitzky hat beispielsweise gesagt, daß die Freiheitlichen eine politische Bagage sind. Von den Jungsozialisten wird der Bundesparteiobmann der Freiheitlichen zum Abschuß freigegeben, indem eine Zielscheibe mit seinem Gesicht abgebildet wird und "Shoot your shot" darauf geschrieben wird. Niemand von Ihnen hat da einen Antrag gestellt, niemand von Ihnen hat davon gesprochen, daß das eine Diskriminierung ersten Ranges ist. Darüber gab es keine Entrüstung von Ihnen, sondern nur Freude, daß unserem Bundesparteiobmann so etwas passiert. (Abg. Dr. Kostelka: Deswegen sind Sie für Lokalverbote? Was hat das mit Lokalverboten zu tun?)

Diese Hetze, die Sie ständig gegen politisch Andersdenkende betreiben, führte zum Beispiel dazu, daß ein freiheitlicher Spitzenfunktionär nicht in ein Lokal am Spittelberg, das irgendein Grüner betreibt, gehen durfte. (Abg. Mag. Stadler: So weit geht das!) Eine solche Verhetzung führt auch dazu, daß Freiheitlichen, die kandidieren wollen, Nachteile angedroht werden, wenn Sie von der Liste nicht runtergehen. Doch da höre ich keinen Ruf nach einer Strafdrohung!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihre Ausgrenzungsphilosophie können Sie nicht loslösen von der Diskriminierung wegen der Haarfarbe, der Hautfarbe. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das können Sie ganz einfach nicht separiert sehen. Sie grenzen aus!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Schutz vor Diskriminierung ist unteilbar! Das ist auch etwas, das Sie gerne im Munde führen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Nowotny: Stimmen Sie dem Gesetz zu!)

Herr Kostelka – ich hoffe, er ist noch da –, ich akzeptiere Ihre Berührtheit im Falle des Afrikaners. Mich wundert aber wirklich, daß Sie in einem anderen Fall, in dem Sie persönlich angesprochen worden sind, wo es aber nicht um einen Angehörigen einer anderen Rasse oder Hautfarbe, sondern um einen behinderten Österreicher geht, überhaupt keine Berührtheit gezeigt haben. Ich lese Ihnen dazu einen Brief vor. Eine Frau aus dem zweiten Bezirk schrieb an mich folgendes (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) – das ist nicht zum Lachen, Sie werden es schon sehen –: "Mein Gatte und ich sind seit 42 Jahren Mitglied in arbeitender Funktion beim Fischereiverband, Sektion Donaukanal. Vor 20 Jahren wurde am Asperner Mühlwasser eine Sektionshütte für die Ausschußmitglieder gegründet. Das Geld wurde von der Sektion zur Verfügung gestellt, alle Mitglieder haben aber am Bau der Hütte mitgearbeitet. Damals hieß es laut dem Obmann Fritz Zapka, daß das Betreten den Ausschußmitgliedern gestattet ist und daß die Gattinnen und die Kinder geduldet werden. Da mein Mann und ich keine Kinder haben, aber mein behinderter Bruder in unserem gemeinsamen Haushalt lebt und ich mich um ihn kümmere, wurde er als unser Kind geduldet. Er ist mongoloid, sehr ruhig und bei anderen Mitgliedern sehr beliebt, keinesfalls aggressiv oder laut, denn er kann nicht sprechen. Nachdem jetzt Obmann Fritz Zapka Vorstand und Vizepräsident des Fischereiverbandes wurde, teilte er bei der letzten Sitzung mit, daß ab 1. 1. 1995 nur mehr zahlende Mitglieder in die Sektionshütte kommen dürfen. Mein Gatte sprach Herrn Zapka am Freitag, nach der letzten Sitzung an, daß er nun mich und meinen behinderten Bruder ab Jänner als Mitglieder einschreiben will. Aber Herr Zapka will von uns beiden nichts wissen, denn laut seiner Aussage, die er mir danach am


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Telefon gab, ist die Sektionshütte kein Sozialamt und somit habe ein Behinderter keinen Zutritt." (Abg. Dr. Graf: Das ist ja unerhört!) Das ist ungehörig.

Dann heißt es weiter: "Wir fahren seit 20 Jahren in die Hütte. Da ich mit meinem Bruder, der ja gehbehindert ist, sonst nicht viel Freizeitmöglichkeiten habe, bitte ich Sie, mir zu helfen, daß mein Bruder und ich als Mitglieder aufgenommen werden. Ich habe mich erkundigt, daß Herr Dr. Peter Kostelka von dem Österreichischen Arbeiterfischereiverband der Präsident ist. Da Herr Zapka uns als Vizepräsident ablehnt, hoffe ich, daß er als Präsident mehr Herz hat." (Abg. Dr. Nowotny: Wenn sie an Kostelka geschrieben hätte, wäre sicher etwas geschehen!)

Herr Kollege Nowotny! Bevor Sie den Mund weiter aufmachen, sage ich Ihnen, was ich getan habe. (Abg. Mag. Guggenberger: Das ist ja ein ganz anderes Thema!) Regen Sie sich über das auf, was da drinnen steht, Herr Kollege Guggenberger! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bin seriös vorgegangen. Ich habe Herrn Dr. Kostelka eine Kopie von diesem Brief gegeben und habe Ihn ersucht: Bitte, machen Sie etwas, daß der gehbehinderte Bruder, der nicht laut ist, weil er nicht sprechen kann, weiterhin in diese Hütte gehen kann! Herr Dr. Kostelka hat zuerst überhaupt nichts getan. Nach einiger Zeit, als mir die Frau wieder geschrieben oder mich angerufen hat, hat sich herausgestellt, daß Dr. Kostelka für diesen Menschen keinen Finger gerührt hat. Herr Dr. Kostelka stellt zwar hier Anträge, daß Leute in ein Lokal hinein dürfen, die offensichtlich diskriminiert werden, er ist aber nicht bereit, dort, wo er Präsident ist, für jemanden, der diskriminiert wird, auch etwas zu tun.

Dr. Kostelka hat mir dann gesagt: Die Frau schreit herum, daß sie mit mir reden wird, weil der Bruder nicht hinein darf. – Es ist ja kein Wunder, daß die Frau die Nerven verliert. Seit 20 Jahren pflegt Sie einen Behinderten, seit 20 Jahren geht dieser zum Fischereiverband und plötzlich darf er nicht mehr hin. Plötzlich heißt es, der Fischereiverband sei kein Sozialamt. – Schütteln Sie nicht den Kopf, lesen Sie den Brief! Ich gebe auch Ihnen gerne den Brief. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Jetzt weiß ich, was ein Pharisäer ist!)

Herr Dr. Kostelka, der hier heute so großartig einen Antrag einbringt... (Abg. Mag. Guggenberger: Ist ein anderes Thema!) Es hat etwas damit zu tun, weil es um Diskriminierungen geht. Entschuldigung, wenn Sie das nicht kapieren, dann verstehe ich überhaupt nicht, was Sie als Behindertensprecher der Sozialistischen Partei qualifiziert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Kostelka, der so berührt davon ist, daß ein Afrikaner einen anderen Afrikaner nicht in ein afrikanisches Lokal hineinläßt, hat in diesem Fall, wo es um den Mongoloiden geht, nicht einmal den kleinen Finger gerührt. Das finde ich furchtbar!

Jetzt sage ich Ihnen, von den Sozialisten, folgendes: Tun Sie einmal das Ihrige, um in Österreich und hier im Parlament ein Klima der Toleranz und des Verständnisses zu schaffen, damit auch politisch Andersdenkende akzeptiert werden! Wenn Sie dieses Klima hergestellt haben, dann brauchen wir keine Erhöhung der Strafen mehr! (Abg. Mag. Guggenberger: Ausgerechnet Sie sagen das! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.17

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.17

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon schwierig, wenn hier Interferenzen vorgeführt werden. Ich bin gerne bereit und auch interessiert, mich mit dem Fall, den die Kollegin Partik-Pablé hier vorgetragen hat, näher auseinanderzusetzen, allerdings genügt mir das hier Vorgetragene nicht. Aber es ist interessant. (Abg. Mag. Trattner: Sie haben auch gelacht!) Nein! Noch einmal: Es ist interessant. Aber es hat mit der Materie, über die wir uns hier unterhalten, überhaupt nichts zu tun, weil es sich dabei keineswegs um ein Gesetz handelt. (Abg. Mag. Haigermoser: Toleranz ist teilbar – nach Kier!) Herr Haigermoser! Es handelt sich hierbei keineswegs um ein Gesetz, das ermöglichen soll, daß Behinderte diskriminiert werden. Ich glaube, wir sind uns alle einig: Dieses Gesetz zielt genau darauf ab, das, was die Kollegin Partik-Pablé hier in den Raum ge


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stellt hat, künftighin unter eine angemessene Verwaltungsstrafe zu stellen. (Abg. Haigermoser: Darf sich ein Volksvertreter um so etwas nicht kümmern?)

Es ist zwar illustrativ, aber nicht ganz passend auf das Tatbild, das hier beschrieben wird, aber immerhin in der Nähe; die Kollegin Partik-Pablé hat da vielleicht Subsumierungsprobleme im Strafrecht, das kann ja sein, bei Untersuchungsrichtern kann das vorkommen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Ein Volksvertreter hat auch Bürgerpflichten!) Hier geht es aber um einen Antrag, der mit den Mitteln der strafrechtlichen Prävention arbeitet, denn Strafrahmen sind auch ein präventives Mittel. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Haigermoser. ) Kollege Haigermoser hat kein gutes Benehmen, stelle ich fest, aber das ist nicht neu. Ich entschuldige mich für diese alte Feststellung. (Abg. Mag. Guggenberger: Er hat das noch nie gesagt!)

Ich sage es jetzt noch einmal: Das Gesetz steht nicht im Widerspruch zu den Anliegen der Kollegin Partik-Pablé. Trotzdem meint Sie, daß der Strafrahmen unpassend sei. Es ist besonders interessant, das aus Ihrem Mund zu hören, auch aus dem Mund des Kollegen Puttinger, weil ich bei beiden Fraktionen – zum Beispiel von der Kollegin Fekter, die dem Justizausschuß vorsitzt – gelegentlich höre, daß die Strafen eigentlich gar nicht streng genug sein können. Bei der Verwaltungsstrafe aber, die in einem spektakulären Ausmaß von 30 000 S absolut unleistbar ist, offenbar existenzbedrohend für die Gastronomie, die gedenkt, Diskriminierung walten zu lassen, wird auf einmal von der Strafhöhe gesprochen. Wenn Sie in diesem Bereich eine präventive Wirkung haben wollen, dann werden Sie mit 3 000 S nicht auskommen. Da sind wir uns, hoffe ich, einig. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Haselsteiner hat den Kollegen Puttinger aufgefordert – Kollege Puttinger ist hier gestanden –, einen ihm genehmen Betrag zu nennen: 5 000, 10 000, 15 000? (Abg. Dr. Puttinger: Wann war der letzte Diskriminierungsfall in einem Gastgewerbebetrieb?) Herr Kollege Puttinger! Wenn es keine Diskriminierung gibt, dann brauchen Sie sich vor der Straferhöhung nicht zu fürchten (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen), dann brauchen sie sich vor dem Strafrahmen nicht zu fürchten, dann ist der Strafrahmen vielleicht brotlose Kunst, was ja sehr erfreulich wäre, aber ich fürchte, daß es nicht ganz so ist, ich fürchte, daß es in diesem Land tatsächlich Diskriminierungen der hier beschriebenen Art gibt. Wenn das einigermaßen stimmt, was die Kollegin Partik-Pablé vorgetragen hat, dann ist das ein zwar nicht ganz auf dieses Gesetz passender, aber auch ein sehr unangenehmer Fall. So etwas gibt es eindeutig. (Abg. Dr. Graf: Das beweist, daß Sie die Vorlage gar nicht gelesen haben! – Zwischenruf der Abg. Partik-Pablé. )

Strafbestimmungen geben allemal die Möglichkeit, schützenswerte Rechtsgüter besser abzusichern. Sie werden zwar Diskriminierung nicht verhindern, sie werden aber vielleicht doch präventiv wirken. Wir hoffen, daß 30 000 S, über die hier so große Aufregung herrscht, präventiver wirken als 3 000 S. 30 000 S sind beantragt, und ich meine, man sollte es mit 30 000 S einmal probieren. (Abg. Dr. Graf: Warum nicht 100 000 S?)

Kollege Puttinger sagt, das sei überhaupt überflüssig, denn diese Diskriminierung gibt es gar nicht. Da könnte man manche Dinge, die bestritten werden, gleich straffrei stellen. Das wäre auch eine Möglichkeit: Alles, was es in der Welt des Kollegen Puttinger nicht gibt, stellen wir straffrei. Ich meine aber, daß die präventive Wirkung von strafrechtlichen Vorschriften ihren guten Sinn hat. Wenn diese so wirksam sind, wie es Kollege Puttinger sagt, dann ist es umso besser, dann brauchen Sie sich aber vor der Anhebung von Strafen nicht zu fürchten.

Dieser Antrag wird dazu benützt, eine Scheindiskussion zu führen, eine Scheindiskussion, die dort Aufgeregtheit auslöst – auf der rechten Seite dieses Hauses –, wo man offenbar der Meinung ist, daß ein religiöses Bekenntnis vielleicht doch geeignet wäre, jemanden mit Lokalverbot zu belegen, eventuell auch eine Behinderung, die ethische Herkunft, die Rasse oder auch die Hautfarbe. (Abg. Haigermoser: Jetzt quietschen die Reifen ordentlich!)


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Es geht mir hier nicht um Beispiele, aber wenn jemand abstrakt dagegen ist, dann heißt das, daß er dafür ist. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Wenn Sie abstrakt dagegen sind, dann sind Sie dafür! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Reden Sie sich nicht heraus! Wenn Sie meinen, daß Sie da dagegen sind, dann heißt das im Umkehrschluß, daß Sie dafür sind. (Abg. Haigermoser: Eine Frau Schmidt genügt doch!) Herr Haigermoser, ich flehe Sie noch einmal an: Versuchen Sie ab und zu für fünf Minuten... (Abg. Dr. Haselsteiner: Das kann er nicht!) Kann er nicht? – Er hat eine sogenannte Mongorrhöe. Gut.

Ich sage es Ihnen noch einmal: Wer hier nicht unserer Meinung ist, der ist dafür!

Im übrigen bedarf es manchmal bestimmter Anlässe, um so etwas zu machen, was dann auch der Anlaß einer Gesetzgebung sein kann – ein Argument von Herrn Kollegen Puttinger, das man schon ernst nehmen muß. Ich nehme das insoferne ernst, als wir alle nicht schon früher draufgekommen sind, daß wir so etwas brauchen. Es ist richtig, es hat eines Anlasses bedurft, daß wir draufgekommen sind. Insofern ist das sogar Anlaßgesetzgebung! (Abg. Dr. Graf: Sie argumentieren immer so, wie Sie es brauchen.) Was da aber Meinungsdiktatur sein soll, weiß ich nicht. Wenn jemand diese Position nicht vertritt – wie die Kollegin Partik-Pablé – und sagt, das sei Meinungsdiktatur, wenn man diese Position vertritt, dann muß ich sagen: Das weise ich entschieden zurück!

Das, was hier steht, ist ein so fundamentaler Grundrechtsbestand und so untrennbar mit der Menschenwürde verbunden, daß man sich mit dem Wort Meinungsdiktatur nicht abfinden kann. (Abg. Dr. Graf: Aber Grundrecht müssen wir nicht im Verwaltungsstrafrecht verankern! – Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Herr Kollege! Wenn das Verwaltungsstrafrecht ein Instrument ist, die Grundrechte in der Praxis besser zu schützen, soll es mir recht sein, denn die Grundrechtskataloge werden Papier bleiben, wenn wir sie nicht im Leben umsetzen. Da ist Überzeugungsarbeit, Aufklärung und das Abbauen von Vorurteilen besser, aber allein wird es nicht genügen. Sie erleben ja auch, das manches andere in diesem Land verboten ist, wie zum Beispiel das Lenken von Kraftfahrzeugen im alkoholisierten Zustand, und trotzdem findet es statt.

Ich bin daher der Meinung, daß in diesem Bereich die prohibitive Strafe nicht hoch genug sein kann – und der Führerscheinentzug nicht schnell genug. Man kann von mir aus über die Promillegrenze streiten, aber über den Grundsatz nicht.

Das gilt auch für diesen Fall: Entweder Sie sind der Meinung, daß Diskriminierung nicht sein soll, dann bekennen Sie sich auch dazu und verhaken sich nicht bei läppischen 30 000 S! Wenn Sie aber anderer Meinung sind, dann sagen Sie es offen und verstecken Sie sich nicht hinter 30 000 S, denn das ist schäbig! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

22.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Abgeordnete. 7 Minuten Redezeitbeschränkung – offenbar freiwillig.

22.26

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Dobar ve#er, poštovane dame i gospodo! Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Puttinger – Präsident Puttinger – hat zum Abschluß gesagt: "Toleranz führt über Herz und Hirn der Menschen und nicht über das Verwaltungsstrafrecht." (Abg. Dr. Graf: Was Sagen Sie zum Anlaßfall Kostelka?) – Wie recht Sie haben, Herr Kollege Puttinger, ein weises Wort, das Sie hier gesagt haben! Das ist ein Grundsatz, den ich mir sehr oft im Justizausschuß – Sie sind nicht Mitglied des Justizausschusses – wünschen würde, wenn sich Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion – nein, eigentlich sind es ausschließlich Kollegen –, also wenn sich Kollegen Ihrer Fraktion ebendort,


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wenn es um härtere Strafen, um mehr Schmalz, um Noch-mehr-Einsperren und um Nur-nicht-Herauslassen geht, zu Wort melden. Da wünsche ich mir, daß Sie auch mit Herz und Hirn denken und nicht nur an das Verwaltungsstrafrecht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Also jetzt wird die Daumenschraube Herr Kostelka anziehen!) Strafrecht ist immer die Ultima ratio, ist immer das letzte Mittel, das der Staat, der das Gewaltmonopol innehat, einsetzen sollte. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ja, jedenfalls. Aber, lieber Kollege Puttinger, unsere Aufgabe ist es, mit dem Strafausmaß – und in diesem Fall geht es eben um eine Geldstrafe von bis zu 30 000 S – auch inhaltliche, moralische Wertungen vorzunehmen. (Abg. Dr. Graf: Und um den Gewerberechtsentzug!) In unseren Händen liegt das. Wir haben das Privileg, entscheiden zu dürfen, wie diese Wertungen aussehen. Nichts anderes als die Verwerflichkeit eines Verhaltens wird durch ein Strafausmaß zum Ausdruck gebracht. (Abg. Dr. Graf: Wie ist denn das mit den Drogendelikten?) Das wollte ich Ihnen als kleines Betthupferl heute abend zum Nachdenken mitgeben, bevor Sie sich hier noch einmal in Rage reden, was meiner Ansicht nach Ihrer Person überhaupt nicht adäquat ist. Man kann es manchmal auch ein bißchen übertrieben an Lobbyismus und Parteinehmen für eine Klientel, die man vertritt, und diesen Eindruck hatte ich bei Ihnen, Herr Präsident und Kollege Puttinger!

Herr Kollege Puttinger! Ist es Ihnen nicht peinlich, daß Sie mit Ihrer Wortmeldung bei rassistischen Gastwirten, die es möglicherweise gibt, so reagieren? Ich kenne diesen konkreten Fall nicht, der in der Begründung steht – es ist ja nicht Gesetzesbestandteil, was in der Begründung eines Antrages steht –, aber ich kenne, und zwar aus erster Quelle, Erzählungen von Betroffenen, die damals, als der Herr Klubobmann Kostelka, nämlich schon in der letzten Legislaturperiode, diesen Antrag eingebracht hatte, Anlaß waren, um da aktiv zu werden. Ich meine damit zum Beispiel Lokalverbote für Angehörige der Volksgruppe Roma. Ich halte dies für eine unglaubliche Angelegenheit – und um nichts anderes als um diese Ernsthaftigkeit bitte ich Sie.

Herr Kollege Puttinger! Mir ist es peinlich, wenn Sie sich in Ihrer Wortmeldung auf dieselbe Stufe mit der Kollegin Partik-Pablé stellen. Ich hatte bisher ein ganz anderes Bild von Ihnen, geschätzter Herr Kollege, das im Gegensatz zu manch anderem, das ich von Leuten von der Freiheitlichen Partei habe, stand. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das ist nicht vordergründig. Erst recht sollten wir nicht den lieben Gott bei solchen Sachen bemühen, indem man das Wort "scheinheilig" verwendet. Es ist dies vielmehr der Ausdruck der Ultima ratio, und diesmal steht halt der Name Kostelka unter dem Antrag. Ich gebe ihm vom Inhalt her völlig recht. Meiner Ansicht nach kommt dieser Antrag viel zu spät. Ich hätte Dr. Kostelka gerne, wäre er noch hier, gerne die Frage gestellt, warum wir eigentlich so lange auf die Umsetzung solcher Maßnahmen warten müssen, warum eigentlich die ganze Zeit über nichts geschehen ist?

Ich wünsche mir die generalpräventive Wirkung einer solchen Maßnahme. Wir tun daher nichts lieber, als einem Bundesgesetz, mit dem das EGVG und die Gewerbeordnung geändert werden, im Sinne von Herrn Dr. Kostelka zustimmen. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Kiermaier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.31

Abgeordneter Günter Kiermaier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin nun schon seit dem Jahre 1962 im Gastgewerbe tätig. Ich glaube, ich könnte ein dickes Buch über all die Erfahrungen schreiben, die ich in den letzten Jahrzehnten gemacht habe. Viele dieser Erlebnisse waren und sind erfreulich und haben den Beruf des Gastwirtes schön für mich gemacht.

Es gibt aber auch Erschwernisse, die oft in Form von unliebsamen Ereignissen auftreten. Derartige Vorfälle sind Gott sei Dank selten, aber sie treten doch hin und wieder auf.


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Ich spreche jetzt zum Beispiel von Gästen, die nicht wissen, wie man sich in einem Lokal benimmt. Derartiges muß man jedoch von der hier zu behandelnden Materie sehr streng trennen. Denn dieser Antrag wendet sich ganz eindeutig gegen Rassismus und Menschenverachtung. Es ist ein Skandal, wenn Menschen, wie es in der Begründung heißt, aufgrund ihrer Rasse, ihre Hautfarbe, ihrer nationalen Herkunft oder ihrer körperlichen Behinderung am Betreten eines Lokals gehindert werden.

Kollege Puttinger! Ich verstehe Deine Sorge wegen dieser 30 000 S nicht. Ich bin nämlich überzeugt davon, daß wir und meine Kollegen sie nie zu bezahlen brauchen. Ich würde nie in diese Lage kommen, da ich nicht auf die Idee kommen würde, einen Menschen nicht als Gast bei der Tür hereinzulassen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen sehr darauf achten, daß wir mit solchen Verallgemeinerungen unseren Stand nicht in ein Licht bringen, das er gar nicht verdient. Ich glaube, es ist wichtig, daß wir uns klarmachen, daß es auf diesem Gebiet zwei Materien gibt: Es gibt einerseits den heutigen Antrag, und es gibt andererseits ein aus dem Jahre 1952 stammendes Gesetz, das sich sehr dezidiert mit dem Lokalverbot beschäftigt. Im zuletzt genannten Gesetz geht es um das Lokalverbot für Trunkenbolde und Rowdies.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen versuchen, diese beiden Materien miteinander zu verschmelzen. Es besteht jetzt ein echter Bedarf, daß diese Materie ordentlich geregelt wird. Denn es ist zum Beispiel sehr, sehr oft der Fall, daß gerade die Frauen in unserem Gewerbe – Kellnerinnen, Wirtinnen – zu späterer Stunde mit Gästen konfrontiert werden, die alles andere als angenehm sind. Es kommt sehr oft dazu, daß unser Servierpersonal und somit oft auch unsere Familienangehörigen belästigt werden.

Dagegen muß Abhilfe geschaffen werden, denn derzeit sind die notwendigen Instrumentarien nicht vorhanden. Das Gesetz aus dem Jahr 1952 enthält die Möglichkeit, daß man ein Verbot über die Bezirkshauptmannschaft, über den Magistrat oder über den Bund ausspricht. Das lehnen wir ab. Wir wollen vielmehr, daß, wenn einmal ein Gast in einem Lokal Schaden angerichtet hat, sowohl menschlicher Art als auch Sachbeschädigungen, der Gastwirt per Gesetz die Möglichkeit hat, diesem Gast den Besuch seines Lokals zu verbieten.

Ich habe das früher einmal in schriftlicher Form, mittels eines eingeschriebenen Briefes gemacht. Das ist aber nicht legal. Daher muß ein derartiger Schritt legalisiert werden. Dennoch sollten wir ganz deutlich eine Unterscheidung zu der anderen Materie treffen.

Vor einigen Tagen sind in meinem Kellerlokal – und ich kann mir wirklich etwas darauf einbilden, ein gutes Publikum zu haben – drei Skinheads erschienen. Sie haben sich an die Theke gesetzt und haben dann lauthals erklärt, zu wie vielen Lokalen der Stadt sie schon keinen Zutritt mehr haben. Die Kellnerin hat mich hilfesuchend angesehen. Ich habe dem Spuk dann ein Ende bereitet. Jetzt kann ich mir vielleicht zugute halten, daß aufgrund der bekannten Funktion, die ich bekleide, Ruhe gegeben wurde. Aber ich möchte nicht wissen, was eine Stunde später passiert wäre, wenn ich nicht mehr dagewesen wäre.

Das sind, glaube ich, Dinge, auf die wir uns auch konzentrieren sollten. Trennen wir das eine von dem anderen. Sorgen wir dafür, daß in der Gastronomie klare Linien gezogen werden, daß der Wirt, seine Gäste und das Personal in solchen Fällen geschützt werden! Stehen wir aber andererseits dazu, daß jeder Bürger, egal welcher Hautfarbe er ist und dergleichen, ein Lokal ungehindert betreten kann. Haben wir keine Angst vor 30 000 S Strafe. Ich bin überzeugt, unsereiner wird sie nie bezahlen müssen, denn uns ist jeder Gast willkommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Guggenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.36

Abgeordneter Mag. Walter Guggenberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor drei oder vier Jahren gab es bei einem Lokal in meinem


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Heimatbezirk, das hauptsächlich von Jugendlichen frequentiert wird, die Aufschrift: "Türken unerwünscht". Im heurigen August wurde in einer Innsbrucker Diskothek einer Gruppe junger geistig Behinderter der Lebenshilfe Tirol der Zutritt zu einer Diskothek verweigert, und zwar vom Chef persönlich. Dieser war nicht etwa ein Behinderter, Herr Puttinger, und auch der Lokalbesitzer in meinem Heimatbezirk war kein Ausländer, sondern ein Tiroler. Der Chef der Diskothek hat den jungen geistig Behinderten den Zutritt mit der Bemerkung verweigert: Ich habe ja nichts gegen euch, aber ich kann doch meinen Gästen nicht den Anblick geistig Behinderter zumuten! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn das kein Skandal ist, was ist dann überhaupt noch ein Skandal?! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Uns geht es mit diesem Antrag darum, daß wir ein klares, unmißverständliches Zeichen setzen, daß ein derartiges Verhalten unerwünscht und in jeder Form abzulehnen ist. Um das zu signalisieren, gehören auch verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen dazu. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

Es wundert mich, daß gerade auf jener Seite dieses Hauses, die sonst nicht müde wird, immer wieder strengere Strafen und Prävention und Abschreckung zu fordern, plötzlich gesagt wird: Wir müssen all das auf der menschlichen, auf der Toleranzebene lösen! Wir brauchen doch überhaupt keine Strafen! – Verstehe, wer wolle, warum Frau Partik-Pablé plötzlich gegen Strafen ist. Sie ist wahrscheinlich von einer Paula zur einer Saula geworden. Ich verstehe das überhaupt nicht. Ich kann Ihrem Kurs nicht folgen. Aber ich werde dafür sorgen, sehr geehrte Frau Kollegin, daß die behinderten Menschen genau erfahren, welche Einstellung Sie in dieser Frage haben. Darauf können Sie sich verlassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Puttinger! Die meisten Ihrer Gäste kommen aus der Bundesrepublik Deutschland. Sehen Sie sich doch einmal an, wie das dort geregelt ist! Im § 185 des deutschen Strafgesetzbuches wird ein derartiges Verhalten ausdrücklich als Ehrenbeleidigung klassifiziert und unter strafgesetzliche Strafe gestellt. Lesen Sie auch im deutschen Gaststättengesetz nach! Dort heißt es: "Außerdem kann die zuständige Verwaltungsbehörde eine gaststättenrechtliche Erlaubnis wegen fehlender Zuverlässigkeit des Gastwirtes widerrufen, wenn dieser mehrfach gegen das Diskriminierungsverbot verstößt, weil zur Zuverlässigkeit des Gastwirtes der Betrieb der Gaststätte unter Einhaltung geltenden Rechts gehört." (Abg. Dr. Puttinger: Bei uns gehen sie bis zur Entziehung der Konzession! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Das ist deutsches Recht, und das wollen wir auch haben! In Deutschland ist das schon Recht, was wir erst jetzt anstreben. (Abg. Dr. Puttinger: Entziehung der Konzession ist österreichisches Recht!)

Schauen Sie zum Beispiel auch nach Frankreich, Herr Puttinger! In Frankreich wird man sogar mit gerichtlichen Klagen bedroht, wenn man das tut, was der genannte Innsbrucker Diskothekenbesitzer getan hat. Sie verwahren sich gegen Vorschriften, die im Ausland längst gang und gäbe sind! (Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

Herr Puttinger! Das ist eine erste Lesung. Sie haben noch genug Zeit, um nachzudenken. Sie können jetzt noch in sich gehen. Wir bitten Sie inständig: Stehen Sie doch nicht einer Lösung im Wege! Auch der österreichische Gesetzgeber muß klar, deutlich und unmißverständlich sagen: Derartige Verhaltensweisen darf es in Österreich nicht geben! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

22.40

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Herr Abgeordneter Puttinger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Dauer: 2 Minuten; die Geschäftsordnung ist bekannt. – Bitte.

22.40

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Puttinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Kollege Guggenberger! Wenn Sie zugehört hätten oder wenn Sie den Antrag Ihres eigenen Klubobmannes gelesen hätten, dann würden Sie wissen, daß wir im österreichischen Recht die Gewerbeentziehung vorsehen. (Abg. Mag. Guggenberger: Den habe ich gelesen!) Daher kann uns Deutschland in diesem Zusammenhang kein Vorbild sein, denn derartige Maßnahmen werden in diesem Antrag


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43. Sitzung / Seite 176

vorgesehen. Und ich habe gesagt, daß das voll unterstützt wird. – Es tut mir leid, daß ich Sie berichtigen mußte.

22.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte, Frau Abgeordnete. Sie haben 7 Minuten Redezeit.

22.41

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Gesetz, das die Diskriminierung verschiedener Menschen, etwa Behinderter oder von Menschen, die ethnischen oder rassischen Minderheiten angehören, unmöglich macht, ist längst überfällig. Ich möchte jetzt nicht mehr zitieren, was Herr Guggenberger bereits vorgebracht hat. Ich freue mich, daß er bereits dieselbe Literatur wie ich liest.

Daß die Diskriminierung behinderter Menschen gerade im Gastgewerbebereich tagtäglich auf der Tagesordnung steht, kann doch niemandem entgangen sein! Herr Puttinger! Ich muß Ihnen etwas sagen: Ich komme in Österreich viel herum, und ich habe viel Kontakt zu behinderten Menschen, unabhängig von der Ursache und dem Schweregrad ihrer Behinderung. Herr Puttinger! Glauben Sie mir: Ich bin nicht nur ein einziges Mal eines Lokals verwiesen oder gar nicht hineingelassen worden. Mir ist das Tischtuch vom Tisch weggezogen worden, als ich mit meinem Rollstuhl hinfahren wollte. Ich wurde des Lokales verwiesen, indem man mir sagte, ich möge mich entfernen, denn ich sei kein angenehmer Anblick für die anderen Gäste; wenn ich bleibe, dann bleiben die anderen Gäste weg. – Das ist Tatsache!

Mein Bekannter ist Spastiker. Vor nicht allzu langer Zeit sind wir in Linz in ein Lokal gegangen. Ich bin vorausgefahren, er war knapp hinter mir. Plötzlich habe ich im Hintergrund Bewegung gespürt und habe mich umgedreht. Und wissen Sie, was geschehen ist? – Ein Kellner und eine Kellnerin hatten meinen Freund links und rechts untergefaßt, und er stand bereits wieder vor der Tür. Mein Bekannter konnte sich nicht wehren, weil er aufgrund seiner Behinderung mit dem Sprechen länger braucht. Er wurde, nur weil er Spastiker ist und beim Gehen viel Bewegung macht und das Personal vielleicht meinte, daß er betrunken sei, ohne Kommentar und ohne weitere Frage sofort aus dem Lokal geschmissen.

Meinem Bekannten wurde einmal, als er in einem Lokal essen wollte, auch verweigert, daß er etwas ißt. Man hat gesagt, man packe ihm das Essen ein, er solle zu Hause essen und das Getränk, das er soeben bestellt hatte, bekomme er gratis, aber essen dürfe er in diesem Lokal nicht.

Herr Puttinger! So geht es uns Tag für Tag! So geht es behinderten Menschen, wenn sie in öffentliche Lokalitäten oder in Geschäfte gehen oder irgendwo am öffentlichen Leben teilnehmen wollen. Ich bin erst vorige Woche in einem Bekleidungsgeschäft nicht bedient worden. Die Verkäuferin, die ich gefragt habe, ob sie mir hilft, eine Jacke anzuprobieren, hat mir gesagt, sie sei keine Verkäuferin. Einer anderen Frau, die nach mir gekommen ist, hat sie dann jedoch selbstverständlich die Kleidung gezeigt, die sie kaufen wollte, und ihr beim Anprobieren geholfen.

Diese Diskriminierung, die wir Tag für Tag in dieser Form erleben, kann uns niemand in Geld abgelten. Den persönlichen Schaden und die Verletzung, die wir ertragen müssen, kann man nicht in Geld bewerten. Das ist nicht möglich. Wenn heute aber all jene, die diskriminieren und Menschen aus der Gesellschaft ausschließen, entsprechend hoch bestraft werden, dann werden sie es sich in Zukunft überlegen, ob sie meinen Bekannten aus dem Lokal zerren, ob sie uns in Zukunft, wenn wir essen gehen, das Tischtuch vom Tisch nehmen oder ob man uns im Gastgarten nur einen Platz ganz hinten in der Ecke anbietet, wenn wir schon bleiben möchten. Vorne dürfen wir nicht sitzen, denn das könnte ja andere Gäste abschrecken und davon abhalten, sich auch in den Gastgarten zu setzen! Eine Strafe, die derartige Verhaltensweisen ahndet, kann nicht hoch genug sein. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)


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Herr Puttinger! Ich gebe Ihnen jetzt einen kurzfristigen Tip: Wenn Sie nicht wollen, daß in Ihr Lokal behinderte Gäste kommen, die Ihnen vielleicht nicht genehm sind, dann machen Sie einfach ein paar Stufen, denn dann können wir ohnehin nicht hinein! – Danke. (Beifall bei den Grünen, beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

22.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Den Antrag 229/A weise ich hiermit dem Verfassungsausschuß zu .

17. Punkt

Erste Lesung des Antrages 241/A der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl der von Österreich zu entsendenden Abgeordneten zum Europäischen Parlament (Europawahlordnung – EuWO) geändert wird

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung: Erste Lesung des Antrages 241/A der Abgeordneten Rauch-Kallat und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

22.48

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben vor knapp 14 Tagen eine Europawahl geschlagen, und es hat sich gezeigt, daß entgegen den verschiedensten Annahmen die Wahlbeteiligung bei dieser Europawahl sehr hoch war. Das heißt, daß auch in Österreich oder gerade in Österreich die Bevölkerung sehr an dieser Wahl interessiert war, weit mehr als in anderen EU-Ländern. Gerade diese Wahl hat gezeigt, daß ein hohes Interesse daran besteht, daß eine Beteiligung der Österreicherinnen und Österreicher am Europäischen Parlament durch die Wahl der Abgeordneten erfolgt.

Es ist daher nur zu verständlich, daß es uns ein Anliegen ist, auch jenen Österreicherinnen und Österreichern, die nicht im Inland leben, das Wählen zu erleichtern. Gerade für sie ist eine Verbindung zum Heimatland oft von besonderer Bedeutung, gerade sie sind sehr interessiert daran, auch ihre Bürgerrechte auszuüben. Daher ist es für die Österreichische Volkspartei unverständlich, daß man die Ausübung dieses Wahlrechts durch bürokratische Hürden erschwert.

Im Antrag, den wir eingebracht haben, geht es vor allem um die Erleichterung der Ausübung des Wahlrechts für Auslandsösterreicher, aber auch um die Erleichterung des Wahlrechtes für jene Österreicherinnen und Österreicher, die sich zum Wahlzeitpunkt im Ausland befinden. Der Antrag enthält vor allem die Bestimmung, daß jene Österreicherinnen und Österreicher, die sich in die Wählerevidenz eingetragen haben, automatisch eine Wahlkarte zugeschickt bekommen und nicht speziell dafür einen Antrag stellen müssen, denn allein durch die Eintragung in die Wählerevidenz haben sie ja ihren Wunsch, wählen zu wollen, deponiert. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß ihre aktuelle Adresse in ihrer Heimatgemeinde aufliegt.

Der Antrag enthält darüber hinaus auch Erleichterungen bei den bürokratischen Voraussetzungen. Es sollen in Hinkunft nicht mehr, wie bisher, für die Ausübung des Wahlrechts zwei Zeugen unter Nennung der Paßnummer beigebracht werden müssen. Eine eidesstattliche Erklärung sollte dies ersetzen.


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Im Sinne eines umfassenden Wahlrechtes ist es uns auch ein Anliegen, diese Bestimmung für die Europawahlordnung analog auch für die Nationalratswahlordnung einzubringen. – Ich hoffe sehr, daß Sie dieser Vereinfachung im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher, die im Ausland leben, zustimmen können. (Beifall bei der ÖVP.)

22.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Am Wort ist nun Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.51

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muß Sie leider enttäuschen, Frau Abgeordnete Rauch-Kallat: Wir werden Ihren Wunsch nicht erfüllen können. (Abg. Rauch -Kallat: Das haben wir erwartet!) Es ist immer einfacher, wenn man sich Hoffnungen macht, wenn man von Anfang an weiß, daß diese nicht in die Tat umgesetzt werden können. – Ich werde im folgenden begründen, warum es sich so verhält.

Es geht nicht nur um die Einfachheit des Wahlrechtes, sondern es geht im wesentlichen auch darum, daß in Österreich Wahlen geheim sind und das Wahlrecht persönlich und unbeeinflußt ausgeübt werden soll. Es ist, glaube ich, ganz entscheidend, daß jeder Staatsbürger und jeder Wahlberechtigte strukturell in die Situation versetzt ist, sein Wahlrecht persönlich und unbeeinflußt wahrzunehmen. (Abg. Dr. Khol: Das sind doch alte Hüte!) Die Unbeeinflußbarkeit des Wahlrechts – das können Sie, sehr verehrter Herr Abgeordneter Khol, in der Judikatur des VfGH nachlesen – ist ein sehr hohes Gut.

Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß, da bei uns keine Wahlpflicht, sondern ein Wahlrecht besteht, jeder in Österreich Ansässige zumindest am Wahltag die minimale Anstrengung auf sich nehmen muß, sich zum Wahllokal zu begeben, um dort frei und unbeeinflußt seine Wahlentscheidung abzugeben. Wir meinen, daß auch die im Ausland wohnenden Österreicher, wenn sie so stark daran interessiert sind, an der Wahl teilzunehmen – was wir durchaus begrüßen –, durchaus eine minimale Anstrengung auf sich nehmen können.

Wir glauben, daß durch die vorgenommenen Veränderungen der Wahlrechtsordnung in der Vergangenheit bereits genügend geleistet und getan wurde, um möglichst vielen Personen, die tatsächlich wählen gehen wollen, die tatsächliche Teilnahme an der Wahl auch zu ermöglichen.

Eine weiter gehende Veränderung würde unserer Auffassung nach im Sinne der Güterabwägung in einem starken Ausmaß zu einer Gefährdung der anderen Güter, nämlich der Unbeeinflußbarkeit der Persönlichkeit und des geheimen Charakters der Wahl, führen. (Abg. Dr. Khol: Seit 15 Jahren seid ihr gegen die Briefwahl!) Daher stehen wir Sozialdemokraten für diesen Vorschlag von Ihrer Seite, sehr geehrte Frau Abgeordnete Rauch-Kallat, nicht zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Khol: Ihr seid die Strukturkonservativsten dieser Republik!)

22.54

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit: 5 Minuten.

22.54

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach 22 Monaten im EU-Parlament, mit langen Aufenthalten in Straßburg und Brüssel, habe ich ein sehr großes Verständnis für Anliegen der Auslandsösterreicher entwickelt, die immer zunächst für ihr Wahlrecht und dann für eine einfachere Handhabung des Wahlrechts eingetreten sind und auch dafür gekämpft haben.

Ich habe auch erfahren, wie interessiert die Auslandsösterreicher das Geschehen in ihrer Heimat verfolgen und wie stark das Selbstwertgefühl eines Auslandsösterreichers von der wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Erfolgsentwicklung in seinem Heimatland, also in Österreich, abhängt.


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Die Auslandsösterreicher haben sehr lange um das Nationalratswahlrecht gekämpft. Der Antrag ist die Basis der damaligen Auslandsösterreicher-Plattform. Dieses Anliegen wurde von uns Freiheitlichen immer unterstützt und auch hier im Plenum eingebracht. Die Koalitionsregierung, vor allem aber die SPÖ – wir haben es jetzt gerade wieder gehört –, hat sich lange gegen die Einführung des Auslandösterreicher-Wahlrechts gesträubt und nie legistische Schritte in diese Richtung gesetzt.

Erst das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes während der XVIII. Gesetzgebungsperiode erzwang zur Nationalratswahl 1994 das Wahlrecht auch für Auslandsösterreicher. Aber die bestehende Novelle ist mit bürokratischen Mängeln behaftet, die vielen Auslandsösterreichern das Wählen erschwert oder gar unmöglich macht.

Diese unvollkommene Regelung der Nationalratswahlordnung wurde leider auch auf die Europawahlordnung übertragen. Viele Beschwerden, gerade nach der letzten EU-Wahl, zeigen, wie wichtig die Vereinfachung von Formvorschriften ist. Vor allem die im vorliegenden Antrag beschriebene eidesstattliche Erklärung statt der jetzigen mit Erschwernissen behafteten Beglaubigung, die durch einen Notar, eine notarähnliche Person, eine österreichische Vertretung im Ausland oder durch Bestätigung durch zwei Zeugen vorgenommen werden muß, findet unsere Unterstützung, wenngleich im vorliegenden Antrag das Problem der möglichen Wahlbeeinflussung nicht restlos geklärt ist.

Meine Damen und Herren! Dieser kleine Antrag zur Änderung der Europawahlordnung zeigt beispielhaft auf, mit wie wenig Aufwand in vielen Bereichen Entbürokratisierung betrieben werden kann, damit es mit weniger Zeitaufwand und geringeren Kosten, ohne Ärger des Bürgers zu einer höheren Wahlbeteiligung der Auslandsösterreicher kommt.

Zum vorhergehenden Tagesordnungspunkt, zum Abbau von Diskriminierung, in diesem Punkt auch Abbau von Diskriminierung der Auslandsösterreicher: Würden Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, allen diesbezüglichen Monat für Monat in diesem Plenum eingebrachten Anträgen der Freiheitlichen vorurteilsfrei zustimmen, dann würden Sie nicht immer wieder neue Belastungen erfinden und Bürger vergrämen! – Ich danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.58


Nationalrat, XX.GP
Stenographisches Protokoll
43. Sitzung / Seite 180

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete. 12 Minuten stehen Ihnen noch zur Verfügung.

22.58

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Um Gottes Willen, ich werde nicht zwölf Minuten brauchen! – Herr Präsident! Hohes Haus! Ich war selber sechzehn Jahre lang Auslandsösterreicherin. Ich kann daher, glaube ich, besser ermessen, was es bedeutet, von seiner Heimat abgeschnitten zu sein, wenn man aber an den Vorgängen zu Hause durchaus interessiert ist. Ich glaube, daß der Auslandsösterreicher gut informiert ist, und ich bin sicher, daß die Auslandsösterreicher an Österreich und an den Wahlen in Österreich interessiert sind.

Ich hatte vor zwei Monaten die Gelegenheit, an einer Festtagung der Auslandsösterreicher in Baden teilzunehmen, und ich muß sagen, ich war verblüfft, welches Engagement diese für Österreich im Ausland aufbringen. Deshalb kann ich nur sagen, daß ich diese vorgeschlagene Änderung der Europawahlordnung begrüße. Sie bedeutet eine Vereinfachung des Systems. Auf der anderen Seite ist die Verpflichtung der Gemeinde, sich die Wahlkarte zustellen zu lassen, ein noch größerer Anreiz für Auslandsösterreicher, sich an der Wahl zu beteiligen. Auch ich meine, daß eine eidesstattliche Erklärung genügen sollte und daß man keine Zeugen braucht, um zu beweisen, daß korrekt vorgegangen wird. Man sollte als Österreicher durchaus auch anderen Österreichern vertrauen können.

Eine Änderung der Nationalratswahlordnung im Sinne der Anpassung der Vorschriften für das Auslandsösterreicherwahlrecht ist schleunigst anzustreben. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Den Antrag 241/A weise ich dem Verfassungsausschuß zu .

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 309/A bis 312/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1387/J bis 1411/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für morgen, Donnerstag, dem 31. Oktober 1996, 9.00 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten Mitteilung zu entnehmen. – Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 23 Uhr