Stenographisches Protokoll

60. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 29. Jänner 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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60. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode Mittwoch, 29. Jänner 1997

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 29. Jänner 1997: 10.00 – 18.52 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers

2. Punkt: Bericht über den Antrag 380/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird

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Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Eleonora Hostasch und Dr. Wolfgang Riedler 11

Angelobung der Abgeordneten Dr. Helga Konrad und Franz Hums 11

Personalien

Verhinderungen 11

Geschäftsbehandlung

Absehen von der 24stündigen Frist für das Aufliegen des schriftlichen Ausschußberichtes 579 d. B. gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung 13

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 14

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 11

Schreiben des Bundeskanzlers Mag. Viktor Klima betreffend Amtsenthebung der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Dr. Helga Konrad, der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer, des Bundesministers für Arbeit und Soziales Franz Hums, des Bundesministers für Inneres Dr. Caspar Einem, des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten , des Staatssekretärs Mag. Karl Schlögl und seiner Person als Bundesminister für Finanzen,


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60. Sitzung / Seite 2

Ernennung seiner Person zum Bundeskanzler, von Rudolf Edlinger zum Bundesminister für Finanzen, von Mag. Karl Schlögl zum Bundesminister für Inneres, von Dr. Caspar Einem zum Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst, von Eleonora Hostasch zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales, von Mag. Barbara Prammer zur Bundesministerin ohne Portefeuille und von Dr. Peter Wittmann und Dr. Wolfgang Ruttenstorfer zu Staatssekretären sowie Betrauung der Bundesministerin Eleonora Hostasch mit der Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz durch den Bundespräsidenten 12

Ausschüsse

Zuweisungen 13

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers 14

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 380/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (579 d. B.) 14

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 14

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 der Geschäftsordnung 14

Redner:

Dr. Jörg Haider 26

Dr. Peter Kostelka 32

Mag. Dr. Heide Schmidt 35

Dr. Andreas Khol 40

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 42

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 46

Rudolf Nürnberger 51

Mag. Johann Ewald Stadler 53

Ingrid Tichy-Schreder 56

Dr. Hans Peter Haselsteiner 57

Dr. Ilse Mertel 61

Ing. Monika Langthaler 64

Georg Schwarzenberger 67

Mag. Herbert Haupt 69

Rudolf Parnigoni 71

Anna Elisabeth Aumayr (tatsächliche Berichtigung)73

Maria Schaffenrath 74

Dr. Gottfried Feurstein 76

Karl Öllinger 78

DDr. Erwin Niederwieser 80

Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn 82

Maria Rauch-Kallat 84

Dr. Volker Kier 86

Brigitte Tegischer 87

Theresia Haidlmayr 89

Hermann Kröll 91

Dr. Helene Partik-Pablé 92

Winfried Seidinger 93


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60. Sitzung / Seite 3

Klara Motter 95

Rosemarie Bauer 96

Andreas Wabl 97

Dr. Dieter Antoni 100

Mag. Gilbert Trattner 101

Jakob Auer 103

Dr. Martina Gredler 104

Dr. Josef Cap 105

Edith Haller 108

Franz Morak 111

Helmut Haigermoser 113

Werner Amon 114

Herbert Scheibner 115

Paul Kiss 117

Dr. Michael Krüger 118

Mag. Helmut Kukacka 120

Mag. Erich L. Schreiner 120

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 122

Mag. Karl Schweitzer 123

Dr. Erwin Rasinger 124

Karl Freund 125

Mag. Dr. Josef Trinkl 125

Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler 126

Karlheinz Kopf 127

Annahme des Gesetzentwurfes in 579 d. B. 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Einrichtung eines Ministeriums für Wissenschaft, Forschung, Kultur, Kunst, Medien und Kommunikation – Ablehnung 65, 129

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Neuordnung der Bundesministerien – Ablehnung 74, 129

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend Erarbeitung eines Konzeptes für eine Bundeskulturstiftung – Ablehnung 74, 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend immerwährende Neutralität Österreichs – Ablehnung 98, 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend 8,5 Milliarden Schilling für Panzerkauf zur Budgetkonsolidierung – Ablehnung 98, 128

Eingebracht wurden

Petition 13

Petition betreffend "Schutz der Anrainer von Bundesstraßen" (Ordnungsnummer 21) (überreicht von der Abgeordneten Mag. Brigitte Ederer )

Regierungsvorlagen 13

561: Grundbuchsnovelle 1997 – GBNov. 1997


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60. Sitzung / Seite 4

578: Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes und die Genehmigung einer Vereinbarung

Berichte 13

Vorlage 17 BA: Bericht betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundesvermögen im Jahre 1996; BM f. Finanzen

Vorlage 18 BA: Bericht über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahre 1996; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend Evaluierung der Forderungen des Fünfparteienantrages vom 14. Juli 1994 betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit Sekten, pseudoreligiösen Gruppierungen, Vereinigungen und Organisationen sowie destruktiven Kulten (387/A) (E)

Dr. Volker Kier und Genossen betreffend Schaffung eines Bundessozialhilfegesetzes (388/A) (E)

Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (389/A)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Räumung der Altlast N9 "Mülldeponie Helene Berger" (1887/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend "Aufwandsentschädigung" und "Weihnachtsbelohnung" (1888/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auflösung des Gendarmeriepostens Krems/Land (1889/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schengener Abkommen (1890/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schengener Abkommen (1891/J)

Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Lehrerstelle für Abgeordnete zum Nationalrat Dr. Sonja Moser am Pädagogischen Institut in Innsbruck (1892/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Vorschußzahlungen für Schulveranstaltungen im Bereich des Landesschulrates für Niederösterreich (1893/J)

Josef Meisinger und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten bezüglich Personalvertreter bei Lehrern (1894/J)

Brigitte Tegischer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend den Ausbau der Fachschule für Werkzeugbau in Lienz (1895/J)


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Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Versäumnisse in der Sudetendeutschenfrage (1896/J)

Dr. Martin Graf und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Versäumnisse in der Sudetendeutschenfrage (1897/J)

Mag. Erich L. Schreiner und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend § 4 Abs. 9 UStG sowie § 20 Abs. 4 UStG – "Bussteuer" (1898/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Auffassung österreichischer Asylbeamter, Folterungen und Mißhandlungen von Inhaftierten durch Polizisten seien ein geeignetes Mittel, um Geständnisse zu erhalten (1899/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Menschenrechtsverletzungen in Nigeria (1900/J)

Helmut Haigermoser und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die psychologische Studentenberatung Salzburg (1901/J)

Mag. Karl Schweitzer und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Teilnahme von Lehrern an mehrtägigen Schulveranstaltungen (1902/J)

Ute Apfelbeck und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz von Diensthunden zur Suche von Sprengstoffen (1903/J)

Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Effizienz und Effektivität staatlicher Leistungen (1904/J)

Hermann Mentil und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schließung des Finanzamtes Lilienfeld (1905/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Steuerbegünstigungen gemäß § 4 Abs. 4 Z 5 lit. d und e EStG 1988 (1906/J)

Dr. Jörg Haider und Genossen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Situation der Sportstätten am Goethe-Gymnasium (1140 Wien, Astgasse) (1907/J)

Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit und Soziales betreffend die Existenzberechtigung der Betriebskrankenkassen (1908/J)

Mag. Reinhard Firlinger und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Kostenexplosion bei der Eisenbahnumfahrung Innsbruck (1909/J)

Ing. Mathias Reichhold und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Exporte von Zuchtrindern (1910/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1483/AB zu 1496/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1484/AB zu 1569/J)


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60. Sitzung / Seite 6

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (1485/AB zu 1571/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen (1486/AB zu 1583/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (1487/AB zu 1586/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Anton Blünegger und Genossen (1488/AB zu 1642/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Meisinger und Genossen (1489/AB zu 1507/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka und Genossen (1490/AB zu 1599/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1491/AB zu 1606/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Herbert Haupt und Genossen (1492/AB zu 1511/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Brigitte Ederer und Genossen (1493/AB zu 1604/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1494/AB zu 1531/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (1495/AB zu 1625/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Murauer und Genossen (1496/AB zu 1709/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1497/AB zu 1723/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1498/AB zu 1534/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Koller und Genossen (1499/AB zu 1550/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1500/AB zu 1530/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen (1501/AB zu 1557/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1502/AB zu 1722/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1503/AB zu 1488/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1504/AB zu 1505/J)


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60. Sitzung / Seite 7

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen (1505/AB zu 1512/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen (1506/AB zu 1577/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen (1507/AB zu 1597/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1508/AB zu 1497/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1509/AB zu 1527/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1510/AB zu 1565/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Gredler und Genossen (1511/AB zu 1718/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen (1512/AB zu 1480/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1513/AB zu 1501/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gilbert Trattner und Genossen (1514/AB zu 1510/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (1515/AB zu 1547/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Brigitte Tegischer und Genossen (1516/AB zu 1610/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1517/AB zu 1598/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (1518/AB zu 1590/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen (1519/AB zu 1518/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (1520/AB zu 1588/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen (1521/AB zu 1669/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Hans Peter Haselsteiner und Genossen (1522/AB zu 1717/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (1523/AB zu 1539/J)

der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1524/AB zu 1499/J)


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60. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (1525/AB zu 1638/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen (1526/AB zu 1578/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Helmut Haigermoser und Genossen (1527/AB zu 1643/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1528/AB zu 1570/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Öllinger und Genossen (1529/AB zu 1566/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (1530/AB zu 1519/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1531/AB zu 1503/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Johann Schuster und Genossen (1532/AB zu 1485/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (1533/AB zu 1680/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen (1534/AB zu 1671/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Gerald Tychtl und Genossen (1535/AB zu 1600/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Genossen (1536/AB zu 1593/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Franz Kampichler und Genossen (1537/AB zu 1576/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen (1538/AB zu 1516/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Rudolf Anschober und Genossen (1539/AB zu 1491/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1540/AB zu 1537/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Verena Dunst und Genossen (1541/AB zu 1555/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1542/AB zu 1506/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1543/AB zu 1502/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Friedrich Verzetnitsch und Genossen (1544/AB zu 1542/J)


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60. Sitzung / Seite 9

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (1545/AB zu 1482/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Genossen (1546/AB zu 1549/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1547/AB zu 1551/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen (1548/AB zu 1595/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (1549/AB zu 1620/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1550/AB zu 1504/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1551/AB zu 1533/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (1552/AB zu 1591/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Michael Krüger und Genossen (1553/AB zu 1596/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen (1554/AB zu 1517/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1555/AB zu 1524/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (1556/AB zu 1540/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Udo Grollitsch und Genossen (1557/AB zu 1579/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen (1558/AB zu 1721/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (1559/AB zu 1494/J)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1560/AB zu 1535/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Freund und Genossen (1561/AB zu 1486/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1562/AB zu 1487/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen (1563/AB zu 1493/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen (1564/AB zu 1522/J)


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60. Sitzung / Seite 10

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Meisinger und Genossen (1565/AB zu 1508/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1566/AB zu 1536/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Karl Freund und Genossen (1567/AB zu 1484/J)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Edith Haller und Genossen (1568/AB zu 1528/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Ernst Fink und Genossen (1569/AB zu 1544/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Heidrun Silhavy und Genossen (1570/AB zu 1560/J)

 


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60. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 10 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle auf das herzlichste. Ich begrüße auch die Zuseher des Fernsehens, weil diese Sitzung live übertragen wird.

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, und eröffne die 60. Sitzung des Nationalrates.

Die Amtlichen Protokolle der 57., der 58. und der 59. Sitzung sind aufgelegen, unbeeinsprucht geblieben und gelten daher als genehmigt.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Dkfm. Holger Bauer, Dr. Povysil, Dr. Salzl, Dr. Preisinger, Hagenhofer, Großruck, Dr. Schwimmer und Hans Helmut Moser.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Von der Bundeswahlbehörde ist die Mitteilung eingelangt, daß Frau Abgeordnete Eleonora Hostasch auf ihr Nationalratsmandat verzichtet hat und daß an ihrer Stelle Kollege Franz Hums in den Nationalrat berufen wurde.

Weiters wurde Frau Dr. Helga Konrad das Mandat, welches sie aus Anlaß ihrer Ernennung zum Mitglied der Bundesregierung zurückgelegt hat, gemäß § 111 der Nationalrats-Wahlordnung erneut zugewiesen, wodurch der Abgeordnete Dr. Wolfgang Riedler aus dem Nationalrat ausscheidet.

Da die Wahlscheine vorliegen und die Abgeordneten Hums und Dr. Konrad im Hause anwesend sind, werde ich sogleich deren Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch die Frau Schriftführerin werden die beiden Mandatare ihre Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten haben.

Ich darf nunmehr die Frau Abgeordnete Parfuss als Schriftführerin um die Verlesung der Gelöbnisformel und um den Namensaufruf bitten.

Schriftführerin Ludmilla Parfuss: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

(Die Abgeordneten Franz Hums und Dr. Helga Konrad leisten die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe".)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich begrüße Frau Abgeordnete Konrad und Herrn Abgeordneten Hums sehr herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Entschließung des Herrn Bundespräsidenten betreffend die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung wie folgt Mitteilung gemacht:


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Der Herr Umweltminister Dr. Bartenstein wird durch Herrn Bundesminister Dr. Fasslabend vertreten.

Ich bitte um Kenntnisnahme.


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Einlauf

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich bringe nunmehr dem Hohen Haus folgendes Schreiben des Herrn Bundeskanzlers Dr. Klima vom gestrigen Tag zur Kenntnis:

"Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 28. Jänner 1997 ... gemäß Artikel 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Dr. Helga Konrad, die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer, den Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums, den Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem, den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten und den Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schlögl gemäß Artikel 78 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von ihren Ämtern enthoben hat.

Mit gleicher Entschließung hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mich vom Amt als Bundesminister für Finanzen enthoben und gemäß Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundeskanzler ernannt.

Weiters hat der Herr Bundespräsident mit dieser Entschließung gemäß Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz auf meinen Vorschlag ernannt:

Stadtrat Rudolf Edlinger zum Bundesminister für Finanzen,

Staatssekretär a. D. Mag. Karl Schlögl zum Bundesminister für Inneres,

Bundesminister Dr. Caspar Einem zum Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst,

die Präsidentin der Bundesarbeitskammer Eleonora Hostasch zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales

und gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 78 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz Landesrätin Mag. Barbara Prammer zur Bundesministerin ohne Portefeuille.

Ferner hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 77 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz bis zu einer Änderung des Bundesministeriengesetzes die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Eleonora Hostasch mit der Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz betraut.

Schließlich hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ernannt:

Bürgermeister Dr. Peter Wittmann zum Staatssekretär und zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundeskanzler beigegeben und

Dr. Wolfgang Ruttenstorfer zum Staatssekretär und zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Finanzen beigegeben.

Mit besten Grüßen

Viktor Klima"

Dieses Schreiben dient zur Kenntnis und steht im Sinne des § 21 Abs. 3 GOG nach Eingang in die Tagesordnung mit in Verhandlung.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 der Geschäftsordnung auf die schriftliche Mitteilung, die im Sitzungssaal verteilt wurde.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1887/J bis 1893/J.

2. Anfragebeantwortungen: 1483/AB bis 1570/AB.

3. Regierungsvorlagen:

Grundbuchsnovelle 1997 – GBNov. 1997 (561 der Beilagen),

Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes und die Genehmigung einer Vereinbarung (578 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuß:

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend Verfügungen über unbewegliches Bundesvermögen im Jahre 1996 (Vorlage 17 BA),

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahre 1996 (Vorlage 18 BA);

Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 21 betreffend "Schutz der Anrainer von Bundesstraßen", überreicht von der Abgeordneten Mag. Brigitte Ederer.

*****

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. Heinz Fischer: Um den Punkt 2 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es nach § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderlich, von der 24stündigen Auflagefrist Abstand zu nehmen. Bei diesem Beschluß des Nationalrates ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Dabei handelt es sich um den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 380/A der Abgeordneten Dr. Kostelka, Dr. Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz geändert wird (579 der Beilagen).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist zustimmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Ich stelle fest, das ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit so beschlossen.


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60. Sitzung / Seite 14

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ein Verlangen vor, gestützt auf § 81 der Geschäftsordnung, im Anschluß an die Erklärung des Bundeskanzlers, die jetzt folgen wird, eine Debatte durchzuführen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung unter einem durchzuführen.

Ich frage das Hohes Haus, ob es dagegen Einwendungen gibt? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir einvernehmlich so vorgehen.

Redezeitbeschränkungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gehe nunmehr in die Tagesordnung ein.

In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über folgende Vorgangsweise hinsichtlich der Debatte erzielt:

Es wurde eine Blockredezeit von 7 "Wiener Stunden" vereinbart. Daraus ergeben sich folgende Redezeiten: SPÖ-Fraktion 105 Minuten, ÖVP 98 Minuten, Freiheitliche 91 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 63 Minuten Redezeit.

Anschließend an die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers soll zunächst, so haben wir das vereinbart, von jeder Fraktion je ein Redner zu Wort kommen, dann wird sich der Herr Vizekanzler zu Wort melden.

Schließlich ist Einvernehmen erzielt worden, daß, wenn sich weitere Regierungsmitglieder melden, deren freiwillige Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten soll. Sollte dies dennoch der Fall sein, wird das den zugehörigen Fraktionen angerechnet.

Ich frage auch hier: Gibt es gegen diese Vorgangsweise Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir das einvernehmlich so festgelegt.

1. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers

2. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 380/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (579 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen also zu den Punkten 1 und 2 der heutigen Tagesordnung, die gemeinsam verhandelt werden.

Ich darf nunmehr Herrn Bundeskanzler Mag. Klima das Wort zur Abgabe seiner Erklärung erteilen. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

10.10

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundespräsident hat mich nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Dr. Vranitzky mit der Regierungsbildung beauftragt und die neuen Mitglieder der Bundesregierung nach meinem Vorschlag bestellt. Ich stehe heute hier vor Ihnen, den gewählten Vertretern der Österreicherinnen und Österreicher, um Ihnen diese Bundesregierung vorzustellen.


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Am 17. Dezember 1995 haben die Österreicherinnen und Österreicher der Sozialdemokratischen Partei und der Österreichischen Volkspartei mit ihrer Stimme eine klare Mehrheit zur Bildung einer Regierung gegeben. Diese beiden Parteien haben in einem Koalitionsübereinkommen die Leitlinien für die Regierungsarbeit während der nächsten Legislaturperiode festgelegt. Ich habe dieses Übereinkommen mit unterschrieben und bekenne mich dazu. Ich bekenne mich zur Zusammenarbeit dieser Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode, und es wird eine erfolgreiche Zusammenarbeit werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie um Verständnis dafür, daß ich mit einer alten Tradition breche und heute nicht alle Punkte, die üblicherweise in einer Regierungserklärung angesprochen werden, anspreche, weil ja erst vor wenigen Monaten diesem Haus eine Regierungserklärung vorgetragen wurde. Ich möchte mich in meiner heutigen Erklärung vielmehr mit zwei Themen besonders auseinandersetzen: mit unseren Herausforderungen, den Herausforderungen Österreichs, denen wir an der Schwelle zum neuen Jahrtausend gegenüberstehen, und der Darstellung der zentralen Schwerpunkte unserer Regierungsarbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden in dieser Regierung diese Schwerpunkte konsequent umsetzen und diese Herausforderungen auch bewältigen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Erlauben Sie mir eingangs einige Worte zur Regierungsarbeit des letzten Jahres. Es ist in diesem Jahr manches nicht ausreichend schnell, manches auch von Kritik begleitet, aber vieles bereits mit Erfolg umgesetzt worden. Wir haben gemeinsam ein Konsolidierungsprogramm zustande gebracht, das das Budgetdefizit unter Kontrolle bringt, und im Unterschied zu anderen Staaten konnte diese Konsolidierung ohne Gefahr für den sozialen Frieden in unserem Land erreicht werden. Es stellt sicher, daß Österreich alle Kriterien für den Eintritt in die Europäische Währungsunion erfüllen wird, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine international anerkannte Leistung aller Österreicherinnen und Österreicher. Vielen Dank dafür! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir haben nicht nur Budgetprogramme erstellt, wir haben dieses Budget auch sehr konsequent und sehr erfolgreich vollzogen. Wir haben im Jahr 1996, meine sehr geehrten Damen und Herren, zum erstenmal seit fünf Jahren erreicht, daß das Defizit des Bundes unter dem veranschlagten Wert lag. Wir haben darüber hinaus gemeinsam mit den Ländern, Städten und Gemeinden einen Finanzausgleich über das Jahrtausend hinaus abgeschlossen. Wir haben durch einen Konsultationsmechanismus zu einer neuen Qualität der finanziellen Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gefunden. Das ist nicht nur notwendig, um auch in Zukunft die Stabilität zu sichern, sondern das ist auch ein starker Schritt in Richtung Föderalismus. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat diese Bundesregierung auch eine Reihe konkreter Beschäftigungssicherungsmaßnahmen im Bereich der Bauwirtschaft, der Altlastensanierung, der Wasserwirtschaft gesetzt und vieles mehr. Wir haben mit einem Förderungsgesetz für kleine und mittlere Unternehmen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die wichtige Unterstützung dieses Sektors, für bessere und stabilere Arbeitsplätze geschaffen.

Die Einkommen in der Landwirtschaft konnten trotz der durch den EU-Beitritt notwendigen Umstellungen gesichert werden. Es ist mit der Ausgliederung der Bundesforste ein beispielhaftes Projekt von marktfähigen Leistungseinheiten zur Verwaltung von Bundesvermögen geschaffen worden.

Wir haben gemeinsam mit den Ländern, den Gemeinden und den Sozialversicherungsträgern die Finanzierung der Spitäler in unserem Gesundheitssystem sichergestellt, wohl wissend, daß dieser Bereich außerhalb der Spitäler noch weiterer Reformen bedarf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben Gesundheitsvorsorge, Rehabilitations- und Qualifizierungsmaßnahmen zusammen mit rechtlichen Maßnahmen verstärkt eingesetzt, um das tatsächliche Pensionsalter an die gesetzlichen Grenzen heranzuführen.


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60. Sitzung / Seite 16

Wir haben zwar nicht die gewünschte Milliarde, aber doch 600 Millionen Schilling als Unterstützung für Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stellen können, um Frauen und Männern mit Kindern die Berufstätigkeit zu erleichtern.

Im Schulbereich wurden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, um die Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Lehrbedarf zu intensivieren und fortzuführen. Die Autonomie der Schulen wurde ausgeweitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz gegen Gewalt in der Familie ist ein wichtiger Schritt zum Schutz von Opfern, die sich in besonders schwierigen Situationen befinden. Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie sorgen für eine entsprechende Ergänzung und Umsetzung der gesetzlichen Maßnahmen.

Wir haben aber auch in guter Zusammenarbeit die Vorbereitungen der für Österreich international und national so wichtigen Präsidentschaft zur Europäischen Union mit allen Regierungsmitgliedern vorangetrieben und sind hier auf einem guten Pfad. Dies, Hohes Haus, war nur durch die Zusammenarbeit der beiden Regierungsparteien möglich, eine Zusammenarbeit, die im letzten Jahrzehnt unter der Führung von Dr. Franz Vranitzky erfolgt ist – einem Jahrzehnt, das in der Geschichte der Zweiten Republik immer untrennbar mit seinem Namen verbunden sein wird! (Lebhafter Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Er hat den Mut und die moralische Integrität gehabt, als erster Regierungschef klare und unzweideutige Worte für die Rolle Österreichs im Nationalsozialismus zu finden. Er hat auch die Stärke bewiesen, gemeinsam mit unserem Regierungspartner Österreich umsichtig in die Europäische Union zu führen. Ich hoffe, ich darf in Ihrer aller Namen – ich bin sicher, ich darf dies im Namen der Bundesregierung tun – Herrn Bundeskanzler Franz Vranitzky unseren Dank für seine Arbeit im Dienste unserer Republik aussprechen! (Lebhafter Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Unser aller Dank gilt auch den Mitgliedern der Bundesregierung, die mit gestrigem Tag aus ihren Funktionen ausgeschieden sind. Sie haben viel für unser Land geleistet! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Österreicher sind zu Recht stolz auf das, was wir nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht haben: vom Wiederaufbau über die Entwicklung zum modernen Industriestaat bis hin zum vollberechtigten Mitglied in einem neuen Europa.

Österreich ist ein erfolgreiches Land. Trotzdem gibt es Widersprüche, die wir erkennen und erkennen müssen. Wir haben hohen Wohlstand, wir sind das drittreichste Land der Europäischen Union – aber gleichzeitig gibt es Armut und Menschen, die der Grenze zur Armut näherrücken. Wir haben eine steigende absolute Zahl von Beschäftigten – trotzdem gibt es eine steigende Zahl von Arbeitslosen. (Abg. Mag. Stadler: Wie lange regiert ihr schon?) Die Kriminalitätsrate sinkt – trotzdem gibt es ein subjektives Gefühl von Unsicherheit in der Bevölkerung. (Abg. Scheibner: Trauerrede! Trauersitzung!)

Das ist nur eine kleine Auswahl von Zeichen fundamentaler Umbrüche, die unsere Welt derzeit erfährt. Lester Thurow beschreibt das mit einem Bild tektonischer Platten, die sich kaum merkbar, aber unaufhaltsam aufeinander zu bewegen (Abg. Scheibner: Und die ein Erdbeben verursachen!) und schließlich zusammenstoßen. Die darauffolgenden Veränderungen führen zu Verwerfungen und Ausbrüchen, die in ihrem plötzlichen Auftreten nur dann verständlich sind, wenn man die langsamen, aber stetigen Veränderungen darunter erkennt. Es bewegt sich vieles, meine sehr geehrten Damen und Herren, das schon einmal zu einer Eruption geführt hat. (Abg. Scheibner: Platten verursachen Veränderungen!) Kommunismus in Europa, Kalter Krieg, zwei einander gegenüberstehende Supermächte sind Geschichte. (Abg. Mag. Stadler: Es war einmal! – Ruf bei den Freiheitlichen: Märchenstunde!) Unsere Zeit ist eine Zeit der Differenzierung der internationalen Kräfteverhältnisse, in der sich eine neue internationale Ordnung erst entwickelt.

Der Aufstieg neuer Wirtschaftsmächte, die zunehmende Internationalisierung – Stichwort "Globalisierung" – und neue Automatisierungstechnologien haben völlig neue wirtschaftliche Gege


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benheiten geschaffen. Wir leben nun in einer wirtschaftlichen Welt, in der Schnelligkeit, Anpassungsfähigkeit und Innovation zählen. Kein Unternehmen und kein Land kann sich mehr auf traditionelle Wettbewerbsvorteile verlassen. Die unaufhaltsame Liberalisierung verstärkt den Wettbewerb auf unseren Märkten. Zusätzlich befindet sich Österreich infolge der politischen Veränderungen im Osten unseres Landes in einer neuen Situation, mit neuen Konkurrenten, aber auch neuen Chancen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neue Technologien, die Informationsgesellschaft verändern nicht nur Wirtschaft und Arbeitswelt, sondern auch das Alltagsleben der Politik. Die industrialisierten Länder befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel der gesellschaftlichen und politischen Werte. Individualisierung, autonome Lebensführung, Entkoppelung von Politik und Wirtschaft sowie Emanzipation von Staaten und Parteien sind für jeden von uns merkbar und spürbar. Diese Umbrüche werden unser Leben, unsere Arbeitswelt, unser politisches System nachhaltig verändern und die Zukunft bestimmen.

Es ist nur allzu menschlich, daß diese Veränderungen Unsicherheit erzeugen. Viele Menschen in Österreich haben Angst vor der Zukunft, Angst vor diesem unbekannten Wechsel ins neue Jahrtausend und Befürchtungen für die Zeit danach. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Ängste können wir nicht mit Statistiken, mit objektiven Daten besänftigen, sondern wir müssen diese Ängste anhören, ernst nehmen und Perspektiven anbieten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Über Bord geworfene Werte!)

Diese Veränderungen werden kommen – ob wir wollen oder nicht. Wir können uns nicht entziehen! Sie werden uns bedrohen, wenn wir nicht gestalten und nicht dafür sorgen, daß sich der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel nicht gegen die Menschen richtet.

Ich hege keinen naiven Zukunftsoptimismus. Es ist Tatsache, daß viele Menschen in unserem Land von diesen Entwicklungen betroffen und gefährdet sind. Der Verlust des Arbeitsplatzes, die Entwertung der eigenen Qualifikation und die Isolation sind reale Gefährdungen. Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit sind gut für jene, die diesen Anforderungen gewachsen sind. Es besteht aber die Gefahr, daß große Teile unserer Bevölkerung aus der Gesellschaft hinausgedrängt werden.

Unsere natürlichen Lebensressourcen sind in vielerlei Hinsicht gefährdet. Das Erlebnis dieser vielfältigen Bedrohungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene erzeugt die Gefahr des politischen Gegeneinanders gesellschaftlicher Gruppen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Politik hat nicht nur die Pflicht, diesen Gefahren zu begegnen, sondern sie hat dazu auch die Möglichkeit, wenn sie den nötigen Willen aufbringt! Sozialer Zusammenhalt und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sind keine Widersprüche. Auch Vielfalt in der Einheit ist kein Widerspruch. Das gilt für das gemeinsame Europa ebenso wie für die Gesellschaft, in der individuelle Entfaltung und der Ausbau der Demokratie möglich sein müssen.

Was wir dazu brauchen, meine Damen und Herren, ist der Mut zur Veränderung. Wir brauchen diesen Mut, um überholte Strukturen aufzubrechen, die durch bürokratische Hemmnisse das Schaffen neuer Arbeitsplätze und neuer Betriebe beeinträchtigen; um offen gegenüber neuen Entwicklungen zu sein, zum Beispiel gegenüber neuen Technologien, aber auch gegenüber neuen Formen der Arbeit; um Weltoffenheit zu gewinnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Stadler: Die Einschaltquoten sinken, Herr Bundeskanzler!) Das bedeutet aktives Hinausgehen, einerseits zum bewußten Lernen von anderen zum Vergleich des eigenen Systems, der eigenen Gewohnheiten und Regeln, mit anderen Ländern und anderen Institutionen – im angelsächsischen Raum nennt man das oft "best practice"-Modelle –, das heißt andererseits aber auch aktives Mitwirken auf internationaler und europäischer Ebene.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist keine zielführende Politik, den Menschen nur die Hindernisse aus dem Weg zu räumen und sie dann allein zu lassen. Die Politik muß die Menschen unterstützen, muß sie in die Lage versetzen und ihnen die Fähigkeit, die Stärke


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geben, mit diesen Veränderungen, dieser Offenheit und der damit verbundenen Unsicherheit umzugehen.

Erlauben Sie mir, Ihnen dafür zwei Beispiele zu nennen. Niemand kann mehr die Garantie geben, daß ein Mensch sein ganzes Erwerbsleben lang den gleichen Arbeitsplatz innehaben wird. Der fundamentale Strukturwandel führt dazu, daß Arbeitsplätze verlorengehen werden. Wir müssen die Ausbildung sichern, die Qualifikation, das Selbstbewußtsein und die Kraft geben, die nötig sind, um einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Wir müssen Mobilität lehren, Mobilität für neue Arbeitsplätze, die zu schaffen eine der zentralen Aufgaben der Bundesregierung und von uns allen ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Gleichzeitig aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir die Sicherheit bieten, daß das Vorwagen-Können, das Annehmen-Können von neuen Herausforderungen ohne Angst möglich ist, nämlich ohne die Angst, bei einem Fehlschlag die Existenz zu verlieren. Das bedeutet, wir haben unser Sozialsystem so anzupassen, daß es Mobilität zuläßt, sie fördert und die Angst davor nimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zusammengefaßt heißt das: Österreich wird sich ändern! Wir alle müssen offen sein für den Aufbruch ins neue Jahrtausend, und wir müssen die Veränderung als Chance begreifen.

Hohes Haus! Was sind nun die zentralen Schwerpunkte der Regierungsarbeit? – Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist unzweifelhaft die zentrale Frage der Zukunft! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir wissen aber – und müssen es auch offen sagen –, daß es dafür, insbesondere in einer Welt mit offenen Märkten, kein Patentrezept mehr gibt. Wir können trotz bester Bemühungen nicht in jedem Fall verhindern, daß Betriebe oder Arbeitsplätze verlorengehen. Was wir aber können, ist, mit einer Vielzahl abgestimmter Maßnahmen dazu beizutragen, daß wegfallenden Arbeitsplätzen neu geschaffene gegenüberstehen und die Arbeitslosigkeit reduziert wird. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen dazu eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur, die Österreich als Industriestandort attraktiv erhält, zum Beispiel im Bereich der Telekommunikation, des Verkehrs und der Energie. Wir werden neue Wege der Finanzierung brauchen, eine Kooperation von öffentlichen und privaten Finanzierungsquellen. Wir werden darauf achten, daß beschäftigungsintensive Projekte dabei Vorrang haben, und wir werden die Rolle der öffentlichen Hand als Nachfrager innovativer Produkte, zum Beispiel im Bereich der Informationstechnologie, zu nutzen haben. Wir werden aber durch geordnete Liberalisierung auch Investitionen von privatem Kapital und Wettbewerb fördern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beschäftigungspolitische Maßnahmen des Bundes werden an einer nachhaltigen Entwicklung orientiert sein. So sind zum Beispiel Entwicklung und Einsatz von Umwelttechnologien nicht nur notwendig, um unsere Lebensqualität zu erhalten, sondern damit können und werden auch neue Produkte und neue Märkte geschaffen werden. Beispiele dafür gibt es genug, ich nenne nur den Einsatz wärmedämmender Maßnahmen für die Bundesgebäude und ähnliches mehr. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich darüber hinaus zum Ziel gesetzt, die Exporte weiter zu steigern. Die laufende Exportoffensive wird in Zukunft auf eine bessere Koordination der vorhandenen Möglichkeiten Bedacht nehmen. Wir haben uns mit dem Koalitionspartner vorgenommen, eine neue Form der Arbeit an konkreten Projekten zu ermöglichen. Zum Beispiel wird für den Bereich des Exports eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, der nicht nur Mitglieder der Bundesregierung angehören, sondern auch anerkannte, erfahrene Experten aus der Wirtschaft, aus Großbetrieben sowie aus Klein- und Mittelbetrieben, um die wichtige Aufgabe der Exportunterstützung für die österreichische Wirtschaft tatsächlich zu erfüllen.


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Wir werden sicherstellen, daß österreichische Unternehmen der Exportwirtschaft die gleichen Bedingungen auf dem Markt vorfinden wie ihre Wettbewerber, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir wissen, daß im Bereich von Klein- und Mittelbetrieben die meisten Arbeitsplätze geschaffen werden. Daher werden wir diesen Sektor sehr konzentriert unterstützen müssen: durch das Wegräumen unnötiger bürokratischer Hindernisse, aber auch durch andere Maßnahmen, etwa im Hinblick auf den Eigenkapitalsektor und vieles mehr, das die Überlebenschancen und die Entwicklung dieser Unternehmen stärkt. So zum Beispiel ist die Reform der Gewerbeordnung ein besonders wichtiges Anliegen, zu dessen Erledigung in einem ersten Schritt dem Hohen Haus bereits eine Regierungsvorlage für eine Verwaltungsvereinfachung im Anlagenrecht zugeleitet wurde. Eine Regierungsvorlage zur Liberalisierung von Zugangsberechtigungen wird in Kürze abgeschlossen werden.

Das ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine der Maßnahmen aus dem Bündel von Maßnahmen, von dem wir überzeugt sind, daß es neue Chancen für Klein- und Mittelbetriebe und daher für Arbeitsplätze in Klein- und Mittelbetrieben bringt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Dem Mangel an Eigenkapital der österreichischen Unternehmen wird durch weitere Reformen des Kapitalmarktes entgegenzuwirken sein. Förderungen werden – ohne Gießkanne! – in erster Linie auf die Fähigkeit zur Innovation, auf die regionale Vernetzung, auf die Kooperation mit Wissenschaft und Forschung und die Erschließung neuer Märkte auszurichten sein.

Hohes Haus! Die Investitionen internationaler Unternehmen in Österreich sind wichtig für uns. Ausländische Investoren, die wir durch eine umfassende Standortpolitik für Österreich interessiert haben, werden wir auch in Zukunft durch ein umfassendes Standort-Marketing aktiv ansprechen. Ich sage aber – ohne jede Form von Chauvinismus –, daß die Bundesregierung gleichzeitig im Rahmen einer Österreich-Strategie alles unternehmen wird, dafür zu sorgen, daß Entscheidungszentren von Unternehmen in wichtigen Kernbereichen in unserem Land bleiben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) – Nur so können wir die Gestaltungsspielräume erhalten und den Fortbestand hochwertiger Arbeitsplätze sichern.

Hohes Haus! Der Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik darf nicht das Verwalten und das Versorgen von Arbeitslosen sein. Der Schwerpunkt muß eine aktive Arbeitsmarktpolitik sein, die all den nachteiligen Folgen des Verlustes eines Arbeitsplatzes – vom Qualifikationsverlust über den Verlust des Selbstwertgefühls und der Motivation bis hin zu den zunehmenden Schwierigkeiten für die Wiedereingliederung – entgegenwirkt und eine effiziente Vermittlung darstellt. Wir brauchen aber auch Offenheit für neue Arbeitsformen und größere Flexibilität in der Arbeitsorganisation, wodurch ein wichtiger Beitrag zur Beschäftigungssicherung geleistet wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Aber eines muß klar sein: Solche Entwicklungen dürfen nicht nur zu Lasten einer Seite gehen. Wenn die Balance zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberrechten aber gewahrt bleibt, dann wird die Flexibilisierung die nötige Akzeptanz finden, dann wird sie ein aktives Instrument der Innovation sein und für zusätzliche Arbeitsplätze sorgen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte im Zusammenhang mit der Beschäftigungspolitik ganz bewußt auch einen Satz zur Budgetpolitik sagen. Wir haben mit dem Konsolidierungsprogramm im vergangenen Jahr einen großen und nachhaltigen Schritt zur Sanierung unseres Staatshaushaltes gesetzt. Wir haben das nicht als Selbstzweck gemacht und nicht, um irgendwelche Konvergenzkriterien zu erfüllen. Konsolidierung ist notwendig, um die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandortes Österreich zu erhalten und um in- und ausländische Investoren, die für Beschäftigung sorgen, in Österreich zu halten beziehungsweise nach Österreich zu bringen. Das ist auch notwendig, um die Stabilität unserer Währung zu sichern, um die fiskalpolitischen Handlungsspielräume wiederzugewinnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Konsolidierung bedeutet schlußendlich die Möglichkeit, Beschäftigung zu halten und zu sichern. Es wird aus diesem Grund – und ich sage das in


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aller Deutlichkeit – auch in Zukunft der Konsolidierungskurs fortzuführen sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. )

Die Budgets für die Jahre 1998 und 1999 werden bis zum Sommer dieses Jahres auf Basis des Budgetprogrammes erstellt werden. Die Steuer- und Abgabenquote wird diesem Programm entsprechend tendenziell wieder sinken. Das Ausgabenwachstum soll weiterhin eingebremst werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Konsolidierung wird den immer größer gewordenen Anteil der Zinsen für die Staatsschuld an den Ausgaben des Staates insgesamt senken und uns damit wieder finanziellen Spielraum im Hinblick auf langfristige Beschäftigungssicherung geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zu sagen, daß ich glaube, daß wir in Ergänzung zu dem, was 1996 und 1997 möglich war, bei konsequentem und diszipliniertem Vollzug des Budgets des Jahres 1997 sowie entsprechenden Reformen für die Jahre 1998 und 1999 keine Belastungspakete für die österreichische Bevölkerung mehr brauchen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie ich schon eingangs gesagt habe, leben wir – in statistischen Daten gemessen – in einem reichen Land. Trotzdem gibt es Armut. Und das macht mich persönlich betroffen. (Abg. Ing. Reichhold: Die SPÖ ist schon zu lange an der Macht!)

Armut kann jeden treffen: Menschen, die ihre Arbeit verlieren, alleinerziehende Mütter oder Familien mit geringem Einkommen, kranke oder pflegebedürftige Menschen. Neben finanziellen Problemen führt dies auch sehr oft zu sozialer Isolation. Wir dürfen die Probleme dieser Menschen nicht individualisieren, wir dürfen ihnen keine individuelle Schuld zuweisen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dürfen diese Menschen nicht durch Mißbrauchsdebatten ausgrenzen. Wir müssen vielmehr entschlossen gegen Armut kämpfen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Bundesregierung hat die Aufgabe, den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu sichern. Arbeit, Gesundheit, soziale Absicherung und Bildung sind wesentliche Eckpfeiler unserer Sozialpolitik, wobei unbestritten ist – auch das muß man klar und offen ansprechen –, daß es da Modernisierungsbedarf gibt, und zwar Modernisierungsbedarf, um unseren Sozialstaat zu erhalten, Modernisierungsbedarf, weil die gesellschaftliche Entwicklung mit zunehmend frei gewählten Lebensformen Anpassungen notwendig macht. So zum Beispiel sollen Transferleistungen auf jene Menschen konzentriert werden, die sie tatsächlich brauchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, daß diese gemeinsame Sozialpolitik Österreich nicht nur den Status des drittreichsten Landes Europas erhält, sondern daß wir damit auch einen erfolgreichen Kampf gegen die Armut führen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In unserer Gesellschaft haben Frauen noch immer nicht die gleichen Chancen im Berufsleben wie Männer. Frauen haben mehr Belastungen durch Beruf und Familie. Wir können es uns aber nicht leisten – ich betone: wir können es uns nicht leisten! –, auf die Fähigkeiten und Talente von mehr als der Hälfte dieser Gesellschaft zu verzichten. (Abg. Mag. Stoisits – auf die Regierungsbank zeigend –: Das sieht man aber bei dieser Regierung nicht!)

Wir brauchen Arbeits- und Lebensformen, die es Frauen möglich machen, sich voll zu entfalten. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichstellung der Frau ist dieser Bundesregierung ein wichtiges Anliegen. Und wir werden das, meine sehr geehrten Damen und Herren, durch das Bundesministerium für Frauenangelegenheiten, das in Zukunft auch noch weitere wichtige Aufgabengebiete übernehmen wird, sehr erfolgreich vertreten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Besonderes Augenmerk muß auch der Jugend gelten. Wir wissen aus eigener Erfahrung, von den eigenen Kindern, daß es die Jugend nicht leicht hat. Überbordende Lehrpläne, ständiger Zwang zum Erfolg, knappes Lehrstellenangebot, wenig Freizeit und Zukunftsangst beeinflussen


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ihr Leben. Wir brauchen für das nächste Jahrtausend Menschen, die Freude und Spaß am Leben und am Lernen haben. Dazu brauchen wir eine Bildungspolitik, die, wie ich glaube, in wesentlichen Schritten von Frau Bundesministerin Gehrer schon begonnen wurde, nämlich eine Bildungspolitik, die die persönliche Entfaltung der Jugendlichen bestmöglich zuläßt und ihre Leistungsbereitschaft und Kreativität fördert.

Entrümpeln wir die Lehrpläne! Nützen wir den Einsatz neuer Technologien in den Schulen! Schon in der Ausbildung muß diese notwendige Bereitschaft zum Wechsel, diese notwendige Bereitschaft zur Mobilität, dieses flexible Herangehen an neue Herausforderungen vermittelt werden. Die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich liegt deutlich unter dem europäischen Niveau – und trotzdem sind wir mit steigenden Zahlen von Lehrstellensuchenden konfrontiert. Es gilt, gemeinsam das Lehrstellenangebot der Wirtschaft zu erweitern. Ein Maßnahmenbündel der Bundesregierung soll allen Jugendlichen das Recht auf Ausbildung sichern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Eine moderne Politik muß Jugendliche auch in neuen Berufsbildern, in neuen Berufen ausbilden. Die Jugendlichen müssen auch lernen, sich in der Arbeitswelt zu behaupten, in einer Arbeitswelt, die sich laufend verändert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesregierung wird und muß es gelingen, mit diesen Maßnahmen den Spitzenarbeitsplatz Österreich in Europa zu halten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP .)

An den Universitäten sind hohe Drop-out-Raten und auch eine im internationalen Vergleich lange Studiendauer der Ausdruck einer nicht optimalen Entwicklung. (Ruf bei den Freiheitlichen: 32 Semester!) Das neue Studienrecht soll eine raschere Anpassung des Studienangebotes an neue Bedingungen und neue Bedürfnisse bieten.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für neue, leistungsfähigere und wirtschaftlichere Universitäten sind geschaffen und werden die Qualität der Ausbildung der Studierenden verbessern.

Der erfolgreiche Weg der Förderung der Fachhochschulen ist – neben dem guten Angebot von berufsbildenden höheren Schulen – verstärkt fortzusetzen. Zusätzlich zum bereits bestehenden Schwerpunkt im wirtschaftlichen und technischen Bereich werden bei den Fachhochschulen Schwerpunkte bei der Sozialarbeit, bei nichtärztlichen medizinischen Berufen weiterentwickelt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Bündel von Maßnahmen sorgt also dafür, daß gut ausgebildete und selbstbewußte junge Menschen die Zukunft Österreichs sichern werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Hohes Haus! Wir erfahren es täglich und wir wissen, welche Leistungen die ältere Generation erbracht hat, um unseren Sozialstaat aufzubauen. Wir müssen aber auch seine Qualität sichern, und das bedeutet Modernisierung. Es sind bereits wichtige Reformen zur Anhebung des faktischen Pensionsalters beschlossen worden, welche bereits zu einer finanziellen Entlastung des Pensionssystems geführt haben. Wir werden uns aber weiter mit einer schrittweisen Harmonisierung der Pensionssysteme auseinanderzusetzen haben. Wir werden die mittel- und langfristige Entwicklung der Pensionssysteme rasch und sorgfältig analysieren. Wir werden weiters Maßnahmen vorbereiten, um den Bestand des Pensionssystems auch im neuen Jahrtausend zu sichern.

Es gilt, den Pensionisten Vertrauen und Stabilität zu vermitteln, es gilt aber auch, den jungen Menschen, die heute das System finanzieren, konkrete Modelle anzubieten und mit konkreten Modellen Vertrauen in die Alterssicherung der Zukunft zu geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einer verantwortungsbewußten Gesellschaft müssen die Einrichtungen für eine moderne Medizin jedem, der sie benötigt, und zwar unabhängig von seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, zur Verfügung stehen. Die europaweite Diskussion, die derzeit über die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems geführt wird, darf sich nicht


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in Jammern und Beklagen erschöpfen, sondern wir müssen eine konkrete Politik machen, um die Finanzierbarkeit dieses Gesundheitssystems sicherzustellen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen handeln! (Abg. Scheibner: Daran hat Sie niemand gehindert!)

Die Reform des Gesundheitssystems wird dann zum Erfolg führen, wenn Krankenhäuser und Behandlungsdienste außerhalb von Spitälern, aber auch das Wirken der niedergelassenen Ärzte aufeinander abgestimmt werden. Die Kostennachteile, die Österreich heute allein bei Heilbehelfen und Heilmitteln hat, müssen reduziert werden, und wir müssen auch eine moderne und effiziente Organisation der Träger des Gesundheitssystems durch eine verstärkte Inanspruchnahme der Einsparungspotentiale in der Verwaltung erreichen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine moderne Gesundheitspolitik bedeutet aber mehr als nur das Sicherstellen, daß Kranke wieder gesund gemacht werden, eine moderne Gesundheitspolitik muß Gesunde gesund erhalten. Eine moderne Gesundheitspolitik muß die Vorbeugung und die Früherkennung von Krankheiten ebenso wie die Beseitigung von krankmachenden Faktoren in unserer Arbeits- und Lebenswelt sicherstellen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird daher die Zusammenführung des Sozialressorts mit dem Gesundheitsressort inhaltlich nicht nur den Sinn haben, daß wir endlich Entscheidungskompetenz und finanzielle Verantwortung zusammenführen, sondern auch, daß wir die Möglichkeit haben, den breiten Bogen von der Arbeitsmedizin über die Präventivmedizin zu schließen und notwendige Reformen zu ermöglichen beziehungsweise zu beschleunigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich ist eines der sichersten Länder Europas. Wir haben eine sinkende Kriminalitätsrate – und dennoch gibt es ein weitverbreitetes Gefühl der Unsicherheit in der österreichischen Bevölkerung, das nicht im Einklang mit den empirischen Fakten steht.

Es wird daher zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Ressortführung gehören, das Integrationspaket fertigzustellen, das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Exekutive zu stärken, die Ausbildungs-, Fortbildungs- und Organisationsreform der Exekutive fortzusetzen und Antworten auf neue Formen der Kriminalität zu finden, wobei klarzustellen ist, daß das Bekenntnis der Bundesregierung zum Einsatz moderner Technik für die Sicherheit so zu verstehen ist, daß dieser Einsatz nur ohne Einschränkung der Bürgerrechte und ohne Verletzung der Menschenwürde erfolgen darf. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen für eine aktive Beschäftigungspolitik neue Märkte und neue Produkte. Daher ist die Innovations- und Technologiepolitik einer der Schwerpunkte der künftigen Regierungsarbeit. Der Vergleich mit den Forschungsquoten anderer Industriestaaten zeigt einerseits, daß Österreich in diesem Bereich noch aufschließen muß. Er zeigt aber auch andererseits, daß wir eine atypische Verteilung der Forschungsquote haben, daß, verglichen mit anderen Ländern, der Anteil der öffentlichen Hand in Österreich überproportional hoch im Vergleich zu den Forschungsausgaben der privaten Industrie ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Summe ist Österreich ein Technologienettoimporteur. Ich glaube, daß wir, wenn wir in dieser zunehmend technologisierten Welt den Anschluß verpassen, auch Arbeitsplätze verlieren werden und viele neue Chancen nicht nützen können. Es hat sich daher, um dem entgegenzuwirken, die österreichische Bundesregierung vorgenommen, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zu aktivieren. Es werden Forschungseinrichtungen in einem gemeinsamen Projekt zu straffen, zu vereinfachen und zu koordinieren sein. Es wird aber damit auch die leichtere Inanspruchnahme für Klein- und Mittelbetriebe möglich sein.

Österreich hat sehr viele Stärken im Technologietransfer. Wir können nicht in allen Bereichen der Welt in der Grundlagenforschung Spitze sein. Wir werden uns an internationalen Programmen ankoppeln müssen. Aber wir müssen die Fähigkeit zur raschen, flexiblen und effizienten Umsetzung der Grundlagenforschung, für die Entwicklung neuer Produkte und die Entwicklung neuer Märkte stärken.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden daher – neben den zusätzlichen drei Technologiemilliarden aus den Privatisierungserlösen – der wirtschaftsnahen Forschung besonderes Augenmerk widmen. Es gilt, ein Brücke zwischen dieser Grundlagenforschung und der Anwendung in den Unternehmen zu schlagen, eine Brücke, die zu einer engen Kooperation und Ausweitung der Forschungstätigkeit zwischen Universität und Wirtschaft führt. Kooperative Forschungsinstitute, die Integration von außeruniversitären Forschungsinstituten, Technologieparks und Information highways werden unsere Zukunft sichern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein wichtiger Weg bei diesem Aufbruch ins neue Jahrtausend ist der Weg Österreichs in die Informationsgesellschaft. Ziel ist dabei eine möglichst breite Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien in den meisten Bereichen des Lebens, wobei ich bitte: Beginnen wir, Neues zuzulassen! Wir dürfen nicht aus Angst, daß da oder dort Falsches entstehen könnte, alles verhindern. Wir müssen Entwicklungen zulassen, wir müssen Pilotprojekte fördern, wir müssen neue Technologien erleben lernen! Das heißt aber auch: wagen! Gerade die Informationsgesellschaft bietet einem Land wie Österreich eine große Chance.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vergleich mit den Forschungsquoten in diesem Bereich und andere ausländische Beispiele zeigen uns, wie damit neue Märkte und neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Versuchen wir daher, diese vielfältigen Anwendungsbereiche durch konkrete Pilotprojekte rasch zu fördern, zu entwickeln und zu erleben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir werden dabei aber sehr gewissenhaft darauf zu achten haben, daß diese Entwicklungen nicht neue Verlierergruppen in unserer Gesellschaft produzieren. Wir werden darauf zu achten haben, daß alle Bevölkerungsgruppen von den Vorteilen dieser Informationsgesellschaft profitieren können. Wir werden darauf zu achten haben, daß zum Beispiel die Vorteile der Telemedizin, der Telearbeit oder des Telelernens, um nur einige Beispiele zu nennen, keine neuen Klassenunterschiede schaffen. Der typische Internet-User in den USA ist 29 Jahre alt, männlich, weiß und entstammt der gehobenen Bildungsschicht. Wir wollen keine Trennung der Gesellschaft in solche, die diese neuen Informationstechnologien nutzen können, und solche, die sie nicht nutzen können. Wir brauchen daher Maßnahmen und Systeme für eine breite Anwendung dieser neuen Technologien, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Bundesregierung wird den Schutz der individuellen Sphäre, den Schutz der Vertraulichkeit, den Schutz der Konsumenten, den Schutz der Arbeitnehmer sehr, sehr ernst nehmen, und wir werden Pilotprojekte sehr genau verfolgen und betrachten müssen, um daraus Regeln zu entwickeln, die die nötigen Schutzmaßnahmen auch sicherstellen. Gehen wir diesen Weg in die Informationsgesellschaft rasch und gemeinsam! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Staats-, aber auch Politikverdrossenheit können nicht verdrängt und geleugnet werden. Das Verhältnis zur Verwaltung wird oftmals in der Rolle eines Bittstellers und nicht in jener des Staatsbürgers und Steuerzahlers, dem ein Service geboten wird, erlebt. Es entsteht auch oft der Eindruck, daß Budgetmittel nicht effizient genug verwendet und auch für falsche Zwecke ausgegeben werden.

Wir haben uns daher vorgenommen, sehr genau zu prüfen, ob und wo Geld möglicherweise auch unnötig ausgegeben wird. Wir haben sehr genau zu prüfen, welche Aufgaben der Staat in Zukunft noch übernehmen soll und welche Leistungen von einem funktionierenden Markt erbracht werden können. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Jetzt klatschen nicht einmal mehr die Sozialisten mit euch mit!) Aber ich warne gleichzeitig vor einem dogmatischen Vorgehen und vor Scheuklappen. Ein blindes "nichts darf sich ändern" ist ebenso falsch wie ein stereotypes "Markt, Markt und wieder Markt". (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen das ohne diese dogmatischen Scheuklappen sehr genau analysieren. Der Staat soll seine Aufgaben dort wahrnehmen, wo der Markt versagt, wo der Markt etwas nicht vermag.


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Und der Staat soll seine Aufgaben im Sinne eines Dienstleistungsangebotes wahrnehmen, das sich an den Bedürfnissen der Staatsbürger orientiert.

Dabei ist darauf zu achten, daß einerseits durch die Veränderung der Lebensformen und andererseits durch den gestiegenen Wohlstand diese Bedürfnisse in den letzten Jahren differenzierter, andere geworden sind. Es muß daher nicht nur das Kostenbewußtsein, sondern auch die Qualität der öffentlichen Dienstleistung gesteigert werden. Wir brauchen – und wir werden das in Angriff nehmen – den Umbau des Hoheitsstaates zum Dienstleistungsstaat. Ich habe aus diesem Grund eine Kompetenzverschiebung der Angelegenheiten Verwaltungsmanagement/öffentlicher Dienst in das Finanzministerium angeregt, wo sich ein Staatssekretär um diese Fragen des intelligenten Wandels kümmern wird.

Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt aber selbstverständlich auch Bereiche, in denen sich die Rolle des Staates nicht auf Effizienzgesichtspunkte beschränken darf. Der Staat hat auch einen gesellschaftspolitischen Auftrag zu erfüllen – und einer der wesentlichsten dieser Bereiche ist der Bereich Kunst.

An Kunst besteht öffentliches Interesse. Die öffentliche Hand hat die Verpflichtung, die materiellen Grundlagen für ein spannendes, kontroversielles und auch unbequemes Kunstschaffen in Österreich zu ermöglichen. Ich bekenne mich dazu, daß Kunst zweckfrei stattfinden können muß – und nicht als bloßes Mittel zum Zweck dient.

Wir brauchen in diesen Zeiten, in denen unser Leben so sehr von der Ökonomie dominiert ist, Gegengewichte, Bereiche, in denen Phantasie, Kreativität und Schaffensfreude auch Selbstzweck sein können, aber auch Kommunikationsmittel mit anderen.

Es ist unbestritten, daß Reformen notwendig sind, zum Beispiel im Bereich der Bundestheater, des Filmwesens, aber auch Impulse im Bereich neuer Medien. Weil dieser Bereich so wichtig ist und weil es so wichtig ist, im Bereich der Kunst die Möglichkeiten der neuen Medien zusammenzubringen, die ins Bundeskanzleramt ressortieren, habe ich mich entschlossen, die Kunst in das Bundeskanzleramt zu übernehmen und damit diese neue Chance, Kunst in der Informationsgesellschaft auch zu ermöglichen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir auch einige Bemerkungen zu Österreichs Rolle in der Europäischen Union. Die Europäische Union ist das erfolgreichste Projekt zur Sicherung der wirtschaftlichen und der politischen Stabilität Europas. Es ist noch kein perfektes, aber es ist ein zukunftsorientiertes Projekt zum Erhalt des Friedens auf Basis demokratischer Werte, der Menschenrechte und des sozialen Ausgleiches. Man sollte diese Dimension und diese Perspektive bei der Beurteilung der Europäischen Union im Auge behalten und nicht nur mit dem Maß des Geldes, der Fördertöpfe und der materiellen Vorteile messen.

Die Europapolitik ist heute in allen Politik- und Lebensbereichen spürbar. Der Bogen spannt sich von Fragen der Arbeitswelt über Umwelt, Infrastruktur bis zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Österreich kann als EU-Mitglied vollberechtigt gestalten und diese vor uns liegenden Entwicklungen und Entscheidungen wesentlich mitgestalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abschluß der Regierungskonferenz im Rahmen des Europäischen Rates im Juni dieses Jahres in Amsterdam wird ein weiterer essentieller Integrationsschritt sein. Für Österreich stehen Themen wie stärkere Verankerung der Beschäftigungspolitik als weiterer Schritt im Gemeinsamen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit im Vordergrund. Unsere Bemühungen auf nationaler Ebene müssen auch eine Ergänzung auf europäischer Ebene erfahren.

Weitere Schwerpunkte für Österreich sind zum Beispiel Sozialpolitik, Menschenrechte, Umweltschutz und Tierschutz.

Wir müssen aber auch die Entscheidungsmechanismen der Europäischen Union effizienter machen und die demokratischen Strukturen stärken. Die Bundesregierung wird dabei jedenfalls


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die Beibehaltung der starken Stellung der kleinen Mitgliedstaaten wie Österreich, wie ich hoffe, auch in Zukunft sicherstellen können.

Ebenso muß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im Hinblick auf neue Bedrohungsfelder wirksamer gestaltet werden. Wir werden auch mit Nachdruck für effiziente europäische Strukturen zur wirkungsvollen Bekämpfung der internationalen Kriminalität eintreten.

Die österreichische Präsidentschaft zur Europäischen Union in der zweiten Hälfte des Jahres 1998 werden wir dazu nützen, um wesentliche Fragen der Beschäftigungspolitik, der Reform des Gemeinschaftshaushaltes und der Vorbereitung der Osterweiterung voranzutreiben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, auch einige Worte zu dem wichtigen politischen Projekt der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, der gemeinsamen europäischen Währung, zu sagen. Ab 1. Jänner 1999 ist dieser Schritt für eine Vervollkommnung des gemeinsamen europäischen Marktes vorgesehen und terminisiert. Österreich kann aufgrund seines erfolgreichen Weges der Budgetkonsolidierung alle Stabilitätskriterien erfüllen, und Österreich wird bei der ersten Gruppe jener Staaten sein, die an dieser gemeinsamen europäischen Währungszone teilnehmen können. Dabei geht es nicht um sportlichen Ehrgeiz, sondern darum, daß wir den Wirtschaftsstandort Österreich im internationalen Wettbewerb absichern und damit auch einen großen – und zwar den größten – Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze schaffen (Beifall bei SPÖ und ÖVP), wobei die Stabilität der Währung nicht nur durch die Stabilitätskriterien, die Konvergenzkriterien sichergestellt wird, sondern auch nachhaltig durch den Pakt für Wachstum und Stabilität.

Der Euro wird eine starke Währung für einen Wirtschaftsraum von 370 Millionen Menschen sein. Wir werden uns aber – auch das ist uns bewußt – mit den Sorgen und Problemen einzelner Branchen sowie auch mit den Sorgen der österreichischen Bevölkerung auseinanderzusetzen haben. Sorgen über Geldwertverluste und Inflation, die unbegründet sind, können wir nicht nur mit Informationskampagnen entgegenwirken, sondern wir werden sehr konkrete Maßnahmen auszuarbeiten haben, um der österreichischen Bevölkerung die Sicherheit zu geben, daß die gemeinsame europäische Währung gut für Österreich und gut für Europa ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bereits erwähnt, daß Österreich in allen Politikbereichen der Europäischen Union aktiv mitwirkt, insbesondere auch im außenpolitischen Bereich. Daher prägt unsere Mitgliedschaft natürlich auch das Verhältnis zu Drittstaaten in anderen Weltregionen und unsere Mitarbeit in internationalen Organisationen.

Aber Österreich zeigt darüber hinaus auch ein sehr selbständiges, eigenständiges außenpolitisches Profil. Die bilateralen Beziehungen zu den Nachbar- und osteuropäischen Reformstaaten sind und werden engagiert weiterentwickelt. Wir wollen dabei jene außerhalb Europas liegenden Regionen der Erde nicht vergessen, die heute noch nicht im Ziel der großen Wirtschaftsströme stehen.

In diesem Zusammenhang bekennt sich Österreich gemeinsam mit partnerschaftlichen internationalen Organisationen zur Entwicklung, zur Entwicklungszusammenarbeit – mit dem Ziel, globale Zukunftschancen zu sichern, die Armut in diesen Regionen zu bekämpfen sowie die Auswirkungen von Krisen und Notsituationen zu verringern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die sicherheitspolitische Landschaft in Europa hat sich in einem dynamischen Veränderungsprozeß tatsächlich stark verändert. In der heutigen Welt ist Sicherheit als gesamtheitliches Konzept zu sehen. Wir bekennen uns daher zu einer umfassenden Sicherheitspolitik, die den Fragen der wirtschaftlichen, der ökologischen und der sozialen Sicherheit die gleiche Bedeutung einräumt wie den Fragen der inneren und äußeren Sicherheit.

Die neuen, einem umfassenden Sicherheitsverständnis entsprechenden Herausforderungen können jedoch nur durch solidarische, europäische und internationale Zusammenarbeit gelöst


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werden, wobei niemand das Auftreten neuer Trennlinien in Europa will. Österreich wird sich daher für einen konstruktiven gesamteuropäischen Sicherheitsdialog einsetzen.

Gefragt ist Solidarität (Beifall bei SPÖ und ÖVP), und diese hat Österreich auch in der Vergangenheit schon sehr tatkräftig bewiesen. Ich erinnere nur an all jene Österreicher, die tagtäglich im Auftrag und im Rahmen internationaler Organisationen in Bosnien, in Zypern, in Kambodscha, in Angola, am Golan und anderswo in der Welt im Dienste des Friedens einen wichtigen Beitrag leisten beziehungsweise geleistet haben. Dank all jenen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Österreich wird aktiv an der Gestaltung und Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union und am Aufbau einer europäischen Sicherheitsstruktur mitwirken. Es wird jedoch auf der anderen Seite niemand bestreiten, daß dieses Ziel heute noch nicht erreicht ist, daß wichtige Entwicklungen noch vor uns liegen. Es wäre daher bei diesem Entwicklungsstand unklug, in einer so bedeutsamen Frage den sicherheitspolitischen Spielraum aufzugeben und sich auf eine einzige institutionelle Option festzulegen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an dieser Stelle abschließend folgendes betonen: Die österreichische Außen- und Sicherheitspolitik wurde traditionell von einem innerösterreichischen Konsens getragen, und wir werden diese Linie in diesem Sinne fortsetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sehen unser Land vor großen Herausforderungen stehen. Große Herausforderungen bedürfen auch großer Veränderungen, und große Veränderungen bieten uns eine große Chance. Wir werden diese Herausforderungen erfolgreich bewältigen, wenn wir uns klare Ziele setzen, wenn wir über den Weg, diese Ziele zu erreichen, klare Vorstellungen haben, wir werden sie bewältigen, weil die Österreicherinnen und Österreicher die Fähigkeit und die Kraft besitzen, diese Veränderungen nicht zu erleiden, sondern sie aktiv zu gestalten.

Die Voraussetzungen für den Erfolg sind: die Teamarbeit in der Regierung, der Dialog zwischen der Regierung und dem Parlament, die Kooperation mit den Sozialpartnern und ein offenes Verhältnis der Institutionen zu den Menschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden die Herausforderungen des neuen Jahrtausends aufnehmen. Wir werden konsequent und rasch entscheiden, und wir werden – den Blick auf die Menschen gerichtet – engagiert an Reformen arbeiten. Nutzen wir diese Chance! Nutzen wir gemeinsam die Chance für Veränderungen! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hohes Haus! Ich danke Herrn Bundeskanzler Mag. Klima für seine Erklärung vor dem Hohen Haus, die zugleich den 1. Punkt der Tagesordnung der heutigen Sitzung bildet.

Der 2. Punkt unserer Tagesordnung ist der Bericht des Verfassungsausschusses in 579 der Beilagen. Beide Tagesordnungspunkte werden – wie beschlossen – unter einem verhandelt.

Ein Wunsch nach mündlicher Berichterstattung zum Punkt 2 der Tagesordnung liegt nicht vor; sie entfällt daher im Sinne der Geschäftsordnung.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Die Redezeiten sind bekannt.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Haider mit einer Redezeit von 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.23

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Es ist Ihnen von der Verfassung her anvertraut worden, Österreich zu regieren. Sie haben eine hohe Verantwortung übernommen – und das in einer Situation,


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in der wir in Österreich eine steigende Arbeitslosigkeit, ein sinkendes Angebot an Arbeitsplätzen und eine noch nie dagewesene Pleitewelle in den klein- und mittelständischen Unternehmen zu verzeichnen haben und in der ein recht respektabler, aber auch erschütternder Ausverkauf unserer Wirtschaft an das Ausland erfolgt.

In dieser Situation ist Ihr Vorgänger zurückgetreten, hat resigniert. Und es hat viele Vorschußlorbeeren gegeben (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ich glaube, nach dem heutigen Tag nicht mehr!) , mit denen Sie bereits bekränzt worden sind, bevor Sie politisch als Kanzler zu arbeiten begonnen haben, weil man gehofft hat, daß das großkoalitionäre Dahinschleppen von Entscheidungen nun der Vergangenheit angehören wird.

Sie haben heute eine Regierungserklärung abgegeben. Man könnte sagen: Sie haben eine brave Rede gehalten, in der Gedankenführung etwas schlicht – um nicht zu sagen: einfach –, wenige Visionen, aber sehr viele Phrasen – Phrasen, die wir schon von Ihrem Vorgänger kennen. Wir hätten uns eigentlich von Ihnen erwartet, daß Sie etwas Konkreteres sagen, daß Sie uns hier nicht priesterhaft zu missionieren versuchen, sondern beginnen, dieses Land zu reformieren. Das wäre die Aufgabe eines neuen Bundeskanzlers! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mir ist es ein bißchen so vorgekommen – seien Sie mir nicht böse –, als wäre das eine Art Lebensbeichte des Viktor Klima gewesen (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler ), in der er gesagt hat: Es ist mit den Arbeitsplätzen fürchterlich, und wir haben kein Patentrezept. Es ist die Armut im Steigen, und wir haben eigentlich kein Rezept. Wir müssen viel mobiler werden, weil wir nicht mehr ein Leben lang an unseren Arbeitsplätzen kleben bleiben dürfen. Die Lehrpläne sind überfrachtet, die Universitäten funktionieren nicht mehr.

Jetzt frage ich Sie wirklich: Wer regiert denn nun schon 27 Jahre lang? Wer anderer als die Sozialdemokratie, die diese Mißstände und Zustände verursacht hat, regiert denn, meine Damen und Herren? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Und da kommen Sie und sagen: Wir haben auch budgetpolitisch den Beitrag geleistet, daß die Beschäftigungssituation besser wird. – Herr Bundeskanzler! Die jüngsten OECD-Prognosen weisen Ihnen nach, daß Sie bereits im nächsten und übernächsten Jahr wieder eine steigende Staatsverschuldung zu verzeichnen haben werden – statt 71 Prozent wie heuer 74 Prozent im Jahre 1998.

Das erklärt, um es einmal ökonomisch auszudrücken, warum wir eine so niedrige Investitionsleistung haben: Weil der Staat durch die Aufnahme von Krediten zu viel Geld in Anspruch nimmt, bleibt der Privatwirtschaft zu wenig Luft, zu wenig Spielraum, und die Ausrüstungsinvestitionen für die heimische Wirtschaft machen daher nur ein Drittel von dem aus, was sie bei der jetzt anziehenden Konjunktur betragen müßten. – Darauf würden wir gerne Antworten von Ihnen hören! Wie gehen Sie es an, mit dieser liederlichen Budgetpolitik mehr Arbeitsplätze zu schaffen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das wird natürlich die linke Reichshälfte und die Prätorianer der schreibenden Garde von Links nicht daran hindern, Ihnen trotzdem in den nächsten Wochen Rosen zu streuen. Seit einer Woche erleben wir ja die diversen "Hochämter" bei ORF-Reportagen (Abg. Koppler: Lassen Sie sich einmal etwas anderes einfallen! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht mehr lange, glaube ich!) , meine Damen und Herren, angesichts derer man schon sagen muß, daß es respektabel ist, wenn ein Minister, der es zu verantworten hat, daß 10 000 Bürger zum Verfassungsgerichtshof gehen mußten, weil er eine verfassungswidrige Steuer über sie gebracht hat, nun mit dem Lorbeer des Kanzleramtes bekränzt wird, während ihn der Verfassungsgerichtshof verurteilt, weil er Verfassungsbruch in der Steuergesetzgebung begangen hat. Dieser Mann wird gelobt, er wird hochgejubelt – und die ÖVP applaudiert noch dazu, anstatt peinlich davon berührt zu sein, was hier mit der mittelständischen Wirtschaft passiert ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die nächsten Pleiten werden kommen, Kollege Puttinger! Sie werden sich Ihren Applaus überlegen müssen, wenn der Verfassungsgerichtshof die Maßnahmen der Regierung – zum Beispiel bei den Werkverträgen, bei der Familienbesteuerung – aufhebt!


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Was ist das bitte für eine Regierungspolitik, die da hochgelobt wird, wenn es heißt: Der Klima ist so ein Bursch, wie der das macht! – und gleichzeitig hebt der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz nach dem anderen wegen Verfassungswidrigkeit auf!

Meine Damen und Herren! Das ist keine Regierungspolitik, sondern das ist eine unsolide Plünderung der Österreicher, um kurzfristig einen Budgetausgleich zu erreichen, aber keine verantwortungsvolle Vorsorge für die Zukunft, wie das die Österreicher erwarten würden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Genießen Sie den Augenblick der neuen Kanzlerschaft, Herr Mag. Klima! Genießen Sie das! Sie werden bald von der Wirklichkeit eingeholt werden, denn der Versuch, hier so zu tun, als wäre jetzt alles neu, kann einfach nicht funktionieren! Sie sind ja kein Neuer, Sie waren der zweitwichtigste Mann in der letzten Phase der Regierung Vranitzky.

Ohne Sie als Finanzminister hätte es kein Geldgeschenk an das Ausland geben können!

Ohne Sie als Finanzminister hätte es keine Subventionen an die Zusperrerbetriebe in Österreich geben können! Ohne Sie als Finanzminister keine Arbeitsplatzvernichtung durch das Sparpaket!

Ohne Sie als Finanzminister keine Subvention für Österreichbeschimpfer im Kulturbereich!

Ohne Sie als Finanzminister kein Kahlschlag für Schwache und Arme in dieser Republik durch Ihre Belastungspolitik!

Ohne Sie als Finanzminister keine Pensionskürzung nach Jahrzehnten der Vorsorge für die ältere Generation in diesem Lande!

Meine Damen und Herren! Das brauchen Sie sich nicht als großen Erfolg anzurechnen, denn wenn Neubeginn angesagt ist, erwarte ich mir nicht die Fortsetzung der alten Politik mit neuen Worten, sondern mit einem neuen Konzept: Mehr Marktwirtschaft, mehr Rücksicht auf die klein- und mittelständischen Unternehmungen, weniger Steuerbelastung für jene, die fleißig sind in dieser Republik! – Das habe ich heute alles nicht gehört von Ihnen! Das ist uns restlos abgegangen! Wo geht denn die Linie hier lang? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das einzige, was mich an dieser Regierungserklärung mit Hoffnung erfüllt, ist die Formulierung, daß Mag. Klima einen Staatssekretär im Finanzministerium installiert hat, der einen "intelligenten Wandel" ermöglichen wird (Zwischenrufe der Abgeordneten Marizzi und Dietachmayr ) , nachdem offenbar vorher – solange Klima in dieser Institution tätig gewesen ist – ein unintelligenter Zustand geherrscht hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber einerseits zu sagen, neue Technologien müssen erfunden werden, neue Technologien müssen durch Pilotprojekte vorangebracht werden (Zwischenrufe des Abg. Koppler – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) , und im selben Augenblick den Freiheitlichen zu verbieten, als Projekt die Parlamentssitzungen über Internet zu senden, das zeigt doch, wie weit Sie von der Wirklichkeit entfernt sind, wenn jemand technologisch einmal wirklich fortschrittlich sein will! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! 1986 ist es – so glaube ich – noch um den Wettbewerb zwischen den beiden Regierungsparteien gegangen, um die Frage, wer von ihnen die Nase vorne hat! 1997, zehn Jahre später, schaut es ganz anders aus: Nun gibt es drei gleichwertige Parteien, die politische Landschaft hat sich grundlegend verändert, und die Freiheitlichen sind auch nach den Worten der Meinungsforscher zur Partei der arbeitenden Menschen geworden. All jene, die hart arbeiten müssen – Gewerbetreibende, Landwirte, Arbeiter, Angestellte –, sie alle sind in den letzten Jahren aufgrund der Regierungspolitik von Rot und Schwarz abgewandert und finden sich nun in unserer Wählerschaft.

Daher glaube ich, daß der Wechsel an der Spitze der Regierung nicht sosehr mit der Frage der Regierungspolitik zu tun hatte, sondern daß er eine Art Rettungsaktion für die SPÖ sein soll, denn Vranitzky hat seiner Partei vor allem politisch einen Trümmerhaufen hinterlassen. Daher


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ist es auch in den letzten Tagen nie darum gegangen, welche neuen Wege die Regierung beschreiten werde, sondern die Kommentatoren in den Zeitungen – die linken Prätorianer in der schreibenden Zunft – haben nichts anderes zu tun gehabt, als darüber nachzudenken: Na wie wird denn der Klima? (Abg. Grabner: Gut!) Ist er ein Jörg Klima – oder ist er ein roter Haider? (Abg. Seidinger: Eine Beleidigung!) Wird er den Haider stoppen? (Abg. Grabner: Ja! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Ich sage Ihnen nur eines: Suchen Sie Ihr eigenes Profil, versuchen Sie nicht, uns zu kopieren, denn das Original ist immer noch besser als die Kopie! Daher sollten Sie die Versuche, uns hier Konkurrenz zu machen, unterlassen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Viel wichtiger wäre es, zu wissen: Wohin geht die Reise? Wohin geht die Reise mit Viktor Klima und seiner Regierung? (Abg. Grabner: Ohne Haider!)

Meine Damen und Herren! Vorerst schreibt der "Börsenkurier", Klima führe die Bürger in die Armut! – Das ist der Kommentar einer österreichischen Wirtschaftszeitung: Klima führt Österreich in die Armut. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Das muß man immer relativ sehen!)

Ich sage Ihnen: Sie, meine Damen und Herren, haben, was den Ausverkauf, die Arbeitslosigkeit und die Entwicklung der Armut anlangt, die österreichische Sozialdemokratie ganz erheblich beschädigt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Darum hat er so traurig gesprochen!) Dieses Gerede, man wolle jetzt eine neue Beschäftigungspolitik machen, auch in der Ausländerfrage müsse man umdenken! Meine Damen und Herren! Just zu dem Zeitpunkt, zu dem der Herr Bundeskanzler ein großes Kulturbekenntnis hier vor dem Parlament formuliert, lesen wir in der Zeitung, daß etwa das Jugendorchester der Wiener Kammeroper wegen Geldmangels aufgelöst wird und jetzt Künstler aus Bratislava kommen, um bei uns aufzutreten. – Wenn das Ihre Politik ist, na dann gute Nacht, lieber "Kulturförderer" Klima, für Ihre neue Tätigkeit in diesem Ressort!

Es wird jedenfalls notwendig sein, nicht nur zu sagen: Ich heiße so wie der große Victor Adler, und meine Eltern haben mich nach ihm Viktor genannt! (Abg. Dietachmayr: Spielen Sie nicht mit Namen, denn da fällt mir sonst etwas ein!) Sie dürfen nicht vergessen, daß Victor Adler ein Millionär war, der seine Millionen eingesetzt hat, um den Arbeitern zu helfen – während es bei Ihnen heute umgekehrt ist: Die Genossen profitieren von Millionen aus ihrer politischen Tätigkeit. Das ist der gewaltige Unterschied! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Dietachmayr. )

Es genügt nicht, zu sagen, ich heiße Viktor, und ich habe damit ein historisches Vorbild. – Meine Damen und Herren! Victor Adler hat für die Stärkung der Rechte der arbeitenden Menschen gekämpft. Sie hingegen demontieren heute die arbeitenden Menschen! Sie schaffen Armut in diesem Lande und sagen dazu: Leider haben wir kein Patentrezept, ihr müßt eben mobiler werden, schlechtestenfalls auswandern!

Da werden wir Ihnen einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen! So kann es nicht sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wofür stehen Sie, Herr Bundeskanzler? Das ist uns aus Ihrer sehr salbungsvollen Regierungserklärung, die Sie heute abgegeben haben, nicht klar geworden. Haben Sie Überzeugungen – oder nur Interessen, die Sie innerhalb einer Koalition vertreten wollen?

Einerseits sagt Ihre Partei: Ohne Beschäftigungsunion keine Währungsunion! Sie sagen hingegen: Ohne Wenn und Aber in den Euro hinein, das sei das großartigste Projekt im vereinten Europa! 1994 haben Sie noch gesagt: Ich bin stolz auf den harten Schilling! – Jetzt wollen Sie ihn abschaffen!

Wofür stehen Sie? Ihre Partei sagt, die Solidarabgabe solle eingeführt werden. Herr Häupl fordert uns auf, mit Ihnen eine Solidarabgabe im Parlament zu beschließen. Sie als Finanzminister sagen, nein, das wollen Sie nicht haben, obwohl Sie es vorher als Politiker vertreten haben.


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Wofür stehen Sie beim Sparpaket? – Die Österreicher, auch kleine und mittlere Verdiener, müssen schwere Belastungen hinnehmen! Sie selbst aber helfen – ohne mit der Wimper zu zucken – mit, daß Geld an das Ausland hergeschenkt wird.

Wofür stehen Sie? Sie kündigen als Verkehrsminister 30 000 neue Arbeitsplätze im Bereich der Telekom an. – Jetzt, in der Regierungserklärung, sagen Sie nur mehr, ein bißchen Wärmedämmung werde der Beitrag der öffentlichen Hand zur Beschäftigungspolitik sein. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Sie sagten im Zuge der Semperit-Krise: Wir werden sofort eine Task-force beschließen, eine Konferenz der wichtigsten Fachleute, die dieses Unternehmen retten werden! Die Task-force ward nicht geboren, sondern ist vorher schon sanft entschlafen – und 1000 Arbeitsplätze sind bei Semperit weg.

Sie sagen in Ihrer Erklärung für die "Aktion SOS Mitmensch": Österreich ist ein Einwanderungsland, das Boot ist nicht voll! – Ihr neuer Innenminister sagt: Eigentlich sollten wir da mehr in Richtung FPÖ denken und vielleicht doch eine restriktivere Politik machen. (Abg. Mag. Stadler: Bravo! Bester Mann in der Regierung!) Er läuft "Gefahr", nach Löschnak unser bester Mann in dieser neuen Regierung zu werden, weil er genau das Gegenteil von dem sagt, was Herr Minister Klima vertritt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Unentschlossenheit, diese Ambivalenz des Viktor Klima ist es, die die Herausforderung durch die Freiheitlichen letztlich erfolgreich macht, meine Damen und Herren! Denn wir haben uns positioniert.

Sie sagen: Österreich ist ein Einwanderungsland! – Wir sagen: Österreich ist kein Einwanderungsland! (Abg. Mag. Posch: Sie sind ein verachtender Menschenfeind!) Wir wollen einen befristeten Einwanderungsstopp, um die Arbeitslosigkeit in diesem Land zu reduzieren, bevor weitere Zuwanderung, einschließlich des Familiennachzuges, möglich gemacht wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sagen: Hinein in die EU, ohne Wenn und Aber! – Wir sagen: Macht die Hausaufgaben und schützt zuerst die klein- und mittelständischen Betriebe durch bessere Wettbewerbsvoraussetzungen!

Sie sagen heute in Ihrer Regierungserklärung: Die österreichischen Mittelbetriebe haben einen Mangel an Eigenkapital, also geben wir Ihnen neue Subventionen! – Wir sagen: Subventionen sind ein Unsinn! Gebt Ihnen bessere Steuergesetze, nach denen der nichtentnommene Gewinn bonifiziert wird! Dann habe ich den besten Investitionsanreiz, dann brauche ich keine staatlichen Instrumente. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sagen: Einführung des Euro ohne Wenn und Aber und ohne Volksabstimmung! – Wir sagen: Wenn der Schilling aufgegeben wird, dann soll vorher das Volk gefragt werden!

Sie sagen – auch heute in Ihrem Beitrag: Die Osterweiterung ist wichtig! (Abg. Koppler: Nußbaumer!) – Wir sagen: Die Osterweiterung ist verantwortungslos, weil sechs bis acht Millionen Menschen auf die Reise nach Westeuropa gehen und dort Arbeitsplätze suchen werden. Wollen Sie die Arbeitslosigkeit in diesem Land noch verschärfen durch eine solche Politik, Herr Bundeskanzler? – Darauf wollen wir von Ihnen Antworten haben.

Sie sagen: Die Belastungspolitik für die Bevölkerung ist vertretbar! Wir sagen: Baut zuerst die Privilegien in diesem Staat, in allen diesen geschützten Trutzburgen von Rot und Schwarz ab! Dann könnt ihr darüber diskutieren, wie Belastungen für die Bevölkerung vorgesehen werden müssen.

Alle diese Unterschiede sind der Grund, warum wir Freiheitlichen erfolgreiche Herausforderer sind. Zwischen Ihren Worten und Taten klaffen wirklich Welten!


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Herr Bundeskanzler, Sie sehen es ja selbst: Während Sie für eine Ostöffnung sind, erleben wir in diesen Tagen mit, wie schlecht es ist, wenn eine Ostöffnung nicht vorbereitet wird.

Die Firma Kästle verlagert die Produktion nach Slowenien. Kein Wort aus Ihrem Mund zu diesem Debakel! Die Bundesregierung stimmt der Integration Sloweniens in die EU ohne Wenn und Aber zu. Erste Reaktion darauf: In Klagenfurt schließt das Haushaltsgerätewerk von Philips und transportiert die Maschinen nach Slowenien! Hunderte Arbeitsplätze sind beseitigt. Das hätte ich gerne ein bißchen mit Ihnen diskutiert. Darüber haben Sie keine Meinung.

Oder: Subventionen an Zusperrer. Die Firma Leykam hat vom Land Steiermark über 100 Millionen Schilling bekommen. Die Firma Leykam hat vom Bund an die 300 Millionen Schilling bekommen, plus eine Abwasserförderung von 200 Millionen Schilling, und jetzt sperrt sie zu. 500 Arbeitsplätze weg! Keiner redet darüber!

Fördern Sie durch eine vernünftige Steuerpolitik doch endlich jene mittelständische Wirtschaft, die die Arbeitsplätze hier für selbstverständlich hält, ausbaut, hart arbeitet und viel zu hoch belastet ist, um weitere zukunftsorientierte Investitionen zu tätigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was ist das für eine Politik, Herr Bundeskanzler, für die Sie ja als Finanzminister mitverantwortlich waren? Lenzing wird gefördert, weil die Bank Austria Eigentümer ist. Im Burgenland schafft man 120 neue Arbeitsplätze, dafür sperren wir in Oberösterreich zu – 500 Arbeitsplätze weniger! Das subventionieren Sie!

Bei der Post ist es dasselbe. Sie sagten mir in einer Fernsehdiskussion: Herr Haider, der natürliche Abgang bei der Post wird die Probleme lösen. Jetzt sagen Sie wiederum: Aufgrund der Fluktuation muß abgebaut werden. In Wirklichkeit müssen Sie bis 1998 8 000 Leute abbauen – und das in einem Ressort, in dem Sie als angeblicher Arbeitsplatzschützer verantwortlich gewesen sind. Als angeblicher Freund der Postler kommen Ihnen 8 000 Arbeitsplätze abhanden, Sie hinterlassen diese Post als eine politische und wirtschaftliche Ruine und nicht als ein leistungsfähiges Unternehmen, das sich auf dem Markt entwickeln kann. Dazu sind Sie nicht in der Lage! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kein Wort darüber, wie Sie die Situation der Frauen auf dem Arbeitsmarkt verbessern wollen. Bis heute konnte die Regierung sich nicht dazu durchringen, wenigsten eine Maßnahme zu setzen, nämlich das Nachtarbeitsverbot für Frauen aufzuheben. Siemens Villach: Über 100 Arbeitsplätze sind pfutsch, weil die Frauen nicht arbeiten dürfen. – Glauben Sie, daß das die Politik ist, die sich die Leute von Ihnen erwarten?

Stichwort Mautpickerl: Das wird im Ausland in Auftrag gegeben, anstatt diesen Auftrag bei guten österreichischen Firmen zu disponieren und damit entsprechende Arbeitsplätze zu sichern. Das sind aber die Dinge, die die Menschen von Ihnen erwarten.

Sie haben gesagt, mit Maßnahmen zur Wärmedämmung würden Sie zur Verbesserung der Beschäftigungslage beitragen. 8,6 Milliarden Schilling haben Sie den Ländern als Wohnbauförderungsmittel zum Stopfen der Budgetlöcher zur Verfügung gestellt, anstatt dieses Geld zweckgebunden in den Wohnbau zu investieren und damit 12 000 Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft zu erhalten. Bei Ihnen geht nichts weiter – und das unterscheidet uns ganz wesentlich von Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen: Sie sind auch deshalb ein bißchen in der Bredouille, weil Sie erkannt haben, daß unsere politische Positionierung das richtige Angebot für jene fleißigen und tüchtigen Österreicher ist, die früher Sie gewählt haben. Daher ist das nicht eine Frage, ob Sie die Ausgrenzungspolitik nach Vranitzky freiwillig ändern, sondern Sie müssen es tun, weil Sie immer mehr Positionen von den Freiheitlichen übernehmen müssen. Sie müssen es tun, weil Sie eingesehen haben, daß in der Ausländerpolitik, in der Frage der Politik für den kleinen Mann, in der Frage der Beschäftigungssicherung die Freiheitlichen einfach recht haben.


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Was denkt man sich als Frau? Auf der einen Seite soll es flexible Arbeitszeiten im Handel geben, auf der anderen Seite aber sperren die Kindergärten um 16 Uhr zu – und man hat niemanden für seine Kinder. – Das ist Ihre Politik, Herr Bundeskanzler!

Sie sagen: Keine Überstunden mehr für Arbeitnehmer! Aber die Beamten bekommen auch noch die Mittagspause als Arbeitszeit bezahlt. – Ihre Politik, Herr Bundeskanzler!

Die Österreicher in der Privatwirtschaft gehen stempeln, aber billige Ausländer holen wir nach Österreich herein, damit diese die Österreicher ersetzen. – Das können Sie bei der Arbeitsmarktverwaltung nachlesen.

Sie kürzen den Behinderten das Taschengeld, erhöhen jedoch die Politikerbezüge um Millionenbeträge.

Sie verordnen uns heute wirtschaftliche Mobilität, Herr Bundeskanzler, während die Zahl der pragmatisierten Beamten noch nie so hoch war wie unter Ihrer Regierungsverantwortung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie schicken die älteren Arbeitnehmer, die keine Arbeit bekommen, in den Notstand, aber im Bereich der Staatsbanken gibt es für 35jährige lebenslange Administrativpensionen, von denen andere nur träumen können.

Sie werden sich angewöhnen müssen, die Entscheidungen zu treffen: Wollen Sie den exponierten Sektor weiter schützen in Österreich und damit den privaten Sektor kaputtmachen, oder wollen Sie Chancengleichheit in diesem Land herstellen: für die tüchtigen, für die fleißigen Leute, denen der Wettbewerbswind um die Ohren weht, die Risiko zu tragen haben und die in den klein- und mittelständischen Betrieben eine hervorragende Leistung erbringen?

Ich sage Ihnen daher, es geht erstens um Standortsicherung, das heißt, wieder Optimismus in ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend): ... die Wirtschaft zu bringen.

Zweitens geht es um soziale Demokratie für jene Menschen, die durch das Spar- und Belastungspaket gelitten haben. Ihr Finanzminister Edlinger ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter! Die Geschäftsordnung gilt für alle.

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (fortsetzend) : ... hat selbst gesagt: Der Konsolidierungskurs dieser Bundesregierung ist einfach falsch. Handeln Sie endlich danach, ändern Sie Ihre Strategie, schaffen Sie mehr Arbeitsplätze und mehr Wirtschaftlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.45

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. – Bitte. Gleiche Redezeit.

11.45

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Ruf bei den Freiheitlichen: Der Pflichtverteidiger!) Herr Dr. Haider! Sie haben eben Anschauungsmaterial dafür geliefert, daß Sie tatsächlich der böse kleine Geist dieser Republik sind, der stets verneint. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und Gegenrufe bei der SPÖ.)

Was Sie soeben geboten haben, ist eine ungeheuerliche Mischung aus Unwahrheiten und Fehlinterpretationen. Aber ich verstehe schon, daß Sie nervös werden. Jüngste Meinungsumfragen zeigen: Ihnen laufen die Wähler davon, und ich verstehe das auch. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner: In welcher Faschingszeitung haben Sie denn das gelesen?)


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Sie sind weder willens noch fähig, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, die Lage Österreichs und Ihrer Mitbewohner tatsächlich zu beurteilen.

Zum Vorwurf der "Unentschlossenheit": Viktor Klima hat ein Budget möglich gemacht, wie es in keinem anderen europäischen Staat möglich war: ohne soziale Verwerfungen, ohne Streiks, aber mit Sparmaßnahmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was immer Sie gesagt haben, war heiße Luft! Konkrete Vorschläge haben Sie überhaupt keine gemacht.

Meine Damen und Herren! Dieses Budget, das wir voriges Jahr beschlossen haben, war eine budgetäre Punktlandung. Vorhergesagt war eine Neuverschuldung von 89,9 Milliarden Schilling. – Tatsächlich waren es dann 89,4 Milliarden Schilling. Wir sind stolz auf einen Finanzminister und nun Bundeskanzler, der das möglich gemacht hat! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kleiner Geist, der stets verneint: Das Kieler Institut für Weltwirtschaft, ein international sehr angesehenes Institut, hat uns für 1996 ein Wirtschaftswachstum von 1,5 und für 1997 eines von 2,5 Prozent vorhergesagt. Ist das jene Talfahrt, von der Sie gesprochen haben? – Es ist doch lächerlich, wenn Sie die Tatsachen, den Erfolgskurs einfach wegleugnen wollen.

Aber auch auf die Steuerreform und die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Budget bin ich als Sozialdemokrat stolz! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie sich die ersten Ergebnisse an: Die veranlagte Einkommensteuer ist um 24 Prozent gestiegen, die Körperschaftsteuer um 50 Prozent, die Lohnsteuer um 7 Prozent. Das ist jene soziale Ausgewogenheit, von der wir vorher gesprochen haben, und wir haben sie auch verwirklicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sprechen auch von Massenarbeitslosigkeit. Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Im Dezember 1996 hatten wir um 6 205 Arbeitslose weniger als im Dezember des Vorjahres! Das ist die Realität! Reden Sie von den Dingen, wie sie wirklich sind – und nicht davon, wie Sie Österreich haben möchten! (Beifall bei der SPÖ.)

Einer Arbeitslosenrate von 10,9 Prozent in der Europäischen Union steht die Arbeitslosenrate Österreichs mit 4,1 Prozent gegenüber. Das kommt aber nicht von selbst: Wir haben gespart, gleichzeitig aber ein Investitionsprogramm verwirklicht – mit 30 Milliarden Schilling im Baubereich und 60 Milliarden Schilling im Bereich der Infrastrukturen, und wir sind dabei, diesen Weg weiterzugehen. Allein im Budget 1997 finden sich 7 Milliarden Schilling für aktive Arbeitsmarktpolitik. – Das ist Sparen und Investieren gleichzeitig. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist das eine Erfolgsbilanz, die sich sehen lassen kann, eine Erfolgsbilanz des Jahres 1996, aber auch der zehn Jahre davor, in denen 270 000 Arbeitsplätze neu geschaffen wurden. Während Sie behaupten, daß in dieser Zeit Ausverkauf betrieben worden wäre, haben sich allein die Währungsreserven um 100 Prozent und die Spareinlagen um fast 150 Prozent gesteigert.

Meine Damen und Herren! Der "kleine, fleißige Österreicher", von dem Sie immer reden, hat tatsächlich Hervorragendes geleistet. Die Bundesregierung hat ihren Teil dazu beigetragen, daß diese Erfolge möglich waren. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis und machen Sie Österreich in Ihren Wunschvorstellungen nicht zu einem "Albanien", das es keinesfalls ist! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eine letzte Bemerkung: Der Wirtschaftsstandort liegt Ihnen anscheinend sehr am Herzen. Nehmen Sie daher bitte auch zur Kenntnis, daß die Lohnstückkosten – ein wesentlicher Faktor für einen Wirtschaftsstandort – im Jahre 1986 um 9 Prozent über denen der Bundesrepublik Deutschland gelegen sind; heute liegen sie bereits um 14 Prozent darüber. Das ist ein Wettbewerbsvorteil, den wir auch unter der Regierung Klima nutzen werden, die eine initiative Fortsetzung dieses Erfolgskurses ermöglichen wird – mit Entschlußkraft, mit Entschlußfreude, mit


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Offenheit und Kompetenz. Wir alle sind stolz darauf, diese Regierung mittragen zu können! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir sollten uns in den nächsten Monaten darauf vorbereiten, was tatsächlich Auseinandersetzung sein sollte – und nicht Schauergeschichten à la Haider. Wir sollten die Arbeitszeitflexibilisierung gemeinsam angehen, die Rundfunkreform, die Bezügepyramide, die wir in diesem Haus vor dem Sommer beschließen werden, den Konsultationsmechanismus, der einen anderen Umgang der Gebietskörperschaften miteinander ermöglichen wird, aber auch die Schaffung neuer, moderner und den Bürgerrechten entsprechender Fahndungsinstrumente.

Wir werden aber vor allem in nächsten drei Jahren die Arbeitsplätze zu sichern und entsprechend dem Arbeitsübereinkommen neue zu schaffen haben. So wie in den vergangenen zehn Jahren, in denen 270 000 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen werden konnten, werden auch in den nächsten drei Jahren die Chancen für Österreich in Europa, für die österreichische Wirtschaft, aber vor allem für die österreichischen Arbeitnehmer entsprechend zu wahren sein. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die soziale Sicherheit wird auszubauen, vor allem aber abzusichern sein, und dazu bedürfen wir auch einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Auch dazu sind konkrete Vorschläge gemacht worden.

Meine Damen und Herren! Ein wesentlicher Punkt für mich ist aber auch, Freiheit und Toleranz in der Gesellschaft sicherzustellen. Auch das wird, wie die Vergangenheit beweist, eine kontroversielle Diskussion mit einer Seite der Opposition bringen.

Ich behaupte nicht, daß in den vergangenen Monaten, in den vergangenen Wochen, in jeder einzelnen Phase das Koalitionsschiff ganz friktionsfrei gelaufen ist. Aber, meine Damen und Herren: Im Zuge der Auseinandersetzungen um den Verkauf eines Aktienpaketes der CA haben wir letztendlich eine vernünftige, gute Entscheidung getroffen, die respektiert, daß über den Bestbieter dem Budget möglichst viel an finanziellen Mitteln zugeführt wird. Darüber hinaus haben wir ein Paket an Reformmaßnahmen – von der Neuordnung des Sparkassenwesens bis hin zur Börse – beschlossen.

Meine Damen und Herren! Das Ergebnis dieser Diskussion ist ein neuer Wille der Gemeinsamkeit, der dazu führen wird, daß trotz Unterstützung der Freiheitlichen in manchen Phasen die Legislaturperiode bis 1999 geführt werden und es auch in drei Jahren eine entsprechende Erfolgsbilanz geben wird. Wir fühlen uns an dieses Arbeitsübereinkommen gebunden und werden die darin enthaltenen Maßnahmen für Österreich umsetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Ohne Wenn und Aber!)

Herr Dr. Haider! Sie haben eingemahnt, daß man sich mit Ihren Positionen besser und intensiver auseinandersetzt. Ich frage mich nur: mit welchen? – 1992 haben Sie gesagt: Wir sollten einen Brief, der lediglich aus fünf Worten besteht, an die Europäische Union schreiben: Österreich möchte der EU beitreten. – Bei der Volksabstimmung über den Beitritt im Jahre 1994 waren Sie dagegen, um 1995 in einem Interview im "Standard" zu sagen, Sie seien – das war unmittelbar vor dem Handelskammerwahlkampf – für die sofortige Einführung des Euro. – Heute wiederum sind Sie gegen die Europäische Währungsunion.

1993 haben Sie die Rodungsbewilligung für den Sozialstaat mit weniger Urlaub, weniger Arbeitslosengeld und höherem Pensionsalter gefordert. – Heute stellen Sie sich als der Retter und Wahrer der Interessen der Enterbten dar. Das ist doch unglaubwürdig! Das ist doch lächerlich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

1992 waren Sie gegen die NATO – heute hingegen sind Sie ein glühender Befürworter der NATO.

Meine Damen und Herren! Am besten ist ja wohl in diesem Zusammenhang, auf die Programme einzugehen, die Sie im Zuge Ihres Parteitages beschlossen haben: Steuern senken,


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Arbeit schaffen – offensichtlich ein Vorläufer des Programmes: Sozialversicherungsbeträge streichen, Pensionen sichern.

Was darin enthalten ist, ist nichts anderes als ein müder Aufguß von Reaganomics, mit dem konservative amerikanische Politiker bereits vor zehn Jahren gescheitert sind. Da wird beispielsweise eine Senkung der Abgabenquote auf 35 Prozent vorgeschlagen. Das bedeutet eine Reduktion der Einnahmen des Staates um 200 Milliarden Schilling. Wissen Sie, was die soziale Wohlfahrt, was das soziale System in Österreich kostet? – 210 Milliarden Schilling. Das kann kein Zufall sein. Sozialabbau wäre die Antwort Ihrer Maßnahme. Jeden Schilling, den Sie in Ihrem "famosen" Programm angeblich einnehmen, geben Sie dreimal zusätzlich aus.

Steuern sollen dem internationalen Niveau angeglichen werden, aber gleichzeitig schaffen Sie es, eine Ökologisierung des Steuersystems, eine neue Ökosteuer im mutigen Alleingang Österreichs gegen den Rest Europas zu fordern.

Sie schaffen dort angeblich neue Arbeitsplätze. – Aber wo denn? Teilzeitarbeitsplätze wollen Sie dort promovieren, hauswirtschaftliche Tätigkeiten und Telearbeit vergeben. Das sind Niedriglohnbereiche, die keine Qualifikation erfordern, die eine Abhängigkeit schaffen, wie sie bisher nicht bekannt war. Das ist nicht unser Weg!

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Dr. Haider zitiert sehr gerne. Ich möchte ihm – ich kann nicht anders – heute aus einem Artikel der Zeitung "Die Presse" zitieren. Sein großartiger Grundsatzreferent, Andreas Mölzer (Abg. Scheibner: Kostelka zitiert Mölzer!) , schreibt dort wörtlich:

"Sachpolitisch haben die Freiheitlichen nichts zu bieten, der Rechtspopulismus bietet nur Sprüche und Ressentiments. Kein Wunder, daß der eine oder andere blaue Mandatar der Versuchung erlag, sich sachpolitisch keine besondere Mühe mehr zu geben. Wer an die Ansammlung von Allgemeinplätzen denkt, die als Leitantrag beim letzten FP-Parteitag unter dem Titel ,Steuern sparen – Arbeitsplätze schaffen‘ geboten wurde, weiß, wovon die Rede ist. ... Irgendwann schlägt jedem die Stunde der Wahrheit. Langsam dürfte diese nunmehr für Jörg Haiders Freiheitliche eingeleitet werden.‘ – Diesem Zitat eines Intimus habe ich wenig hinzuzufügen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Österreich ist seit 1945 auf einem Erfolgskurs, seit 1986 unter der gemeinsamen Verantwortung von SPÖ und ÖVP. Mit Bundeskanzler Klima werden wir diesen Erfolgskurs im Interesse Österreichs, im Interesse unseres Landes fortsetzen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Schmidt zu Wort. Redezeit: 20 Minuten.

12.00

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Vor allem: Herr Bundeskanzler! Ich gestehe schon zu, daß es sehr problematisch ist, wenn man mit allzu vielen Vorschußlorbeeren bedacht wird und auf diese Weise die Erwartungshaltung sehr hochgeschraubt wird, aber es wäre meine Enttäuschung auch bei einer geringeren Erwartungshaltung nicht anders gewesen, und zwar aufgrund dessen, was Sie in der Regierungserklärung zum besten gegeben haben.

Herr Bundeskanzler Klima! Mit pathetischer Wortführung kann man nicht Inhalte ersetzen. Ich fürchte, daß die Schlagwortartigkeit, aber auch die Schönfärberei, die in Ihrer Regierungserklärung zum Ausdruck gekommen sind, die Linie ist, von der Sie sich mehr Wähler und Wählerinnen versprechen. Glauben Sie wirklich – ich nenne jetzt nur jene Beispiele, die Sie selbst angeführt haben –, daß die Finanzierung der Spitäler gesichert ist? Glauben Sie wirklich, daß die Einkommen der Landwirtschaft gesichert sind? Sehen Sie auch diese Leerformel der Vorbereitung der EU-Präsidentschaft, die Sie in der Bundesregierung angeblich vorangetrieben haben, als Er


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folg an? Ist das Ihre Latte, an der Sie künftig Erfolge messen werden? – Das läßt ja nach dieser Neukonstituierung der Bundesregierung wirklich nichts Gutes erwarten.

Eines halte ich Ihnen zugute: Sie haben wenigstens von einem Satz, der uns in der schriftlichen Ausführung Ihrer Regierungserklärung vorliegt, ein Wort weggelassen, darin wird nämlich von "scheinbaren Widersprüchen" geredet, jetzt aber mußten Sie zugeben, daß sie nicht "scheinbar", sondern "tatsächlich" sind: daß nämlich auf der einen Seite der Wohlstand, auf der anderen Seite aber auch die Armut wächst, daß wir zwar steigende Beschäftigung, aber auch steigende Arbeitslosigkeit haben. – Also wenigstens diese Erkenntnis haben Sie einmal hier vor dem Hohen Haus festgemacht.

Sie ziehen daraus den Schluß, daß wir Mut zur Veränderung brauchen. – Das sind Leerformeln, Herr Bundeskanzler, wenn dem nicht irgend etwas nachfolgt. Das sind Binsenweisheiten. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Sie sprechen dann davon, daß man sagt, es sei keine zielführende Politik, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und dann den Menschen allein zu lassen. – Das sagt jeder, das brauchen wir von Ihnen nicht auch zu hören, auch wenn es schön ist, daß Sie es erkennen. Nur: Wenn Sie dann nicht sagen, wie Sie die Menschen unterstützen wollen, was Sie machen wollen, daß die Menschen nicht allein gelassen sind, nützt das nichts. Sie wollen dann konkret werden und formulieren zwei Beispiele – nämlich offenbar konkrete, das ist ja der Witz; wenn Sie es dabei beließen, aber Sie wollen dann konkret werden und führen zwei Beispiele an –, und diese Formulierung kann man nicht oft genug wiederholen, nämlich: "Niemand kann mehr die Garantie abgeben, daß ein Mensch sein Erwerbsleben lang den gleichen Arbeitsplatz besitzt." – No na, kann ich nur sagen, daß Sie auch draufgekommen sind!

"Der fundamentale Strukturwandel führt dazu" – und so weiter. "Wir müssen Mobilität lehren." – Ist in Ordnung, aber wie denn, Herr Bundeskanzler?

Das zweite Beispiel: "Wir müssen aber auch die Sicherheit bieten, daß das ,Vorwagen-Können’, neue Herausforderungen annehmen können, ohne Angst möglich ist. Ohne Angst, bei einem Fehlschlag die Existenz zu verlieren ... Das bedeutet, daß wir unser Sozialsystem so anpassen müssen, daß es mehr Mobilität zuläßt." – Wieder muß ich sagen, Herr Bundeskanzler: No na, das wissen wir.

Von Ihnen hatten wir erwartet, daß Sie die Wege, die Sie sich jedenfalls vorstellen, aufzeigen. Nichts davon haben Sie gemacht. Ich meine jedoch, daß eine Regierungserklärung jedenfalls dazu dienen sollte, die Handschrift eines Bundeskanzlers erkennen zu lassen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Ich gebe schon zu, daß eine Regierungserklärung, die während einer Legislaturperiode gehalten wird, nicht alles enthalten kann – das ist unbestritten. Es ist aber doch interessant, wo Sie die Schwerpunkte setzen. Und dazu muß ich sagen: Ihre Handschrift haben Sie bislang nur in einigen wenigen Punkten hinterlassen; allerdings eine Handschrift, die – vom Standpunkt der Liberalen aus jedenfalls –, eine bedauerliche und eine nicht schätzenswerte ist.

Ihre Handschrift ist nämlich in erster Linie in der Neuordnung der Kompetenzen zu finden. Und in dieser Hinsicht haben Sie gleich einmal etwas gemacht, das ich als negativen Beitrag für das Geistesleben Österreichs einordne und einschätze: Sie haben nämlich die Ministerverantwortlichkeit für die Kultur abgeschafft. Wenn Sie jetzt sagen, daß dieser Bereich damit zur Chefsache erklärt wurde, fangen Sie Ihre Tätigkeit als Bundeskanzler mit einem Etikettenschwindel an. Und das läßt nichts Gutes für die Zukunft erwarten.

Ich erinnere mich noch ganz genau an die Diskussion im Zusammenhang mit der Aufwertung des Frauenstaatssekretariats in ein Ministeramt. – Aber in diesem Zusammenhang muß ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, noch etwas sagen: Es scheint Ihnen in Ihrer bisherigen Tätigkeit entgangen zu sein, daß es nach dem Ministeriengesetz kein Frauenministerium gibt, wie Sie uns hier in der Regierungserklärung schriftlich wie mündlich weismachen wollten. Es stimmt zwar,


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daß es eine Frauenministerin gibt, aber beim Ministerium handelt es sich um Ihr eigenes, nämlich das Bundeskanzleramt. Vielleicht sollten Sie sich das einmal anschauen.

Unabhängig davon ist die Argumentation damals in die Richtung gegangen, daß man das Staatssekretariat deshalb aufwerten wolle, weil ein Staatssekretär im Ministerrat kein Stimmrecht hat und weil er vor allem keine Ministerverantwortlichkeit mit all den politischen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, hat und weil aus dieser Schwachstelle heraus auch das Durchsetzungsvermögen – unabhängig davon, welche Person diese Funktion innehat – von vornherein beschnitten ist. Und man hat gemeint, daß Frauenfragen einen Bereich darstellen, der Streitfragen provoziert, nämlich einen Interessenausgleich fordert, der nicht nur zwischen verschiedenen Ressorts, sondern der in der Gesellschaft schlechthin stattfinden muß. Das bedeutet: Der, der provozieren muß, um etwas weiterzubringen, braucht die Kraft eines Ministeramtes, er kann das nicht aus der Situation eines Hilfsorgans heraus machen.

Sagen Sie mir jetzt nicht, daß immer der Bundeskanzler dafür geradegestanden ist, denn genau er – es war allerdings Ihr Vorgänger, Herr Dr. Vranitzky – hat damals gemeint, daß das beim Bundeskanzler nicht gut aufgehoben ist, sondern einer eigenen Ministerverantwortlichkeit bedarf.

Jetzt frage ich: Wie wenden Sie diese Argumentation nun auf den Kunst- und Kulturbetrieb an? – Gilt das, was Ihr Vorgänger gesagt hat, nicht mehr? – Es ist Ihr gutes Recht, daß Sie sagen: Vranitzky hat halt eine andere Position gehabt, er hat das falsch eingeschätzt!; Sie haben ja auch in anderen Fragen eine andere Position, zum Beispiel was Ihre Offenheit zur FPÖ betrifft. Es ist also durchaus Ihr gutes Recht, hier Ihre Handschrift zu hinterlassen, aber dann stehen Sie auch dazu, und betreiben Sie dann nicht einen Etikettenschwindel, indem Sie sagen, das sei Chefsache und Sie würden sich jetzt darum im Speziellen kümmern. – Wir werden Sie jedenfalls ganz genau beobachten.

Daß Sie zu den Sitzungen des Kulturausschusses als Ansprechpartner kommen, das setze ich voraus, denn wie sonst sollte ich Ihre "Chefsache" verstehen? Aber ich bin neugierig darauf, ob Sie auch Ansprechpartner für die Kulturszene werden, für all jene, die nicht nur Sorgen haben, sondern auch die Probleme sehen, die Vorschläge haben, für die ein Minister dazusein hat. Wir werden sehen, ob Sie das selbst übernehmen oder ob Sie das an Ihren Staatssekretär delegieren. Es stellt sich nur die Frage: Wenn Sie all das selbst übernehmen, wozu haben Sie dann einen Staatssekretär? – Da beißt sich wohl die Katze in den Schwanz. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

Daher glaube ich, daß Ihre Weichenstellung ein ganz klares Signal dafür war, daß Sie meinen: So wichtig sind die Kultur und die Kunst nicht!, und vor allem: Lassen wir sie aus der Provokation heraußen, machen wir auf Konsens! – Ich gebe zu, das mag vielleicht der Wählermaximierung in Ihrem Sinne dienen, dem Geistesleben Österreichs aber wird es nicht dienen.

Übrigens: Was auch eine Angelegenheit von Ihnen ist – das muß ich ja gleich anmerken, auch das ist ja Chefsache; es hat das allerdings Ihr Vorgänger genauso vernachlässigt, wie ich fürchte, daß Sie es vernachlässigen werden, diesen Eindruck bekomme ich vor allem, wenn ich mir Ihre Regierungserklärung anschaue –, ist die Medienpolitik. Sie reden zwar von den neuen Medien, aber Sie sagen kein Wort zur Pressekonzentration, so als wäre in diesem Bereich überhaupt kein Handlungsbedarf gegeben – vielleicht stört Sie dieses Wort, weil es von Ihrem Vorgänger ist. Sie sagen kein Wort zum ORF, Sie sagen kein Wort zum Hörfunk, zum Fernsehen schlechthin, also haben Sie anscheinend nicht das Gefühl, daß es notwendig ist, hier etwas neu zu ordnen. Das ist das, was mich irritiert, wenn Sie etwas zur Chefsache erklären, daß Dinge, weil Sie offensichtlich mit anderen Dingen ausgelastet sind, ins Hintertreffen geraten. – Es ist das in ihr schriftliches Konzept, in dem Sie Ihre Schwerpunkte setzen, nicht einmal aufgenommen, wie soll es dann erst in der Praxis zu einem Schwerpunkt werden?

Anderes Thema: Neuordnung der Kompetenzen, die Frauen. – Ich weiß schon, wie Zeitungsartikel zustande kommen, und weiß daher nicht, ob es auch wahr ist, daß die Ankündigung, Sie würden die Funktion eines Frauenministers abschaffen, dazu geführt hat, daß Sie letztlich doch


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die Zustimmung der neuen Frauenministerin bekommen haben. Aber selbst wenn es nicht so war: Es ist bezeichnend, daß man Ihnen das zutraut. Es ist bezeichnend, daß jedenfalls kolportiert wird, daß Sie sogar daran gedacht hätten, die Funktion eines Frauenministers/einer Frauenministerin abzuschaffen. Aber das wundert mich nicht, denn nach der Zuordnung der Inhalte ist keine ordnende Hand erkennbar, die sich etwas gedacht haben mag.

Es wird das niemand wissen, aber es ist so symptomatisch, deswegen muß ich Ihnen ein paar Beispiele bringen. Ich nehme jetzt eine Gegenüberstellung vor – Frauenministerin auf der einen Seite, Ministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf der anderen Seite.

Der Frauenministerin ist die Angelegenheit Schutz vor ionisierenden Strahlen zwar zugeordnet, dem Gesundheitsministerium jedoch die medizinische Beurteilung der Anwendung der ionisierenden und nichtionisierenden Strahlen. – Das ist das eine.

Die Frauenministerin ist für die Angelegenheiten des Giftverkehrs zuständig, das Gesundheitsministerium für die Angelegenheiten des Suchtgiftverkehrs.

Die Frauenministerin ist interessanterweise für die Angelegenheiten der Tierärzte zuständig, die Gesundheitsministerin für die Angelegenheiten der Ärzte. (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Mag. Klima. )  – Natürlich ist da ein Unterschied. Ich frage nur, wo sich da Synergieeffekte ergeben, und nach welchen Gesichtspunkten Sie das aufteilen. Anscheinend ist die Frauenministerin für die Tierärzte gut genug – fragen Sie mich nicht, was da dahintersteckt –, das andere muß ins Gesundheitsressort, das ein stärkeres Ressort ist.

Angelegenheiten der Futtermittelhygiene sind bei der Frauenministerin, das Hygienewesen an sich ist bei der Gesundheitsministerin.

Ich bin sehr neugierig, ob Sie uns künftig – heute werden wir wahrscheinlich nicht die Gelegenheit dazu haben – die Leitlinie erklären, die Vater dieses Gedankens war, uns sagen, was da dahintergestanden ist. – All das paßt eigentlich ins Bild!

Ich sehe schon ein: All das war eine Ho-ruck-Aktion, und in diesem Zusammenhang konnte man vielleicht nicht alles genau ordnen, aber Sie haben ja eine Arbeitsgruppe eingesetzt, und ich hoffe, Herr Bundeskanzler – meine Kollegen werden einen Entschließungsantrag einbringen –, daß Sie bei dieser Neuordnung der Kompetenzen jedenfalls jene Einwände berücksichtigen werden – jedenfalls, sage ich –, die in die Richtung gehen, daß das Kulturressort wieder mit Ministerverantwortlichkeit ausgestattet werden muß. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Ein weiteres Wort zum Gesundheits- und Sozialministerium. Bei aller Wertschätzung der Person der neuen Gesundheitsministerin – das sage ich nicht nur so dahin, sondern das meine ich auch so –, muß man sagen: Es ist bezeichnend, daß bei beiden Schlüsselressorts – auf ÖVP-Seite ganz genauso wie auf SPÖ-Seite, auf ÖVP-Seite ist es das Wirtschaftsministerium, auf SPÖ-Seite ist es das Sozial- und Gesundheitsministerium – Kämmerer an die Spitze gesetzt wurden. Ich meine aber, daß man doch erkennen hätte sollen, daß es bislang gerade diese Interessenvertretungen waren, die jeden Reformschub torpediert und verhindert haben. Das heißt, sie haben es bislang als ihre Aufgabe gesehen, das Bestehende zu bewahren, das Bestehende zu verteidigen – das läßt sich nicht einfach mit einem Handstreich wegwischen, es ist so. – Wir erleben das ja auch in diesem Hohen Haus bei jeder Wortmeldung der einschlägigen Abgeordneten.

Daß man aus diesem Bereich jemanden an die Spitze setzt, obwohl gerade im Wirtschaftsressort einerseits und im Sozialressort andererseits die Reformen schlechthin jetzt herausgefordert werden, zeigt, daß wir einen Rückschritt machen.

Ich hoffe, Frau Ministerin, daß Sie sich von Ihrer bisherigen Aufgabenstellung werden lösen können, ich glaube nur, daß das verdammt viel verlangt ist. Wenn Sie es schaffen: Respekt!, aber Sie werden mir zugestehen müssen, daß meine Hoffnung darauf – einfach aus der Erfahrung, die wir bisher sammeln mußten – nicht sehr groß sein kann. – Eine Chance soll jeder


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haben. Es wäre aber meiner Meinung nach sinnvoller gewesen, nicht jemanden, der mit einer solchen Vergangenheit belastet ist – um das einmal so auszudrücken –, zur Entscheidungsträgerin zu machen, sondern jemanden, der sich ohne diesen Ballast Reformen zuwenden kann. Aber das, Herr Bundeskanzler Klima, ist offensichtlich jene Handschrift, die Sie hinterlassen wollten.

Sie haben ja schon eine Handschrift hinterlassen: nämlich als Finanzminister. Sie haben heute – wie schon so oft – den Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern dafür gedankt, daß Sie in der Konsolidierung des Budgets weitergekommen sind. Ich bestreite nicht, daß sie da einen Schritt weitergekommen sind, die Frage ist nur, auf wessen Kosten und zu welchem Preis Sie das geschafft haben.

Sie haben das auf dem Rücken der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gemacht, insofern ist es auch gerechtfertigt, sich bei ihnen speziell dafür zu bedanken, daß sie das auch getragen haben. Nur: Daß Sie das einsehen, macht die Sache nicht besser.

Sie haben das aber auch dadurch geschafft, daß Sie locker über Verfassungsgrundsätze hinweggegangen sind. Sie sind maßgeblich verantwortlich dafür, daß dieses Belastungspaket eine Reihe von rückwirkenden Bestimmungen enthält, die verfassungswidrig wären, wären sie nicht von Ihnen mit einer Verfassungsbestimmung ausgestattet worden. Das heißt, Sie haben die Verfassung einfach in Ihre Richtung gebogen, möchte ich jetzt einmal sagen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka. )

Sie sagen: Wir haben eben die Zweidrittelmehrheit. Das ist schon richtig! Sie können die Verfassung völlig ändern. Aber wenn Sie es so schleichend machen wie jetzt, dann ist dies politische Unredlichkeit, denn Sie wissen ganz genau: Wenn es um die Grundsätze der Verfassung geht, wenn es letztlich um eine Totalrevision der Verfassung geht, haben Sie die Bevölkerung zu fragen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Sie machen das scheibchenweise mit einer Salamitaktik und sagen dazu nur: Wir haben die Mehrheit. Aber auf diese Art und Weise, Herr Kollege Kostelka, werden Sie die Glaubwürdigkeit in die Politik und vor allem die Glaubwürdigkeit in dieses Parlament nicht stärken können. Daher unterstelle ich Ihnen, daß das auch nur ein Lippenbekenntnis ist – weil es eben gut klingt –, denn sonst würden Sie sich daran halten und hätte sich auch der damalige Finanzminister und jetzige Bundeskanzler daran gehalten.

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie schon diese Hypothek in Ihrem Rucksack haben, wenn Sie schon dieses Verfassungserkenntnis, das heute bereits zitiert und in dem die Körperschaftsteuer als verfassungswidrig erkannt wurde, in Ihrem Rucksack haben, dann dürften Sie jetzt nicht so weitertun, was ich aber Ihrer Regierungserklärung entnehme.

Was führen Sie an, das angeblich bereits beschlossen ist und daher bereits zur Anwendung gelangen wird? – Der sogenannte Konsultationsmechanismus. Ich weiß, daß viele Österreicherinnen und Österreicher mit diesem Begriff nur sehr wenig anfangen können, aber wir sind hier im Parlament, und, Herr Bundeskanzler, ich darf Sie darauf hinweisen, daß das eines parlamentarisches Beschlusses bedarf und daß es daher eine Unglaublichkeit ist, wenn Sie in Ihrer Regierungserklärung davon so reden, als hätten Sie das bereits in der Tasche. Wie weit wollen Sie dieses Parlament noch degradieren? (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das heißt, das bedarf eines Verfassungsgesetzes. Und diese Zweidrittelmehrheit werden Sie brauchen; hoffentlich sind nicht wieder Abgeordnete von Ihnen krank, daß Sie darauf aufpassen müssen, daß Sie das am "richtigen" Tag beschließen. Diese Zweidrittelmehrheit werden Sie sich "erargumentieren" müssen, nämlich auch im Hinblick auf die Bevölkerung, wenn Sie dieses Parlament weiterhin beschneiden und die Rechte dieses Parlaments mit Ihrer Zweidrittelmehrheit schmälern.

Wenn Sie so tun, als wäre das alles schon eine gemachte Sache, dann läßt das auf ein gestörtes Verhältnis zum Parlament schließen. Das sind wir zwar von Ihrem Vorgänger gewöhnt –


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das ist schon wahr –, nur hatten wir gehofft, daß mit Ihnen eine neue Chance eröffnet wird. In dieser Hoffnung haben Sie uns schwer enttäuscht.

Sie haben uns auch noch in einem anderen Punkt enttäuscht: Herr Bundeskanzler! Es geht um Verfassungsrechte, es geht um Bürgerrechte, und es geht um Menschenrechte: Es ist Makulatur, wenn Sie es nur auf dem Papier schreiben und nicht klare Signale für Ihre persönlichen Positionen senden und damit eine Richtung vorgeben und eine Handschrift zeigen.

Heute noch, nachdem alle Argumente auf dem Tisch liegen – heute noch! –, so windelweich davon zu reden, daß man für die neuen Ermittlungsmethoden ist, aber ohne Einschränkung der Bürgerrechte, ist eine Leerformel! Das konnten Sie vielleicht vor einem halben Jahr sagen, das konnten Sie noch vor einem Jahr sagen – da war es auch schon in der Regierungserklärung –, aber heute können Sie das nicht mehr sagen, denn heute sind alle Argumente auf dem Tisch, heute haben Sie Farbe zu bekennen, heute haben Sie sich zu positionieren und zu sagen, ob Sie jene Entwürfe, die auf dem Tisch liegen, für richtig halten oder nicht. – Wenn Sie sie für richtig halten, dann nehmen Sie in Kauf, daß die Bürgerrechte mehr als beschränkt werden, dann definieren Sie sie nach Ihrer Nützlichkeit. Auch das sind wir gewöhnt, nur sagen sollte man es, damit man weiß, woran man mit Ihnen ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie aber haben in dieser Regierungserklärung nichts konkretisiert, wo man Sie irgendwie beim Wort nehmen könnte. Wenn Sie jetzt sagen, daß das Sozialsystem umgebaut werden muß, wenn Sie sagen, daß nur jene etwas bekommen sollen, die es brauchen, dann muß ich sagen: Das haben wir schon in Ihrer Erklärung als Finanzminister gehört. Sie haben gesagt, die Treffsicherheit der Transferleistungen für Familien werde gesteigert. Was haben Sie gemacht? – Sie haben die Transferleistungen gießkannenartig beschnitten. Wieviel ist Ihr Wort denn wert, Herr Minister? – Wenn ich mir anschaue, was Sie als Finanzminister gesagt und was Sie getan haben, muß ich sagen: Es ist eigentlich ohnehin relativ egal, was jetzt in dieser Regierungserklärung steht.

Aber in einem gebe ich Ihnen recht: Die großen Herausforderungen sind tatsächlich unser Sozialsystem und die Beschäftigungspolitik. Das ist genau der Punkt. Nur sehe ich nicht den Gegenpol so wie Sie, indem Sie sagen: entweder alles beim alten lassen oder Markt, Markt, sondern ich glaube, die Gegenpole sind: alle Menschen wie Schwache zu behandeln oder dem Recht des Stärkeren zum Durchbruch zu verhelfen. – Beides ist ein Übel. Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der das Recht des Stärkeren das Leitmotiv ist, ich will aber auch nicht so entmündigt werden, daß alle gleich, aber so wie Schwache behandelt werden, so nach dem Gießkannenprinzip.

Es geht darum, mehr Markt zuzulassen, aber auch darum, die Voraussetzungen sowohl für die Anbieter als auch für die Nachfragenden gleich zu gestalten. Alle sollen die gleiche Chance haben, einen Zugang zum Markt zu bekommen; dann erst kann er funktionieren, und nur so werden Sie verhindern, daß sich das Recht des Stärkeren durchsetzt. – Das heißt, Sie müssen schon vorher beginnen.

Ich bedauere es daher zutiefst, daß kein Gedanke in Ihrer Regierungserklärung dahin gehend enthalten ist, daß es in Zukunft notwendig sein wird, die soziale Sicherheit vom Erwerbseinkommen abzukoppeln, weil es anders nicht mehr leistbar ist und weil wir eine Gesellschaft brauchen, in der die soziale Sicherheit kein Brosamen ist (Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen) , keine Klostersuppe, sondern ein Anrecht. Das sehe ich als gesellschaftliche und politische Verantwortung an. – Sie sind uns die Antworten schuldig geblieben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Khol. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort und stelle Ihrem Wunsch entsprechend die Uhr auf 10 Minuten ein.

12.20

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der neue Bundeskanzler, Mag. Viktor Klima, hat uns heute seine neuen Regierungsmitglieder vorgestellt


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und uns seine Interpretation und Fortentwicklung der gemeinsamen Regierungsübereinkunft dargelegt.

Wir von der Volkspartei stellen fest: Das, was wir vor einem Jahr gemacht haben, nämlich einen Teil unserer Regierungsmannschaft auszutauschen, wurde jetzt auch von den Sozialdemokraten gemacht. Namens der Österreichischen Volkspartei und unserer Abgeordneten im Nationalrat und Bundesrat möchte ich die neuen Mitglieder der Bundesregierung willkommen heißen und ihnen die vertrauensvolle, positive und dynamische Zusammenarbeit mit der ÖVP-Fraktion zusichern. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! In Ihrer sehr langen Regierungserklärung – aber wir haben ja auch noch einen langen Teil der Regierungszeit vor uns – haben Sie Akzente gesetzt, Zukunftsherausforderungen skizziert, die durchaus unsere Zustimmung finden. – Herr Bundeskanzler, Sie werden uns bei der Verwirklichung des Regierungsübereinkommens stets an Ihrer Seite finden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie als erster Mann in dieser Bundesregierung haben es in der Hand, ob aus der Kanzlerschaft Klima ein Zwischenspiel à la Sinowatz wird oder eine Ära wie aus der Zeit von Franz Vranitzky. Das wird an Ihnen liegen, Herr Bundeskanzler, an der Art und Weise, wie Sie diese Zusammenarbeit gestalten. Und ich habe mit Aufmerksamkeit gehört, daß Sie an den Beginn Ihrer Erklärung die Worte "Zusammenarbeit für die gesamte Legislaturperiode" gestellt haben – und das in voller Kenntnis dessen, daß sich über diese Zusammenarbeit in den letzten Monaten ein Schatten gelegt hat, der Schatten eines Vertrauensbruchs.

Herr Bundeskanzler! Wir schauen nicht zurück. Wir haben ein Gedächtnis, aber wir schauen nicht zurück. Es liegt an Ihnen, daß es derartige Krisen nicht mehr gibt, daß Sie uns nicht überfordern, so wie wir Sie nicht überfordern wollen, sondern daß wir vertrauensvoll zusammenarbeiten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Das ist für mich der dritte Neubeginn der Koalition. Ich hoffe, daß wir mit diesem Neubeginn in der öffentlichen Wirkung besser abschneiden werden als in der Vergangenheit. Denn wir haben in zehn Jahren großer Koalition mit Franz Vranitzky viel zustande gebracht. Ich möchte das heute ausdrücklich anerkennen und Franz Vranitzky, der uns wahrscheinlich vor dem Fernsehschirm zuschaut, wenn er nicht gerade seinen Weinkeller ordnet, für die Arbeit, die er geleistet hat, danken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

In dieser großen Koalition ist eine Steuerreform zustande gekommen, die unser Nachbar Deutschland mit fünf Jahren Zeitverzug und lange nicht so durchgreifend zustande gebracht. Das heißt also, da ist uns ein großer Wurf gelungen.

Wir haben den EU-Beitritt geschafft, meine Damen und Herren, etwas, was vor zehn Jahren noch absolut unwahrscheinlich gewesen wäre, und ich rechne es Franz Vranitzky besonders hoch an, daß er seine zögernde Partei damals, als es um den Beschluß ging, wirklich geführt hat und für den EU-Beitritt gewinnen konnte. Wir haben die EU-Umstellung in der Wirtschaft und in der Landwirtschaft geschafft. Wir haben die Ära Kreisky, die Schuldenpolitik und die Verstaatlichtenpolitik der Ära Kreisky überwunden, und wir danken Franz Vranitzky dafür, daß mit der Sanierung des Staatshaushaltes die Schattenseiten der Ära Kreisky überwunden wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir lesen heute die Meldungen über das sogenannte Raubgold in der Schweiz, und wir sehen mit Bedauern, daß viele aus der Geschichte nicht lernen, aber wir haben diese schwierige Zeit bewältigt – mit Bundespräsident Waldheim an der Spitze und Franz Vranitzky. (Widerspruch beim Liberalen Forum und den Grünen.) Wir werden nicht vergessen, wer diese schwierige Zeit für uns ausgelöst hat. Aber wir werden auch nicht vergessen, daß wir über diese Zeit mit Anstand und Ehre hinweggekommen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Dennoch, meine Damen und Herren: Das Ansehen der Koalition in der Öffentlichkeit kann trotz dieser Leistungen noch stark verbessert werden. Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. Und ich


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glaube, Herr Bundeskanzler, daß es an Ihnen liegt, daß durch einen neuen Stil dieser Schatten beseitigt wird.

Herr Bundeskanzler! Machen Sie aus dem Zaudern und Zögern Ihres Vorgängers ein zielstrebiges Zupacken, und Sie werden uns an Ihrer Seite haben! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Informieren Sie uns im vorhinein, binden Sie uns in die Entscheidungen überall ein, dort, wo es das Regierungsübereinkommen vorsieht! Bilden Sie Vertrauen, und wir werden dieses Vertrauen auch zurückgeben! Information ist eine Bring- und eine Holschuld. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Sie kommen aus dem Management, und Sie wissen, daß es im Regelkreis des Managements das Planen, das Organisieren, aber auch das Controlling gibt. Gerade das Controlling in der Bundesregierung hat bisher nicht funktioniert. Wir haben uns immer wieder Ziele vorgenommen, wir haben sie hier beklatscht – haben sie aber nicht umgesetzt. (Abg. Wabl: Welche denn?)

Herr Bundeskanzler! Es ist wichtig, daß der Koalitionsausschuß dafür eingesetzt wird, die kleinen Schwierigkeiten, an denen manche große Reformen zu scheitern drohen, auszuräumen. – Entscheidung ist gefragt, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Haselsteiner. )

Herr Bundeskanzler! Wir brauchen in der Bundesregierung leistungsfähige und gute Partner, und der Ansatz, den Sie gezeigt haben, hin zu einer logischeren und sachlich angemessenen Kabinettsstruktur durch eine Abrundung der Kompetenzbereiche ist richtig. Ich bitte Sie, daß Sie diese Bemühungen fortsetzen und daß wir wirklich in drei Monaten Ergebnisse vorlegen können. Wir brauchen für unsere Jugend ein leistungsfähiges Bildungsministerium! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haselsteiner: Ein schwarzes muß es sein!)

Wir brauchen für unsere Wirtschaft ein abgerundetes, kompetenzmäßig besser ausgestattetes Wirtschaftsministerium, und wir brauchen auch ein Ministerium, das sich mit der Infrastruktur befaßt, sodaß die Bereiche Straße und Schiene zusammenarbeiten und nicht in Konkurrenz gesehen werden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schieder: Das ist aufgerundet, nicht abgerundet!) Herr Bundeskanzler! Die Kabinettsreform ist vordringlich.

Herr Bundeskanzler! Was Sie heute zur äußeren Sicherheit Österreichs gesagt haben – wenn man zwischen den Zeilen lesen kann, und das müssen wir können –, zeigte bemerkenswerte Offenheit, vor allem daß Sie die sich ändernden Umstände einkalkulieren und daß Sie durch Ihr Bekenntnis zur Veränderung auch wissen, daß hier im Laufe dieses Jahres und des nächsten Jahres Entscheidungen fällig sind.

Herr Bundeskanzler! Wir sind bei dieser Neuordnung unserer Sicherheit nach außen bei Ihnen und mit dabei. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Fischer. )

So möchte ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, und dem gesamten Regierungsteam zum Schluß auch einen Schuß Optimismus mit auf den Weg geben. Wir hören, wir leben in einer Kultur des Jammerns, aus dem "cogito, ergo sum" wurde: Ich schluchze und jammere, und daher bin ich. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Partik-Pablé: Da kann man nur jammern, wenn man so etwas hört!)

Österreich ist ein leistungsfähiges Land, und wir können getrost mit unseren Menschen im Lande die Zukunft gestalten. Und so rufe ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihren Ministern zu: Glück auf und Gottes Segen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten.

12.30

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Ministerinnen und Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! – Herr


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Bundeskanzler, Sie haben in einer kurzen Passage Ihrer Ausführungen auch Ihren Vorgänger eingeschätzt, gewürdigt, möchte ich sagen. Und in dem Punkt, in dem Sie gesagt haben, daß Bundeskanzler Dr. Vranitzky der erste österreichische Staatsmann war, der klare und offene Worte zur Rolle Österreichs im Nationalsozialismus gefunden hat, gebe ich Ihnen recht. Ich will auf diese Angelegenheit nicht näher eingehen, aber ich denke mir, daß hier seine Verdienste in einer ganz anderen Art und Weise einzuschätzen sind, und ich halte es für verfehlt, Herr Klubobmann Dr. Khol, hier die Namen Waldheim und Vranitzky in einem zu erwähnen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.) Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Herr Bundeskanzler! Die Grünen haben nie in Abrede gestellt, daß in einigen zentralen Punkten – die jüngste österreichische Vergangenheit gehört dazu – Bundeskanzler Dr. Vranitzky Haltung gezeigt hat. Das, was nicht nur wir ihm vorgeworfen haben, sondern was auch Teil einer wachsenden medialen Kritik war und was jetzt seinen Ausdruck in einer Zunahme des Einsatzes direkt-demokratischer Elemente in Österreich findet – es finden vermehrt Volksbegehren statt –, das war sein Nicht-Agieren, sein Nicht-Entscheiden in wesentlichen Fragen, die der Bevölkerung wichtig sind, die für große Gruppen in der Bevölkerung von existentieller Bedeutung sind. Ich habe sehr gehofft, der ganze Grüne Klub hat sehr gehofft, daß Sie auf diese Fragen, auf die uns Dr. Vranitzky eine Antwort schuldig geblieben ist – bis zuletzt –, heute zumindest in Grundzügen eine Antwort geben würden. Aber diese Hoffnung haben Sie enttäuscht. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Auf welche Fragen denn?)

Ich komme noch auf diese Fragen. (Abg. Dkfm. Mag. Mühlbachler: Keine Worthülsen, bitte!) Den Ausdruck "Worthülse", meine Damen und Herren, die Sie da so heftig dazwischenrufen, bitte ich Sie, nach einem genauen Studium der Rede des Herrn Bundeskanzlers Klima zu überdenken. Ich will Sie mit einigen Passagen daraus noch einmal konfrontieren.

Sie, Herr Bundeskanzler, sagten im Zusammenhang mit der österreichischen Europapolitik, mit Österreichs Integration in der Europäischen Union, daß eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU noch nicht erreicht ist und daß hier noch wichtige Entwicklungen vor uns liegen. – Herr Bundeskanzler! Sehr bald liegen sie vor uns. Im Juni fallen in Amsterdam Entscheidungen, und ich frage mich: Wie geht ein österreichischer Bundeskanzler an diese entscheidenden Verhandlungen heran, wenn in seinen Ausführungen zur österreichischen Haltung in Sachen Sicherheit das Wort "Neutralität" nicht einmal mehr vorkommt? Haben Sie diesen Standpunkt, Herr Bundeskanzler, bereits im Vorfeld aufgegeben? Wenn das so ist, dann hat auch die Sozialdemokratie mit Ihnen diesen Standpunkt aufgegeben, und dann wird sich niemand mehr bei den Verhandlungen um die nächste Stufe der Integration für diese ganz, ganz wichtige und moderne sicherheitspolitische Linie stark machen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann mich noch gut an dieses Werbematerial, an diese blauen Broschüren, die Sie vor der Abstimmung verteilt haben, erinnern; darin haben Sie die Beibehaltung der österreichischen Neutralität versprochen. – Im Jänner 1997 findet sie sich in der Antrittsrede des neuen Bundeskanzlers vor dem Parlament in Sachen Sicherheitspolitik nicht mehr wieder. (Abg. Schieder: Das steht eh im Gesetz!) – Das steht eh im Gesetz. – Herr Abgeordneter, andere Dinge stehen auch im Gesetz! Sie werden aber sehr bewußt hier erwähnt. Der neue Bundeskanzler hat ja selbst von Prioritäten gesprochen – die Neutralität gehört da offenbar nicht dazu.

Die reale Politik sieht aber anders aus. Klima hat hier gesagt – es geht um die künftige österreichische Haltung –, es sei unklug, in so einer bedeutenden Frage den sicherheitspolitischen Spielraum aufzugeben und sich bereits vorzeitig auf eine einzige institutionelle Option festzulegen. – Das ist die NATO, das wissen wir alle.

Was ist daher die österreichische Neutralität? Das ist nicht mehr, Herr Abgeordneter Schieder, das, was in diesem Verfassungsgesetz steht, sondern – so wie Klima es hier heute formuliert hat – ein kluger taktischer Verhandlungsspielraum: Gebt ihr uns ein bißchen davon, geben wir vielleicht wieder einmal ein Scheibchen unserer Neutralität her! Die österreichische Neutralität steht zur Disposition. – Das ist der Klartext dieser Rede.


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Herr Bundeskanzler! Es gab in diesem Zusammenhang bereits ein erfolgreiches Volksbegehren. Ganz offenbar sind Ihnen diese Anliegen nicht sehr viel wert.

Meine Damen und Herren! Die Politik sieht anders aus in diesem Bereich. Da gibt es eine Prioritätenliste des Verteidigungsressorts, und Herr Bundesminister Fasslabend spricht ganz verschämt von einer Verzichtsplanung. Also sehr nach Verzichtsmentalität sieht mir das nicht aus: 8,5 Milliarden Schilling für Panzer, 20 bis 30 Milliarden Schilling für Abfangjäger und ein paar Milliarden für Fliegerabwehrraketen, Hubschrauber und so weiter – und das in Zeiten von Sparpaketen!

Wir haben vier Fraktionen hier in diesem Haus – bisher waren es drei Fraktionen –, die sich sehr klar für eine Stärkung, eine Aufwertung dieses Bereiches aussprechen. Die Sozialdemokraten unter Franz Vranitzky haben immer noch gezögert. Mit Viktor Klima scheinen sie diesen klaren Schritt der anderen drei Parteien mitzumachen: Hochrüstung. Und ich frage Sie schon heute, Herr Bundeskanzler: Auf wessen Kosten kann das nur wieder gehen? Die Antwort ist klar: Das geht auf Kosten der Sozialbudgets, denn soviel disponible Massen haben Sie nicht in diesem Budget, und das wissen Sie genausogut wie ich. (Beifall bei den Grünen.)

Die Sparpakete, die Ihre Handschrift tragen, haben sich bereits ausgewirkt, das können Sie nicht vom Tisch wischen. Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, daß Österreich diesen Sparkurs ohne Gefährdung des sozialen Friedens durchgeführt hat. Ja es stimmt, es gab in Österreich keine Massenstreiks, keine Massenproteste – aber das deswegen, Herr Bundeskanzler, weil diejenigen, die bereits ganz arm sind, ganz ausgegrenzt sind, nicht mehr die Kraft und nicht die Möglichkeit haben, sich zu wehren. Es sind jetzt Gott sei Dank bereits andere, wie die Caritas, wie zahlreiche soziale Einrichtungen, die ihre Stimme auf Armutskonferenzen für diese Menschen erheben. Und das sind nicht wenige.

Herr Bundeskanzler, folgendes muß ich auch klarstellen – es betrifft auch einige meiner Vorredner –: Wir haben in Österreich – ich sage: leider, leider, leider! – keine steigende Beschäftigung mehr. Der große Bruch geht Hand in Hand mit der Einführung der Sparpakete. Das hat zunächst von 1994 auf 1995 zögernd begonnen, da haben wir – unter Anführungszeichen – "nur" 2 500 Arbeitsplätze im Durchschnitt verloren. Das letzte Jahr ist bis Dezember noch nicht ganz ausgewertet. Aber es werden im Durchschnitt 20 000 Arbeitsplätze sein, die wir in absoluten Zahlen verloren haben, und das ist erstmals passiert. Wissen Sie, was da dahintersteht? – Daß viele Menschen, vor allem Frauen, Frauen mit Betreuungspflichten, gar nicht mehr zum Arbeitsamt gehen, weil sie chancenlos sind. Die können sich auch nicht mehr organisieren. Die können nicht streiken, die haben kein Gewicht mehr und keine Stimme.

Ich will Ihnen einen solchen Fall nahebringen. Es sind etliche derartiger Einzelschicksale in einer der letzten Ausgaben des "profil" von Eva Rossman dargestellt gewesen, etwa der Fall einer Mutter mit einer minderjährigen Tochter, die bereit wäre, eine Halbtagsarbeit anzunehmen. Das Arbeitsamt sagt: Das reicht nicht, jemand, der nur halbtags arbeiten will, ist in diesem Land nicht arbeitswillig!

Einer Frau mit Betreuungspflichten wird das Arbeitslosengeld, wird die Notstandshilfe gestrichen, und die Richtlinien, die die sogenannte Sozialverwaltung, Frau Hostasch, in diesem Land mittlerweile ausschickt, sprechen eine klare Sprache.

Ich lese es Ihnen wörtlich vor: "Auch die Behauptung der Notwendigkeit einer ständigen Betreuung eines behinderten Kindes sowie der behandlungsbedingten Fahrten vermögen diese Kausalität" – nämlich das Arbeitslosengeld nicht zu streichen – "nicht aufzuzeigen." – Das heißt, sogar Eltern, Müttern, die behinderte Kinder zu betreuen haben und trotzdem bereit sind, halbtags zu arbeiten, sagt man: Das genügt nicht mehr! Sie sind arbeitslos, sie sind aus den Statistiken gestrichen, sie finden sich nirgends mehr. Das ist die Kälte, von der auch manche in der Sozialdemokratischen Partei geredet haben.

Zu diesen Einzelfällen müssen Sie, Herr Bundeskanzler – nicht mit allgemeinen Formeln, sondern ganz persönlich als Viktor Klima, aber auch als Kanzler –, Ihre Meinung sagen!


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Auch dazu wird es im Frühjahr ein Volksbegehren geben, und dann wird vom Kanzler Viktor Klima die Antwort auf die Frage verlangt werden: Bringen Sie das, was diese Frauen verlangen, nämlich eine soziale Grundabsicherung – gerade für Frauen mit Betreuungspflichten – als Regierungsvorlage ins Parlament ein und helfen Sie uns im Parlament durch die aktive Unterstützung der Regierung, daß wir solche Gesetze machen können, oder werden Sie das nicht tun? Das ist Ihre Entscheidung, und Sie müssen es der österreichischen Bevölkerung sagen! (Beifall bei den Grünen.)

Ein Klima der Kälte hat sich breitgemacht, und jetzt haben viele Menschen die Hoffnung, daß sich etwas ändern wird. Es war immer mein Vorwurf an die Sozialdemokratie, daß sie zuwenig Bollwerk gegen eine fortschreitende Stigmatisierung sozial Schwacher ist. Das hat mit der Frage der Flüchtlinge und der Aufnahmebereitschaft Österreichs begonnen. Ich kann mich erinnern, Herr Bundeskanzler, daß wir beim "Lichtermeer" am Stephansplatz gemeinsam gestanden sind, und ich habe mich wirklich gefreut, daß Sie dort waren. Ich frage Sie jetzt um Ihre ehrliche Meinung: Wie schätzen Sie die seit damals erfolgte Entwicklung ein? Wie schätzen Sie die vielen Fälle von zerrissenen Familien, von Abgeschobenen, von Flüchtlingen ein, die keine Chance hatten, sich wirklich zu artikulieren? Wie schätzen Sie diese Fälle ein? Sehen Sie da nicht auch einen Handlungsbedarf?

Diese Spirale hat aber nicht haltgemacht, sondern sie hat sich weiterbewegt: von den Flüchtlingen zu den Arbeitslosen. Schlagworte: Zumutbarkeit, Frauen, erschwerter Bezug von Arbeitslosengeld. Diese Spirale hat sich weiterbewegt zu den Studierenden, zu den Künstlerinnen und Künstlern.

Man hat auch schon begonnen, Studierende zu stigmatisieren. Es heißt: Die Studenten und Studentinnen leben auf unsere Kosten! Man hat ihnen deshalb die Freifahrt gestrichen, die Kinderbeihilfe drastisch reduziert und Belastungen nach und nach eingeführt. Ist das der moderne Leistungsstaat, den Sie wollen – oder etwas sehr, sehr Altmodisches?

Herr Bundeskanzler! An dieser Stelle appelliere ich an Sie als ehemaligen Werkstudenten: Bekennen Sie dazu Ihre Linie ein, und gestehen Sie doch auch einmal ein, bei den Sparpaketen einen Fehler gemacht zu haben, der dringend korrigiert werden muß! Die Universitäten brauchen mehr Freiraum und auch mehr Geld. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

Meine Damen und Herren! Zur Situation der Kunst- und Kulturschaffenden in Österreich hat meine Vorrednerin bereits viel gesagt. Ich halte es auch für zynisch, zu behaupten, daß die Umwandlung eines Ministeriums in ein weisungsabhängiges Staatssekretariat eine Aufwertung ist. Das kann man wirklich niemandem in Österreich weismachen!

Es heißt, die Kunst soll an die kurze Leine genommen werden. (Abg. Parnigoni: Das ist sehr wagemutig formuliert! – Abg. Schieder: "Kurze Leine" heißt näher beim Herrl!) Das ist der Klartext! Man will da schon ein bißchen einen Einfluß wahren. Auch die Zusammenfassung der Kustagenden mit den Riesenmaterien Sport und innere EU-Angelegenheiten als Aufwertung verkaufen zu wollen, ist ein starkes Stück.

Meine Kolleginnen und Kollegen werden in der Folge sowohl in Sachen des Kunstministeriums als auch in Sachen der immerwährenden Neutralität Österreichs Entschließungsanträge einbringen, unter anderem dahin gehend, die 8,5 Milliarden Schilling für den Panzerkauf einzusparen.

Ein Allerletztes, Herr Bundeskanzler – Monika Langthaler wird Sie damit noch im Detail konfrontieren –: der Umweltbereich. Sie, Herr Bundeskanzler, haben in einigen Passagen Ihrer Regierungserklärung ein paar Facetten des Umweltbereiches angesprochen. Es hat mich allerdings sehr erschüttert, daß Sie mit einer Leichtigkeit sondergleichen die Demontage der Bürgerrechte im Gewerbeverfahren als Standortsicherungsmaßnahme dargestellt haben.

Herr Bundeskanzler! Ich habe Sie eingangs darauf aufmerksam gemacht, daß die österreichische Bevölkerung demokratiepolitisch sehr, sehr aktiv geworden ist. Einige Beispiele:


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Neutralitäts-Volksbegehren, Tierschutz-Volksbegehren, Frauen-Volksbegehren, Gen-Volksbegehren. Die Bevölkerung läßt sich von der Regierung nicht mehr alles gefallen! Wenn Sie glauben, Sie können – unter Anführungszeichen – den "Standort Österreich attraktiv machen", indem Sie die Bürgerrechte beschneiden, dann muß ich Ihnen sagen: Das wird auf den erbitterten Widerstand der Bevölkerung stoßen! (Beifall bei den Grünen.)

Sie können Umweltschutz nur mit und nicht gegen die Bevölkerung machen. Sie können sich dabei sehr wohl auch marktkonformer Methoden bedienen, wie etwa der Ökosteuer. Aber es schmerzt schon, daß Sie in der Debatte um die Ökosteuer jetzt gerade auf ein Modell der Freiheitlichen eingehen, obwohl Sie lange Gelegenheit hatten, über seriösere Modelle, wie etwa jene der Grünen, im Detail zu reden und dazu Stellung zu nehmen. Ganz offenbar zieht es Sie in der innenpolitischen Debatte dorthin, wo Sie einen Reibebaum finden, um dann sagen zu können, das Modell sei nicht seriös.

Herr Bundeskanzler! In all diesen Fragen sind Sie sowohl als Kanzler als auch als Mensch Viktor Klima gefordert. Ich sage Ihnen folgendes: Die Art und Weise, wie Sie heute vor dem Hohen Haus begonnen haben, zu den zentralen Punkten so wie Ihr Vorgänger Vranitzky die Antwort schuldig zu bleiben, wird weder dieses Haus noch die österreichische Bevölkerung auf Dauer dulden und honorieren. (Beifall bei den Grünen.)

12.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich als nächster Herr Vizekanzler Dr. Schüssel. – Bitte, Herr Vizekanzler.

12.49

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst ein paar Worte über das gleichzeitig stattfindende Ende der Zeitspanne der zehn Jahre Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten, die 1987 begonnen wurde und die diesem Land unter der Führung von Dr. Franz Vranitzky und ÖVP-Vizekanzlern etwas gebracht hat, was gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, einer Zeitspanne, in der sich – vom Zusammenbruch des Kommunismus über die Ostöffnung bis zur EU-Schiene – Unglaubliches verändert hat.

Diese Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Christdemokraten hat unserem Land Stabilität beschert, und das ist wichtig. Das ist wichtiger, als es manche vielleicht heute einschätzen. Wie es in anderen Ländern zugeht, kann man bei einem Blick rund um uns sehen: Das italienische System ist völlig verändert, zusammengebrochen, neu aufgebaut, auch in Belgien, in den skandinavischen Ländern, wo immer.

Diese Zusammenarbeit hat dem Land gutgetan. Das sei hier vermerkt! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das ist kein Herumreden und kein Schönfärben. Ich glaube, daß die wichtigen Dinge, die Basics, wie man es in der Wirtschaftssprache sagt, immer noch die besten Argumente sind. In diesen zehn Jahren, in denen die Sozialdemokraten und Christdemokraten engagiert, manchmal mit Schwierigkeiten, mit Spannungen, aber immer im Interesse unseres Landes zusammengearbeitet haben, gab es eine Verdoppelung des Bruttoinlandsproduktes – welches andere Land der Welt hat dies vorweisen können? –, gab es 300 000 Jobs beziehungsweise Arbeitsplätze mehr und damit Beschäftigungs- und Wohlstandmöglichkeiten für Hunderttausende und ihre Familienangehörigen. Das ist viel wichtiger als das Grundgefühl, daß es vielleicht da und dort noch besser hätte gehen können, daß dieses oder jenes zu zögerlich oder zuwenig engagiert gemacht worden wäre. Wichtig ist, daß diese Zusammenarbeit unserem Land gutgetan hat (Beifall bei ÖVP und SPÖ) und eigentlich unser Land auch positiv verändert hat.

Wir können heute feststellen, daß es keine verstaatlichte Industrie mehr gibt. Das ist ein Abschied von früheren Ideologien – gemeinsam vorgenommen. Das hat den Betrieben, den Arbeitnehmern und dem Kapitalmarkt gutgetan, und das ist wichtig.


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Die Deutschen machen heute die Steuerreformen nach, die wir vor Jahren beispielgebend in Europa durchgeführt haben. Diese spürt ein jeder. Es ist auch aushaltbar, daß jetzt einige Jahre der Gürtel enger geschnallt werden muß. Es wurde ohnehin sozial behutsam, fair und ausgewogen vorgegangen, und ich glaube, daß uns dies im wesentlichen auch gelungen ist. Man kann daher sagen: Insgesamt ist die Bilanz – mit Positiva und Negativa – positiv. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es sind in diesen zehn Jahren – und das ist heute bei den Debattenbeiträgen bisher untergegangen – sozialpolitische Meilensteine gesetzt worden. Wer redet noch davon, daß heute die Familien jährlich – jährlich! – 16 Milliarden Schilling zusätzlich zur Verfügung haben: dank der Beschlüsse des Nationalrates und der engagierten Arbeit von Familienministern, eigentlich meistens Familienministerinnen!

Wer redet heute noch davon, daß die Karenzmöglichkeiten in Österreich heute besser ausgebaut sind als in jedem anderen Land der Welt? (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic. ) Das ist doch ein Riesenerfolg!

Wer redet heute noch davon, daß wir eine Pflegevorsorge getroffen haben, um die uns andere Länder beneiden. Sie ist zwar teuer, aber dafür sozial ausgewogen und ihre Finanzierung entspricht unserer Spargesinnung.

Es hat also diese Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Christdemokraten viel bewegt, viel abgesichert, aber auch sozial diesem Land ungemein gutgetan. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir setzen heute einen neuen Beginn. In Wahrheit lösen wir eigentlich ein Versprechen ein, das wir vor zehn Monaten, als wir den Koalitionsvertrag gemeinsam unterschrieben haben, schon gegeben haben. Es hat dann nicht ganz so gut funktioniert.

Wir wollen – der designierte SPÖ-Parteivorsitzende und bereits ernannte Bundeskanzler für die SPÖ und ich für die Volkspartei – diese Zusammenarbeit, den Stil erneuern, und wir begrüßen in diesem Sinn auch die neuen Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung. Wir wollen in einem partnerschaftlichen Geist für dieses Land arbeiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist mir schon klar, daß es nicht Aufgabe der Opposition sein kann, heute noch zusätzlich Weihrauchkörner zu streuen, das wäre auch gar nicht notwendig. Die Oppositionsparteien sollen ihre kritische Sicht der Dinge miteinbringen. (Abg. Wabl: Danke schön! Herzlichen Dank!) Das meine ich auch so. Das ist meine tiefe Überzeugung als langjähriger Parlamentarier.

Aber es sei auch gesagt: In dieser immerhin 70 Minuten dauernden Regierungserklärung war sehr viel Stoff für Veränderungen und für politisches Handeln. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen und bei den Grünen.) Ich sage auch ganz offen, daß wir diese Regierungserklärung mittragen. Sie ist gemeinsam formuliert worden und wird von uns auch gemeinsam getragen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Haselsteiner: Das erklärt vieles!)

In den Diskussionsbeiträgen der Oppositionsführer ist ja viel Gemeinsames durchgekommen: tiefliegende Fragen, ja die wichtigste Frage für uns alle: Wie sichern, wie schaffen, wie verteilen wir die Arbeit in den nächsten Jahren und Jahrzehnten, am Beginn des 21. Jahrhunderts? Machen wir uns doch keine Illusionen! Die Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, ist längst vorbei. Heute, in einer Zeit der globalen Wirtschaft, in der Unternehmungen auf Knopfdruck Milliarden Dollar verschieben können, Investitionsentscheidungen blitzartig abgezogen werden können, in der etwa ein Werk von Vorarlberg oder von Kärnten oder von wo auch immer nach Slowenien oder nach Asien übersiedeln kann, ist es doch eine Illusion zu glauben, daß wir mit dem Bewahren dessen, was ist, durchkommen. Da wird uns einfach mehr einfallen müssen als die Rezepte der fünfziger, der sechziger oder der siebziger Jahre. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Deswegen sind in dieser Regierungserklärung einige wichtige Handlungsanleitungen enthalten. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Warum die Aufregung? Ich versuche ja, auf Sie einzugehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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Wenn wir wissen, daß heute zu guter Qualität und wesentlich niedrigeren Kosten Arbeit verlagert werden kann, daß in Asien oder in Osteuropa gleich gute Sachen billiger hergestellt werden können, dann müssen wir eben die Kosten der Arbeit überdenken – aber nicht die Höhe der Löhne, denn das wäre unsozial, und das ist von niemandem gewollt. Wir müssen vielmehr die Kosten der Bürokratie überdenken, und das bedeutet schnelleres, effizienteres Anlagenrecht, bedeutet raschere Entscheidungen in den Amtsstuben, bedeutet einen flexiblen Einsatz der Arbeit, die ein sehr kostbares Gut geworden ist. Ich teile auch die Meinung, daß das nicht zugunsten der einen und zu Lasten der anderen Seite geschehen darf. Deswegen wollen wir ja die Sozialpartner zu Gesprächen einladen, um auch ihre Modelle zur Lösung dieser Probleme zu hören.

Wir müssen ehrlich sein: Es wird nicht möglich sein, auf Lebenszeit einen Arbeitsplatz zu geben, und es wird auch notwendig, Teilzeit verstärkt anzubieten. Das ist ein Trend, der nicht nur in Österreich da ist, sondern einer, den man bereits auf der ganzen Welt spürt.

Wir werden auch darüber nachdenken müssen, ob wir nicht im Pensionssicherungssystem viel stärker auf Gleitmodelle übergehen sollen, die nicht das totale Ausscheiden aus dem Arbeitsprozeß schlagartig forcieren, sondern die einen von der Arbeitswelt in die Pensionswelt fließenden Übergang ermöglichen. Die Arbeit wird also sicherlich ein Thema sein, das uns unendlich viel beschäftigen wird, aber es macht uns keine Angst, denn wir sind erfolgreich.

Ich habe mir angeschaut, wie bei der Herausforderung der Globalisierung eigentlich unsere Hauptkonkurrenten in Vergleich zu uns liegen. Trotz der Globalisierung haben wir gegenüber Osteuropa einen Handelsbilanzüberschuß und haben wir jetzt erstmals gegenüber den ASEAN-Staaten eine ausgeglichene Handelsbilanz, und wir haben in diesen Tagen zum ersten Mal seit dem Jahre 1945 eine ausgeglichene Handelsbilanz sogar mit Japan geschafft. Daher: Ende des Schluchzens, Aufkrempeln der Ärmel, Arbeit für das 21. Jahrhundert als die Aufgabe für die neue Regierung! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das zweite große Thema, das sich uns stellt – und dazu haben einige kritisch Stellung genommen –, ist die Frage der Solidarität beziehungsweise der Entsolidarisierung unserer Gesellschaft. Ich glaube, da ist vieles dran. Wir haben heute eine Teilung: Viele glauben, daß ihr eigenes Umfeld in Ordnung ist, in dem Sinne: Ich bin okay, du bist es nicht!, daß die eigene Familie funktioniert, aber alle anderen Familien in Gefahr sind, in die Armut abzugleiten, daß die Schule, in der die eigenen Kinder unterrichtet werden, okay ist, aber das Schulsystem in Österreich insgesamt immer schlechter wird, nicht in der Lage ist, die Jugend gut auszubilden, daß die Sicherheit in der eigenen Nachbarschaft, im Dorf, im Grätzl, in der eigenen Straße in Ordnung ist, aber eigentlich der Vormarsch des Verbrechertums nicht zu stoppen ist. Aus dieser Haltung: Mein persönliches Umfeld ist in Ordnung, aber alle anderen nicht, und die anderen sind verantwortlich dafür! könnte eine sehr gefährliche gesellschaftspolitische Spannung entstehen, die dazu führen kann, daß auch die Bereitschaft, Solidarität zu geben, abnimmt.

Frau Abgeordnete Petrovic! Ich bin überzeugt davon, daß der Staat Österreich – Staat heißt: Bund, Länder und Gemeinden – sehr viel tut, mehr als die meisten anderen Staaten der Welt: soziale Leistungen zum Absichern des Schutzes vor Not, vor finanziellem Risiko oder was auch immer.

Was aber auch not tut, ist, daß die anderen Bereiche, die Familie, die Selbsthilfe und karitative Organisationen ermutigt, unterstützt werden, sich einzubringen, denn sonst nimmt die Tendenz zur Entsolidarisierung unendlich zu.

Dritter Punkt: Viele haben heute über die Kultur gesprochen und bemängelt, daß dieser Bereich des früheren Verkehrs-, Wissenschafts- und Kunstministeriums jetzt neu geordnet werden soll. – Darf ich dazu kritisch anmerken: Dieses Ministerium war – offen gestanden – tatsächlich eine etwas merkwürdige Schöpfung von vor einem Jahr. (Zwischenrufe beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Ich weiß, das haben Sie ja auch kritisiert damals. (Abg. Dr. Haselsteiner: Zu Recht!) Aber viele erinnern sich nicht mehr daran, daß genau das kritisiert wurde.


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Dieser Bereich soll also neu geordnet werden. Aber ich sage dazu: Österreich bleibt doch die Kulturweltmacht – ganz gleichgültig, ob die Kunstagenden jetzt im Bundeskanzleramt oder in einem anderen Ressort beheimatet sind. Wir können doch stolz darauf sein, daß die besten Botschafter Österreichs etwa die Philharmoniker sind oder die Tausenden anderen Künstler, die weltweit ihre Arbeiten, ihre Produkte anbieten, ihr Können preisgeben. Das ist doch das Entscheidende – aber nicht, wohin das "Kompetenzkastel" jetzt verlagert wird. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Welches Land der Welt gibt es noch, in dem ein Wirtschafts- oder ein Außenminister oder ein Bundeskanzler versucht, seinen Terminplan, seine Reisepläne international nach den Konzertterminen der Philharmoniker abzustimmen (Abg. Dr. Fischer: Und Moik!) und daraus gemeinsame Chancen für Kunst und Wirtschaft abzuleiten? Wo gibt es eine derartige Breite, daß in jedem Dorf Hausmusik, Blasmusik geübt wird und die Traditionen, aber auch das Neue gepflegt werden?

Ich bitte daher wirklich: Wenn schon, dann verlange ich so wie Peter Marboe – auf den wir stolz sind, weil er aus dem Außenministerium kommt und heute Kulturstadtrat in Wien ist –: Weniger Politik in die Kunst und mehr Kultur und Kunst in die Politik! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher muß eigentlich jeder Minister – das sagen Viktor Klima und ich – in irgendeiner Weise ein kleiner Kultur- und Kunstminister sein; der Außenminister sowieso, weil er zuständig für Auslandskultur ist und an jeder Botschaft Kulturvermittlung betrieben und das Österreich-Image in diesem Sinn gepflegt werden soll; die Bildungsministerin ebenfalls, weil sie für die Ausbildung der jungen Leute verantwortlich ist, die eben nicht nur intellektuell, sondern auch musisch sein soll, weil das dem ganzen Persönlichkeitsbild letztlich dient und unverzichtbar ist; und auch der Wirtschaftsminister, der verantwortlich ist für die Substanzpflege unserer Kulturbauten.

Jeder Minister muß also Kunstminister sein, aber unter welchem Ressort die Kunst dann im Amtskalender steht, ist – so meine ich jedenfalls – nicht ganz so entscheidend.

Einige Worte zur Außenpolitik: Ich greife sehr dankbar und positiv zwei Sätze von Viktor Klima dazu auf: Außenpolitik in einem kleinen Land muß gemeinsame Außenpolitik sein. – Und: Wir können nur dann hörbar sein, wenn wir mit einer Stimme sprechen.

Daher haben wir drei Schwerpunkte – und zwar immer schon gemeinsam – definiert.

Erstens: die europäische Politik. Liebe Freunde! Wir haben hier – und das ist der einzige Punkt, in dem ich die Regierungserklärung korrigieren möchte – Franz Vranitzky zu danken, aber wir haben auch Alois Mock zu danken, der die Vision gehabt hat, Österreich in die Europäische Union zu führen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Diese europäische Politik war und ist immer eine zutiefst österreichische Aufgabe. Früher war Österreich eine Großmacht, wie wir wissen. Heute sind wir ein kleiner, ein mittlerer Staat, aber deshalb nicht minder wichtig. Und in diesem Sinn wird der EU-Vorsitz in etwas mehr als einem Jahr Österreich auch zum ersten Mal seit dem Wiener Kongreß 1815 wieder eine Führungsrolle in diesem Europa zuweisen.

Es ist daher wichtig, daß wir aktiv an der Regierungskonferenz mitwirken und Themen wie Beschäftigung, höhere Umweltstandards, Tierschutz, Menschenrechte und die Rolle der Kleinen aktiv einbringen. Wir können heute mit Stolz sagen, daß uns viele andere mittlere und kleine Länder auf diesem Weg bereits folgen.

Beim letzten europäischen Gipfeltreffen in Dublin haben wir als Ziel drei sehr schöne Begriffe definiert – auf Englisch klingen sie besser –: "safe streets, secure jobs, sound money". – Ich sehe darin ein sehr wichtiges Thema für unsere Europapolitik: Sicherheit auf den Straßen: das heißt Kampf auf europäischer Ebene gegen das organisierte Verbrechertum, sichere Arbeitsplätze: also europäische Verantwortung, und eine sichere Währung: wenn Euro, dann so sicher


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und so hart wie der Schilling. – Das ist unsere erste Priorität. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die zweite Priorität ist eine aktive und freundschaftliche Nachbarschaftspolitik. Es gibt kein zweites Land in der Europäischen Union, das so wie wir acht Nachbarländer hat. Vier von diesen Nachbarländern wollen in die Europäische Union und in ein europäisches Sicherheitsbündnis hinein. Drei dieser Länder haben Minderheiten in Österreich. Es ist daher unendlich wichtig, daß Österreich eine aktive und engagierte Nachbarschaftspolitik betreibt. Daher sage ich auch ein ganz klares Ja zu einer Integration unserer Nachbarländer in die Europäische Union. Aber das muß eine Erweiterung sein, die verantwortbar ist und ein wenig flexibler und intelligenter geführt wird als ein schlagartiges Hereinholen aller.

Es wird längere Übergangsfristen auf dem Arbeitsmarkt, in der Landwirtschaft und in anderen heiklen Bereichen geben müssen, aber es sollte an diesem Ja, an der Bereitschaft Österreichs, nicht Randstaat bleiben zu wollen, sondern auch selbst noch mehr ins Herz Europas zu rücken und andere hereinzuholen, kein Zweifel bestehen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der dritte Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik ist die Friedenspolitik. Das ist das Wichtigste überhaupt. Wer Wohlstand bewahren will, muß auch bereit sein, ein wenig von seinem Wohlstand abzugeben, also zu teilen.

Wenn Viktor Klima heute den Steuerzahlern dafür gedankt hat, daß sie es uns ermöglichen, umzuverteilen oder das Budget zu konsolidieren, dann danke ich auch all jenen Tausenden und Hunderttausenden Österreichern, die etwa für "Nachbar in Not", für CARE, für die Caritas und andere Einrichtungen Milliarden Schilling aufgebracht haben, weil sie bereit waren, von ihrem Wohlstand etwas abzugeben und zu teilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich sage auch: Wer sich zu Recht um den Regenwald kümmert, wer sich zu Recht um aussterbende Tierarten kümmert, der muß sich auch darum sorgen, ob etwa die Not in Palästina gemindert werden kann, der muß sich darum kümmern, daß etwa die Menschenrechte in Bosnien gewahrt werden, und der muß seine Stimme auch unzweideutig und klar für den Schutz der Minderheiten, der Menschen im allgemeinen – ganz gleichgültig, wo auf der Welt sie bedroht sind – erheben. – Das ist österreichische Friedenspolitik! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Friedenspolitik ist immer Abrüstungspolitik! Es ist ja Unsinn, wenn behauptet wird, daß wir in Österreich aufrüsten. Im Gegenteil: Das österreichische Bundesheer hat eines der kleinsten Budgets der Welt. Aber, Frau Abgeordnete Petrovic: Ein schlagkräftiges, glaubhaftes Bundesheer, das wirklich auch im Notfall Sicherheit garantieren kann, sollte eigentlich außerhalb des parteipolitischen Streits stehen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Abrüstung ist also gefragt – und wir leisten diese Abrüstung. (Abg. Wabl: Wo?) Daß heute zwei Drittel der Atomsperrköpfe bereits verschwunden sind, daß wir die konventionelle Rüstung beschränken – die Verhandlungen darüber beginnen in den nächsten Tagen in Wien –, daß alle Parteien gemeinsam für ein Verbot der Landminen, für eine Ächtung der Chemiewaffen kämpfen, daß Wien die "Welthauptstadt" im Kampf gegen die Atombombe ist und von hier aus die Einhaltung des Atomteststopps kontrolliert wird, ist ein Riesenerfolg unserer Friedenspolitik, unserer Abrüstungspolitik! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wer den Frieden will, muß aber auch bereit sein, Sicherheit zu geben. In diesem Sinn unterstreiche auch ich jenen Satz, den Viktor Klima am Ende seiner Rede gesagt hat: Solidarität geben heißt: Frieden geben, Sicherheit anbieten und sich solidarisch verhalten.

Wir wollen an keinem Instrument des Kalten Krieges teilnehmen, das sei klar gesagt. Aber an einer Koalition, an einer europäischen Koalition für den Frieden und für die Abrüstung teilzunehmen, ist allemal, wie ich glaube, eine österreichische Priorität. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und versichere der zuhörenden österreichischen Bevölkerung, daß wir dieses Bekenntnis zur Zusammenarbeit ernst meinen, und


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zwar sehr ernst. Wir wollen in der vollen Länge der Legislaturperiode zeigen, was gemeinsame Arbeit für Österreich in unserem Sinne heißt: die gemeinsame Arbeit der Regierungsparteien (Abg. Wabl: So wie in der Vergangenheit?) , unter Einladung an die drei Oppositionsparteien, gemeinsam mit den Sozialpartnern und in einem Dialog mit dem österreichischen Volk! (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich danke dem Herrn Vizekanzler für seine Ausführungen.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nürnberger. – Bitte.

13.11

Abgeordneter Rudolf Nürnberger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätztes Hohes Haus! Lassen Sie mich vorweg den neuen Damen und Herren der Bundesregierung viel Erfolg bei der Bewältigung ihrer kommenden Aufgaben wünschen! Sie werden es sicherlich brauchen.

Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, eingangs erklärt haben, daß Sie uns nicht das gesamte Regierungsprogramm hier darlegen, so habe ich dafür Verständnis. Ich bin aber sehr froh darüber, daß Sie die Schwerpunkte Ihrer Regierungserklärung den Fragen der Beschäftigung, der Arbeitslosigkeit, der Armut, der sozialen Sicherheit und den sehr wichtigen Fragen der Ausbildung, vor allem der Berufsausbildung, gewidmet haben.

Das wichtigste wird sein, noch stärker als bisher den Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Armut zu führen. Es soll möglichst viele Menschen mit Arbeit, die sie ernährt, von der sie leben können, und möglichst wenige am Rande des Existenzminimums geben – das ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren, was wir in unserem Land brauchen.

Ich möchte drei Punkte herausgreifen, die Sie in der Regierungserklärung behandelt haben und die sehr eng mit den Fragen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit im Zusammenhang stehen. Sie haben sich sehr ausführlich mit dem Komplex der Arbeitszeit und den Fragen der Flexibilisierung beschäftigt. Lassen Sie mich hier noch einmal den Standpunkt der Gewerkschaften in unserem Lande darlegen:

Die Gewerkschaften bekennen sich deshalb zu einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit, weil sie sinnvoll und notwendig ist, wenn wir auch in Zukunft den Industriestandort Österreich konkurrenzfähig erhalten wollen. Wir wollen den Betrieben helfen, weil wir der Überzeugung sind, daß die Flexibilisierung, wenn sie sinnvoll eingesetzt wird, Arbeitsplätze sichert und durch sie sogar neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber im Gegensatz zu einigen Arbeitgebern, denen es nur um Kostensenkung auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um mehr "Arbeit auf Abruf" für weniger Geld geht, wollen wir eine echte Flexibilisierung. (Beifall bei der SPÖ.)

Was verstehen wir unter "echter Flexibilisierung"? – Wir wollen die Möglichkeit schaffen, die Anlagen besser auszulasten und die Produktivität zu erhöhen. Anlagen sind dazu da, nach Möglichkeit rund um die Uhr zu produzieren und einlangende Aufträge so schnell wie möglich zu bewältigen. Der entscheidende Punkt in dieser Diskussion ist aber, daß wir der Auffassung sind, daß auch die Seite der Arbeitnehmer von flexiblen Arbeitszeiten profitieren muß und Vorteile haben soll. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann in sehr vielfältiger Art und Weise geschehen. Das kann da oder dort eine tatsächliche Verkürzung der Arbeitszeit sein, das kann in Form einer Lebensarbeitszeit erfolgen, das kann eine Arbeitsplatzgarantie sein, das kann Bildungsfreizeit, das können längere Freizeitblöcke sein. Da soll man der Phantasie keine Grenzen setzen.


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Herr Bundeskanzler! Ich unterstreiche Ihren Satz – ich habe ihn wörtlich mitgeschrieben; ich kann in Zukunft auch diese Formulierung übernehmen –: Die Balance zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberrechten muß gewahrt bleiben, denn nur dann wird die Flexibilisierung die notwendige Akzeptanz finden. – Ich habe es bisher immer so formuliert: Flexibilisierung darf keine Einbahnstraße sein, es muß auch Gegenverkehr geben!, aber ich kann mich ohne weiteres auch mit Ihrer Formulierung anfreunden.

Ich möchte nochmals klar und deutlich unterstreichen: Eine Flexibilisierung zum Nulltarif, verbunden mit Nachteilen für Zigtausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Lande, wird es mit den österreichischen Gewerkschaften und den sozialdemokratischen Abgeordneten in diesem Hause nicht geben! (Beifall bei der SPÖ.)

Damit in unmittelbarem Zusammenhang steht die Frage: Wie sollen wir denn die Flexibilisierung lösen? Sollen wir sie über das Instrumentarium des Kollektivvertrages oder über einzelne Betriebsvereinbarungen lösen? – Dazu kann ich nur sagen: Beides ist notwendig und sinnvoll.

Der Kollektivvertrag soll den Rahmen vorgeben. Wir haben nicht die Absicht – ich unterstreiche das zum wiederholten Male –, dem einzelnen Betrieb auf Punkt und Beistrich genau vorzugeben, was er tun darf und was sinnvoll ist. Man soll vielmehr, ausgehend vom Rahmen des Kollektivvertrages, eine auf den einzelnen Betrieb zugeschnittene Betriebsvereinbarung abschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollektivvertrag bedeutet keine Bevormundung des einzelnen Arbeitnehmers, wie man das gelegentlich hört, sondern der Kollektivvertrag hat eine sehr wichtige Schutzfunktion für Hunderttausende Menschen, die in unserem Lande als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig sind. Daher darf es keine Flexibilisierung ohne Kollektivvertrag geben, weil nur der Kollektivvertrag die Gewähr dafür ist, daß man die Balance, von der Sie, Herr Bundeskanzler, gesprochen haben, auch in Zukunft gewährleisten kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat in den letzten Tagen gerade in dieser Frage wieder Gespräche auf Sozialpartnerebene gegeben. Ich persönlich bin sehr optimistisch und zuversichtlich, daß wir dabei zu einer für beide Seiten akzeptablen und tragbaren Lösung kommen werden.

Lassen Sie mich zu einem zweiten Thema, das mit Beschäftigungsfragen, mit Fragen der Arbeitslosigkeit auch in sehr engem Zusammenhang steht, einige Anmerkungen aus meiner Sicht machen, und zwar zu den Fragen der Berufsausbildung, im besonderen der Aus- und Weiterbildung.

Ich bin sehr froh darüber, daß Sie, Herr Bundeskanzler, sehr weite Passagen Ihrer Regierungserklärung diesem Thema gewidmet haben. Denn viele, die heute keinen Arbeitsplatz finden können, haben das Problem oder das Schicksal, daß sie nicht die notwendige Qualifikation haben, die heute in der Wirtschaft verlangt wird. Ich fordere hier zum wiederholten Male, unsere ganze Kraft dafür einzusetzen, daß man diesen Menschen die notwendige Weiterbildung, die Qualifikation gibt, die die Wirtschaft braucht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß viele junge Menschen heute noch in falschen Berufen ausgebildet werden, in Berufen, von denen wir heute schon wissen, daß sie in zwei, drei oder vier Jahren keine Zukunft im Wirtschaftsleben mehr haben werden.

Die Wirtschaft selbst sagt – und ich unterstreiche das –: Wir werden uns insgesamt nur dann im großen globalen Wirtschaftsgefüge Europa behaupten können, wenn wir bestens ausgebildete Fachkräfte haben. – Die Wirtschaft verlangt das, aber sie ist nicht bereit, umzudenken und mit uns gemeinsam moderne, zukunftsorientierte Flächenberufe – in einer idealen Kombination von praktischer und theoretischer Ausbildung – zu schaffen.

Jenen jungen Menschen, die bereit sind, in unserem Lande einen Lehrberuf zu erlernen, müssen wir eine neue Motivation, die Zuversicht und Hoffnung geben, daß sie dann, wenn sie in


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die Lehre gehen, etwas lernen, mit dem sie in den kommenden Jahrzehnten im Berufsleben einfach ihren Mann oder ihre Frau stellen können.

Darüber hinaus ist eine gute, solide Ausbildung auch ein Garant dafür, daß man mobiler ist, und wenn man Mobilität mitbringen kann, dann schützt das auch vor Arbeitslosigkeit.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch eine sehr wichtige Frage, die Sie, Herr Bundeskanzler, nicht angeschnitten haben. Ich möchte diese in Erinnerung rufen. Im Rahmen all der komplexen Fragen der Aus- und Weiterbildung ist jene der Finanzierung sehr wichtig. Wir sollten, da die gesamte Wirtschaft Fachkräfte braucht, nicht einige wenige damit belasten, die Ausbildung finanziell zu tragen, sondern zu einem fairen Lastenausgleich kommen – ob im Zuge einer Fondslösung oder sonstwie. Es ist jedenfalls egal, welchen Namen diese Konstruktion haben wird, sondern wichtig ist, daß die Betriebe nicht warten, wie die Finanzierung letztendlich ausschauen wird. Aus diesem Grund bilden ja viele derzeit keine Lehrlinge aus. Es muß zu einer korrekten Regelung der Finanzierung kommen, wobei alle, die an guten Fachkräften interessiert sind, das Ihre zur Lösung der Finanzfrage beitragen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich noch kurz ein drittes Thema ansprechen, das für mich als Gewerkschafter in hohem Maße eine gesellschaftspolitische Frage ist. Die 14 Gewerkschaften im Österreichischen Gewerkschaftsbund und der ÖGB haben vor wenigen Monaten als Ergebnis der "Aktion Fairneß" dem Bundeskanzler und damit der gesamten Bundesregierung 300 000 Unterschriften überreicht, mit denen die Forderung erhoben wurde, für die rund 1,3 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter endlich einmal die sozialrechtlichen Unterschiede, die es heute noch gibt, vor allem im Bereich der Kündigungsfristen, der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder bei sonstigen Verhinderungsfällen, aufzuheben.

Der Herr Bundeskanzler hat uns gemeinsam mit dem ehemaligen Sozialminister Franz Hums zugesichert, sehr rasch Initiativen zu setzen, um diese Frage anzudiskutieren und einer Lösung zuzuführen. Wir wissen, das ist eine komplexe Frage, die man auch aus finanziellen Gründen nicht von heute auf morgen lösen wird können. Aber wie bei vielen anderen Fragen hat man halt einen Etappenplan erstellt, nach dem viele einzelne Gewerkschaften bereits erfolgreich vorgegangen sind. Wir sollten endlich einmal beginnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, diesen Weg einzuschlagen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin daher der festen Überzeugung und möchte meiner Hoffnung Ausdruck geben, daß Sie, Herr Bundeskanzler Mag. Klima, und unsere neue Ministerin, Kollegin Hostasch, dieses Ziel mitübernehmen und diesbezüglich Schritte setzen werden, damit diese große gesellschaftspolitische Frage, die eine Ungerechtigkeit für 1,3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darstellt, einer Lösung zugeführt wird.

Darüber hinaus wünsche ich der gesamten Bundesregierung, daß sie in dem, was sie sich in ihrer Regierungserklärung vorgenommen hat, nämlich durch Teamarbeit die Probleme der Zukunft im Interesse der Menschen unseres Landes zu lösen, erfolgreich ist! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Nürnberger begibt sich zur Regierungsbank und reicht Bundeskanzler Mag. Klima die Hand.)

13.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Sie wollen eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten. Ich stelle daher die Uhr danach ein.

13.23

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Sowohl der Bundeskanzler als auch der Vizekanzler haben es für notwendig erachtet, heute "Zehn Jahre große Koalition" beziehungsweise, da diese Koalition nicht mehr so groß ist, also eine Koalition der Verlierer darstellt, also "Zehn Jahre Verliererkoalition" extra vor diesem Haus zu feiern. Die Österreichische Volkspartei hat als einzige deswegen sogar noch eine Party veranstaltet. Die Sozialdemokraten waren wenigstens so ehrlich, zu sagen, daß es ihnen eigentlich genug gewesen sei, von 43,12 Prozent auf 30 Prozent zu schrumpfen. Die ÖVP feiert noch,


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obwohl sie auf dem besten Weg ist, politisch Platz drei in Österreich zu besetzen. Wir werden alles tun, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, um Ihnen dabei behilflich zu sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber eines sollte man bei all dieser Feierstimmung nicht übersehen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank und von den Regierungsparteien: Es gab ein Kennzeichen der Regierungspolitik, und das war die Ausgrenzungspolitik, die der neue Bundeskanzler – ich sage dazu: Gott sei Dank – jetzt weiter fortsetzen möchte, wie wir heutigen Medienberichten entnehmen können. Diese Ausgrenzungspolitik wurde von Vranitzky und Busek betrieben, jedoch siehe da: Beide Herren sind in der politischen Diaspora verschwunden – Herr Dr. Haider hingegen ist immer noch in politischen Amt und Würden, und er wird weiter gewinnen! Darauf können Sie sich verlassen, Herr Klima! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Treten Sie dieses Erbe, das Ihnen Erblasser Franz Vranitzky hinterlassen hat, getrost an! Werden Sie zum braven Schüler und Testamentsvollstrecker! Ich kann Ihnen garantieren, Sie werden genauso enden wie der Bundeskanzler vor Ihnen, nämlich Herr Franz Vranitzky.

Und ich sage Ihnen noch etwas, Herr Bundeskanzler, ich sage Ihnen das im vollen Selbstbewußtsein dessen, was Freiheitliche ausmacht: Wenn Sie glauben, daß es eine Koalition mit der FPÖ geben kann, wobei Sie sich aussuchen können, wer dort Obmann ist, dann liegen Sie damit grundfalsch! Das sage Ihnen heute schon. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie können sich zwar die Obleute bei der Österreichischen Volkspartei aussuchen, jedoch nicht bei den Freiheitlichen. Das lassen Sie sich ins Stammbuch geschrieben sein! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Ausgrenzungspolitik wird jetzt anders umschrieben. Die SPÖ hat nun verkündet, sie wolle eine scharfe Sachauseinandersetzung führen. Eine scharfe Sachauseinandersetzung! Wollen Sie noch einmal eine Kostprobe von eineinhalb Stunden scharfer Sachauseinandersetzung? Herr Bundeskanzler! Ist das Ihre "scharfe Sachauseinandersetzung" mit der FPÖ: ein Sammelsurium von Platitüden? Sie haben sich ja wirklich ehrlich bemüht, keine einzige Worthülse in der politischen Sprache auszulassen. Sie haben sich ehrlich bemüht, alle Gemeinplätze, die Ihr Vorgänger in mehrere Regierungserklärungen hineinverpackt hat, in eine einzige Regierungserklärung aufzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben sich redlich bemüht – mit dem Unterton eines politischen Klosterbruders; ein Unterton, der sogar jedem Fernsehzuschauer aufgefallen ist und der die ÖVP aus gewissen psychologischen Gründen zu Begeisterungsstürmen hingerissen hat. Diesen Unterton eines politischen Klosterbruders hat der Vizekanzler auch gleich bei seiner "Regierungserklärung Nummer zwei" übernommen. Damit haben Sie uns und der österreichischen Öffentlichkeit 70 Minuten lang nur Platitüden, nur Banalitäten und Worthülsen serviert. Abgesehen von der Isolierung von Bundesgebäuden mit Dämmschutzmitteln ist keine einzige Maßnahme in der gesamten Regierungserklärung vorzufinden, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Also wenn das Ihre neue Sachauseinandersetzung mit uns ist, dann können wir getrost so weitermachen, wie wir bisher gearbeitet haben. Und das werden wir auch tun, verlassen Sie sich darauf, Herr Bundeskanzler!

Ich muß jetzt im nachhinein dem Herrn Bundeskanzler außer Dienst Franz Vranitzky doch noch meine Hochachtung zollen (Abg. Koppler: Das hat er sich nicht verdient!) : Eine derartige Regierungserklärung hat er dem Parlament nie vorgelegt! Seine Regierungsvorlagen waren auch nicht gerade der Inbegriff an Konkretheit, Herr Kollege Koppler, es war auch nicht gerade griffig, was uns Herr Bundeskanzler Vranitzky geliefert hat. Aber im Vergleich zu dem, was Sie sich heute dem Parlament vorzutragen erlaubt haben, Herr Bundeskanzler Klima, war das, was uns Herr Bundeskanzler Vranitzky geboten hat, ein intellektueller Hochseilakt.

Meine Damen und Herren! Anneliese Rohrer hatte recht. Es war eine "verpatzte Generalprobe", hat sie gestern in der "Presse" geschrieben. Jene Pressekonferenz, in der Sie Ihr Regierungsteam vorgestellt haben, sei die "schlechteste Pressekonferenz" gewesen: erstaunlich viele leere


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Worte, entgegen allen Erwartungen kaum konkrete Antworten. Und sie meinte weiters: "Phasenweise machte er sogar so viele Worte, daß selbst einer seiner zahlreichen Du-Freunde" – es ist ein Kennzeichen seiner Regierungspolitik, daß er jeden duzt – "wahrscheinlich versucht gewesen wäre, zu sagen: ‘Geh, Vickerl, plausch net.’"

Meine Damen und Herren! Das ist auch das Kennzeichen Ihrer Regierungserklärung von heute. "‘Geh, Vickerl, plausch net’", sagte Ihnen Anneliese Rohrer. Und da Frau Rohrer die Hoffnung hegte, eine verpatzte Generalprobe möge vielleicht dazu führen, daß Ihre Regierungserklärung am heutigen Mittwoch doch noch gelänge, muß sie wahrscheinlich morgen in ihrem Kommentar schreiben: Geh, Vickerl, du hast zu lange geplauscht! Du hast schon wieder geplauscht! Nicht nur die Generalprobe, sondern auch die Premiere, Herr Bundeskanzler, ist verpatzt gewesen! Sie ist danebengegangen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es war auch eine verpatzte Gelegenheit, die eigenen Ankündigungen zu realisieren, nämlich arrondierte Ministeriumskompetenzen zu schaffen. Wir brauchen uns nur anzuschauen – meine Kollegin Haller wird noch darauf eingehen –, was sich die Frauen gefallen lassen müssen. Die Frauenministerin ist jetzt gerade entschwunden. Die Regierung hat ja diesen Kompetenzbereich nach der Devise konzipiert: Der Rest, den niemand will, und die Tiere zu den Frauen! Das war offensichtlich die Devise im neuen Ministeriengesetz!

Was sich die Frauen gefallen lassen müssen, das spottet jeder Johanna Dohnal, meine Damen und Herren! Frau Dohnal wird heute wahrscheinlich zu Hause rotieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Eines muß man sagen: Frau Dohnal hätte es sich nicht gefallen lassen, daß sie nur mehr den Tierschutz, die Tierimpfungen und die Tierärzte betreuen hätte dürfen, nur weil man mit ihrem Ministerium nichts Gescheiteres mehr anzufangen wußte.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht jene Frauenpolitik, die sich die österreichischen Frauen verdient haben. Das ist auch nicht jene Politik, die Ihnen die Europäische Union vorgibt.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Union bemängelt im BSE-Untersuchungsbericht, daß genau jene Kompetenzzersplitterungen, von denen Sie, Herr Bundeskanzler, noch letzte Woche gesprochen haben, den BSE-Skandal erst ermöglicht haben. Ich habe noch in Erinnerung, daß die Frau Gesundheitsministerin gesagt hat: Der Fleischskandal ist nur deswegen möglich, weil es so viele Kompetenzzersplitterungen gibt. Schauen Sie sich jetzt Ihr eigenes Ministeriengesetz an: Es strotzt ja nur so von Kompetenzzersplitterungen im Gesundheitsbereich! Mir tut Frau Hostasch heute schon leid, wenn Sie beim nächsten Fleischskandal der Öffentlichkeit erklären muß, daß Sie schon wieder nicht zuständig ist, daß eigentlich die Frau Prammer oder der Herr Molterer zuständig wären und sich die Österreicher deswegen immer noch nicht darauf verlassen können, daß die Regierung etwas gegen schlechte Fleischqualität tut.

Ich komme zurück zur Vorgeschichte dieser Regierungsumbildung. Die Vorgeschichte ist der CA-Deal. Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Ein erstes Opfer hat dieser CA-Deal bereits bei den Sozialisten gefordert – das können Sie mit Stolz vermerken –, nämlich das Opfer Franz Vranitzky, der von seiner eigenen Partei wegen des Verdachts umzufallen, denn wenn Raiffeisen eingestiegen wäre, hätte er ihnen ja beinahe den Zuschlag für die CA-Bundesaktien erteilt, zum Rücktritt gedrängt wurde. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Dafür hat seine eigene Partei gesorgt und ummäntelt das jetzt nobel. Herr Klima aber zieht Sie über den Tisch. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Natürlich, das können Sie nachlesen, sogar die eigenen ÖVP-Leute sagen Ihnen das heute. Herr Klima zieht Sie über den Tisch. Herr Klima demütigt Sie. Sie kündigen einen Mißtrauensantrag gegen Herrn Klima an, und zwei Wochen später streuen Sie ihm Rosen. Er hat noch nicht ein Zugeständnis in Sachfragen an Sie getätigt, streuen Sie ihm bereits Rosen und jubeln ihn hoch, geben ihm Blankovollmachten und sagen – frei nach der Devise des Andreas Khol –: Wenn schon bei uns Schluchzen und Jammern angesagt ist, soll wenigstens bei den Sozialisten Freude herrschen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Die Devise des Andreas Khol lautet ja, wie er uns heute wortreich vorgetragen hat: Ich schluchze, ich jammere, daher bin ich bei der ÖVP. – Meine Damen und Herren! Das ist eine Partei mit "Zukunft", die auf dem Weg zur politisch dritten Kraft in diesem Lande ist.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Im Vergleich zu dem, was Obmann Schüssel zustande bringt und brachte, ist ja sein Vorgänger, Herr Busek, ein wahrer politischer Weltmeister. Glauben Sie mir das, Herr Vizekanzler Schüssel! Er hat es nie notwendig gehabt, seine eigene Partei aufgrund eigenen Versagens als "Staudenhocker" beschimpfen zu müssen. Er ist vorher gegangen! Meine Damen und Herren von der ÖVP, wissen Sie, was Sie sind? – Ihr eigener Obmann sagt, Sie seien Staudenhocker, weil er nicht in der Lage ist, sich gegenüber den Sozialisten durchzusetzen. Na wie denn auch, wenn Sie sich permanent bemühen, bessere Sozialisten zu sein! Heute kursiert ja in der ÖVP der Witz, daß der beste Zentralsekretär bei der SPÖ seit Fritz Marsch Wolfgang Schüssel heiße. Denn in seiner eigenen Partei glaubt ihm ja niemand mehr etwas. Dort nimmt man ihn auch nicht mehr ernst. Bei den Sozialisten glaubt man ihm noch, nimmt ihn noch einigermaßen ernst beziehungsweise benutzt ihn. Herr Jellasitz hat ihm ausgerichtet: Kommt nicht in Frage, was du willst in Wien! Der Herr Bundespräsident hat auch noch versucht, in die Parteipolitik einzusteigen und Herrn Jellasitz unter Druck zu setzen. Seine eigene Partei zeigt ihm mittlerweile die kalte Schulter. Dafür, so sagt man ihm, solle er sich bei den Sozialisten schadlos halten, was er auch mit übertriebenem und ausgiebigem Lob tut.

Meine Damen und Herren! Diese Regierung ist eine Übergangsregierung. Diese Regierung hat keine Zukunft. Das weiß jeder Journalist, der heute zugehört hat, als der Bundeskanzler seine leere Regierungserklärung hier heruntergedroschen hat (Beifall bei den Freiheitlichen), als sich der Vizekanzler bemüht hat, auch noch den politischen Klosterbruder zu spielen. Diese Regierung hat keine Zukunft. Es wird zu einer Auseinandersetzung zwischen dieser Regierung, geführt von der SPÖ, und den Freiheitlichen kommen. Es wird die Auseinandersetzung zwischen Klima und Haider stattfinden. Die ÖVP wird eine Quantité négligable, eine vernächlässigbare Größe, sein. Dafür hat sie selbst gesorgt. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Den Reformstau, den Sie in den vergangenen zwei Wochen wortreich beklagt haben, diesen Reformstau wird nur eine Partei in diesem Lande aufheben können: Das wird die Freiheitliche Partei sein, wenn sie in Regierungsverantwortung gelangt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: "Gott schütze Österreich!")

13.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tichy-Schreder. –Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. (Ruf bei der SPÖ – in Richtung Freiheitliche –: Das war eine Märchenstunde für das Kinderprogramm!)

13.35

Abgeordnete Ingrid Tichy-Schreder (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Mag. Stadler, ich glaube, Sie dürften diesen Plenarsaal mit einem Kabarett verwechseln. Als Nachwuchskabarettist sind Sie noch etwas schwach. Unsere Kabarettisten in Österreich sind wesentlich besser als das, was Sie hier geboten haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit den Zukunftsaspekten, welche die österreichische Bundesregierung vor Augen hat, auseinandersetzen, speziell mit jenen, die jetzt auf den neuen Finanzminister zukommen werden. Ich sehe da drei Punkte.

Der erste Punkt ist die dringend notwendige weitere Budgetkonsolidierung. Da möchte ich den Finanzminister ersuchen, daß er zunächst einmal nach den ersten Maßnahmen, welche die Regierung vergangenes Jahr gesetzt hat, eine Evaluierung des Budgets vornimmt, um zu erkennen, wie die Zukunft aussehen soll. Ich bin dem Herrn Bundeskanzler dankbar dafür, daß die einhellige Auffassung besteht, daß jetzt die nächsten Budgets verhandelt werden sollen, damit eine sachgerechte Arbeit in einem gewissen Zeitrahmen planmäßig vor sich gehen kann.

Der zweite Punkt, um den ich den Herrn Finanzminister ersuchen möchte, ist, verstärktes Augenmerk auf eine Gesundung beziehungsweise eine tatkräftige Etablierung eines Kapital


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marktes zu richten, eines Kapitalmarktes, der auch die sogenannte Mittelstandsbörse bringen soll, damit Klein- und Mittelbetriebe die Möglichkeit haben, sich Mittel an der Börse zu verschaffen. Dies sollte österreichweit geschehen. Der Finanzminister hat es als Wiener gegenüber den Bundesländern nicht sehr einfach. Aber ich halte ihm eines zugute: Er kennt die Finanzreferenten aus den Bundesländern, er hat sehr gute Kontakte, und ich hoffe, daß er diese in Zukunft im gemeinsamen Interesse an Österreichs Finanzen nützt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der dritte Punkt, der in den Bereich des Finanzministers fällt und auf den ich zu sprechen kommen möchte, ist der Euro. Die österreichische Wirtschaft braucht den Euro, die gemeinsame Währung. Ich als Vertreterin der Klein- und Mittelbetriebe habe selbst in meinem Betrieb erfahren, wie schlimm es ist, mit vier, fünf Währungskonten zu arbeiten, mit Abwertungen, Aufwertungen, wie notwendig es ist, um wettbewerbsfähig zu sein, daß man eine entsprechende gemeinsame stabile Währung hat. Da liegt es an der Regierung unter Federführung des Finanzministers, die Bevölkerung, unsere Mitbürger aufzuklären, wie stabil in Zukunft die gemeinsame Währung sein soll.

Um aber diese Stabilität der österreichischen Währung auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen wir verstärkt in den Bereich Bildung und Forschung hineingehen. Ich bin sehr froh darüber, daß jetzt im Zuge des Verkaufs der Creditanstalt-Bankverein zwei weitere Forschungsmilliarden zur Verfügung stehen. Es geht darum, Programme zu entwickeln, nicht nur zu beklagen, daß die Betriebe zuwenig für Forschung ausgeben. Es sind nicht nur von seiten des Staates mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, sondern auch jene Rahmenbedingungen zu setzen, die es der Privatwirtschaft auch ermöglichen, Forschungsmittel aufzuwenden, denn es ist sehr kostspielig, in Forschung und Entwicklung zu gehen. Es ist dringend erforderlich, zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Finanzministerium gemeinsame Projekte zu erarbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Ausbildung betrifft, Herr Kollege Nürnberger – auf die duale Berufsausbildung wird mein Kollege Trinkl noch zu sprechen kommen –, möchte ich Ihnen folgendes sagen: Es geht um eine qualitativ gute Ausbildung, es geht um verwandte Berufe, es geht nicht nur um einen Berufsbrei. Denn ich habe erlebt, daß Menschen, die in einem Spezialberuf gut sind, oft auch die nötige Flexibilität haben, in andere Berufe umzusteigen. Wenn ich eine gute Ausbildung habe, mit der ich mehr Möglichkeiten schaffe, dann gelingt es mir auch, in andere Berufe umzusteigen. Ich glaube, das ist notwendig, und in dieser Richtung sollten wir verstärkt etwas tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Es geht auch darum, daß wir, was die universitäre Ausbildung betrifft, bedenken, wie lange die Studienzeiten sind. Sie sind im europäischen Vergleich zu lang. Wir müssen darangehen, die Studienzeiten zu verkürzen. Wir haben einen Schritt bereits gesetzt durch die Einrichtung der Fachhochschulen. Aber es geht im Interesse unserer Jugend auch darum, die Studienzeiten zu verkürzen, damit sie Chancen in anderen Bereichen hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da ist vielleicht auch der Finanzminister mit der strengeren Hand der Finanzmittel gefordert. Wir haben auch in Zukunft überall mehr Kreativität einzubringen.

Ich hoffe, daß es mit dieser neuen Mannschaft gelingen wird, rascher und konkreter zu erfolgreichen Gesetzen und zu erfolgreichen Wegen zu kommen und daß das bald in die Tat umgesetzt wird, damit die Bevölkerung diese positiven Veränderungen um den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich erleben kann. (Beifall bei der ÖVP.)

13.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Haselsteiner. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 15 Minuten.

13.41

Abgeordneter Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! (Abg. Dr. Schmidt: Er ist nicht da!) Herr Vizekanzler! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben letzten Mittwoch mit dem damaligen Finanzminister über das "schwere Erbe", wie wir


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es getauft haben, debattiert, und ich glaube, wir haben Übereinstimmung darin erzielt, warum die Aufgabe, die sich dieser neuen Regierung in den kommenden Jahren stellt, beileibe keine einfache sein wird.

Ich möchte noch einmal zusammenfassen: Es ist richtig, Herr Schüssel, was Sie gesagt haben: Österreich ist ein wohlhabendes Land, und wir haben Stabilität. Das wird nicht bestritten, das wird auch immer wieder als eine der Errungenschaften dieser Regierung anerkannt, aber die Kritik geht in die Richtung: Um welchen Preis haben Sie diesen Zustand erreicht?

Diesbezüglich, meine Damen und Herren, sprechen leider Gottes – auch wenn es die Regierungsparteien und die Regierungsmitglieder zehnmal nicht sagen wollen – die volkswirtschaftlichen Daten eine deutliche, eine, wie ich glaube, alarmierende Sprache. Es ist nun einmal wahr, daß wir in der Zwischenzeit nicht mehr Wachstumsführer, sondern Wachstumsschlußlicht sind. Es ist nun einmal wahr, daß der Trend bei der Staatsverschuldung – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern – in die falsche Richtung weist. Es ist nun einmal wahr, daß die Gesamtzahl der Erwerbstätigen zurückgegangen ist und die Erwerbsquote – insbesondere jene der Frauen – alarmierend ist.

Meine Damen und Herren! Das hat nichts mit Krankjammerei zu tun; das ist lediglich Ihr Abwehrreflex. Wenn man kritisiert, heißt es: Um Gottes Willen, der will krankjammern! – Ich will nicht krankjammern, aber ich will auch diese Gesundbeterei nicht. Ich will nicht nur eine Seite der Medaille sehen, ich möchte, daß wir beide Seiten nüchtern betrachten. Nur dann werden wir weiterkommen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich glaube, es ist dem Herrn Bundeskanzler in dieser kurzen Zeit nichts anderes zuzumuten gewesen, als hier eine schlagwortartige Regierungserklärung vorzulegen. Ich meine, daß es Schlagworte sind und daß es viele Formeln gibt, ist richtig, aber es war wohl auch nicht anders zu erwarten. Aber eines sollten wir positiv anmerken: Er hat die Zeichen der Zeit erkannt und sie auch formuliert.

Es freut mich im besonderen, daß da oder dort doch, wie mir scheint, auch Überlegungen eingeflossen sind, die wir, seit wir als Liberales Forum in diesem Haus sitzen, immer zu unserem eigenen wesentlichen Standpunkt gemacht haben. Die Fragen des Rückbaus des Staates, der Flexibilisierung von Arbeitszeit und Gewerbeordnung, die Fragen der sozialen Netze und der Treffsicherheit von Transfers sind nunmehr in diesem Papier erkennbar. Sie sind beantwortet. Die Frage für mich ist die: Werden sie auch umgesetzt werden?

Ich habe aufgrund verschiedener Vorbereitungszeiten schon einige Regierungserklärungen und viele Budgetreden gelesen, und ich finde im Grunde immer wieder dasselbe – und das schon viele Jahre hindurch: In der Analyse der Situation ist sich dieses Haus immer schon einig gewesen – auch vor drei Jahren, auch vor fünf Jahren, sogar vor zehn Jahren, als diese Koalition an die Macht kam –, aber in der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen, um ein bestimmtes definiertes Wunschziel zu erreichen, gingen die Meinungen auseinander. Das ist nach meinem Dafürhalten auch das Problem dieser Regierung Klima I. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie mich einige Beispiele dafür nennen: Es ist klar, wir haben das größte Problem – das kann nicht oft genug gesagt werden – in der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen. Wir haben verschiedene Instrumentarien, von denen wir schon in dieser und in einer anderen Regierungserklärung gehört haben, zum Beispiel die Ökologisierung unseres Steuersystems, Entlastung des Kostenfaktors Arbeit und Belastung von nichterneuerbaren Ressourcen.

Herr Schüssel meinte heute, bei den Kosten der Arbeit müsse man etwas tun, aber natürlich nicht in dem Sinne, daß die Arbeit insgesamt billiger wird und die Menschen weniger verdienen. – Ja, Herr Schüssel, das haben Sie doch schon mehrfach gesagt, es ist nur bisher nicht umgesetzt worden. Und warum ist es nicht umgesetzt worden? – Weil Sie in Ihren eigenen Reihen gescheitert sind. Sie sind nicht an der Opposition gescheitert, Sie sind nicht gescheitert, weil die Bevölkerung eine solche Umstellung nicht wollte, sondern Sie sind daran gescheitert, daß Sie in Ihren Regierungsfraktionen Lagerbildungen haben, die reflexartig eine Erneuerung, einen Re


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formschub des jeweils anderen Lagers verhindern. Das führt zur Lähmung der Politik, wie wir sie beobachten können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn Sie, Herr Schüssel, heute sagen – was mich besonders entsetzt hat –, Sie werden die Sozialpartner wieder mit der Frage der Arbeitszeitflexibilisierung befassen, dann muß ich sagen: Um Gottes willen! Herr Schüssel und Herr Klima, ich bitte Sie, regieren Sie einmal selbst und lassen Sie nicht ununterbrochen von den Sozialpartnern regieren! Lösen Sie selbst die Probleme! Kommen Sie mit einem Lösungsvorschlag in dieses Hohe Haus, dann werden Sie sogar Applaus der Opposition bekommen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Verzetnitsch, das werden wir noch sehen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenruf des Abg. Nürnberger. )

Meine Damen und Herren! Wir kennen die schwierige Lage und wissen, daß der Wirtschaftsstandort Österreich gefährdet ist. Das kann man unschwer erkennen, man braucht nur die Wirtschaftsseite aufzuschlagen, dann weiß man, wer absiedelt, wer zusperrt, wer in Insolvenz gerät. Diese Betriebe tun das ja nicht freiwillig, und wir alle kennen die Folgen. Das wäre einer der Ansatzpunkte, wo wir eingreifen müssen.

Aber diesbezüglich, Herr Bundeskanzler, hat mich Ihre Regierungserklärung elektrisiert, denn Sie sagen, was wir brauchen, ist ein Standortmarketing. Das einzige, was ich Ihnen zugute halten möchte, ist, daß Sie diesen Satz nicht selbst geschrieben haben, denn als erfahrener Mann der Wirtschaft müssen Sie wissen, daß mit Marketing nur ein gutes Produkt verkauft werden kann. Was wir brauchen, ist eine Basis, um das Produkt entsprechend herzustellen. Wir müssen den Wirtschaftsstandort Österreich so gestalten, daß er angenommen wird, dann ist er ein Selbstläufer, dann werden die Investitionen und die Unternehmungen kommen. Ich will nicht bestreiten, daß wir in der Vergangenheit einigen Erfolg zu verzeichnen hatten, aber wir haben auch den gegenläufigen Trend. Da müssen wir wesentlich mehr tun. Wir müssen den Standort Österreich in der Qualität verbessern und ihn nicht nur vermarkten. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Eine weitere Facette in dieser Debatte ist, daß wir uns immer in die Brust werfen und behaupten, wir hätten ein Steuersystem, das vorbildlich in Europa ist. Ich gebe gerne zu – und ich habe es auch schon oft von diesem Pult aus anerkannt –, daß wir in der Unternehmensbesteuerung mit der zweiten Steuerreform tatsächlich einen Fortschritt gemacht haben. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß wir im Gegensatz zu Deutschland 20 Prozent Mehrwertsteuer tragen. In Deutschland sind es 16 Prozent, und diese 4 Mehrwertsteuerprozentpunkte sollten uns nicht stolz machen. Wir haben unsere Steuerreform – das muß man zugeben –, auch erkauft mit eben einer hohen Verbrauchsteuer. Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein, insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, die Sie ja immer so besonderen Wert auf den sozialen Ausgleich legen und ihn auch immer im Mund führen. Das darf man nicht verschweigen, wenn wir die aktuellen Probleme der Armut, die Probleme des sozialen Ausgleichs besprechen.

Ich sage das hier, weil meiner Fraktion und mir persönlich sehr oft die soziale Kälte entgegengehalten wird, als wäre es nicht unser Anliegen genausogut wie Ihres, daß wir in diesen wesentlichen Bereichen, die die Grundlage für alles sind, auch für das Wirtschaften, entsprechenden Fortschritt erreichen sollten. Wir Liberalen glauben, daß die soziale Komponente für eine florierende Wirtschaft unersetzlich ist – und nicht umgekehrt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Lassen Sie mich aber zur Regierungserklärung zurückkommen. Der Herr Bundeskanzler hat zum Beispiel in seiner Regierungserklärung noch etwas Wichtiges aufgegriffen, was wir schon seit langem fordern, und zwar das Thema Rückbau des Staates. Er spricht davon, daß der Verwaltungsstaat zum Dienstleistungsstaat transformiert wird. Das, Herr Bundeskanzler und Herr Vizekanzler, ist wahrhaftig ein dringliches Anliegen, das wir schon immer als solches empfunden haben.

Warum? – Österreich hat 22 von 100 Beschäftigten im öffentlichen Dienst, Deutschland – da sind sie noch lange nicht Weltmeister – hat 16 von 100 Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die


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Schweiz – und auch sie ist noch nicht Spitze – hat nur mehr die Hälfte von Österreich, nämlich elf von 100 Erwerbstätigen im öffentlichen Dienst. In Japan sind sechs von 100 Erwerbstätigen im öffentlichen Dienst.

Anhand dieses Vergleiches, meine Damen und Herren, können Sie erkennen, in welchem Würgegriff wir uns befinden. Uns bringt die Zentralregie um, würde ein Unternehmer sagen. Bei der Zentralregie müssen wir eingreifen, dort haben wir ein Einsparungspotential!

Und nun hat der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung genau das gesagt: Jawohl, wir müssen vom Verwaltungsstaat zum Dienstleistungsstaat kommen. Er hat noch mehr getan: Er hat im Kompetenzänderungsgesetz einen Staatssekretär dafür vorgesehen.

Ich erinnere mich noch gut daran: Ich habe einmal einen Besuch bei einem prominenten ÖVP-Minister in seinem Ministerium gemacht, und der war damals schon Minister für Verwaltungsreform, und schon vor ihm gab es einige andere, und alle in dieser Partie hat nur ein Mann überlebt, und das ist Herr Dohr.

Jetzt, Herr Bundeskanzler, ist die große Frage: Wie werden Sie diesen Vorstellungen, die Sie richtigerweise erkannt und analysiert haben, gegen den Widerstand von betroffenen Gruppen, von betroffenen starken Gruppen, von Gruppen mit politischer Macht durchsetzen? Wie werden Sie diesen Widerstand brechen, und wie werden Sie die richtigen Vorstellungen, die Sie uns hier vorlegen, umsetzen? – Daran, Herr Bundeskanzler, werden Sie gemessen werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Keinesfalls – das nur in Schlagworten, meine Damen und Herren – kann es sein, daß wir die Pragmatisierung mit Zähnen und Klauen verteidigen, daß wir Lächerlichkeiten wie Mittagspausen für Beamte verteidigen – ich meine, da wird einem als Wirtschafter ja ganz schwummerig, welche Themen es in diesem Land gibt –, und es kann nicht sein, daß wir über lange Verfahrensdauer immer nur reden und daß wir geschlossene Ämter haben, wenn die Menschen Zeit hätten, ihre Obliegenheiten beziehungsweise ihre behördlichen Wege zu erledigen. Das sind die falschen Ansätze.

Das hat nichts mit den Extrempaaren – einer sagt, nichts darf verändert werden, und der andere sagt, Markt, Markt, Markt –, wie Sie sie in einem anderen Zusammenhang genannt haben, zu tun. Das sind nicht die Gegenpaare, wie Frau Dr. Schmidt schon festgestellt hat. Sie werden ja auch mißbräuchlich verwendet! – Herr Dohr befürchtet: Ja wenn wir das machen, das ist ja Markt, Markt, Markt, und das ist schlecht! Und jemand anderer, der einen radikalen Veränderungswunsch hat, meint: Nichts bewegt sich! – Auf diese Art und Weise blockieren wir uns nur selbst.

Sie, Herr Bundeskanzler, verfolgen sozusagen die Vorstellung des – Sie sagen "Outsourcing", denn Sie lieben dieses Wort, wie ich weiß; ich habe kein Problem damit – Auslagerns von staatlichen Dienstleistungen in andere Organisationsformen, zum Beispiel in private. Ich bin natürlich ein Anhänger einer solchen Vorgangsweise und habe schon immer gesagt: Der Staat muß sich einmal dessen bewußt werden, was er zwangsläufig in seiner Hoheitsverwaltung selbst machen muß und was ausgelagert werden kann. Die Frage ist nicht umgekehrt zu stellen: Was darf der Staat machen?, sondern sie hat zu lauten: Was muß er unbedingt machen?, und darauf ist er zu beschränken. Alles, was ein anderer, ein Privater, machen kann, soll dieser machen, denn, meine Damen und Herren, er macht es besser, er macht es billiger, er macht es mit einer anderen Triebfeder, und diese Triebfeder ist sein eigenes Interesse und seine eigene Verantwortung. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg.


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Koppler: Dann gibt es keine Konkurse!)

Wenn Sie, Herr Schüssel, sagen, es sei eines der großen Verdienste dieser Regierung Vranitzky, daß sie den verstaatlichten Bereich losgebracht habe, dann muß ich sagen: Ja, aber sagen Sie wenigstens dazu, daß dies zu Lasten der Steuerzahler erfolgt ist und mit einem 120-Milliarden-Schilling-Geschenk einhergegangen ist. Das entspräche einfach der Fairneß, und die politische Hygiene erfordert es, daß Sie diese zweite Seite wenigstens erwähnen würden. Nicht Sie, nicht die Koalitionsregierung hat dieses Verdienst, sondern die Österreicher, die 120 Milliarden Schilling gebüchselt haben für diese Partie. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Koppler: Dann müssen Sie fairerweise auch sagen, was diese Betriebe für den Aufbau Österreichs gemacht haben!) Mache ich, Herr Koppler! Mache ich, Sie wissen das. (Abg. Koppler: Sagen Sie, was diese Betriebe geleistet haben!) Herr Koppler, geben S’ Ruh’! (Abg. Koppler: Aber es stimmt ja! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kehren wir aber noch einmal zu diesen Vorstellungen zurück. Wir haben ja einiges privatisiert. Unser Herr Wirtschaftsminister hat privatisiert, aber – es tut mir leid, daß ich das hier sagen muß – es ist für mich wirklich unerträglich, wenn ich im Ausland mit einem lachenden Gesicht empfangen werde und höre: Aha, Sie kommen aus dem Land der Vignette! Oder: Sie kommen aus dem Land der Werkverträge! Oder: Sie kommen aus dem Land von Sowieso. (Abg. Schwarzenberger: Sie kommen aus dem Land der Goldeck-Seilbahn!)

Meine Damen und Herren! Das muß einmal erwähnt werden: Durch Inkompetenz ruinieren Sie von der ÖVP einen richtigen und wichtigen Grundsatz. Wir müssen Outsourcing betreiben, aber wir müssen es auch können! Wir müssen outsourcen und auch die Verantwortung dafür übernehmen – aber nicht so einen Pfusch liefern, wie es in diesem Fall nachweislich geschehen ist. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Dieser Pfusch – das muß man einmal sagen, meine Damen und Herren von der ÖVP – existiert nicht nur da: Sie haben diesbezüglich auch noch andere Dinge auf Lager. Herr Stummvoll ist leider nicht anwesend, aber ein Stichwort heißt ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. (Zahlreiche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das, meine Damen und Herren, sind keine Gesetze und keine Maßnahmen, die den Wirtschaftsstandort Österreich stärken und eine Problemlösung für die wesentlichen Dinge mit sich bringen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zum Schluß, Herr Bundeskanzler, möchte natürlich auch ich Ihnen und den neuernannten Regierungsmitgliedern, aber auch den alten alles Gute wünschen. Wir werden unsere bisherige, von meiner Seite her sachliche und hin und wieder sogar sehr spannende Zusammenarbeit – wenn ich das so sagen darf – fortsetzen, und wir werden Sie, Herr Bundeskanzler, daran messen, wie Sie diese Widerstände in Ihrer eigenen Partei und bei Ihrem Koalitionspartner brechen. Es ist völlig Ihnen überlassen, ob Sie da mit dem Zuckerbrot oder mit der Peitsche vorgehen – um ein Sinnbild zu übernehmen –: Brauchen werden Sie beides; bei der einen Seite vielleicht ein bißchen mehr die Peitsche, das mag schon sein.

In jedem Fall wünsche ich Ihnen viel Erfolg! Und weil ich vom Bau bin, erlaube auch ich mir, dieses schöne Bau- und Mineurwort, das der Herr Klubobmann schon vorweggenommen hat, auszusprechen: Herr Bundeskanzler, Glück auf! (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

13.57

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren von der Regierung! Viktor Klima hat in seiner Regierungserklärung die Schwerpunkte hervorgestrichen, und zwar absolute Priorität für Beschäftigung und den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Herr Haselsteiner! Das ist uns Sozialdemokraten wichtig. – Flirten Sie jetzt nicht mit unserer Sozialministerin (Abg. Dr. Haselsteiner: Ich flirte auch mit Ihnen!) , denn sie ist für Werkverträge und für die Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, die Ihnen ja so ein Dorn im Auge sind, zuständig, aber plötzlich finden Sie Kontakte zu ihr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Haselsteiner: Ich habe ihr gratuliert!)

Herr Haselsteiner! Selbstverständlich sind wir für den sozialen Ausgleich, und wir führen ihn nicht nur im Mund, sondern sind auch bestrebt, ihn durchzusetzen. Aber Ihre ökonomische Brille ist sehr stark auf die Wirtschaft eingefärbt, und ich finde das sehr bedauerlich. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Es ist Ihnen auch entgangen, daß sich Herr Bundeskanzler Viktor Klima wiederholt bei den Österreicherinnen und Österreichern bedankt hat. Das heißt, es ist ihm durchaus bewußt, wer


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diese Leistung von 120 Milliarden Schilling erbracht hat. Er hat sich auch immer wieder dafür bedankt, daß die ÖsterreicherInnen beim Sparpaket mitgegangen sind.

Es gibt auf dem Arbeitsmarkt – wie Viktor Klima erwähnt hat – einen fundamentalen Strukturwandel, und er meint – das geht auch aus seiner schriftlichen Unterlage hervor –, wir müssen Mobilität lernen und lehren. – Ja, Mobilität lernen und lehren, aber, Herr Bundeskanzler, wir müssen auch eines vermeiden: die Polarisierung am Arbeitsmarkt der Binnengemeinschaft zwischen gut verdienenden, mobilen und sich ständig weiterbildenden Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen und jener Gruppe der nicht mobilen – das sind meistens die Frauen. Hinzufügen müßte man vielleicht noch, daß das auch eines nach sich zieht, denn man müßte nämlich sagen: Es lebe der Single! Der ist sehr mobil und kann sich ständig weiterbilden.

Eine möglichst gute Beschäftigungslage, wie sie vom Bundeskanzler angestrebt und – davon bin ich überzeugt – auch verwirklicht werden wird, ist der beste Garant zur Absicherung der Sozialstandards. Ein gut ausgebauter Sozialstaat ist nämlich ein wichtiger Faktor für Gerechtigkeit, Stabilität und Kaufkraft in einer hochentwickelten Industriegesellschaft. Aber gesellschaftliche Solidarität, wie sie auch gefordert wurde, kann nur funktionieren, meine Damen und Herren, wenn möglichst alle Menschen Arbeit und damit Einkommen haben.

Entgegen aller Meinungen, die die Finanzierbarkeit des Sozialstaates immer wieder in Frage stellen, legen wir Sozialdemokraten ein klares Bekenntnis zum Sozialstaat, zur finanziellen Absicherung und zur Sicherung der Rechte der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Mittelpunkt einer offensiven Sozialpolitik steht selbstverständlich auch die Situation der Frau in der Arbeitswelt, stehen der Ausbau und die Sicherung ihrer Rechte.

Frau Schmidt! Wenn Sie meinten, daß die Absicht bestanden hat, das Frauenministerium abzuschaffen, dann haben Sie wahrscheinlich das Gras wachsen hören – und das kann jetzt im Winter nicht wachsen. Wie Sie die Frauen und den der Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Konsumentenschutz zugeordneten Kompetenzbereich beurteilen (Abg. Mag Barmüller: Leider ist sie schon lange weg!) , läßt nur den Schluß zu, daß Sie Frauen als niedrige Wesen einstufen.

Ich jedenfalls möchte der Frauenministerin viel Kraft und viel Erfolg bei der Durchsetzung ihrer Anliegen, die auch unsere sind, wünschen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Langthaler: Sie ist schon lange weg!)

Sie wird sich wahrscheinlich erlaubt haben, um zwei Uhr nachmittag essen zu gehen.

Es ist gewissermaßen ein Paradoxon, daß sich Frauen einerseits in der Arbeitswelt befinden, andererseits in einer Familienwelt, aber diese beiden Welten muß frau eben verbinden. Die Rolle der Frau hat sich tatsächlich entscheidend verändert. Es ist die Bildungsbeteiligung der Frauen gestiegen, es hat sich die Erwerbsquote erhöht, Frauen haben heutzutage eine größere ökonomische Unabhängigkeit.

Es ist eine Tatsache, daß in den letzten Jahren auch hier in diesem Hohen Haus für die Frauen positive Gesetze, Gesetze im Sinne der Frauen geschaffen wurden. Denken wir nur an das Gleichbehandlungspaket. Oder denken wir daran, daß wir für die Frauen Pensionszeiten auch in Form der Anrechnung von Kindererziehungszeiten geschaffen haben.

Dennoch müssen wir immer wieder aufzeigen, daß Frauen in der Familie, daß Frauen in der Gesellschaft, daß Frauen in der Wirtschaft benachteiligt sind, und daß Frauen, obwohl sie eine höhere Erwerbsquote aufweisen und eine größere ökonomische Unabhängigkeit besitzen, nahezu alleinzuständig für die Familienarbeit sind.

Arbeitswelt bedeutet für Frauen immer noch geringeres Einkommen und damit niedrigere Bemessungsgrundlagen in der Sozialversicherung, unterbrochene Erwerbslaufbahnen wegen Fa


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milienarbeit, und daraus resultieren geringere Versicherungszeiten und höhere Arbeitslosigkeit, auch Langzeitarbeitslosigkeit.

Die Folgen kann man etwa im Sozialbericht 1995 nachlesen: niedrigere Pensionen, niedrigere Sozialleistungen, wie Notstandshilfe, Arbeitslosengeld und Krankengeld.

Stichwort Widersprüchliches: hoher Wohlstand und gleichzeitig Armut. Stichwort Armut: Armut kann jeden treffen, sagt der Bundeskanzler mit Recht, aber besonders gefährdet sind Alleinerzieherinnen und Familien mit geringem Einkommen bei Arbeitslosigkeit, Verschuldung et cetera.

Faktoren, die verstärkt zu Frauenarmut führen, sind beispielsweise Formen der Teilzeitarbeit, Arbeit auf Abruf, Beschäftigung unter der ... (die Rednerin zögert kurz – Ruf bei der SPÖ: Geringfügigkeitsgrenze!) ... Geringfügigkeitsgrenze, danke. Jetzt habe ich fast einen "Filmriß" gehabt. (Abg. Haigermoser: Hoffentlich haben Sie nicht die falsche Rede erwischt!) Hier ist nämlich die Existenz nicht gesichert.

Herr Abgeordneter, ich habe Sie leider nicht verstanden. Aber das ist wahrscheinlich nicht schlimm. (Abg. Haigermoser: Hoffentlich haben Sie nicht die falsche Rede mit!)

Nein, das habe ich vorher kontrolliert. Ich habe nämlich nicht das Problem, das Sie haben: Sie verwenden immer denselben Wortlaut. Ich nehme mir daher auch Unterlagen mit. (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Situation der Frau in der Familienwelt bedeutet auch – das habe ich schon erwähnt – die Alleinzuständigkeit für Familienarbeit. Dadurch erbringen die Frauen eine längere Gesamtarbeitszeit und den Großteil der unbezahlten Arbeit; die bleibt ihnen nämlich. Auch hier legen wir ein klares Bekenntnis ab, auch hier haben wir ein Konzept, um geeignete Maßnahmen setzen zu können. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Machen Sie mit?

Einige dieser Maßnahmen nur kurz erwähnt: Sonderprogramme für Wiedereinsteigende nach der Karenzzeit, spezielle Förderungen für Mädchen und Frauen hinsichtlich einer Erweiterung des Berufsspektrums und Förderung der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, aber auch arbeitnehmerfreundliche – und das sollte auch heißen: familienfreundliche – Flexibilisierung der Arbeitszeit auf Kollektivvertragsebene.

Wir bekennen uns also zur Offenheit für neue Arbeitsformen. Heute schon gibt es den Trend zu Arbeitszeitformen, die nicht in das herrschende Versicherungssystem fallen. Daher werden wir, wenn wir schon Flexibilisierung wollen, eine Absicherung einziehen müssen. Wegen der besonderen Lebenssituation der Frauen sind diese Arbeitszeiten heute nämlich meist frauen- und auch familienfeindlich. Die echte Lösung einer Flexibilisierung muß für beide Seiten Vorteile bringen. Daher muß verhindert werden, daß Flexibilisierung nur ein Synonym für Lohnkürzungsprogramme und Arbeitsplatzreduktionsprogramme wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir Sozialdemokraten von Gleichbehandlung und Gleichstellung sprechen, so meinen wir damit konkret die gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen. Wir brauchen also Lebens- und Arbeitsformen, die den Frauen den gleichen Zugang zur Beschäftigung, den gleichen Zugang zur Ausbildung, den gleichen Zugang zu beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten garantieren, ebenso die Gleichheit des Entgeltes und gleiche Bedingungen am Arbeitsplatz für unselbständig Erwerbstätige, aber auch Selbständige.

Um aber nicht an der Grenze des Privaten – oft hat man den Eindruck, das Private berühre nur die Familie, die Frau, den Mann, die Kinder – zu scheitern, indem die Vorteile des kleineren Teils der Bevölkerung, nämlich der Männer, geschützt werden und die Nachteile der anderen, nämlich der Frauen, verschleiert werden, und dieses Verhalten dann noch als höchst privat eingestuft wird, muß es zu einer Weiterentwicklung, zu einem Bewußtseinsänderungsprozeß und zu einer Weiterentwicklung des Ehe- und Familienrechts kommen.

Ein weiterer Schwerpunkt betrifft unsere Positionen zur Familienförderung. An vorderster Stelle steht nach wie vor der Ausbau von Sachleistungen, wie Kinderbetreuungseinrichtungen in viel


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fältiger Form und die Sicherung bestehender Sachleistungen – ich betone: Sachleistungen; der Herr Bundesminister für Familienangelegenheiten ist nicht da –, nicht aber eine Umwandlung in Geldleistungen, wie etwa bei der Schulbuchaktion oder Schülerfreifahrt. (Beifall bei der SPÖ.)

Weiters wollen wir das Prinzip der Individualbesteuerung beibehalten und die Familienförderung nicht allein auf Steuerpolitik reduziert wissen. Wir sehen Familienförderung umfassend: ein Maßnahmenkatalog von Transfers, steuerlichen Maßnahmen, Leistungen der Gemeinden und der Länder, Sachleistungen und Leistungen der Sozialversicherungen. Im Mittelpunkt einer allfälligen Reform der Familienförderung müssen daher einkommensschwache Familien stehen, Mehrkindfamilien und AlleinerzieherInnen mit niedrigem Einkommen – und nicht die bestverdienenden Familien. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben daher innerhalb unseres Gesamtvolumens von 200 Milliarden Schilling umzuschichten. Wir Sozialdemokraten wollen, daß die Transferleistungen vor allem jenen zugute kommen, die sie wirklich brauchen. Das sind vor allem Mehrkindfamilien mit niedrigem Einkommen und AlleinerzieherInnen. Wir wissen, daß diese Bevölkerungsgruppen besonders armutsgefährdet sind. Wir müssen daher allen Formen der sogenannten neuen Armut, mit denen wir leider trotz des hohen Einsatzes öffentlicher Finanzmittel konfrontiert sind, wirksam begegnen.

Dazu gehört ein Bündel von Maßnahmen, wie sie Bundeskanzler Viktor Klima heute präsentiert hat: Beschäftigung sichern, neue Arbeitsplätze schaffen, insbesondere für Frauen, den Sozialstaat sichern, weiter umgestalten: Damit uns das gelingt, ist es wichtig, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Frau Abgeordneter Ing. Langthaler vor. – Bitte, Frau Abgeordnete. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.

14.09

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren der neuen Bundesregierung! Hohes Haus! Wenn man die Regierungsbank betrachtet, wie sie sich einem schon seit zwei Stunden präsentiert, muß man immer wieder bedauern, daß es nicht, so wie in vielen anderen Parlamenten, auch bei uns so ist, daß eine neue Bundesregierung sich so etwas wie einer Vertrauensabstimmung im Parlament unterziehen muß. Dann wäre die Aufmerksamkeit auf der Regierungsbank – gerade bei den neuen Regierungsmitgliedern – bei den einzelnen Debattenbeiträgen vielleicht etwas größer.

Ich bin froh darüber, daß der neue Finanzminister wenigstens noch hier auf der Regierungsbank ist. (Abg. Dr. Khol: Die neue Sozialministerin! Der neue Innenminister!)

Es wäre natürlich interessant, sich mit der neuen Frauenministerin auseinanderzusetzen, die aber gerade zu jenem Zeitpunkt den Saal verlassen hat, als die erste Frau hier das Wort ergriffen hat. Ich hoffe, daß das kein böses Omen ist. (Widerspruch bei der SPÖ.) Ich habe bitte aufgepaßt! Das war so!

Zunächst ganz kurz zum Bereich Kunst und Kultur, den meine Vorgängerin Petrovic schon angesprochen hat. Wir haben seit Tagen kritisiert, daß dieser Bereich ins Bundeskanzleramt eingegliedert wird, wie es überhaupt auffällt, daß der neue Bundeskanzler gerade jene zwei Minister sozusagen aus der Schußlinie genommen hat, die in der letzten Zeit – vor allem seitens der Boulevardpresse – enorm umstritten waren.

Es war offensichtlich für viele in diesem Land eine enorme Provokation, daß ein ehemaliger Sozialarbeiter Innenminister sein kann und ist, und daß ein intellektueller Schöngeist Kunstminister ist, der sehr vieles zugelassen hat an offener Kunst und auch an entsprechender Auseinandersetzung – und auch für diese natürlich vor allem von der Boulevardpresse geprügelt wurde.

Ich hoffe sehr, daß sich der Bundeskanzler nicht auch in Zukunft dadurch "auszeichnet", sich vor allem mit den mächtigen Medienzaren gutstellen zu wollen und deshalb auf sämtliche kritische


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Bereiche, vor allem in der Kunst, zu verzichten. Wir bringen gerade aus dieser Besorgnis heraus und aus diesem Grund folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Ing. Langthaler, Freundinnen und Freunde betreffend Einrichtung eines Ministeriums für Wissenschaft, Forschung, Kultur, Kunst, Medien und Kommunikation

Die Bundesregierung wird aufgefordert, innerhalb von drei Monaten einen Entwurf zur Novellierung des Bundesministeriengesetzes vorzulegen, in dem insbesondere die Einrichtung eines Ministeriums für Wissenschaft, Forschung, Kultur, Kunst, Medien und Kommunikation vorgesehen ist.

*****

Nun aber zu einem zweiten und für uns natürlich zentralen Bereich, der ein Zukunftsbereich ist und den der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung überhaupt nicht angesprochen hat: dem Umweltbereich. Umweltpolitik ist seit Jahren, seit es – zugegebenermaßen – Probleme auf dem Arbeitsmarkt gibt, leider zu einem sehr unterrepräsentierten Bereich in der Innenpolitik geworden, obwohl nachweisbar ist – und das zeigen nicht nur viele Studien, sondern konkrete Erfahrungen –, daß gerade mit Investitionen in den Umweltbereich einerseits Arbeitsplätze gesichert werden können und andererseits moderne Technologien und Forschungseinrichtungen davon profitieren.

Wir haben vor Jahren sehr intensiv über eine ökologische Steuerreform diskutiert. Es gibt sehr, sehr gute, ausformulierte Modelle von verschiedenen Seiten. Die Grünen haben bereits vor drei Jahren einen entsprechenden Gesetzesantrag hier eingebracht. Damals gab es Verhandlungen, aber es ist nie zu einem Ergebnis gekommen, obwohl man an und für sich darüber einig ist, daß die Zukunft im Steuerrecht heißen muß: Senkung der Arbeitskosten, Erhöhung der Steuern auf Ressourcen insgesamt und natürlich als erster Schritt schwerpunktmäßig auf fossile Energieträger, die klassische Energiesteuer also.

Wir hoffen sehr, Herr Finanzminister, daß Sie in diesem Bereich gesprächsbereit sein werden. Es gab viele Initiativen, damals noch unter Ihrem Vorvorvorgänger Lacina, die alle im Sande verlaufen sind. Europa hat uns da weit überholt. Wir sind mittlerweile im europäischen Umfeld das Schlußlicht in diesem Bereich, wie in vielen anderen Umweltbereichen auch.

Und noch immer meint die Bundesregierung aufgrund von zwei Ereignissen, Österreich sei im Umweltbereich ein Vorreiter: Der eine Grund ist noch immer die Abstimmung über Zwentendorf, der andere ist die Besetzung von Hainburg und die Verhinderung eines Kraftwerkes. An einer modernen Umweltpolitik wird überhaupt nicht mehr gearbeitet, und es ist ein Faktum, daß uns diesbezüglich alle anderen Länder in Europa schon längst überholt haben. (Beifall bei den Grünen.) Das gilt nicht für die Ökologisierung der Steuersystems, wo es wirklich darum gehen muß, Engergiesteuern, Abwasserabgaben, Pesitizidabgaben einzuführen, sondern da gibt es eine Palette von Beispielen, die in anderen Ländern schon erfolgreich ausprobiert wurden und wo es ganz konkret zu einer Verringerung der Umweltbelastung gekommen ist.

Ein zweiter Bereich: Ein Umwelthaftungsgesetz war in den letzten Regierungserklärungen von Bundeskanzler Vranitzky immer als fixer Bestandteil enthalten. Es ist dies eine ganz wichtige Maßnahme, bezüglich derer wir seit Jahren versuchen, in Österreich etwas zu erreichen. Es war der damalige Minister und jetzige Bundeskanzler Klima, der im Juli 1993 verhindert hat, daß es im Ministerrat zu einer entsprechenden Abstimmung eines Ministerratsentwurfes von Minister Michalek zu einem Umwelthaftungsgesetz in Österreich gekommen ist. Es hat damals leider auch Vizekanzler Schüssel gemeinsam mit Bundesminister Klima Einspruch erhoben.


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Herr Vizekanzler! Vielleicht gelingt es doch, einem Gesetz, das nicht nur im Bereich der derzeit so prominenten Gentechnologie, sondern im gesamten Umweltbereich wichtig wäre, zum Durchbruch zu verhelfen.

Wer übernimmt wirklich die Haftung für entstandene Schäden? Wie kann es endlich gelingen, daß jene Personen, die, aufgrund von Umweltbelastungen konkrete Schäden erleiden, auch entsprechende Entschädigungen bekommen?

Darüber ist die Diskussion gänzlich abgerissen; der jetzige Bundeskanzler hat dieses Thema nicht einmal mehr in seiner Regierungserklärung erwähnt.

Ein dritter wichtiger Bereich im Umweltrecht wurde zitiert, aber leider in einem völlig falschen Zusammenhang. Der Bundeskanzler hat gemeint, im Umweltanlagenrecht, in der Gewerbeordnung kommt es jetzt zu einer Beschleunigung. – Das ist grundfalsch!

Ich kenne den Entwurf von Minister Farnleitner und beschäftige mich jetzt wirklich schon seit zehn Jahren mit dem Umweltanlagenrecht. Es ist wieder nicht gelungen, etwas Sinnvolles, etwas, wofür auch wir Grünen eintreten, in einem einheitlichen Umweltanlagenrecht zusammenzufassen, nämlich daß es eine Verfahrens- und eine Kontrollkonzentration gibt.

Das klingt jetzt sehr kompliziert, wäre aber sehr simpel. Sie wissen, jeder Unternehmer, der in Österreich eine Anlage bauen will, braucht eine Summe von Bewilligungen: nach dem Wasserrecht, nach dem Energierecht, nach dem Luftreinhaltegesetz, nach dem Abfallrecht, nach der Gewerbeordnung und nach vielen anderen Rechtsformen mehr.

Wir sagen schon seit Jahren: Da kennt sich kein Mensch mehr aus, weder die Unternehmer, die alle hochbezahlte Juristen und Rechtsanwälte brauchen, aber auch nicht die Anrainer, die überhaupt nicht mehr wissen, bei welchen Verfahren sie mitreden können, wo sie Parteienstellung haben und wo nicht.

Es wäre also für alle Beteiligten – für die Unternehmer, aber auch für die Anrainer – wichtig, ein einfaches, straffes Anlagenrecht mit eindeutigen Verwaltungsabläufen zu haben, wo geregelt ist, daß wirklich sämtliche Umweltmedien in einem verhandelt werden, mit einer gleichzeitig eindeutig zuständigen Behörde.

Das würde unglaublich viel an Verwaltungskosten ersparen, würde natürlich auch sehr viele Beamte in diesem Bereich einsparen, würde aber eine Planungssicherheit und auch eine Kontrollsicherheit bedeuten.

Wir haben in vielen, vielen Arbeitskreisen auch mit Leuten aus den Ministerien diskutiert, und das wissen auch alle. Was wird jetzt vorgelegt in der neuen Gewerbeordnung? – Es bleibt im Grunde genommen alles beim alten bei den Bewilligungen. Das einzige, was geändert wird, ist: Sie beschneiden einfach die Rechte der Anrainer. Dort werden Fristen verkürzt, dort werden Einspruchsmöglichkeiten einfach eliminiert, und es gelingt überhaupt nicht, ein modernes Anlagenrecht zu schaffen, das es in anderen europäischen Ländern schon längst gibt. Sie werden die Verfahren nicht beschleunigen, Sie werden nur den Bürgerwiderstand potenzieren und vergrößern. (Beifall bei den Grünen.)

Ein dritter Bereich, der ganz wichtig ist, ein Bereich, in dem in Europa sehr viel passiert: die Energiepolitik. Diesbezüglich gibt es riesige Herausforderungen, aber dazu hat es überhaupt keine Anwort des Bundeskanzlers gegeben.

Ein zentraler Bereich ist für uns die Gentechnik, die in Österreich bisher beim Gesundheitsministerium angesiedelt war. – Auch ein Kuriosum eigentlich. Es ist europaweit die Regel, daß dieser Bereich im Umweltministerium beheimatet ist – und jetzt unterliegt er einer Frauenministerin! Ich weiß nicht, warum die Frauenministerin jetzt für Gentechnik beziehungsweise auch für den Konsumentenschutz zuständig ist. Die einzige Erklärung scheint zu sein, was den Konsumentenschutz betrifft, daß man davon ausgeht, daß die Frauen nach wie vor die einzigen


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sind, die einkaufen gehen und sich darum kümmern, ob Produkte gut sind oder nicht. Ansonsten kann ich keinen sachlichen Zusammenhang erkennen.

Aber gut, die Gentechnik kommt zur Frauenministerin. Wir hoffen sehr, daß es dadurch gelingen wird, in der SPÖ endlich einen Ansprechpartner zu finden, der sich für dieses Thema wirklich interessiert.

Für politisch, für innenpolitisch interessant halte ich aber folgendes – und wenn Sie sich die Kompetenzzuteilung der Frauenministerin ansehen, merken Sie, daß das wirklich ins Auge sticht –: Die neue Frauenministerin ist nicht nur für die Konsumentenpolitik und die Nahrungsmittelkontrolle zuständig, sondern auch für das gesamte Giftrecht und für den Atombereich, für allgemeine Angelegenheiten des Schutzes vor ionisierenden und nichtionisierenden Strahlen, und natürlich für den Bereich Gentechnik.

In der Bundesregierung wurde sozusagen eine Art Gegengewicht zum ÖVP-Umweltminister Bartenstein geschaffen, sozusagen eine kleine Umweltministerin auf Seite der SPÖ.

Ich begrüße das, als Beginn vielleicht, daß es gelingt, in der SPÖ-Fraktion insgesamt mehr ökologisches Interesse zu wecken. Sie haben ja leider keinen Umweltsprecher mehr in der SPÖ – und das schon schon seit Jahren nicht. (Widerspruch bei der SPÖ. – Abg. Koppler: Was haben Sie gegen den Abgeordneten Keppelmüller?) Sie haben einen Industriesprecher, aber keinen Umweltsprecher.

Vielleicht gelingt es der Ministerin tatsächlich, daß sich die SPÖ ein bißchen mehr mit Umweltpolitik beschäftigt. Die neue Frauenministerin wird wahrscheinlich nicht mehr sehr viel mit Frauenpolitik zu tun haben, sondern sie wird sehr stark in einigen Bereichen der Umweltpolitik involviert sein, denn Konsumentenpolitik und vor allem Gentechnik – Atompolitik sowieso – sind natürlich ein zentrales umweltpolitisches Thema.

Wir bieten eine seriöse Zusammenarbeit an. Es gibt sehr viel zu tun, auch im Zusammenhang mit dem Volksbegehren, das es Gott sei Dank geben wird, weil die Befürchtungen und Ängste der Bevölkerung in keiner Weise in die derzeit geltenden österreichischen Gesetze zum Bereich Gentechnik aufgenommen wurden. Es muß im April ein starkes Signal von der Bevölkerung kommen, und wir hoffen sehr, daß es im Vorfeld und auch nachher mit einer neuen Ansprechpartnerin zu einer besseren Zusammenarbeit kommen wird als vorher. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der eben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Schwarzenberger. – Bitte. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

14.21

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Langthaler, bei den Verhandlungen zum EU-Beitritt wurden gerade von der grünen Fraktion immer wieder Bedenken geäußert, wir könnten den hohen Umweltstandard, den Österreich in vielen Dingen hat, bei einem EU-Beitritt nicht halten. Jetzt wird das gerade ins Gegenteil verkehrt, jetzt sollen wir auf einmal Nachzügler sein. Das ist in zwei Jahren überhaupt nicht möglich.

Außerdem sind die österreichischen Bauern sozusagen Weltmeister, was die Zahl der Biobauern betrifft. Es gibt in Österreich mehr als 20 000 Biobauern, in den anderen 14 EU-Ländern zusammen nur etwa 17 000. Daran sieht man die Einstellung, die unsere Bevölkerung zur Umwelt und zur Natur hat. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Niederwieser. )

Leider ist Herr Abgeordneter Haselsteiner gerade nicht im Saal. Er hat in seiner Rede vorhin Österreich als im Ausland lächerlich dargestellt. – Österreich wird im Ausland als hochentwickel


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ter und leistungsfähiger Staat gesehen! Wenn man im Ausland etwas lächerlich findet, dann höchstens, daß das Land eine Seilbahn um 1 S mit Bestandsgarantie verkauft, diese Seilbahn aber dann so verludert wird, daß schwere Unfälle passieren. Man sollte damit nicht den Staat ins Lächerliche ziehen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Nahezu die Hälfte der österreichischen Bevölkerung lebt im ländlichen Raum, und es ist unsere Aufgabe, diesen ländlichen Raum funktionsfähig und gesund zu erhalten. Ich bin froh darüber, daß der neue Finanzminister noch hier auf der Regierungsbank sitzt, und ich bitte ihn, mir kurz das Ohr zu leihen, denn ich meine, er sollte in dieser Frage über seinen Schatten springen. Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel beim Finanzausgleich ist nicht mehr zeitgemäß, weil in der Zwischenzeit alle kleinen Gemeinden im ländlichen Raum ihrer Bevölkerung dieselben Serviceleistungen bieten wie etwa die Städte. In der ursprünglichen Begründung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels heißt es, daß in den Städten viele Kriegsschäden aufzuarbeiten seien und die Städte deshalb vom gemeinsamen Steuerkuchen besser bedacht werden müssen. In der Zwischenzeit trifft es aber jede kleine Gemeinde, die einen Kindergarten braucht, die Einrichtungen für kleine Kinder haben muß, Spielplätze, Sportplätze, eine Wasserver- und Entsorgungsanlage – alles Leistungen, die erbracht werden müssen. Deshalb sollten wir auch schrittweise diesen abgestuften Bevölkerungsschlüssel zugunsten der kleinen Gemeinden verändern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Meisinger. )

Die letzten Jahre waren für die österreichische Bauernschaft eine enorme Herausforderung. Es galt, einen durch Marktordnung geschützten Markt aufzugeben und sich in den freien europäischen Wettbewerb zu begeben, in einen Binnenmarkt, in dem andere Länder schon wesentlich länger die Spielregeln des freien Wettbewerbs beherrschen.

Wir brauchen aus diesem Grund vor allem vier Schwerpunkte:

Erstens: Wir sollten danach trachten, daß die österreichischen Bauern die Marktchancen nutzen können. Diesbezüglich auch ein Aufruf an die Konsumenten in Österreich: Noch nie zuvor haben unsere Bauern den Tisch des Volkes mit Lebensmitteln so guter Qualität und in so üppiger Weise gedeckt. (Abg. Dr. Khol: Das stimmt!) Sie brauchen nur danach zu greifen. In vielen Bereichen sind die Waren besser als die ausländischen Produkte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zweitens: Unsere Bauern brauchen, da ihre Betriebe so klein strukturiert sind, ein kombiniertes Einkommen, bei dem auch ein außerlandwirtschaftliches Erwerbseinkommen mit dabei ist. Es müssen aber die Marktchancen dort genützt werden, wo eben noch Marktnischen vorhanden sind. Deshalb müssen wir bei der zukünftigen Novellierung der Gewerbeordnung auch die von der Bevölkerung sehr stark angenommene Möglichkeit, eine Marktnische, nämlich den Direktverkauf fördern, indem wir das rechtlich auf einwandfreie Beine stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Drittens: Wir brauchen Europapreise auch bei den Betriebsmitteln. Es ist nicht möglich, daß wir uns bei den Produkten dem europäischen Wettbewerb stellen und unsere Preise trotz besserer Qualität teilweise unter dem europäischen Durchschnitt liegen, wir bei den Betriebsmitteln allerdings wesentlich höhere Preise auf uns nehmen müssen.

Viertens: Auch die Bauern haben in den letzten Jahren, um europareif zu sein, sehr viel investiert. Bei der Pauschalierung stimmt einfach das Verhältnis der Vorsteuer zur anzurechnenden Mehrwertsteuer nicht mehr. Im Europavertrag ist die Anpassung festgehalten, und diese Anpassung ist überfällig. Ich hoffe und bin zuversichtlich, daß die jetzige Koalitionsregierung diese Aufgaben in den nächsten Jahren meistern wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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14.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

14.27

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Ich möchte zunächst meinen Vorredner, Kollegen Schwarzenberger, korrigieren. Er hat die Goldeck-Seilbahn und Herrn Kollegen Haselsteiner angesprochen. – So einfach, wie Sie es sich gemacht haben, ist es nicht. Es gehören zwei dazu, um solche Mißstände in die Welt zu setzen. Erst ein Ausgliederungsvertrag des Landes ermöglicht es, daß ein Unternehmer, der sich zumindest in diesem Unternehmen am Rande des Manchester-Liberalismus befindet, diese Anlage und damit eine ganze Region sozusagen in Geiselhaft nimmt. Und zum zweiten sollte hier auch darauf hingewiesen werden, daß solche Ausgliederungsverträge – ich denke etwa an die Privatisierung der Österreich-Werbung und an die des Verkehrsbüros – bei dieser Bundesregierung beziehungsweise bei ihren Vorgängern auf der Regierungsbank gang ung gäbe waren. Daher können solche Verträge über Privatisierung und Ausgliederung erst dann beurteilt werden, wenn die Ausgliederung erfolgt ist. Es sollten nicht im vorhinein alle Ausgliederungen ins schiefe Licht gerückt werden.

Ich möchte mich aber auch mit Ihren Ausführungen zu Fragen der Landwirtschaft beschäftigen, Kollege Schwarzenberger, denn einige Dinge sollten schon hinzugefügt werden:

Es geht nicht nur um die Produktionsmittelpreise, sondern es wird in zwei Jahren auch darum gehen, daß, wenn die degressiven Zahlungen wegfallen, unsere Landwirtschaftsbetriebe endlich einmal – Sie haben richtigerweise gesagt, die biologisch produzierenden Weltmeisterbetriebe sind in Österreich – in einem fairen Konkurrenzkampf stehen. Da wird es maßgeblich darauf ankommen, ob endlich die Kennzeichnungspflicht für naturnahe und vollbiologisch produzierte Waren dem Konsumenten eine faire Vergleichsbasis bietet – oder ob wie bisher die Biobauern in Österreich einen ungleichen Wettkampf mit Produkten führen müssen, die falsch oder irreleitend gekennzeichnet auf den Markt kommen, oder ob sie mit einigen wenigen Gaunern zu tun haben. Der steirische Kernölskandal in den letzten Tagen hat gezeigt, daß die Bemühungen unserer Biobauern mit einem Schlag um Jahre zurückgeworfen wurden.

Ich glaube daher, daß gerade die Kompetenzaufteilung des ehemaligen Gesundheitsministeriums sehr problematisch ist. Daß der Veterinärbereich, der Konsumentenschutz und der Bereich der Lebensmitteluntersuchungsanstalten, aber auch der Veterinäruntersuchungsanstalten nunmehr dem Frauenministerium angegliedert ist, scheint mir schon sehr problematisch zu sein.

Wir Freiheitlichen waren immer der Meinung, daß das Gesundheitsministerium sinnvollerweise in ein Lebensministerium umgewandelt werden könnte. Wir waren auch immer der Meinung, daß die Kompetenzen im Gesundheitsbereich, wie etwa jene der Sozialversicherung, im Sozialministerium angesiedelt werden können. Aber wie man nunmehr die Kompetenzen – meiner Ansicht nach willkürlich – aufgeteilt hat, findet sicherlich nicht die Zustimmung von uns Freiheitlichen. Dieser Kompetenzwirrwarr wird in Zukunft für die Konsumenten weiterhin zu Mißständen sowohl auf dem Lebensmittelmarkt als auch im Bereich der Veterinärmedizin und der Volksgesundheit führen. Ich halte diese Aufteilung für ausgesprochen schlecht. (Beifall bei den Freiheitlichen .)

Grundsätzlich ist nichts gegen eine Neuverteilung der Kompetenzen zu sagen, sehr wohl aber gegen jene Maßnahmen, die im Kompetenzänderungsgesetz festgeschrieben werden.

Ich glaube darüber hinaus, daß die Analyse, die der Herr Bundeskanzler heute vorgelegt hat – auch andere Redner haben das schon gesagt – durchaus eine richtige ist. Diese Bundesregierung schafft für die Zukunft politische Rahmenbedingungen im Wirtschaftsbereich, die für die Österreicherinnen und Österreicher nicht befriedigend sein werden.

Wenn man sich die Studie des Arbeitsmarktservice für 1997 anschaut, so sieht man unter Punkt 3, daß die Lohnrunde die Inflation und die Abgabenerhöhung nicht kompensieren wird – eine Prognose, die für die vom Sparpaket des Herrn Ministers Klima geschüttelte Bevölkerung nicht gerade beruhigend ist. Wenn man sieht, daß bei den Arbeitsplätzen und der Beschäftigung ein Nettorückgang von 14 000 Arbeitsplätzen prognostiziert ist und daß wir heuer bereits eine


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Arbeitslosenrate haben, die "Spitze" – in negativer Hinsicht – ist, so ist für die zukünftige Situation nichts Positives zu erwarten.

Auch hinsichtlich der Beamten in Österreich ist nichts Positives zu berichten. Seitdem in der Monarchie eine Strukturkommission zur Beamtenreform und zur Sparsamkeit in der Verwaltung eingeführt worden ist, haben auch schon meine Vorredner gesagt, hat sich die Situation nur verschlechtert.

Ich möchte den neuen Herrn Bundeskanzler insofern korrigieren, als die positive Bilanz des letzten Jahres, die er gezogen hat, in sehr vielen Punkten fragwürdig ist. Die Aufhebung der 50 000 S-Mindest-KöSt seitens des Verfassungsgerichtshofes wurde bereits erwähnt. Die Werkvertragsregelungen werden in Kürze, so die Auguren recht haben, aufgehoben. Die horizontale Ungerechtigkeit in der Familienbesteuerung ist keine Frage mehr, das wird zu lösen sein. Den vermehrten Zugang zu Frühpensionen – etwas, das heute nicht in die Diskussion gebracht wurde – hat diese Bundesregierung beziehungsweise das Kabinett Vranitzky-Klima zu verantworten. Die lange dauernde Diskussion um die Frühpensionierung hat dazu geführt, daß es nun in Österreich mehr Frühpensionisten gibt, als das jemals der Fall war. Die aktuellen Zahlen vom Oktober 1996: 20,3 Prozent Frühpensionisten, allein im letzten Jahr war eine Zunahme von 15,2 Prozent auf 20,3 Prozent zu verzeichnen.

Die Auswirkungen werden sich in der Zukunft zeigen. Diese Frühpensionisten werden uns in den nächsten Jahren zwischen 0,5 und 0,8 Prozent des Zuwachses des Bruttoinlandsprodukts wegfressen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. (Abg. Koppler: Sprachregelung!) Wir werden also in den nächsten Jahren, allein um die Frühpensionisten in entsprechender Form absichern zu können, ein um 0,8 Prozent höheres Bruttoinlandsprodukt haben müssen. Und da ist noch kein positiver Wirtschaftseffekt dabei, Herr Kollege Koppler. (Abg. Koppler: "Frühpensionisten werden das wegfressen"! Sprachregelung!)

Herr Kollege Koppler, die Zunahme bei den Frühpensionen wird uns 0,8 Prozent des Zuwachses des Bruttoinlandsproduktes wegnehmen. Das wird nicht zu bestreiten sein. Es gibt keinen maßgeblichen Sozialexperten in dieser Republik, der andere Zahlen auf den Tisch legt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Erst mit einem Mehr an Wachstum wird es möglich sein, Herr Kollege Koppler, in dieser Republik wieder neue Arbeitsplätze zu schaffen. Nehmen Sie zur Kenntnis (Abg. Koppler: Es geht um die Sprachregelung!) : 0,8 Prozent sind evident, und das wird sich auch nicht ändern lassen. (Abg. Mag. Guggenberger: Es geht um das Wort "wegfressen"!) Ganz egal, wie Sie es nennen, ob Sie es als Verlust, als Bedarf oder wie auch immer bezeichnen: Wir werden diese 0,8 Prozent brauchen. Erst mit dem, was darüber hinausgeht, kann man neue Arbeitsplätze schaffen. Die Prognosen liegen ja bei 1,3 bis 1,5 Prozent für das nächste Jahr.

Die Wirtschaftssituation ist trist, und wir alle werden uns bemühen müssen, aus diesen schlechten Wirtschaftsdaten das Beste für die Bevölkerung und die Beschäftigung zu machen.

Herr Kollege Koppler, ich bin Ihnen dankbar dafür, daß Sie doch nicken und sich mit den Tatsachen anfreunden können, die ich hier aufgezeigt habe, denn Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen, daß die Situation in bezug auf die Arbeitslosigkeit keinesfalls so positiv ist, wie das von Regierungsseite dargestellt wurde. Als Mitglied des Sozialausschusses wissen Sie ganz genau, daß die besseren Daten vom Dezember auf folgende Effekte zurückzuführen sind: auf mehr Beschäftigung von Männern in der Bauwirtschaft, auf die Wetterlage und auf die Änderungen bei der Bauarbeiterausgleichskasse – auf sonst nichts. Netto gibt es bei den Frauen 10 000 Beschäftigte und bei den Männern 3 600 Beschäftigte weniger. Diese Situation ist nicht gerade beruhigend.

Wir Freiheitlichen haben recht gehabt: Die Beschäftigung der Frauen wurde durch die Maßnahmen des letzten Jahres nicht erleichtert, sondern wird sich – im Gegenteil – verschlechtern. Die Situation der Frauen in Österreich ist so schlecht wie schon seit Jahren nicht mehr. Frau Kollegin Mertel hatte mit den Worten, die sie hier vom Rednerpult aus an die Österreicherinnen und Österreicher und an diese Bundesregierung gerichtet hat, durchaus recht. Nur eines hat sie zu


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sagen vergessen, nämlich daß diese schlechte Situation für die Frauen in Österreich auch der "Erfolg" von zehn Jahren großer Koalition ist. Sie haben diese Maßnahmen zu verantworten. Das Frauenministerium hat sehr viel in psychologischer Hinsicht in Österreich bewegt, aber was die aktuelle Arbeitssituation, was die Bezahlung anlangt, sehr wenig. Das sind Tatsachen, die auch die ehemalige Ministerin Dohnal jüngst in einer Fernsehdiskussion zugeben mußte.

Her Bundeskanzler! Ich hätte mir gewünscht, daß Sie heute eine Regierungserklärung abgeben, wie es Parteifreunde von Ihnen vor drei Jahren in Neuseeland gemacht haben. Die haben den Staat tatsächlich radikal verändert. In kurzer Zeit wurde das erreicht, was wir uns auch für Österreich wünschen: ein prosperierendes Land mit geringer Arbeitslosigkeit, hohem Wirtschaftswachstum und damit entsprechender sozialer Absicherung. – Nach Ihrer Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, meine ich: Wir sind von diesen Zielen weiter entfernt, als wir es noch vor fünf oder sechs Jahren waren. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.

14.38

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Kollege Haupt, ich glaube, wir sollten ganz kurz darüber reden, warum es Aufregung bei Ihren Ausführungen hier gab.

Meine Damen und Herren, es ist nicht so, daß man über Fakten, über eine sachliche Angelegenheit nicht diskutieren kann, aber es geht darum, wie man es sprachlich anlegt. Es ist ganz einfach ein Unterschied, wenn man sagt, die Frühpensionisten nehmen uns etwas weg – oder: sie "fressen" uns etwas weg. Das, Herr Kollege Haupt, ist es, was uns aufgeregt hat: diese Diktion, die Sie in dieser sensiblen Frage verwendet haben. Ich möchte Ihnen sagen: Das können wir nicht akzeptieren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem persönlichen Erlebnis in meine eigentlichen Ausführungen einsteigen. Wenige Tage nach dem Amtsantritt von Mag. Klima als Verkehrsminister stand eine für meine Region, das Waldviertel, wichtige Entscheidung ins Haus, nämlich ob die Franz-Josefs-Bahn elektrifiziert werden soll. Das war ein Wunsch, der von allen Parteien, von der gesamten Bevölkerung getragen war. Es gab natürlich die Unterstützung des frischgebackenen Verkehrsministers für diesen berechtigten Wunsch. Es hatte allerdings, wenn ich mich recht erinnere, Finanzminister Lacina damals Bedenken, und so kam es zu einem entscheidenden Gespräch unter dem Vorsitz des damaligen Bundeskanzlers Vranitzky. In dieser Aussprache mit den Vertretern der Region setzte sich Verkehrsminister Klima mit Unterstützung des damaligen Bundeskanzlers durch. Wir haben diesen Wunsch erfüllt bekommen und diesen Modernisierungsschub in der Verkehrsinfrastruktur des Waldviertels bewirkt.

Aus diesem Grund möchte ich mich beim ehemaligen Bundeskanzler Dr. Vranitzky sowie beim neuen Bundeskanzler Mag. Klima vor allem für ihr regionalpolitisches Engagement, das sie hier bewiesen haben, sehr herzlich bedanken. Ich als Niederösterreicher freue mich, daß nunmehr jemand aus Niederösterreich, der die Vielfalt unseres Landes kennt (Abg. Dr. Graf: Ist es jetzt schon elektrifiziert?) , die Geschicke unserer Republik lenken und leiten wird.

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler Mag. Klima hat in seinen Ausführungen dargestellt, daß die Welt in Bewegung geraten ist, daß es neue Märkte geben wird und wir neue Wettbewerbsbedingungen und -verhältnisse erleben werden. Globalisierung und Liberalisierung sind in der Politik zu Schlagworten geworden, neue Technologien verändern das Wirtschaften und dementsprechend auch die Arbeitswelt.

Wenn wir bei Betrachtung der Arbeitslosenzahlen beziehungsweise des Arbeitsmarktes – 19 Millionen Menschen etwa in der Europäischen Union – bemerken, daß Österreich die zweitniedrigste Arbeitslosenrate aufweist, dann muß festgehalten werden, daß Beschäftigungspolitik absolute Priorität hat und ein zentraler Schwerpunkt der Politik sein muß.


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Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Grundlage dazu, daß Österreich ein Investitionsstandort bleibt, eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur ist, vor allem im Bereich des Verkehrs und im Bereich der Telekommunikation. Verkehrspolitik wird in dieser sich permanent verändernden Welt eine wichtige Rolle einnehmen. Es ist keine Frage, daß sich durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und die geplanten Erweiterungen dieses Marktes sowohl der Austausch von Waren als auch die Beziehungen der Menschen massiv verstärken werden.

Es ist wichtig gewesen, daß Österreich in die transeuropäischen Netze eingebunden wurde. Durch unser Land führen wichtige Transversalen: etwa die Pontebbana-Achse mit dem Semmering-Basistunnel, die Donau-Achse mit dem viergleisigen Ausbau oder auch die Brenner-Achse, bei welcher es um die Errichtung des Brenner-Basistunnels geht. All diese Schienen-Transversalen werden für uns von großer Bedeutung sein, um die Standortqualität Österreichs sicherzustellen.

Hohes Haus! Mit dem Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz haben wir die finanzielle Basis gelegt. Es geht nun darum, in Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften viele der oftmals schon fertig geplanten Vorhaben, welche auch hohe arbeitsplatzschaffende Effekte auslösen können, umzusetzen, anzupacken und fertigzustellen.

Dazu müssen wir alle an einem Strang ziehen, müssen egoistische Partikularinteressen der Länder zurückgestellt, die Behördenverfahren rasch und effizient abgewickelt werden. Wir müssen dafür sorgen, daß diese Projekte durch eine Verbesserung des Projektmanagements rasch umgesetzt werden können und der Steuerschilling sparsam, aber auch arbeitsplatzschaffend eingesetzt wird.

Die Ländervertreter, wie etwa den niederösterreichischen Landeshauptmann, möchte ich daher auch dazu auffordern, sich von der Verzögerungspolitik, die dazu führt, daß Arbeitsplätze gefährdet werden und es zu einer Verteuerung von derlei wichtigen Infrastrukturprojekten kommt, zurückzuziehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ebenso wichtig ist, daß es eine funktionierende Kommunikation, eine Telekommunikation in diesem Land gibt. Gerade in diesem Bereich wird die Erhöhung und die Qualitätsverbesserung des Angebots nicht nur die Standortqualität unseres Landes massiv verbessern, sondern es werden auch arbeitsplatzschaffende Effekte bewirkt. Mit der Vergabe einer zweiten und einer bevorstehenden dritten Mobilfunklizenz und der Liberalisierung des Telephoniefestnetzes und der Telekommunikationsdienstleistungen wird es in diesem wachsenden Markt durch neue Anbieter ermöglicht, daß neue Jobs entstehen. Dynamisch wachsende Branchen bedeuten mehr Arbeitsplätze und damit auch Brot für die Menschen.

Wir aber haben einen anderen Zugang zu diesen Veränderungen, welche uns alle herausfordern. Es geht uns darum, zu versuchen, die technologischen Möglichkeiten, die uns geboten werden, zu nutzen, um damit Beschäftigungspolitik zu betreiben. Die Aussagen etwa der Freiheitlichen in letzter Zeit zum Thema Post und Telekommunikation dienten lediglich dazu, Emotionen zu schüren und Verunsicherung zu erzeugen. Seitens der FPÖ wurde angekündigt, daß im Rahmen dieser Strukturveränderungen etwa 8 000 Postler ihren Job verlieren würden.

Meine Damen und Herren! Bis heute hat aus diesem Grund kein einziger Postler seinen Job verloren. Das möchte ich in aller Öffentlichkeit und mit aller Deutlichkeit sagen. (Abg. Dr. Krüger: Das haben Sie bei der letzten Sitzung anders erklärt!) Ich bin davon überzeugt, daß die Kolleginnen und Kollegen aus diesem Bereich die Chance nutzen werden, die sich ihnen bietet. Die Post und Telekom AG wird dafür sorgen, daß sie ihr Angebot am Standort Österreich entsprechend behaupten kann und daß bei diesem Großunternehmen auch in Zukunft Arbeitsplätze in ausreichender Menge zur Verfügung stehen werden beziehungsweise aus diesem Grund auch niemand seinen Arbeitsplatz verlieren wird.

Hohes Haus! Herr Bundeskanzler Klima hat erwähnt, daß Mobilität ein Erfordernis in einer sich verändernden Arbeitsgesellschaft ist. Es wird daher notwendig sein, zu einer gemeinsamen Verantwortung der Gebietskörperschaften, des Bundes, der Länder und der Gemeinden zu finden, um das Angebot des Nahverkehrs durch eine Neuorganisation der Verbünde noch leistungsfähi


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ger und qualitativ hochwertiger zu gestalten. Auch wird es notwendig sein, in einer gemeinsamen Anstrengung dafür zu sorgen, daß die Finanzierung dieses wichtigen Bereiches gesichert wird.

Eine Bemerkung noch zum Straßenverkehr. Ich glaube, es muß Ziel der Verkehrspolitik sein, im Verkehr Politik zum Schutz der Schwächeren zu betreiben und jeden Tag womöglich ein Menschenleben zu retten. Das ist eine Vorgabe, von der ich glaube, daß sie die Parlamentarier aller Parteien unterstützen können. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Gatterer. )

Bei der Diskussion des Verkehrssicherheitspaketes, welches uns in nächster Zeit beschäftigen wird, hoffe ich deshalb auch auf die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen aus allen politischen Lagern. Es wird darum gehen, in der Straßenverkehrsordnung die Alkoholgrenze herunterzusetzen, bei einer höheren Alkoholisierung etwa eine strengere Bestrafung durchzuführen, den Punkteführerschein und den EU-Führerschein einzuführen und auch darüber ein Übereinkommen zu erzielen, ob Fahren mit Licht am Tag nicht doch eine verkehrspolitisch wichtige Maßnahme ist. Ich bin überzeugt davon, daß wir, wenn wir eine sachliche Diskussion führen, gemeinsam eine Mehrheit zum Schutze des Menschen im Verkehr erreichen werden.

Ein Wort zu einer Bemerkung von Herrn Klubobmann Stadler in seiner Rede. Er hat gemeint, diese Regierung hätte keine Zukunft. – Meine Damen und Herren! Ich verstehe den Ärger der Freiheitlichen. Es ist mir bewußt, daß die FPÖ nach den Erklärungen von Bundeskanzler Klima und von Vizekanzler Schüssel, die beide gesagt haben, diese Legislaturperiode würden sie gemeinsam bis Ende 1999 gestalten, in Verlegenheit gerät hinsichtlich ihrer Behauptungen wie: im Jahr 2000 werde sie die Macht in diesem Staat übernehmen, im Jahr 1994 werde sie es schaffen, im Jahr 1995 werde sie die erste sein, im Jahr 1998 werde sie die Regierung stellen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das haben Sie ja pausenlos erklärt! Diese Erklärungen, auch wenn Sie jetzt noch eine vierte hinzufügen, laufen natürlich Gefahr, sozusagen Erklärungen mit einem langen Bart zu werden.

Meine Damen und Herren! Sie können sich darauf verlassen – das können Sie Herrn Stadler ausrichten –, daß wir uns sehr darum bemühen werden, daß er diese Rede, die er heute gehalten hat, nach dem Jahr 2000 erneut halten kann – sofern er dann noch in diesem Hause ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Krüger: Sie waren sehr erfolgreich mit diesen Bemühungen! Wir aber übernehmen Verantwortung! – Abg. Rossmann: Ist das Ihr Demokratieverständnis?)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wir wünschen dem Kabinett Klima I viel Erfolg, zum Wohle der Menschen in dieser Republik, und wir wünschen uns nach dem Jahr 1999 eine Fortsetzung mit einem Kabinett Klima II. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.5


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1

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Aumayr gemeldet. – Bitte. Redezeit: 2 Minuten. Die Geschäftsordnung ist bekannt.

14.51

Abgeordnete Anna Elisabeth Aumayr (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Kollege Parnigoni hat gesagt, daß kein einziger Postbediensteter entlassen wird. – Herr Parnigoni, das ist unrichtig! Es werden heuer alle Postbediensteten, die 1943 geboren sind, mit einer Abschlagszahlung von 6 Prozent auf ihre Pension in Frühpension geschickt. Das sind 8 000 Personen! Im Jahr 2000 werden alle Postbediensteten, die 1946 geboren sind, in Frühpension geschickt (Abg. Koppler: Ist das eine Entlassung?) , das heißt zwangspensioniert, und weitere 8 000 werden entlassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schaffenrath. – Bitte. (Abg. Koppler: Die Landwirtschaftssprecherin kennt sich nicht aus! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.)

14.52

Abgeordnete Maria Schaffenrath (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren der Regierung! Hohes Haus! Ich habe vor zwei Wochen in der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" einen Kommentar des doch sehr renommierten Journalisten Robert Leicht über die derzeitige Situation in Deutschland gelesen. Dieser Artikel paßt eigentlich ganz genau auch auf die österreichischen Verhältnisse – man braucht nur das Wort "Deutschland" durch das Wort "Österreich" zu ersetzen. Ich zitiere daraus:

"Deutschland" – ich sage jetzt Österreich – "steckt wirtschaftlich und sozial in der schwersten Belastungsprobe seit dem Krieg. Doch die Politik tritt besinnungslos auf der Stelle. Die öffentlichen Etats sind überlastet, die sozialen Versprechungen nicht mehr zu finanzieren. Zynisch oder ratlos treiben die Parteien derweilen unverdrossen ihr Mikado-Spiel: Wer sich bewegt, hat schon verloren. Was hatte das gesamte Jahr 1996 schon gebracht?" (Abg. Kiss: Das ist ein haarsträubender Unsinn!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In letzter Konsequenz hat sich die einzige wirklich wesentliche Bewegung auf den Sesseln der Minister abgespielt, wobei es zu Bewegungen gekommen ist, die wir Liberalen auf keinen Fall gutheißen. Deshalb möchte ich, bevor ich auf die Regierungserklärung eingehe, zwei Entschließungsanträge der Liberalen einbringen.

Auf den Sessel des ehemaligen Ministers Scholten hat sich leider niemand mehr begeben. Durch die Neuordnung der Bundesministerien kam es zu einer völligen Zersplitterung der Kunst- und Kultur-Agenden, was eine Degradierung dieses Bereiches bedeutet, da ein weisungsgebundener Staatssekretär einen unabhängigen Minister mit Stimmrecht im Ministerrat nicht ersetzen kann. Die Liberalen stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Motter und Partnerinnen betreffend Neuordnung der Bundesministerien

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die in Kürze einzusetzende Kompetenzbereinigungsgruppe unter anderem damit zu beauftragen, eine Zusammenfassung aller Bundeskunst- und Bundeskulturagenden in einer Ministerverantwortlichkeit zu erreichen."

*****

(Beifall beim Liberalen Forum.)

Dieser Entschließungsantrag gehört zu Punkt 2 der Tagesordnung. Ich möchte zu Punkt 1 der Tagesordnung einen weiteren Entschließungsantrag einbringen, der unserer Meinung nach unbedingt notwendig ist. (Abg. Dr. Graf: Dann hätten Sie einen Abänderungsantrag einbringen müssen!) Wir brauchen ein Konzept für eine Bundeskulturstiftung, weil die Entwicklung der Kunst und Kultur in Österreich von entscheidender Bedeutung ist. Es geht nicht an, daß ein Großteil der Förderungs- und Finanzierungsentscheidungen wie bisher auf Beamtenebene getroffen wird. Wir stellen uns da unabhängige Fachleute vor und bringen deshalb folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Petrovic, Motter und PartnerInnen betreffend Erarbeitung eines Konzeptes für eine Bundeskulturstiftung

Der Nationalrat wolle beschließen:


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"Die Bundesregierung wird aufgefordert, verschiedene Modelle zu erarbeiten, die veranschaulichen, auf welch unterschiedliche Weise eine Bundeskunst- und -kulturstiftung konstruiert sein kann. Diese Modelle sollen in einem Bericht zusammengefaßt und dem Nationalrat bis 31. 12. 1997 übermittelt werden."

*****

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich hatte im Vorfeld dieser Regierungsumbildung die Sorge – ich glaube, sie war nicht ganz unbegründet –, daß Sie auch das Frauenministerium leichtfertigerweise zur Disposition stellen wollten. Sie haben das nicht getan und in Ihrer Regierungserklärung den grundsätzlichen Handlungsbedarf in diesem Bereich erkannt. Zur Umsetzung dieser im Bereich der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gleichstellung der Frauen anstehenden Probleme haben Sie die Frauenministerin beauftragt.

Wenn Sie heute im Rahmen Ihrer Regierungserklärung gesagt haben, daß vieles mit Erfolg, manches vielleicht nicht ausreichend schnell umgesetzt worden ist, so können Sie damit die dringenden, insbesondere die Frauen betreffenden Problembereiche nicht gemeint haben. Bisher wurde versprochen, zugesichert, für Regierungserklärungen umformuliert. Es wurden Stehsätze verfaßt, die sich leider auch in Ihrer Regierungserklärung wiederfinden.

Wenn ich mir aber den Bericht der Bundesregierung über den Abbau der Benachteiligung von Frauen in Erinnerung rufe, sehe ich, daß sich dort – trotz vieler anderslautender Versprechungen – die Ignoranz der Regierung deutlich widerspiegelt, denn konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Frau blieben aus. Ganz im Gegenteil: Die Situation der Frauen hat sich durch die Sparpakete I und II noch wesentlich verschlechtert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die neue Frauenministerin steht vor einem breiten Betätigungsfeld: Die Diskriminierungen der Frauen sind allgegenwärtig. Ich hoffe sehr, daß die neue Ministerin ihr ganzes politisches Gewicht auf die Waagschale legt und auch von ihrem Vetorecht, von ihrem Stimmrecht im Ministerrat Gebrauch macht, wenn es um Diskriminierungen von Frauen in den verschiedensten Politikfeldern geht. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich muß leider sagen, daß mich Ihre Aussage im "Presse"-Interview vom 29. Jänner 1997 nicht besonders optimistisch gestimmt hat. Sie sagten: "Ich weiß auch nicht, ob ich es besser machen kann".

Wir brauchen frauenpolitische Akzente, insbesondere im Bildungsbereich. Österreich hat die zweithöchste Diskriminierungsrate, das heißt den zweithöchsten Ausbildungsunterschied zwischen Männern und Frauen. 25 Prozent aller 20- bis 25jährigen Frauen haben keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluß. Gerade in den zukunftsträchtigen Bereichen, den technischen, den ingenieurwissenschaftlichen Bereichen, haben wir bei den Frauen minimale Abschlußquoten.

Den geschlechtsspezifischen Tendenzen im Bildungsbereich wird leider nicht entgegengewirkt. Dies führt zu einseitiger Berufswahl, zu geschlechtsspezifischer Segmentierung des Arbeitsmarktes, mit all den damit verbundenen negativen Konsequenzen für die Frauen hinsichtlich Bezahlung, Aufstiegsmöglichkeiten sowie Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Setzen Sie auch Akzente in der Bildungspolitik, wenn es um Bildungsangebote geht, die der Höherqualifizierung der Frauen dienen.

Bitte, sehen Sie sich den EU-Sozialfonds mit seinen Möglichkeiten genauer an, nützen Sie diese besser für die Frauen, als es der ehemalige Sozialminister Hums getan hat.

Es gibt in Österreich eine geschlechtsspezifische Segmentierung des Arbeitsmarktes auch im Bereich der Vollzeit- und Teilzeitarbeit. Die Zahlen sprechen für sich. Es gibt eine überdimensionale Zunahme der Zahl der Teilzeitbeschäftigten, aber Teilzeitarbeit verbunden mit Aufstiegsmöglichkeiten ist so gut wie nicht möglich, nicht einmal im Bundesdienst ist es da anders. Be


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sonders im Bereich der geringfügig Beschäftigten – immerhin sind es neun Zehntel Frauen, die davon betroffen sind – gibt es keine sozialrechtliche Absicherung. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die Altersarmut eine weibliche Domäne, eine der wenigen weiblichen Domänen zu sein scheint.

Frauen werden nach wie vor als "Reservearmee des Arbeitsmarktes" betrachtet. Wie es gerade den jeweiligen Bedürfnissen entspricht, kann man sie entweder einberufen oder wieder entlassen. Ich glaube, daß die Entwicklung der Arbeitslosenquote das sehr deutlich aufzeigt.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Wenn Sie in Ihrem Interview sagen, Sie wollen, daß Frauenpolitik in Richtung einer Beschäftigungsoffensive geht, dann möchte ich Ihnen heute von dieser Stelle aus unsere Unterstützung zusichern. Wir bringen auch sehr gerne unsere liberalen Vorschläge für eine Beschäftigungsoffensive für Frauen ein. Es ist beschämend für Österreich, daß wir im europäischen Vergleich mit unserer Erwerbsquote im untersten Drittel liegen und diese ohnehin schon unterdurchschnittliche Quote auch noch im Absinken begriffen ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich möchte Sie noch einmal auf die von Ihnen versprochenen 600 Millionen Schilling im Bereich der Kinderbetreuung ansprechen. Da haben Sie Handlungsbedarf! Bisher kam es in diesem Bereich aufgrund ideologischer Spielereien zwischen Frauenministerin und Familienminister zu nicht akzeptablen Verzögerungen. Es besteht ein eklatanter Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen. Ich glaube, jetzt, Ende Februar, ist die Ablauffrist für anstehende Projekte, und ich wage noch nicht einmal daran zu denken, wann mit deren Umsetzung zu rechnen ist.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Noch einige Gedanken zuletzt: Ich möchte nicht unbedingt Schlüsse daraus ziehen, warum Sie der neuen Frauenministerin ganz spezifische Aufgabenbereiche zugedacht haben, aber es drängt sich für mich immer wieder die Frage nach Ihrem Zugang zur Frauenpolitik auf, haben Sie ihr doch genau jene Sachbereiche zugeordnet, die in hohem Maße von der Verhaltenskomponente "Schutz und Kontrolle" bestimmt sind. Das mag vielleicht daran liegen, daß Sie glauben, Frauen wären für Schutz zuständig, wie sie es bei der Kinder- und Altenbetreuung und in der Krankenpflege sind – selbstverständlich ohne Kostenersatz! –, oder daß Sie glauben, Frauen hätten ein besonderes Schutzbedürfnis.

Ich würde mir von Ihnen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, auf jeden Fall wünschen, daß Sie erkennen, daß sich überkommene Schutzmechanismen jedenfalls kontraproduktiv für die Frauen auswirken. Aus aktuellem Anlaß darf ich Ihnen gerade das Nachtarbeitsverbot für Frauen in Erinnerung rufen.

Wie wenig eigentlich Gleichbehandlung in der Gedankenwelt des neuen Bundeskanzlers verankert ist, zeigt sich für mich alleine dadurch, daß er bei der Schwerpunktsetzung der österreichischen Aufgaben in der EU ausgerechnet die Gleichbehandlung ausgelassen hat. Dies, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, war so auffällig, daß es für uns Frauen geradezu bedrückend ist. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

15.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden verlesenen Entschließungsanträge wurden ordnungsgemäß eingebracht, sind entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Beschränkung der Redezeit: 5 Minuten.

15.04

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt der Regierungserklärung, aber auch der heutigen Diskussion über die Regierungserklärung standen die sozialpolitischen Probleme und Anliegen.

Nun ist es zweifellos nicht so, daß es in der Sozialpolitik keine Probleme gibt, aber eines muß ich feststellen: In den letzten Monaten war es möglich, wesentliche Veränderungen herbeizufüh


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ren, von denen wir sagen können, daß dadurch die soziale Sicherheit in Zukunft gewährleistet werden kann. Ich betrachte das als sehr wichtige Feststellung aus Anlaß der heutigen Regierungserklärung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich stehe nicht an, festzustellen, daß dies ein wesentliches Verdienst des früheren Sozialministers Franz Hums ist, von dem ein wesentlicher Beitrag hiezu geleistet worden ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Im Gegensatz zu früheren Sozialministern konnte er keine neuen Leistungen ankündigen und durchsetzen, sondern er mußte Maßnahmen für sozial verträgliche Einsparungen vorschlagen, die das gute österreichische System in Zukunft sichern werden. Ich bringe Ihnen dazu einige ganz konkrete Beispiele.

Erster Punkt: die Arbeitslosenversicherung.

Meine Damen und Herren! Es ist einfach falsch, was Abgeordneter Haupt hier im Hinblick auf die Arbeitslosenversicherung gesagt hat. Vor dem Sommer wurde das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert, und es wurden Flexibilisierungsbestimmungen für die Bauarbeiter eingeführt. Diese Flexibilisierungsbestimmungen, wonach man nun die Arbeitszeit in der Bauwirtschaft verteilen kann, haben in Verbindung mit der guten Baukonjunktur dazu geführt, daß Ende 1996 die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter um 27,8 Prozent niedriger war als Ende 1995! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das, meine Damen und Herren, sind die Auswirkungen der Arbeitszeitflexibilisierung, denen aber die Freiheitlichen nicht die Zustimmung gegeben haben! Das möchte ich ausdrücklich feststellen.

Zweiter Punkt: Es ist richtig, daß es in den ersten Monaten des Jahres 1996 eine weitere Zunahme bei der Zahl der vorzeitigen Alterspensionen und Berufsunfähigkeitspensionen gab. Seit 1. September 1996 wirken die Sanierungsmaßnahmen, die gegen die Stimmen der Freiheitlichen beschlossen worden sind. (Abg. Dr. Krüger: Aha!) Das Ergebnis der Monate September bis Dezember 1996 zeigt einen Rückgang der Zahl der Neueintretenden in die vorzeitige Alterspension um 22 Prozent und in die Berufsunfähigkeitspension um 15 Prozent! (Abg. Dr. Leiner: Und die Freiheitlichen haben das verhindert!)

Meine Damen und Herren! Das sind Maßnahmen, die im Jahre 1997 einen Sanierungserfolg von einigen Milliarden Schilling in der Pensionsversicherung bringen werden. Sie haben dagegen gestimmt! Sie haben dagegen gestimmt, weil Sie nicht eingesehen haben, daß da etwas verändert werden muß. Wären wir den Weg der Opposition gegangen, so gäbe es in den nächsten Jahren ein Defizit, einen Bundeszuschußbedarf in der Pensionsversicherung, der unfinanzierbar wäre! (Abg. Dr. Krüger: Bei der Körperschaftsteuer!) Der Weg, den wir gegangen sind, war richtig, und wir wollen diesen Weg weitergehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Das zentrale Anliegen ist die Arbeitsplatzsicherung. Ich bin sehr froh, daß der Herr Bundeskanzler festgestellt hat, daß kein weiterer Ausverkauf erfolgen darf. In Ihren Reihen, meine Damen und Herren der Freiheitlichen, sitzt einer, der in Vorarlberg für den Ausverkauf von Unternehmen mitverantwortlich ist. Es ist ein Skandal, was dort in den letzten Tagen und Wochen durch die Vereinigung von Kästle und HTM in meinem Bundesland passiert ist, meine Damen und Herren. Diesen Ausverkauf haben Sie mitzuvertreten und diesen Skandal mit Verlust von Arbeitsplätzen genauso! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Die FPÖ ist immer schuld!) Reden Sie nicht immer von den anderen, sondern kehren Sie einmal bei sich selbst ein und verändern Sie Ihre Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe des Abg. Scheibner. )

Wir werden drei wichtige Anliegen weiterverfolgen: Arbeitszeitflexibilisierung, um Arbeitslosigkeit zu verhindern und um Arbeitsplätze zu sichern, weniger Bürokratie, daher die Einführung der Chip-Karte, und – dritter Punkt – Chancen für die Lehrlinge. Das sind die Punkte, die wir im Februar behandeln werden. Ich hoffe, daß wir Ihnen Ende Februar dazu auch konkrete Entscheidungen vorlegen werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Wenn etwas nicht gelingt, ist die FPÖ schuld!)

15.10


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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Sie haben eine freiwillige Beschränkung der Redezeit von 12 Minuten bekanntgegeben.

15.11

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler Klima! Die Regierungserklärung hat mich nicht überrascht. Sie hat mich weder besonders enthusiasmiert noch besonders betrübt. Eine Regierungserklärung ist eine Regierungserklärung. So haben wir sie offensichtlich auch zur Kenntnis zu nehmen. Da stehen einige nette Sachen drinnen, aber viel mehr war es in der Vergangenheit nicht und ist es auch jetzt bei dieser Regierungserklärung nicht geworden.

Einen Punkt möchte ich davon ausnehmen. Im Dezember haben wir eine Dringliche Anfrage zum Thema "Armut in Österreich" behandelt. Damals habe ich darauf hingewiesen, daß noch nie in einer Regierungserklärung im Hohen Haus oder in einer parlamentarischen Debatte über Armut in Österreich gesprochen wurde.

Herr Bundeskanzler! Ich rechne es Ihnen schon an, daß das Thema Armut zumindest in der Regierungserklärung steht und als Problem erkannt wurde, aber nur das Thema zu benennen und nicht auch über die Ursachen für oder die Maßnahmen gegen die Armut zu reden, das ist zuwenig.

Schon im Dezember gab es zwei Anträge der Grünen, in denen wir verlangten, daß ein Armuts- und Reichtumsbericht erstellt werden sollen. Das haben Sie, meine Damen und Herren, hier in diesem Hohen Haus abgelehnt. Wir sprechen nicht gerne über Armut, vor allem wollen wir nicht darüber berichtet bekommen. Wir sprechen offensichtlich auch nicht gerne über den Reichtum in diesem Land, den es ja geben muß, anders wäre ja die Anhäufung von Vermögen, von Geld- und Grundvermögen in Höhe von 6 000 Milliarden in diesem Land nicht erklärbar. Darüber sprechen wir lieber nicht. Damit halten wir es offensichtlich so, wie es Herr Finanzminister Lacina seinerzeit beschrieben hat: Wir zählen lieber Obstbäume, aber über die eigentlichen Dinge, über den Reichtum und die Armut in diesem Land, darüber wollen wir uns nicht verbreitern. Das interessiert die Regierung auch nicht.

Ich hoffe, Herr Bundeskanzler, daß Sie einen anderen Weg gehen und daß es gelingt, einen Schritt weiterzukommen bei der parlamentarischen Behandlung des Themas Armut. Ich hoffe, daß das ein Gegenstand wird – wenn schon nicht von Regierungsseite, dann wenigstens von Parlamentsseite. Und vielleicht nehmen Sie die Anregung, die jetzt auch von der Armutskonferenz gekommen ist, ernst, nämlich einen Armuts- und Reichtumsbericht zu erstellen und nicht entweder das eine – die Armut – oder das andere – den Reichtum – auszulassen.

Herr Bundeskanzler! Ich hätte mir gewünscht, daß Sie auch die Ursachen der Armut deutlicher benennen, als es in dieser Erklärung geschehen ist. Sie sollten aber nicht nur die Ursachen benennen, sondern auch die Konsequenzen für die Politik geltend machen. Das fehlt mir alles. Da hätten Sie nämlich, Herr Bundeskanzler, ganz sicher auch etwas in die Regierungspolitik hineinstochern müssen.

Wenn in diesem Land ein Notstandshilfeempfänger, egal ob Mann oder Frau, durch das Sparpaket der Bundesregierung eine Einkommenskürzung – das ist auch an Ihre Adresse gerichtet, Herr Kollege Hums – von 11 000 oder 12 000 S auf 7 800 S hinnehmen muß – und es gibt diese Fälle, wir haben solche Fälle auch hier schon dokumentiert –, wenn also in diesem Einkommensbereich eine Einkommenskürzung um 2 000, 3 000 oder 4 000 S erfolgt, dann erzeugt das Armut.

Das ist ein Armutsproblem, und das haben Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, auch durch Ihre Regierungspolitik mitverursacht! Ich spreche nicht über die anderen Gründe von Armut, ich spreche nicht über Arbeitslosigkeit, ich will auch nicht nur die Regierung für die Arbeitslosigkeit verantwortlich machen, aber der Zusammenhang zwischen den Maßnahmen, die Sie in bezug auf Arbeitslosigkeit gesetzt oder auch nicht gesetzt haben, und dem, was


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wir jetzt in Österreich an Problemen mit der Armut haben, der muß benannt werden. Daran muß auch gearbeitet werden.

Wie, Herr Bundeskanzler, wollen Sie einer Notstandshilfebezieherin erklären, daß es im Rahmen dieses Sparpakets notwendig war, ihr Einkommen um 3 000 oder 4 000 S zu kürzen, während andererseits die Bundesregierung offensichtlich der Ansicht ist, daß es notwendig ist, Panzer um 8 Milliarden Schilling anzukaufen, also um genau jenen Betrag, der im Sparpaket im Sozialbereich eingespart wurde? Wie wollen Sie das erklären? (Beifall bei den Grünen.)

Vor allem aber, meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler: Wie wollen Sie diesen Personen jetzt helfen? Ihre Partei war es, die im Wahlkampf – auch im letzten Wahlkampf – die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu einem zentralen Wahlkampfthema gemacht hat. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien und von der Regierung, waren es auf der anderen Seite aber auch, die eine Bestimmung in das Arbeitslosenversicherungsgesetz eingefügt haben, nämlich die Verfügbarkeitsbestimmung, die, Herr Kollege Feurstein, dazu führt, daß Frauen mit Betreuungspflichten das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe verlieren, also ausgesteuert werden. Das ist ein Skandal, Herr Abgeordneter Feurstein! Darüber werden Sie nicht hinwegkommen. Das ist Ihre Politik, die Sie mitzuverantworten haben! Sie wissen, es gibt betroffene Frauen! Sie wissen, es gibt diese Urteile! Machen Sie etwas dagegen! (Beifall bei den Grünen.)

Frau Ministerin Hostasch ist jetzt nicht im Saal. Trotzdem sei an ihre Adresse gerichtet: Ich bin nicht ganz der Meinung von Frau Dr. Schmidt, daß sie eine Punzierung schon dadurch hat, daß sie aus der Kammer beziehungsweise der Gewerkschaft kommt. Das wäre nicht das, was mich stört. Mich stört an dem, was Frau Ministerin Hostasch in der Vergangenheit als Abgeordnete gemacht hat, nur, daß das, was sie in der Kammer vertreten hat, nicht mit dem übereingestimmt hat, was sie hier im Nationalrat vertreten hat. Das interessiert mich in diesem Zusammenhang.

Ich wünsche Frau Ministerin Hostasch viel Erfolg bei der Verwaltung dieses Riesenressorts, wiewohl ich meine Probleme mit diesem Riesenressort habe, und zwar deswegen, weil ich meine, daß der Zeitpunkt der Zusammenlegung um mindestens ein bis zwei Jahre zu spät angesetzt ist. Vor ein bis zwei Jahren, meine Damen und Herren, hätte das Sinn gemacht. Da waren nämlich die Sozialversicherungen in die Krankenhausfinanzierung noch anders eingebunden als heute. Jetzt ist die Verantwortung für das Gesundheitswesen zu den Ländern gewandert. Und jetzt werden die Ressorts zusammengelegt? – Das macht keinen Sinn, das macht keine Perspektive.

Ich meine, in diesem konkreten Kontext, in dem jetzt die Zusammenlegung stattfindet, ist sie falsch. Damals hätte man darüber reden müssen, aber schon damals war es von dem Odium behaftet, daß es ohnehin ein Riesenressort ist, das größte Ressort mit erheblichen Problemen, wenn ich mir nur die Fülle der Probleme im Bereich Soziales anschaue, die ungelöst sind!

Meine Damen und Herren! Ich erinnere Sie nur an das Pensionsproblem, nicht im ASVG-Bereich, der auch nicht unbedingt in die Ressortzuständigkeit von Frau Ministerin Hostasch fällt, sondern an das Pensionsproblem im allgemeinen und an die Tatsache, daß wir noch immer divergierende Pensionssysteme haben, die sich immer weiter auseinanderentwickeln. Auf der einen Seite gibt es die ASVG-Pensionisten, die von Mindestsätzen leben müssen, auf der anderen Seite gibt es Pensionssysteme, wie teilweise im öffentlichen Dienst und für den Nationalrat, die in ihrer Höhe völlig von dem abgekoppelt sind, was an Durchschnittspension hier in Österreich erworben werden kann. Das geht nicht mehr! Es ist notwendig, auch da eine klare Linie zu fahren!

Auf der anderen Seite haben wir das Problem der Armut im Alter. Es wäre daher notwendig gewesen, Herr Bundeskanzler, auch in der Regierungserklärung zu diesem Thema etwas mehr zu sagen, beispielsweise zu sagen, daß Sie die Absicht haben, allen im Alter – egal, ob es eine Hausfrau war, egal, ob es ein Künstler war, egal, ob jemand sozialversichert war – ab einer bestimmten Altersgrenze eine Grundsicherung zu geben, und zwar ab jener Altersgrenze, auf die


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sich die Gesellschaft geeinigt hat und ab der sie akzeptiert, daß jemand nicht mehr arbeiten geht.

Herr Bundeskanzler! Diese Grundsicherung ist auch finanzierbar. Es ist möglich. Wir haben ein Pensionsmodell durchgerechnet. Es geht. Selbstverständlich kann man es machen. Natürlich bedeutet das Einschränkungen in anderen Pensionssystemen, aber ich halte das für sozial verträglich und auch für notwendig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums. – Abg. Dr. Haider: Nationalbank!)

Was wir von der Bundesregierung und von der Frau Sozialministerin im besonderen erwarten, ist eine klare Positionierung bei der Werkvertragsregelung. Meiner Ansicht nach geht es nicht an, daß die Bundesregierung abwartet, wie der Verfassungsgerichtshof entscheiden wird – wir alle, auch die Mitglieder der Regierungsparteien, wissen, wie er entscheiden wird –, und das dann halt irgendwie repariert.

Detto bei der Krankenscheingebühr: Sie haben sich mit der Krankenscheingebühr in etwas hineinmanövriert, was niemand mehr versteht, und noch weniger kann es administriert werden.

Ich möchte auf weitere Ausführungen von Ihnen zu sprechen kommen, Herr Bundeskanzler. Sie haben für Ihre Technologiepolitik ein Bild verwendet, das mich enorm gestört und irritiert hat. Sie liegen schief mit diesem Bild! Sie haben vom Informations-Highway gesprochen, auf den wir auffahren sollen, und Sie haben weiters von den Internet-Usern in Amerika gesprochen, die 29, männlich, weiß und wohlhabend sind. Wenn Sie vom Informations-Highway sprechen, Herr Bundeskanzler, dann muß Ihnen bewußt sein, daß ein "Highway" – egal, ob in Österreich oder in den USA – ein Auto voraussetzt, ein Mittel, mit dem man sich fortbewegen kann. "Highway", das bedeutet außerdem nur das Fahren über große Distanzen. Alles, was dazwischen liegt, bleibt unversorgt. Wenn man in Bildern denkt, ist es wichtig, auch das zu charakterisieren. In Österreich braucht man außerdem ein Pickerl, um den Highway überhaupt benutzen zu können.

In diesem Bild würde einiges stecken, was auch die Probleme des Informations-Highway erklärt. "Highway", das heißt nicht, daß ihn alle benutzen können, und es heißt nicht, daß alle von ihm Resultate zu erwarten haben. Autobahnen werden nicht nur gebaut, um Regionen zu versorgen, sondern auch, um Reichtümer aus Regionen abzutransportieren. Autobahnen dienen der Überwindung großer Distanzen und sind nicht sosehr für die Nähe, für die Nahversorgung da. Das ist ein Problem, das wir mit dem Bild von Informationsgesellschaft haben, das Sie entwerfen. Freilich steckt darin ein großes Potential und ist für Österreich einiges möglich, doch sollten wir uns auch klar werden, welche Probleme dieser "Highway" mit sich bringt.

Zu dem Bild von der EU, das Sie gebracht haben, Herr Bundeskanzler, von den großen Taten, auf die Sie zuschreiten wollen, möchte ich sagen: An Ihrer Erklärung über die EU hat mir die ehrliche Erwähnung gefehlt, daß wir vor einigen Jahren mit dem Vorsatz ausgezogen sind, in der EU für soziale Zustände zu sorgen. Die alte Bundesregierung hat als erstes das Sozialkapitel aus ihrer Erklärung für die Regierungskonferenz gestrichen. Was wir brauchen, Herr Bundeskanzler, sind nicht nur schöne Worte, wie Sie sie heute manchmal gefunden haben, sondern auch Taten. Aber manchmal fehlen Ihnen sogar die Worte, um das zu beschreiben, was Sie eigentlich tun sollten. (Beifall bei den Grünen.)

15.23

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.23

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine kurze Bemerkung zunächst zu den Ausführungen von Kollegen Öllinger und seiner Kritik, daß das Sozialkapitel gestrichen worden sei. Lieber Kollege Öllinger! Du weißt genau, daß die österreichischen Initiativen gerade im Bereich der Umwelt- und der Sozialpolitik enorm waren, und zwar von Anfang an. Wir sind in all den Konferenzen und Tagungen, in denen es darum gegangen ist, unsere Standards im Sozialwesen einzubringen,


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sehr aktiv gewesen, und Bundesminister Hums hat mit seinem Ressort sehr viel dazu beigetragen.

Die Entsenderichtlinie ist das letzte Beispiel hiefür gewesen, also jene Richtlinie, in der es darum geht, daß Arbeitnehmer bei uns nach unseren Bestimmungen und Kollektivverträgen bezahlt werden – ein großer Erfolg, für dessen Erringung Österreich sehr viel getan und erreicht hat.

Es ist sicherlich falsch, daraus, ob genau dieses Wort in der Regierungserklärung vorkommt oder nicht, abzuleiten, was tatsächlich getan wird. Wäre in der Regierungserklärung all das erwähnt worden, was getan wurde und getan wird, dann hätte sie wesentlich länger gedauert.

Ein Ziel ist die breite Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien. – Mit diesem Zitat aus der Regierungserklärung möchte ich anfangen, weil Sie mit dem Hinweis auf den "information highway" aufgehört haben.

Bill Gates schreibt in seinem Buch "Der Weg nach vorne", das insgesamt sicherlich nicht unsere Position darstellt, daß in einem Haus alle Räume mit der technischen Ausrüstung für die Teilnahme an der Informationstechnologie ausgestattet werden sollten. Damit komme ich auf ein entscheidendes Problem unserer künftigen Politik zu sprechen, auf die Vernetzung. Besuchen Sie einmal verschiedene Neubauten in Österreich – Sie können beinahe gehen, wohin Sie wollen –, sehen Sie sich an, wie diese Neubauten für die neuen Kommunikationstechnologien ausgestattet oder vorbereitet werden, und Sie werden Defizite feststellen, und zwar derart, daß wir sagen müssen: Das politische Bekenntnis ist zwar da – wir wollen das –, aber die praktische Umsetzung ist derzeit noch nicht ausreichend, denn was dabei gewollt wird, ist nicht sosehr Sache der Politik, sondern ist Sache derjenigen, die diese Bauten planen und diese Wohnungen anbieten, es ist deren Sache, ob tatsächlich in den verschiedenen Räumen die technischen Gegebenheiten dafür vorhanden sind.

Sehr gut ausgestattet und im internationalen Vergleich hervorragend in der Anbindung an diese neuen Technologien sind die österreichischen Schulen, die österreichischen Fachhochschulen und die österreichischen Universitäten. Sie können Vergleiche mit nahezu jedem beliebigen anderen Land anstellen und werden kaum eines finden, in dem im Prinzip jeder Student Zugang zum Internet und zu allen Datenbanken hat, und zwar zu Kosten, die nahezu, wenn nicht überhaupt null sind. Es ist wichtig, das auch festzustellen, daß Österreichs Universitäten und Schulen hinsichtlich der neuen Technologien auf einem sehr, sehr guten Weg sind.

Zum Bereich Universitäten und Forschung wurden in der Regierungserklärung auch die langen Studienzeiten angeführt und als ein Problem bezeichnet, das es zu lösen gilt. Wir sind schon sehr nahe daran. Das Universitätsstudiengesetz, das dieses Haus demnächst als Regierungsvorlage erreichen wird, dient unter anderem dem Ziel, die Studienzeiten zu verkürzen, und es zeigt, wie sehr diese Regierungserklärung und das, was wir gemäß Koalitionsübereinkommen vorgehabt haben, im Plan liegen und wie sehr wir daran interessiert sind, auf diesem Gebiet weiterzuarbeiten: das Universitäts-Organisationsgesetz, zuletzt vereinbart, jetzt bereits umgesetzt; das Fachhochschul-Studiengesetz oder das Arsenalgesetz, aufgrund dessen unsere Forschungseinrichtungen konzentriert werden können.

Was steht im Bereich Wissenschaft und Forschung als nächstes an? Aus der Regierungserklärung geht hervor, daß der Anteil für die betriebliche Forschung an der gesamten Forschungsförderung zu gering ist. Ich füge hinzu, daß sich die Bundesländer stärker einbringen könnten. Als Tiroler sage ich, daß die Steiermark für viele Bundesländer ein Vorbild dafür sein könnte, wie die Technologie- und Forschungspolitik von einem Bundesland unterstützt werden kann.

Die betriebliche Forschung ist zu verstärken. In den letzten Wochen war immer wieder die Rede davon, daß die ÖMV – jetzt OMV – ein Betrieb ist, der viele Regierungsmitglieder hervorbringt. Die ÖMV ist ein Betrieb, der sehr viel forscht. Er muß sich in Zukunft wahrscheinlich eine neue Erklärung für seinen Namen suchen (Abg. Dr. Krüger: Forschung nach Politikern?) , denn ÖMV heißt "Österreicher mit Verantwortung", wenn ich das richtig im Kopf habe, und in Zukunft wird das heißen: "Österreicher mit Viktor Klima", wenn wir das ein wenig umdefinieren.


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Arsenal und Seibersdorf zu einer schlagkräftigen außeruniversitären Forschungseinrichtung zusammenzufassen, das ist ein weiterer Punkt.

Eine Entscheidung über Großforschungseinrichtungen steht derzeit an. Es ist dringend erforderlich, in den nächsten Monaten zu entscheiden – und das wird auch geschehen –, ob es eine Großforschungseinrichtung geben wird, und wenn ja, welche. Wir hoffen, daß Österreich als Standort für EUROCRYST gewählt wird. Auf jeden Fall ist es wichtig, daß darüber eine Entscheidung fällt.

Was den Bereich der Forschung betrifft, lege ich ein klares Bekenntnis dazu ab, daß nach Ansicht unserer Fraktion etwa die Forschung im Bereich der Biotechnologie genauso wichtig ist wie zum Beispiel Armutsforschung oder Forschungsarbeit im Bereich des Faschismus und der Faschismusentwicklung. All das gehört zusammen. Wir dürfen und werden uns nicht nur auf den rein technischen Bereich konzentrieren.

Die Preise für hervorragende Forschung, wie etwa der Wittgenstein-Preis, sind ein wichtiger Impuls. In diese Richtung müssen wir weiterdenken und die Anreize ausbauen.

Auch ein Geräteplan über die Ausstattung der Forschungseinrichtungen ist etwas, was unmittelbar notwendig sein wird.

Einen Punkt möchte ich noch extra ansprechen, weil das etwas ist, wodurch Österreich als Wissenschafts- und Forschungsstandort in Gefahr geraten könnte. Wir brauchen dringend eine Novellierung der ausländergesetzlichen Bestimmungen dahin gehend – und ich hoffe, daß wir mit unseren Partnern in der Volkspartei diesbezüglich sehr rasch zu einer Lösung kommen können –, daß Teilnehmer an internationalen Kongressen, die nach Österreich kommen, Bedingungen für die Einreise vorfinden, wie sie europäischer Standard sind. Das ist ein sehr wichtiges Anliegen.

Eine neue Institutsstruktur, die Universitäten als offene und moderne Dienstleistungsunternehmen für Studenten, Absolventinnen und Absolventen sowie außenstehende Partner, ein offener Universitätszugang – ich glaube, das sind Dinge, die wir zu erreichen versuchen müssen. Das ist ein Credo! Ich meine, daß diese Koalition sich darin einig ist, daß die Brieftasche der Eltern nicht entscheidend sein darf und auch in Zukunft nicht entscheidend sein wird im Hinblick darauf, ob jemand bei uns studieren kann oder nicht.

Einer der Redner der Freiheitlichen, der momentan nicht da ist und, ich würde sagen, auch nicht fehlt, nämlich der wegen seiner Schärfe bekannte Klubobmann oder stellvertretende beziehungsweise geschäftsführende Klubobmann Stadler hat diese Bundesregierung als eine "Übergangsregierung" bezeichnet. Da hat wieder einmal das Wunschdenken durchgeschlagen. (Abg. Dr. Krüger: Verlassenschaftsprovisorium!) Bitte lesen Sie das nach, Kolleginnen und Kollegen, lesen Sie Ihre großen Sprüche nach, die Reden, die Sie im Spätherbst 1995 an diesem Pult geschwungen haben! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Krüger: Verlassenschaftsregierung!) Da hat es geheißen: Wenn diese Nationalratswahl vorbei ist, dann werden hier nur kleine Sektoren übrig sein; wir sind jedenfalls die Stärksten, haben Sie gemeint, und die anderen werden sich mit dem Rest begnügen müssen. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Krüger: Wie steht es aktuell, nach den Europa-Wahlen?) Das war damals eine sehr dick aufgetragene Erwartung, und genauso wird es Ihnen mit dieser "Übergangsregierung" gehen, die lange Bestand haben wird. So wie es bei der Nationalratswahl 1995 für Sie erstmals abwärts gegangen ist und erstmals einen Knick gegeben hat (Abg. Böhacker: 1995 1 060 000!), so wird diese Bundesregierung und diese Koalition dafür sorgen, daß Ihr Weg nach unten fortgesetzt wird! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.33

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Prinzhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

15.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn (Freiheitliche): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Ich beneide Sie nicht um die sieben Stunden, die Sie hier auf der Regierungs


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bank gesessen sind, muß Ihnen aber sagen: Ihre Regierungserklärung war so dürftig, daß diese sieben Stunden noch eine milde Strafe sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Seien Sie nicht böse, wenn ich sage: Das war eine verspätete sympathische Weihnachtsrede. Mit der Präzision eines Finanzcontrollers haben Sie alle konkreten Aussagen vermieden. Diese Präzision weiß ich zu schätzen, Sie haben sie letztlich auch in Ihrem Beruf in der ÖMV gezeigt.

Sie schreiben Überschriften wie "Chancen der Veränderungen" – ich unterschreibe das –, Sie legen den Ist-Zustand nicht fest, den Soll-Zustand ebenfalls nicht. So kann man Sie nicht messen. Das ist ein alter Trick, den Bilanzexperten und Soll-Ist-Vergleichs-Experten verwenden und den ich sehr gut kenne. Wir werden Sie aber beim Wort nehmen und Ihnen klare Bekenntnisse und Zielsetzungen abringen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Haider: Jawohl!)

Sie schreiben sehr nett, der soziale Zusammenhalt stehe nicht im Gegensatz zu wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit. – No na, Herr Bundeskanzler! (Bundeskanzler Mag. Klima: In manchen Ländern schon!) Sie hätten sagen sollen, es ist eine Symbiose, denn letztlich ist der soziale Zusammenhalt nur mit wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und in einer gesunden Wirtschaft zu holen. (Bundeskanzler Mag. Klima: Da ist ein Unterschied!)

Unterschiedlich beurteilt das die OECD, Herr Bundeskanzler. Die OECD sagt in ihrem Bericht aus den letzten Tagen: Österreich ist Schlußlicht, die Wachstumsprognosen sind schlecht – knapp über 1 Prozent –, die Neuverschuldung ist mit über 3 Prozent steigend. Auch da weiß sich ein cleverer Controller zu helfen: Man rechnet die Schattenwirtschaft hinein, schon hat man ein neues Szenario! Sie haben dabei ja einen Fachmann an Ihrer Seite, den neuen Herrn Staatssekretär, der Ihnen dabei sicherlich behilflich sein wird.

Herr Bundeskanzler! Die Schwachstellen hätten Sie aufzeigen sollen, die Schwachstellen in unserer Struktur- und Wirtschaftspolitik. Wirtschaftspolitik kommt in Ihrem Programm nicht vor! Ich gestehe Ihnen zu, Sie tun etwas Kluges, wenn Sie demnächst nach Holland reisen. Das ist wirklich etwas sehr Gescheites, Herr Bundeskanzler! Wir Freiheitliche haben Ihnen das schon lange vorgeschlagen, so wie wir der ÖVP vorgeschlagen haben, nach Neuseeland zu reisen, weil man dort viel mehr lernen kann als in der Wirtschaftskammer. Ich freue mich, daß Ihr erstes Reiseziel Holland ist, denn dort können Sie lernen, wie ein Sparpaket aussehen soll, wie es zu neuen Investitionen und letztlich zu erhöhter Wettbewerbsfähigkeit führt. Der "Kurier" hat sich das Gott sei Dank von uns angeeignet, und ich darf es Ihnen hiermit weitergeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Darin steht, daß der öffentliche Verwaltungsanteil – dort ist Österreich Rekordhalter – in krassem Gegensatz zum Unternehmeranteil in Österreich steht; da sind wir Schlußlicht. Darin steht, daß der geschützte Bereich und die öffentliche Wirtschaft – dort sind wir Rekordhalter – in krassem Gegensatz zur Zahl der Aktienbesitzer in Österreich steht; auch da ist Österreich Schlußlicht. Darin steht auch, daß die niedrigste Forschungs- und Entwicklungsquote in der EU letztlich dazu geführt hat, daß Zukunftstechnologien abgewandert sind. Das bejammern Sie jetzt selbst in Ihrem Programm, in dem Sie sagen, wir sind ein Nettoexporteur an Technologie. Traurig genug, denn dort liegt die Zukunft für unsere Jugend und die Arbeitsplätze! (Bundeskanzler Mag. Klima: Nettoimporteur!) Ein Nettoimporteur! Danke vielmals, danke sehr!

Herr Bundeskanzler! Daß Sie diese Controller-Kompetenz haben und die Budgetkosmetik für Sie ein besonderes Anliegen ist, haben Sie schon in den letzten Jahren als Finanzminister gezeigt. Aber jetzt, Herr Bundeskanzler, ist Führungskompetenz gefragt. Das ist etwas ganz anderes als Controller-Kompetenz! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt müssen Sie nicht ankündigen, jetzt müssen Sie nicht kontrollieren, jetzt müssen Sie führen! Dafür werden Allgemeinplätze wie in Ihrer Regierungserklärung nicht ausreichen. Jetzt brauchen wir konkrete Maßnahmen!


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Sie sprechen von Öffnung im Telebereich: Telekommunikation und alles, was damit zusammenhängt. Bitte, wie stellen Sie sich das vor? Im Proporzfernsehen oder in der verstaatlichten Telekom? Privatisieren Sie doch diese beiden Bereiche! Machen Sie auf, was Sie seit Jahren ankündigen und heute wieder angekündigt haben! Das wären konkrete Maßnahmen, diese sind Sie uns schuldig geblieben. Aber bei Postschulden von über 100 Milliarden Schilling werden Sie – da gebe ich Ihnen recht – weiterhin die höchsten Telefongebühren in Europa brauchen, um diese Defizite abzudecken. Ihre neue Gebührenreform wird genau das zeigen.

Als Verkehrsminister hätten Sie die Gelegenheit gehabt, einiges zu ändern. Aber Sie haben nicht einmal den Bahnbus und den Postbus koordiniert, um die Hunderte Millionen, die dort wirklich verblödelt werden, einzusparen. Auch das haben Sie als Verkehrsminister nicht gemacht, aber jetzt wäre vielleicht Zeit, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen.

In die Sozialversicherung haben Sie immer Geld hineingezahlt und das bejammert, aber Strukturreformen haben Sie nicht eingefordert.

Überall da hätten Sie Strukturpolitik zeigen können.

Für das Belastungspaket mit dem Namen "Sparpaket" haben Sie eine herrliche Marketing-Geschichte entwickelt und damit letztlich Ihr Marketing-Genie zur Schau gestellt, aber die Zahlen werden Sie einholen, Herr Bundeskanzler. Die Zahlen in diesem Sparpaket, das in Wirklichkeit ein reines Belastungspaket ist, werden Sie einholen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für Beschäftigungspolitik und Wirtschaftspolitik haben Sie im Budget keinen Spielraum. Was tun Sie in dieser Lage? – Schulden verschieben, Schulden ausgliedern. Sehr originell, muß ich Ihnen sagen! Das haben Sie vielleicht von Frankreich oder sonstwo abgeschaut, aber originell ist das auf keinen Fall. Strukturveränderungen sehen anders aus, Herr Bundeskanzler!

Als Finanzminister hätten Sie Gelegenheit gehabt, den Kapitalmarkt zu beleben. Jetzt, nachdem der Zug abgefahren ist und der Euro kommt, werden Sie sich schwertun. Vielleicht bringen Sie die sehr wertvollen Bank-Austria-Aktien zur Belebung des Kapitalmarktes unter. Hoffentlich geht das besser vor sich als letztes Mal in Amerika.

Herr Bundeskanzler! Bitte blamieren Sie mich doch nicht! Ich war doch der, der gesagt hat, eine Regierung bestehend aus Klima, Schlögl und Co sei sicherlich für dieses Land besser als jene, die wir gehabt haben. Tun Sie mir den Gefallen: Blamieren Sie sich nicht, setzen Sie auch gewisse Dinge um, es wäre auch in meinem eigenen Interesse!

Entrümpeln Sie die Lohnnebenkosten, wie das in Holland passiert! Nehmen Sie die nichtwirksamen Lohnbestandteile heraus! Privatisieren Sie nicht nur, wenn Sie Geld brauchen, sondern privatisieren Sie, um den Markt zu liberalisieren, um damit Investitionen und Arbeitsplätze zu schaffen!

Herr Bundeskanzler! Um folgendes möchte ich Sie auch bitten: Beschäftigen Sie sich mit den sozial Schwachen und Armen mehr als mit Sparpaketen und mehr als mit der Ausgrenzung der Opposition, denn auch das kostet Sie wertvolle Zeit!

Eine letzte persönliche Bitte an Sie: Herr Bundeskanzler! Der Ruf von Politikern ist nicht gerade der beste. Seien Sie doch so gut, sorgen Sie für Ihre eigene Pension selbst vor, damit es nicht wie bei Ihrem Vorgänger 5,8 Millionen Schilling sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. – Bitte, Frau Abgeordnete. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

15.41

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Österreichische Volkspartei ist sehr froh, daß mit der gestrigen Angelobung der neuen Bundesregierung und der heutigen Re


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gierungserklärung nunmehr die harte Arbeit zur Umsetzung des Regierungsübereinkommens innerhalb der Koalitionsregierung begonnen werden kann.

Ich bin auch sehr froh, Herr Bundeskanzler, daß Sie in Ihrer Regierungserklärung einen besonderen Schwerpunkt in der Frauenarbeit angekündigt haben, und ich werde mir erlauben, diese kurze Zeit ausschließlich diesem Schwerpunkt zu widmen, denn es gibt auf diesem Gebiet genug zu tun. Das beginnt bei der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit und reicht bis hin zu besseren Berufs- und Karrierechancen für Frauen und zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für eine vernünftige, effiziente und ernstzunehmende Frauenpolitik, Herr Bundeskanzler, werden Sie die Österreichische Volkspartei immer auf Ihrer Seite haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Lassen Sie mich zunächst ganz kurz auf jenen Bereich eingehen, den das Gesetz nur bedingt regeln kann, der an sich im Eherecht gesetzlich festgeschrieben ist: die partnerschaftliche Teilung des Einkommens beziehungsweise der Einkommensgewinnung sowie der Familienarbeit.

Die Österreichische Volkspartei bekennt sich zu diesem partnerschaftlichen Gedanken, der 1978 im Eherecht festgeschrieben wurde. Sie bekennt sich auch dazu, daß beide Partner in einer Familie und auch die Kinder ihren Anteil an der gemeinsamen Familienarbeit übernehmen. Wir verwehren uns aber – und das haben wir schon mehrfach festgehalten – gegen eine zusätzliche gesetzliche Verankerung der Hausarbeit im Familienrecht, weil wir der Meinung sind, daß die Politik, der Staat die Rahmenbedingungen vorgeben soll, sich aber in ganz private Angelegenheiten von zwei Ehepartnern nicht einzumischen hat, außer es ist Gefahr in Verzug, zum Beispiel bei Gewalt in der Familie. Da sind wir durchaus der Meinung, daß der Staat auch eine Verpflichtung hat, insbesondere wenn es darum geht, Kinder und Frauen zu schützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Was uns ein ganz besonderes Anliegen ist, ist, Gleichbehandlung, gleiche Chancen für Frauen im Berufsleben, im Arbeitsleben zu schaffen. Dabei ist eines der vordringlichsten Probleme der ungleiche Lohn für gleichwertige Arbeit, ein Bereich, der sich in den letzten 20 Jahren leider nicht verbessert hat – ganz im Gegenteil: Die Einkommensschere ist nicht kleiner, sondern größer geworden. Ich glaube, daß dieses Problem vor allem auch durch eine komplette Neubewertung der Arbeit angegangen werden muß, wie das ja auch schon in anderen Ländern, zum Beispiel in der Schweiz, durch ein besonderes System versucht wurde.

Ich glaube, daß es sehr notwendig ist, daß sich diese Bundesregierung – und das ist sicher auch für die Frauenministerin und für die Gewerkschaften eine vordringliche Aufgabe – mit diesen Themen auseinandersetzt und daß neue Kriterien für die Bewertung der Arbeit Eingang finden können, vor allem auch Organisationstalent und Kreativität statt nur Kraft und Stärke, wie das bisher der Fall war und ist.

Ein weiterer Punkt ist selbstverständlich auch die umfassende Information von Mädchen und jungen Frauen über die Berufswahl und die Berufsorientierung. Da muß es uns gelingen, von den wenigen Berufen, die Frauen derzeit wählen, zu einer größeren Vielfalt zu kommen, vor allem aber auch, Frauen dazu zu bringen, sich verstärkt auf zukunftsorientierte Berufe zu konzentrieren.

Ein ganz wichtiger Punkt sind Frauenförderpläne, insbesondere was den Aufstieg von Frauen in den verschiedenen Hierarchien anbelangt. Dabei kann die öffentliche Hand – der Bund, die Länder – mit gutem Beispiel vorangehen. Es muß uns aber auch gelingen, private Unternehmen durch entsprechende Anreize dazu zu bringen, entsprechende Frauenförderpläne zu entwickeln und vor allem für jene Frauen und Männer, die nach einer Kinderpause wieder in das Berufsleben einsteigen wollen, entsprechende Programme anzubieten, um ihnen diesen Wiedereinstieg zu erleichtern und auch Karrierechancen zu eröffnen.

Ein ganz wichtiger Punkt ist selbstverständlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei ist die Flexibilisierung der Arbeitszeit ein wesentlicher Punkt, und zwar nicht nur der Tages-, Wochen- und Monatsarbeitszeit, sondern vor allem auch der Lebensarbeitszeiten. Es muß für Mütter und Väter möglich sein, über einen gewisse Zeitraum hinaus auszusteigen und sich ganz


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der Familienarbeit zu widmen, ohne dadurch in eine schwierige oder gar lebensbedrohende Situation zu kommen. Es gilt, auch da, im kleinen Bereich, der Armutsfalle vorzugreifen.

Ein wichtiger Punkt sind selbstverständlich die Kinderbetreuungsmaßnahmen und die Möglichkeit, eine Vielfalt an Kinderbetreuung flächendeckend und flexibel anzubieten, um damit auch Frauen in neuen Berufsfeldern, die andere Arbeitszeiten haben, oder zum Beispiel Krankenschwestern eine entsprechende Möglichkeit zu bieten.

Es gäbe noch eine Menge Dinge zu sagen, ich habe mich jedoch zu einer freiwilligen Redezeitbeschränkung verpflichtet. Was uns von der Österreichischen Volkspartei aber ganz wichtig ist, meine Damen und Herren, ist, daß Frauen und Männern die Wahlfreiheit gegeben sein muß, ob sie sich voll und ganz dem Beruf widmen oder ob sie eine gewisse Zeit aus dem Berufsleben aussteigen wollen, um sich voll und ganz der Familienarbeit widmen zu können. (Beifall bei der ÖVP.) Diesen Frauen und Männern darf daraus kein Nachteil erwachsen, und es sind alle dafür notwendigen Maßnahmen zu setzen, damit diese Wahlfreiheit auch gewährleistet ist. (Beifall bei der ÖVP.)

15.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Herr Abgeordneter, Ihr Klub hat eine Restredezeit von 16 Minuten. Wollen Sie eine andere Beschränkung? – Gut, 5 Minuten.

15.48

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Herren von der Bundesregierung! – Damen sind momentan keine anwesend. – Hohes Haus! Diese Bemerkung ist vielleicht nicht unsignifikant, weil durch die unterproportionale Vertretung von weiblichen Regierungsmitgliedern die statistische Wahrscheinlichkeit, daß vorübergehend nur Männer auf der Regierungsbank sitzen, relativ hoch ist. Das war eine Randbemerkung zur Frauenfrage.

Ich möchte mich jetzt den wichtigsten Punkten in aller Kürze zuwenden, damit ich mich als Sozialsprecher meiner Fraktion hier nicht verschweige. Ich habe manches unter den plakativen Aussagen des Herrn Bundeskanzlers – ich sage bewußt: plakative Aussagen des Herrn Bundeskanzlers – gehört, wobei ich mir vielleicht etwas ganz anderes vorstelle als er, aber immerhin waren die Themenfelder gleich. Eines davon war zum Beispiel die Mobilität.

Er hat Mobilität eingefordert, Mobilität ganz allgemein – ich glaube, wohl auch vom Arbeitnehmer –, er hat aber nicht dazugesagt, was das bedeutet. Er hat nicht dazugesagt, daß das Wohnungsproblem ungelöst ist, daß wir keinen einem mobilen Arbeitsmarkt entsprechenden mobilen Wohnungsmarkt haben, wobei ich das Wort "Markt" verwende, um darzustellen, daß ich offene Strukturen meine. Wir haben jedoch keine offenen Strukturen im Wohnungsbereich, wir haben außerdem ein Wohnungsunterangebot, und es herrschen völlig unsymmetrische Mietverhältnisse und eine völlige Erstarrung. Wenn Sie vor einem solchen Hintergrund Mobilität einfordern, müssen Sie den Menschen erklären, wie das für sie lebbar und vor allem mit ihren Einkommen harmonisierbar ist. Das fehlt zum Beispiel.

Ich meine daher: Die vielen Überschriften, die wir gehört haben, bedürfen erstens der Vernetzung, zweitens der Vertiefung und drittens der Ausfüllung mit menschlicher Wärme, denn das hat mir ein bißchen gefehlt. (Beifall beim Liberalen Forum)

Jetzt mag es durchaus sein, daß es, wenn man die staatstragende Funktion des Bundeskanzlers hat und eine allgemeine Regierungserklärung abgibt, nicht gut mit menschlicher Wärme harmoniert. Aber die Themen, um die es mir geht, verlangen eine solche. Daher meine ich, wenn Flexibilität gefordert wird, ohne daß dazugesagt wird, wie sie lebbar sein soll, dann ist das auch etwas, was sich nur in der Leerformel "Balance zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern" erschöpft. Dazu kann ich nur sagen: No na! Aber wie und wohin? Diese Debatte wird zu führen sein. Da aber selbst die neue Bundesministerin für Arbeit und Soziales und Gesundheit auf der Regierungsbank nicht anwesend ist, meine ich, werden wir diese Debatte zu einem späteren Zeitpunkt und anderswo führen.


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Einen letzten Hinweis dazu auch noch: Neue Arbeitsformen ohne Entkoppelung der sozialen Absicherung von der Erwerbsarbeit in dem linearen Zustand, wie wir ihn jetzt haben, werden wir nicht schaffen. Denn wenn wir neue Arbeitsformen wie Flexibilität und Teilzeit lebbar machen wollen, müssen wir eine sozialpolitische Flanke dazu aufbauen. Wir können die Menschen nicht in irgendeine Erwerbsarbeit stoßen, die dann nicht ausreicht, die Lebensmittel zu finanzieren. Wir werden Doppelsysteme einführen müssen, wie etwa die Schweiz das mit dem Teilzeitarbeitsmodell getan hat. Wir haben einen solchen Antrag eingebracht.

Wir werden uns lösen müssen von der Vorstellung, daß nur der, der bereits gearbeitet hat, einen sozialen Anspruch hat. Daß das teuer sein wird und großer Anstrengung bedarf, weiß ich, aber ich meine, das muß einfach gesagt werden, denn alle Sparpakete dieser Welt haben nur dann einen Sinn, wenn wir im Ergebnis dann wirklich nicht nur in der Lage, sondern auch bereit sind, Politik für die Menschen zu machen. Wenn wir die Kraft dazu haben, müssen wir es auch tun, denn alles andere würde bedeuten, das Pferd von der falschen Seite aufzuzäumen.

Zu den sozialpolitischen Meilensteinen, die der Herr Vizekanzler angeführt hat, gehören 16 Milliarden mehr für die Familien – aber mit der Gießkanne! –, bessere Karenzgeldbedingungen als anderswo – daß es anderswo tatsächlich noch weit bessere gibt, nämlich flexiblere, hat er jedoch nicht erwähnt – und die Pflegegeldleistungen, die bekanntlich gerade erst unter den Rasenmäher geraten sind.

Schlußsatz: Das Integrationspaket kommt einmal vor in Ihrer Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, allerdings im Zusammenhang mit Kriminalitätsbekämpfung – und das hat mich wirklich beunruhigt. Wenn Sie für dieses Problem keinen anderen Platz finden als bei der Kriminalitätsbekämpfung, dann ist das keine gute Prognose für Grundrechte und Menschenrechte und Humanität. – Danke sehr. (Beifall beim Liberalen Forum)

15.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Tegischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.53

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Ministerbank! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Als Politneuling bin ich vor ungefähr einem Jahr voller Erwartung und voller Zuversicht in dieses Hohe Haus eingezogen und vor zirka einem halben Jahr wurde ich mit der Funktion einer Jugendsprecherin betraut.

Wenn ich nun dieses Jahr Revue passieren lasse, dann muß ich ehrlich zugeben, daß ich manchmal das Bedürfnis hatte, aufzugeben, zu sagen: Leute, es wird mir zuviel, ich fahre heim nach Osttirol, gehe meiner Tätigkeit als Sozialarbeiterin nach, widme mich meinen Hobbies und lasse es mir gutgehen. Aber dann gab es immer wieder Momente, Begegnungen und Ereignisse, die mich von diesem Schritt abgehalten haben. Ich habe erkannt, daß man nicht allen Menschen gerecht werden kann, und ich habe erkannt, daß man nicht alle Ideen, Vorstellungen und Träume in kurzer Zeit umsetzen kann.

Viele Menschen, vor allem junge Menschen haben Angst – das ist heute schon mehrfach angesprochen worden –, Angst vor Überforderung, Angst vor Arbeitslosigkeit, Sie haben Angst vor Globalisierung, Angst vor Entsolidarisierung, vor sozialer Isolation. Diese Angstliste könnte ich beliebig fortsetzen.

Viele dieser Menschen versuchen nun, diese Ängste zu mildern, indem Sie den oder die Auslöser für ihren unbefriedigenden Zustand – mehr oder weniger berechtigt – in uns Politikern und Politikerinnen sehen. Umso mehr Hochachtung sollen sie jenen Menschen und Politikern entgegenbringen, die klare Standpunkte vertreten, mutige Entscheidungen treffen und menschliche Größe besitzen, Spitzenfunktionen aufzugeben, um sie anderen zu überlassen.

Alle, mit denen ich in der letzten Zeit gesprochen habe, teilen meinen Respekt für Kanzler Vranitzky, der seine Funktion an der Spitze unserer Regierung und seinen Parteivorsitz vor 11 Tagen seinem Wunschnachfolger, dem jetzigen Kanzler Viktor Klima, überlassen hat.


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Meine Damen und Herren! Ich gebe ganz offen und ehrlich zu, daß es mich mit Freude erfüllt, daß Viktor Klima trotz seiner anderen Lebensplanung sich endgültig für das höchste Amt der Regierung entschieden hat. Ich weiß, daß viele mit mir diese Freude teilen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich maße mir an, zu behaupten, daß ich von meiner Persönlichkeit her, aufgrund meiner Ausbildung und aufgrund meiner Tätigkeit als Sozialarbeiterin ein ausgeprägtes Maß an menschlichem Gespür habe – heutzutage nennt man es eher emotionale Intelligenz –, daher erlaube ich mir, die Person Viktor Klima folgendermaßen zu beschreiben, meinen ganz persönlichen Eindruck von ihm als Person offenzulegen, denn die menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten geben Aufschluß über die Art, wie eine Person eine Führungsposition ausüben wird.

An der Person Viktor Klima schätze, bewundere und respektiere ich seine Entschlossenheit, seine Geradlinigkeit, seine Entscheidungsfreudigkeit und seine unerschöpfliche Energie und Geduld. Ich schätze seine Sachlichkeit und seine Offenheit gegenüber notwendigen Änderungen und Reformen. Er liebt einfache Menschen, er ist freundlich, er kann zuhören, und er hört Menschen zu – unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer Gesinnung oder ihrer sozialen Zugehörigkeit. Und – ich glaube, davon können einige in diesem Hause etwas lernen – er nimmt seine Kritiker ernst. Er respektiert sie, setzt sich mit deren Meinungen und Anschauungen sachlich auseinander, ohne sie persönlich anzugreifen oder zu beleidigen.

Ich bin voller Zuversicht, daß unser neuer Bundeskanzler mich als Jugendsprecherin in meinen Bemühungen für die Belange der Jugend unterstützen wird. Ich weiß, daß ihm die Probleme, die Sorgen, die Anliegen und Ängste der jungen Menschen unseres Landes besonders am Herzen liegen.

Allein durch seine Art des Handelns spüre ich, daß er keine angepaßten und passiven Jasager, sondern eigenständig denkende, aktive kritische Jugendliche schätzt, die selbstbewußt und zuversichtlich ihren Lebensweg mitentscheiden und an der Gestaltung unserer Gesellschaft im Bereich ihrer eigenen Möglichkeiten mitwirken sollen.

Ich vertraue ihm, daß er alle Maßnahmen und Reformen – wie finanzielle Unterstützung von Kinderbetreuungseinrichtungen, ein Bildungssystem, das persönliche Entfaltung zuläßt, Vermittlung und Bereitschaft zur Flexibilität, Erweiterung des Lehrstellenangebotes, gesetzliche Maßnahmen gegen Gewalt in der Familie, um nur einige Beispiele zu nennen – unterstützen und fördern wird.

Er versteht auch die Notwendigkeit der Vorbeugung in vielen Bereichen, damit verhindert wird, daß junge Menschen in unserem Land resignierend einer Sucht verfallen oder sich einer gesellschaftsverachtenden pseudoreligiösen Gruppe anschließen oder in anderer Weise an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden oder überhaupt durch den Rost der Gesellschaft fallen.

Für Kanzler Klima sind die ständigen Veränderungen in unserer Gesellschaft eine Herausforderung und eine Chance, in der aber immer der Mensch im Mittelpunkt steht, im Zentrum seiner politischen Aktivitäten, unserer Aktivitäten.

Ich bin froh, daß ich im vergangenen Jahr nicht aufgegeben habe, und bin stolz, als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei unter seinem Vorsitz zu arbeiten. Als Abgeordnete, die die Zukunft unseres Landes und vor allem die Zukunft der jungen Menschen unseres Landes mitgestalten will, freue ich mich von ganzem Herzen auf die Zusammenarbeit.

Lassen Sie mich heute aus gegebenem Anlaß mit einem Begriff schließen, der in meinem Leben immer eine zentrale Rolle gespielt hat: Freundschaft! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 10 Minuten.


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60. Sitzung / Seite 89

16.00

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung, die unser neuer Herr Bundeskanzler Klima heute abgegeben hat und in der er sich am Schluß bei der Bevölkerung dafür bedankt hat, daß sie das Sparpaket mitgetragen hat und daß es in Österreich keine großen Demonstrationen und keine große Gegenwehr gegen dieses Sparpaket gegeben hat, hat mir fast die Sprache verschlagen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Für den Fall, daß hier in den Reihen jemand sitzt, der noch nicht weiß, was die Auswirkungen des Sparpaketes für die Betroffenen bedeuten, möchte ich einen ganz aktuellen Brief, den ich erst gestern von einem schwerstbehinderten 23 Jahre alten Mann erhalten habe, vorlesen und in Erinnerung rufen, was es heißt, als Minderheit, als behinderter Mensch mit diesem Sparpaket zu leben. – Ich lese Ihnen jetzt aus dem genannten Brief vor:

Ich leide seit meiner Geburt an Muskelschwund und bin Rollstuhlfahrer. Durch den unermüdlichen Einsatz meiner Eltern und durch die Pflege in meinem Elternhaus ist es mir gelungen, Volksschule, Hauptschule und Handelsakademie erfolgreich abzuschließen. Obwohl die Behinderung schon sehr weit fortgeschritten ist, stehe ich voll im Leben. Ich arbeite nun seit dreieinhalb Jahren als EDV-Betreuer und Controller. Kein mobiler Hilfsdienst und kein Behindertenheim könnten das jemals leisten, was meine Familie für meine Pflege leistet. Ich brauche eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, denn meine Behinderung ist schon sehr weit fortgeschritten.

Mein Pflegebedarf wurde 1992 vom Hausarzt festgestellt. Meine Mutter betreut mich von morgens bis abends, und in der Nacht muß ich vier- bis sechsmal gedreht werden. Da meine Behinderung jetzt schon sehr weit fortgeschritten ist, habe ich im März 1996 einen Antrag auf Invaliditätspension gestellt. Umso erstaunter war ich, als ich im November den Bescheid der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt erhielt, in dem drinnen steht, ich bekomme jetzt 374,40 S Pension. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist Sozialpolitik! – Abg. Dr. Krüger: Das ist soziale Ausgewogenheit!)

Vier Tage später kam ein weiterer Bescheid, und der hat mir mein Leben fast unmöglich werden lassen. In diesem Bescheid steht drinnen:

Sehr geehrter Herr Sowieso! Aufgrund der Neufeststellung Ihrer Behinderung geben wir Ihnen bekannt, daß sich Ihr Pflegebedarf verringert hat und Sie jetzt nicht mehr in Stufe 6 des Pflegegeldes eingestuft sind, sondern nur mehr in Stufe 5.

Zu dem Zeitpunkt, als mich dieser Bescheid erreichte, war ich gerade wieder in einem der Spitäler in Wien, schreibt dieser Herr weiter. Ich hatte wieder schwere Lähmungserscheinungen, Erschöpfungszustände, und meine Sprache war fast weg. Aber ich habe jetzt ja weniger Pflegebedarf, obwohl nachweislich ist, daß sich mein Pflegebedarf entsprechend erhöht hat und ich ständig Gefahr laufe, Lähmungszustände und Erschöpfungszustände zu haben, die mir ein Arbeiten in Zukunft unmöglich machen. – Soweit der Brief dieses schwerstbehinderten jungen Mannes.

Durch die Kürzung des Pflegegeldes und deshalb, weil dieser junge Mann jetzt die Invaliditätspension bekommt, hat er sage und schreibe monatlich eine Einbuße in der Höhe von 3 840,60 S. 374 S und 40 Groschen bekommt er Pension, und um 4 215 S wurde ihm das Pflegegeld gekürzt. Das heißt, dieser junge Mann muß um 3 840 S und 60 Groschen im Monat weniger auskommen. Auf das Jahr gerechnet sind das 46 000 S. (Abg. Dr. Feurstein: Aber das hängt nicht mit dem Sparpaket zusammen! Das muß klargestellt werden!)

Meine Damen und Herren! Man hat sich heute dafür bedankt, daß die Bevölkerung so großartig beim Sparpaket mitgearbeitet hat, und gesagt, daß eigentlich ohnehin alle recht zufrieden sind und daß es ja eigentlich gar nicht so schlimm ist, wie alle im vorhinein gesagt haben. – Also wenn dieser Brief kein Beweis dafür ist, welche Schlechterstellung es jetzt im Sozialbereich, im Behindertenbereich durch das neue Sparpaket gibt, dann weiß ich nicht mehr, wie es Ihnen noch besser dokumentiert werden kann.


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60. Sitzung / Seite 90

Der Herr Bundeskanzler hat heute auch gesagt, daß es gerade im Bereich der Arbeitslosigkeit nicht so schlimm ist und die Arbeitslosenquote angeblich über 4 Prozent liegt. Aber er hat nicht dazugesagt, daß die Behindertenarbeitslosigkeit bereits die 40-Prozent-Grenze überschritten hat und daß Tausende behinderte Menschen nicht einmal als arbeitslos gemeldet sind, weil sie vom Arbeitsmarkt nicht einmal als arbeitslos anerkannt werden.

In der Regierungserklärung steht auch, daß es weiterhin Einsparungen im Heilbehelfsbereich geben muß. Meine Damen und Herren! Wo wollen Sie uns noch etwas wegnehmen? Es geht einfach nicht mehr! Vor zehn Jahren hatten behinderte Menschen, wenn sie ein Hörgerät gebraucht haben, keinen Selbstbehalt zu zahlen. Heute liegt der Selbstbehalt bei 20 000 S! Sie müssen mir einmal sagen, wie das jemand, der behindert ist, finanzieren soll: einen Selbstbehalt von 20 000 S bei einem einzigen Hörgerät!

Meine Damen und Herren! Sie zwingen behinderte Menschen nicht nur dazu, daß sie auf das Hören verzichten müssen, sondern generell dazu, ohne Hilfsmittel zu leben, ohne Mobilität auszukommen, was dazu führt, daß ihre Teilnahme am täglichen Leben gleich Null werden wird.

Auch der Bildungsbereich wurde heute angesprochen, und es wurde gesagt, was sich da nicht alles Großartiges für behinderte Menschen generell getan habe. Für behinderte Menschen gab es einen wesentlichen Rückschritt, denn die letzte Schulorganisationsgesetz-Novelle ist kein Fortschritt in Richtung Integration Behinderter. Sie haben in diesem Gesetz festgeschrieben, daß jetzt mindestens fünf behinderte Kinder in einer Klasse sein müssen, um Integration möglich zu machen. Wenn es weniger sind, kommt auch der Rest der behinderten Kinder in die Sonderschule.

Auch der Zusammenlegung der Bereiche Gesundheit und Soziales kann ich nichts Positives abgewinnen. Der ehemalige Herr Sozialminister Hums hat gesagt, er möchte dieses Ressort in Zukunft nicht mehr leiten, weil es einfach zu groß und zuviel ist. Aber jetzt ist es angeblich ohne weiteres möglich, zwei Riesenressorts, nämlich das Gesundheitsressort und das Sozialressort, unter eine einzige Verwaltung zu bringen. Ich betone den Begriff "Verwaltung", denn in diesem Ressort wird sich nichts mehr tun, sondern es wird ein reines Verwaltungsressort sein – ohne jegliche Möglichkeit, etwas zu verändern. Randthemen, wie zum Beispiel der Bereich der Bioethik, werden wahrscheinlich gar nicht mehr erwähnt werden, obwohl es für viele Menschen eine persönliche Bedrohung darstellt.

Dafür wurden ja die Krankenscheingebühren eingeführt, und inzwischen weiß jeder, daß die geplanten Einnahmen von 600 Millionen Schilling ohnehin nicht hereinkommen werden. – Ganz im Gegenteil: Der Verwaltungsaufwand wird größer sein als die zusätzlichen Einnahmen. Aber vielleicht könnten wir doch noch irgendwo etwas mehr hereinkriegen, vielleicht gibt es noch mehr Selbstbehalte, vielleicht gibt es in Zukunft noch mehr Zurückstufungen beim Pflegegeld, und vielleicht erhalten Menschen noch weniger als 374 S und 40 Groschen an Pension. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Die machen das glatt!)

Wenn ich die heutige Regierungserklärung Revue passieren lasse und an die Zukunft denke, dann macht es mir angst, persönlich angst, weil ich nicht mehr weiß, wie es für die vielen alten behinderten und einkommensschwachen Menschen in Zukunft weitergehen soll.

Sie haben kaum mehr eine Möglichkeit der Existenzsicherung, und sie haben keine Möglichkeit mehr, selbstbestimmt zu leben oder auch nur ein Stück an der Gesellschaft teilzuhaben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie haben nicht einmal mehr die Möglichkeit, sich das Nötigste zu leisten – von Luxus oder von ganz normalen Dingen, die jeder einzelne von uns hat, gar nicht zu reden.

Ich habe große Bedenken und wünsche mir, daß sich meine und die Ängste der behinderten Menschen nicht bewahrheiten. Und ich wünsche mir, daß es durch die Budgets 1998 und 1999 keine zusätzlichen Belastungen mehr gibt, denn es sind die jetzigen schon nicht mehr zu ertragen. Es ist vielmehr notwendig, daß man all jenen Menschen, die durch das letzte Sparpaket so sehr draufgezahlt haben, daß sie jedes Interesse und jede Ideologie verloren haben,


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wieder Mut macht und ihnen soziale Leistungen gibt, mit denen sie leben beziehungsweise überleben können. Derzeit ist das nicht mehr möglich. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kröll. – Freiwillige Redezeit: 5 Minuten.

16.12

Abgeordneter Hermann Kröll (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Meine Herren Minister! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die heutige Regierungserklärung von Bundeskanzler Mag. Klima für das Kabinett Klima/Schüssel nahm auch Bezug auf die letzte Regierungserklärung von Bundeskanzler Vranitzky im allgemeinen sowie auf den Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im besonderen.

Ich darf in Erinnerung rufen, daß dieser Finanzausgleich – fixiert im Paktum vom 22. Feber 1996, dann in diesem Jahr im Hohen Haus beschlossen – einige wesentliche Dinge festschreibt: die Verlängerung auf vier Jahre bis inklusive des Jahres 2000, den einheitlichen Verteilungsschlüssel ab 1. Jänner 1998 für eine Reihe von Veranlagungen, wie etwa Einkommensteuer, Lohnsteuer, KESt I und Körperschaftssteuer, eine Regelung der Mehraufkommen infolge des Strukturanpassungsgesetzes, davon abgezogen die Beitragsleistung auch der Gemeinden für die Budgetkonsolidierung, die Kapitalertragsteuer II, mit deren Anhebung auch der Gemeindeschlüssel von 20 Prozent weiter gewahrt ist – eine ganz wichtige Einrichtung und Errungenschaft für die Gemeinden –, weiters eine Änderung im Gesundheitsbereich, durch welche eine kostenneutrale Umsetzung der unechten Umsatzsteuerbefreiung im Gesundheits- und Vorsorgebereich ab 1. Jänner 1997, mit EU-Steuerharmonisierung gleichgesetzt, eingeführt werden konnte, sowie die 5prozentige Beteiligung für Gemeinden für den öffentlichen Personennahverkehr im Bereich der Erdgas- und Elektrizitätsabgabe.

Weiters kommt es durch die Privatisierung der Post, die entsprechenden Anteile von Arbeitslöhnen, bezogen auf Kommunalsteuer, zu Einnahmen für die Kommunen in der Höhe von rund 500 Millionen Schilling. Außerdem wurde der KRAZAF neu geregelt. Und aufgrund der Siedlungswasserwirtschaftsregelung gibt es anstelle der Fixdotierung ab 1997 eine bedarfsgerechte Förderung, die dem ländlichen Raum entscheidend zugute kommt. Das ist auch eine wichtige Errungenschaft der Volkspartei.

Auf die Kinderbetreuungseinrichtungen wurde bereits hingewiesen; der Ausbau dieser Einrichtungen sowie das gemeinsame Tragen der dafür anfallenden Kosten sind weitere wichtige Maßnahmen.

Hohes Haus! Die 2 350 Gemeinden, Dörfer, Märkte und Städte mit ihren rund 78 000 Mitarbeitern ohne Wien oder 136 000 Beschäftigten mit Wien als Land und Stadt sind das Fundament unseres Staates. Daher ist der Finanzausgleich nicht nur eine finanzpolitisch wichtige Größe, sondern auch für die demokratiepolitische Entwicklung und für das Gespräch unter den Bürgern von großer Bedeutung. Da ist der Bürger der Politik und die Politik dem Menschen am nächsten.

Die Kommunen sind der größte öffentliche Investor, was für Arbeit und Wertschöpfung von besonderer Bedeutung ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Gemeinden sind aber insbesondere Heimat für unsere Bürger. Das gesamte, im Finanzausgleich geregelte Netzwerk ist eine notwendige Grundlage für die Selbstverwaltungsgemeinde. Aber die Gemeinde ist auch der Ort, wo das Lebens- und Heimatgefühl am ausgeprägtesten ist, wo sich Jung und Alt treffen und wo man gemeinsam Kultur, Sport – morgen zum Beispiel findet bei mir zu Hause ein Weltcuprennen am Abend statt – und Freizeit genießt. Da lebt man, wohnt man und arbeitet man. Daher können die großen Aufgaben und Herausforderungen nur in Partnerschaft zwischen Gemeinden, Städten auf der einen Seite und den Ländern und dem Bund auf der anderen Seite gelöst werden. Dem


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Finanzausgleich und dem Konsultationsmechanismus kommt dabei eine zentrale Stellung zu, dem Finanzausgleich in besonderer Weise.

Als einer von diesen 2 350 österreichischen Bürgermeistern verlange ich daher, daß der Finanzausgleich wie paktiert und beschlossen bis zum Jahre 2000 von dieser Bundesregierung eingehalten wird und daß man bei allfälligen strukturellen Änderungen – einige sind vom Präsidenten Schwarzenberger schon angesprochen worden, zum Beispiel jene, die den abgestuften Bevölkerungsschlüssel oder andere Werte betreffen – selbstverständlich auf die Gemeinden, vor allem auf die kleinen und mittleren Gemeinden, entsprechend Rücksicht nimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin mir sicher, daß die Volkspartei mit Wolfgang Schüssel als Bürgermeisterpartei der weitere stabile Partner für die Gemeinden gerade der kleineren und mittleren Städte sein wird, und ich erwarte mir, daß der Herr Bundeskanzler Klima und der Finanzminister Edlinger auf die Wünsche der Gemeinden, auch im Hinblick auf eine gute Partnerschaft zwischen Gemeinden, Ländern und Bund, entsprechend Rücksicht nehmen, denn gemeinsam sind wir Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. – Bitte.

16.17

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers heute hat wirklich den fatalen Eindruck erweckt, als wäre das ein Vortrag eines Masseverwalters vor dem Gläubigerausschuß, der seine Schlußrechnung nicht erbringen kann, weil kein Vermögen vorhanden ist. Die weinerliche Stimme des Bundeskanzlers hat ja diese katastrophale Situation auch noch unterstrichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mittlerweile ist ja die Euphorie, die man zu vermitteln versuchte, schon verflogen, insbesondere deshalb, weil die Fachreferenten dargestellt haben, wie schlecht es wirklich um sämtliche Bereiche bestellt ist.

Die Frau Kollegin Tegischer von der sozialistischen Partei – sie ist Sozialarbeiterin – hat vor einigen Minuten gesagt, sie selbst wollte schon alles hinwerfen, weil da nichts weitergeht. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es wirklich mit einem konkursreifen Unternehmen zu tun. (Widerspruch bei der ÖVP.) Daran ändert auch nichts der Umstand, daß das Budgetdefizit jetzt um ein bisserl mehr abgedeckt worden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Tatsächlich ist ja nur die Neuverschuldung ein wenig gesunken, während sich an den alten Schulden überhaupt nichts geändert hat.

Wenn man sich anschaut, wie in den letzten Jahren gewirtschaftet worden ist, dann muß man sagen, daß diese sozialistische Koalitionsregierung wirklich von einer Panne zur anderen gefahren ist und einen Bocksprung nach dem anderen gemacht hat und daß eigentlich sehr wenig vernünftig gearbeitet worden ist.

Wenn man an das Mautpickerl denkt, wenn man daran denkt, daß für den Fall eines EU-Beitrittes 1 000 S mehr pro Monat versprochen worden sind und dieses Versprechen nicht gehalten worden ist, wenn man daran denkt, was für ein Murks mit den Werkverträgen fabriziert worden ist, wenn man daran denkt – die Frau Kollegin Haidlmayr hat das angeschnitten –, wie bei den sozial Schwachen eingespart worden ist, daß das Taschengeld der Behinderten auf 500 S gesenkt worden ist, wenn man daran denkt, was alles im Zusammenhang mit dem CA-Deal passiert ist, wenn man an die Geldverschwendungsaktion der ehemaligen Ministerin Konrad "halbe/halbe" denkt – da steigen ja wirklich jedem Staatsbürger die Grausbirn auf.

Ich möchte Ihnen eines dazu sagen: Wir Freiheitlichen wären ja großzügig, wir würden Ihnen auch den einen oder anderen Fehler nachsehen, aber die Bevölkerung ist nicht mehr bereit, Ihnen auch nur irgendeinen Fehler nachzusehen, weil ganz einfach zuviel passiert ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Es ist ja wirklich unverschämt, daß all die Fehlleistungen der Regierung auf dem Rücken der Staatsbürger ausgegangen sind, und jetzt haben wir die Situation, daß ein immer größerer Anteil der Bevölkerung an die Grenze der Armut gedrängt worden ist, daß es immer mehr Arbeitslose in Österreich gibt, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Situation meistern sollen.

Der Herr Bundeskanzler hat heute viel von Herausforderungen, vom zielstrebigen Zupacken, von den Herausforderungen am Beginn des neuen Jahrtausends geredet und die Lage so dargestellt, als ob diese Regierung diese Herausforderungen auch meistern würde. Aber wenn ich mir diese neue Regierung anschaue, dann glaube ich wirklich nicht, daß von dieser Regierung auch nur irgendwelche Impulse zur Bewältigung dieser Herausforderungen ausgehen können.

Es sitzt der ehemalige Innenminister Einem weiterhin in diesem Kabinett. Er hat einen Scherbenhaufen im Innenministerium zurückgelassen. Er hat eine reine Ankündigungspolitik betrieben. Er hat überhaupt nichts von dem, was dringend durchzuführen gewesen wäre, durchgeführt.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß von der Frau Bundesministerin Hostasch die wichtigen Impulse zur Pensionsreform oder zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ausgehen werden.

Der neue Innenminister hat es sich mit den Exekutivbeamten schon von vornherein verdorben, indem er nämlich durch das Mittun am Sparpaket die Personaleinschränkungen derartig strikt gehandhabt hat, daß in Wirklichkeit die Exekutive überhaupt nicht mehr arbeitsfähig ist. Ein Wachzimmer nach dem anderen wird geschlossen, ein Gendarmerieposten nach dem anderen wird abgeschafft, und es funktioniert nichts mehr – die Grenzsicherheit nicht und auch die innere Sicherheit nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freiheitlichen benehmen uns nicht so wie der Herr Kollege Khol, nämlich daß wir schluchzen und weinen. Wir brauchen das Schluchzen und Weinen nicht zu unserer Identifikation, sondern ganz im Gegenteil: Wir wollen den Herausforderungen begegnen, wir wollen handeln! Wir werden diese Regierung auch daran messen, ob sie bereit ist, zu handeln – im Interesse Österreichs! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Seidinger. – Bitte.

16.22

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Geschätzte Damen und Herren! In seiner Regierungserklärung hat Bundeskanzler Klima niedergeschrieben und gesagt – ich zitiere wörtlich –: "Wir wissen, welche Leistungen die ältere Generation erbracht hat, um unseren Sozialstaat aufzubauen. Wir müssen uns eine Qualität sichern. Qualität sichern heißt aber auch modernisieren, und wichtige Reformen zur Anhebung des faktischen Pensionsalters wurden bereits beschlossen und führen zu einer Entlastung des Pensionssystems. Es gilt, den Pensionisten Stabilität zu vermitteln, und auch den jungen Menschen, die heute das System finanzieren, müssen konkrete Modelle das Vertrauen in die Alterssicherung der Zukunft geben."

Ich meine, daß diese Aussagen für uns, gerade für uns Ältere – und als Sprecher einer solchen Generation stehe ich vor Ihnen – von Bedeutung sind.

Es heißt im Titel der Regierungserklärung "Die Chancen der Veränderung nützen", und ich meine, daß aufgrund dessen unsere Erwartungshaltung sehr groß ist. Die Regierung wird auch an ihrer Einstellung zur älteren Generation und an ihren Leistungen für diese gemessen werden.

Bedenken wir, daß mehr als 1,6 Millionen Österreicherinnen und Österreicher älter als 60 Jahre sind. Das sind ein Viertel der Wahlberechtigten. In 25 Jahren wird jeder vierte österreichische Staatsbürger älter als 60 Jahre alt sein und in 50 Jahren jeder dritte. Das ist eine große Herausforderung für die Seniorenpolitik, eine Politik, die für eine Gruppe gemacht wird, die formal besonders stark organisiert ist. Der Organisationsgrad der älteren Generation liegt bei 38 bis


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50 Prozent. Sie nimmt verstärkt am öffentlichen Leben teil, sie hat mehr Interesse für politische Themen, Wünsche nach mehr Mitsprache und öffentlicher Teilhabe, da im politischen System für sie oft nur eine marginale Rolle übrigbleibt. Die Senioren – das befürchten sie – sind meist nur kurz vor Wahlterminen relevant.

Die Älteren, als Pensionisten oder Pensionsempfänger oder sonstige Sozialstaatsklienten wahrgenommen, wehren sich gegen diese Einstellung. In der Arbeitsgesellschaft ist die Identität durch Erwerbsarbeit definiert, im Ruhestand durch Verlust des Arbeitsplatzes jedoch marginalisiert.

Die Unterschiede innerhalb der Gruppe der Älteren verdichten sich immer mehr. Es gibt eine lange Phase der Pension, mehr Einkommen, höheren Bildungsstand, bessere Gesundheit der neuen Alten. Es ist – auch das ist festzustellen – die erste Generation mit Erfahrungen von Demokratie und Sozialstaat.

Die politischen Einstellungen sind unterschiedlich. Es gibt Vorurteile gegen die Älteren, sie seien konservativ. Bestehende Einstellungen vertiefen sich. Die Einteilung der Parteien in progressive und konservative ist heute zum Teil sehr problematisch geworden. Aber der Verteilungskampf um Lebenschancen, Wahlmöglichkeiten, Entscheidungsspielräume und knappe Ressourcen führt zu einer Politisierung des Alters.

In anderen Ländern haben wir es mit anderen Erscheinungsbildern zu tun. Es gibt in den USA Lobby-Organisationen, wie etwa die ARP, die Association of retired Persons, in Italien gibt es Rentnergewerkschaften, in Dänemark, in Großbritannien und in den Niederlanden gibt es eigene Parteien oder Gruppen innerhalb der Parteien. In Österreich haben wir eine Zunahme von institutionalisierten Mitsprachegremien zu verzeichnen, zum Beispiel die Bundesseniorenbeiräte mit Beratungs- und Gutachterfunktion bei Gesetzesvorhaben; darauf möchte ich noch später zu sprechen kommen.

Welche Art von Mitsprache wird gewünscht? Welche Themen sind für Senioren relevant? – Die Politik muß sich generell für die älteren Menschen interessieren und für den Strukturwandel dieser Generation, daß es viele sogenannte junge Alte gibt. Was die politische Mitbestimmung auf der Bundesebene betrifft, vertreten der Pensionistenverband und der Seniorenbund seit Jahren die Auffassung, daß Einigkeit und gemeinsames Vorgehen sinnvoll sind. So gibt es seit dem Jahre 1992 verstärkt Gespräche. 1994 kam es zur Errichtung eines Bundesseniorenbeirates über Verordnung des Bundeskanzlers. Es treffen sich unter Vorsitz des Bundeskanzlers drei- bis viermal pro Jahr vom Bundeskanzler ernannte Vertreter und Vertreterinnen der Ministerien, Länder, Städte und Gemeinden mit der sogenannten Seniorenkurie, die aus insgesamt 35 Personen zusammengesetzt ist, von denen 19 Vertreter von Seniorenorganisationen sind.

Die Mitbestimmung in den Gremien der Sozialversicherung – seit über 20 Jahren eine Forderung der Seniorenorganisation – wurde in der 52. ASVG-Novelle verwirklicht: Die Beiräte der Seniorenorganisationen sind eingerichtet. Wir haben das damals begrüßt, aber nur als einen ersten Schritt angesehen, weil sie nur beratenden Charakter haben. Wir fordern mehr Mitsprache und auch ein aktives Stimmrecht in diesen Gremien. Ich bin überzeugt davon, daß wir in der Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Eleonore Hostasch, eine Fürsprecherin und eine Mithelferin in diesen Bereichen haben werden.

Bei welchen Themen wollen die Älteren mitreden? – Einige Beispiele: finanzielle Absicherung im Alter, ältere Arbeitslose, Problem des Übergangs in die Pension, öffentliches Altersbild in den Medien, stationäre Altenhilfe, ambulante soziale Dienste, Verkehrspolitik, Freizeitgestaltung und Vereinsaktivitäten, Familie und soziale Beziehungen sowie wiederkehrende Themen die Frauen oder den Generationenkonflikt betreffend. Das ist eine Vielzahl von Dingen, die eine Herausforderung für den Wohlfahrtsstaat bedeuten und diesen vom Sozialstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft weiterentwickeln sollen. Die Entwicklung des Sozialstaates ging in den letzten 50 Jahren von verschiedenen Prämissen aus, die heute nicht mehr in jenem Sinn Gültigkeit haben, wie es vor 50 Jahren der Fall war.


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Wir sind von Krisen des Sozialstaates nicht immer verschont geblieben, seien es solche politischer Art, ökonomischer Art oder auch gesellschaftlicher Natur; letztere werden am wenigsten wahrgenommen. Immer wieder taucht die Frage auf: Wie kann man Arbeitslosigkeit, statt sie zu verwalten, in gesellschaftlich sinnvolle und notwendige Tätigkeiten umwandeln?

Warum spreche ich, wenn ich von der älteren Generation rede, von Arbeitslosigkeit und von Beschäftigung? – Nur die Beschäftigung sichert uns den Wohlfahrtsstaat, denn wo mehr Arbeit ist, dort ist auch mehr Sicherheit im Staat, gibt es Zukunft für die ältere Generation.

Oft taucht die Frage auf: Geht mit dieser älteren Generation, die jetzt in Pension geht, auch der Sozialstaat in Pension? – Mitnichten! Der Generationenvertrag ist gefordert, Solidarität ist wieder angesagt. Das muß ein Bekenntnis zur Sozialpolitik sein. Die Sozialpolitik darf nicht in der Budgetpolitik untergehen, sonst wäre es um die ältere Generation schlecht bestellt.

Ich meine, wenn wir dieses Bekenntnis ablegen, dann müssen wir auch von der Glaubwürdigkeit, vom Vetrauen in die Regierung, in die Politiker reden, von einer Sicherheit, die alles umfaßt. Das heißt, die Regierung, die jetzt neu angetreten ist, muß Perspektiven aufzeigen und darf nicht nur mit Experimenten operieren. Gerade im Pensionsbereich gibt es eine Reihe von Dingen, die wir nicht haben wollen.

Wir ältere Generation wollen mitbestimmen, wir wollen mitverantworten, wir wollen ein Bundesseniorengesetz, ein Gesetz, in dem die Rechte der älteren Menschen festgeschrieben werden, in dem sie in dem Sinn formuliert sind, daß wir sagen können: Wir können in Österreich in eine gute gemeinsame Zukunft gehen! – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

16.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Klara Motter. 12 Minuten Redezeit wurden gewünscht. – Bitte.

16.32

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seidinger, es kommt selten vor, daß hier im Hohen Hause über Seniorenpolitik gesprochen wird. Ich danke Ihnen dafür. Vielleicht ist es eine Alterserscheinung, daß ich es so empfinde, aber ich meine, man sollte viel öfters auch hier im Hohen Hause über Seniorenpolitik sprechen. Ich möchte mich gerne Ihren Worten anschließen und hoffe für die Zukunft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zusammenlegung des Gesundheitsministeriums mit dem Sozialressort ist ein Faktum, mit dem wir Liberalen leben können. Es ist zweifelsohne eine Verbesserung der bisherigen Situation. Es wird in Zukunft keine Ausrede auf Kompetenzen beim Nichtzustandekommen von Gesetzen mehr geben können, wie zum Beispiel dann, wenn sich die Sozialversicherungsträger gegen erforderliche Gesundheitsverbesserungen stellen.

Wogegen wir uns allerdings heute schon aussprechen, ist, daß es zu keiner Quasieinverleibung der Gesundheitsaufgaben in ein ohnehin schon aufgeblähtes Sozialministerium kommen darf. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich kenne die Frau Bundesministerin Hostasch – sie ist leider jetzt nicht hier, ich hätte es ihr gerne selber gesagt – als eine erfahrene und kompetente Sozialpolitikerin. Ob Sie allerdings im medizinischen Bereich über genügend Erfahrungen verfügt, die sie bei den anstehenden Reformen im Gesundheitsbereich braucht, möchte ich heute nicht bewerten und auch nicht beurteilen.

Ich hoffe sehr, daß die Frau Ministerin – im Interesse der Patienten und des medizinischen Personals – die Gesundheitspolitik nicht durch Integration oder, im schlimmeren Fall, durch Unterordnung im Sozialministerium von der Tagesordnung verschwinden läßt. Eine Abwertung der Gesundheitspolitik darf es nicht geben, und wir werden das auch nicht zulassen.


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Die Reaktionen der letzten Tage von verschiedenster Seite, auch aus dem Gesundheitsministerium selbst, zeigen, daß wir mit unseren Forderungen nicht alleine dastehen. Es wird jetzt an der Frau Ministerin liegen, die Befürchtungen der Abwertung des Gesundheitswesens auszuräumen. Was wir nach einem Ansatz einer Reform, wie zum Beispiel der leistungsorientierten Abrechnung der Krankenanstalten, brauchen, sind echte Ansätze von Verbesserungen im gesamten Gesundheitswesen.

Im Vordergrund steht dabei der gesamte extramurale Bereich, bei dem umfassende Verbesserungen anstehen. Wir brauchen zum Beispiel baldigst ein Gruppenpraxengesetz, das durch das Sozialministerium und nicht durch das Gesundheitsministerium bisher verhindert wurde. Denn gerade durch die Verabschiedung des Gesetzes über die leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung ist zu befürchten, daß es zu eklatanten Engpässen in der Versorgung außerhalb der Krankenanstalten kommen wird.

Weiters ist der Alten- und Pflegedienst auszubauen – um nur zwei Anliegen zu nennen.

Die Frau Ministerin ist jetzt gefordert, und wir hoffen auf ihr Engagement in der Gesundheitspolitik. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn ich den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers zur Gesundheitspolitik in seiner heutigen Regierungserklärung Glauben schenken darf – er hat seine Unterstützung zugesagt; es waren sehr schöne Worte –, so können eigentlich diese notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden. Ich darf dazu auch unsere Zusammenarbeit anbieten, denn es muß in aller Interesse liegen, begonnene Reformen auch sinnvoll zu Ende zu führen.

Abschließend möchte ich festhalten, daß ich mir wünsche, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ehemaligen Gesundheitsressorts ihre Kreativität und auch ihre sprachlichen Fähigkeiten, die vermeiden sollen, daß unverständliche Gesetzestexte geschaffen werden, als eine nachhaltige Mitgift in die neue Partnerschaft einbringen können. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zum Wort gelangt Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer.

16.36

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister Einem! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte ist viel von Zukunft gesprochen worden, auch von der Bekämpfung der Armut, aber es ist auch eine Bilanz all der Arbeit gezogen worden, die in den letzten Jahren geleistet wurde, und es ist daher für mich sehr verlockend – nach der Schilderung der Frau Kollegin Pablé, wie trist die Lage in Österreich wäre, und nach der geäußerten Meinung, die Bankrotterklärung des Staates wäre auszurufen –, an einige Eckpfeiler unserer politischen Arbeit zu erinnern.

Da wäre als erstes die geglückte Steuerreform, die nicht nur den Familienerhaltern, sondern auch den Frauen sehr viel gebracht hat, zu nennen, weiters die Ausweitung der Karenzzeit, die Einführung des Pflegegeldes im besonderen, das eine wertvolle Maßnahme zur Unterstützung der Behinderten ist, die Anrechnung der Kindererziehungszeiten in die Pension, die Mehrkinderstaffelung, also eine ganze Palette von Maßnahmen.

Die Österreichische Volkspartei hat aber für die Zukunft noch einen ganz wesentlichen Wunsch. Wir schlagen vor, bei der nächsten Steuerreform für die Familien mehr zu tun. Gerechtigkeit und Chancengleichheit waren die Schlagworte, die heute hier gefallen sind. Wir von der Österreichischen Volkspartei empfinden es als Ungerechtigkeit, daß Familien mit Kindern oder ein Familienerhalter oder auch zwei, die Kinder erziehen und damit zum Teil die Zukunft dieses Landes sichern, eigentlich im steuerlichen Bereich keine oder nur ungenügend Berücksichtigung finden, wie die jetzigen Absetzbeträge zeigen. Daher wollen wir – und ich glaube, es ist ein Grundbedürfnis – für die Familien etwas tun, wir wollen ihre finanzielle Leistungskraft absichern und stärken. (Beifall bei der ÖVP.)


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60. Sitzung / Seite 97

Familien haben es nicht verdient, Almosenempfänger des Staates zu sein. Wir wissen, daß wir bei den Transferleistungen am Plafond des Möglichen anstoßen. Die Ungerechtigkeit liegt darin, daß Familien, die viele oder mehrere Kinder haben und damit eigentlich für die Zukunftssicherung des Staates und vieler oder mehrerer Pensionisten sehr viel tun, in die Armut abgleiten. Da kann man sehr wohl von Armut sprechen, in die diese Familien während der Phase der Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder geraten. Sie müssen auf sehr viel im Leben verzichten, sind letztendlich im Alter dann selbst nur sehr wenig versorgt, was speziell bei den Frauen, die viele Kinder geboren haben und daher auf Berufstätigkeit verzichten müssen, durchschlägt, weil sie die nötigen Jahre für eine Pension nicht zusammenbringen und keinen gesicherten Lebensabend haben. Dagegen etwas zu tun, ist, glaube ich, etwas ganz Wichtiges.

Herr Kollege Schwemlein! Sie haben schon recht, wenn Sie meinen, die Anrechnung der Kindererziehungszeiten würde da sehr wohl helfen, aber ich meine, da müßte man noch einen weiteren Schritt setzen. Solange die Kindererziehungszeiten nur pensionserhöhend wirken, setzt das zum Beispiel bei der ASVG-Pension voraus, daß man schon 16 Versicherungsjahre hat, um die Kindererziehungszeiten regredieren zu können.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß es viele Arme gibt, und das wollen wir nicht, und eine Leistungsgesellschaft und eine soziale Gesellschaft wie die unsere kann sich damit nicht abfinden, daß die Armut zunimmt. Aber die Armut ist nicht flächendeckend, sondern es gibt Ursachen der Armut, und diese sind zu bekämpfen. Wir wissen, daß die Arbeitslosigkeit eine dieser Ursachen ist. Armutsgefährdet sind aber auch jene Menschen, die sich der Kindererziehung widmen, die viele Kinder haben, in besonderem Maße Alleinerzieher, Alleinerhalter. Diese bedürfen am meisten unserer Unterstützung.

Der Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung fordert im Rahmen des Leistungsfähigkeitsprinzips eine adäquate Berücksichtigung der Unterhaltslasten. Wir haben in unserer Partei ein Modell erarbeitet, das Herr Bundesminister Bartenstein dankenswerterweise hier auch vorgestellt hat, das, wie ich meine, einen sehr breiten Konsens finden könnte. Es ist auch eine unserer Forderungen, daß die Individualbesteuerung beibehalten wird. Aber es soll auch die Familiensituation berücksichtigt werden, und zwar soll in Form von Absetzbeträgen die Grundsicherung des Existenzminimums der Familienmitglieder erfolgen. Der daraus resultierende Betrag soll letztendlich zusammen mit der Familienbeihilfe ausbezahlt werden. Das stärkt sicherlich die Eigenkraft dieser Familien, und genau das wollen wir.

Ich sage es noch einmal: Wir sind auch froh darüber, daß die Individualbesteuerung beibehalten werden konnte, denn der Effekt eines anderen Systems wäre wahrscheinlich, daß dieses wiederum nicht gerecht wäre und vor allem die berufstätigen Frauen benachteiligen würde. In diese Richtung wollten wir nicht gehen.

Meine Damen und Herren! Von meinen Vorrednern wurde auch über die Senioren gesprochen, die wirklich eine wesentliche Bevölkerungsgruppe darstellen. Der Herr Bundeskanzler hat eingangs erwähnt, er möchte eine glückliche Jugend haben. Ich glaube, das umfaßt ja auch die Kindheit. Wir wollen auch glückliche Kinder haben. Wir wollen nicht, daß Kinder von Mehrkinderfamilien benachteiligt sind. Wir brauchen Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit, dann werden wir uns unserem Ziel, nämlich einer glücklichen Jugend und glücklichen Österreichern, nähern. Die beste Investition in unsere Zukunft – das wissen wir alle – sind unsere Kinder! (Beifall bei der ÖVP.)

16.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. – Bitte.

16.42

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat uns heute mit einer sehr, sehr langen Rede gefesselt. (Abg. Mag. Stadler: Amüsiert!) Die Abgeordneten sind durch sehr strenge Redezeiten gefesselt. Mir bleiben nur neun Minuten. Deshalb werde ich gleich zu Beginn die zwei Entschließungsanträge der Grünen einbringen, um zu verhindern, daß mir das nachher aufgrund fehlender Zeit nicht mehr möglich ist.


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60. Sitzung / Seite 98

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Wabl, Freundinnen und Freunde betreffend immerwährende Neutralität Österreichs

Der Nationalrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, das geltende Bundesverfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität zu beachten und zu vollziehen.

2. Der österreichische Vertreter bei der Regierungskonferenz über die Änderung der Unionsverträge möge keine Positionen einnehmen, die mit der österreichischen Neutralität unvereinbar sind. Bei neutralitätsrelevanten Entscheidungen im Rahmen der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" ist einer Änderung des Einstimmigkeitsprinzipes die Zustimmung zu verweigern.

3. Jede Revision des Maastrichter EU-Vertrages, die zu einer weiteren Einbindung der WEU in die Sicherheitspolitik der EU führt, ist ebenso wie ein österreichischer WEU- oder NATO-Beitritt noch vor Aufnahme von Beitrittsverhandlungen einer Volksabstimmung zu unterziehen.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Wabl, Freundinnen und Freunde betreffend 8,5 Milliarden Schilling für Panzerkauf zur Budgetkonsolidierung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Budgetmittel, die der Verteidigungsminister für die Panzerbeschaffung vorgesehen hat, entsprechend der Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers Mag. Viktor Klima der Konsolidierung des Staatshaushaltes zuzuführen.

Der Bundesminister für Landesverteidigung wird gleichzeitig beauftragt, den Erlös aus Privatisierungen im Heeresbereich für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und zur Verbesserung der Leistungen für Bezieherinnen und Bezieher von Notstandshilfe und Arbeitslosengeld umzuwidmen.

*****

Meine Damen und Herren! Der Debattenbeitrag des Herrn Vizekanzlers im Zusammenhang mit dem Bundesheer würde es eigentlich erfordern, daß man sich etwas länger mit der neuen Begrifflichkeit unseres Herrn Vizekanzlers auseinandersetzt.

Die ÖVP hat nun entdeckt, daß sie eine christdemokratische Partei ist, nämlich wiederentdeckt, und muß das Wort "Christ" immer wiederholen, damit das verlorene Terrain in jenen Bereichen wiedergewonnen werden kann, wo sie es verloren hat, nämlich in der Ausländerpolitik, der Beschäftigungspolitik und der Sozialpolitik.

Ich verstehe schon, der 8. Dezember war nur noch eine Draufgabe der merkwürdigen, sehr materialistischen Politik der ÖVP. Es ist merkwürdig, daß es dem Vizekanzler immer wieder gelingt, die NATO als Friedensgruppe darzustellen, als Friedensorganisation, und daß er tatsächlich meint, daß das dieses Haus so zur Kenntnis nehmen wird. Leider ist Kollege Schieder nicht da, er würde sicher eine ganz andere Meinung vertreten. Ich weiß schon, die Ansprechpersonen sind in der Regel nicht da. Herr Minister Fasslabend ist leider auch nicht mehr da. Es ist nur mehr der Kulturminister da, und zwar Kulturminister in dem Sinne, daß er tatsächlich der Kultursache sehr dient, denn er hat bereits am Anfang seiner Karriere Schwierigkeiten mit den Begriffen und mit dem Mut, hier klare Worte zu sprechen.


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Aber noch ein paar Sätze zu den Ausführungen von Vizekanzler Schüssel. Er hat gesagt, wir bräuchten ein glaubhaftes Bundesheer und das Verteidigungsbudget sei lächerlich. – Er sollte sich einmal die Budgets der Länder in unmittelbarer Umgebung Österreichs anschauen, diese sind wesentlich geringer. Ich nenne als Beispiele nur Norwegen, Portugal, Ungarn und Irland. Das sind alles Staaten in Europa, meine Damen und Herren, die wesentlich weniger für das Bundesheer ausgeben. Wenn der Vizekanzler meint, er tue etwas für den Frieden als Christdemokrat, und glaubt, es verantworten zu können, daß 8,5 Milliarden Schilling für Panzerkäufe verwendet werden, dann frage ich mich, warum er nicht rot wird, der schwarze Herr Vizekanzler. Und ich frage mich, warum solche Menschen immer wieder die christliche Kultur bemühen und hier in aller Breite und Schönheit von vergangenen Zeiten reden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz. )

Herr Klubobmann Khol! Das ist einfach traurig. Wenn mir das bei einem Referat oder in einem Parlament einer ehemaligen Volksdemokratie passieren würde, nämlich daß man sagt, das Heer bestehe aus lauter Friedenstruppen, das Heer sei ein Friedensheer und eine Friedensbewegung, die alles tut, um dem Frieden zu nützen und ihn zu schützen, dann würde ich das noch verstehen. Aber wenn ein Politiker einer Demokratie wie Österreich versucht, einfach mit Begriffen derart zu hantieren, so halte ich das für unzulässig und bitter.

Meine Damen und Herren! Sie werden in dieser Frage Klarheit finden müssen. Auch der Herr Bundeskanzler wird sich in dieser Frage nicht ständig durchlavieren können, und ich hätte mir gewünscht, daß er wenigstens einen klaren Satz zu einem konkreten Thema sagt. Er hat meines Erachtens versucht, hier ein paar persönliche, menschliche Noten hereinzubringen. Das ist leider durch die Länge etwas mißglückt. Das soll uns nicht davon abhalten, trotzdem daran zu glauben, daß der Bundeskanzler noch etwas zuwege bringt. Nur: Meine Hoffnung ist mit dem heutigen Tag nicht gestiegen.

Nun zu Ihnen, Herr Staatssekretär Dr. Wittmann, weil Sie hier sitzen. Ich habe mit großer Verwunderung im Radio Ihr erstes Interview vernommen, als Sie gefragt wurden, was Sie von Herrn Peymann halten. Sie hatten nicht einmal den Mut, einen Satz dazu zu sagen. Ich verstehe schon, die "Kronen-Zeitung" ist die "Kronen-Zeitung" und ein häßliches Medium, das immer wieder jene Menschen, jene Staatssekretäre und Minister abmontieren möchte, die ein klares Wort zur Kulturpolitik sagen. (Zwischenruf des Abg. Grabner. ) Ich habe nur einen Augenblick ein wenig betrauert, daß hier nicht mehr Herr Scholten sitzt, denn das wäre ihm nicht passiert.

Aber wenn Sie schon zum Herrn Peymann keinen klaren Satz sagen können, hätten Sie vielleicht zur Volksmusik etwas sagen können. (Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel. ) Sie glauben wahrscheinlich, Sie dürfen nur zur Gruppe Pink Floyd etwas sagen. Die Volksmusik ist ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur und dient dem Wohlbefinden der österreichischen Bevölkerung – auch wenn sie nicht zu meiner Lieblingsmusik gehört. (Abg. Leikam: Nichts gegen die Kernbuam!) Herr Peymann gehört auch zu unserer Kultur, dazu hätten Sie doch etwas sagen können, auch wenn Sie nicht der Meinung sind, daß schon jetzt der Tag gekommen ist, an dem die nächsten Entscheidungen für den nächsten Burgtheaterdirektor anstehen.

Herr Staatssekretär! Sie haben natürlich die faire Chance, in den ersten Tagen geschont zu werden. Nur: Sie sollten sich bei einer klaren Meinung nicht zu sehr schonen, und Sie sollten versuchen, nicht sofort den Weg des Vizekanzlers Schüssel oder den Weg des Nichtssagers auf anderen Ministerbänken einzuschlagen.

Meine Damen und Herren! Wir erwarten uns, daß in diesem Haus gerade im Zusammenhang mit der Sicherheitspolitik eine klare und deutliche Diskussion geführt wird. Wenn es dann eine Mehrheit für den einen oder anderen Weg gibt, dann soll das in einer Demokratie so sein. Was wir aber unerträglich finden, ist, daß Sie einzig und allein an den Begriffen herumdoktern, an den Begriffen herumschrauben und sich nur mehr darum bemühen, eine ordentliche Sprachregelung zu finden, damit das österreichische Volk, die Bürgerinnen und Bürger, beruhigt ist.

Der Kommentar im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt war genau der, daß der frühere Bundeskanzler Vranitzky dafür gelobt worden ist, daß er die Sozialdemokratie, obwohl es innerhalb


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dieser große Widerstände dagegen gab, in die EU geführt hat daß er dabei sehr vorsichtig vorgegangen ist. Meine Damen und Herren! Das mag ein Verdienst sein. Nur: Die Frage des NATO-Beitritts ist eine ganz andere. Die Frage des NATO-Beitritts bedarf klarerer Worte als jener, die heute der sogenannte Christdemokrat Schüssel und unser neuer Bundeskanzler gefunden haben.

Ich wünsche mir dennoch, nach dieser merkwürdigen Vorstellung heute den ganzen Tag lang, daß der Bundeskanzler und sein Regierungsteam viel Glück haben werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Mertel: Jetzt wissen wir, warum 9 Minuten so kurz sind!)

16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Die beiden Entschließungsanträge, die Kollege Wabl referiert hat, sind ordnungsgemäß formuliert, eingebracht, unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Antoni.

16.52

Abgeordneter Dr. Dieter Antoni (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich meine, die heute im Hohen Haus abgegebene Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur künftigen Regierungsarbeit und – für mich persönlich natürlich interessant – die geplante Schwerpunktsetzung im Bildungs- und Berufsbildungsbereich sind nicht nur wichtige Signale an die Jugend unseres Staates gewesen, sondern diese Aussagen waren wohl auch Aufruf und Aufforderung an all jene, die im Bildungsbereich beruflich tätig sind – ich meine damit Lehrerinnen, Schulleiter, Schulaufsichtsorgane, Beamte und viele andere mehr –, Aufforderungen und Einladungen, Reformen anzunehmen, Veränderungen zuzulassen und sie zu forcieren.

Der Herr Bundeskanzler hat gemeint, wir bräuchten in der Bildungspolitik die Möglichkeit, daß sich die Jugend frei entfalten kann, daß die Bildungspolitik mehr Leistungsbereitschaft, mehr Kreativität entwickelt, daß die Bildungspolitik den Jugendlichen mehr Freude und Spaß am Lernen zu vermitteln in der Lage sein sollte. Ich stimme dem hundertprozentig zu. Ich meine aber auch, so wie der Herr Bundeskanzler, daß es ganz wichtig ist, daß nur selbstbewußte, gut ausgebildete und engagierte Menschen in der Lage sein können, die Zukunft unseres Staates mitzugestalten.

Als Quantensprung in unserer Bildungspolitik möchte ich aber doch einen Satz aus der Regierungserklärung zitieren, der offenbar von allen meinen Vorrednern übersehen oder überhört wurde. Ich zitiere: "Ein Maßnahmenbündel der Bundesregierung wird für alle Jugendlichen das Recht auf Ausbildung sichern." – Ich meine, daß wir politisch Verantwortliche wissen, daß die heutige Situation, in der Hunderte, ja Tausende Jugendliche ohne Ausbildungsplatz, auch ohne Platz in einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule dastehen, nicht zu verantworten ist.

Führen wir uns vor Augen, was es heißt, keinen Ausbildungsplatz zu finden. Denken wir nach, was es heißt, eine Aufnahmsprüfung in einer berufsbildenden mittleren oder höheren Schule positiv absolviert zu haben, aber wegen Platzmangels abgewiesen zu werden. Das führt doch zu Trostlosigkeit, zu Resignation, ja zu Verzagtheit junger Menschen. Sogar ein Abdriften an den Rand der Gesellschaft kann eine weitere Folge sein. Deshalb meine ich, daß Viktor Klimas Aussage, daß das Recht aller Jugendlichen auf Ausbildung zu sichern ist, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen gemeint, daß alle in der Schule beziehungsweise im Bildungsbereich tätigen Menschen eingeladen sind, Entwicklungen voranzutreiben, Veränderungen ins Auge zu sehen und ihnen nicht angstvoll gegenüberzustehen. Ich appelliere an alle Bildungspolitiker dieses Hauses, mit uns in, wie ich meine, ganz wichtige und notwendige Gespräche einzutreten.

Lassen Sie mich nur einige wenige Reformnotwendigkeiten im Bildungsbereich nennen. Ich meine, eine Neugestaltung des Schuleingangsbereiches scheint dringend notwendig zu sein,


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um eine solide, selektionsfreie Grundausbildung für Kinder sicherzustellen. Ich meine darüber hinaus, daß strukturelle Korrekturen und Veränderungen im Bereich der Schulen der 10- bis 15jährigen an der Zeit sind: Schulverbund, Typenvielfalt in der AHS-Unterstufe, Latein versus alternative lebende Fremdsprache – um nur einige begleitende Dinge zu nennen. Tiefgreifende Reformen des berufsbildenden Schulwesens, einschließlich der 9. Schulstufe und der Berufsschule sind im Hinblick auf die angesprochene überaus negative Situation auf dem Lehrlingsarbeitsmarkt erforderlich sowie die Intensivierung von Fremdsprachenunterricht und EDV-Unterricht. Was meines Erachtens in dieser Phase das wichtigste zu sein scheint, ist wohl die Notwendigkeit eines Reformschubes hin zu EU-gerecht ausgebildeten Pflichtschullehrern in Österreich auf universitärer Ebene und in der Folge ein einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht für alle Lehrer in diesem Staat, damit Flexibilität in der Schule, im Lehrereinsatz und in unserem ganzen Bildungswesen wirklich zu einer Weiterentwicklung beitragen kann.

Meine Damen und Herren! Die Erwachsenenbildung muß neben der Schule und den Universitäten als dritte Säule unseres Bildungswesens gestärkt werden. Wir werden in Hinkunft nicht ausschließlich mit vorberuflicher Bildung auskommen. Wir werden umlernen müssen. Viele von uns werden ihre Arbeitsplätze verlieren. Wenn sichergestellt ist, daß ein Bildungswesen vorhanden ist, das weiterhilft und den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtert, dann ist das zu schaffen.

Eine fördernde, zu mehr Leistung motivierende Beurteilungspraxis scheint mir darüber hinaus ganz dringend notwendig zu sein. Ich glaube, alternative Formen der Leistungsbeurteilung müssen vermehrt dazu beitragen, daß Lernen, in welcher Art auch immer, kognitiv und sozial als etwas Positives, als etwas Erstrebenswertes erlebt wird. Nur so wird es, meine ich, möglich sein, lebensbegleitendes Lernen für die Menschen wirklich interessant und entsprechend ernst zu machen.

Abschließend: Ich meine, die Bereitstellung eines umfassenden Bildungsangebotes für die österreichische Jugend ist mit Sicherheit eine der wichtigsten Aufgaben unseres Staates. Lernzeit in der Schule, aber auch Lehrzeit in der Berufsausbildung sind wahrlich nicht erneuerbare Ressourcen. Wir können daher nicht sagen: Warten wir! Wir werden das schon einmal machen! Es werden wieder bessere Zeiten kommen! Diese Lernzeiten für Schüler und Lehrlinge sind vorbei, nicht zurückholbar, sie sind ein für allemal verloren. Auch angesichts der Verknappung der öffentlichen Mittel für Bildung sind Reformen anzugehen, sind Alternativen zu diskutieren und sind die von mir genannten Herausforderungen anzunehmen und in Angriff zu nehmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Trattner.

17.00

Abgeordneter Mag. Gilbert Trattner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Es hat mich etwas überrascht, daß es trotz des brillanten Budgetvollzugs, wie ihn uns und auch der Presse gegenüber der jetzige Bundeskanzler und ehemalige Finanzminister präsentiert hat, mit einem Defizit von 89,4 Milliarden, so schwierig war, einen Finanzminister zu finden. Wenn man sich den Budgetvollzug im letzten Quartal anschaut, als es noch Ende Oktober 1996 ein Minus von 132 Milliarden, Ende November 1996 ein Minus von 119 Milliarden und dann, am Ende des Jahres, im Dezember 1996 nur mehr ein Minus von 89,4 Milliarden gab, dann macht man sich als ordentlicher Kaufmann Gedanken, woher so etwas kommen kann. Und da sind wir ein bißchen fündig geworden.

Erstens wurden Steuerbescheide geschätzt, Steuern veranlagt und im Budget veranschlagt. Unternehmen, die seit Jahren nur Verluste erwirtschaftet haben, bekamen plötzlich Steuervorschreibungen, Steuerbescheide, Veranlagungsbescheide in der Größenordnung von 2 bis 3 Millionen Schilling. (Abg. Mag. Stadler: Na holla!) Die sind im Budget angesetzt. (Abg. Mag. Stadler: Das ist ja Roßtäuschung!) Aussetzungsansuchen, Beschwerden gegen die Bescheide wurden einfach liegengelassen. Das sind also Scheinveranlagungen, die absolut nicht den Tat


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sachen entsprechen. (Abg. Haigermoser: Man könnte an sich von einem Schwindelbudget sprechen!)

Der zweite Fall: Der Bund hat im letzten Jahr eine Vielzahl von Leasingverträgen abgeschlossen. Allein im Innenministerium wurden 450, 460 Pkws, Kraftfahrzeuge, über Leasingverträge finanziert, das heißt, bei einem durchschnittlichen Wert von 200 000 S für das Auto werden in diesem Ressort bilanzwirksam beziehungsweise budgetwirksam nicht 100 Millionen Schilling, sondern nur ein Bruchteil der Leasingraten! Bei einer durchschnittlichen Laufzeit von fünf Jahren sind das maximal 10 bis 15 Prozent. Statt 100 Milliarden stehen eben 10 oder 15 Milliarden Schilling drinnen. (Abg. Kiss: No, no! 100 Millionen!) Entschuldigung! Statt 100 Millionen stehen 10 oder 15 Millionen drinnen. (Abg. Kiss: Ein kleiner Unterschied! – Abg. Mag. Stadler: Er wollte nur testen, ob ihr aufpaßt!)

Ein weiteres Faktum: Es ruft mich jemand an und sagt mir – ganz überraschend –: Wir haben dem Bund eine Mietfläche zur Verfügung gestellt. Der Bund hat aber weder im Oktober noch im November noch im Dezember irgendwelche Mietzahlungen geleistet. Herr Finanzminister! Das wäre ganz interessant für Sie, weil Sie einen Kassasturz werden machen müssen. Auf einmal – im Jänner 1997 – wurden die Mieten für Oktober, November, Dezember und Jänner nachbezahlt.

Der Bund hat in den letzten drei Monaten fast keine Lieferantenrechnungen mehr bezahlt. Das heißt, es gab ein striktes Ausgabeverbot, man hat also im letzten Quartal sämtliche Ausgaben, sämtliche Auszahlungen gestoppt, und Sie, Herr Finanzminister, sind jetzt in der wirklich nicht beneidenswerten Lage, das erst aufarbeiten zu müssen. Die Belastung wird jetzt im Jänner und im Feber kommen, weil spätestens dann diese Leistungen fällig sind, und die werden sich erst in den zukünftigen Budgetzahlen niederschlagen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé. )

Das nächste sind die Freibetragsbescheide: 1996 gab es keinen einzigen Freibetragsbescheid. Dies wird alles bei der Veranlagung für das Jahr 1996 im Jahr 1997 schlagend. Dann werden Sie Steuern zurückzahlen, und so weiter und so fort. Vom Wegfall der MindestKöst beziehungsweise vom Wegfall der Werkverträge will ich ja gar nicht reden.

Aber hier geht es vor allem darum: Jetzt fällt das schon weg. Schauen wir uns jetzt auch noch den letzten OECD-Bericht an, in dem steht, daß es trotz des Sparpakets oder Belastungspakets nicht gelingen wird, das Budgetdefizit bei 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu halten. Es wird bei 3,5 Prozent liegen. Es sind also dann noch zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, weil, wie Sie genau wissen, 1998 auch sämtliche Bescheide beziehungsweise Verlustvorträge auslaufen.

Jetzt zum Wettbewerb der Gedanken und der Ideen. Wir sind sicherlich für Ideen zu haben, die darauf abzielen, für Beschäftigungsimpulse zu sorgen. Sie werden in uns sicherlich einen Partner finden, wenn Sie das Luxemburger Modell mit der Refundierung der Umsatzsteuer für Erstwohnsitze einführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie werden sicher in uns einen Partner finden, wenn Sie das Bauherrenmodell wieder einführen, wodurch alleine 2 000 Arbeitsplätze im Baubereich gesichert werden können. Sie werden sicherlich in uns einen Partner finden, wenn Sie im Rahmen der Wohnbauförderung endlich wieder die Zweckbindung einführen und sie nicht einfach lose vergeben, damit die Länder ihre Budgets sanieren können.

Sie werden aber in uns keinen Partner finden, wenn Sie glauben, populistisch agieren und mit uns eine sogenannte Solidaritätsabgabe beschließen zu können. Dabei werden wir kein Partner sein!

Wir werden für beschäftigungspolitische Ideen, die in Österreich wieder ein Wirtschaftswachstum auslösen, ein Partner sein. Aber für alle anderen Dinge sind wir wirklich nicht zu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.05


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Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jakob Auer.

17.06

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler Klima hat heute in seiner Regierungserklärung gesagt, daß unter dem Aspekt der Reform des Gemeinschaftshaushaltes – so führte er wortwörtlich aus – auch eine Reform im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik sowie eine Reform im Bereich der Struktur- und Regionalpolitik notwendig sind. Zu diesen beiden Themenschwerpunkten möchte ich kurz Stellung beziehen. (Abg. Mag. Stadler: Die Passage hat er ausgelassen! Die hat er nicht verlesen!)

Meine Damen und Herren! Zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik und zur Reform der Struktur- und Regionalpolitik: Ich bin durchaus damit einverstanden, wenn Reform so gemeint ist, daß damit eine Verbesserung der beiden Bereiche erzielbar ist. Wenn dies jedoch von der EU gewollt und gefordert wird, so wird es notwendig sein, auch im eigenen Land eine Reform der beiden Bereiche tatsächlich durchzuführen.

Ich möchte daher auch den neuen Finanzminister ansprechen. Wer durch das Land fährt, sieht, daß in den Randgemeinden der Städte, der Ballungszentren, die Wohnhäuser sozusagen aus dem Boden schießen. Der Wirtschaftsboom, die Wohnbauförderungen ermöglichen dies. (Abg. Dr. Graf: Der Finanzminister ist bis heute nicht außerhalb Wiens gekommen!) Dank einer hervorragenden Wirtschaftspolitik und großartiger Beschäftigung sind viele oder zumindest immer mehr Menschen in der Lage, sich den Traum vom Haus im Grünen zu verwirklichen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Das Land müssen Sie mir zeigen!)

Meine Damen und Herren! Das ist die positive Seite. Die andere Seite der Medaille ist folgende: Die Häuslbauer lassen ihre Steuern in der Stadt und tragen die Ansprüche in diese Randgemeinden. Sie bringen die Ansprüche an eine voll ausgebaute Infrastruktur in die neuen Wohnstätten mit, erwarten asphaltierte Straßen mit Beleuchtung, Gehwegen, Schutzwegen, Schulen, Kindergärten, Kanal, Wasser, Veranstaltungszentren und so weiter. Diese Gemeinden, Herr Bundesminister Edlinger, stehen dann vor dem finanziellen Kollaps, weil gerade in den Gemeinden, in denen es keine Betriebe, keine übermäßige Verkehrsbelastung und so weiter gibt, die Wohnqualität entsprechend gut ist und man sich dort ansiedeln will. Der Städter verwirklicht sich den Traum, dorthin zurückzukehren, von wo er abstammt.

Meine Damen und Herren! Ich frage deshalb den Herrn Bundesminister für Finanzen, wo der Ausgleich zwischen den Wirtschaftszentren einerseits und den Wohnstätten, also jenen Gemeinden, die die entsprechende Wohnqualität aufweisen können, andererseits bleibt.

Es ist nämlich keine Kunst, als Fremdenverkehrsgemeinde, als Industriegemeinde oder als an Fläche kleine und einnahmenstarke Gemeinde die Infrastruktur zu finanzieren. Aber es ist schwierig, zu Steuern und Einnahmen zu gelangen, wenn diese Leistungen den Gemeinden nicht zur Verfügung stehen. Es ist aber noch schwieriger für jene Gemeinden, die überörtliche Leistungen wie Wasserschutz und Schongebiete, Naturschutzgebiete, Naturparks und so weiter für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen haben, aber über keine betrieblichen Steuereinnahmen verfügen können. Da ist der neue Bundesminister für Finanzen gefordert, in Zukunft eine rasche Angleichung und damit Gerechtigkeit herzustellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Zum zweiten Bereich, zu der angesprochenen Agrarpolitik, der Landwirtschaft. Auch hier ein Hinweis an den Finanzminister.

In Erinnerung sei ihm gerufen, daß die sogenannte §-7-Kommission bei der Erstellung des Grünen Berichtes des letzten Jahres ausdrücklich darauf hingewiesen hat – dies ist in der Regierungsvereinbarung auch so festgehalten und wird, glaube ich, nicht in Zweifel gezogen –, daß durch die Veränderung der Preissituation der Landwirtschaft ein Vorsteuerpauschale im Ausmaß von zirka 1,2 Milliarden Schilling vorenthalten wird. Da wäre – wie von der eingesetzten §-7-Kommission auch gefordert wird – die baldige Anhebung von 10 auf 12 Prozent gerechtfertigt. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ein weiterer Punkt, der auch von der §-7-Kommission zum Grünen Bericht festgehalten wurde, ist, daß die Landwirtschaft trotz des vergleichsweise hohen Bundesbeitrages zur Sozialversicherung, der unbestritten ist, die – im Vergleich mit anderen Berufsgruppen – absolut höchsten Prozentsätze ihres Erwerbseinkommens zur Finanzierung der Altersversorgung aufbringen muß. Auch da hat die neue Sozialministerin Handlungsbedarf!

Meine Damen und Herren! Wir von der ÖVP werden die neuen Minister, denen wir sicher viel Erfolg wünschen, bei ihren Bemühungen unterstützen, sie gegebenenfalls aber auch an die Herausforderungen und an die Versprechungen der Vorgänger, die in Vereinbarungen festgehalten wurden, erinnern. (Beifall bei der ÖVP.)

17.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Sie wollen 5 Minuten eingestellt haben? – Bitte.

17.12

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ni hao wo shuo zhong wen. – Also Sie sind nicht der einzige hier, der in seiner Jugend ein bißchen Chinesisch gelernt hat, und deshalb möchte ich Sie auch willkommen heißen. Sie sind aber der einzige Regierungsvertreter hier. Die anderen kann ich nicht begrüßen, aber ich möchte Sie auf jeden Fall im Parlament willkommen heißen.

Ja, es ist wahr, was Frau Kollegin Petrovic gesagt hat, nämlich daß die Neutralität nicht erwähnt worden ist. Das Liberale Forum hat in dieser Beziehung immer eine klare Position bezogen, und zwar daß eigentlich unsere Sicherheitsstruktur gegen eine Sicherheitsstruktur innerhalb der WEU einzutauschen wäre. Wir glauben, daß das ein erfolgreiches Modell sein kann und sein wird, wenn wir mitgestalten. Und deswegen glaube ich, daß die Regierungserklärung auf Seite 31 – Aufbau und Mitwirkung an einer europäischen Sicherheitsstruktur – durchaus im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher ist.

Was mir aber sehr mißfällt, ist, was über die osteuropäischen Staaten gesagt wird. Auf Seite 7 ist die Rede von den osteuropäischen Nachbarn. Dort heißt es: Zusätzlich hat die Ostöffnung Österreich vor eine neue Situation gestellt, mit neuen Konkurrenten für Beschäftigung sowie Unternehmen direkt vor der Haustür, aber auch mit neuen Märkten.

Andererseits findet sich auf Seite 30 folgende Äußerung: Bilaterale Beziehungen, insbesondere auch zu den Nachbar- und osteuropäischen Reformstaaten, werden engagiert weiterentwickelt.

Ich glaube, man muß so fair sein und sagen, daß wir auch dort unseren Solidaritätsbeitrag leisten sollten. Meiner Meinung nach brauchen wir die osteuropäischen Nachbarn genauso, wie sie uns brauchen. Da sollten wir wirklich die Politik aktiv gestalten! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zur Währungsunion: Wir sollten den Triple-A-Status, der uns vor vielen Jahren verliehen worden ist, nicht verlieren, und aus diesem Grund ist das Liberale Forum für die Teilnahme. Nur verstehe ich nicht, warum Sie zum Beispiel nicht über Besteuerungen von Finanzspekulationen sprechen, über die sogenannte Tobin-Tax, die durchaus im europäischen Kontext einzuführen ist.

Weiters: Sie behandeln die Universitäten wie Weglegekinder! Ich glaube nicht, daß man bei den Universitäten dieselbe Philosophie haben sollte wie bei der Bildungspolitik in den Schulen. Die Schulen geben meiner Ansicht nach einen wesentlich strengeren Raster vor und schnüren ein engeres Korsett. An den Universitäten wäre das kontraproduktiv, und deshalb glaube ich nicht, daß eine Zusammenführung des universitären Bereiches mit dem der Schulen zielführend wäre.

In der Regierungserklärung steht: Förderungen ohne Gießkanne. – Wunderbar! Wir sind sofort dafür, bedauern aber, daß dies in der Vergangenheit offenbar nicht der Fall gewesen ist, denn sonst würde es ja nicht drinnen stehen.


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Es ist auch erwähnt, daß die Forschungseinrichtungen gestrafft und koordiniert werden sollen. – Wunderbar! Wir bedauern, daß es früher nicht möglich war, die Forschungseinrichtungen zu straffen und zu koordinieren, und daß es des Bundeskanzlers Klima bedarf, um dies zu erreichen.

Nur bei einem Punkt kann ich nicht mit, bei der Verdammung der Gentechnik. Ich glaube, daß wir die Gentechnik im medizinischen und da insbesondere im diagnostischen Bereich brauchen. Ich bin nicht dafür, daß man diesen Bereich der Forschung ausklammert und sagt: Um Gottes willen, dies soll nur nicht die Grenzen Österreichs passieren! Auch in der Landwirtschaft ist meiner Meinung nach das letzte Wort zur Gentechnik noch nicht gesprochen. Man sollte den Forschern die Möglichkeit geben, Resultate zu bringen, und nicht vorher den Politikern vorschreiben, daß sie in dieser Richtung nicht weiterzudenken haben. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Sauer. )

Ich wollte nur ganz kurz zu dem, was Vizekanzler Schüssel gesagt hat, Stellung nehmen, nämlich daß die Sparmaßnahmen fair gelungen sind. – Herr Vizekanzler Schüssel! Bitte reden Sie mit Alleinerziehenden, reden Sie mit Leuten, die jetzt Werkverträge haben, mit Journalisten oder Künstlern! Ich glaube nicht, daß die Sparmaßnahmen so fair gelungen sind. Vielleicht reden Sie zuwenig mit der Bevölkerung.

Der zweite Punkt, der mir aufgestoßen ist: Die besten Botschafter Österreichs sind die Philharmoniker, hat Herr Vizekanzler Schüssel gesagt. – Erstens heißt das, daß er sein Ministerium reduzieren kann, weil alle Botschafter, die nicht Philharmoniker sind, schlecht sind. (Abg. Ing. Meischberger: Schüssel hat gesagt, Karl Moik ist der beste Botschafter!) Oder heißt das, daß seine Politik, daß nur eine Botschafterin für Österreich im Ausland ist, weitergeführt wird und daß auch sie wegrationalisiert werden sollte? (Zwischenrufe des Abg. Mag. Steindl. ) Also ich halte das eigentlich für eine skandalöse Äußerung!

Zum Schluß: Obwohl die Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten nicht anwesend ist, möchte ich doch sagen: Ich habe es sehr bedauert: Es gibt zwei Frauen in diesem Haus, die den höchsten Rang haben, nämlich den eines Klubobmannes. Ich verstehe nicht, warum die Frau Bundesminister für Frauenangelegenheiten, gerade während diese zwei Damen gesprochen haben, ihre Pause eingelegt hat. Vielleicht hätte sie es danach machen können. Ich weiß, daß es nicht sehr kommod ist, bei der Rede von Herrn Schüssel nicht anwesend zu sein, aber ich meine, es war ein Affront, diesen zwei Damen nicht zuzuhören. (Abg. Steibl: So eine Frechheit!) Ein schlechter Einstieg, aber ich vertraue ihr. (Abg. Steibl: Im Zuge der Gleichberechtigung muß man jedem zuhören!) Sie wird sich sicherlich bessern. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.18

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. – Bitte.

17.18

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich denke, das ist eine sehr günstige Gelegenheit, sich wieder grundsätzlicher mit der Konzeption der künftigen Regierungspolitik – kritisch die Opposition, aber vielleicht wir auch kritisch mit der Opposition – auseinanderzusetzen. Es ist meiner Ansicht nach logisch – wir haben es auch im Verfassungsausschuß gemerkt –, daß die Oppositionsparteien wegen ihrer grundsätzlichen Einstellung prinzipiell einmal alles in Frage stellen, was von den Regierungsparteien präsentiert wird. (Abg. Dr. Graf: Als Sie jung waren, war es dasselbe bei Ihnen!) Die Schwäche der oppositionspolitischen Vorschläge war es allerdings, daß Sie keine wirklich geschlossenen und praktikablen Alternativen auf den Tisch gelegt, sondern sich auf eine partielle Kritik beschränkt haben.

Es hat schon damit begonnen, daß Sie die Arbeitsaufteilung, die sich die beiden Koalitionsparteien im Rahmen ihrer Regierungsarbeit gegeben haben, kritisierten. Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber ich meine, daß es auch nicht schlecht ist, wenn das nicht bloß nach einer rein technischen Plausibilität abläuft, sondern wenn es auf der Basis des gegenseitigen politischen Vertrauens und der politischen Kooperation auch dazu führen kann, daß in Bereichen, die vielleicht nicht unbedingt zusammengehören müssen, trotzdem beide Koalitions


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parteien Verantwortung tragen. Und das Entscheidende – und da ist die Opposition genauso aufgerufen wie auch wir hier, wie auch die Öffentlichkeit – ist, die Ergebnisse zu kritisieren oder ihnen zu applaudieren und sie zu begrüßen – je nachdem, welche Ergebnisse dann auf dem Tisch liegen. So kann, meine ich, eine konstruktive, sinnvolle politische Auseinandersetzung ablaufen. (Abg. Dr. Graf: Kollege Khol hat gesagt, den Ideen wird schon zuapplaudiert!)

Man kann natürlich auch grundsätzlich anderer Meinung sein. Ich möchte dazu folgendes Beispiel anführen: Zuerst wird gesagt: Logisch wäre es, wenn die Bildung insgesamt in einem Bildungsministerium zusammengefaßt wäre. Hätte man das dann wirklich gemacht, hätten alle gesagt: Nein, nein, das ist ein Bildungsmonopol, und dort herrscht ausschließlich eine politische Orientierung! Wenn sich Kunst und Kultur dann in einer "Hand" – unter Anführungszeichen – befinden, dann sagt man: Es ist zwar aus organisatorischen Gründen plausibel, daß das zusammengefaßt wurde, aber dann ist das wiederum die schreckliche sozialdemokratische Kulturhegemonie.

Dann ist in Wirklichkeit Antonio Gramsci der Kulturminister, und damit ist es ganz furchtbar, und es droht die Revolution, und der Herr Haider von der "Presse" hätte dann wahrscheinlich einen Kommentar nach dem anderen verfaßt, um das zu kritisieren. – Das zum einen.

Zum anderen würde ich meinen, a priori von Haus aus zu interpretieren: Wenn es ein eigenes Kulturministerium gibt, dann ist das eine Aufwertung, wenn die Kultur aber im Bundeskanzleramt angesiedelt ist, dann ist das eine Abwertung!, ist insofern absurd, als es doch um das Ergebnis geht. (Abg. Dr. Graf: Ihre eigenen Genossen haben gesagt, es ist eine Abwertung!)

Es geht doch um die Frage: Was wird das Ergebnis sein? Welche Ergebnisse werden wir hier in Zusammenarbeit präsentieren können, und zwar auch wir im Parlament? – Man wird eben sehen, wie die Arbeit in diesem Bereich weitergeht.

Aber ich möchte in diesem Zusammenhang auch folgenden Satz von Seite 26 der Regierungserklärung anführen – sollte noch der eine oder andere Kultursprecher anwesend sein, würde ich ihn ersuchen, einmal kurz die Ohren zu spitzen, denn ich meine, daß das eine interessante Formulierung ist –: Ich bekenne mich dazu, auch zur Idee, daß Kunst zweckfrei stattfinden können muß und nicht als bloßes Mittel zum Zweck etwa der Tourismusförderung. (Abg. Wabl: Eine problematische Formulierung!)

Es lohnt sich, sich mit diesem Satz auseinanderzusetzen. Wir Sozialdemokraten haben ja schon sehr oft Kritik geübt. Auch die Mitterer-Serie im Fernsehen hat ja herrlich aufgearbeitet, wofür Kunst eigentlich mißbraucht werden kann, nur damit die Nächtigungszahlen und die Tourismuszahlen stimmen.

Mit dieser Neuordnung wird nun aber versucht, das Ganze aus diesen Zusammenhängen und ökonomischen Sachzwängen herauszuschälen. Daher meine ich, daß das durchaus ein sehr kritischer Ansatz ist, der sich mit einer ganz spezifischen Verwendung von Kultur auseinandersetzt. Ich meine, es würde sich lohnen, sich auch in Zukunft stärker mit dieser Frage auseinanderzusetzen, anstatt darüber zu debattieren, ob das Kulturressort besser im Bundeskanzleramt, am Minoritenplatz oder am Handelskai untergebracht ist. Das finde ich einfach absurd. Viel mehr interessiert mich das inhaltliche Ergebnis! (Abg. Dr. Graf: Ist der Satz auf Seite 26 von Ihnen?)

Sie müssen nur zählen: bis 26, dann den Finger hineinstecken, und dann werden Sie es finden. Es ist der erste Absatz oben. Da steht das ganz genau drinnen. – Ich glaube, das ist etwas, was Anstoß zur Debatte bietet.

Ein zweiter Aspekt: Ich empfinde es ausdrücklich als positiv, daß es nun im Finanzministerium einen Staatssekretär gibt, der sich mit der Euro-Problematik ganz besonders auseinandersetzen wird, denn die Frage des Euro wird ein weites Betätigungsfeld für rechtspopulistische Experimente sein. Sie von den Freiheitlichen werden natürlich dann mit allen möglichen Mobilisierungsversuchen kommen, um Ängste anzusprechen, um eine Währungsreform à la 1945 oder 1946 an die Wand zu malen. (Abg. Dr. Krüger: Wir oder Schröder?! – Abg. Haigermoser:


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Der künftige Kanzlerkandidat!) – Ich sehe ja, wie nervös Sie plötzlich werden, weil Sie offensichtlich schon vorhaben, den Angstgenerator einzuschalten und den Leuten einzureden, jetzt gehe es ihnen ans Sparbuch und ans Geldtascherl. Sie werden sozusagen die einzigen "Retter" sein, die das verhindern. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie schon neuerdings in die Mottenkiste antikapitalistischer Rhetorik greifen – "Karl Marx" alias Jörg Haider, der das ja auch schon einige Male getan hat, ist ja mittlerweile auch anwesend –, dann sollten Sie sich aber auch in die Front jener einreihen, die sich im Kampf gegen die neoliberalen Konzeptionen befinden, die da lauten: Geldwertstabilität ist wichtiger als Beschäftigungspolitik!

Dann sollten Sie das aber auch wirklich international durchargumentieren – gegenüber den Notenbanken, gegenüber dem Herrn Tietmeyer von der Deutschen Bundesbank, und wie alle diese Gespenster sonst noch heißen mögen, die dafür stehen, daß nicht Beschäftigungspolitik im Zentrum der Bemühungen steht, sondern die Umverteilungspolitik zugunsten jener, "die es eh haben", zugunsten des Finanzkapitals, also der Reichen, in Ihrer Rhetorik: "die da oben" – und dafür die entsprechenden Schritte setzen.

Ich hätte mir eben erhofft, daß eine konstruktive Opposition, die ernst genommen werden will, die auch an der Politikfindung mitwirken will, ihren Beitrag geleistet und es begrüßt hätte, daß dieses neue Staatssekretariat sich mit dieser Frage auseinandersetzt. Ich hoffe, daß dieses Staatssekretariat auch dazu beiträgt, daß Ihr Angstgenerator keinen Strom bekommt, daß ihm der Stecker aus der Steckdose herausgezogen wird. – Das wäre, wie ich meine, eine ganz wichtige Sache, und ich hoffe, daß sie auch zustande kommt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme auch noch zu einem anderen Punkt. (Abg. Dr. Graf: Hoffentlich wird es jetzt besser!) Ich denke, daß es da sehr vieles gibt, was auch in Ihre Richtung – in Richtung Freiheitliche – gemünzt ist. Auf Seite 16 steht etwa: Wir dürfen die Probleme dieser Menschen nicht individualisieren. Wir dürfen sie nicht durch Mißbrauchsdebatten ausgrenzen. – Genau das ist ein wesentlicher Bestandteil der FPÖ-Politik!

Es steht etwa auf Seite 8: Es ist wichtig, die Ängste zu hören und sie ernst zu nehmen. – Es ist einfach so, daß es, wenn es Veränderungen gibt, zu Unsicherheit kommt. Viele Menschen in Österreich haben Angst vor der Zukunft, Angst vor dem Wechsel in das neue Jahrtausend und Befürchtungen für die Zeit danach.

Ich meine, das wird in der Regierungserklärung sehr konkret angesprochen. Es wird auch versucht, aus der Regierungsperspektive Antworten darauf anzubieten. Ich meine, wenn das gelingt, dann ist das in der Tat eine Möglichkeit, zu verhindern, daß Sie weiterhin "Kirtag" haben mit Ihrer Politik, Ängste zu entwickeln und Menschen für Ihre Ideen – was auch immer das sein mag – zu mobilisieren. Ich glaube, daß das wirklich einmal eine Möglichkeit ist, dem ganz effizient entgegenzutreten. Das macht Sie nervös! Man merkt, daß Sie das nervös macht. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Als es den Kanzlerwechsel gegeben hat, war die erste Stellungnahme des Jörg Haider: Er war blaß. – Die zweite Reaktion war: Er war beleidigt. Als Oppositionschef war er einfach beleidigt, weil der Regierungschef gegangen ist. Das hat ihn grundsätzlich beleidigt und geärgert. (Neuerliche Zwischenrufe und ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Das dritte war: Er hat sich an die Fernsehkonfrontation mit Viktor Klima erinnert, die halt nicht sehr leinwand für ihn ausgegangen ist, bei der eben Viktor Klima in der Tat besser abgeschnitten hat als Jörg Haider. Damit, daß so etwas, wie ich hoffe, eine Wiederholung finden wird, muß er sich sozusagen auch abfinden.

Die heutigen Auftritte sind ja der beste Beweis dafür, daß diese Nervosität immer stärker und stärker wird und daß vor allem eine eklatante Strategielosigkeit ... (Abg. Mag. Stadler: Du bist ja selbst enttäuscht von der Regierungserklärung! Gib es doch zu!) – Ich sage ohnehin nicht mehr "Bello"! Seit der Bart weg ist, sage ich: "Pico Bello"! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Es hat bei Ihnen eine Strategielosigkeit um sich gegriffen, die heute ihren deutlichen Ausdruck gefunden hat. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edith Haller. – Bitte.

17.27

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Ministerbank! – Die Damen sind uns anscheinend schon abhanden gekommen. – Hohes Haus! – Herr Kollege Cap, ich bin weder nervös noch beleidigt, insofern kann ich Sie beruhigen.

Ich bin allerdings besorgt – das schon. Es gibt ein Zitat von Ingeborg Bachmann, das in letzter Zeit in anderem Zusammenhang immer wieder erwähnt wurde. Es lautet: Wahrheit ist zumutbar.

Ich finde, daß Wahrheit auch im Zusammenhang mit der neuen Regierungsumbildung zumutbar sein muß. Man hat unseren neuen Bundeskanzler und sein Team mit sehr vielen Vorschußlorbeeren bedacht und hat ihn als Hoffnungsträger einer neuen österreichischen Politik gesehen.

Die Wahrheit ist aber – und das hat sich bereits in den letzten Tagen bestätigt –, daß er bereits eine große Chance vertan hat: Er hat im Zuge der Neuordnung des Bundesministeriengesetzes eine sinnvolle Kompetenzverteilung wirklich versäumt, er hat Nichtkompetenzen nicht aufgehoben, er hat Doppelgleisigkeiten geschaffen, und er hat das Gesundheitsressort zersplittert.

Wahrheit ist andererseits auch, daß er bei seiner ersten Pressekonferenz zwar wohl eine Menge englischer Fachausdrücke, aber auch eine Menge leerer deutscher Worthülsen verwendet hat, und seine heutige Regierungserklärung war wirklich nur eine Anhäufung von uns allen schon lange bekannten Gemeinplätzen, die er noch dazu in einer derart theatralischen Art und Weise vorgetragen hat, daß es mir direkt unangenehm war.

Wahrheit ist auch folgendes: Er hat in seiner Regierungserklärung gesagt: Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, und wir werden dieses Anliegen mit dem Frauenministerium umsetzen.

Was aber ist in Wahrheit der Fall? – Die österreichische Frauenpolitik ist seit 20 Jahren sozialistisch dominiert, aber die Situation der Frauen ist nach wie vor unbefriedigend: Es gibt keine sozialrechtliche Absicherung. Das Kinderbetreuungssystem ist trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse und versprochener Milliarden und Millionen unzureichend ausgebaut.

Die Familienarbeit soll "halbe/halbe" aufgeteilt werden – aber anscheinend hat die neue Frauenministerin Prammer, die jetzt leider nicht mehr da ist, im eigenen Haushalt damit Probleme, und zwar Probleme mit ihrem Mann, der dabei anscheinend nicht mitmachen will.

Es gibt nach wie vor keinen Ansatz zur Gleichstellung von Familienarbeit und Erwerbsarbeit. Und in den ganzen sieben Jahren seit Bestehen des Frauenministeriums ist das dazugehörige Vetorecht im Ministerrat nie zugunsten der Frauen ausgeübt worden, etwa um jene Verschlechterungen, die es in der letzten Zeit für die Frauen wirklich gegeben hat, hintanzuhalten.

Die neue Frauenministerin wird als eiserne Lady des Naturschutzes bezeichnet. Sie ist optisch sicher ein ganz anderer Typ als ihre Vorgängerin, und mir bleibt eigentlich nur die große Hoffnung, daß sie auch einen anderen Zugang zur Frauenpolitik hat als ihre Vorgängerinnen, daß sie die Frauenpolitik pragmatischer und bürgernäher auszuüben gedenkt und daß sie auch Vorschläge der freiheitlichen Frauen ernst zu nehmen beginnt.

Ich erwarte mir von ihr in nächster Zukunft Stellungnahmen zum Bereich Familienförderung, zum Nachtarbeitsverbot für Frauen, zum Thema Frauen im Bundesheer und zu den gravierenden Härtefällen, die im Bereich der Arbeitslosenversicherung und Notstandshilfe durch die Sparpakete entstanden sind. Ich hoffe, daß sie eigene Initiativen setzen und sich bei der Lösung der Probleme nicht auf das geplante Frauenvolksbegehren verlassen wird wie ihre Vorgängerin.


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Ich bin allerdings skeptisch, ich muß es sein, denn die neue Frauenministerin Prammer hat im Land Oberösterreich das Ressort Frauenpolitik bereits einmal abgelehnt. Und ich schaue auch deshalb skeptisch in die Zukunft, weil im Zusammenhang mit der Übernahme des Frauenressorts ein für mich wirklich makabrer Vorgang stattgefunden hat: Die neue Frauenministerin soll nämlich nicht nur Frauen vertreten, sondern auch Tiere und den Giftbereich! – Ich überlasse es Ihnen selbst, sich die entsprechenden Zusammenhänge auszumalen.

Mit Ausnahme der Gentechnologie soll sie in Zukunft für das Veterinärwesen und die Tierärzte, für Desinfektions- und Futtermittel, für Tierimpfstoffe und die Preisregulierung dieser Impfstoffe, für die Tierkörperbeseitigung und den Giftverkehr zuständig sein.

Dabei drängt sich mir ein weiterer Vergleich auf: Die frühere Frauenministerin Dohnal hat den Maßstab für ihre persönliche Erwartungshaltung zur Menge von Unterschriften beim Frauenvolksbegehren folgendermaßen formuliert – ich zitiere –: So viele Unterschriften wie beim "Viechervolksbegehren" werden wir wohl zusammenbringen! – War das vielleicht der Anstoß zu dieser neuen Kompetenzverteilung? – Für mich zumindest schaut es so aus.

In diesem Zusammenhang und gerade deshalb, weil diese Kompetenzaufteilung und -zersplitterung etwas wirklich Unsinniges ist, erlaube ich mir, einen Abänderungsantrag meiner Kollegen Dr. Pumberger, Mag. Haupt und meiner Wenigkeit zum Antrag 380/A der Abgeordneten Dr. Kostelka und Dr. Khol betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz geändert wird, einzubringen. Die darin angeführten Punkte, vor allem die Ziffer 9, haben zum Ziel, alle Agenden des Gesundheitswesens, die bisher im Gesundheitsressort zusammengefaßt waren, in die Kompetenz des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu übertragen, damit sie vereint bleiben, damit es zu keinen unsinnigen Doppelgleisigkeiten kommt, vor allem zu keiner solchen – ich würde fast sagen: unsittlichen – Vermengung von Kompetenzen der neuen Frauenministerin. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Abänderungsantrag, auf den Frau Abgeordnete Haller soeben Bezug genommen hat, ist ordnungsgemäß eingebracht, in den Kernpunkten erläutert worden, wird schriftlich verteilt werden und steht damit mit in Verhandlung.

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Mag. Haupt, Haller und Kollegen zum Antrag 380/A der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes 579 BlgNR XX. GP

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der im Titel bezeichnete Antrag wird wie folgt abgeändert:

1.) Z 4 lautet

4. § 17b wird folgender Abs. 9 angefügt:

"(9) § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 9, § 17 Abs. 3 sowie Abschnitt A Z 5, 6, 0 und 15 bis 21, Abschnitt C Z 1, 25 und 28, die Überschrift des Abschnittes D, Abschnitt D Z 3, 7 und 8, Abschnitt E Z 9, 9a und 9b, die Bezeichnungen der bisherigen Abschnitte G bis N (der neu bezeichneten Abschnitte F bis M), der bisherige Abschnitt L Z 1 (der neubezeichnete Abschnitt K Z 1), der bisherige Abschnitt G Z 12 und 13 (der neubezeichnete Abschnitt F Z 12 und 13), der bisherige Abschnitt M Z 2 (der neubezeichnete Abschnitt L Z 2) und die Überschrift des bisherigen Abschnittes N (des neubezeichneten Abschnittes M) des Teiles 2 der Anlage zu § 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl: I Nr. .../1997 treten mit 15. Februar 1997 in Kraft. Zugleich


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treten Abschnitt F und der bisherige Abschnitt N Z 16 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung außer Kraft.

2.) Z 7 lautet:

Abschnitt A des Teiles 2 der Anlage zu § 2 wird folgende Z 15 angefügt:

15. Angelegenheiten der Kunst; Bundestheater.

3.) Z 9 lautet:

Abschnitt D des Teiles 2 der Anlage zu § 2 werden folgende Z 7–12 angefügt:

7. Angelegenheiten des Gesundheitswesens.

Dazu gehören insbesondere auch:

Allgemeine Gesundheitspolitik.

Schutz vor Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung.

Angelegenheiten der Gesundheitspflege, Gesundheitserziehung und Gesundheitsberatung.

Angelegenheiten des Mutter-Kind-Passes.

Angelegenheiten der Gesundheitsvorsorge einschließlich der Gesundheitsvorsorge für die schulbesuchende Jugend, soweit es sich nicht um Angelegenheiten der Sozialversicherung handelt.

Angelegenheiten der Arbeitsmedizin, soweit es sich nicht um Angelegenheiten der Sozialversicherung oder des Arbeitnehmerschutzes handelt.

Angelegenheiten der Sportmedizin.

Hygienewesen und Impfwesen.

Überwachung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten.

Allgemeine Angelegenheiten des Schutzes vor ionisierenden Strahlen.

Angelegenheiten der Kurorte und der natürlichen Heilvorkommen, der Heil- und Pflegeanstalten und der Volkspflegestätten.

Betriebswirtschaftliche Angelegenheiten sowie Angelegenheiten der Kostenbeteiligung des Bundes an der Errichtung, Ausgestaltung und dem Betrieb von Universitätskliniken.

Medizinische Angelegenheiten des Behindertenwesens, soweit es sich nicht um Angelegenheiten der Sozialversicherung handelt.

Überwachung und Bekämpfung des Mißbrauches von Alkohol und Suchtgiften.

Apotheken- und Arzneimittelwesen, Angelegenheiten des Verkehrs mit tierärztlichen Mitteln und Desinfektionsmitteln; Preisregelung auf diesem Gebiet.

Angelegenheiten des Gesundheitsschutzes in bezug auf Heilfbehelfe und Gebrauchsgegenstände.

Angelegenheiten des Suchtgift- und des Giftverkehrs.

Angelegenheiten des Leichen- und Bestattungswesens.

Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals der öffentlichen Gesundheitsverwaltung.


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8. Angelegenheiten des Veterinärwesens mit Ausnahme der Angelegenheiten, die von der Bundesanstalt für Fortpflanzung und Besamung von Haustieren zu besorgen sind.

Dazu gehören insbesondere auch:

Angelegenheiten der Schlachttier- und Fleischuntersuchung.

Angelegenheiten der Futtermittelhygiene und -kontrolle.

Angelegenheiten der Tierkörperbeseitigung.

Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals der öffentlichen Veterinärverwaltung.

9. Angelegenheiten der Nahrungsmittelkontrolle.

Dazu gehören insbesondere auch:

Angelegenheiten des Verkehrs mit Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen.

Nahrungsmittelhygiene.

Aus-, Fort und Weiterbildung des Personals der öffentlichen Nahrungsmittelkontrolle.

10. Angelegenheiten des Sanitäts- und Veterinärpersonals.

Dazu gehören insbesondere auch:

Angelegenheiten der Ärzte, Tierärzte, Apotheker, Dentisten, Hebammen und sonstiger Sanitäts- und Veterinärpersonen einschließlich der Angelegenheiten ihrer beruflichen Vertretung.

Aus-, Fort- und Weiterbildung der Ärzte, Tierärzte und Pharmazeuten nach ihrer Graduierung sowie der sonstigen Sanitätspersonen.

11. Allgemeine Angelegenheiten der Gentechnologie.

12. Angelegenheiten der Konsumentenpolitik einschließlich des Konsumentenschutzes, soweit dieser nicht in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Justiz fällt; Koordination der Konsumentenpolitik.

Dazu gehören insbesondere auch:

Beschwerden in Konsumentenangelegenheiten.

Angelegenheiten des Konsumentenpolitischen Beirates.

Angelegenheiten des Schutzes vor gefährlichen Produkten, soweit es sich nicht um gewerbe- oder wettbewerbsrechtliche Angelegenheiten handelt.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Morak. – Bitte.

17.35

Abgeordneter Franz Morak (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren im Plenum – die wenigen, die noch hier sind! Aber ich verstehe das.

Die Erregung der letzten Tage über die diversen Zuständigkeiten, vor allem im Bereich Kunst, fand ich etwas übertrieben. Die Erregung darüber, ob man jetzt die Kunstagenden von einem Verkehrsminister mit wahrnehmen läßt oder von einem Bundeskanzler mit einem Staats


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sekretär, beziehungsweise die Reaktionen, die in diesem Bereich gelaufen sind, waren, wie ich glaube, etwas unangemessen.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Artikel von Michael Scharang in der gestrigen Ausgabe der Zeitung "Die Presse". Das ist, wie ich meine, eine sehr treffende Beurteilung der Situation. Denn relevant ist, wie Josef Cap schon gesagt hat, nur das, was getan wird.

Was tun wir? Was wird getan? Welche Absichten sind damit verbunden? Wo werden die Schwerpunkte gesetzt? – Dazu möchte ich jene Problemfelder in Erinnerung rufen, die in der letzten Zeit, in den letzten Jahren angelaufen sind, aber bisher noch nicht erledigt wurden.

Der erste Problemkreis ist die Verteilungsgerechtigkeit. Die Geldmittel müssen schrittweise von der Kulturverwaltung abgezogen und verstärkt zur Kulturproduktion hin verlagert werden. Noch immer fließen kaum mehr als 10 Prozent in die Produktion zeitgenössischer Kunst! Der Rest von mehr als 80 Prozent fließt in die traditionellen Kulturapparate.

Der zweite Problembereich ist der Film. Der Herr Bundeskanzler hat das schon erwähnt, es ist ein Schwerpunkt seiner Regierungserklärung gewesen: Der Film ist das modernste und effektivste Medium im Bereich des Imagetransfers und des Identitätstransfers. Im Verhältnis zu den Budgets der traditionellen Kultureinrichtungen sind die Budgetmittel hiefür mehr als dürftig, dieser Bereich ist schwerstens unterbudgetiert.

Es gibt natürlich kaum Produzenten – das liegt am ORF und eigentlich auch an der Produktionsstruktur der letzten Jahrzehnte. Es gibt vor allem kaum Produzenten mit Eigenkapital, es gibt keinen funktionierenden Verleihmarkt, keine Vertriebs- und Verleihstrukturen.

Drittes Problemfeld sind die Bundestheater. Es ist Teil des Regierungsübereinkommens und der Absichtserklärung der Bundesregierung, daß die Bundestheater bis zum Jahr 2000 aus dem Staatshaushalt ausgegliedert werden sollen. – Das kann aber keine Kindesweglegung sein! Ich habe das im Ausschuß schon gesagt, und ich sage es noch einmal: Da muß eine bessere Lösung gefunden werden, ein Weg, der günstiger ist, wo man mit knapperen Organisationsstrukturen auch besser produzieren kann. Man muß sich auch überlegen, wie man die Kollektivverträge flexibler gestalten könnte, oder man überläßt es den Theatern, entsprechende Betriebsvereinbarungen zu entwerfen.

Viertes Problemfeld: Es gibt Zusammenhänge zwischen Kunst, Markt und Subvention. Diese Zusammenhänge müssen endlich wieder einmal neu definiert werden und neu gewichtet werden, besonders im Hinblick auf die Evaluation der Kunstproduktion und die Effizienz des Kulturmanagements.

Das fünfte Problem betrifft die Verlagsförderung. Warum ist es in diesem Land so, daß die Förderungen, die existieren, die gut sind, die in Ordnung sind, es den Verlagen offensichtlich nicht ermöglichen, sich die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu bewahren? – Da muß irgend etwas falsch laufen, das gehört analysiert und verändert.

Sechstens: die Teilrechtsfähigkeit der Bundesmuseen. Da sind wir auf dem Weg. Dieser Bereich gehört verbessert, gehört ausgeweitet. Wir sind zu Verhandlungen bereit.

Siebentens: das Ausstellungsrecht. Wir haben es im Februar letzten Jahres beschlossen. Das kann nicht so bleiben, wie es ist.

Achtens: Was tut der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Kreativen in diesem Land? Wo bleiben die Kreativen? Was tut der ORF, wie tut er es, und wie oft tut er es? In der "Pressestunde" vom letzten Sonntag hat Christoph Chorherr darüber geredet, und ich danke ihm dafür. Auch Kollege Kräuter hat, als wir hier das letzte Mal im Zusammenhang mit dem Rechnungshofbericht über den ORF debattiert haben, davon gesprochen. – Beide müssen das aber ihren Vertretern in den ORF-Kuratorien sagen! Diese Vertreter tun nämlich nichts, die rühren dort kein Ohrwaschl! Der einzige, der dort in dieser Angelegenheit redet, bin ich, und ich mache das seit zweieinhalb Jahren! (Beifall bei der ÖVP.)


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Abschließend kann man sagen, Herr Bundeskanzler, Herr Staatssekretär – es sind beide nicht da, ich sage es trotzdem –: Es ist Tatzeit! Damit meine ich: Es ist Zeit für Zusammenarbeit im Bereich Kunst und Kultur. Ihr Vorgänger war ein Mann der einsamen Entschlüsse, stolzer Besitzer einer "sehr, sehr langen Bank" und stolzer Bewohner eines Elfenbeinturms. – Wie ich aus Pressemeldungen erfahren habe, wohnen Sie, Herr Bundeskanzler, in Schwechat, und der Herr Staatssekretär ist Einwohner von Wiener Neustadt. Ich hoffe, das stärkt Ihren Realitätsbezug im Bereich der Kunstförderung.

Wir sind zur Zusammenarbeit bereit, und im übrigen wünsche ich uns viel Glück! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haigermoser. – Bitte.

17.40

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Kollege Morak hat recht. Die Gretchenfrage ist: Was wird von dieser Bundesregierung getan, und zwar nicht nur im Kunstbereich, sondern allenthalben?

Meine Damen und Herren! Sie haben heute aus den Wortmeldungen der Freiheitlichen herausgehört, daß jeder seine Chance haben soll, auch die neuen Minister. Ich weiß noch nicht genau, wer wer ist, aber das wird sich schon noch herauskristallisieren. (Heiterkeit.) Vielleicht kann man nächsthin irgendwelche Beschreibungen auf der Regierungsbank aufstellen.

Nun: Klima soll auch seine Chance als Kanzler haben. Als Finanzminister hat er seine Chance verspielt, meine Damen und Herren. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Ich muß mit meiner Redezeit haushalten.

Klima hat seine Chance als Finanzminister gehabt, und er hat sie verspielt. Es wurde heute schon mehrmals auf den "steuerpolitischen Sündenfall der Sonderklasse" hingewiesen, nämlich auf die Geschichte um die Mindestkörperschaftsteuer.

Herr Finanzminister! Sie sind jetzt gemeinsam mit Ihrem Staatssekretär aufgefordert, nicht die Steuerkeule in die Hand zu nehmen und einen neuen Eintreibungsversuch auf anderer Ebene zu starten, um wieder die klein- und mittelständische Wirtschaft zu belasten. Daher diese Warnung an Sie. Nehmen Sie diese so, wie sie gemeint ist, nämlich dergestalt, daß Klima in seiner Regierungserklärung versprochen hat, die klein- und mittelständische Wirtschaft zu ent lasten und nicht zu be lasten. Daher ist die gefährliche Drohung der Arbeiterkammer beziehungsweise des Herrn Muhm, man müsse jetzt den Gewerbetreibenden anderweitig in die Tasche greifen, gleich im Keime zu ersticken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf Seite 13 dieser – ich sage es einmal so – "bazweichen" Erklärung, die wir heute vernehmen mußten, ist wieder einmal der mittelständischen Wirtschaft das Hohelied gesungen worden. Meine Damen und Herren! Faktum ist, daß wir, was die Standortqualität in Österreich anbelangt, in der Zwischenzeit im OECD-Bereich vom 9. auf den 19. Platz zurückgefallen sind. Das heißt, daß es diese sozialistische Koalitionsregierung mit ÖVP-Restbeteiligung in den letzten zehn Jahren "geschafft" hat, die Qualität des österreichischen Wirtschaftsstandortes zu verschlechtern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da müssen wir Sie fragen, ob Sie bereit sind, außer Platitüden von sich zu geben, wie wir sie heute gehört haben, auch echte Taten zu setzen, zum Beispiel den Investitionsfreibetrag zu steigern, um zu neuen Markterschließungen zu gelangen. Werden Sie, Herr Finanzminister, darangehen, eine langfristig berechenbare Steuerpolitik in Gang zu setzen und nicht jeden Tag rückwirkende Steuergesetze einzuführen, die dafür verantwortlich sind, daß der Wirtschaftsstandort Österreich – Land und Arbeitsplätze – mehr als gefährdet ist? Diesen Aufgaben haben Sie sich zu stellen. Sie haben unseren guten Wunsch mit auf die Reise zu nehmen. Aber wir werden sehr genau beobachten, Herr Finanzminister, ob Sie mit Ihrem Staatssekretär und Parteifreund diese Hausaufgaben machen werden.


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Bis dato haben Sie die Hausaufgaben nicht gemacht, denn es müßten auch bei Ihnen die Alarmglocken läuten, wenn zu vernehmen ist, daß das Leistungsbilanzdefizit explodiert ist. Wir haben 58 Milliarden Schilling Leistungsbilanzdefizit mit Ende 1996! Das heißt, es ist Feuer auf dem Dach. Daher ist es überhaupt nicht verständlich, daß Klima heute eine Weiherede gehalten und gemeint hat, alles sei paletti. Wir wollen nichts schlechtmachen, wir wollen die Zahlen und Fakten auf dem Tisch haben, damit von dieser sozialistischen Koalitionsregierung entsprechend gehandelt wird.

Meine Herren Bundesminister! Herr Klima! In Ihren Ausführungen haben Sie auch davon gesprochen, man müsse österreichische Firmen stärker auf dem Markt unterstützen, damit nicht das Ausland quasi mit wohlgefüllten Kriegskassen über dieses Land herfalle und alles aufkaufe. Wissen Sie, daß drei Töchter ausländischer Konzerne in Österreich 45 Prozent des Gesamtmarktes im Lebensmittelbereich beherrschen? (Abg. Dr. Feurstein: Nicht im Westen!) Also nahezu die Hälfte dieses Bereiches wird von ausländischen Konzernen beherrscht, mit dem Erfolg, Kollege Feurstein, daß die klein- und mittelständische Struktur, die Nahversorgung, kaputtgemacht wird, daß darüber hinaus die Landwirtschaft leidet, daß darüber hinaus der "Feinkostladen Österreich" nicht in Szene gesetzt werden kann und daß auch die Zulieferer und die bäuerlichen Betriebe, wie wir gehört haben, leiden. 100 Prozent der Drogeriemärkte sind in ausländischem Besitz! Mit verantwortlich dafür ist die Österreichische Volkspartei, weil sie ein Kartellrecht verhindert hat, das Derartiges hätte unterbinden können. (Zwischenruf des Abg. Kiss. )

Kollege Kiss! Ich würde mich gerne über pannonische Ereignisse der Vergangenheit unterhalten. Ich glaube, auf diesem Felde werden wir uns noch fürtrefflich streiten können.

Meine Damen und Herren! Sie sind ja schon wieder im selben alten Stile unterwegs, indem Sie eine Novelle zum Austro-Control-Gesetz einbringen – die Austro-Control-Gesellschaft sei jetzt nur kurz angesprochen –, mit welcher Sie Etikettenschwindel der Sonderklasse betreiben: Nahezu eine Milliarde soll wieder flüssiggemacht werden und im Privilegienstadel Austro-Control versickern. Wir werden die Bevölkerung darauf aufmerksam machen und Sie daran hindern, daß Sie weiter so fortfahren, wie Sie es in den vergangenen zehn Jahren getan haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

17.46

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich habe mit Freude vernommen, daß ein nicht unwesentlicher Teil der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers dem Thema "Jugend" gewidmet war. Die Bundesregierung steht einer Jugend gegenüber, die sehr kritisch ist, die sehr leistungsorientiert ist, die bildungshungrig ist, die aber natürlich auch ängstlich ist, Zukunftsängste hat. Ich meine, daß es eine vorrangige Aufgabe der Politik dieser Bundesregierung ist, die vorhandenen Ängste zu nehmen und nicht in Permanenz Ängste zu schüren, so wie das mein Vorredner wieder in perfekter Art und Weise getan hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, daß man Ängste vor allem dadurch nehmen kann, daß man junge Leute partizipieren läßt, daß man sie in Entscheidungen rechtzeitig mit einbindet und ihnen die Möglichkeit gibt, auch Entscheidungen zu treffen, und zwar im universitären Bereich, im Bereich der Schülervertretung, im Bereich von Lehrlingsvertretungen, aber auch im Bereich von Soldaten- und Zivildienstvertretungen. Ich halte diese Mitbestimmungsmöglichkeiten für wirklich entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und Hoffnung zu geben.

In der Regierungserklärung wurde von der Lehrplanentrümpelung und vom Ausbau der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten der jungen Menschen gesprochen. Ich glaube, daß das sehr entscheidend ist und daß auch die Frage der Förderung unterschiedlicher Begabungen ein zentraler Punkt der Bildungspolitik der nächsten Jahre sein muß. Ebenso wichtig wie die Förderung von Begabungen und Begabten ist aber auch die Frage des sozialen Lernens, des


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Erlernens von Demokratie, um dieselbe letztlich auch zu schützen. Darum ist es eine ausdrückliche Forderung, endlich das Pflichtfach Politische Bildung einzuführen. (Abg. Schaffenrath: Super!)

Die Reform der Universitäten und ein Ausbau der Fachhochschulen und Fachhochschullehrgänge sind ebenso notwendig, und zwar insbesondere deshalb, weil wir heute an den Universitäten das Problem haben, daß ein Großteil der Studenten eher eine reine Berufsausbildung und nicht von vornherein eine wissenschaftliche Tätigkeit anstrebt. Daher glaube ich, daß diese zweite Schiene der Fachhochschulen, um eine qualifiziertere berufliche Ausbildung sicherzustellen, sehr wichtig ist, und deren Ausbau muß rasch vorangetrieben werden.

Ich glaube, daß es höchste Zeit ist, übereinzukommen, die bereits diskutierten und besprochenen Reformen in der Lehrlingsausbildung voranzutreiben. Es ist höchste Zeit, die notwendigen Dinge umzusetzen. Ich möchte da einen Punkt ansprechen, der sehr oft als unwesentlich abgetan wird, der mir aber deshalb wichtig ist, weil ich weiß, daß er für viele Lehrlinge, gerade im ländlichen Raum, ein großes Problem darstellt. Wenn Herr Abgeordneter Parnigoni heute davon gesprochen hat, daß wir uns doch endlich dazu durchringen sollen, festzulegen, das Licht auch am Tage einzuschalten, was zu tun ohnedies jedem freisteht, um sein persönliches Sicherheitsempfinden zu erhöhen, dann möchte ich Sie wirklich auch ersuchen, endlich grünes Licht für das Mofafahren ab 15 Jahren zu geben. Sie wissen, auch die Sozialistische Jugend, die Gewerkschaftsjugend, der Österreichische Bundesjugendring haben ausdrücklich eingefordert – das ist vor allem im ländlichen Raum wesentlich, da dort der Ausbau des öffentlichen Verkehrs nicht entsprechend gegeben ist –, das Mofafahren für 15jährige zu ermöglichen. Sie tun es ja sowieso, das zeigt die Unfallstatistik, weil sie zu ihrem Arbeitsplatz kommen müssen. Daher wäre es notwendig, dafür endlich grünes Licht zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, daß es auch eine wesentliche Aufgabe der Bundesregierung ist, sicherzustellen, daß der Generationenvertrag gewahrt bleibt. Selbstverständlich hat die Kriegs- und Nachkriegsgeneration ein Anrecht darauf, einen Lebensabend in Sicherheit zu begehen, aber ebenso sicher muß auch sein, daß letztlich für die junge arbeitende Generation ein Sozialsystem und ein Pensionssystem übrigbleiben. Wir stehen vor Problemen wie dem Drogenkonsum und vor einer sich verbreitenden Sektenproblematik. Das sind natürlich Symptome von Problemen, die in der Gesellschaft vorhanden sind. Wir müssen die Ursachen bekämpfen, etwa die Zerrüttung von Familien durch das Schaffen von Rahmenbedingungen zu verhindern, indem junge Familien mit ihrem Einkommen das Auslangen finden können, indem leistbare Wohnungen geschaffen und Arbeitsplätze sichergestellt werden. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

17.51

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundeskanzler Klima hat in seiner Regierungserklärung recht interessante Redewendungen gebraucht, die zum Teil sehr erhellend waren, nicht nur die Geschichte mit der Wärmedämmung. Unergründlich war, was er mit den "grundlegenden Umwälzungen im Osten Österreichs" gemeint hat. Herr Finanzminister! Hat er die Wahlergebnisse seiner beziehungsweise Ihrer Partei in Wien gemeint, oder hat sich im Burgenland irgend etwas ereignet? Es war nicht ganz klar, was er damit gemeint hat.

Er hat dann auch noch festgehalten, daß "zehn Jahre Vranitzky" das Land geprägt haben. Nun, wenn ich das von der Sicherheitspolitik her sehe, die bis jetzt in dieser Debatte noch etwas zu kurz gekommen ist, dann kann ich nur sagen: weniger geprägt als vielmehr abgestempelt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn man sich die Sicherheitspolitik der letzten zehn Jahre unter Vranitzky ansieht, dann stellt man zunächst einmal eine sehr freundliche Haltung gegenüber den altkommunistischen Regimen fest. In einer Zeit, als bereits Befreiungsbewegungen auf der Straße gewesen sind, hat sich Vranitzky noch mit den Altkommunisten getroffen und ihnen seine Wertschätzung versichert.


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Das war einmal der Beginn. Danach war er von einer sehr interessanten Entscheidungsschwäche, was die Sicherheitspolitik anlangt, gekennzeichnet. Er hat immer gesagt: Wir sind natürlich noch neutral. Wir sind zwar ohne Wenn und Aber in die Europäischen Union gegangen, haben ohne Wenn und Aber das Bekenntnis zu Maastricht und damit zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik abgelegt, sind aber trotzdem neutral. Das heißt, wir werden die Entwicklung beobachten und danach entscheiden. Er sagte das, wissend, daß das selbstverständlich nicht möglich ist und daß wir mit dem Beitritt zur Europäischen Union die Neutralität de facto bereits aufgegeben haben.

Auf der anderen Seite hat er es blendend verstanden, die Verpflichtungen, die etwa bei einer Bündnismitgliedschaft auf Österreich zukommen würden, schön langsam mit zu tragen, auch was die Kosten anlangt. Aber die Rechte, die für uns wichtig wären, nämlich mit allen Möglichkeiten eines Vollmitglieds am Aufbau einer neuen Sicherheitsstruktur mitzuarbeiten, hat er den Österreichern nicht gegeben.

Wir haben heute darauf gewartet, was sein Nachfolger, der angeblich so dynamische ehemalige Finanzminister Klima, hiezu vorbringen wird, ob er neue Linien aufzeigen wird. Aber allein die Rede hat gezeigt, daß es mit der Dynamik sehr schnell vorbei war. In der Regierungserklärung hat man ja wieder die alten Platitüden gehört. Er hat sich zu einer umfassenden Sicherheitspolitik bekannt und damit den Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und den Kampf gegen Bandenkriminalität gemeint. Er hat dann noch gesagt, Österreich werde am Aufbau einer europäischen Sicherheitsstruktur mitarbeiten, aber solange die Ziele noch nicht erreicht sind – so wörtlich –, sei es nicht sehr sinnvoll, daß Österreich irgendwelche Spielräume aufgibt.

Meine Damen und Herren! Was heißt denn das: Einerseits wollen wir am Aufbau mitarbeiten, auf der anderen Seite wollen wir abwarten, bis die Ziele erreicht sind? Das heißt, wir warten also ab, bis die internationale Staatengemeinschaft beschlossen hat, wie es in der Sicherheitspolitik weitergeht, wir warten ab, was Staaten wie Slowenien, Polen, Ungarn und die Tschechei betreffend unsere Sicherheitspolitik dann entscheiden werden. Denn diese werden ab nächstem Jahr mit der NATO in Beitrittsverhandlungen eintreten, während wir noch warten, und wie der Herr Bundeskanzler gesagt hat, schauen, wie die Ziele aussehen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Bundeskanzler weiß aber dabei ganz genau – das wird ihm ja hoffentlich der Außenminister geflüstert haben, denn sie haben ja dauernd getuschelt während der Debatte –, daß die Ziele in der europäischen Sicherheitspolitik längst abgesteckt sind. Sie sind längst abgesteckt in die Richtung, daß die Europäische Union letztlich feststellen muß, daß sie gar nicht in der Lage ist, in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik echte Fortschritte zu erzielen. Das wäre auch gar nicht sinnvoll, weil es ja funktionierende Strukturen gibt, und es ist klar festgelegt worden – das weiß man nicht erst seit gestern oder vorgestern, sondern schon seit langer Zeit –, daß einzig und allein die NATO, vielleicht einmal gemeinsam mit der Westeuropäischen Union, eine tragfähige europäische Sicherheitsstruktur in Europa wird aufbauen können.

Jetzt geht es darum, welche Rolle Österreich in diesem internationalen Konzert spielt. Stehen wir weiter abseits, sagen wir, wir werden beobachten, wir werden warten, was andere dann über uns entscheiden, oder treffen wir endlich die offene und klare Entscheidung: Ja, wir wollen teilnehmen!? Wir haben einmal eine wichtige Brückenfunktion zwischen Ost und West wahrgenommen. Diese ist uns längst unter Vranitzky, unter Schüssel, unter Fasslabend abhanden gekommen. Wir würden uns erwarten, daß jetzt einmal klare Richtlinien festgelegt werden und gesagt wird: Ja, Österreich hat da eine Verantwortung, hat da auch etwas einzubringen, und wir gehen mit allen Rechten und Pflichten in diese Strukturen hinein und helfen mit, eine dauerhafte Friedensordnung in Europa aufzubauen. – Das ist, wie wir gemerkt haben, nicht der Fall. Diese Regierung wird sich weiter darüber hinwegschwindeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Klubobmann Khol ist ja so weit gegangen, daß er gesagt hat: Man muß zwischen den Zeilen lesen! Das könne ja nur heißen, daß nächstes Jahr oder noch heuer diese Entscheidungen zu treffen sein werden. – Aber nichts kann man zwischen den Zeilen lesen. Ich glaube, diese Unverbindlichkeit war eindeutig.


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Diese Bundesregierung – der Herr Finanzminister hat ja zuerst mit den Namenskarten gemischt – ist wie ein Kartenspiel, bei dem die Asse fehlen. Sie können zwar mischen und verschiedene Karten ausgeben, aber Sie werden damit letztlich kein Spiel gewinnen, weil Ihnen die Trümpfe aus der Hand genommen worden sind. Der Jolly Joker sitzt anderswo, er sitzt in den Reihen der Freiheitlichen. Damit werden Sie auch in Zukunft noch ordentlich zu rechnen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.58

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kiss. – Bitte.

17.58

Abgeordneter Paul Kiss (ÖVP): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eines gleich vorweg: Ich begrüße als Sicherheitssprecher der ÖVP den Wechsel an der Spitze des Innenministeriums. Mit Karl Schlögl betritt, so meine ich, ein Politiker die Szene, dem ich die Führung dieses sehr sensiblen, schweren Ministeriums zutraue. Ich möchte von dieser Stelle aus dem neuen Innenminister eine sehr faire, konstruktive Zusammenarbeit anbieten, und ich bin davon überzeugt, daß er auch inhaltlich in der Tendenz so manches ändern wird von dem, was ihm sein Vorgänger hinterlassen hat.

Ich glaube vor allem aber auch, daß mit dem neuen Innenminister – und ich sage das bewußt als Teil dieser Regierungskoalition – eine neue Qualität des Handschlags möglich ist. Ich bin überzeugt davon, daß dies gut für dieses Land und gut für die Regierung ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Du hast ihm zweimal das Vertrauen ausgesprochen!)

Ich habe noch nie hier heraußen aus meinem Herzen eine Mördergrube gemacht. Ich bin noch nie einer gewesen, der nicht ehrlich gesagt hat, daß es da und dort hapert. Aber in dieser Stunde ist es auch angebracht, zu sagen: Lassen wir die Vergangenheit Vergangenheit sein! Es gibt einen Wechsel in der Regierung in der Person des Innenministers, und der Vertrauensvorschuß, den wir seitens der Österreichischen Volkspartei Innenminister Schlögl entgegenbringen, ist ein Vorschuß, den wir kritisch hinterfragen werden, den wir objektivieren werden. Wir sind aber überzeugt, daß er unser Vertrauen nicht mißbrauchen wird. Davon gehe ich einmal grundsätzlich aus. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Das kennen wir von euch!)

Herr Kollege Haider! Es ist das gute Recht seitens der Opposition, einmal grundsätzlich alles in Frage zu stellen. Ich würde es wahrscheinlich genauso tun. (Abg. Dr. Haider: Das tust du auch!) Es ist aber auch die Pflicht eines Partners in der Regierung, dem anderen jenes Maß an Vertrauen entgegenzubringen, mit dem dieser dann imstande ist, die inhaltlichen Vorgaben zu erfüllen, konstruktive Gespräche zu führen und letztlich damit natürlich auch Erfolge für dieses Land einzuheimsen.

Wir wollen ihm dabei helfen, weil auch wir daran interessiert sind, Erfolge für dieses Land und für dessen Menschen einzuheimsen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Haider: Ich bin gerührt! – Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Natürlich gibt es keine Vorschußlorbeeren, an die nicht auch Forderungen geknüpft sind. Es gibt einige wesentliche Punkte, von denen wir wissen, daß der Innenminister wahrlich gefordert ist. Ich beginne mit dem Stichwort Reformen. Reformen im Sicherheitsbereich sind zweifelsfrei angesagt. Wenn man daran denkt, daß wir auf allen Gebieten eigentlich eine zentrallastige Struktur haben, eine stark hierarchische Struktur, dann sieht man, daß es notwendig ist, zu dezentralisieren. Es muß Verantwortung von oben auf bezirkliche und auf örtliche Ebene delegiert werden, ob das im Personalbereich, im Budgetbereich oder im Kompetenzbereich ist. Es wird gelingen, wenn nur das gemeinsame Wollen da ist. Wir wollen es, und ich bin überzeugt davon, daß es der neue Innenminister genauso will. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage zweitens, daß ein Knackpunkt natürlich auch die neuen Fremdengesetze sein werden. Wir haben sie neu anzudiskutieren. Die programmatischen Aussagen des neuen Innenministers – ich sage das unumwunden – haben mir gefallen. Ich stimme mit ihm in der Beurteilung, was die Fremdengesetze anbelangt, überein. Ich bin bereit, einer Harmonisierung des Aufenthalts


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gesetzes mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz das Wort zu reden (Abg. Dr. Haider: Das ist ja toll!) , und ich werde mich innerhalb der ÖVP dafür stark machen, daß meine Fraktion diesen Überlegungen auch wirklich zustimmt. Wir müssen ganz einfach gemeinsam mit allen Betroffenen, gemeinsam mit den Sozialpartnern, gemeinsam mit der Bevölkerung diese sehr sensible Materie durchstehen. Ohne die Bevölkerung geht es garantiert nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum dritten: Selbstverständlich werden die neuen Ermittlungsmethoden, die wir der Exekutive in die Hand geben wollen, schon im heurigen Frühjahr ihre Bewährungsprobe in den Beratungen im Unterausschuß des Justizausschusses und im Justizausschuß haben. Ich bin zuversichtlich, daß wir mit diesen Möglichkeiten mehr Erfolg im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus haben werden. Ich traue Schlögl zu, daß er es so pragmatisch sieht, wie wir es bisher betrachtet haben.

Ein Letztes: Seien wir doch alle davon überzeugt, daß innere Sicherheit nur dann gewährleistet ist, wenn wir motivierte Beamte haben. Und so danke ich in dieser Stunde den 32 000 Männern und Frauen, die tagtäglich für die Aufrechterhaltung der Ruhe, der Ordnung und der Sicherheit in diesem Land sorgen. Geben wir ihnen jenen Motivationsschub, der sie befähigt, ihre Arbeit weiterhin durchzuführen – im Dienste der Republik Österreich und damit natürlich auch im Dienste der Menschen dieses Landes! Mit dem neuen Innenminister könnte es gelingen. Wir werden die Zusammenarbeit mit Handschlagqualität konstruktiv anbieten. (Beifall bei der ÖVP.)

18.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung gleichfalls 5 Minuten.

18.03

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Jetzt haben wir ja geradezu einen Wortschwall an Liebes- und Treuebekenntnissen in der großen Koalition gehört. Es ist ja schon fast verdächtig (Abg. Dr. Lukesch: Vorgabe!) , wenn hier immer wieder die Treue und die Liebe beschworen werden, obwohl wir doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen, daß es in Wahrheit ganz anders aussieht, daß eher eine Dissonanz in der Regierung herrscht, daß, hervorgerufen durch den Deal Bank Austria/CA, tiefes Mißtrauen existiert, und dieses tiefe Mißtrauen kann sicher auch nicht durch wechselseitige Abgabe von Liebes- und Treuebekenntnissen beseitigt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als der designierte Bundeskanzler Klima mit seinen Ideen von der Regierungsumbildung an die Öffentlichkeit ging, war zunächst von einer Verkleinerung des Kabinetts die Rede, was insbesondere in Zeiten eines Sparbudgets durchaus Sinn gemacht hätte. Nun, sehr lange haben sich diese Ideen aber nicht halten können, denn jetzt sitzt zwar ein Minister weniger auf der Regierungsbank, dafür aber ein Staatssekretär mehr. Das heißt im Endergebnis: Im Kabinett hat sich, was die Anzahl der Kabinettsmitglieder anlangt, nichts verbessert.

Herr Bundesminister Edlinger! Ich habe Ihr Interview gesehen. Da haben Sie vor Selbstvertrauen nur so gesprüht und der animierten Öffentlichkeit mitgeteilt, daß Sie nicht unter Komplexen leiden. Das habe ich auch nicht erwartet, und tatsächlich braucht man eine gehörige Portion Selbstvertrauen, wenn man eines der wichtigsten Ämter in dieser Republik übernimmt. Aber mich würde schon Ihre Meinung dazu interessieren, daß als erste Wahl zunächst von einem anderen Finanzminister in der Person des Landeshauptmannes vom Burgenland die Rede war, dann ist Ihr Name in die Debatte gekommen und schlußendlich sind Sie jetzt im Finanzministerium nicht allein verantwortlich, sondern es ist Ihnen jedenfalls ein Staatssekretär zur Seite gestellt worden. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Natürlich, meine Damen und Herren, kann man darüber denken, wie man will, aber ein Staatssekretär der eigenen Partei im eigenen Ministerium – das ist doch etwas ungewöhnlich. Da werden Sie mir sicher recht geben. Das hat in Zeiten, in denen der Herr Ditz noch dem damaligen Finanzminister Lacina hineinschauen oder auf die Sprünge helfen und ihn kontrollieren wollte, Sinn gemacht, aber was es für einen Sinn machen soll, innerhalb eines Ressorts dem Finanz


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minister, der von einer Partei gestellt wird, noch einen Staatssekretär derselben Partei zur Seite zu geben, das ist wirklich unverständlich. Das, Herr Bundesminister, schaut ja wirklich so aus, als ob Herr Bundeskanzler Klima Ihnen nicht zutraute, mit den umfassenden Agenden des Finanzministeriums alleine fertigzuwerden! Dieser Schluß liegt nahe, aber wir geben Ihnen selbstverständlich die Möglichkeit – und räumen Ihnen diese Möglichkeit ehrlich ein –, diesen Eindruck zu verwischen. Für die Öffentlichkeit bleibt allerdings der Eindruck bestehen, daß eine Art Kompetenzverteilung im Finanzministerium stattfindet und die Agenden des "Außenministers" im Finanzministerium offensichtlich nicht durch Sie wahrgenommen werden, sondern durch Herrn Ruttenstorfer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme jetzt zur neuen Kompetenzaufteilung betreffend den Kunst- und Kulturbereich. Ich mache darauf aufmerksam, daß bereits jetzt Kunst und Kultur getrennt sind, was natürlich unsinnig ist. Im Wissenschaftsministerium werden die Bundeskunstförderung und auch die Bundestheater administriert, in das Ministerium der Frau Bundesministerin Gehrer ressortieren die Bundesmuseen und die Nationalbibliothek. Das ist kompetenzmäßig natürlich ein Unsinn, das gehört zusammengelegt. Unsere Vorstellung ist die, daß ein einheitliches Bildungsministerium geschaffen werden soll, das auf der einen Seite Unterricht beinhaltet und dem auf der anderen Seite die Universitäten und die Kunst zugeschlagen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Offensichtlich ist es ja so, daß Kunst und Kultur zur politischen Manövriermasse verkommen sind, und das ist bedauerlich. Man kann doch Kompetenzen nicht danach ausrichten, wie sie personell besetzt sind. Die Kompetenzverteilung muß doch ausschließlich nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgen, denn sonst kommt es zu derartigen Undingen, daß für Arzneimittel, die für Menschen bestimmt sind, jetzt Frau Sozialministerin Hostasch zuständig ist, aber für Arzneimittel, deren Anwendung für Tiere vorgesehen ist, die neue Frauenministerin, die Oberösterreicherin Prammer.

Das ist sicher ein Unding, aber ich bin auch nicht allzu optimistisch, wenn von der Einsetzung einer Arbeitsgruppe gesprochen wird, die bis zum Sommer ein Ergebnis hinsichtlich einer neuen Ressort- und Kompetenzverteilung zustande bringen soll. Ich glaube schon, daß sie es bis zum Sommer schafft, aber sicherlich nicht bis zum Sommer 1997. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung gleichfalls 5 Minuten.

18.09

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich bin dankbar dafür, daß Herr Bundesminister Einem nicht wie sein Vorgänger Scholten, obwohl er im wesentlichen dasselbe Ressort hat, mit dem Anspruch angetreten ist, der Zukunftsminister der Bundesregierung zu sein. Ehrlich gesagt, ich glaube, daß jeder Minister mit diesem Anspruch überfordert wäre, und besonders die Kombination dieser völlig unterschiedlichen Aufgaben und Kompetenzen, die der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr hat – ich nenne nur so unterschiedliche Bereiche wie Universitäten, Wissenschaft, Infrastruktur des gesamten Verkehrswesens, Bahn, Telekom –, ist so umfassend, daß es sicherlich schwierig ist, daß ein Minister allein dieses große Aufgabengebiet optimal managt.

Schon in seinem eigenen Interesse sollte sich deshalb kein Minister dieses Attribut, für die gesamte Zukunft verantwortlich zu sein, umhängen oder eventuell von einer Marketingstrategie oder auch von den Medien anhängen lassen. (Abg. Dr. Graf: Heißt das, daß Sie an die Zukunft nicht mehr glauben?) Das ist eine gemeinsame Aufgabe der gesamten Bundesregierung, und ich bin froh darüber, daß diese Aufgabe auch gemeinsam angegangen wird.

Meine Damen und Herren! Ich als ÖVP-Verkehrssprecher wünsche jedenfalls Herrn Bundesminister Einem im Interesse des Landes, im Interesse einer optimalen Verkehrspolitik, die entsprechende Durchschlagskraft, die notwendige Weitsicht und die fachliche Kompetenz, um diese fachlich sehr divergierenden und komplexen Verkehrsprobleme auch zukunftsorientiert


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bewältigen zu können. Unsere Mithilfe dabei kann und will ich gerne anbieten, und wir stehen ihm bei dieser und für diese Aufgabe auch ganz ohne Vorbehalte gegenüber.

Meine Damen und Herren! Ein wichtiger Bereich war und ist die Mautpolitik. Das geht vom Mautpickerl als erstem Schritt bis hin zum Road-Pricing. Diese Mautpolitik sorgt für Emotionen, aber ohne die entstandenen Probleme und Fehler beschönigen zu wollen, die etwa bei der Verteilung des Pickerls entstanden sind, sollten wir doch die Kirche im Dorf lassen. Es ist doch so, daß viele andere europäische Länder – Frankreich, Schweiz, Italien, Spanien – derzeit ebenfalls bereits Mautgebühren haben, und zwar sehr viel höhere Mautgebühren als wir hier in Österreich.

Ich bin sicher, daß auch die Probleme der Verteilung bald gelöst sein werden und daß sich dann dieser Vignettenskandal wie eine Seifenblase auflösen wird. Ich meine, es sollte auch der Opposition klar sein: Wer dieses Thema dauernd skandalisiert, der schadet nicht nur dieser Bundesregierung, sondern er schadet auch dem österreichischen Tourismus, er schadet der österreichischen Volkswirtschaft, er schadet dem Ansehen der Republik Österreich, und dazu sollte sich selbst die Opposition zu gut sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Eine weitere wichtige Aufgabe des Verkehrsministers wird es auf jeden Fall sein, dem Parlament die längst ausstehenden Regierungsvorlagen zur 20. StVO-Novelle zum Führerscheingesetz und zur 19. KFG-Novelle zur Beschlußfassung zu übermitteln, damit diese wichtigen Maßnahmen umgesetzt werden können, und zwar ohne entsprechende politische Junktimierung. Deshalb, meine Damen und Herren, erwarten wir, daß die Dinge rasch geschehen, und zwar so geschehen, daß Sie damit auch Ihren eigenen Anspruch, den Sie formuliert haben, einlösen können.

Herr Minister Einem selbst hat dem "Standard" gegenüber gesagt, daß er mit dem Punkteführerschein keine Freude hat, weil der organisatorische Aufwand schwer zu bewältigen ist. Herr Minister! Sie wissen aus Ihrer Tätigkeit als Innenminister selbst, daß alle 3,1 Millionen Führerscheine, die von den Bundespolizeidirektionen – ohne die Bezirkshauptmannschaften, möchte ich betonen – ausgestellt wurden, händisch mittels Kartei und Zettelkästchen verwaltet werden – und das im Zeitalter des Computers! Ich möchte deshalb sagen: Schaffen wir zuerst die notwendigen Voraussetzungen – etwa ein Zentralregister für Führerscheine –, bevor wir an die Schaffung von Punkteführerscheinen herangehen. Wenn Sie so vorgehen, wenn Sie auch die richtige Reihenfolge beachten, dann werden Sie auch uns an Ihrer Seite finden.

Meine Damen und Herren! Ein abschließendes kurzes Wort zum Thema Verkehrssicherheitspaket: Punkteführerschein, Geisterfahrer, 0,5 Promille. Diese Themen, meine Damen und Herren, sind alle nicht im Koalitionspakt enthalten, sie sind alle nicht in einer bestimmten Richtung festgelegt. Für uns sind Verkehrssicherheitsfragen fachliche Fragen und kein ideologisches Thema. Das Verkehrssicherheitsthema ist für uns keinesfalls, wie es Minister Scholten definiert hat, ein linkes Thema, es ist für uns aber auch kein rechtes Thema, sondern es ist ein überparteiliches, ein weltanschaulich ungebundenes Thema, das auch nicht parteipolitisch abgehandelt, sondern nur nach fachlichen Kriterien gelöst werden sollte. Wenn wir so an diese Probleme herangehen, dann werden wir uns auch in diesen Fragen ohne Probleme einigen! (Beifall bei der ÖVP.)

18.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Schreiner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. Die Gesamtredezeit Ihrer Fraktion beträgt noch 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.16

Abgeordneter Mag. Erich L. Schreiner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn Ehrlichkeit eine wichtige politische Kategorie und etwas sein soll, woran sich die Bevölkerung hält und woran Politiker gebunden sein sollten, dann ist sie heute mit Füßen getreten worden, und zwar vom Bundeskanzler selbst.

Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler war doch als Finanzminister derjenige, der das Paket über den Verkauf der CA-BV mitverhandelt und in die 14 Punkte, die in diesem Parlament


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diskutiert worden sind, auch eine Arbeitsplatzgarantie für die Angestellten hineinreklamiert hat. Heute lese ich in der morgigen Ausgabe einer Tageszeitung – ich zitiere den Herrn Bundeskanzler wörtlich –: "Wer heute Arbeitsplatzgarantien gibt, ist nicht ehrlich. Für Beschäftigung gibt es eben keine Patentrezepte." – Wann war er ehrlich? Heute oder vor einigen Wochen? (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Eigentlich nie!) Eigentlich ist er nicht ehrlich, denn man kann in der Ökonomie seine Meinung nicht innerhalb von drei Wochen derart ändern.

Meine Damen und Herren! In der Frage der Finanzpolitik ist heute schon einiges gesagt worden, und ich richte an die Adresse des neuen Bundesministers für Finanzen, der aus der Kommunalpolitik kommt, einige Bemerkungen. In der Kommunalpolitik war er es gewohnt, die Einnahmen quasi automatisch zu bekommen. Ab jetzt wird er sich als Finanzminister darum kümmern müssen, daß er alle Einnahmen auch wirklich einhebt, und dabei ist ein sehr wichtiger Bereich zu beachten, nämlich der Bereich der Steuergerechtigkeit.

Der neue Finanzminister hat uns, der freiheitlichen Opposition, ausgerichtet, er könne mit allen Oppositionsparteien, auch mit uns Freiheitlichen. Emotionell könne er zwar nicht sehr gut mit uns, aber wir wollen ihn ja gar nicht umarmen, wir wollen mit ihm auch nicht auf ein Gläschen Wein gehen, sondern wir wollen nur eine sachliche Arbeit für diese Republik von ihm haben, und diese fordern wir heute ein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Bundesminister für Finanzen hat gesagt, er werde natürlich in einen Dialog mit der Opposition eintreten, und ich möchte ihm darauf antworten: Wir werden ein Partner für ihn sein, wenn er Vorlagen dahin gehend einbringt und eine Umorganisation unserer Steuergesetzgebung dahin gehend in Angriff nimmt, daß wirklich vernünftige Weichenstellungen vorgenommen werden.

Er wird einen Partner in uns haben, wenn es etwa darum geht, die Halbierung der Besteuerung für nichtentnommenen Gewinn für Unternehmen wirklich durchzusetzen. Die ÖVP will das, vielleicht wird die ÖVP die Überzeugungsarbeit aufbringen, daß auch die gesamte Regierung das endlich will.

Er wird einen Partner in uns haben bei der Frage der Absenkung von Lohnnebenkosten.

Er wird einen Partner in uns haben, wenn es darum geht, endlich einmal gemeinsam mit der Europäischen Union europaweit eine Ökoabgabe einzuführen und die Arbeitsplatzbesteuerung zu reduzieren.

Und, Herr Bundesminister, Sie werden auch einen Partner in den Freiheitlichen haben, wenn es darum geht, Steuern abzuschaffen, die überhaupt keinen Sinn mehr machen. Herr Bundesminister für Finanzen! Da gibt es zum Beispiel noch eine Bodenwertabgabe, für die Sie ressortmäßig zuständig sind. Da werden Zahlscheine mit 22 S Belastung ausgeschickt, und die Administration dafür kostet, so schätzen wir, 300 S. Das heißt, für die Republik entsteht ein Minus von rund 280 S. Das macht doch heute keinen Sinn mehr!

Herr Bundesminister für Finanzen! Sie werden einen Partner in den Freiheitlichen haben, wenn Sie ein paar Dinge angehen in der Frage mehr Steuergerechtigkeit, zum Beispiel die Festschreibung eines Rückwirkungsverbots für Steuergesetze, damit es nicht mehr vorkommen kann, daß ein Höchstgericht die Mindest-KÖSt aufhebt und 11 000 Beschwerdefälle anhängig sind.

Sie werden auch einen Partner in den Freiheitlichen haben, wenn Sie das Steuerrecht und das Handelsrecht wieder zusammenführen und nicht weiter auseinanderklaffen lassen.

Frau Bundesministerin Hostasch! Sie meinen laut einer Zeitungsmeldung von heute, wenn ein Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, eine Steuer ist ungerecht und aufzuheben, dann wäre auch die Erhöhung der Abschreibungsdauer von Wirtschaftsgütern sinnvoll. – Ich glaube nicht, daß das für die Wirtschaft sehr ersprießlich ist, Frau Kollegin Hostasch! Das ist gerade das, was der Wirtschaftsstandort Österreich überhaupt nicht braucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist die totale Verunsicherung für sämtliche Investoren, die auf einmal mit einer Abschreibungs


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dauer konfrontiert werden, die wirtschaftlich unvernünftig ist, nur weil das Steuerrecht das vorschreibt.

Das möchte ich dem Herrn Bundesminister für Finanzen für seine Arbeit mitgeben. Ich glaube, es gehört sehr viel mehr dazu, als heute zu sagen, das sei alles einfach zu gestalten. Dazu gehört mehr als ein bloßes Verwalten – dazu gehört auch eine Portion Mut und eine Portion Kreativität. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Regierung das wirklich hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

18.22

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Herren Staatssekretäre! Ich bedauere als Wissenschaftssprecher der Volkspartei ein bißchen, daß der neue Herr Finanzminister nicht mehr da ist. Aber sein Staatssekretär sitzt ja hier und wird ihm entsprechende Wünsche und Vorgaben gerne, so nehme ich an, ausrichten, wenn er sich ein bißchen anhört, was wir Parlamentarier zu sagen haben.

Die Wissenschaft und Forschung braucht nämlich gerade den Finanzminister und dessen offenes Ohr – sagen wir besser: den offenen Geldbeutel des Finanzministers –, wenn die vom Herrn Bundeskanzler angekündigten Ziele in den nächsten Jahren auch umgesetzt werden sollen.

Meine Damen und Herren! Die Regierungserklärung von Herrn Bundeskanzler Klima enthielt eine ganze Reihe für mich bemerkenswerter Sätze und Feststellungen. Er hat von der Emanzipation der Wirtschaft von der Politik gesprochen. Meiner Meinung nach hätte er unbedingt die Universitäten als bestes Beispiel dafür nennen sollen. Denn wir haben mit dem UOG 1993 die Universitäten in einen autonomen Freiraum entlassen, was ein Jahrhundertschritt war, der jetzt vollzogen wird und bis zum Herbst auch umzusetzen ist.

Der Herr Bundeskanzler sprach vom Lernen aus dem Vergleich mit anderen Ländern, er sprach in seiner anglophilen Art von Best-practice-Modellen. Gerade die Hochschulpolitik hat im Bereich der Fachhochschulen, natürlich auf Drängen der Österreichischen Volkspartei, ein privatwirtschaftliches Organisationsmodell zustande gebracht, das Herr Bundesminister Einem nun aufgefordert ist, auch entsprechend auszubauen.

Wieder ein Hinweis an den Herrn Finanzminister: Wenn wir die zukunftsreichen Anträge, die im Fachhochschulrat vorliegen, bearbeiten wollen, dann brauchen wir für diese neue Bildungsschiene im heurigen Jahr schon um 40 Millionen Schilling mehr und im kommenden Finanzjahr um 200 Millionen Schilling mehr, als im Fachhochschulentwicklungsprogramm vorgesehen ist, um so interessante Projekte wie zum Beispiel ein österreichweit einmaliges Facility-Management oder Umwelttechnik im Rahmen einer Fachhochschule auch entsprechend anbieten zu können.

Der Bundeskanzler sprach von der Notwendigkeit eines neuen Studienrechts zur Autonomisierung, Flexibilisierung, raschen Anpassung der Studieninhalte, aber auch zur Verkürzung der Studienzeiten, zur Senkung der Zahl der Studienabbrecher. Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr intensiv um ein solches neues Universitätsstudiengesetz gerungen, viel diskutiert, begutachtet und gerade in den letzten Tagen unter Zusammenarbeit der Wissenschaftssprecher der Sozialdemokraten und der Österreichischen Volkspartei eine Regierungsvorlage beziehungsweise einen Entwurf zu einer Regierungsvorlage zusammengestellt, die europaweit ihresgleichen sucht.

Meine Damen und Herren! Wenn ich mit deutschen Professoren spreche, mit deutschen Kollegen von Universitäten und Fachhochschulen, dann geht es mir ähnlich wie etwa im Bereich der österreichischen Steuerstruktur, im Bereich Unternehmensstandort, Steuerstandort Österreich: Die deutschen Kollegen werden ein bißchen blaß, ein bißchen neidisch hinsichtlich dieses Um


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fanges von Autonomie – und damit dem Rückzug des Staates aus diesem Bereich –, der den österreichischen Universitäten und Fachhochschulen derzeit angeboten wird. Das war der richtige Weg. Wir sind in Europa auf dieser Schiene führend! (Beifall bei der ÖVP.)

Es fehlt natürlich bei der Umstellung und der großen Reform der Universitäten noch der Bereich des Hochschullehrerdienstrechts, und auch da muß der Finanzminister wieder genau hinhören. Dieses Hochschullehrerdienstrecht ist in den nächsten Monaten auszuverhandeln. Das primäre Ziel sollte darin liegen, einen Motivationsschub für die Universitätsangehörigen – für die Assistenten, für die Professoren – zu bewirken.

Einen letzten Satz zu den in den letzten Tagen ausgebrochenen Diskussionen über die Neuordnung der Kompetenzen und der Ministerienzuordnung. Ich vertrete die Meinung, daß ein Bildungsministerium als Zukunftsministerium für die Jugend sehr wohl Sinn machen würde. Ich bin aber gleichzeitig der Meinung, daß ein solches Bildungsministerium, das die Universitäten und die Forschung umfassen müßte, nicht um die Forschungskompetenz verkürzt werden dürfte. Forschung und Lehre sind auf den Universitäten eine Einheit, das sollten wir bei eventuellen Neuordnungen der Konzeptionen bedenken. Daher: entschlossen weiterarbeiten für Österreich, entschlossen weiterarbeiten für unsere Zukunft, entschlossen weiterarbeiten für unsere Jugend! (Beifall bei der ÖVP.)

18.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Schweitzer. – Bitte. Die Redezeit, die Ihnen noch übrigbleibt, beträgt 2 Minuten. Das ist die Restzeit, die Ihrer Fraktion aufgrund der vereinbarten Blockredezeit noch zur Verfügung steht.

18.28

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche): Das ist aber nicht sehr viel! – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine der wesentlichsten Aussagen des neuen Finanzministers in den letzten Tagen hat gelautet, er werde den Österreichern, der österreichischen Bevölkerung, den Euro schmackhaft machen. Ich meine, er sollte nicht versuchen, diese Währung der Bevölkerung schmackhaft zu machen, er sollte nur einfach informieren! Er sollte den Österreichern sagen, was sie erwartet, wenn diese gemeinsame Währung kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie werden ja das Ihre dazu beitragen, Herr Staatssekretär. Sagen Sie den Österreichern, daß aller Voraussicht nach diese Einheitswährung eine weiche Währung sein wird, daß der Euro durch die Teilnahme der südeuropäischen Länder, die jetzt mit allen möglichen Tricks die Konvergenzkriterien erreichen wollen, von Anfang an eine Abwertungswährung sein wird.

Herr Staatssekretär! Sie wissen wie wir auch: Wenn die Länder mit schwacher Wirtschaftsleistung nicht mehr abwerten können, wird die Arbeitslosigkeit dort steigen. Die Folge wird sein, daß die Arbeitskräfte auf die Wanderschaft gehen werden. Wenn wir dies verhindern wollen – das hat uns Professor Streissler letzte Woche im Rahmen einer Veranstaltung an der Börse gesagt –, dann wird es Ausgleichszahlungen im großen Stil geben müssen. Wortwörtlich hat er gesagt: Der internationale Finanzausgleich wird obligat sein. – Das müssen wir der Bevölkerung aber auch sagen, wenn wir an dieser gemeinsamen Währung teilnehmen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Auf jeden Fall resultiert daraus eine weitere Belastung für das österreichische Budget, für den österreichischen Steuerzahler. Es ist für extreme Unruhe gesorgt, vor allem dann, wenn wir die Bevölkerung wieder uninformiert in dieses Abenteuer hineinhetzen, so wie dies schon einmal, und zwar bei der Volksabstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union, geschehen ist.

Herr Staatssekretär! Was ist aber die Folge, wenn die österreichische Wettbewerbsfähigkeit dadurch unter Umständen weiter sinkt und viele Branchen in Österreich nicht mehr wettbewerbsfähig sein werden? – Diese Branchen werden abwandern, oder es wird deutliche Lohnsenkungen geben müssen.


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All das muß der österreichischen Bevölkerung vor dieser unumkehrbaren Entscheidung gesagt werden. Und dann soll die Bevölkerung in einer Volksabstimmung entscheiden, ob sie diese weiche Einheitswährung tatsächlich will! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte, Herr Abgeordneter. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten.

18.30

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte drei Punkte aus der Erklärung von Bundeskanzler Klima herausgreifen, die mir als Arzt und Gesundheitssprecher der ÖVP sehr nahegehen und die ich besonders unterstützen möchte.

Erstens: Die moderne Medizin ist allen zugänglich zu machen, es ist keine Zweiklassenmedizin zu betreiben. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiges, wenn nicht sogar das wesentlichste Ziel. Ich erwähne immer wieder das Beispiel USA, weil dort an die 30 Prozent medizinisch unterversorgt und 17 Prozent gar nicht versorgt sind. Aber Sterben auf der Warteliste ist nicht lustig, und aus Geldgründen sollte diesbezüglich keiner zu Schaden kommen.

Zweiter Punkt: Man soll auch nicht nur das Krankenpflegesystem sehen, das wir haben, sondern man soll vor allem die Gesunden gesund erhalten! Das kann ich nur doppelt und dreifach unterstreichen. Das wird, wie ich glaube, der Megatrend der Zukunft sein.

Ich füge noch hinzu: Es ist genauso wichtig, Leute, die im Spital waren, auch wieder zu rehabilitieren. Da hat Österreich eine sehr große Tradition. Vielleicht könnten wir uns neben der Querschnittslähmungs-, der Herzinfarkt- und Rheumarehabilitation auch noch der Schlaganfall- und Krebsrehabilitation annähern.

Drittens: Eine bessere Abstimmung der Gruppen untereinander – angesprochen wurde Spital, ambulanter Bereich – erscheint mir auch sehr wesentlich, aber das darf nicht – wie das heute sehr oft der Fall ist – mit neuen Hürden, neuen Schikanen verbunden sein. Letztendlich ist dann der sogenannte kleine Patient, der sich im System nicht so wehren kann, derjenige, der durch den Rost fällt. Ich würde es begrüßen, in einen großangelegten Dialog einzutreten. Nach der Spitalsreform haben wir jetzt Zeit, eine Diskussion darüber, wie eine Reform im ambulanten Bereich ausschauen soll, zu führen.

Die Zusammenlegung der Ressorts würde ich aus drei Gründen begrüßen.

Erstens: Es war immer – wie Klima auch gesagt hat – schwierig in Österreich, in der Gesundheitspolitik Entscheidung und Planung zusammenzuführen. Immer hörte ich: "Wir sind nicht zuständig."

Zweitens: Gesundheit und Soziales hängen sehr stark zusammen. Nehmen Sie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit: Arbeitslose haben ein viel höheres Krankheitsrisiko, leiden an Depressionen, sind selbstmord- und infarktgefährdet. Der Arbeitslose lebt auch einfach ungesünder. Auch da existiert eine gute Kombination von Gesundheit und Sozialem.

Bedenken Sie die österreichische Realität: Im Krankenversicherungsbereich, im Rehab- und im Unfallversicherungsbereich ist die Sozialversicherung zuständig. Da nützt es nichts, einen Minister zu haben, der für nichts zuständig ist. Auch da ist eine Zusammenlegung sinnvoll. Wir haben ein international angesehenes System, und ich glaube, daß es durch Zusammenführung der Verantwortung nur noch besser werden kann.

Ich komme zum Schluß. Ich meine, daß wir mit der Besetzung des neuen Gesundheits- und Sozialministeriums – in der Bezeichnung liegt schon die Reihenfolge der Wertigkeit – eine Frau gewonnen haben, die das notwendige Herz für Patienten hat. Das scheint mir entscheidend zu sein. Vielleicht ist in dem einen oder anderen Fall auch Zukauf von Fachwissen notwendig.


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Dafür stelle ich mich auch gerne zur Verfügung. In jedem Fall haben Sie in uns einen fairen und verständnisvollen Partner. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte, Herr Abgeordneter. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

18.35

Abgeordneter Karl Freund (ÖVP): Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Sicherheitspolitik hat für die Österreichische Volkspartei einen sehr hohen Stellenwert. Wir sind nun zwei Jahre bei der Europäischen Union, und mit dem heurigen Jahr soll das Schengener Abkommen in Kraft treten.

Die EU, mit allem was dazu gehört, bewegt die Bevölkerung und ist eine sehr wichtige Materie. In diesem Zusammenhang sind natürlich auch insbesondere die Grenzen betroffen. Ich möchte die Westgrenzen erwähnen, die mit dem Beitritt zum Schengener Abkommen mehr oder minder wegfallen werden. Aber nicht nur diese Grenzen, sondern die EU-Außengrenzen selbst sind ein sehr wichtiger Bereich, dessen Schutz wir noch wesentlich verstärken müssen. Diesbezüglich wurde und wird uns von der bayrischen Polizei immer wieder Nachlässigkeit vorgeworfen. Es wird immer wieder behauptet, daß über unsere Grenzen zu viele Illegale und Kriminelle in die EU gelangen. Damit wir in diesem Punkt mehr Vertrauen gewinnen, müssen wir verstärkt Maßnahmen ergreifen und diesem Umstand höhere Bedeutung zumessen.

Ein wichtiger Bereich in diesem Zusammenhang ist auch der Bereich der Personalmaßnahmen. Die Beamten sind immer wieder großer Unsicherheit ausgesetzt, wenn sie etwa zuerst in unmittelbarer Nähe ihres Heimatortes ihren Dienst versehen können und dann plötzlich Hunderte Kilometer weg an eine Ostgrenze versetzt werden. Es fehlt dann natürlich die Motivation, was wir uns aber nicht leisten können, weil der Sicherheitseinsatz nicht vernachlässigt werden darf. Ich möchte ganz besonders herausstreichen und dahin gehend auch einen Appell an den Innenminister richten, daß die Sicherheitspolitik so gestaltet wird, daß sie von der Bevölkerung verstanden und von den Exekutivorganen mitgetragen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne erwarte ich mir vom neuen Innenminister – bei seinem Vorgänger war das leider nicht immer festzustellen –, daß in diesem Bereich eine Verbesserung eintritt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.37

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Trinkl. – Bitte, Herr Abgeordneter. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

18.37

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Zusammensetzung der neuen Bundesregierung ergeben sich auch tatsächlich neue Chancen für die österreichische Innenpolitik. Ein großes Anliegen der Österreichischen Volkspartei ist eine möglichst geringe Anzahl arbeitsloser Jugendlicher.

Wir sind zwar mit Recht stolz darauf, die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu haben. Wir müssen aber alles dazu tun, daß wir dies in zehn Jahren immer noch sagen können. Die ÖVP hat daher auch in diesem Bereich den Koalitionsmotor kräftig geschmiert und ein umfassendes Reformpaket zur Lehrlingsausbildung auf den Tisch gelegt, das es nun rasch umzusetzen gilt.

Es reicht nämlich nicht, die Leistungen der Lehrbetriebe verbal anzuerkennen und selbst nichts konkret dazu beizutragen. Es bedarf vielmehr einer systematischen Stärkung und nachhaltigen Förderung dieser Ausbildungssäule. Unsere vier Eckpfeiler sind daher: Entbürokratisierung, Flexibilisierung, Kostenentlastung für und Vertrauen in die Lehrbetriebe.

Das wohl größte Problem für Ausbildungsbetriebe stellen die vielen schikanösen und oft unverständlichen Bestimmungen des Lehrlingsrechtes im Berufsausbildungsgesetz sowie im Kinder-


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und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz dar. Wir haben schon oft Beispiele dafür aufgezählt, ich brauche sie nicht extra zu wiederholen. Einem Lehrling, der keinen Arbeitsplatz findet, ist es aber lieber, auf die Leiter steigen oder eine Maschine bedienen zu dürfen, als überhaupt keinen Lehrplatz zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Des weiteren meine ich, daß die EU-konforme Anpassung des Schutzalters auf 18 Jahre im Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz längst überfällig ist und man sofort an die Umsetzung gehen könnte.

Es gilt aber auch, eine gerechte Kostenentlastung für Ausbildungsbetriebe zu schaffen – nicht durch Strafen und zusätzliche Abgaben, sondern durch positive Anreize.

Zwei Vorschläge dazu von unserer Seite: Erstens könnte man sich die Krankenversicherungsbeiträge, wie bei allen anderen Jugendlichen, insoferne ersparen, als man die Lehrlinge bei den Eltern mitversichert. Zweitens: Man müßte ernsthaft darangehen, einen steuerlichen Freibetrag für Ausbildungsbetriebe zu überdenken, um einen Ausgleich zwischen ausbildenden Betrieben und jenen, die sich diese Bürde nicht mehr auferlegen, zu schaffen.

Gratis wird man den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit sicher nicht gewinnen können. Ich kann einem Lehrling einfach nicht erklären, warum die öffentliche Hand für einen Schüler zehnmal soviel auszugeben bereit ist wie für einen Lehrling.

Grundsätzlich ist die Zeit für zusätzliche Belastungen nicht geeignet. Die ÖVP stellt sich daher ganz vehement gegen jede Art von Strafbesteuerung. Wir werden dies auch nicht akzeptieren.

Unser Wirtschaftsminister Farnleitner und Frau Ministerin Gehrer haben auf diesem Gebiet viele Vorarbeiten geleistet. Ich darf den Herrn Finanzminister, aber auch die Frau Sozialministerin herzlich einladen, gemeinsam mit uns an einer guten Lösung dieses so wichtigen Komplexes zu arbeiten. – Ich danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.41

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Mühlbachler. – Bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung gleichfalls 4 Minuten.

18.41

Abgeordneter Dkfm. Mag. Josef Mühlbachler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im vorigen Jahr sind die Länder und Gemeinden, vertreten auch durch Städte- und Gemeindebund, an die Bundesregierung herangetreten, um mit ihr eine Vereinbarung zu treffen, derzufolge Kostenüberwälzungen durch die Bundesgesetzgebung geregelt werden sollten.

Am 10. Dezember hat nunmehr die Unterzeichnung der Schlußakte des Konsultationsmechanismus stattgefunden. Der Finanzminister ist damals noch auf der Seite der Gemeinden gestanden. Heute steht er in der Position des Stärkeren, nämlich der des Bundes.

Ich möchte in meinen Ausführungen auf eines hinweisen: Die Beschlußfassung des Konsultationsmechanismus ist ein erster Schritt in die Richtung, daß Länder und Gemeinden vor Ausgabenüberwälzungen geschützt werden. Allerdings fehlt ein zweiter Schritt, nämlich der, daß auch tatsächlich von seiten des Finanzministeriums, so wie es auch das Bundeshaushaltsgesetz vorsieht, Richtlinien für die Kostenermittlung erlassen werden.

Ich sehe meine Aufgabe als Vertreter von Gemeinden darin, diese Richtlinien vom Finanzminister einzufordern. Ich bin überzeugt davon, daß er als einstiger Finanzstadtrat der Stadt Wien Verständnis dafür hat und einsieht, daß die Gemeinden auf eindeutige Regelungen angewiesen sind. Ich hoffe, daß diesem Begehren unverzüglich nachgekommen wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Schlußbemerkung noch zur heutigen Debatte, in erster Linie zu einem Redebeitrag von Dr. Haider. (Abg. Haigermoser: Wir sind nicht neugierig auf diese Schlußbemerkung!)


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Herr Dr. Haider hat hier öffentlich erklärt, daß Dr. Victor Adler sein Vorbild wäre. (Abg. Madl: Nein, Klimas Vorbild!) – Ich war verwundert. Er hat Dr. Victor Adler noch dazu als Millionär bezeichnet. (Abg. Haigermoser: Das interessiert uns nicht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Er könnte dieses Vorbild ruhig in allen Bereichen nachahmen und könnte das Bärental, für das er ohnedies nur geringfügig Steuern zahlt, unter den Steuerzahlern zur Verteilung bringen. (Abg. Haigermoser: Mühlbachler! Steck dir eine rote Nelke ins Knopfloch! – Beifall bei der ÖVP.)

18.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Letzter Redner ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung.

18.45

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zu guter Letzt, am Ende der Rednerliste noch kurz zu einem sehr wichtigen, wie ich meine, gesellschafts- und gesundheitspolitischen Anliegen, nämlich dem Sport.

Es ist im Jahre 1995 gelungen, dem Sport endlich jenen Stellenwert in der Politik einzuräumen, den er schon lange verdient hätte, nämlich durch Einrichtung eines eigenen Staatssekretariates. Dieses Amt wurde mit Mag. Gerhard Schäffer besetzt, dem es auch gleich zu Beginn seiner kurzen Amtszeit gelungen ist, einige wichtige Projekte und Initiativen ins Leben zu rufen, aber auch eine Neuausrichtung des Sportbudgets in Angriff zu nehmen, mit den Ansätzen, mehr Effizienz und mehr Transparenz in die Sportförderung hineinzubringen.

Es war ein arger Dämpfer für den Sport, als dieses Staatssekretariat nach einem Jahr schon wieder abgeschafft und an das Multistaatssekretariat von Mag. Schlögl angehängt wurde. Es ist auch tatsächlich das passiert, Herr Kollege Grabner, was zu befürchten war: Es sind keine neuen Projekte und Initiativen – wie unter Schäffer – nachgefolgt, und auch die Reformbemühungen in der Budgetstruktur sind steckengeblieben.

Wir haben mit Herrn Mag. Wittmann einen neuen Staatssekretär, der mit Kunst und Sport ein überschaubares Ressort zu betreuen hat. Herr Staatssekretär Wittmann! Sie gelten gemeinhin als unkonventionell in Ihrer Denk- und Arbeitsweise. Ich glaube, diese unkonventionelle Art wird es auch brauchen, um notwendige Strukturbereinigungen bei dieser Vielzahl von Organisationen und daraus resultierenden Kompetenzüberschneidungen in Angriff zu nehmen.

Ein kleines Beispiel ist der Spitzensport. Im "Standard" vom 3. September ist nachzulesen, daß der Spitzensportausschuß von Unterrichtsministerin Hawlicek gegründet wurde, um den Fachgremien fachliche Hilfestellung zu geben. Leider sei daraus in den vergangenen Jahren ein Vergabeausschuß für zusätzliche finanzielle Fördermittel an Verbände – eine Art zweite Sporthilfe – geworden.

Gelegenheit zum Handeln besteht 1997 auf seriöse Art und Weise, Herr Staatssekretär. Wir behandeln demnächst in einem Unterausschuß den Sportbericht 1995. Dort können wir die Situation des Sports in aller Ruhe und seriös gemeinsam analysieren. Bei den Budgetberatungen für 1998 und 1999 können wir diese Beratungen als Hebel für eine Strukturoptimierung benützen. Die Politik soll nicht in den Sport hineinregieren, aber sie soll über die Gestaltung des Budgets Rahmenbedingungen vorgeben. Dort muß auch neuen Trends und neuen Entwicklungen Rechnung getragen werden, die heute außerhalb der etablierten Sportstrukturen stattfinden. – Stichwort: Trendsportarten.

Herr Staatssekretär! Sie werden in der ÖVP und in mir als deren Sportsprecher einen konstruktiven Partner vorfinden, wenn es gilt, diese Anliegen umzusetzen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg! (Beifall bei der ÖVP.)

18.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt keine weitere Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.


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Seitens der Berichterstatterin wird kein Schlußwort gewünscht.

Wir gehen jetzt in die Abstimmungen ein. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.

Wir stimmen als erstes über jene Entschließungsanträge ab, die im Zusammenhang mit der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers eingebracht worden sind.

Wir stimmen zunächst ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Petrovic und Genossen betreffend Erarbeitung eines Konzeptes für eine Bundeskulturstiftung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend immerwährende Neutralität Österreichs.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nunmehr ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend 8,5 Milliarden für Panzerkauf zur Budgetkonsolidierung.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 579 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über die vom Abänderungsantrag betroffenen Teile, sodann über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Der Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen bezieht sich auf die Ziffern 4, 7 und 9 des Gesetzentwurfes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich lasse sogleich über die Ziffern 4, 7 und 9 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Die genannten Gesetzesstellen sind in der Fassung des Ausschußberichtes mehrheitlich angenommen.

Schließlich komme ich noch zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hier zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.


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Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend Einrichtung eines Ministeriums für Wissenschaft, Forschung, Kultur, Kunst, Medien und Kommunikation.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit . Der Entschließungsantrag ist abgelehnt .

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen betreffend Neuordnung der Bundesministerien.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt .

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich gebe bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 387/A bis 389/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 1894/J bis 1910/J eingelangt.

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für sofort – das ist um 18.52 Uhr – im Anschluß an diese Sitzung ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 18.52 Uhr