Stenographisches Protokoll
7. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode
Donnerstag, 6. März 2003
Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier
7. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXII. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 6. März 2003
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 6. März 2003: 9.01 – 21.08 Uhr
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Tagesordnung
Erklärung der Bundesregierung
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Inhalt
Nationalrat
Mandatsverzicht der Abgeordneten Dr. Martin Bartenstein, Dr. Dieter Böhmdorfer, Dr. Benita Ferrero-Waldner, Dr. Alfred Finz, Elisabeth Gehrer, Mag. Herbert Haupt, Mag. Helmut Kukacka, Franz Morak, Maria Rauch-Kallat, Dr. Wolfgang Schüssel und Mag. Karl Schweitzer ............ 9
Angelobung der Abgeordneten Johannes Zweytick, Susanne Wegscheider,
Carina Felzmann, Herta Mikesch, Dr. Reinhold Lopatka,
Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler, Gabriele Tamandl, Mag. Peter
Michael Ikrath, Elmar Lichtenegger, Detlev Neudeck und Anton Wattaul ....... 10
Personalien
Verhinderungen ................................................................................................. 9
Geschäftsbehandlung
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung ........................................................................................... 12
Unterbrechung der Sitzung ........................................................................... 101
Bundesregierung
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 2 |
Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Amtsenthebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Bundesregierung sowie der Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, des Staatssekretärs im Bundesministerium für Finanzen und des Staatssekretärs im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen durch den Bundespräsidenten .......................................................................................... 10
Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Ernennung seiner Person zum Bundeskanzler, von Mag. Herbert Haupt zum Vizekanzler und Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, von Dr. Benita Ferrero-Waldner zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten, von Elisabeth Gehrer zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, von Mag. Karl-Heinz Grasser zum Bundesminister für Finanzen, von Dr. Ernst Strasser zum Bundesminister für Inneres, von Dr. Dieter Böhmdorfer zum Bundesminister für Justiz, von Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, von Günther Platter zum Bundesminister für Landesverteidigung, von Hubert Gorbach zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, von Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, von Maria Rauch-Kallat zur Bundesministerin ohne Portefeuille, von Franz Morak zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung, von Mag. Karl Schweitzer zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung, von Dr. Alfred Finz zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Finanzen, von Mag. Helmut Kukacka zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie, von Ursula Haubner zur Staatssekretärin zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen sowie von Universitätsprofessor Dr. Reinhart Waneck zum Staatssekretär zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin Maria Rauch-Kallat sowie Betrauung seiner Person mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport durch den Bundespräsidenten ............................... 10
Ausschüsse
Zuweisung ...................................................................................................... 12
Verhandlungen
Erklärung der Bundesregierung ......................................................................... 13
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel .......................................................... 13
Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 der Geschäftsordnung ...... 13
Redner:
Dr. Alfred Gusenbauer .............................................................................. 29
Mag. Wilhelm Molterer ............................................................................. 33
Dr. Alexander Van der Bellen .................................................................... 73
Dr. Andreas Khol (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 78
Herbert Scheibner ..................................................................................... 78
Vizekanzler Mag. Herbert Haupt ............................................................... 83
Michaela Sburny (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 88
Dr. Josef Cap ............................................................................................ 88
Dkfm. Dr. Günter Stummvoll .................................................................... 92
MMag. Dr. Madeleine Petrovic .................................................................. 95
Mag. Dr. Magda Bleckmann ..................................................................... 99
Bundesministerin Elisabeth Gehrer ......................................................... 103
Dr. Caspar Einem (tatsächliche Berichtigung) ............................................ 105
Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................... 105
Mag. Barbara Prammer ........................................................................... 107
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 3 |
Dr. Michael Spindelegger ....................................................................... 109
Dr. Eva Glawischnig ................................................................................ 112
Dr. Helene Partik-Pablé ........................................................................... 115
Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser ................................................. 117
Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................... 119
Friedrich Verzetnitsch ............................................................................. 120
Fritz Grillitsch ......................................................................................... 122
Karl Öllinger ........................................................................................... 123
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) ........................ 124
Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann ................................................................ 125
Bundesminister Dr. Ernst Strasser ........................................................... 126
Bundesminister Hubert Gorbach ............................................................. 127
Doris Bures ............................................................................................. 129
Karlheinz Kopf ........................................................................................ 131
Mag. Gisela Wurm (tatsächliche Berichtigung) ........................................... 132
Dr. Evelin Lichtenberger ......................................................................... 132
Mag. Eduard
Mainoni ............................................................................. 134
Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner ......................................... 135
Bundesminister Günther Platter ............................................................... 137
Dr. Christoph Matznetter ......................................................................... 138
Ridi Steibl ............................................................................................... 140
Mag. Ulrike Lunacek ............................................................................... 141
Dr. Reinhard Eugen Bösch ...................................................................... 143
Bundesministerin Maria Rauch-Kallat ...................................................... 144
Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ....................................................... 145
Josef Broukal .......................................................................................... 146
Jakob Auer ............................................................................................. 148
Dr. Kurt Grünewald ................................................................................. 149
Dipl.-Ing. Uwe Scheuch ........................................................................... 151
Heidrun Silhavy ...................................................................................... 152
Mag. Walter Tancsits ............................................................................... 153
Mag. Werner Kogler ................................................................................ 155
Sigisbert Dolinschek ............................................................................... 156
Dr. Caspar Einem .................................................................................... 157
Mag. Dr. Maria
Theresia Fekter
............................................................... 159
Theresia Haidlmayr ................................................................................. 160
Mares Rossmann ..................................................................................... 162
Peter Schieder ........................................................................................ 163
Mag. Karin Hakl ...................................................................................... 165
Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber ................................................................ 166
Klaus Wittauer ................................................................................ 167, 207
Mag. Gisela Wurm .................................................................................. 169
Ing. Hermann Schultes ............................................................................ 170
Heidemarie Rest-Hinterseer ..................................................................... 172
Barbara Rosenkranz ................................................................................ 173
Rudolf Parnigoni ..................................................................................... 174
Dr. Erwin Rasinger .................................................................................. 176
Dieter Brosz ............................................................................................ 177
Josef Bucher ........................................................................................... 179
Dr. Johannes Jarolim .............................................................................. 180
Walter Murauer ....................................................................................... 182
Dr. Gabriela Moser .................................................................................. 183
Anton Wattaul ......................................................................................... 184
Mag. Andrea
Kuntzl ................................................................................ 185
Dr. Gertrude Brinek ................................................................................. 186
Sabine Mandak .............................................................................. 188, 217
Elmar Lichtenegger ................................................................................ 189
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 4 |
DDr. Erwin Niederwieser ......................................................................... 190
Georg Keuschnigg .................................................................................. 191
Michaela Sburny ..................................................................................... 192
Detlev Neudeck ................................................................................... ... 193
Heinz Gradwohl ...................................................................................... 193
Silvia Fuhrmann ..................................................................................... 194
Dipl.-Ing. Elke Achleitner ........................................................................ 195
Mag. Christine Muttonen ......................................................................... 196
Wolfgang Großruck ................................................................................ 197
Dr. Peter Wittmann .................................................................................. 199
Maximilian Walch ................................................................................... 200
Anton Gaál ............................................................................................. 202
Mag. Dr. Josef Trinkl .............................................................................. 203
Gabriele Heinisch-Hosek ......................................................................... 204
Karl Freund ............................................................................................. 205
Manfred Lackner ..................................................................................... 206
Kurt Eder ................................................................................................ 208
Mag. Christine Lapp ................................................................................ 209
Mag. Johann Maier ................................................................................. 210
Mag. Hans Moser .................................................................................... 211
Mag. Ulrike Sima .................................................................................... 212
Kai Jan Krainer ....................................................................................... 213
Karl Dobnigg .......................................................................................... 214
Mag. Kurt Gaßner ................................................................................... 216
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 5 |
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung des Regierungsprogramms der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode – Annahme (E 2) ........................................... 37, 218
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Krise – Annahme (E 3) ................ 111, 218
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Evelin Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein entsprechend ausgestaltetes Kontrollstellennetz für den LKW-Verkehr – Ablehnung 134, 218
Entschließungsantrag der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Valorisierung des Pflegegeldes – Ablehnung ............................................ 161, 218
Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schieder, Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Irak-Krise – Ablehnung ............................................................ 164, 218
Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend umgehenden Abbruch der Abfangjäger-Beschaffung – Ablehnung ............... 177, 218
Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Quotierung der Familienzusammenführung – Ablehnung ...................... 189, 218
Entschließungsantrag der Abgeordneten Anton Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschaffungsstopp für Kampfflugzeuge – Ablehnung ........................... 202, 219
Entschließungsantrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Schaffung einer Sonderquote für die Familienzusammenführung – Ablehnung 214, 219
Eingebracht wurden
Berichte ........................................................................................................ 12
Zu III-1: Berichtigung des Tätigkeitsberichtes
(III-1 d. B.) über das Verwaltungsjahr 2001; Rechnungshof
III-15: Bericht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im
Jahr 2001; BM f. Wirtschaft und Arbeit
Anträge der Abgeordneten
Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Lebensmittelgesetzes und seiner Vollziehung (61/A) (E)
Theresia Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Valorisierung des Pflegegeldes (62/A) (E)
Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend klare Regelung über Zu- und Abschläge bei Richtwertmieten im Mietvertrag (63/A) (E)
Dr. Alfred Gusenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rückerstattung der Mehrwertsteuer für Feuerwehren und Wohlfahrtsorganisationen bei der Anschaffung neuer Gerätschaften (64/A) (E)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Novellierung des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes (StEG) (65/A) (E)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung von Salzburger Sportveranstaltungen und Sportstätten im Sinne des Memorandums der Salzburger Landesregierung an die neue Bundesregierung (66/A) (E)
Dieter Brosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehramtszeugnis für Behinderte (67/A) (E)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines „Anti-Doping-Gesetzes“ (68/A) (E)
Mag. Wilhelm Molterer, Herbert Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2003) (69/A)
Anfragen der Abgeordneten
Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Verbesserungen des Hochwasserschutzes
in Österreich (149/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten betreffend von Österreich umzusetzende EU-Richtlinien (150/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend von Österreich
umzusetzende EU-Richtlinien (151/J)
Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten betreffend Verkauf des Pariser Kulturinstitutes (152/J)
Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend Verkauf des Pariser Kulturinstitutes
(153/J)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 6 |
Josef Broukal, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend gesetzwidrige
Bestellung von DI Helmut Krünes als Regierungsvertreter in den
Universitätsrat der TU Wien sowie Verdacht auf verfassungswidrige
Bestellung aller Universitätsräte (154/J)
Dipl.-Ing. Wolfgang
Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen betreffend Anträge auf EU-weite Zulassung von Gentech-Pflanzen
(155/J)
Dipl.-Ing. Wolfgang
Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Anträge auf EU-weite Zulassung von
Gentech-Pflanzen (156/J)
Dipl.-Ing. Wolfgang
Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Aussage des AMA-Marketingchefs, der
Bioplafond sei erreicht (157/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen betreffend „Anerkennung des Internationalen Krankenscheines –
Einhaltung von Sozialversicherungsabkommen“ (158/J)
Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundeskanzler betreffend Kosten der Eurofighter (159/J)
Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten der Eurofighter (160/J)
Stefan Prähauser, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Kosten der Eurofighter (161/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Bericht des Europäischen Amtes für
Betrugsbekämpfung (OLAF und Österreich)“ (162/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend „Kroatien für Investoren kein Paradies?“ (163/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten betreffend „Kroatien für Investoren kein Paradies?“ (164/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend
„Steuerschulden von Unternehmern in Österreich für 2002“ (165/J)
Mag. Johann
Maier,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend
„Strafrechtliches Entschädigungsgesetz (StEG)“ (166/J)
Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend
Schadstoffemissionen der LKW-Type Euro 2 (167/J)
Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schaffung
des Bahnhofs Wien als Zentralbahnhof (168/J)
Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Justiz betreffend Schließung des Jugendgerichtshofes in Wien (169/J)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 7 |
Ulrike
Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend
die Auszahlung der Mittel für die Aussiedlung von Hochwasseropfern (170/J)
Dr. Peter
Wittmann,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend
Planstellenwahrheit bei den BPDs (171/J)
Beate Schasching, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Finanzen betreffend die Auszahlung der Mittel für
Hochwasseropfer (172/J)
Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Umsetzung der im
September 2002 beschlossenen Lehrstellenförderung (173/J)
DDr. Erwin
Niederwieser,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und
Technologie betreffend Verschiebung der Einführung der elektronischen LKW-Maut (174/J)
Rudolf Parnigoni, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Inneres betreffend aktuelle Probleme im Bereich des
Zivildienstes (175/J)
DDr. Erwin Niederwieser, Kolleginnen und Kollegen an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend verbesserte
Datenlage über das Bildungssystem als Grundlage für Reformen (176/J)
Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Probleme in der
Tourismusregion Salzkammergut/Feuerkogel (177/J)
Dipl.-Ing. Wolfgang
Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen betreffend Vorschläge der EU-Kommission zur Koexistenz
gentechnisch veränderter und nicht veränderter Kulturen (178/J)
Dipl.-Ing. Wolfgang
Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Vorschläge der EU-Kommission zur
Koexistenz gentechnisch veränderter und nicht veränderter Kulturen (179/J)
Dipl.-Ing. Wolfgang
Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Untersuchungen von Saatgut auf
gentechnisch veränderte Organismen (GVO) (180/J)
Mag. Elisabeth
Grossmann,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Klagsdrohung der Firma Lecon
Technische Konstruktionen & Design GesmbH gegenüber den
steirischen Lipizzanerwirten, dem Tourismusverband „Lipizzanerheimat“, den
Organisatoren des Lipizzanerlaufes sowie den burgenländischen Lipizzaner-Winzern
und weiteren in Zusammenhang mit den Markenrechten auf die Bezeichnung
„Lipizzaner“ (181/J)
Mag. Elisabeth
Grossmann,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die
Klagsdrohung der Firma Lecon Technische Konstruktionen & Design GesmbH
gegenüber den steirischen Lipizzanerwirten, dem Tourismusverband
„Lipizzanerheimat“, den Organisatoren des Lipizzanerlaufes sowie den
burgenländischen Lipizzaner-Winzern und weiteren in Zusammenhang mit den
Markenrechten auf die Bezeichnung „Lipizzaner“ (182/J)
Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Aufruf der
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 8 |
Agentur für Gesundheit und
Ernährungssicherheit zum Einsatz von Pestiziden bei Rapskulturen (183/J)
Dipl.-Ing. Wolfgang
Pirklhuber,
Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und
Generationen betreffend Aufruf der Agentur für Gesundheit und
Ernährungssicherheit zum Einsatz von Pestiziden bei Rapskulturen (184/J)
Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Anfrage 11/J, „Actimelwerbung im Fernsehen“ (185/J)
Anfragebeantwortungen
des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen (16/AB zu 21/J)
des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (17/AB zu 16/J)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 9 |
Beginn der
Sitzung: 9.01 Uhr
Vorsitzende: Präsident Dr. Andreas Khol, Zweiter
Präsident Dr. Heinz Fischer, Dritter
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn.
*****
Präsident Dr. Andreas Khol:
Die Sitzung ist eröffnet. –
Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen.
Ich begrüße den
Herrn Bundespräsidenten sehr herzlich in unserer Mitte! (Allgemeiner
Beifall.)
Ich begrüße Sie
alle, meine Damen und Herren, vor allem die heute ihren Amtseid leistenden
neuen Damen und Herren Abgeordneten zum Nationalrat und ihre Angehörigen.
Die Amtlichen
Protokolle der 5. und 6. Sitzung vom 26. Februar 2003 sind in
der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.
Als verhindert
gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Stoisits und
Dipl.-Ing. Klaus Hubert Auer.
Mandatsverzicht
und Angelobung
Präsident Dr. Andreas Khol:
Von der
Bundeswahlbehörde sind die Mitteilungen eingelangt, dass die Abgeordneten
Dr. Martin Bartenstein, Dr. Dieter Böhmdorfer, Dr. Benita
Ferrero-Waldner, Dr. Alfred Finz, Elisabeth Gehrer, Mag. Herbert
Haupt, Mag. Helmut Kukacka, Franz Morak, Maria Rauch-Kallat,
Dr. Wolfgang Schüssel und Mag. Karl Schweitzer auf ihre Mandate
verzichtet haben.
Anstelle des
Abgeordneten Bartenstein wurde der Abgeordnete Johannes Zweytick, anstelle des Abgeordneten
Böhmdorfer der Abgeordnete Anton Wattaul und anstelle der Abgeordneten
Ferrero-Waldner die Abgeordnete Herta Mikesch in den Nationalrat berufen.
Das Mandat des
Abgeordneten Dr. Alfred Finz wurde der Abgeordneten Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer
zugewiesen. Das dadurch frei gewordene Mandat der Abgeordneten Dr. Ulrike
Baumgartner-Gabitzer erhielt die Abgeordnete Christine Marek. Das frei gewordene Mandat der
Abgeordneten Christine Marek erhielt die Abgeordnete Gabriele Tamandl.
Das frei gewordene
Mandat der Abgeordneten Elisabeth Gehrer erhielt der Abgeordnete Dr. Reinhold
Lopatka;
das frei gewordene Mandat des Abgeordneten Mag. Herbert Haupt der
Abgeordnete Elmar Lichtenegger.
Weiters wurde auf
das frei gewordene Mandat des Abgeordneten Mag. Helmut Kukacka die
Abgeordnete Susanne Wegscheider, auf das frei gewordene Mandat des Abgeordneten
Franz Morak die Abgeordnete Carina Felzmann und auf das frei gewordene Mandat
der Abgeordneten Maria Rauch-Kallat der Abgeordnete Mag. Walter Tancsits
berufen. Das dadurch frei gewordene Mandat des Abgeordneten Mag. Walter
Tancsits erhielt der Abgeordnete Mag. Peter Michael Ikrath.
Darüber hinaus
wurde anstelle des Abgeordneten Dr. Wolfgang Schüssel der Abgeordnete
Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler und anstelle des Abgeordneten
Mag. Karl Schweitzer der Abgeordnete Detlev Neudeck in den Nationalrat berufen.
Da die Wahlscheine
bereits vorliegen und die Genannten im Hause anwesend sind, werde ich sogleich
ihre Angelobung vornehmen.
Nach Verlesung der
Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch den Schriftführer werden die neuen
Mandatare ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten
haben.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 10 |
Ich bitte nunmehr
den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Jakob Auer, um die Verlesung der Gelöbnisformel
und den Namensaufruf.
Schriftführer Jakob Auer: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der
Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und
aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“
Über
Namensaufruf durch den Schriftführer Auer leisten die nachstehend
angeführten Abgeordneten die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“:
Johannes Zweytick,
Susanne Wegscheider, Carina Felzmann, Herta Mikesch, Dr. Reinhold
Lopatka, Dipl.-Ing. Mag. Roderich Regler, Gabriele Tamandl,
Mag. Peter Michael Ikrath, Elmar Lichtenegger, Detlev Neudeck und Anton Wattaul.
Präsident Dr. Andreas Khol: Ich begrüße die neuen Abgeordneten
herzlich in unserer Mitte und wünsche ihnen in ihrem verantwortungsvollen Amt
viel Freude und viel Erfolg. (Allgemeiner Beifall.)
Einlauf
Präsident Dr. Andreas Khol:
Ich darf dem Hohen
Haus folgende Mitteilung machen:
Vom Herrn
Bundeskanzler ist ein Schreiben betreffend die Amtsenthebung der Bundesregierung
eingelangt, das lautet:
„Sehr geehrter
Herr Präsident!
Ich beehre mich
mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 28. Februar 2003,
GZ 300.000/3-BEV/03, die mit der Führung der Verwaltung betraute
Bundesregierung sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit, den Staatssekretär im Bundeskanzleramt, den Staatssekretär im Bundesministerium
für Finanzen und den Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit
und Generationen vom Amt enthoben hat.
Mit besten Grüßen
Wolfgang Schüssel“
Dient zur
Kenntnis.
*****
Ich nutze diese
Gelegenheit, um den Mitgliedern der Bundesregierung sowie den Staatssekretären
ein herzliches Wort des Dankes und der Anerkennung für ihre Tätigkeit im
Dienste der Republik Österreich auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
*****
Es liegt mir
weiters ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers betreffend die Ernennung der Mitglieder
der Bundesregierung vor. Dieses lautet:
„Sehr geehrter
Herr Präsident!
Ich beehre mich
mitzuteilen, dass mich der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom
28. Februar 2003, GZ 300.000/2-BEV/03, gemäß Artikel 70
Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundeskanzler ernannt hat.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 11 |
Weiters hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1
Bundes-Verfassungsgesetz auf meinen Vorschlag ernannt:
Mag. Herbert Haupt zum Vizekanzler und Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
Dr. Benita Ferrero-Waldner zur Bundesministerin für auswärtige
Angelegenheiten
Elisabeth Gehrer zur Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Mag. Karl-Heinz Grasser zum Bundesminister für Finanzen
Dr. Ernst Strasser zum Bundesminister für Inneres
Dr. Dieter Böhmdorfer zum Bundesminister für Justiz
Dipl.-Ing. Josef Pröll zum Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft
Günther Platter zum Bundesminister für Landesverteidigung
Hubert Gorbach zum Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
sowie in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 1 B-VG
Maria Rauch-Kallat zur Bundesministerin ohne Portefeuille.
Ferner hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Absatz 1
in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz
Franz Morak zum Staatssekretär ernannt und ihn mir zur Unterstützung in der
Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben,
Mag. Karl Schweitzer zum Staatssekretär ernannt und ihn mir zur
Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung
beigegeben,
Dr. Alfred Finz zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der
Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für
Finanzen beigegeben,
Mag. Helmut Kukacka zum Staatssekretär ernannt und ihn zur
Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie beigegeben,
Ursula Haubner zur Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung
und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für soziale Sicherheit
und Generationen beigegeben,
Univ.-Prof. Dr. Reinhart Waneck zum Staatssekretär ernannt und ihn zur
Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der
Bundesministerin Maria Rauch-Kallat beigegeben.
Schließlich hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70
Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4
Bundes-Verfassungsgesetz bis zu einer Änderung des Bundesministeriengesetzes
mich mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für öffentliche
Leistung und Sport betraut.
Mit besten Grüßen
Wolfgang Schüssel“
*****
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 12 |
Ich wünsche allen
Mitgliedern der Bundesregierung sowie den Staatssekretären den besten Erfolg
für ihre Arbeit im Dienste der Republik Österreich. – Alles Gute, meine
Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Einlauf und
Zuweisungen
Präsident Dr. Andreas Khol:
Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren
Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf
die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die
schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A)
Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
1.
Schriftliche Anfragen: 149/J bis
157/J.
2.
Anfragebeantwortungen: 16/AB und
17/AB.
3.
Ergänzung oder Änderung von Regierungsvorlagen oder Berichten:
Berichtigung des
Tätigkeitsberichtes (III-1 der Beilagen) des Rechnungshofes über das
Verwaltungsjahr 2001 (Zu III-1 der Beilagen).
B)
Zuweisungen in dieser Sitzung:
zur
Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen
Entscheidung des Ausschusses):
Ausschuss
für Arbeit und Soziales:
Bericht des Bundesministers
für Wirtschaft und Arbeit über die Tätigkeit der Arbeitsinspektion im
Jahr 2001 (III-15 der Beilagen).
*****
Präsident Dr. Andreas Khol:
Wir gehen nunmehr
in die Tagesordnung ein.
Redezeitbeschränkung
Präsident Dr. Andreas Khol:
In der Präsidialkonferenz
wurde Konsens über die Gestaltung der Debatte über die Erklärung der
Bundesregierung erzielt.
Demgemäß wurde
eine Tagesblockzeit von 10 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende
Redezeiten ergeben: Österreichische Volkspartei und Sozialdemokratische Partei
je 175 Minuten, Freiheitliche Partei 120 Minuten sowie Grüne
130 Minuten.
Für die
Übertragung der Sitzung durch den ORF in der Zeit von 9.05 Uhr bis
17.00 Uhr wurde folgende Redezeitvereinbarung getroffen, die ich auch bei
Regierungsmitgliedern überwachen werde: Bundeskanzler: 70 Minuten, je eine
Wortmeldung pro Fraktion à 20 Minuten, Vizekanzler: 20 Minuten,
je eine Wortmeldung pro Fraktion à 15 Minuten, Regierungsmitglied
oder Regierungsmitglieder 10 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion
à 10 Minuten, Regierungsmitglied oder Regierungsmitglieder
10 Minuten, je eine Wortmeldung pro Fraktion à 5 Minuten,
Regierungsmitglied oder Regierungsmitglieder 10 Minuten, je eine
Wortmeldung pro Fraktion à 5 Minuten, Regierungsmitglied oder Regierungsmitglieder
10 Minuten.
Diese Vereinbarung
gilt für alle weiteren Wortmeldungen bis zum Ende der Debatte.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 13 |
Ab 16 Uhr
wird der vorsitzführende Präsident darauf achten, dass die verbleibende Fernsehredezeit
so aufgeteilt wird, dass alle Redner – inklusive der
Regierungsmitglieder – gleichmäßig zu Wort kommen.
Ferner wurde
vereinbart, die Sitzung von 13 Uhr bis 13.15 Uhr für eine kurze Pause
zu unterbrechen.
Es besteht
Einvernehmen darüber, dass während der Zeit bis 17 Uhr pro Fraktion nicht
mehr als zwei Wortmeldungen zur tatsächlichen Berichtigung vorgenommen werden.
Wir kommen
sogleich zur Abstimmung.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein diesbezügliches
Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.
Erklärung der Bundesregierung
Präsident Dr. Andreas Khol:
Wir gelangen nun
zum einzigen Punkt der Tagesordnung: Erklärung der Bundesregierung.
Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der
Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten
eine Debatte stattfinden.
Ich erteile nun
dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe der Erklärung das Wort. – Bitte.
9.13
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundespräsident! Meine
Damen und Herren! Die Menschen in Österreich wollen wissen, was auf sie
zukommt. Sie wollen ein solides und sicheres Fundament für die Zukunft –
nicht nur für morgen und übermorgen, sondern auch für ihre Kinder und
Enkelkinder. Jeder verantwortungsbewusste Mensch, jede Mutter, jeder Vater
denkt in Generationen und wünscht sich eine Zukunft, die den Kindern, den
Familien, der gesamten Gemeinschaft Sicherheit gibt.
Die Wahlen am
24. November 2002 haben die politische Landschaft in Österreich stark
verändert. Die politische Mitte wurde gestärkt und der Weg künftiger Reformen
unterstützt. Ich bin von Herrn Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil
beauftragt worden, mit allen im Parlament vertretenen Parteien Gespräche zu
führen. Entscheidend für die neuerliche Partnerschaft mit der FPÖ war letztlich
die breite Übereinstimmung in inhaltlichen Reformfragen, aber auch die Bereitschaft
und der Wille, notwendige Verantwortung für nicht immer ganz populäre Maßnahmen
zur Sicherung der Zukunft unseres Landes mitzutragen. Nicht alle wollten oder
konnten das.
Hohes Haus! Wir
leben in einer Zeit der Umbrüche, des Wandels, der Veränderung. Unsere
wichtigste Aufgabe in der Politik ist es, diese Veränderungen so zu gestalten,
dass der Wandel für die Menschen in unserem Land bewältigbar wird, dass aus
Herausforderungen Chancen für alle werden, nicht Gefahren oder Ängste. Das geht
nur, wenn die Politik vorbehaltlos ausspricht, welche Beharrungen oder
Barrieren die Zukunft gefährden, was daher angepasst oder verändert werden
muss. In einem Land, wie Werner Weidenfeld schreibt, „in dem jeder Zentimeter
des Status quo mit wehrhaften Interessenvertretern besetzt ist, kann eine bloß
moderierende Politik keine Korrektur vornehmen“. – Er hat Deutschland
gemeint, aber ich glaube, das ist ein Rat, der für alle gilt.
Wir tun gut daran,
uns diesen zentralen Fragen unserer Zukunft nicht zu verschließen, sondern voll
Energie und mit festem Willen die notwendigen Reformen auch wirklich
anzupacken.
Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich stelle Ihnen heute meine neue Bundesregierung und ihr Programm für die nächsten vier Jahre vor. Erlauben Sie mir aber auch, Dank an die ausgeschiedenen Regierungsmitglieder auszusprechen: an Frau Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, Bundesminister Matthias Reichhold, Bundesminister Herbert Scheibner, der jetzt als Klubobmann wieder in unserer Mitte ist, Bundesminister Willi Molterer, ebenfalls neu gewählt
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 14 |
als Klubobmann, und Frau Staatssekretärin
Mares Rossmann. Ich möchte ihnen für die hervorragende Arbeit für Österreich
der letzten drei Jahre sehr herzlich danken. Es war gut, mit ihnen
zusammenzuarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich stelle Ihnen,
wie schon gesagt, die neue Bundesregierung und ihr Programm vor, und ich lade
an dieser Stelle gleich alle Sozialpartner, die Länder und Gemeinden ein, mit
uns an dieser Zukunftsgestaltung für Österreich aktiv mitzuwirken.
Diese Regierung
steht für eine Politik, die den Menschen nichts vorgaukelt, sondern für eine
Politik, die die Dinge aufrichtig beim Namen nennt. (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zu dieser
Aufrichtigkeit gehört, dass man ausspricht, was ist. Wir leben in einer
unruhigen Zeit, auch wir in Österreich sind verwundbar: Die Situation im Irak,
die labile Lage im Nahen Osten, die Krise um Nordkorea, die Bedrohung durch
organisierte Kriminalität und internationale Terroristen. Vergessen Sie nicht,
dass allein in Afghanistan 30 000 Terroristen ausgebildet worden
sind! Bis zur Stunde sind erst einige Hundert verhaftet worden. Was auch immer
in der Welt passiert – wir sind davon betroffen, auch in Österreich.
Im Augenblick
steht die Irak-Krise im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit. Österreich, meine
Damen und Herren, ist immer für den Frieden, für die Abrüstung
des Irak, für den Vorrang der Vereinten Nationen eingetreten, und
daran ändert sich nichts. Wir haben immer dafür gekämpft, dass Europa mit einer
Stimme spricht und haben daher, wie übrigens auch Schweden, Finnland oder
Irland, ganz bewusst vermieden, uns auf die Seite irgendeiner Gruppe in Europa
zu stellen. Wir sind einfach Teil der gemeinsamen Position des Europäischen
Rats vom 17. Februar, die den Wunsch nach Frieden betont, Gewalt nur als
allerletztes Mittel und nur nach Legitimierung durch den Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen zulässt.
Auch die
Empfehlung des Nationalen Sicherheitsrates in Österreich, die von allen vier in
diesem Haus vertretenen Parteien angenommen wurde, befindet sich im Einklang
mit dieser gemeinsamen europäischen Haltung.
Die Lösung des
Problems, meine Damen und Herren, liegt beim irakischen Regime, in der vollständigen
Erfüllung seiner internationalen Verpflichtungen. Ich hoffe sehr, dass sich die
Signale der letzten Tage bewahrheiten: die jetzt begonnene Zerstörung einiger
Al Samud-Raketen, der so plötzlich wieder aufgetauchten, ursprünglich
geleugneten chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen. Ich hoffe
sehr, dass es sich diesmal nicht um halbherzige, taktische Schritte handelt,
sondern um ein echtes Umdenken in Bagdad.
Ein kriegerischer
Konflikt im Nahen Osten hätte dramatische humanitäre Auswirkungen auf die
betroffene Bevölkerung, aber auch unmittelbare wirtschaftliche Folgen für
Europa und für Österreich. Der Preis für ein Barrel Öl ist seit Dezember
bereits um 8 Dollar gestiegen und könnte weiter steigen. Schon bisher hat
das allein unsere Wirtschaft rund 250 Millionen € gekostet; Geld, das
wir bei Gott besser hätten verwenden und investieren können.
Ich bitte Sie
daher: So, wie Europa eine Stimme braucht, möchte ich auch, dass
Österreich mit einer Stimme unserem Wunsch nach Frieden, nach
Abrüstung, nach Stärkung der Vereinten Nationen Ausdruck verleiht. Ich hoffe,
dass wir heute gemeinsam eine Irak-Entschließung in diesem Hohen Hause
verabschieden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Hohes Haus!
Österreich steht in einem offenen Wettbewerb: Unser
Wirtschaftsstandort basiert auf einer internationalen und daher auch von außen
sehr abhängigen Volkswirtschaft. Unsere Unternehmungen nützen diese Chancen
auch höchst professionell. Nicht zuletzt getragen von einem erfolgreichen
Exportwachstum lag unser Wirtschaftswachstum im Vorjahr bei rund 1 Prozent.
Die Schweiz, Deutschland, die Niederlande hatten kein oder kein nennenswertes
Wirtschaftswachstum.
Unsere Arbeitsplätze müssen täglich neu erobert und gesichert werden, denn 50 Prozent unseres Wohlstandes verdienen wir letztlich im Export und im Tourismus. Deswegen werden wir den Wachstumsfaktoren Bildung, Forschung, Technologie, Infrastruktur noch größere Bedeutung
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 15 |
geben und hier wichtige
Prioritäten setzen. Damit ist ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort unsere
beste Zukunftsversicherung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir leben in einer
Zeit, in der sich die Lebenswelten, die Welten grundsätzlich verändern: Dank
des medizinischen Fortschritts, der besseren Ernährung, durch Bewegung und
Sport und durch den höheren Lebensstandard bleiben die Menschen gesünder und
werden älter. Seit 1970 ist die durchschnittliche Lebenserwartung bei
Frauen um acht Jahre gestiegen, bei Männern sogar um zehn Jahre. Damit haben
wir eine ganze Generation neu „gewonnen“ – und das bringt uns völlig neue
Lebensperspektiven und Lebenschancen.
Gleichzeitig
müssen wir aber auch dafür sorgen, und zwar rechtzeitig, dass die finanzielle
Sicherheit im Alter künftig garantiert ist, dass der Zugang zur medizinischen
Versorgung für alle Generationen auch wirklich offen steht.
Meine Damen und
Herren! Den Familien ist bewusst ein Schwerpunkt unserer
politischen Arbeit gewidmet. Unser größter Stolz, unsere größte Hoffnung sind
die Kinder. Wir müssen daher alles tun, um ihre Lebenswelt liebevoll und
chancenreich zu gestalten. Die Kinder brauchen Schutz und Unterstützung.
90 Prozent der Jugend sehen in einer intakten Familie das schönste
Lebensziel. – Ich meine, wir haben die Aufgabe, sie zu diesem Lebensziel
zu ermuntern und noch bessere Voraussetzungen dafür zu schaffen. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Mit der Schaffung
eines eigenständigen neuen Ministeriums für Gesundheit und Frauen wollen wir
einen wichtigen Akzent setzen. Moderne Frauenpolitik ist eben eine
politische Querschnittsaufgabe, die alle Lebensbereiche umfassen muss. Frauen
brauchen Chancen, Wahlmöglichkeiten, die Freiheit, ihren individuell besten
Weg in Bildung, Beruf und Familie zu gehen.
Die Generationengerechtigkeit
ist das große Schlüsselthema einer nachhaltigen Gesellschaftspolitik.
Die Menschen bei uns wissen ganz genau: Ein Staat kann auf die Dauer nicht mehr
ausgeben, als er einnimmt. Heute schon ist im Interesse künftiger Generationen
mit dem Umbau der Gesundheits- und Pensionssicherung zu beginnen. Nur eine
leistungsstarke Wirtschaft bringt soziale Sicherheit.
Daraus ergibt sich
ganz einfach auch das Pflichtprogramm für jede österreichische
Bundesregierung.
Zukunft
braucht: Verantwortung.
Wer
Reformnotwendigkeiten kleinredet oder leugnet, kann nicht glaubwürdig
Verantwortung für Österreich tragen.
Unsere
Regierungsarbeit soll daher auf drei Eckpfeilern ruhen: zukunftsfest,
nachhaltig und gerecht. Das sollen die Maßstäbe für
unsere politischen Antworten sein.
Unsere Perspektive
reicht dabei weit über den nächsten Wahltag hinaus. Wo wollen wir in Zukunft
stehen? Und: Was müssen wir jetzt dafür tun, um diese Ziele zu
erreichen?
Meine Damen und
Herren! Österreich ist ein erstklassiger Wirtschaftsstandort und
damit auch ein Hort sozialer Sicherheit. Sozial ist, was Arbeit
schafft! – Das ist eine unumstößliche Wahrheit. Daher wollen wir die
Beschäftigungsquote, insbesondere bei Frauen, bis zum Jahr 2010 auf
70 Prozent steigern und gleichzeitig – das ist besonders
wichtig! – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern.
Österreich soll im
Jahr 2010 ein Land der lebendigen Solidarität zwischen den Generationen
sein – kein Ort, wo Verteilungskämpfe zwischen Jung und Alt ausgetragen
werden, sondern ein Land, in dem sich alle Generationen fair behandelt fühlen
und in dem die Lasten gerecht verteilt sind.
Österreich will auch im Jahr 2010 über ein Gesundheitssystem verfügen, dessen höchstwertige medizinischen Leistungen allen offen stehen: in der Behandlung von Krankheiten, in der
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Prävention, und zwar unabhängig von Alter
und Einkommen. Wir wollen durch die Verdoppelung der Vorsorgeuntersuchungen
auf 1,5 Millionen pro Jahr Herz-Kreislauferkrankungen, Krebsleiden und
Schlaganfälle um 25 Prozent reduzieren.
Meine Damen und
Herren! Österreich soll im Jahr 2010 das familien- und
kinderfreundlichste Land der Welt sein, in dem es Anerkennung und
Unterstützung für die Leistungen in der Betreuung junger und alter
Familienmitglieder gibt und in dem auf die Kinder keine Schuldenberge, sondern
bestmögliche Bildungs- und Lebenschancen warten.
Wir wollen bis
dahin eine echte Wissensgesellschaft verwirklichen.
20 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sollen ein akademisches
Studium an Universitäten oder Fachhochschulen absolviert haben.
Bis 2010 wird
Österreich voll die positiven Erfolge der EU-Erweiterung nützen
können: mehr Sicherheit, mehr Wohlstand und eine saubere, gesunde Umwelt.
Allein die
jetzigen zehn Beitrittskandidaten werden in den kommenden
Jahren 120 Milliarden € in den aktiven Umweltschutz investieren,
nur um die europäischen Standards zu erreichen. Gerade Österreich mit dem
erfolgreichen Wirtschaftszweig der Umwelttechnologie und vielen Betrieben, die
das hervorragend machen, hat auf diesen Märkten enorme Absatzchancen. Und davon
profitiert auch die Bevölkerung unmittelbar, etwa bei der Luftqualität, denn
bis zu 90 Prozent der Luftbelastungen in unserem Land stammen aus dem
Ausland.
Meine Damen und
Herren! 2010 soll für alle Österreicherinnen und Österreicher eine deutliche
Entlastung spürbar sein. Die Abgabenquote wird durch eine solide
Budget- und Stabilitätspolitik und durch Steuersenkungen –
Mehrzahl!; zwei Entlastungen kommen bereits 2004 und 2005 – auf
40 Prozent zurückgehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zukunft
braucht: aktive Europapolitik.
Freiheit, Friede,
Aufbruch – dafür steht unser jetzt neues Europa. In diesem Europa wollen
wir ein aktives, gleichberechtigtes Mitglied sein, das die Zukunft
mitgestaltet. In einem Jahr wird durch die EU-Erweiterung die Teilung Europas
endgültig überwunden sein. Wenn vor einer politischen Generation Österreich
noch zur Hälfte von Stacheldrahtzäunen eingesäumt am Rand des freien Europa
lag, so ist unser Platz schon in einem Jahr dort, wohin wir immer gehört haben:
im Herzen eines vereinten Europa.
Europa bleibt in
Bewegung: Nach der historischen Einführung der gemeinsamen Währung, des Euro,
vor einem Jahr stehen wir vor den nächsten großen Veränderungen. Der Konvent
über die Zukunft Europas kommt in seine entscheidende Phase. Im Juni wird die
neue europäische Verfassung präsentiert. Ich hoffe sehr, dass dieses neue
Europa auch wirklich bürgernah und transparent sein wird. Nicht nur die
Institutionen und das reibungslose Funktionieren unserer „Gemeinschaft Europa“
bedürfen mutiger Impulse, auch der Inhalt der gemeinsam zu
bewältigenden Aufgaben muss laufend überprüft und neu definiert werden.
Wir brauchen
keinen europäischen Zentralstaat, aber effiziente Entscheidungsstrukturen,
damit wir gewappnet sind für die vielen notwendigen Aufgaben, die jedem von
uns im Herzen brennen.
Europa, meine
Damen und Herren, ist Chance, bedeutet Chancen, die wir in unserem eigenen
Interesse nutzen wollen: Studentenaustausch, regionale Partnerschaften,
kulturelle Zusammenarbeit, wie jetzt gerade so erfolgreich gestartet beim
Pilotprojekt Graz: Kulturhauptstadt Europas 2003.
Meine Damen und Herren! Wir können die Zukunft aber nur dann meistern, wenn wir auch die Vergangenheit begreifen. Und dazu gehören auch die bewusste Bewältigung unserer europäischen Geschichte – und darin sind manchmal sehr schmerzhafte Kapitel –, das gemeinsame Überwinden historischer Gräben, beispielsweise die notwendige Versöhnung im österreichisch-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 17 |
tschechischen Verhältnis, oder aber auch die
weitere Pflege modellhafter Lösungen, wie etwa für Südtirol.
Wir müssen auch unsere eigene Geschichte in allen Aspekten annehmen. Die
Historikerkommission
hat mit ihrer nun abgeschlossenen dreijährigen Arbeit einen wesentlichen, einen
substantiellen Beitrag dazu geleistet, für den ich mich noch einmal namens der
Bundesregierung – und auch, wie ich hoffe, im Namen des Nationalrates und
des Bundesrates – ausdrücklich bedanken möchte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten der
SPÖ und der Grünen.)
Dieser Bericht der Historikerkommission bestätigt uns auch, dass wir mit
dem Abschluss der Washingtoner Übereinkunft vom Jänner 2001 und der
Einrichtung zweier Entschädigungsfonds für die Opfer des Nationalsozialismus
die wichtigsten noch erforderlichen materiellen Schritte – insgesamt rund
1 Milliarde € – gesetzt haben. Gleichzeitig erinnert uns der Bericht
deutlich daran, dass die geistige Auseinandersetzung mit diesem dunkelsten
Kapitel unserer jüngeren Geschichte konsequent fortgesetzt werden muss. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Für viele der wichtigsten Sorgen unserer Bürger gibt es aber keine
befriedigenden nationalen Antworten mehr. Für die Reinheit von Wasser und Luft,
für die Sicherheit der Atomkraftwerke, für den Ausstieg aus der Atomkraft, für
die Qualität unserer Lebensmittel wird es keine Insellösungen geben –
dafür sind europäische Regelungen notwendig, die uns, die allen europäischen
Bürgern Sicherheit geben.
Die individuelle Mobilität und die Vielfalt der Güter steigen – und
damit das Verkehrsaufkommen. Die regionale Belastung durch Transit darf nicht
einfach hingenommen werden – in Brüssel, im Rat, im Europaparlament! Hier
braucht es europäische Lösungen, eine Übergangsregelung für unser
Ökopunktesystem, faire Mautregelungen und eine große Infrastrukturinvestitionswelle
über die Grenzen hinaus. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Europa lebt und ist erfolgreich! Und der beste
Beweis für den Erfolg der Europäischen Union ist ja zugleich auch ihr
Hauptproblem: der wachsende Immigrationsdruck. Europa ist als
Hort der Freiheit und des Wohlstandes ganz einfach attraktiv für Migranten aus
vielen Ländern. Die Staaten der EU, mit ihnen Österreich, werden aber selbst
den Umfang der Zuwanderung festlegen, ohne das Asylrecht Verfolgter anzutasten.
Meine Damen und Herren! Gerade die Grenzregionen profitieren von der
Erweiterung der Europäischen Union ganz besonders. In den nächsten zehn Jahren
entstehen in den grenznahen Gebieten Österreichs rund 30 000 neue
Arbeitsplätze. Und wir werden in der Union darauf drängen, dass die laufenden
Förderprogramme zur wirtschaftlichen Integration der Grenzregionen auch ab 2007
fortgesetzt werden können.
Kriminalität ist heute international organisiert. Europa muss mit
transnationaler Verbrechensbekämpfung seine Bürger schützen, und die Netzwerke
der Sicherheit müssen daher auch grenzüberschreitend gestaltet werden.
Eine aktive Europapolitik ist daher Herzstück
dieser Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Und dieses Bewusstsein wird auch die Vorbereitungen auf die nächste
Präsidentschaft Österreichs in der Europäischen Union im ersten
Halbjahr 2006 bestimmen, die mit den Endverhandlungen über den
EU-Finanzrahmen für die Jahre 2007 bis 2013 eine besondere
Herausforderung bringt.
Meine Damen und
Herren! Ich lade Sie ein – so wie es in der Vergangenheit oft, sehr oft,
gelungen ist –, auf der Grundlage dieser Ziele mit mir den Weg einer
gemeinsamen Außenpolitik Österreichs zu beschreiten. Wir sind dazu bereit.
In der Entwicklungszusammenarbeit suchen wir ebenfalls neue, innovative Wege, um die finanziellen Mittel künftig transparenter und gezielter einzusetzen. Eine Plattform für Entwick-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 18 |
lungs- und
Osthilfe, an der sich auch die Wirtschaft, die Sozialpartner und die
Gebietskörperschaften beteiligen können, soll die Synergien auf nationaler und
internationaler Ebene besser nützen.
Unsere Verantwortung für die Länder der Dritten Welt wollen wir
insbesondere durch die Vermittlung von Know-how in den Bereichen Bildung,
Wissenschaft und Umwelt – Stichwort: sanfter Tourismus –, durch neue
nachhaltige und integrative Projekte stärker wahrnehmen.
Verstärken sollten wir auch den Kulturaustausch, insbesondere mit
Mittel- und Osteuropa. Dazu braucht es neue Brücken, um die Kunst als Mittler zwischen
den Nationen eine gemeinsame Sprache finden zu lassen.
Zukunft braucht:
Sicherheit.
Wir wollen den
Österreicherinnen und Österreichern jene Sicherheit geben, in der sie ihr Leben
so leben können, wie sie es sich wünschen. Unserer Politik legen wir daher ein umfassendes
Sicherheitsverständnis zugrunde: Sicherheit als Grundlage für Freiheit
und Lebensqualität auf allen Ebenen, in allen Bereichen. Die Bürger können sich
hier auf uns verlassen. Wir sind der Sicherheitspartner aller
Österreicher. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Österreich wird auf europäischer Ebene für
eine europäische Friedens- und Verteidigungsgemeinschaft eintreten. Österreich
wird dabei kein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer sein, sondern sich
ganz bewusst und aktiv an einem europäischen Sicherheitssystem
einschließlich – wenn es dazu kommt – einer künftigen
Beistandsgarantie beteiligen.
Bundesheer wie Exekutive haben ihre Rolle und
Perspektive im neuen Europa zu entwickeln: Was immer wir an neuen Ansätzen denken,
müssen wir vor dem Hintergrund tun, dass Sicherheit im 21. Jahrhundert
kein nationalstaatliches Reservat mehr ist. Jeder Bürger macht letztlich diese
Erfahrung in seinem eignen Alltag – im Geschäftsleben wie im Urlaub, bei
der Ausbildung wie im familiären Leben. Unsicherheit, Terror, Kriminalität
machen ganz einfach nicht an Landesgrenzen halt. Europa wird für den Einzelnen
nur dann erlebbar, spürbar sein, wenn die zu Recht von der öffentlichen Hand
erwarteten Sicherheitsfunktionen in einem verlässlichen europäischen
Zusammenhang erfahren werden.
Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif – ich spreche
diese Banalität hier einfach aus –, sie hat ihren angemessenen Preis. Wir
brauchen daher leistungsfähige Streitkräfte, wenn wir als souveräner Staat in
Europa und in der Welt weiter ernst genommen werden wollen. Internationale
Krisen in der unmittelbaren Nachbarschaft wie am Balkan, der notwendige
Grenzeinsatz des Bundesheeres 1991, all dies hat uns gezeigt, dass wir auf
unsere Soldaten nicht verzichten können, aber auch nicht verzichten wollen.
Ohne ihren unermüdlichen Einsatz wären Katastrophen wie das Lawinenunglück in
Galtür oder das Hochwasser im letzten Sommer ganz einfach nicht zu bewältigen
gewesen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Abgeordneten
der SPÖ.)
Die Sicherheit im
Alltag ist eine Voraussetzung für Ihre persönliche Freiheit, meine Damen und
Herren. Sicherheit in Staat, Gesellschaft, im persönlichen Lebensumfeld ist so
etwas wie ein elementares Grundrecht. Und damit Österreich auch künftig eines
der sichersten Länder der Welt bleibt, braucht es eine gut ausgerüstete und vor
allem auch gut motivierte Exekutive, die respektiert wird. Wir müssen
Sicherheit als unser aller Anliegen erkennen, für das nicht nur die Profis,
sondern letztlich wir alle in der Bürgergesellschaft Verantwortung tragen.
Unsere Gesellschaft kann und darf nicht akzeptieren, dass Drogen und
Kindesmissbrauch junge Leben zerstören. Daher wird diese Bundesregierung alles
daransetzen, unsere Kinder vor diesen Gefahren zu schützen. (Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Österreich wird seinen humanitären Verpflichtungen voll und
ganz nachkommen und jenen, die Schutz vor Verfolgung suchen, helfen. Wir werden
die Asylverfahren deutlich beschleunigen und damit erreichen, dass den Menschen
schneller und humaner zu ihrem Recht verholfen wird. Österreich ist und bleibt
ein Asylland für alle, die es brauchen. Wir werden aber sehr genau prüfen, wer
zu Recht und wer etwa nur aus wirtschaftlichen Motiven um Asyl ansucht.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 19 |
Einwanderung ist etwas ganz anderes als Asylsuche. Einwanderung braucht
klare nationale Regeln für legale Zuwanderung. Die Lösung dieses in allen
westlichen Ländern zunehmenden Problems erfordert Solidarität und ein
gemeinsames europäisches Vorgehen. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Unsere konkreten
Reformvorhaben:
Österreich wird
sich aktiv in die Weiterentwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik
einbringen, weil das in unserem eigenen Interesse liegt.
Zur Sicherung des Luftraumes und zur Wahrung der österreichischen
Souveränität können und wollen wir auf eine Luftpolizei nicht verzichten. Und
daher werden wir auf Basis der Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrates
und der in der vergangenen Legislaturperiode getroffenen Beschlüsse den
Beschaffungsvorgang für Luftraumüberwachungsflugzeuge fortsetzen. Wir werden
dafür sorgen, dass die Gegengeschäfte positive Auswirkungen auf die Arbeitsplätze,
den Wirtschaftsstandort und den Technologietransfer haben. Das Budget des
Verteidigungsministers darf in der gesamten Legislaturperiode nicht zusätzlich
belastet werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen. – Abg. Mag. Kogler:
Faschingsscherz! Das ist ein Scherz!)
Die Europäische Union muss mit den nötigen Fähigkeiten ausgestattet
sein, um Konflikte zu verhüten und Krisen mit zivilen und militärischen Mitteln
zu bewältigen. Österreich wird daher zum militärischen Planungsziel der Union
beitragen. Für diese Fähigkeiten der EU werden wir nicht nur entsprechend
ausgebildete und ausgerüstete Einheiten des Bundesheeres zur Verfügung
stellen, sondern auch Polizei- und Zivilschutzkräfte sowie Justizpersonal für
zivile Operationen.
Eine enge Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen EU und NATO (Abg. Dr. Petrovic: ... traurig!) sowie die „Partnerschaft für den
Frieden“ sind wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg der europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin soll umgesetzt werden und
damit das Bundesheer in die Lage versetzen, seine Kernaufgaben, nämlich den
Schutz der Heimat, die Katastrophenhilfe sowie den internationalen
Friedenseinsatz, zu erfüllen. Dazu brauchen wir mehr militärisches
Personal und weniger Verwaltung, dazu brauchen wir die bestmögliche
Ausrüstung für unsere Soldaten. Wir werden externe und internationale Experten
bitten, Vorschläge dafür zu erarbeiten.
Wir wollen den Präsenzdienst
für jeden Grundwehrdiener attraktiver machen, denn das Bundesheer ist ja auch
ein Kompetenzzentrum für die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten, von der
Technik bis zum Sport und zu Sprachen, vom Gesundheitscheck bis zur
Auslandserfahrung, vom Logistikmanagement bis zu ganz speziellen
Führungsqualifikationen. Dieses Angebot kann den Präsenzdienst zu einer
spannenden und zeitgemäßen Ausbildungszeit machen.
Um die Neuordnung
dieser Aufgabe umzusetzen, wird eine Reformkommission für das österreichische
Bundesheer eingerichtet. Sie muss sich mit folgenden Fragen
beschäftigen: Was muss ein modernes Heer heute können? Wie groß soll es sein?
Welche neuen Anforderungen werden künftig in Europa gestellt? Wo sollen wir
abschlanken? Wo muss mehr investiert werden?
Meine Damen und
Herren! Der Zivildienst bleibt ein gleichwertiger Ersatzdienst
für den Grundwehrdienst beim Heer. Der Beitrag, den die Zivildiener besonders
im Sozial- und Rettungswesen leisten, ist einfach unverzichtbar.
Wir haben für die Sicherheitspolitik drei klare Leitlinien: engagiert für den Rechtsstaat, sensibel für Menschenrechte, aber auch konsequent gegen Kriminalität. Polizei, Gendarmerie und Zollwache werden erstmals zu einem schlagkräftigen, effizienten und modernen Wachkörper in einer politischen Hand zusammengeführt. Im 21. Jahrhundert gibt es nämlich wirklich keine nachvollziehbaren Gründe mehr, warum es – von der Ausbildung bis zu den Uniformen, von der
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 20 |
Ausrüstung bis zu den Kommunikations- und Einsatzsystemen –
unterschiedliche Exekutivbehörden geben soll. Moderne Sicherheit braucht
einfach zeitgemäße Lösungen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zukunft heißt:
Österreich neu denken.
Die
Bundesregierung steht für eine starke Demokratie und einen soliden
Rechtsstaat. Uns geht es um mehr Mitbestimmung für die Bürgerinnen und
Bürger, um den Schutz ihrer Rechte. Eine lebendige Demokratie bedeutet,
dass sich die Österreicher mit der verfassungsrechtlichen Ordnung auch
wirklich identifizieren können.
Unsere Verfassung
ist aber leider sehr unüberschaubar geworden. Die ältesten Bestimmungen sind
bereits über 150 Jahre alt. Wir werden daher einen Österreich-Konvent
einrichten, der bis Ende des Jahres 2004 die Grundlage für eine
zeitgemäße und für alle verständliche Bundesverfassung erarbeitet.
Ich möchte
Präsidenten Dr. Franz Fiedler, den Präsidenten des Rechnungshofes, einladen –
er hat mir bereits zugesagt –, das Präsidium dieses Konvents zu leiten. Da
dies auch von anderen politischen Parteien angeregt wurde, wird sich
diesbezüglich, so glaube ich, ein breiter Konsens finden lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen
sowie des Abg. Reheis.)
Und ich möchte
Sie, meine Damen und Herren des Nationalrates, den Bundesrat, die Länder, die
Gemeinden, die Sozialpartner und viele Experten zur Mitarbeit einladen, denn
jede gute Idee ist willkommen. Die Grundsätze unseres Verfassungsrechtes, die
Subsidiarität, der Föderalismus, stehen dabei selbstverständlich außer
Streit.
Im Rahmen der
Reformen sollen aber überholte Verfassungsbestimmungen außer Kraft gesetzt,
der Behördenaufbau überprüft, neue Aufgabenverteilungen zwischen Europa, Bund,
Ländern, Gemeinden oder Bezirken festgelegt werden. Teure Doppelgleisigkeiten
sollen abgeschafft werden. – Und dieses Ziel wollen wir im Konsens mit
allen erreichen.
Ein gutes Beispiel
dafür ist ein bundesweites Tierschutzgesetz, mit dem wir gemeinsam und über die
Grenzen der Bundesländer hinweg eine Koalition gegen das Tierleid bilden
wollen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Österreich neu
denken heißt:
Der Bund ist
einerseits bereit, sich von bestimmten Befugnissen wie etwa dem Einspruchsrecht
gegen Landesgesetze zurückzuziehen, dafür aber sollte andererseits die
Koordinations- und Planungskompetenz des Bundes gestärkt werden.
Wir wollen endlich
das Briefwahlrecht einführen, den Grundrechtskatalog im Einklang mit europäischen
Grundrechts-Vorstellungen aktualisieren, Institutionen wie etwa die
Volksanwaltschaft reformieren.
Die mittelbare
Bundesverwaltung soll abgeschafft, die Steuerhoheit der Länder gestärkt, im Verwaltungsverfahren
ein strikter zweigliedriger Instanzenzug eingeführt und die Unabhängigen
Verwaltungssenate endgültig zu Landesverwaltungsgerichtshöfen umgebaut werden.
Bei den
Verwaltungsvorgängen im Schulbereich wollen wir Vereinfachungen. So soll etwa
die Notwendigkeit der Kollegialorgane bei Landes- oder Bezirksschulräten
überprüft werden. Die Länder sollen ihr Budget für die Pflichtschullehrer auch
selbst verwalten.
Zukunft braucht:
Partner Staat.
Meine Damen und Herren! „Dem Bürger dienen – moderne Dienstleistung erbringen“ – das ist unser Prinzip für ein modernes Staatsverständnis. Dazu muss man Aufgaben kritisch hinterfragen, Prozesse vereinfachen und moderne Technologien einsetzen: All das sind Selbstverständlichkeiten. Dazu braucht es aber auch Mut, alte Zöpfe abzuschneiden, um zukunftstaugliche
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 21 |
Lösungen zu ermöglichen.
Der Bürger soll unabhängig davon, wer ihm gegenübertritt – der Staat, der
Bund, die Länder oder die Gemeinden –, das beste Service als Gegenleistung
für seine Steuern erhalten. (Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Unsere konkreten
Reformprojekte:
Damit der Staat
ein verlässlicher Partner der Bürger ist, braucht es ein modernes
Dienstrecht für alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst.
Leistungsvergleiche, Bürgerorientierung werden gefördert, ein problemloser
Austausch – dies ist besonders wichtig! – zwischen Privatwirtschaft
und öffentlichem Sektor ist bedeutsam. Wir wollen einen modernen und
leistungsfähigen öffentlichen Dienst.
Die neuen
Informationstechnologien sollen wichtige Instrumente für ein bürgernahes,
modernes Verhältnis zwischen Staat und Bürger sein. Ich werde daher eine E-Government-Offensive
starten: Steuererklärung, Inskription, Gewerbeanmeldung, elektronische
Signatur – all das kann künftig über ein Bürgerportal per Internet
durchgeführt werden. Der Behördenantrag ohne Anmeldung, ohne Wegzeit muss
Wirklichkeit werden! Die Sozialversicherungs- und Bürgerkarte wird in dieser
Legislaturperiode eingeführt werden. Dazu kommen Vergabewesen, Förderabwicklung,
Akteneinsicht, Dokumentenregister auf elektronischer Basis. Das erspart dem
Bürger ungemein viel, etwa das Beibringen von amtlichen Dokumenten wie
Geburtsurkunde, Meldezettel oder Staatsbürgerschaftsnachweis bei jedem
einzelnen Behördenweg. Informationen zur Gesundheitsvorsorge online, sicherer
elektronischer Geschäftsverkehr, Konferenzen, Verhandlungen im Internet werden
mit E-Government für den Bürger ebenso möglich wie Lernen im Netz.
Kurz gesagt: Internet
für alle! – Eine interministerielle Plattform unter meinem Vorsitz
wird die E-Government-Strategie dieser Bundesregierung koordinieren.
Zukunft braucht: sichere Arbeitsplätze.
Meine Damen und
Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher wissen ganz genau, dass nur eine
leistungsstarke Wirtschaft Arbeit und Wohlstand schaffen und erhalten kann. In
den letzten Jahren hat sich der Standort Österreich, wie zahllose
internationale Studien beweisen, deutlich verbessert. Diesen Kurs wollen, ja
müssen wir fortsetzen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Österreich hat
sich immer zum europäischen Modell der sozialen Marktwirtschaft bekannt. Das
bedeutet, dass wir uns in unserer Wirtschaftspolitik an den Prinzipien der
wirtschaftlichen Freiheit, der Leistung, der gleichen Wettbewerbsbedingungen,
ebenso aber auch an der sozialen Verantwortung und der Nachhaltigkeit
orientieren, eben an der ökosozialen Marktwirtschaft.
Wir wollen
Unternehmen von Barrieren und Belastungen befreien. Wir wollen ein Klima schaffen,
in dem sich Leistung für den Einzelnen wirklich lohnt. Dazu tritt die soziale
Verantwortung gegenüber jenen, die mit dem Tempo, manchmal auch mit den
Bedingungen der immer schneller werdenden Wirtschafts- und Arbeitswelt Probleme
haben.
Unbestritten ist
der Grundsatz: Wirtschaft schafft Arbeit! – Um den internationalen
negativen Trends gegenzusteuern, setzen wir auf aktive
Beschäftigungspolitik. Unsere Antwort auf die Probleme auf dem Arbeitsmarkt
heißt Qualifizierung. Wir wollen nicht, dass Arbeitslosigkeit einfach
verwaltet wird, wir wollen, dass Arbeitswillige schneller eine neue
Berufschance erhalten. (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
Dazu können und
sollen die österreichischen Sozialpartner einen unverzichtbaren Beitrag für das
Land und seine Menschen leisten, nicht nur als pure Interessenvertreter –
nein! –, auch für die Gesamtheit unserer sozialen und wirtschaftlichen
Entwicklung.
Ich möchte Sie an dieser Stelle einladen, Ihre Expertise, Ihr Verantwortungsbewusstsein, Ihre Reformkraft gemeinsam mit der Bundesregierung in die konkrete Ausgestaltung unserer Zukunftschancen einzubringen. Ich möchte Sie ermuntern, zeitgemäße Reformwege mitzuent-
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wickeln und im Dialog mitzutragen, und ich möchte Sie
unserer Bereitschaft zu konstruktiver Zusammenarbeit versichern. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Konkret heißt das:
Durch eine Reform
des Arbeitsmarktservice soll noch besser und schneller vermittelt werden. Jeder
Arbeitslose soll im Durchschnitt innerhalb von 90 Tagen einen neuen Job
vermittelt bekommen. Über 50-Jährigen und unter 25-Jährigen geben wir einen Rechtsanspruch
auf Weiterbildung über die Arbeitsmarktförderung, wenn innerhalb
von acht Wochen keine Vermittlung durch das AMS gelingt.
Wir wollen auch
ein wesentlich besser funktionierendes Frühwarnsystem einführen.
Gekündigte Mitarbeiter sollten sich sofort beim AMS melden, um schnell die
Möglichkeit individueller Betreuung zu erhalten. Durch rasche
Qualifizierungsmaßnahmen noch während der Kündigungsfrist kann die drohende
Arbeitslosigkeit noch wirksamer bekämpft werden.
Die Öffnungszeiten
für die Geschäfte sollen ausgeweitet werden. Damit hat der Konsument mehr
Einkaufsmöglichkeiten, der Handel steigende Umsätze. Wir wollen ganz einfach
keinen Kaufkraftabfluss ins Ausland zur Kenntnis nehmen! Die bisherigen
bundesgesetzlichen Tagesrahmenzeiten sollen fallen. Die Länder bestimmen in
Zukunft nach Einbindung der Sozialpartner die konkreten Öffnungszeiten zwischen
Montag 5 Uhr und Samstag 18 Uhr. Der Sonntag bleibt Familientag! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir haben uns vorgenommen, das bestehende Arbeitszeitgesetz
moderner zu gestalten. Sowohl für die Sozialpartner als auch auf betrieblicher
Ebene soll es künftig die Möglichkeit geben, bedarfsgerechte Vereinbarungen mit
Mitarbeitern über flexible Arbeitszeiten zu fixieren.
Die Gründer von heute sind die Arbeitgeber von morgen. In den kommenden
Jahren wollen wir im Jahr mindestens 30 000 Neugründungen und damit
eine Steigerung um rund 10 Prozent erreichen. Das bringt neue
Arbeitsplätze und erhöht die Selbständigenquote.
Zur besseren
Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird es künftig in mittleren und größeren
Betrieben einen Anspruch auf Teilzeit und flexible Arbeitszeitregelung
für Eltern von Kindern bis zum Schuleintritt geben. Wir haben beim
Arbeitsmarktservice derzeit rund 20 000 Arbeitsuchende gemeldet, die
den Wunsch nach einer Teilzeitbeschäftigung im Rahmen ihrer Vormerkung
deponiert haben. Fast 19 000 davon sind Frauen, genau jene Zielgruppe, für
die diese Maßnahme geradezu maßgeschneidert ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Österreich ist in der Lehrlingsausbildung weltweit unter
den führenden Ländern. Diesen Standard wollen wir halten. 50 Prozent, die
Hälfte aller österreichischen Unternehmer, haben eine Lehre abgeschlossen; das
wissen nicht alle. Das ist ein deutliches Zeugnis dafür, dass das duale
Ausbildungssystem einen ganz besonderen Anreiz für die Gründung oder die
Übernahme eines Unternehmens darstellt. Das duale Ausbildungssystem soll
Vorbild für andere Länder bleiben. Auslandsaufenthalte, zusätzliche
Qualifikationsangebote während der Ausbildungszeit sollen die Kompetenz bei
Fremdsprachen und den Umgang mit IT-Anwendungen verbessern.
Als eine mittlere
Volkswirtschaft mit einem sehr hohen Dienstleistungsanteil – wir
haben immerhin Platz 13 in der Welt – ist Österreich besonders
interessiert an internationalen Vereinbarungen in diesem Bereich, wie sie in
den laufenden Verhandlungen zum Thema GATS, also dem General Agreement on Trade
in Services, diskutiert werden. Die Internationalisierungsoffensive wird
unseren Betrieben Märkte sichern und neue erschließen. Wir nehmen aber die
Sorgen der Bevölkerung darüber sehr, sehr ernst und wollen bei den
Verhandlungen sicherstellen, dass öffentliche Dienstleistungen insbesondere in
den Bereichen Gesundheit, Bildung, Wasserversorgung und Kultur keinen weiteren
Liberalisierungen unterworfen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
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Ein
Schlüsselbereich zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist die
Effizienz des Verkehrs auf Schiene und Straße. Der im Jahr 2002
beschlossene Generalverkehrsplan wird natürlich umgesetzt. Das
heißt, im hochrangigen Straßennetz Lücken schließen und die Schiene als
umweltfreundlichen Verkehrsträger auch wirklich forcieren. Mit diesen Projekten
wollen wir die Verkehrsverbindungen zu den Zukunftsmärkten, vor allem auch in
den neuen EU-Mitgliedsländern, rasch fertig stellen.
Die ÖBB-Reform
wird das Unternehmen für seine internationalen Aufgaben nachhaltig stärken,
mehr Kundennähe bringen und damit auch bessere Leistungen für die Konsumenten
bieten. Zur Finanzierung des Ausbaus wichtiger Korridore wollen wir verstärkt
Mischformen, Mischmodelle mit öffentlichen und privaten Investoren einführen.
Der Privatisierungskurs
der Bundesregierung wird fortgesetzt. Staatliche Anteile an den großen
ehemaligen Staatsbetrieben werden bestmöglich verkauft, wobei wir uns das Ziel
gesetzt haben, die Headquarters mit den Führungsstellen und
Forschungseinrichtungen natürlich in Österreich zu erhalten.
Zukunft braucht:
Nachhaltigkeit.
Meine Damen und
Herren! Landwirtschaft und Umweltschutz gehören zusammen, wie wir das
auch in der Ressortkompetenz zum Ausdruck bringen. Durch die Familienbetriebe
ist die Agrarwirtschaft in Österreich immer naturnah und ökologisch nachhaltig
betrieben worden. Jeder, der in Österreich Urlaub macht, kann sich davon
überzeugen. (Zwischenrufe bei den
Grünen.) Von der Landwirtschaft zur Umwelt spannt sich jener Bogen der
Nachhaltigkeit, der den dauerhaften Schutz der Natur und die Qualität der
Produkte sichert.
80 Prozent
unserer Landesfläche sind ländlicher Raum. Zur Sicherung der regionalen Wertschöpfung
und der Arbeitsplätze sind der Ausbau der Infrastruktur und die Förderung der
regionalen Zusammenarbeit notwendig.
Unsere Bäuerinnen
und Bauern sind mit ihren Familien – mit den Alten, mit den Jungen – das Rückgrat
des ländlichen Raumes, und ich möchte ihnen für diese Arbeit danken. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ihre Produktion ist die Grundlage für
die regionale Wertschöpfung. Die Sicherung der Einkommen der ländlichen
Familien ist und bleibt uns daher ein wichtiges Anliegen. Selbstverständlich
werden wir Österreichs Position als europäisches Bioland Nummer eins weiter
stärken und ausbauen.
Konkrete Reformen:
Der Schutz vor den
Gefahren, die durch eine Klimaveränderung ausgelöst werden,
muss an der Wurzel ansetzen. Wir werden daher bis zum Jahr 2006 jährlich
zusätzlich 90 Millionen € in Maßnahmen investieren, die die
Treibhausgase reduzieren. Auch Maßnahmen im Bereich der Wohnbauförderung und
ein System des Emissionshandels werden zur Erreichung des so genannten
Kyoto-Ziels absolut wichtig sein.
Mit einem weiteren
Schritt zur Ökologisierung des Steuersystems wollen wir den Weg zur
ökosozialen Marktwirtschaft fortsetzen. Dazu gehören Preissignale für den
Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen, Anreize für umweltschonendes und
nachhaltiges Verhalten und die Entlastung des Faktors Arbeit.
Wir wollen den
zukunftsträchtigen Bereich der alternativen Energieformen weiter
ausbauen, denn davon profitieren Umwelt und Wirtschaft gleichermaßen, vor allem
der Mittelstand. Mit einer Fülle von Maßnahmen – Steigerung des
Ökostrom-Anteils, mehr Sonnenenergie und mehr Biomasse – werden wir diese
Ziele erreichen können.
Meine Damen und Herren! Der Dieselboom in Österreich ist absolut erfreulich. Heute sind bereits über 70 Prozent der PKW-Neuzulassungen Dieselfahrzeuge. Der gesamte PKW-Bestand besteht schon zu 40 Prozent aus Dieselfahrzeugen. Das hat in den letzten zehn Jahren uns und unserer Umwelt etwa 1,5 Millionen Tonnen treibhausrelevantes Kohlendioxid erspart. Wir ver-
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langen aber, dass ab
1. Jänner 2004 an allen österreichischen Tankstellen schwefelfreier
Diesel angeboten wird. Mit einem Schlag können damit die krebsfördernden
Partikel um ein Drittel reduziert werden. Nach einer Denkpause hat sich dann
Gott sei Dank auch der OMV-Vorstand sofort auf dieses Ziel eingelassen. Ich
möchte mich ausdrücklich dafür bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Eines möchte ich
nämlich schon in aller Deutlichkeit sagen: Es ist nicht einzusehen, warum in
Österreich noch zwei Jahre lang Diesel verkauft werden soll, der 35-mal mehr
Schwefel enthält als anderswo.
Meine Damen und
Herren! Die Bundesregierung wird natürlich unsere gemeinsame Atompolitik
in Europa auf Basis der Entschließungen des Nationalrates fortsetzen.
Wir werden auch im EU-Konvent auf eine Reform des EURATOM-Vertrages drängen.
Die
österreichische Haltung in Atomfragen war immer dann erfolgreich, wenn sie von allen
Parteien in diesem Haus getragen wurde und wenn realistische Ziele auch
gemeinsam verfolgt wurden. Wir laden die Oppositionsparteien daher zur
Gemeinsamkeit und zur Zusammenarbeit in dieser wichtigen Frage ein. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Für die bäuerlichen Betriebe stellen Bund und Länder
3 Milliarden € für die Finanzperiode zur Verfügung, um auch künftig
einen prosperierenden ländlichen Raum zu haben. Dazu zählt natürlich auch, die
Wettbewerbsbedingungen für die Bauern zu stärken. Wir werden im Rahmen der
Steuerreform den Agrar-Diesel-Preis für die Bauern senken.
Verwaltungsvereinfachung,
mehr Direktvermarktung, Stärkung des Biolandbaus und die Verbesserung der
Lebensmittelsicherheit werden den erfolgreichen österreichischen Weg der
familiär geprägten Landwirtschaft, keiner Agroindustrie, stärken.
Auch einer unserer
größten Naturschätze, das Wasser, muss nachhaltig geschützt
werden. Die Verwendung dieser Ressource soll auch in der EU in Zukunft den
einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben. Das bedeutet Einstimmigkeit in
dieser Frage.
Österreich wird
durch eine aktive Umweltpolitik weiter ein Land mit der höchsten Lebensqualität
bleiben. Eine intakte Umwelt und Landschaft ist auch die Grundlage für unsere
so erfolgreiche Tourismuswirtschaft.
Meine Damen und
Herren! Der österreichische Tourismus ist, zum Unterschied von ähnlichen
Branchen in anderen Weltteilen, sehr harmonisch, von unten, durch die
Initiative von Tausenden Familien gewachsen. Aus Bauern wurden Gastronomen
oder Hoteliers, aus Handwerkern Seilbahnunternehmer. Tourismus braucht Chancen
und Freiräume, hat aber auch Grenzen; dessen muss man sich bewusst sein. Für
den österreichischen Tourismus sollen alle Voraussetzungen geschaffen werden,
damit der Paradigmenwechsel im Reise- und Freizeitverhalten, der sich durch das
Zusammenwachsen Europas und die Globalisierung ergibt, auch wirklich
erfolgreich bewältigt werden kann.
Hier ist
Dienstleistung gefragt. Und Dienstleistung heißt: optimale Ausbildung,
Entwicklung neuer touristischer Software, Gewinnung neuer Zielgruppen,
Freizeitprodukte „Made in Austria“, Kunst, Kultur, aber auch Gesundheits- und
Wellnessangebote, Eventplanung und Bewerbungen um Großveranstaltungen,
gleichgültig ob es Kongresse, die Fußball-Europameisterschaft 2008 oder
die Olympischen Winterspiele 2010 sind.
Die
Zusammensetzung dieser Bundesregierung trägt auch der wachsenden Bedeutung des Sports
in der Gesellschaft Rechnung – nicht nur des Spitzensports, in dem
die Österreicher immer wieder zeigen, dass sie zu sehr großen, herausragenden
Leistungen fähig sind, sondern auch der Förderung des Breitensports, des
Behindertensports und des Nachwuchstrainings.
In der Kunst- und Kulturpolitik wollen wir den bewährten Weg fortsetzen, das Kreative zu stimulieren und für Künstler gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir bekennen uns zur Förderung des großen kreativen und künstlerischen Potentials in unserem Land und seiner Dar-
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stellung im Ausland. Mit der Einrichtung einer
finanziell großzügig dotierten „Nationalstiftung Österreich“ sichern wir künftig
den Erhalt historisch bedeutender Gebäude und Denkmäler, aber auch ihre
wirtschaftliche Nutzung.
Nach der
erfolgreichen Etablierung des dualen Rundfunksystems in Österreich wollen wir
die Zielsetzungen der Medienpolitik im Gleichklang mit der europäischen
Entwicklung vorantreiben. Durch eine Digitalisierungsoffensive soll mehr
Programmvielfalt und Programmqualität erreicht werden. Das soll gemeinsam mit
Wirtschaftspartnern realisiert werden.
Zukunft
braucht: helle
Köpfe.
Ob Österreich in
den nächsten zehn Jahren wirklich erfolgreich sein wird, ein Land mit hohem
Wohlstand und hoher Lebensqualität, entscheidet sich nicht dann, sondern heute:
in den Kindergärten, in den Schulen, an den Fachhochschulen, an den
Universitäten, in der dualen Ausbildung. Dort sitzen die hellen Köpfe, von
deren Erfindergeist die Innovationskraft unserer Wirtschaft abhängt. Dort
sitzen die Unternehmer von morgen, die Wachstum und Arbeitsplätze schaffen.
Dort sitzen jene Leistungsträger, von deren Wissen, Kreativität und Engagement
unsere Zukunft abhängt. Ihnen schulden wir die besten Rahmenbedingungen. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wenn wir der
Jugend die besten Bildungschancen sichern wollen, dann geht es letztlich um
viel mehr als nur Wirtschaftserfolge. Zu
einer umfassenden Bildung gehören neben grundlegendem Wissen, Fähigkeit und
Kompetenz musisch-kreative Bildung, eine solide Wertegrundlage sowie Bewegung
und Sport.
Am erfolgreichsten
werden jene Länder sein, die in Bildung und Forschung investieren,
die die Kreativität fördern, Neugierde zulassen, geradezu dazu ermuntern, und
in denen der Mut, Neues auszuprobieren, unterstützt und nicht gedämpft wird.
Darin liegt auch
eine sehr große Beschäftigungschance: Wenn wir 2,5 Prozent unseres BIP in
Forschung und Entwicklung investieren wollen, dann brauchen wir Tausende
Wissenschafter, Forscher und Experten in Unternehmen, Universitäten und
Forschungseinrichtungen.
Diese Regierung
sagt ja zum innovativen Forschungsstandort Österreich.
Wir müssen uns aber auch der ethischen Verantwortung stellen, die mit Forschung
im Bereich der Biomedizin verbunden sein muss. Biomedizin und Biotechnologie
haben längst einen festen Platz in der medizinischen Forschung gefunden. Wir
unterstützen die Chancen, bekennen uns aber auch dazu, ethische Grenzen zu
ziehen. Unser Ziel ist es, ein Klonverbot bei
Menschen durch nationale, europäische und internationale Regelungen
durchzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Unsere konkreten Reformprojekte:
Die Belastung für
Eltern und Schüler ist zu groß geworden: Die Stundentafel ist zu umfangreich,
der Lehrplan zu dick. Wir wollen die Jugendlichen um zwei Stunden
Unterricht pro Woche entlasten und die Lehrpläne
entrümpeln und modernisieren. Dabei muss aber auch die Qualitätssicherung an
den Schulen ausgebaut werden.
Um die
Grundausbildung flächendeckend zu sichern, wollen wir die kleinen Schulen im
ländlichen Raum erhalten. Sie sind nicht nur Bildungszentren, sondern auch
wichtige Kulturträger in den Gemeinden.
Lernen können
heißt vor allem lesen können. Im Projekt LESE-FIT wird die Leselust gefördert
und Lesen eingeübt. Ziel ist es, dass alle Kinder nach der Volksschule
verlässlich sinnerfassend lesen können.
Dazu braucht es
die bestausgebildeten
Lehrer, Hochschulen für pädagogische Berufe; auch die Fort- und
Weiterbildung für die Lehrer wird künftig dort integriert sein.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 26 |
Es braucht ein
modernes und leistungsorientiertes Besoldungssystem für Lehrer, eine bessere
Verteilung bei der Lebenseinkommenskurve, die zu Beginn der Berufslaufbahn ein
höheres, dann ein flacher ansteigendes Einkommen bringt.
Die Umsetzung der Universitätsreform,
für die wir im Inland viel Zustimmung und im Ausland viel Beachtung gefunden
haben, wird selbstverständlich fortgesetzt.
Wir bekennen uns
zu sozial verträglichen Studienbeiträgen, denn es ist
gerechtfertigt, dass ein künftiger Akademiker etwa 7 Prozent der
Studienkosten selbst bezahlt; mehr als 90 Prozent zahlen sowieso die
Steuerzahler, auch die kleinen und mittleren Steuerzahler, dazu. Die Beiträge
werden aber an den Universitäten zur Verbesserung der Studienbedingungen und
der Qualität der Lehre verbleiben. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Wer in Österreich studieren will, kann das – unabhängig von seiner
sozialen Lage. Wir werden in der Studienförderung für besonders Begabte eine
Stiftung einrichten und für Berufstätige in ihrem eigenen Berufsfeld
Studienbeiträge steuerlich absetzbar machen – ein neuer Ansatz.
Analog zum Modell
des Bausparens – höchst erfolgreich – könnte ein Modell des Bildungssparens
entwickelt werden, das auch für die Finanzierung der Studienbeiträge verwendet
werden kann. Ziel ist die Förderung des lebensbegleitenden Lernens.
Zur Anhebung der Forschungsquote
stellen wir eine zweite Tranche von insgesamt 600 Millionen €
Sondermittel bis zum Jahr 2006 zur Verfügung.
Die
Neustrukturierung der begonnenen Forschungsförderung ist ein wichtiger Schritt
zur Vereinfachung der Strukturen, bringt mehr Transparenz, mehr Effizienz und
bessere Ergebnisse für das eingesetzte Geld.
Zur Förderung des
Forschungsstandortes Österreich zählt auch die Umsetzung der EU-Biopatent-Richtlinie.
Damit wollen wir die vielen Biotech-Unternehmen, vor allem die Start-ups,
stärken.
Zukunft
braucht: Gesundheit
und Pensionssicherheit.
Zwischen
Gesundheit und Lebensqualität besteht ein ganz enger Zusammenhang. Ein zeitgemäßes
Gesundheitssystem
muss daher vorrangig zwei Aufgaben erfüllen: Wer krank ist, muss sich darauf
verlassen können, dass das Angebot und die Leistungen unseres hochwertigen
Gesundheitssystems zur Verfügung stehen. Wer gesund ist, soll unterstützt
werden, Krankheiten vorzubeugen. Deshalb werden wir die Eigenverantwortung,
die Vorsorgemedizin deutlich stärken und die Menschen über Bonusmodelle zu
dieser Eigenverantwortung aktivieren. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Ich sage es hier
sehr klar: Es geht bei der notwendigen Reform des Gesundheitswesens nicht
darum, weniger Geld für den Gesundheitsbereich bereitzustellen. Niemand spart
auf Kosten der Gesundheit. Im Gegenteil: Frei werdende finanzielle Mittel
sollen direkt den Patienten zugute kommen. Wir stellen die kranken Kassen auf
gesunde Beine. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Unsere konkreten
Reformpläne:
Durch die
Zusammenführung von Kranken- und Unfallversicherung – natürlich bei Erhaltung
der Qualität in beiden Bereichen – sowie Strukturreformen bei den
Gebietskrankenkassen können wir durch weniger Verwaltung ohne Qualitätsverlust
viel Geld der Versicherten sparen.
Die Einrichtung
von Landesgesundheitsfonds,
wie jetzt gerade in Vorarlberg erprobt, kann einerseits Kosten sparen,
andererseits aber auch die Versorgung insbesondere bei den niedergelassenen
praktischen Ärzten deutlich verbessern.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 27 |
Beitragsgerechtigkeit ist auch eine Frage der Fairness.
Für gleiche Leistungen soll der gleiche Beitrag geleistet werden. Daher
vereinheitlichen wir zum ersten Mal die Krankenversicherungsbeiträge der
Arbeitnehmer, denn es gibt ja kein vernünftiges Argument dafür, dass Arbeiter
0,75 Prozent mehr Krankenversicherungsbeitrag zahlen als Angestellte.
Eine Anhebung der
Pensionisten-Krankenversicherungsbeiträge sichert deren Zugang zum
medizinischen Fortschritt in jeder Lebenslage, in jedem Jahr, in jedem Bereich.
(Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir wollen
überdies eine Reform der Selbstbehalte, denn derzeit belasten die bestehenden
Selbstbehalte, meist ohne Obergrenzen, insbesondere die chronisch Kranken.
Daher sollen die Sozialversicherungsträger das Recht haben, ein faireres System
zu entwickeln und einzurichten.
Im Arzneimittelbereich
sind durch eine Änderung der Verschreibepraxis nicht nur Einsparungen zu
erzielen, sondern vor allem durch 12-Monats-Rezepte und andere Maßnahmen auch
Erleichterungen für chronisch kranke Patienten zu erreichen.
Wir sehen in der Telemedizin
ein absolutes Zukunftsprojekt zum Wohle der Patienten: Daten von Untersuchungen
werden sowohl für Krankenhäuser als auch für Ärzte schneller zugänglich. Dem
Patienten werden unnötige Doppeluntersuchungen erspart. Bessere, umfassendere
Diagnosen werden möglich. Krankenhäuser und praktische Ärzte erhalten einen
dauerhaften und direkten Zugriff zu den neuesten Entwicklungen der Medizin bei
Diagnosen, Medikation und Operationstechniken.
Die menschliche
Qualität unserer Gesellschaft, meine Damen und Herren, misst sich aber auch
daran, wie wir unsere Mitmenschen in der letzten Phase ihres Lebens begleiten.
Es soll in Hinkunft für alle, die es brauchen, ein ausreichendes Angebot an
Hospizeinrichtungen zur Verfügung stehen. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Hohes Haus! In der
Pensionsdiskussion
werden richtigerweise immer wieder zwei Bevölkerungstrends
hervorgehoben: Leider nimmt die Zahl der Geburten ab – trotz einer
erfreulichen Trendwende in Österreich im Vorjahr –, und die Zahl älterer
Menschen nimmt zu. Immer weniger Kinder und immer mehr Senioren bedeuten aber
einen dramatischen Wandel im Verhältnis zwischen den Berufstätigen und den
Pensionisten. Kommen heute zwei Beschäftigte auf einen Rentner, so könnte
dieses Verhältnis laut Berechnungen in wenigen Jahrzehnten so lauten, dass ein
aktiv Beschäftigter die gesamte Pension eines Pensionisten bestreiten müsste.
Diese Entwicklung
macht deutlich, dass in unserem umlagefinanzierten Pensionssystem immer weniger
Erwerbstätige immer mehr Pensionisten finanzieren müssen. Und da tut sich eine
enorme Gerechtigkeitslücke auf. Wir müssen den jungen Menschen eine echte,
gerechte Chance auf eine existenzsichernde Pension im Alter geben, und dazu
werden wir eine Pensionssicherungsreform umsetzen, die diesen Namen auch
wirklich verdient. Dabei soll niemand verunsichert werden. Mit der neuen
betrieblichen Zusatzpension, der Mitarbeitervorsorge, dem attraktiven privaten
Vorsorgemodell bauen wir in Österreich gerade die zweite und dritte Säule der
Alterssicherung auf. Und all dies muss im Gesamtkontext gesehen werden. –
Dieser Kurs ist richtig, und diesen Kurs werden wir fortsetzen. (Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Sburny: Das ist zynisch!)
Unsere konkreten
Reformprojekte:
Noch in dieser
Legislaturperiode soll ein einheitliches Pensionsrecht für alle
Österreicherinnen und Österreicher eingeführt werden. Das bedeutet: keine
Privilegien mehr, dafür aber klare, transparente Regeln: beitragsorientiert,
fair und nachvollziehbar – ein individuelles Pensionskonto.
Dazu kommt die
Einführung einer Mindestpension für jene allein stehenden bedürftigen und alten
Menschen, die nach Erreichen des Regelpensionsalters von der Sozialhilfe
abhängig sind. – Ein ganz wichtiger Schritt im Kampf gegen die Armut.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 28 |
Die Anhebung des
Zugangsalters zur vorzeitigen Alterspension war im Grundsatz bei den Verhandlungen
mit allen politischen Parteien außer Streit und wird auch von allen Experten
für notwendig gehalten. Wir wollen diesen Weg behutsam und sorgfältig gehen.
Wir beginnen Anfang 2004, und erst Anfang 2010 wird das
Pensionsantrittsalter – ausgenommen Pension bei Krankheit oder
Invalidität –, wie im Gesetz vorgesehen, bei 60 beziehungsweise
65 Jahren liegen. Gleichzeitig gibt es besondere Regelungen für Personen
mit langer Versicherungsdauer.
Gleichzeitig –
weil es in den Medien immer anders steht, betone ich das: gleichzeitig! –
tritt ein umfangreiches Begleitpaket für den Arbeitsmarkt
zur Hilfe für die älteren Mitarbeiter in Kraft. Qualifikationsoffensiven und
die bedarfsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes sind dabei ebenso inbegriffen
wie eine spürbare Lohnnebenkostensenkung für Ältere – über
10 Prozent bei manchen Jahrgängen –, und zwar sowohl auf Dienstgeber-
als auch auf Dienstnehmer-Seite.
Eine schrittweise
Anhebung des Durchrechnungszeitraumes und eine Anpassung des Steigerungsbetrages
werden den Versicherungscharakter stärken. Diesem Ziel dient auch der Ausbau
des Bonus/Malus-Systems.
Die Invaliditäts-,
Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitspension sollen überarbeitet werden.
Auch diese Pensionen müssen den Bedürfnissen der neuen Arbeitswelt angepasst
werden.
Die Forderung nach
fairen Chancen für die Teilhabe an unserer Gesellschaft stellt sich auch für Menschen
mit Behinderungen, und gerade das „Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen
2003“ nehmen wir erneut zum Anlass, um hier ihre Themen zu diskutieren.
Wir stehen für den
gleichen Zugang aller Menschen zu Leistungen in allen Lebensbereichen. Wir
wollen die soziale und berufliche Integration vertiefen und ein barrierefreies
persönliches Umfeld schaffen. Ein Bundesbehinderten-Gleichstellungsgesetz wird
erarbeitet, alle gesetzlichen Bestimmungen werden auf Diskriminierungen hin
überprüft und angepasst. Bei Um- und Neubauten im öffentlichen Bereich werden
wir eine barrierefreie Nutzung sicherstellen. Gehwege sollen österreichweit
behindertengerecht gestaltet werden. – Meine Damen und Herren! Hier ist
auch der Tourismus gefordert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zukunft braucht:
solide Staatsfinanzen.
Die Prinzipien
dieser Regierung – Sicherheit, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit –
gelten natürlich auch als Leitlinien unserer Budgetpolitik. Wir haben schon in
den letzten drei Jahren gezeigt: Diese Regierung steht für gesunde Staatsfinanzen. Wir haben mit der alten Schuldenpolitik Schluss
gemacht.
2001 wurde
erstmals ein Nulldefizit erreicht. 2002 hatten wir trotz Konjunkturflaute und
Hochwasserkatastrophe ein ausgezeichnetes Ergebnis. Wir wollen mit einer
verantwortungsvollen Finanzpolitik sicherstellen, dass die Zukunft der jungen
Menschen nicht von Schuldenbergen verstellt ist, denn es gibt nichts
Unsozialeres, als Schulden zu Lasten der nächsten Generation zu machen. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Die Abgeordneten Mag. Wurm und Eder: Eurofighter!)
Wir werden daher
bis 2006 die Abgabenquote auf 43 Prozent senken, und zwar durch zwei
Steuersenkungen. Im Jahr 2010 soll sie dann 40 Prozent betragen.
Unsere Ziele:
Im Vordergrund steht eine deutliche steuerliche Entlastung. Sie wird ein Volumen von rund 3 Milliarden € umfassen und in zwei Etappen durchgeführt. Die erste Phase beginnt am 1. Jänner 2004 und bringt eine Nettoentlastung von 500 Millionen, 600 Millionen €. Durch eine vollständige Steuerfreistellung von Brutto-Jahreseinkommen von knapp 14 500 € werden 200 000 Österreicherinnen und Österreicher von der Steuerzahlung befreit. Dazu kommt eine Lohnnebenkostensenkung für ältere Arbeitnehmer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 29 |
Eine ökologische Steuerreform bedeutet eine maßvoll höhere Besteuerung des Energieverbrauchs bei gleichzeitiger Entlastung des Faktors Arbeit – genau das, was viele immer gefordert haben. Das schafft Arbeitsplätze und entspricht genau den ökosozialen Zielen der EU-Staaten.
Mit der Einführung
einer begünstigten Besteuerung nicht entnommener Gewinne – konkret die
Einführung des halben Steuersatzes, mindestens aber 20 Prozent – wird
eine Forderung des Mittelstandes erfüllt.
Die zweite Etappe
der Steuerreform im Jahr 2005 wird eine noch größere steuerliche Entlastung
bringen sowie eine Vereinfachung und mehr Transparenz. Insgesamt sind diese
beiden Reformetappen die größte Steuersenkung der letzten
Jahrzehnte. – Wir sind dazu bereit. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Den Spielraum dazu
holen wir uns durch die Fortführung der Verwaltungsreform, die Bekämpfung der
Schwarzarbeit und die Überprüfung von nicht mehr notwendigen Bundesausgaben.
Durch
Steuersenkungen wird die Kaufkraft der Bevölkerung erhöht und ein wichtiger
Wirtschaftsimpuls gesetzt. Die vereinbarten Maßnahmen werden das
Wachstumspotential stärken und zu mehr Gerechtigkeit, aber auch zu mehr
ökologischer Orientierung beitragen.
Hohes Haus! Diese
Bundesregierung tritt an, einen eigenständigen österreichischen
Weg zu formulieren. Die Zeiten sind vorbei, dass wir uns an anderen orientieren
können oder sollen, etwa an Deutschland. Wir sollen einen eigenen Weg gehen,
der vielleicht auch Vorbild für andere wird.
Wer immer nur in
die Fußstapfen anderer tritt, wird niemanden überholen!
Unser Ziel heißt,
im Jahr 2010 unter die drei besten Länder Europas vorzustoßen.
Und dazu müssen wir uns jetzt auf den Weg machen. (Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Dieser Weg, meine
Damen und Herren, liebe Österreicherinnen und Österreicher, wird vielleicht
nicht immer ganz einfach sein – er wird manchem Opfer abverlangen, er wird
manch neue Herausforderung ansprechen –, aber das Ziel ist es wert.
Gehen Sie mit! Es
lohnt sich! (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
10.21
Präsident
Dr. Andreas Khol: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler
für seine Ausführungen.
Wir gehen in die
Debatte über die Regierungserklärung ein.
Herr Abgeordneter
Dr. Gusenbauer hat sich zu Wort gemeldet. Seine Redezeit wird wunschgemäß
auf 20 Minuten eingestellt. – Bitte, Herr Abgeordneter.
10.22
Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Mitglieder der
Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte damit
beginnen, klarzustellen, dass es in einer Reihe von Punkten, die der Herr
Bundeskanzler genannt hat, durchaus Übereinstimmung gibt. Ich glaube, wir
sollten am Beginn dieser neuen Regierungsperiode klarstellen, dass das
wichtigste Projekt für die Zukunft unseres Landes, das wir hoffentlich im
Parlament im Konsens tragen werden, die Erweiterung der Europäischen
Union sein wird und wir alle gemeinsam hier im Hohen Hause zu
diesem Projekt stehen und es auch für Österreich verwirklichen werden. (Beifall
bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der Freiheitlichen und der Grünen.)
Ich möchte auch
nicht verhehlen, dass sich in einzelnen Aspekten der Regierungserklärung
Ansätze wiederfinden, die Gegenstand der Diskussion während der
Wahlauseinandersetzung waren, die auch Gegenstand jener Gespräche waren, die im
Vorfeld dieser Regierungsbildung stattgefunden haben. Es gibt ein eindeutiges
Ja zu einzelnen dieser Aspekte.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 30 |
Wenn nun die
Krankenversicherungsbeiträge für Arbeiter und Angestellte gleichgestellt
werden, so ist das ein positiver Schritt in die richtige Richtung. Wenn für die
Behinderten in unserem Land mehr getan wird im „Jahr der Behinderten“, so ist
das auch ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.
Wenn wir gemeinsam
versuchen, die Herausforderungen der wirtschaftlichen Modernisierung und des
Wettbewerbs in Österreich wahrzunehmen, so sind hierin auch Aspekte enthalten,
die ich für absolut richtig erachte.
Wenn einer der
Hauptfehler der vergangenen Legislaturperiode im gesellschaftspolitischen Bereich,
nämlich die Beseitigung des Frauenministeriums, jetzt endlich korrigiert und
wieder ein Frauenministerium eingeführt
wird, so wird es von Seiten der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion dafür
auch die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Ellmauer.)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat aber auch darauf hingewiesen,
dass man aussprechen solle, was ist. – Dabei sollte man bitte nicht in den
Fehler verfallen, immer nur über einen Teil
der Realität zu sprechen und einen anderen Teil auszublenden. Mit Sicherheit
ist es so, dass Österreich zu den besten Wirtschaftsstandorten in Europa
gehört, aber nichtsdestotrotz, Herr Bundeskanzler, ist die Zahl der
Jugendlichen ohne Arbeit in
den letzten Jahren gestiegen, ebenso die der Älteren in unserem Lande, die
keinen Arbeitsplatz haben. Und obwohl die österreichischen Arbeitnehmer zu den
fleißigsten in ganz Europa gehören – nur so ist die hohe
Produktivitätssteigerung zu erklären –, bekommen die österreichischen
Arbeitnehmer netto Kassa dafür die geringsten
Zuwächse in ganz Europa.
Wenn Sie, Herr
Bundeskanzler, sagen, es solle ein Ziel sein, dass Österreich im Jahr 2010
zu den drei besten Ländern gehört, so sind sicher alle bereit, dem zuzustimmen,
aber es stellen sich dabei schon folgende Fragen: Für wen sollen wir die Besten
sein? Und: Wem soll es am besten gehen?
Wenn Sie sagen,
dass die österreichischen Arbeitnehmer ihren gerechten Anteil an der höheren
Wertschöpfung bekommen sollen und damit im Jahr 2010 Nummer drei in Europa
sein sollen, kann ich zustimmen, Herr Bundeskanzler, aber ein abstraktes Ziel,
das niemandem nützt, hilft auch niemandem, meine Damen und Herren! (Beifall
bei der SPÖ.)
Wenn ich in diesem
Zusammenhang Ihre Reformvorschläge, die Sie uns heute unterbreitet haben,
prüfe, so entsteht bei mir schon manchmal der Eindruck: Es steht zwar „Reform“ drauf, aber bei
genauerem Hinschauen ist eigentlich nur Belastung
drinnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Sie, Herr
Bundeskanzler, haben auch über die Sicherung der Pensionen gesprochen –
das ist eine der wesentlichen Herausforderungen für Österreich –, und wenn
man Ihnen genau zugehört hat, hat man bemerkt, dass es da eine erhebliche
Veränderung geben soll. Bisher sind wir in Österreich davon ausgegangen, dass
der älteren Generation eine Pension zukommt, die existenzsichernd und lebensstandarderhaltend sein
soll. – In Ihrer heutigen Regierungserklärung jedoch, als Sie über die
Pensionen der künftigen Generation gesprochen haben, war in diesem Zusammenhang
nur mehr von „existenzsichernd“ die Rede. Das bedeutet doch nichts anderes, als
dass die heute aktive Generation von Arbeitnehmern zwar Beiträge einbezahlt,
die sowohl zur Existenzsicherung als auch zur Lebensstandardabsicherung
beitragen, aber die heute aktive Generation in Zukunft nur mehr eine Pension
erhalten wird, die existenzsichernd
ist.
Was bedeutet denn
das anderes, meine sehr verehrten Damen und Herren, als eine drastische Kürzung der Pensionen
für jene Menschen in Österreich, die heute durch ihre tägliche Arbeit dieses
System aufrechterhalten? – Das hat doch nichts mit Reform zu tun, sondern
stellt eine Belastung auf Kosten künftiger Generationen dar, meine Damen und
Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 31 |
Wenn es um eine
Reform im Pensionssystem geht, so kann man sich doch nicht damit begnügen,
irgendwann in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Pensionssystem
einzuführen, das irgendwann im Jahr 2030 oder 2033 endgültig wirksam wird.
Mit einer solchen Vorgangsweise werden die Pensionen in den nächsten
Jahrzehnten nicht zu sichern
sein!
Jene Maßnahmen,
die Sie, Herr Bundeskanzler, heute genannt haben, sind Maßnahmen, die unter
Umständen die Finanzierungslücke im Jahr 2006 schließen, aber nicht darüber hinausgehend. Und
Sie machen denselben Fehler, den Sie bereits im Jahr 2000 gemacht haben:
Sie sprechen von „langfristiger Pensionssicherung“ und setzen Maßnahmen, die
einen Teil der Bevölkerung erheblich belasten, aber eine weitere Reform im
Jahr 2006 notwendig machen. Und das ist wirklich keine Reform, sondern
reine Belastungspolitik,
meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich glaube, wenn
wir offen über Fragen wie Generationensolidarität diskutieren – Sie, Herr
Bundeskanzler, haben über „lebendige Solidarität“ gesprochen, die es Ihrer
Meinung nach erst im Jahr 2010 geben soll; ich würde den Anspruch stellen,
dass wir diese Solidarität schon heute verwirklichen sollten –, dann
müssen wir doch auch zur Kenntnis nehmen, dass es heute in Österreich Menschen
gibt, die über sehr, sehr hohe Pensionseinkommen verfügen – über viel,
viel mehr, als überhaupt ein „normaler“ Angestellter oder Arbeiter jemals
erreichen könnte.
Wenn es um eine gerechte Reform des Systems
geht, dann ist es doch nur recht und billig, auch von jenen einen Beitrag
einzufordern, die heute über ganz hohe Pensionen verfügen. Es würde einem
pensionierten Minister oder Staatssekretär kein Stein aus der Krone fallen,
wenn er heute einen Solidaritätsbeitrag leistete, damit die Pensionen heute und
auch in Zukunft gesichert sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Lassen Sie mich
einen zweiten Bereich nennen, wo Sie über Reformen sprechen. Sie sagen, die
Schulen sind die Stätten, wo die Zukunft unseres Landes stattfindet, wo es jene
jungen Talente gibt, die die Zukunft unseres Landes gestalten werden.
Ich gebe Ihnen
Recht, aber ich stelle die Frage: Was wird für die künftigen Talente unseres
Landes gemacht? Für mich sind Talente nicht nur jene, die in einem oder in
vielen Bereichen überdurchschnittlich sind. Ich bin der Meinung, Österreich
kann auf überhaupt niemanden verzichten – egal, ob die schulische
Leistung eine unterdurchschnittliche oder überdurchschnittliche ist. Aber ich
stelle Ihnen die Frage: Was machen Sie für diese Menschen?
Wenn wir heute
feststellen, dass wir auf dem zehnten Platz in der Welt liegen, während unsere
Bildungsausgaben an der Spitze liegen, dann stelle ich die Frage: Wo ist hier
die Zielsetzung, dass Österreich ein Bildungssystem möchte, das uns von
Platz 10 auf Platz 1 führt? Wo sind die Maßnahmen, dass über
Ganztagsschulen auch eine individuelle Begabungsförderung möglich ist? Wo sind
die Vorschläge für eine echte
Bildungsreform, die eine neue Schule des 21. Jahrhunderts begründen
würden?
Herr
Bundeskanzler! Ich habe den Eindruck, auch in diesem Bereich sind Ihre
Vorschläge weder nachhaltig noch mutig, sondern in erster Linie kurzfristig
ausgerichtet, interessenpolitisch und mutlos. Das sind nicht die Reformen, die wir für Österreich brauchen, meine
Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Sie haben mit
Recht darauf hingewiesen, dass wir uns in einer wirtschaftlich schwierigen
Situation befinden. Und meine Frage ist: Was wird in dieser wirtschaftlich
schwierigen Situation getan?
Sie verweisen
wieder auf das Jahr 2005 und sagen, im Jahr 2005 kommt auf einmal
durch eine große Steuerreform der große Segen über die Österreicherinnen und
Österreicher.
Nun, ich möchte
Sie daran erinnern: Am Beginn des Jahres 2000 sind Sie hier gestanden und
haben gesagt: Am Anfang sind jetzt die starken Einschnitte notwendig, damit es
das Nulldefizit gibt, und am Ende der Legislaturperiode wird es eine ganz große
Steuerreform geben, wo dann die Ernte eingefahren wird. (Abg. Dr. Fischer: Zeit der Ernte!)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 32 |
Nun, wir sind im
Jahr 2003. Das wäre das Ende der letzten Legislaturperiode gewesen. Und
worin besteht die Ernte? – Die Ernte besteht darin, dass Sie sich wieder
herstellen und neue Belastungen
für die Österreicherinnen und Österreicher verkünden und wieder darauf verweisen:
Aber am Ende wird die Ernte kommen. – Nun, meine Damen und Herren, wenn
die Ernte in immer neuen Belastungen besteht, dann wird sich die
österreichische Bevölkerung schön bei Ihnen bedanken, Herr Bundeskanzler. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Es stellt sich
überhaupt die Frage, ob dieser Kurs, den Sie hier vorstellen,
wirtschaftspolitisch richtig ist. Ist es nicht notwendig, dass Staat und
Gesellschaft in Zeiten, in denen sich die Wirtschaft nicht so dynamisch
entwickelt, jene Aktivitäten setzen, die dafür sorgen, dass die Wirtschaft
angekurbelt wird, etwa im Bereich der Infrastruktur, im Bereich der Verstärkung
der Nachfrage durch die Bevölkerung, im Bereich von Forschung und Entwicklung?
Wir sollten doch nicht warten, bis sich die Wirtschaft von selbst irgendwann
erholt, um dann zu irgendeiner Art von Verteilung zu kommen. Staatliche und
politische Verantwortung besteht doch darin, in Zeiten, in denen die
Wirtschaft Hilfe braucht, diese Hilfe zu geben. Dies wäre jetzt, im
Jahr 2003, und nicht im
Jahr 2005 notwendig, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall
bei der SPÖ.)
Wenn Sie die
soliden Staatsfinanzen ansprechen, dann muss ich sagen: Ich bin höchst erstaunt!
Was heute hier stattgefunden hat, war, mit schönen Worten das Ziel des Nulldefizits
zu begraben, und zwar letztendlich
zu begraben, denn wenn man sich das ansieht, was Sie im Regierungsabkommen
ausgemacht haben, dann sieht man, dass dort nichts anderes drinsteht, als dass
selbst in den Jahren 2005 oder 2006, in denen Sie damit rechnen, dass die
Wirtschaft sich wieder gut entwickeln wird, die Defizite nicht nach unten gehen
werden, sondern das Gegenteil der Fall ist. Selbst in jenen Zeiten, in denen
Sie eine wirtschaftlich gute Lage prognostizieren, werden nach Ihren
Vorstellungen die Defizite wieder nach oben gehen.
Da stelle ich,
meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage: Worin besteht der Sinn einer solchen
Vorgangsweise? Wir waren uns im Hohen Haus doch immer einig darüber, dass man
danach trachten soll, der Wirtschaft in wirtschaftlich schlechten Zeiten zu
helfen und in wirtschaftlich guten Zeiten das Budget zu konsolidieren. Wenn
Sie aber nun nicht einmal für wirtschaftlich gute Zeiten ein Nulldefizit
vorsehen, dann frage ich: Wann soll es denn dann kommen?
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Was in diesem Regierungsübereinkommen festgehalten
ist, das ist der Abschied vom Nulldefizit und von einer soliden Finanzpolitik
und bedeutet neue Schulden für die Zukunft! (Beifall bei der SPÖ.)
Sie haben auf
einige Aspekte von Reformen der letzten Legislaturperiode hingewiesen, unter
anderem auf die Zukunft der Universitäten. Die Zukunft der Universitäten ist
mit Sicherheit von entscheidender Bedeutung für das Bildungs- und
Forschungsniveau unseres Landes und daher ganz entscheidend für das, was wir
als Zukunftssicherung bezeichnen.
Aber glauben Sie
wirklich, dass, wenn Sie einzelne Ewiggestrige in die Universitätsräte entsenden,
mit solchen Leuten die Zukunft unseres Landes zu gewinnen ist? – Ich
glaube das nicht, Herr Bundeskanzler und meine sehr verehrten Damen und Herren!
(Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Daher muss ich
Ihnen sagen: Ich habe den Eindruck, bei dem, was Sie als Reform bezeichnen –
man könnte das noch in vielen anderen Bereichen belegen –, findet sich
immer das Wort Reform, aber der Inhalt ist meistens Belastung. Ich habe den
Eindruck, Sie schrecken vor den wirklichen, grundsätzlichen Reformen, die unser Land benötigt,
zurück.
Der Grund dafür ist ein ganz einfacher: Jeder in Österreich würde sich ja fragen, wieso nach zweieinhalb Jahren des Kabinetts Schüssel I auf einmal so ein enormer Reformbedarf vorhanden ist. Was hat die letzte Regierung zweieinhalb Jahre lang gemacht, wenn gerade jetzt dieser enorme Reformbedarf besteht? Und natürlich würden die Menschen mit Recht sagen: Offen-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 33 |
sichtlich
waren die letzten zweieinhalb Jahre, was den Reformcharakter betrifft, nicht so
glorreich, wenn jetzt so ein Reformstau besteht.
Aber wenn schon
dieser Reformstau besteht, dann stelle ich die Frage: Warum sind Sie so mutlos
in der Pensionsreform und wollen nicht jetzt bereits ein einheitliches
Pensionssystem für alle einführen? Wieso sind Sie so mutlos in der
Bildungsreform und wollen nicht eine moderne Schule des 21. Jahrhunderts
schaffen? Wieso sind Sie so mutlos in der Gesundheitsreform und erhöhen nur die
Versicherungsbeiträge und lassen die Strukturreformen im Unklaren bestehen?
Wieso sind Sie so mutlos im Bereich einer modernen
Staatsreform, die dazu führen würde, dass nicht nur einzelne Kompetenzen hin-
und hergeschoben werden, sondern wirklich ein moderner Staat in einem modernen
Europa des 21. Jahrhunderts entstehen könnte? Wo ist Ihr Mut, Herr
Bundeskanzler, der heute so dringend gebraucht worden wäre? (Beifall bei der
SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wissen Sie,
manchmal hat man, wenn man Ihnen so zuhört und Sie das darstellen – und
ich muss ja durchaus sagen: Ein Teil der Punkte, auf die ich hingewiesen habe,
klingt durchaus vernünftig, und es gibt auch einige Punkte, wo wir in der Tat
übereinstimmen –, den Eindruck: Was gewiss ist, das sind die Belastungen.
Was noch im Ungewissen liegt, sind dann die in der Folge wolkig angekündigten
Reformen.
Auch wenn Sie über
ökologische Nachhaltigkeit reden, ist auffällig: Fix ist die Erhöhung der
Spritpreise. Aber worin der ökologische Charakter einer Reform bestehen soll,
das bleibt offen.
Was in erster
Linie einmal fix ist, ist, dass alle Österreicherinnen und Österreicher für den
Diesel mehr bezahlen und die Bauern weniger – was für die Bauern
sicherlich ganz nett ist.
Aber worin der
ökologische Charakter einer solchen Maßnahme bestehen soll, wenn Sie über
Nachhaltigkeit sprechen, das haben Sie uns heute nicht vermitteln können, Herr
Bundeskanzler.
Oft hat man den
Eindruck, das, was Sie als Reform bezeichnen, ist eine ziemlich mutlose
Interessenvertretungspolitik. Diese wird Österreich nicht weiterbringen. (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Mit Recht werden
Sie darauf verweisen, dass man nicht alle Probleme am ersten Tag einer neuen
Regierung mit einer Regierungserklärung lösen kann. Und ich stimme Ihnen zu. Es
liegt eine Legislaturperiode vor uns, von der wir nicht wissen, wie lange sie
dauern wird und wie stabil die Zusammenarbeit sein soll. Ich gehe einmal davon
aus, wir richten uns auf eine Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem
Parlament für die nächsten Jahre ein.
Dabei gibt es eine
Reihe von Reformen, bei denen Sie ganz genau wissen, dass Sie zumindest die
breite Zustimmung des Nationalrats brauchen werden, nämlich eine Zweidrittelmehrheit.
Und ich sage glasklar am Tag dieser Debatte zur Regierungserklärung: Wenn es so
ist wie in der letzten Legislaturperiode, dass die Regierung nur versucht, über
das Parlament drüberzufahren, dann wird es keine Partnerschaft geben. Wenn es aber einen tatsächlichen
Dialog über Reformen gibt, die im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit
brauchen, und dieser Dialog auch zu einer Partnerschaft zwischen Parlament und
Regierung führt, dann werden wir Sozialdemokraten bereit sein, mit der
Regierung über diese Reformen zu diskutieren, mit ihr zusammenzuarbeiten und
auch zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Es wird an Ihrer Regierung liegen, Herr
Bundeskanzler, ob Sie Abstand nehmen vom alten schlechten Stil der alten
schwarz-blauen Regierung und zu einem neuen Stil, zu einem neuen Umgang mit dem
Parlament finden. Wir sind zu dieser konstruktiven Zusammenarbeit bereit. (Lebhafter
Beifall bei der SPÖ.)
10.42
Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr
Abgeordneter Mag. Molterer. Die Uhr ist für ihn auf 20 Minuten
eingestellt. – Bitte, Herr Magister.
10.43
Abgeordneter Mag. Wilhelm Molterer (ÖVP): Verehrter Herr Bundespräsident! Herr Präsident des Nationalrates! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Liebe Mitglieder der österreichischen
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 34 |
Bundesregierung! Namens des Klubs der Österreichischen
Volkspartei möchte ich Ihnen, liebe Mitglieder der Bundesregierung, zur
Angelobung alles Gute wünschen. Ich wünsche Ihnen viel Glück, ich wünsche Ihnen
den Erfolg, der auf Basis dieses exzellenten Arbeitsübereinkommens für
Österreich gegeben ist.
Meine Damen und
Herren! Am 24. November hat Österreich gewählt, und die Österreicherinnen
und Österreicher haben sehr klare Signale gegeben. Einerseits haben sie gesagt:
Ja, wir wollen in Österreich Veränderung, wir wollen in Österreich Reform, wir
wollen in Österreich den Blick nach vorne richten!, weil die Menschen in diesem
Lande ein sehr gutes Gespür für das, was notwendig ist, haben. Sie wollen,
dass über das Notwendige entschieden wird. Das ist der Wille der Wähler vom
24. November, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Es ist am
24. November auch klar gemacht worden, dass die Österreicherinnen und
Österreicher die Österreichische Volkspartei als führende Kraft in diesem Land
wollen. Sie haben uns die Verantwortung in die Hand gegeben und klar gesagt,
sie wollen Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler einer neuen Bundesregierung,
der mit ruhiger und sicherer Hand das Land in eine gute Zukunft führt. (Beifall
bei der ÖVP.)
Und, meine Damen
und Herren, die Österreicherinnen und Österreicher haben der Österreichischen
Volkspartei drei Optionen für die Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung in
die Hand gegeben. Wir haben daher in hoher Verantwortung für das Land, in hoher
Verantwortung für die Zukunft Österreichs in den letzten Monaten mit allen im
Nationalrat vertretenen Parteien intensiv über die Bildung einer
Bundesregierung verhandelt.
Diese
Verhandlungen haben auch Klarheit gebracht. Sie haben einerseits Klarheit
gebracht – und das halte ich für positiv –, Herr Abgeordneter
Gusenbauer, dass eigentlich eine Art Grundkonsens hier im Parlament zwischen
den politischen Parteien gegeben ist: Ja, es ist notwendig, Dinge zu verändern.
Ja, es ist notwendig, die Budgetkonsolidierung fortzusetzen. Ja, es ist notwendig,
eine Pensionssicherungsreform zu machen. Ja, es ist notwendig, Veränderungen im
Gesundheitssystem zu setzen. Ja, es ist notwendig, die Bundesstaatsreform, die
Staatsreform umzusetzen. Ja, es ist notwendig, in der Verwaltung für Effizienz
zu sorgen.
Und, meine Damen
und Herren, Hohes Haus, ich halte das für einen Fortschritt, für einen
substantiellen Fortschritt deshalb, weil wir auf einer Art gemeinsamer Basis
aufbauen können: Was tut Not für unser Land?
Diese
Verhandlungen und diese Gespräche haben aber auch eine zweite Klarheit
gebracht: Sie haben klar gemacht, wer in diesem Land tatsächlich bereit ist,
Verantwortung zu übernehmen, wer in diesem Land tatsächlich auch bereit ist,
die Reformen zu tragen, wer in diesem Land tatsächlich zu Entscheidungen und zu
Veränderungen bereit ist und auch den Mut dazu hat. (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen. – Abg. Sburny: Und alle Grundsätze über den
Haufen zu werfen!)
Herr Abgeordneter
Gusenbauer, ich muss Ihnen schon sagen: Wenn Sie heute hier stehen und sagen,
Sie fordern die großen Reformen ein, und wenn Sie heute hier stehen und sagen,
Sie fordern den Mut ein, dann frage ich Sie: Hat Sie der Mut verlassen? (Beifall
bei der ÖVP.)
Herr Abgeordneter
Gusenbauer, haben Sie sich nicht am Ende dieses Prozesses für den einfacheren,
aus Ihrer Sicht vielleicht einfacheren Weg entschieden? Haben Sie sich nicht
dafür entschieden, in Opposition zu bleiben? Und haben Sie damit nicht
eigentlich die Interessen der Partei, der Sozialdemokratie, vor die Interessen
Österreichs gestellt?
Meine Damen und
Herren von den Grünen, auch zu Ihnen. Wir haben intensive Verhandlungen
geführt. Auch bei Ihnen, Herr Kollege Van der Bellen, hatte ich den Eindruck,
dass Sie eigentlich Interesse und Bereitschaft hatten, dass Sie aber trotz
dieses Wollens einfach nicht konnten, und zwar deswegen nicht konnten, weil
einfach wesentliche Gruppierungen und Teile der Grünen, vor allem der so
genannten grünen Basis, die ja in Wahrheit die Funktionärsbasis ist, diesen Weg
nicht mittragen wollte und nicht mittragen konnte.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 35 |
Genauso klar ist
in diesen Verhandlungen geworden, dass wir mit der Freiheitlichen Partei
Österreichs ein mutiges, ein zukunftsorientiertes Programm, ein
Arbeitsübereinkommen mit klaren Zielsetzungen, mit einer guten Zukunft für
Österreich, mit einer Zukunft, die nachhaltig und gerecht gestaltet wird,
vorlegen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Dafür haben wir
den klaren Auftrag der Wählerinnen und Wähler. Dafür haben die Österreichische
Volkspartei und auch die Freiheitliche Partei Österreichs die Bereitschaft zur
Verantwortung übernommen. Ja, wir sind bereit, Verantwortung für Österreich zu
übernehmen, und wir haben den klaren Willen und den Mut, auch in schwierigen
Zeiten diese Verantwortung einzusetzen, Veränderungen vorzunehmen und die
Entscheidungen für Österreich zu treffen, notwendige, richtige und gute
Entscheidungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Wir bauen dabei
auf auf der wirtschaftlichen Stärke unseres Landes, wir bauen auf auf der
Leistungskraft der ArbeitnehmerInnen und Unternehmer in diesem Lande, der
Arbeitnehmer und der Bauern.
Wir bauen auf auf
einem hohen Niveau von sozialer Sicherheit, auf einem hohen Standard der
Lebensqualität in unserem Land und auf einem hohen Standard von Sicherheit für
unsere Mitbürger in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten
der Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Wir wissen aber auch sehr genau, wo uns der Schuh drückt. Wir wissen,
dass wir viel zu tun haben, etwa im Bereich der Dynamisierung der Wirtschaft
und des Standortes, etwa in der Zielsetzung der Sicherung von Vollbeschäftigung
für unsere Menschen in Österreich, weil wir die Sorgen von Jung und Alt auf dem
Arbeitsmarkt kennen. Wir wissen selbstverständlich auch, dass wir im Bereich
der langfristigen Sicherung der Altersvorsorge für Alt und Jung entsprechende
Impulse setzen müssen – genauso wie für Frauen, genauso etwa mit neuen
Instrumenten wie der Schaffung des Rechts auf Teilzeitarbeit für Eltern, aber
auch für Menschen, die es in unserer Gesellschaft nicht leicht haben.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Daher ist aus Sicht der Österreichischen Volkspartei
dieses Arbeitsübereinkommen die solide Grundlage, nicht nur die
Arbeitsgrundlage, sondern die Zukunftsgrundlage. Warum? – Weil wir mit
diesem Übereinkommen ein klares Ja zu Europa sagen, weil Europa für uns, für
Österreich die Zukunftschance schlechthin ist. Wir wollen die
Chance Europa ergreifen, die volle Teilnahme an allen Integrationsschritten in
der Europäischen Union. Wir akzeptieren zu 100 Prozent und unterstützen
zu 1 000 Prozent die Erweiterung der Europäischen Union, weil sie
unsere Chancen für die Zukunft vermehrt. Wir werden Österreich mit seinen
Interessen auch aktiv im Konvent einbringen, um sicherzustellen, dass die
wichtigen österreichischen Anliegen wie etwa nukleare Sicherheit, Wasser oder
etwa auch historische Fragestellungen wie im Zusammenhang mit Beneš auch in der Europäischen Union
berücksichtigt werden.
Wir sagen ja
zu einer umfassenden und substantiellen Staats- und Verwaltungsreform. Wir
werden das sehr grundlegend angehen, meine Damen und Herren. Die erste Frage
wird sein: Was macht der Staat? Welche Aufgaben soll er eigentlich im Interesse
der Bürger übernehmen, und was soll er eigentlich nicht mehr tun? Die zweite
Frage wird sein: Wer macht es im Staat, wer kann es am besten, am
bürgernähesten, am billigsten, im Interesse der Subsidiarität möglichst auf
der untersten Ebene? Und wir werden die Frage beantworten: Wie macht es der
Staat? – Modern, billig und effizient. Das Ziel ist, dem Bürger zu dienen
und Steuergeld zu sparen.
Meine Damen und Herren! Selbstverständlich werden wir die Pensionssicherungsreform umsetzen. Herr Kollege Gusenbauer: Wenn Sie sagen, es bestehe Grundkonsens, dass wir Pensionen für Alt und Jung sichern müssen, dann meine ich: Da können Sie doch nicht auf halbem Wege stehen bleiben! Wir bieten die Perspektive für eine langfristige Orientierung mit einem einheitlichen Pensionsrecht für alle. Das ist fair und gerecht. Wir scheuen uns nicht, die kurzfristig notwendigen Maßnahmen jetzt zu setzen, in dieser Legislaturperiode umzusetzen und selbstverständlich dabei auch auf die älteren Arbeitnehmer, auf die Notwendigkeiten des
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 36 |
Arbeitsmarktes, der Frauen beispielsweise, in besonderer
Weise einzugehen, genauso wie wir uns vornehmen, Mindestpensionen für Menschen
zu schaffen, die diese in ihrem Erwerbsleben nicht in ausreichendem Maße selbst
erwirtschaften konnten. Unser Ziel heißt, eine starke erste Säule zu haben und
die Alterssicherung durch eine bessere zweite und dritte Säule zu ergänzen,
meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Wir wollen und
werden weiterhin stabile Staatsfinanzen für die Österreicherinnen und Österreicher
garantieren. Der erfolgreiche Weg wird fortgesetzt. Herr Kollege Gusenbauer,
wiederum: Wenn Sie hier die Frage des Nulldefizits ansprechen, dann meine ich,
dass viele Menschen in Erinnerung haben, welche Wendungen Sie zu diesem Thema
in den letzten Monaten gemacht haben. Einmal haben Sie gesagt, es sei ein
wirtschaftspolitisch völlig unverantwortliches Ziel, und wenige Wochen später
wollten Sie es in der Verfassung verankern. Bei Ihnen weiß man nicht so ganz,
wie Sie es haben wollen. Wir wissen, was wir wollen! (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Wir wollen eine
solide Haushaltsführung, und wir wollen eine Entlastung der Bürgerinnen und
Bürger, der Wirtschaft, der Steuerzahler, und zwar, Herr Kollege Gusenbauer,
nicht ab dem Jahr 2005, sondern wir beginnen im Jahr 2004. In Ihrem
Kalender hat es zwischen 2003 und 2005 offensichtlich eine Lücke gegeben. Ich
fülle sie. Der erste Schritt der Entlastung für die kleineren Einkommen erfolgt
im Jahr 2004. Wir stellen Einkommen bis 14 500 € steuerfrei, wir
senken die Lohnnebenkosten, und wir werden auch für die Wirtschaft
entsprechende Perspektiven bieten.
Meine Damen und
Herren! Selbstverständlich sind im Bereich der Bildungspolitik Qualitätsorientierung,
Fortsetzung der notwendigen Umstrukturierung im Universitätsbereich und die
Entlastung der Schüler das Ziel. Wir investieren in Forschung und
Entwicklung – etwa 600 Millionen € in dieser
Legislaturperiode –, weil in Forschung und Entwicklung für die Betriebe
und die Arbeitnehmer die Zukunft schlechthin liegt.
Die Sicherheit
unseres Landes, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, meine Damen und
Herren, ist für uns, für die Österreichische Volkspartei, kein Tauschobjekt.
Nein, die Sicherheit unseres Landes, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger
müssen wir in der inneren Sicherheit genauso garantieren wie durch die
notwendigen Investitionen und Entscheidungen in der äußeren Sicherheit. Wir
wollen weiterhin eines der sichersten Länder der Welt bleiben. Das heißt aber,
dass jetzt investiert werden muss, dass jetzt
entschieden werden muss. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir brauchen für
die Wirtschaft die notwendige Deregulierung, die notwendige Flexibilität, etwa
bei der Arbeitszeit oder Ladenöffnungszeit. Wir brauchen aber auch die
notwendige Qualifikation etwa für Lehrlinge, für junge Menschen, damit wir
hier die Perspektive bieten können, genau so wie in der Forschung und
Entwicklung.
Meine Damen und
Herren! Dieses Programm für Österreich, dieses Zukunftsprogramm für Österreich
bietet die Basis für eine nachhaltige, faire und gerechte Entwicklung in
unserem Land, eine solide Grundlage, die die Pflichten, die das Notwendige, das
zu geschehen hat, absichert, die aber gleichzeitig Perspektiven für die
interessanten, innovativen Aspekte in unserem Land bietet.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wir haben diese Zielsetzungen des Arbeitsübereinkommens
auch in einer Entschließung umgesetzt und zusammengefasst. Gemäß
§ 55 Abs. 3 GOG in Verbindung mit § 53 Abs. 4 GOG möchte
ich die Kernpunkte dieser Entschließung erläutern. Und ich möchte dann den
Herrn Präsidenten ersuchen, den gesamten Entschließungsantrag vervielfältigen
und verteilen zu lassen.
Die Kernpunkte dieser Entschließung und unserer Zielsetzung: Wir wollen Europa als Chance. Wir wollen den Österreicherinnen und Österreichern die innere und äußere Sicherheit optimal garantieren. Wir wollen Arbeitsplätze gemeinsam mit einer starken Wirtschaft schaffen. Wir wollen die Bürger von Steuern und Abgaben entlasten. Wir wollen die Haushalte in Ordnung
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 37 |
bringen und stabil halten. Wir wollen die
Pensionssicherung für alle Menschen in unserem Lande, für Jung und Alt,
garantieren. (Abg. Dr. Fischer: Nur können Sie es nicht!) Wir
werden die Gesundheitsreform umsetzen, eine Bildungs- und Forschungsinitiative
setzen und mit einer umfassenden Staats- und Verwaltungsreform Österreich noch
effizienter und erfolgreicher gestalten.
Meine Damen und Herren! Es liegt ein ambitioniertes Arbeitsprogramm, das
diese österreichische Bundesregierung vorgelegt hat, vor uns. Ich habe
eingangs gesagt, die Österreicherinnen und Österreicher wissen ganz genau
Bescheid, was Not tut. Wir geben mit diesem Arbeitsübereinkommen den
Österreicherinnen und Österreichern auch die richtigen Antworten, Antworten
auf die Fragen der Zukunft.
Wir werden seitens der Österreichischen Volkspartei und
selbstverständlich auch seitens der Regierungsfraktionen den Konsens mit den
Partnern suchen. Wir werden etwa mit dem Bund, mit den Ländern und mit den
Gemeinden einen Konsens bezüglich der Staatsreform suchen. Wir werden
selbstverständlich auch die Sozialpartner einbinden und sie einladen, diesen
Zukunftsweg im Interesse des Landes mitzugehen.
Ich lade von dieser Stelle aus auch die Oppositionsparteien ein, den
Konsens zu suchen, weil es nach meiner festen Überzeugung auch für das Ansehen
des Parlaments wichtig ist, dass wir das Gemeinsame über das Trennende stellen.
Ich halte – ich sage Ihnen das sehr offen – die heutige Rede des
Kollegen Gusenbauer für durchaus interessant, weil sie in manchen Bereichen
Grund zur Hoffnung gibt, dass der Konsens auch seitens der Opposition gesucht
wird. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)
Wir werden aber auch seitens der Regierungsparteien die notwendigen
Entscheidungen zu treffen haben, wenn wir der Überzeugung sind, dass sie für
Österreich richtig sind. Wir werden mit diesem Arbeitsübereinkommen, meine
Damen und Herren, einen rot-weiß-roten Kurs für unser Österreich in einem
starken Europa gehen. Ich lade dazu ein: Gehen Sie auf diesem Weg, auf diesem
guten Weg für Österreich mit! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen.)
11.01
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Der
Entschließungsantrag, auf den sich Herr Abgeordneter Mag. Molterer bezogen
hat, ist genügend unterstützt und ordnungsgemäß eingebracht worden und steht
daher mit zur Verhandlung. Er wird vervielfältigt und verteilt und dem
Stenographischen Protokoll beigedruckt werden.
Der
Entschließungsantrag hat folgenden Wortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Molterer, Scheibner und Kollegen
betreffend Umsetzung des Regierungsprogrammes der österreichischen
Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode
Die Bundesregierung der letzten Gesetzgebungsperiode hat umfangreiche
Reformen im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher vorgenommen.
Zielsetzung der am 28. Feber 2003 angelobten neuen Bundesregierung ist es
nunmehr, diesen erfolgreichen Weg weiterzuentwickeln, um für Österreich
weiterhin eine positive Entwicklung zu gewährleisten.
In den Gesprächen und Verhandlungen seit dem 24. November 2002
mit allen Parteien ergab sich ein parteiübergreifender Konsens dahin gehend,
welche Maßnahmen in der XXII. Gesetzgebungsperiode notwendig sind, um für
Österreich eine weiterhin positive Entwicklung sicherzustellen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 38 |
Das Fundament
der Regierungspolitik für diese Legislaturperiode ist das von allen Parteien
außer Streit gestellte Bekenntnis zur Notwendigkeit nachstehender vorrangiger
Problemlösungen, um die Zukunft unseres Landes nachhaltig zu sichern:
Budgetkonsolidierung,
Steuerentlastung,
Sicherstellung
der mittel- und langfristigen Pensionsfinanzierung,
Gesundheitsreform,
Stärkung des
Wirtschaftsstandortes Österreich,
Sicherung und
Schaffung von Arbeitsplätzen,
Verwaltungsreform
und Staatsreform.
Das beiliegende
Regierungsprogramm ist Grundlage für die Bewältigung dieser Herausforderungen
sowie für eine problemorientierte Umsetzung der anstehenden Reformen und ist
Garant dafür, dass zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes
der Wirtschaftsstandort Österreich konkurrenzfähig bleibt,
Arbeitsplätze geschaffen werden,
ein ausgeglichenes Budget über den Verlauf einer Periode angestrebt wird,
eine Steuerentlastung für alle kommt,
die EU-Erweiterung mit gewaltigen Chancen für Österreich verwirklicht
wird,
die innere und äußere Sicherheit gewährleistet wird,
die Pensionen nachhaltig gesichert werden,
die Gesundheitsversorgung gesichert und weiterentwickelt wird,
Bildung und Forschung verstärkt gefördert werden sowie
im Rahmen einer Verwaltungs- und Staatsreform die Verwaltung bürgernäher,
kostengünstiger und effizienter gestaltet wird.
Dieses ambitionierte Programm der österreichischen Bundesregierung ist
dazu geeignet, eine positive Entwicklung unseres Landes auch in den nächsten
Jahren sicherzustellen. Aus diesem Grunde unterstützen die unterfertigten
Abgeordneten nicht nur die Ziele des Regierungsprogrammes, sondern treten auch
für eine umfassende Umsetzung der einzelnen Maßnahmen ein.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Nationalrat begrüßt, dass die österreichische Bundesregierung ein
umfassendes Regierungsprogramm zur Sicherstellung einer positiven
Weiterentwicklung unseres Landes mit weit reichenden Maßnahmen vorgelegt hat
und unterstützt die in diesem Regierungsprogramm dargelegten Zielsetzungen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 39 |
Darüber hinaus ersucht der Nationalrat die Bundesregierung, das
beiliegende Regierungsprogramm und insbesondere seine Schwerpunkte
Europa, innere und äußere Sicherheit,
Arbeitsplätze und Wirtschaftsstandort,
Steuerentlastung,
Budgetkonsolidierung,
Pensionssicherung,
Gesundheitsreform,
Bildungs- und Forschungsinitiative,
und Verwaltungs- und Staatsreform,
initiativ und effizient umzusetzen.“
Beilage: Regierungsprogramm
Regierungsprogamm der österreichischen
Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode
1. Demokratie und Staatsreform
2. Europäische
Union
3. Äußere
Sicherheit und Landesverteidigung
4. Inneres,
Asyl und Integration
5. Justiz
6. Wirtschaft
und Standort
7. Verkehr
8. Arbeit und
Soziales
9. Pensionen
10. Gesundheit
und Pflege
11. Bildung
12.
Wissenschaft
13. Forschung
und Innovation
14.
Nachhaltigkeit, Umwelt und Landwirtschaft
15. Frauen
16. Familie und
Generationen
17. Medien
18. Kunst und
Kultur
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 40 |
19. Sport
20. Verwaltungsreform
21. Dienstrecht
22. Finanzen
1. Demokratie und Staatsreform
Österreich ist eine der höchst entwickelten
Demokratien der Welt. Die Bundesregierung wird alles dazu tun, die demokratischen
Einrichtungen und Verfahren in Österreich zu stärken und zu modernisieren.
Dieses Bekenntnis schließt den Ausbau der Rechte der Minderheiten selbstverständlich
mit ein.
Österreich-Konvent: Die österreichische
Bundesverfassung genügt in mancher Hinsicht nicht mehr den Ansprüchen. Eine
umfassende Bereinigung ist daher erforderlich. Zu diesem Zweck soll ein
Verfassungskonvent eingerichtet werden:
ca. 50 Mitglieder (z.T. Parlamentarier Bund,
Ländern, Europa), Gebietskörperschaften, Regierungen, Bürgergesellschaft
Legt binnen
18 Monaten den Text einer erneuerten Bundesverfassung auf Grundlage der
derzeit geltenden Baugesetze (Föderalismus etc.) vor.
Aufgaben:
Verfassungsbereinigung, Inkorporierung des B-VG statt Zersplitterung,
Überprüfung des gesamten Behördenaufbaus, Adaptierung der Kompetenztatbestände,
aktualisierter Grundrechtskatalog (Basis: europäische Grundrechte), Neuordnung
Volksanwaltschaft, Ausbau von Elementen der direkten Demokratie, weiters:
Kompetenzen:
Schaffung geschlossener Kompetenzbereiche, Bereinigung i.S. des Subsidiaritätsprinzips,
Stärkung der Rechte der Länder
Unmittelbare
Anwendbarkeit von Vereinbarungen gem. Art. 15a B-VG
Streichung
Art. 98 B-VG (Einspruchsrecht des Bundes gegen Landesgesetze ausgenommen
Landesverfassungsrecht), zugleich: Bei Säumigkeit in EU-Umsetzung
Ersatzvornahme durch Bund nach sechs Monaten, bei EU-Rechtswidrigkeit:
Einspruchsrecht
Stärkung der
Koordinierungs- und Planungskompetenz des Bundes
Auflassung der
mittelbaren Bundesverwaltung
Ausdehnung der Delegation
von Gesetzgebungsbefugnissen des Bundes an die Länder auf
Art. 10/1-Materien
Einführung
eines Europäischen Legalitätsprinzips
Steuerhoheit
der Länder und Stärkung ihrer Rolle in der Finanzverfassung
Verbesserung
der Zuständigkeiten im Katastrophenschutz
Einführung des
Briefwahlrechts:
Ausdrückliche
Verankerung der Briefwahl in der Verfassung.
Einführung
eines einfachen wählerfreundlichen, aber auch vor Missbrauch sicheren Systems.
Verankerung eines Anspruches auf Ausstellung
der Briefwahlunterlagen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 41 |
Auslandsösterreicher, die in der Wählerevidenz
eingetragen wurden, sind von der zuständigen Gemeinde von Amts wegen über die
Möglichkeiten zur Briefwahl zu verständigen.
Wählerevidenzen für Auslandsösterreicher bei
den österreichischen Vertretungsbehörden.
Einheitliches Abgabenverfahrensrecht
Beseitigung von Zweigleisigkeiten in der
Schulverwaltung, schlankere Schulaufsicht, kleine Kollegien.
Bundestierschutzgesetz: Künftig soll es ein
Bundestierschutzgesetz (Art. 11 B-VG) auf der Basis einheitlicher EU-Standards
geben für die Heimtierhaltung, die Haltung von Nutztieren sowie die Haltung von
Tieren in Zoos und Tierparks. Gleichzeitig wird die bundeseinheitliche
Umsetzung von EU-Recht sichergestellt. Hohe Standards sichern und gleichzeitig
Maßnahmen für faire Wettbewerbsbedingungen – z.B. die verstärkte
Investitionsförderung für besonders tierfreundliche Haltungsformen
– setzen;
Kundmachungsreform unter Einbeziehung der
anderen Gebietskörperschaften (Internet)
FAG: Einführung
eines aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssels
Volksgruppen:
Lösung der Ortstafelfrage im Sinne des in der Konsenskonferenz des BKA zwischen
den Landtags- und Nationalratsparteien erzielten Angebotes an die Volksgruppe.
2. Europäische
Union
Die
Bundesregierung bekennt sich zum Friedensprojekt Europa und tritt für ein
gemeinsames Europa ein, das auf der Solidarität der Staaten und der Achtung der
Vielfalt ihrer Geschichte, Kultur und Traditionen beruht, Freiheit, Frieden und
Wohlstand sichert. Österreich wird weiterhin entschlossen und konstruktiv an
der weiteren Integration mitwirken und seine Interessen wirksam vertreten.
Österreich
nimmt weiterhin seine Schutzfunktion für die deutschsprachige und ladinische
Volksgruppe in Südtirol wahr. In diesem Sinne bleibt es in enger Verbindung
mit den Vertretern dieser Volksgruppen, um ihren Bestand auf der Grundlage von
Pariser Abkommen und Paket weiterhin sicherzustellen.
Die
Bundesregierung wird die Anliegen und Interessen der altösterreichischen
Minderheiten im Ausland fördern. Sie wird auch weiterhin im Rahmen ihrer
finanziellen Möglichkeiten für die Pflege und Verbreitung der deutschen Sprache
im Ausland eintreten – insbesondere in Mittel-, Ost- und
Südosteuropa – und dazu auch das Netz der Österreich-Institute und
Österreich-Bibliotheken heranziehen.
Konstruktives
Mitwirken Österreichs in Konvent und Regierungskonferenz. Österreich tritt
unter Wahrung der Einstimmigkeit für vitale Interessen (Raumordnung,
Bodennutzung, Eigenmittelbeschluss, Rechtsakte mit konstitutivem Charakter,
Wahl der Energieträger, Wasserressourcen) für das Prinzip der qualifizierten
Mehrheit ein. Österreich soll in allen zentralen Kernbereichen an der
Entwicklung der europäischen Zusammenarbeit, einschließlich der Sicherheits-
und Verteidigungspolitik, initiativ und aktiv mitarbeiten. Österreich tritt
für eine Stärkung des Ausschusses der Regionen ein.
Bekenntnis zur Erweiterung der Europäischen
Union, Verpflichtung zur termingerechten Unterzeichnung und raschen
Ratifikation des EU-Beitrittsvertrages (Beschluss im Ministerrat sowie
parlamentarische Behandlung und Beschlussfassung). Im Hinblick auf die
Transitfrage wird auf das Kapitel Verkehr, im Hinblick auf den Melker Prozess
wird auf das Kapitel Nachhaltigkeit verwiesen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 42 |
Umsetzung der vereinbarten EU-Übergangsregelungen
im Bereich der Freizügigkeit von Personen und Dienstleistungen unter Beachtung
der siebenjährigen Übergangsfrist; Regeln zur stufenweise Heranführung an die
volle Freizügigkeit.
Ratifizierung der Grenzgänger- und
Praktikantenabkommen mit Nachbarstaaten.
Vorbereitungsstrategie zur EU-Erweiterung:
offensive, die Wettbewerbsfähigkeit stärkende Maßnahmen, Standortsicherung,
Unterstützung der regionalen Unternehmensstruktur – insbesondere der
KMUs, Investitionen in Humankapital und in die Infrastruktur. Die Grenzregionen
sind durch gezielte und auch auf Landesebene koordinierte Maßnahmen (etwa in
der Förderpolitik) auf den erweiterten Binnenmarkt vorzubereiten. Es sind
umfassende Informationsmaßnahmen der österreichischen Bevölkerung im
Zusammenhang mit Fragen der Europäischen Union zu setzen.
Die Bundesregierung strebt in der Frage jener
Gesetze und Dekrete aus dem Jahre 1945 und 1946, die sich auf die
Vertreibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemaligen Tschechoslowakei
beziehen, im Sinne der Beschlüsse des Europäischen Parlaments bis zur
Ratifikation des EU-Beitrittsvertrages eine Lösung an, die einem modernen
Menschenrechtsverständnis und den gemeinsamen europäischen Werten entspricht
und sich in verantwortungsvoller Weise mit dem Unrecht der Vergangenheit
auseinandersetzt.
Unterstützung der EU-Beitrittsverhandlungen mit
Bulgarien und Rumänien. Förderung der Beitrittsbestrebungen von Kroatien und
anderer beitrittsreifer Staaten Südosteuropas. Unterstützung der europäischen
Heranführungsstrategie für diese Länder.
Türkei als EU-Beitrittskandidat:
Österreichische Position analog zu den Beschlüssen des Europäischen Rates von
Kopenhagen Dezember 2002.
EU-Finanzrahmen: Absicherung der
innerösterreichischen Konsolidierungspolitik. Anteil und Volumen der
zukunftsgerichteten Ausgabenkategorien im Sinne der Lissabon-Agenda soll
dauerhaft gesteigert werden. Österreich steht zu den Kopenhagener
Finanzbeschlüssen. Innerstaatliche Strukturpolitik soll danach orientiert
sein, dass Rückflüsse nach Österreich dort maximiert werden, wo sie den
strukturpolitischen Wandel unterstützen bzw. wo Kofinanzierungskomponenten
nicht zu zusätzlichen budgetären Belastungen führen.
EU-Präsidentschaft Österreichs 2006:
Inhaltliche Koordination erfolgt gemeinsam durch BKA und BMaA im Zusammenwirken
mit dem Vizekanzler und in Kooperation mit den jeweils sachlich zuständigen
Bundesministern.
Ausbau der österreichischen
Entwicklungszusammenarbeit in Richtung europäischer Zielsetzungen unter
Einbeziehung der Länder, Gemeinden, Sozialpartner und des privaten Sektors. Im
Hinblick auf die vom Europäischen Rat in Barcelona vorgegebenen Ziele soll für
Entwicklungsprojekte in den Jahren 2004 bis 2006 ausreichend Vorsorge
getroffen werden.
3. Äußere Sicherheit und Landesverteidigung
Die Bundesregierung ist der traditionellen
österreichischen Friedens- und Sicherheitspolitik verpflichtet und sieht in
der Konfliktvermeidung- und -lösung einen wesentlichen Beitrag auch zur
Sicherheit Österreichs. Der Achtung der Menschenrechte und der
Minderheitenrechte kommt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Die
Bundesregierung wird für diese Politik im internationalen Rahmen und in den
Organisationen, denen sie angehört – insbesondere der EU, den Vereinten
Nationen, der OSZE und dem Europarat – aktiv eintreten. Sie wird ihren Vorsitz
im Human Security Network im Jahre 2003 besonders auf die Zielsetzung der
internationalen Menschenrechtserziehung ausrichten. Die Bundesregierung wird
sich weiterhin in Fortsetzung der bewährten Zusammenarbeit mit der
Bundeshauptstadt aktiv um die Sicherung und Stärkung des internationalen
Amtssitzes Wien bemühen.
Äußere Sicherheit und militärische Landesverteidigung sind wesentliche und unverzichtbare Elemente, um Österreich und seinen Bürgern Frieden, Freiheit, Sicherheit und Stabilität zu ge-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 43 |
währleisten.
Die Bundesregierung wird daher alles daransetzen, um die Leistungsfähigkeit des
Bundesheeres weiter anzuheben und dessen Stellenwert in der Gesellschaft zu
stärken.
In Zukunft werden neben den territorialen
Verteidigungsaufgaben internationale Solidaritätsleistungen, Katastrophenhilfe
sowie Assistenzleistungen des Bundesheeres (z.B. zur Grenzsicherung) im
Vordergrund stehen. Das Bundesheer muss für alle diese Aufgaben, einschließlich
der Teilnahme am gesamten Spektrum des europäischen Krisenmanagements
(Petersberg-Aufgaben), der Stabilitäts- und europäischen Beistandsaufgaben,
vorbereitet werden.
Weiterentwicklung der ESVP: Unterstützung der
Bemühungen zur Verwirklichung der in Art. 17 des EU-Vertrags aufgezeigten
Möglichkeit einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Aktive Mitwirkung und
Mitarbeit Österreichs an einer zukünftigen Beistandsgarantie im Rahmen der
Europäischen Union. Aufnahme einer Solidaritätsklausel zur Bewältigung von
terroristischen Bedrohungen im Rahmen der EU. Mitwirkung an einer zukünftig
verstärkten Zusammenarbeit im Bereich von Sicherheit und Verteidigung.
Österreichischer Beitrag zum Headlinegoal der
EU: Österreichischer Beitrag von derzeit rund 1500 Soldaten für das
militärische Planungsziel der EU, Sicherstellung der entsprechenden Ausrüstung
und Maßnahmen im Personalbereich. Bereitstellung von Polizei- und Zivilschutzkräften
sowie Justizpersonal für zivile Operationen im Rahmen der ESVP.
Konsequente Weiterentwicklung der Beziehungen
Österreichs zur NATO im Rahmen des maßgeschneiderten Kooperationsprogrammes,
der Partnerschaft für den Frieden und des Euroatlantischen
Partnerschaftsrates. Unterstützung einer engen Zusammenarbeit zwischen EU und
NATO. Der sicherheits- und verteidigungspolitische Nutzen einer
NATO-Mitgliedschaft wird von Österreich im Lichte der sicherheitspolitischen
Entwicklungen laufend beurteilt und die Beitrittsoption im Auge behalten. Ein
Beitritt zur NATO würde nur mit Zustimmung der Bevölkerung (Volksabstimmung)
erfolgen.
Umsetzung der Empfehlungen der Sicherheits- und
Verteidigungsdoktrin einschließlich der Überprüfung und Weiterentwicklung der
Gesamt- und Teilstrategien.
Intensivierung der sicherheitspolitischen
Information der Bevölkerung
Die militärische Landesverteidigung muss auch
in Österreich den Bedrohungen und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
angepasst werden. Dazu setzt die Bundesregierung unter Federführung des BMLV
eine Reformkommission ein, die auf Basis der Bundesverfassung und der geltenden
Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin die Grundlage für diese Reform bis
spätestens Ende 2003 erarbeiten soll. Im Rahmen dieser Kommission sollen auch
alle Fragen im Zusammenhang mit der militärischen Sicherung der
österreichischen Souveränität geklärt werden.
Fortsetzung der Redimensionierung der
militärischen und zivilen Führungsstrukturen im BMLV und nachgeordneten
Führungs- und Verwaltungsstrukturen zugunsten operativer Kräfte
Im Rahmen der Aufgaben des Bundesheeres kommt
den internationalen Verpflichtungen besondere Bedeutung zu. Ziel ist eine
schlanke und schlagkräftige Einsatzorganisation. Stufenweise Erhöhung des
Professionalisierungsgrades aufgrund zusätzlicher Aufgabenstellungen für das
Bundesheer im Rahmen von internationalen Einsätzen.
Nachbeschaffung Luftraumüberwachungsflugzeuge:
Fortsetzung des Beschaffungsvorganges auf der
Grundlage der von der Bundesregierung in der XXI. GP getroffenen
Beschlüsse. Für den Ankauf der Abfangjäger werden Gegengeschäfte in maximal
möglicher Höhe mit positiven Auswirkungen auf Beschäftigung, Standort und hinsichtlich
des technologischen Nutzens umgesetzt. Der Ankauf soll in der gesamten Legislaturperiode
nicht budgetwirksam sein.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 44 |
Modernisierung der Ausrüstung und der
Gerätschaften des Bundesheeres, um ein Höchstmaß an Schutz für Gesundheit und
Leben der Soldaten, aber auch für die Sicherheit der Bevölkerung zur Verfügung
zu haben. Ankauf der erprobten und akzeptierten Mannesausrüstung, insbesondere
des Kampfanzugs. Investition im Bereich Funk- und Transportkapazitäten, elektronische
Mittel und Nachtsichtausrüstung zur Grenzraumüberwachung.
Prüfung eines Versicherungsschutzes für
Soldaten analog der Auslobung für die Exekutive.
Zur Sicherstellung der notwendigen
Personalstärken werden im Dienstrecht die für das Bundesheer nötigen
Regelungen getroffen.
Erstellung eines gesamtstaatlichen
CIMIC-Konzeptes
Ausreichende Vorsorge für die Umsetzung der
gestellten Aufgaben.
4. Inneres, Asyl und Integration
Ziel ist es, in Österreich eine demokratische,
effektive und leistungsbereite Sicherheitsexekutive zu erhalten und zu fördern,
die durch ihre tägliche Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung und
Erhaltung des demokratischen Rechtsstaates und der Menschenrechte in Österreich
leistet sowie konsequent gegen Kriminalität vorgeht.
Gemeinsames Ziel ist es ebenso, eine eindeutige
Differenzierung zwischen Einwanderungspolitik – als Antwort auf
freiwillige Migration und wirtschaftliche Überlegungen – und Asylgewährung –
als Antwort auf erzwungene Migration – zu treffen. Asylpolitik ist
Menschenrechtspolitik und hat das Ziel, verfolgten Menschen Schutz zu gewähren.
Einwanderungspolitik schafft klare Regeln und Bedingungen für legale
Zuwanderung.
Internationale Vernetzung gegen international
organisierte Kriminalität; Schleppereibekämpfung, Grenzschutz;
gemeinschaftlich finanziertes Grenzschutzkorps, gemeinsame Visastellen,
einheitliche Dokumente, Harmonisierung der europäischen Rückkehrpolitik,
zentrales europäisches Visa-Identifizierungssystem, Aufteilung der finanziellen
Belastung für die Grenzsicherheit im Sinne der Schengen-Solidarität, verstärkte
Zusammenarbeit mit den beitretenden Ländern im Hinblick auf Schengenbeitritt,
Ausbau von Europol
Kampf dem internationalen Terrorismus durch
Ausbau und Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung (BVT), Spionageabwehr (Anhebung der Strafrahmen);
Anpassung der Befugnisse und Gerichtszuständigkeiten zur wirkungsvolleren
Bekämpfung des internationalen Terrorismus bei gleichzeitigem Ausbau des
Rechtsschutzsystems und einer Intensivierung der Internationalen Zusammenarbeit
Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei,
inkl. einer Überprüfung des Behördenaufbaus im Bereich der
Sicherheitsverwaltung. Eingliederung der Schifffahrtspolizei ins BMI. Unter
Berücksichtigung der Folgen der künftigen Erweiterung der Europäischen Union
und der Besonderheiten der Kernaufgaben der Zollverwaltung werden alle
Exekutivwachkörper (Polizei, Gendarmerie und Zollwache) mit dem Ziel der
Vermeidung von Überschneidungen zu einem einheitlichen Exekutivwachkörper beim
Innenministerium zusammengeführt. Ausbildungsreform für die Exekutive und
Ausbau der Sicherheitsakademie, Reform des Kriminaldienstes (insbesondere auf
Landesebene).
Entlastung der Exekutive von artfremden
Tätigkeiten;
Schaffung von einheitlichen Regelungen zum
Einsatz von Videoüberwachungen nach einer Evaluierung vorhandener
Befugnisse – vor allem auch im öffentlichen Raum – zur optischen
Überwachung mit technischen Mitteln.
Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Verkehrssicherheit (Verkehrsleit- und Steuersysteme) in Zusammenarbeit mit dem BMVIT; Intensivierung der Maßnahmen gegen Trunkenheit, Drogen-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 45 |
beeinträchtigung
am Steuer, verstärkte Überwachung des Abstandverhaltens, Einführung einer
EU-Fahrerbescheinigung (EU-Fahrerkarte).
Reform des Zivildienstes in Übereinstimmung mit
den Reformen im Bereich der Landesverteidigung
Entschiedener Kampf gegen Drogenhandel
Reform des Versammlungsgesetzes
Einschränkung der Möglichkeit einer vorzeitigen
Einbürgerung vor Ablauf von 10 Jahren (Reduktion der vorzeitigen
Verleihung aus besonderen Gründen). Keine Ausweitung von Doppelstaatsbürgerschaften.
Erleichterung der Beibehaltung und Wiedererlangung der Österreichischen
Staatsbürgerschaft.
Ziel ist durch eine umfassende Reform des
Asylverfahrens eine Beschleunigung des gesamten Verfahrens durch konzentrierten
Einsatz der Ressourcen unter gleichzeitiger Verbesserung der Qualität. Durch
ein klar geregeltes Asylverfahren wird Einwanderung durch die Hintertür, durch
illegale Migration und folgende Asylantragsstellung verhindert. Das
Asylverfahren wird aus einem Zulassungsverfahren mit einem faktischen
Abschiebeschutz und bei dessen positivem Abschluss aus einem Verfahren zur
inhaltlichen Prüfung, bei dem sämtliche Asylgründe bei sonstiger Präklusion
vorzubringen sind, das mit einem vorläufigen Aufenthaltsrecht verbunden ist,
bestehen.
Eine Liste sicherer Drittstaaten ist im neuen
Asylgesetz zu verankern;
Neuordnung des Bundesbetreuungsrechts
(Zusammenfassung der Kompetenzen)
Überprüfung allfälligen Missbrauchs im Bereich
der sog. quotenfreien Zuwanderung.
Die Integration legal in Österreich lebender
ausländischer Staatsbürger hat weiterhin Vorrang vor einem Neuzuzug. Der
Neuzuzug unterliegt – wie bisher – einer Quotenregelung. Der
Familiennachzug innerhalb der Quote ist zu beschränken auf die Kernfamilie, das
sind die Ehegatten und die unverheirateten minderjährigen Kinder. Die
Mitglieder der Kernfamilie sollen nach der legalen Einreise die Möglichkeit des
Zugangs zum Arbeitsmarkt erhalten. Dadurch soll der Schwarzarbeit die Basis
entzogen werden.
5. Justiz
Eine moderne Justiz versteht sich als Dienst am
Bürger. Im strafrechtlichen Vorverfahren sollen die Opfer mehr Rechte erhalten.
Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt und soll dies auch bleiben.
Basis unseres Rechtsstaates ist die Unabhängigkeit der Richter, die es zu
sichern, und wenn notwendig, zu verteidigen gilt. Eine Justiz als Dienst am
Bürger ist – gerade im Hinblick auf die Herausforderung durch die EU-Osterweiterung –
bemüht, den Wirtschaftsstandort zu sichern. Sie tritt auch für die Rechte der
Konsumenten, insbesondere der Senioren und der Jugend, ein.
Strafrecht/Strafprozessrecht – Europäische
Union:
Wahrung des Einstimmigkeitsprinzips für
verbindliche Rechtsakte in der ,Dritten Säule‘
Weiterentwicklung von EUROJUST anstelle einer
,Europäischen Staatsanwaltschaft‘
Strafbarkeit juristischer Personen
Materielles Strafrecht:
Kombination von Strafen und Auflagen, wie sie
im Rahmen der Diversion angeordnet werden können
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 46 |
Ausweitung der bedingten Entlassung unter
gleichzeitiger Setzung von Auflagen und Bedingungen
Strafbarkeit von Sozialbetrug, insbesondere
organisierter Schwarzarbeit
Reform des Sexualstrafrechtes, insbesondere
Verschärfung der Strafbestimmungen gegen Kinderpornographie und Schaffung
eines Straftatbestandes der sexuellen Belästigung
Fortführung der StPO-Reform:
Gerichtliche Zuständigkeit für
Rechtsmittel – auch im Ermittlungsverfahren gegen Maßnahmen der
Kriminalpolizei
Verstärkte Kontrolle staatsanwaltschaftlicher
Einstellungen
Verbesserung des Opferschutzes und der
Opferhilfe:
Verfahrenshilfe für vermögenslose Opfer von
Sexual- und Gewaltdelikten
Verbesserung der Begleitprogramme für
Verbrechensopfer
Koordinierung der Opferhilfe, Vermeidung von Mehrfachförderungen
Qualitätsstandards für Opfervereine als
Förderungsvoraussetzung
Jugendgerichtsbarkeit:
Bundesweite Vereinheitlichung der
Jugendgerichtsbarkeit
Verbesserung der Schulungs- und
Ausbildungsmöglichkeiten im Jugendstrafvollzug
Strafvollzug:
Prüfung besonderer Vollzugsmaßnahmen für
gefährliche Täter, insbesondere für behandlungsbedürftige Sexualstraftäter
Forschungsprojekte zur Einschätzung der
,Gefährlichkeit‘
Drogen:
Keine Drogenfreigabe, auch nicht weicher Drogen
Aufrechterhaltung des Prinzips ,Therapie statt
Strafe‘ bei Tätern, die keine Dealer sind
Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung:
Fristsetzungsanträge durch Gerichtsvisitatoren
Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs,
insbesondere im Grundbuch- und Firmenbuchbereich
Weitere Verstärkung des IT-Einsatzes
Studie über die Zeitgemäßheit von
Formalerfordernissen in allen Rechtsbereichen (Anwaltsvergleich,
Beglaubigungen, Amtssignaturen u.a.m.)
Gerichtsorganisation:
Studie zur Neuordnung der Gerichtsorganisation
mit dem Ziel einer Verminderung der Organisationsebenen
Maßnahmen zur Anpassung des gestiegenen
Haftraumbedarfes
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 47 |
Gesamtreform des Außerstreitgesetzes
Mediation:
Schaffung eines Berufsrechtes für
,Gerichts-Mediatoren‘
Qualitätsstandards für die Ausbildung
Verbesserungen im Sachwalter- und
Unterbringungsrecht: Schaffung einer rechtsstaatlich geregelten Möglichkeit zur
medizinischen Behandlung von psychisch kranken Menschen und
behandlungsbedürftigen Behinderten, die nicht einsichtig sind.
Heimaufenthaltsgesetz: Sicherung der Patientenrechte
in Alten- und Behindertenheimen durch Kontrolle freiheitsbeschränkender
Maßnahmen, die zum Schutz des Heimbewohners unter ärztlicher Anordnung
getroffen werden
Bundesgesetzliche Mindeststandards für
Heimverträge: Der Konsumentenschutz für Heimbewohner ist zu verbessern durch
Mindestanforderungen an Heimverträge bezüglich Preisbildung,
Informationspflichten, Leistungsbeschreibung, Kündigungsvorschriften, etc.
Vorsorgevollmachten: Einführung von
Vorsorgevollmachten und schriftlichen Vorgaben für Sachwalterbestellungen bei
eigener Verhinderung.
Nachbarrecht:
Verankerung der geltenden Rechtsprechung des
OGH ,Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme‘
Außergerichtliche Streitbeilegung durch
Mediation oder Schlichtung als Prozessvoraussetzung
Verbesserung im Erbrecht:
Befristung der Gültigkeit eines mündlichen
Testamentes
Besserstellung des Ehepartners, insbesondere
wenn keine direkten Nachkommen vorhanden sind.
Neuregelung der Anrechenbarkeiten von
Schenkungen und Vorausempfängen gemäß dem Willen des Erblassers.
Privatsphärenschutzgesetz: Immaterieller
Schadenersatz bei Eingriff in das Persönlichkeitsrecht
Eherecht:
Studie, inwieweit Ehegatten im
Scheidungsverfahren vor Übervorteilung geschützt werden können mit
nachfolgender parlamentarischer Enquete.
Rechtsverbindliche Eheverträge für
vermögensrechtliche Vereinbarungen sollen den gesetzlichen Regelungen
vorgehen.
Erwachsenenadoption: Nur bei Zulässigkeit nach
dem Heimatrecht des Anzunehmenden
Wohnrecht:
Vereinfachung und verständlichere Gestaltung
des Mietrechtes
Harmonisierung aller drei Wohnrechtsmaterien
(WEG, MRG, WGG)
Schaffung einheitlicher kostentransparenter
Hausbewirtschaftungsregeln
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 48 |
Beschleunigung insbesondere mietrechtlicher
Verfahren unter Ausschluss der Möglichkeit schikanöser Verfahrensverzögerungen
Stärkung der thermischen Gebäudesanierung und
Förderung von Energiesparmaßnahmen zur Erreichung des Klimaschutzzieles.
Reform des Verwertungsgesellschaftenrechtes
Unternehmensrecht:
Gesamtreform des Handelsgesetzbuches
Einheitlicher Unternehmensbegriff unabhängig
von der Rechtsform
Wahrung der berufsständischen
Rechtsmaterien – Kein Eingriff in Berufsrecht der Freien Berufe
Eigenkapitalersatzgesetz (Prüfung, ob eigenes
Materiengesetz zweckmäßig)
Maßnahmen zur Eindämmung schikanöser Leistungsverweigerung
trotz vertraglicher Verpflichtung
Exekutionsordnungs-Novelle: Reform der
Fahrnisexekution
Urheberrecht: Die EU-Inforichtlinie zum
Urheberrecht ist umzusetzen. Im Rahmen einer parlamentarischen Enquete soll
unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungswerte eine Lösung, die die
Interessen der im Kreativprozess Eingebundenen genauso wie die der Produzenten
wahrt, erarbeitet werden.
Konsumentenschutz:
Studie über die grundsätzliche
Organisationsform des Konsumentenschutzes in Österreich mit dem Ziel der
bestmöglichen operativen Aufgabenverteilung unter Einbeziehung aller gesellschaftlich
relevanter Gruppen
Sicherstellung eines effizienten bürgernahen
Konsumentenschutzes im Informations-, Beratungs- und
Rechtsdurchsetzungsbereich
Prüfung der Zuerkennung der
Verbandsklage-Befugnis zur Sicherstellung einer effizienten Rechtsdurchsetzung
Prüfung, ob die EU-rechtlichen Vorgaben durch
die nationale Kompetenzverteilung effizient umgesetzt werden.
6. Wirtschaft und Standort
Zentrales Ziel der Wirtschaftspolitik der
Bundesregierung ist die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich und der
in unserem Land tätigen Unternehmen im europäischen und globalen Wettbewerb.
Dabei wird die Bundesregierung, insbesondere im Hinblick auf die Erweiterung
der Europäischen Union, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, insbesondere
der Klein- und Mittelbetriebe, und die Attraktivität Österreichs als
Investitionsstandort und als Sitz von internationalen Unternehmen
(Headquarter-Politik) fördern. Nur eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik unter
Berücksichtigung der Ziele der Europäischen Union (Lissabon-Prozess) wird
Österreich in die Lage versetzen, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die es
Unternehmen erlauben, bestehende Arbeitsplätze abzusichern und neue Arbeitsplätze
zu schaffen. Sie ist auch Grundvoraussetzung für den Erhalt und den weitern
Ausbau unseres Wohlfahrtsstaates.
Standort Österreich und Lissabon Prozess:
Grundsätzliches Bekenntnis zur Erreichung der Ziele des Lissabon Prozesses.
Forschung und Entwicklung, Innovation (siehe
Bildungskapitel)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 49 |
Entbürokratisierung – Flexibilisierung
Arbeitszeitflexibilisierung (siehe Arbeit und
Soziales)
Liberalisierung der Öffnungszeiten bei
Beibehaltung der Sonntagsruhe: Im Vergleich zu anderen Ländern hat Österreich sehr
restriktive Regelungen der Öffnungszeiten im Handel, was eine Flexibilisierung
durch folgende Maßnahmen erforderlich macht:
Aufhebung der derzeit gültigen
Tagesrahmenzeiten (Aufsperrzeit und Sperrzeit), womit Flexibilität zwischen
Montag 5 Uhr und Samstag 18 Uhr erreicht wird.
Innerhalb des genannten Zeitraumes können die
Landeshauptleute Tagesrahmenzeiten verordnen, die Wochenrahmenzeit von derzeit
66 auf maximal 72 Stunden erweitern und derartige Regelungen regional
unterschiedlich entsprechend dem jeweiligen Bedarf festlegen.
Wird durch die Landeshauptleute keine
Verordnung hinsichtlich der Tagesrahmenzeiten erlassen, so gilt eine solche
von 5 Uhr bis 21 Uhr. Korrespondierende arbeitsrechtliche Konsequenzen
und sonstige flankierende Maßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
sollen zwischen den Sozialpartnern verhandelt werden.
Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts,
insbesondere auch für die Samstag-Beschäftigung im Handel (Aufhebung der
Regelung, dass nur jeden zweiten Samstag gearbeitet werden darf) und bei
handelsähnlichen Dienstleistungen (z.B. Banken, Friseure, Schuhreparatur),
an den Prinzipien der Sonntagsruhe soll
festgehalten werden.
Nahversorgung: Verlagerung der
Abgabenermächtigung für die Verkehrsanschlussabgabe von den Gemeinden zu den
Ländern.
Mittelstandsfinanzierung: Maßnahmen zur
Verbesserung der Finanzierung von KMU (insbesondere im Zusammenhang mit Basel
II).
Lehrlingsausbildung: Freiwillige
Qualifizierungsverbünde (Modell Vorarlberg); Modularisierung der
Lehrberufsinhalte; Begabte und Begabungen durch Auslandsaufenthalte fördern;
Ausbildungschancen auch für benachteiligte und behinderte Jugendliche
verbessern (Teillehre, Verlängerungsmöglichkeit der Lehrzeit);
Flexibilisierung der Berufsschule (Berufsschulzeiten); Verstärkung der IT- und
der Fremdsprachenausbildung (v.a. Englisch). Gemeinsam mit den Sozialpartnern
sind Möglichkeiten zu prüfen, wie ein qualifizierter Abschluss der
Polytechnischen Schule auf die Berufsschulzeit angerechnet werden kann. In
Österreich geborene Kinder von Ausländern erhalten den Zugang zu Lehre und
Arbeitsmarkt.
Energiepolitik: Aufhebung der mehrheitlichen
Beteiligung der öffentlichen Hand bei Stromversorgern, unter Wahrung
österreichischer Interessen. Hinsichtlich der ökologischen Ziele der
Energiepolitik wird auf das Kapitel Nachhaltigkeit und Umwelt verwiesen. Auch
in liberalisierten Märkten wird ein Augenmerk auf die Versorgungssicherheit zu
legen sein. Der Ausbau von erneuerbaren Energieträgern ist weiterhin
kosteneffizient zu forcieren. Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz
werden gesetzt werden.
Internationalisierung der österreichischen
Wirtschaft:
,Internationalisierungsoffensive‘ (für Export + FDI; Einrichtung
einer ,Stabsstelle Strategische Außenwirtschaft‘ im BMWA).
Evaluierung der Gewerbeordnung: Die Mitte 2002
in Kraft getretene große Reform der Gewerbeordnung ist nach zwei Jahren einer
Evaluierung hinsichtlich der Entwicklung des Unternehmertums und der
Qualifizierung zu unterziehen.
Eindämmung der organisierten Schattenwirtschaft
durch Aufstockung KIAB und flächendeckende Schwerpunktprüfungen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 50 |
Jungunternehmerförderung: Erhöhung
der Selbständigenquote in Österreich durch mehr Neugründungen. Verminderung
des Gründerrisikos für Jungunternehmer durch Garantien, Erleichterung der
Unternehmensnachfolge.
GATS: Die Bundesregierung wird sich
auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass in den laufenden GATS-Verhandlungen
öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheits- und Bildungswesen,
Wasserversorgung, Kunst und Kultur (einschließlich Film) nicht weiter
liberalisiert werden. Über die laufenden Verhandlungen wird das Parlament
umfassend informiert und eingebunden. Gegenüber der Öffentlichkeit wird –
im Rahmen der EU-Vorgabe – größtmögliche Transparenz gewährleistet. Die
Initiative zur Einschränkung der bereits bestehenden Zugeständnisse im
Bildungsbereich auf das EU-Niveau wird weitergeführt.
Die Tourismus- und
Freizeitwirtschaft ist von zentraler Bedeutung für die Einkommens-,
Beschäftigungs- und Leistungsbilanzentwicklung.
Zur Steigerung der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit des Tourismusstandortes Österreich soll die Infrastruktur
weiterentwickelt und die touristische KMU-Struktur erhalten werden.
Internationalisierung: Die
EU-Erweiterung ist eine große Chance für den Tourismus in Österreich. Eine
verstärkte Fokussierung auf die Märkte der EU-Erweiterungsländer wird erfolgen.
Marktanteile im internationalen Vergleich sollen weiter gesteigert werden.
Weitere Schwerpunktsetzungen
umfassen: Gesundheitstourismus, Kultur- und Städtetourismus, sowie das
Destinationsmanagement.
Die Eigenkapitalbasis der heimischen
Tourismusbetriebe ist zu stärken, der tourismusspezifischen
Arbeitsmarktsituation ist weiterhin Rechnung zu tragen und der weitere Ausbau
der elektronischen Informations- und Reservierungssysteme muss unterstützt
werden.
7. Verkehr
Die österreichische Bundesregierung
bekennt sich zur Umsetzung des im Jahr 2002 beschlossenen
Generalverkehrsplans als einem der Bausteine, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit
unseres Landes nachhaltig verbessert und die Attraktivität des
Wirtschaftsstandortes Österreichs weiter erhöht werden kann.
Es gilt dabei einerseits das
hochrangige Straßennetz auszubauen, Lücken zu schließen sowie Netzergänzungen
und Kapazitätsanpassungen im Landesinneren im Interesse der Mobilitätssteigerung
vorzunehmen. Andererseits ist die Schiene als umweltfreundlicher Verkehrsträger
auszubauen und höhere Effizienz, besseres Kundenservice sowie eine Zunahme des
Personen- wie auch Güterverkehrsaufkommens anzustreben.
Generalverkehrsplan –
Österreich: Der GVP-Ö (Straße – Schiene – Luft – Wasser) ist
mit einer Evaluierung der Prioritätenreihung im Hinblick auf die EU-Erweiterung
zu fixieren. Der Ausbau der Schieneninfrastruktur zu den EU-Beitrittskandidaten
im Norden, Osten und Süden sowie auf den im EU-Beitrittsvertrag enthaltenen
Hauptkorridoren bleibt jedenfalls Priorität. Die Umsetzung ist zügig unter
Einsatz von PPP-Modellen voranzutreiben.
Verfahrensbeschleunigung: Das
Vergabegesetz ist zu evaluieren. Die Direktvergabe ist mit der Zielsetzung der
Verfahrensbeschleunigung anzupassen. Die Gebührenersatzregelung soll neu
geregelt werden, die Bedingungen für KMU sollen verbessert werden. Die
Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung im UVP-Recht sind zu überprüfen.
LKW-Maut: Überprüfung der Höhe der
Sondermaut für LKWs hinsichtlich nachteiliger Standorteffekte unter
Berücksichtigung der europäischen Rahmenbedingungen und Sicherstellung der
Finanzierung der ASFINAG.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 51 |
Verkehr und Umwelt:
Hinsichtlich des Auslaufens der Ökopunkteregelung
wird sich die Bundesregierung innerhalb der EU dafür einsetzen, bis zum
Inkrafttreten einer neuen EU-WegekostenRL eine Übergangslösung unter
größtmöglicher Wahrung der österreichischen Interessen zu etablieren und wird
ergänzende innerstaatliche Maßnahmen (z.B. sektorale oder zeitliche
LKW-Fahrverbote) prüfen. Die geltenden Wochenend- und Feiertagsfahrverbote
sollen gewahrt bleiben. Ziel einer Novellierung des Immissionsschutzgesetz-Luft
ist eine Effizienzsteigerung der Vollziehung und Verfahrensbeschleunigung.
Im Zuge der Erarbeitung einer neuen
EU-WegekostenRL sind insbesondere das Konzept ökosensibler Zonen (zB Gebiet
der Alpenkonvention, großstädtische Ballungsräume, Gebiete mit Schutzstatus)
und der Kostenwahrheit im Sinne einer ökologischen Weiterentwicklung der fahrleistungsabhängigen
LKW-Maut und der Querfinanzierung der alternativen Verkehrsinfrastruktur
(Schiene, Wasser) einzubringen.
Der Beschluss des Baus des Brenner-Basistunnels
in einem PPP-Modell unter Beteiligung der europäischen Union und Italiens ist
Ziel der Bundesregierung in dieser Gesetzgebungsperiode
Qualitätsoffensive im öffentlichen Nahverkehr:
Qualitative Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrs mit allen
Vertragspartnern, Effizienzsteigerung u.a. durch Verstärkung des Bestellprinzips.
8. Arbeit und Soziales
Die EU-Ziele, die Beschäftigungsquoten
innerhalb der EU bis 2010 auf 70% heranzuführen, die Frauenbeschäftigungsquote
auf 60% und die Erwerbsbeteiligung der 55 bis 64jährigen auf 50% anzuheben ist
weiterhin der Rahmen für die österreichische Beschäftigungspolitik. In diesem
Zusammenhang bleibt die Vollbeschäftigung weiterhin unser wichtigstes Ziel. Die
Finanz- und Wirtschafts- sowie die Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik müssen
dabei zusammenwirken. Aus einem Bündel von Maßnahmen (,Policy Mix‘) soll den Erfordernissen in der
Beschäftigungspolitik entsprochen werden. Wir werden dabei die
wirtschaftlichen Bedürfnisse nach Flexibilität ebenso berücksichtigen, wie den
Anspruch auf Sicherheit und Solidarität und damit einen gerechten Zugang zum
Arbeitsmarkt sicherstellen. Die Senkung der Lohnnebenkosten trägt zu mehr
Wachstum und Beschäftigung bei.
Wir setzen auf mehreren Handlungsebenen an:
Beschäftigung schaffen, aktive Arbeitsmarktpolitik forcieren, Effizienz der
Arbeitsvermittlung steigern, kundenfreundliche und neue Strukturen in der
Arbeitsmarktpolitik, arbeitsplatznahe, bedarfsorientierte Qualifizierung,
Qualifizierungsoffensive für ältere Arbeitnehmer, neue Initiativen in einer
geänderten und sich weiter ändernden Arbeitswelt.
Arbeitsmarktservice: Reform des AMS zwecks
Steigerung der Effizienz bei der Arbeitsvermittlung (Ziel: Vermittlung
innerhalb von 90 Tagen).
Arbeitslosenversicherung: Die neuen
Erwerbsformen (freie Dienstnehmer, neue Selbstständige), aber auch Unternehmer
sollen sich freiwillig versichern, damit sie bei Wegfall der ausgeübten
Erwerbstätigkeit ein Arbeitslosengeld, bei Wahrung bereits erworbener
Ansprüche, beziehen können. Die verpflichtende Ausstellung eines Dienstzettels
für freie Dienstnehmer soll eingeführt werden.
Arbeitslosenversicherung und
land(forst)wirtschaftlicher Betrieb: Für Landwirte soll diese durch die
Berechnung der Einkommensgrenze nach steuerlichen Grundsätzen und einer dynamischen
Anpassung sichergestellt werden.
Überführung der Notstandshilfe in eine
,Sozialhilfe neu‘: Es soll geprüft werden, die Notstandhilfe von der Zuständigkeit des
AMS in die Sozialhilfe der Länder zu verlagern. Wesentliche Voraussetzung dafür
ist eine durch ein Sozialhilfegrundsatzgesetz oder eine Artikel 15-a-Vereinbarung
harmonisierte Regelung der gesamten ,Sozialhilfe neu‘.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 52 |
Ausbau des Frühwarnsystems: Gekündigte
Arbeitnehmer sollen sich bereits nach Ausspruch der Kündigung beim
Arbeitsmarktservice melden, um diesem frühzeitig die Möglichkeit für eine
individuelle Betreuung zu geben.
Flexibilisierung der Zumutbarkeitsbestimmungen:
Erstellung eines individuellen Betreuungsplanes für jeden Arbeitsuchenden
durch das AMS. Anpassung der Sanktionsmöglichkeiten in beide Richtungen.
Überprüfung der regionalen Vermittelbarkeit und eine zeitgemäße Ausgestaltung
des Berufsschutzes unter Einbeziehung eines Einkommensschutzes.
Reform der Altersteilzeit: Verlängerung über
den 31.12.2003 hinaus; Beschränkung auf 5 Jahre; Missbrauchsvermeidung;
Abschaffung der Möglichkeit des Blockens. Die Ersatzkraftstellung bei
Altersteilzeit wird wieder eingeführt. Altersteilzeitgeld im höchstmöglichen
Ausmaß wird seitens des AMS nur bei Einstellung einer Ersatzkraft zur
Auszahlung gebracht. Ohne Ersatzkraftstellung wird ein aliquoter Teil
ausgezahlt.
Reform des Bonus/Malus Systems: Stärkere
Abstellung auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit; Beseitigung der
Ungleichbehandlung bei der Freisetzung von Frauen und Männern; späteres
Einsetzen des Kündigungsschutzes bei älteren, mit Bonus eingestellten
Arbeitnehmern; Ausweitung Bonus/Malus
Sicherung der Ersatzzeiten in der
Pensionsversicherung: Arbeitslose, die mangels Notlage keine Notstandshilfe
erhalten, bekommen für die Dauer der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen für
die Notstandshilfe eine Ersatzzeit in der Pensionsversicherung.
Arbeitsrecht:
Arbeitszeitflexibilisierung: Das
Arbeitszeitgesetz soll im Lichte der EUArbeitszeit-RL vereinfacht und
modernisiert werden. Sowohl den Sozialpartnern, als auch abgestuft auf
betrieblicher Ebene sollen Flexibilisierungsmöglichkeiten eingeräumt werden.
Für KMUs ohne Betriebsrat sind entsprechende Maßnahmen in Einzelvereinbarungen
zu ermöglichen.
Anspruch auf Teilzeit für Eltern: Anspruch auf
Teilzeit und flexible Arbeitszeitregelung für Eltern von Kindern bis zum Ablauf
des 7. Lebensjahres oder bis Schuleintritt bei gleichzeitigem Recht auf
Rückkehr in Vollzeitbeschäftigung. Dies gilt für Arbeitnehmer mit mehr als
3 Jahren Betriebszugehörigkeit in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern.
Kommt innerhalb von 14 Tagen keine Vereinbarung zwischen AG und AN über
Inanspruchnahme (Dauer, Umfang, Lage) einer Teilzeitbeschäftigung zustande, hat
der AG über Ersuchen des AN innerhalb einer Woche eine ,Schiedsstelle‘ anzurufen, die als sozialpartnerschaftlich
besetztes Kollegialorgan mit richterlichem Einschlag einzurichten ist.
Analoges gilt bei gewünschter Änderung der vor Antritt des Karenzurlaubes
bestehenden Normalarbeitszeit. Nach zwei Jahren wird eine Evaluierung
vorgenommen. Darüber hinaus ist eine Expertenkommission einzurichten, in der
auch die Sozialpartner vertreten sind, die Vorschläge für weitere Anreize und
Initiativen für eine familienfreundliche Arbeitswelt, insbesondere für KMUs
mit weniger als 20 Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen, ausarbeitet.
Weitere Gleichstellung von Arbeitern und
Angestellten: Vollständige Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im
Bereich der Entgeltfortzahlung.
Mindestlohn: Wir sind der Auffassung, dass
jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin für Vollzeitarbeit ein Mindestlohn
von 1.000 € im Monat zustehen soll. Wir fordern daher die Sozialpartner
als Kollektivvertragsparteien auf, entsprechende Bestimmungen in den
Kollektivverträgen zu verankern. Dabei soll sichergestellt werden, dass
insbesondere in sensiblen Branchen die Arbeitsplätze gesichert bleiben.
Behinderte Menschen:
Erarbeitung eines Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes unter Einbeziehung der Betroffenen, sowie Vorlage eines Bündelgesetzes auf Grundlage der Ergebnisse aus 1999 einer
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Arbeitsgruppe im Verfassungsdienst über die Diskriminierung behinderter
Menschen in den verschiedensten Gesetzesmaterien
Durchforstung der Berufsausbildungs-,
Ausübungs- und Zugangsgesetze auf Diskriminierung behinderter Menschen
Sicherstellung einer barrierefreien Nutzung bei
Um- und Neubauten im gesamten öffentlichen Bereich inklusive des öffentlichen
Verkehrs und der Verkehrsflächen
Ermöglichung eines barrierefreien Zugangs zum
e-government und e-learning
Verbesserung der Voraussetzungen für Gebärden-
und Lautsprache.
Förderung des Behindertensports
Die Möglichkeit, Zuschüsse und Darlehen für
durchgeführte intensive Maßnahmen in Betrieben, die der Verbesserung der
Zugänglichkeit für zu beschäftigende Menschen mit Behinderungen oder die der
Betreuung / Gesundheitsvorsorge für Menschen mit Behinderung dienen, zu gewähren,
wird verlängert. Die Abwicklung dieser Förderung erfolgt über die Austria
Wirtschaftsservice-GmbH und wird über den Budgetansatz des BMWA dotiert.
Absicherung pflegender Angehöriger durch
Fristerstreckung des Arbeitslosengeldes
Schaffung einer günstigen Selbstversicherung
für pflegende Angehörige
Evaluierung und Weiterführung der
Behindertenmilliarde
Ausländerbeschäftigung: Die Harmonisierung von
Aufenthalt und Beschäftigung soll unter Beachtung der siebenjährigen
Übergangsfristen sowie der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes fortgesetzt
werden. Als Übergangsmechanismus für die Personenfreizügigkeit sollen direkt umsetzbare
Beschäftigungsabkommen mit den EU-Beitrittskandidaten ausverhandelt und in
Kraft gesetzt werden. Im Bereich der Saisoniers sind, im Rahmen der geltenden
Quotenregelungen, ausreichend Arbeitskräfte für die Landwirtschaft und die
Tourismus- und Freizeitwirtschaft zur Verfügung zu stellen.
9. Pensionen
Unter Zugrundelegung der demographischen
Entwicklung ist das vorrangige Ziel die Sicherung des auf dem Umlageverfahren
beruhenden Pensionssystems. Ein Kernelement der nachhaltigen Sicherung ist die
Harmonisierung aller Pensionsversicherungssysteme und die daraus resultierende
Schaffung eines einheitlichen Pensionssystems für alle Erwerbstätigen, welches
auf den Rahmenbedingungen des ASVG beruht. Die Absicht, in Zukunft ein
grundsätzlich beitragsorientiertes Pensionskonto, bei gleichzeitiger Erreichung
eines Regelpensionsalters von 65 Jahren, einzuführen, ist ein weiterer
Baustein eines zukunftsweisenden einheitlichen Pensionsrechts. Ein weiterer
Ausbau der betrieblichen und der individuellen Altersvorsorge (2. und 3. Säule)
ist, vor allem im Lichte einer zusätzlichen Altersabsicherung, weiter zu
forcieren.
Unter Zugrundelegung der Entwicklung des
Bundesbeitrages ist es erforderlich, Maßnahmen zur Stabilisierung des
budgetrelevanten Finanzbedarfs unseres gegenwärtigen Pensionssystems zu
setzen. Vor allem im Hinblick auf das Vertrauen und die Absicherung der
jüngeren Generationen ist eine Systemsicherung, welche sich an den geänderten
Rahmenbedingungen (späterer Eintritt ins Erwerbsleben und längere
Lebenserwartung) orientiert, erforderlich. Im Rahmen einer laufenden Sicherung
des Systems ist es notwendig, die mit der Pensionsreform 2000 gesetzten
Schritte fortzuführen und gleichzeitig weiter zu entwickeln.
Mittel und Langfrist-Maßnahmen:
Schrittweise Harmonisierung der Beitragssätze
und Beitragsgrundlagen für die Pensionsversicherung als wesentliche
Voraussetzung für ein einheitliches Pensionsrecht. Erster Schritt in dieser
Legislaturperiode.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 54 |
Beitragsorientiertes Pensionskonto: Erweiterung
des individuellen Durchrechnungszeitraumes, als notwendiger und sozial
ausgewogener Übergang zur Einführung eines persönlichen Pensionskontos
(grundsätzlich beitragsorientiert, leistungsorientierte Elemente für sozial
ausgewogene Alterssicherung).
Die Reformkommission wird Möglichkeiten prüfen,
die Erweiterung des Durchrechnungszeitraumes und den Übergang auf ein
Pensionskonto durch Einbindung zusätzlicher Instrumente (pro rata temporis,
Versteinerung von Alt-Ansprüchen) unter Zugrundelegung der vorgegebenen Ziele
zu vereinfachen.
Mindestpension: Einführung einer Mindestpension
in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende bei
Bedürftigkeit. Diese Mindestpension soll für alle alleinstehenden, unversorgten
Personen, die das Regelpensionsalter erreicht haben und weder über eine Eigenpension
noch über eine von einem verstorbenen Ehepartner abgeleitete Pensionsversorgung
verfügen, unter Heranziehung der Sozialhilfe der Länder, geschaffen werden.
Existenz-Absicherung nach Scheidung:
freiwilliges Pensionssplitting ermöglichen.
Nach Auslaufen der vorzeitigen Alterspension wegen
langer Versicherungsdauer und der Verlängerung der Durchrechnungszeiträume
soll, bei einem Regelpensionsalter von 65 und bei Vorliegen eines
existenzsichernden Pensionsanspruches, die Möglichkeit geschaffen werden, nach
eigener Disposition, ab 60, mit entsprechenden Zu- und Abschlägen, in Pension
zu gehen.
Erhöhung des Pensionssicherungsbeitrages im
öffentliche Dienst um 1%
Zugangsalter zur vorzeitigen Alterspension bei
langer Versicherungsdauer weiter anheben: ab 1.1.2004: 2004 um 4, 2005 um 6,
2006 bis 2009 um je 8 Monate.
Die Einsparungspotentiale aus der
Zusammenlegung in die PVA sollen noch in dieser Legislaturperiode für die
Steuerzahler (Bundesbeitragssenkung) im Interesse der Versicherten nutzbar
gemacht werden.
Ausbau des Bonus/Malus-Systems in der
gesetzlichen Pensionsversicherung: Für Personen, die über das
Regelpensionsalter hinaus berufstätig sind, beträgt der Bonus 4,2 % pro
Jahr. Der Malus beträgt 4,2 % pro Jahr eines frühen Pensionsantrittes, und
ist von der jeweiligen erzielten Bruttopension abzuziehen. Aus Fairness und
Effizienzgründen wird dieses System ohne Deckelung eingeführt. Die
Inanspruchnahme einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer
soll nur dann möglich sein, wenn der Pensionsanspruch mindestens den aktuellen
Ausgleichszulagenrichtsatz erreicht.
So genannte „Hackler-Regelung“: Verlängerung
der „Hackler-Regelung“ bis 2010 (Pensionsantritt nach 40 bzw. 45
Beitragsjahren)
Analog Anhebung des Pensionsantrittsalters im
öffentlichen Bereich, einschließlich der öffentlichen Betriebe (z.B. ÖBB,
Post). Empfehlung an übrige Gebietskörperschaften, analoge Regelungen zum Bund
zur Erhöhung des Pensionsantrittsalters zu setzen. Die Länder sind im Rahmen
des Homogenitätsgebotes angehalten, Regelungen betreffend die Anhebung des
Pensionsantrittsalters rasch und effizient umzusetzen.
Auslaufen der vorzeitigen Alterspension bei
Arbeitslosigkeit und Übertragung in die Arbeitslosenversicherung
(Altersübergangsgeld in der Höhe des ALG).
Maßnahmenpaket für Ältere Arbeitnehmer:
Aktion ,56/58 Plus‘: Lohnnebenkostensenkung für über
56/58-jährige Arbeitnehmer um 3 % Punkte; für Arbeitnehmer über 60 um rund
10% Punkte. Dies wird durch den Wegfall der Arbeitslosen-, und zum Teil der
Unfall-, FLAF- und Insolvenzentgeltfonds-Beiträge realisiert. Die dadurch
entstehenden Entlastungen kommen sowohl der Arbeitgeber- als auch der Arbeitnehmerseite
zu Gute.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 55 |
Pensionisten soll die Möglichkeit eröffnet
werden, auch neben der Alterspension eine, einer Pflichtversicherung
unterliegende Tätigkeit auszuüben. Die in das jeweilige System eingezahlten
PV-Beiträge sollen künftig durch regelmäßige Neubemessung der Pension bei der
Pensionshöhe berücksichtigt werden.
Qualifikationsoffensive für ältere
Arbeitnehmer: Unter bestimmten Voraussetzungen, wie z.B.: bei Gefährdung des
Arbeitsplatzes, sollen verstärkt Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik zur
Qualifizierung von älteren Beschäftigten verwendet werden.
Rechtsanspruch älterer und jüngerer
Arbeitnehmer: Wir wollen, dass seitens des Arbeitsmarktservice, Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen, welche arbeitslos geworden sind, und die das 25.
Lebensjahr noch nicht oder das 50. Lebensjahr bereits überschritten haben,
binnen acht Wochen eine zumutbare Beschäftigung angeboten wird. Falls dies
nicht möglich ist, hat der/die Arbeitslose einen Rechtsanspruch auf Teilnahme
an einer Qualifizierungsmaßnahme.
Modernisierung der Arbeitswelt: Neue
Initiativen wie z.B. ,Die altersgerechte Gestaltung der Arbeitswelt‘
Anhebung des
Durchrechnungszeitraumes für die Bildung der Pensionsbemessungsgrundlage bis
2033 von 15/18 auf 40 Jahre (ASVG ab 2004 12 Monate pro Jahr;
öffentlicher Dienst 18 Monate pro Jahr).
Anhebung der pensionsbegründenden
Kindererziehungszeiten von derzeit 18 auf 24 Monate im Zuge einer
Gesamt-Pensionsreform.
Steigerungsbetrag von 2% pro Jahr
auf 1,78% pro Jahr senken (80% in 45 statt 40 Jahren).
Die bisher zu Verzerrungen führende
Valorisierung der Neuzugangspensionen soll in Zukunft erst mit dem auf das Jahr
nach Pensionsantritt folgende Jahr erfolgen.
Die Pensionsanpassung hat sich
weiterhin am Ziel der Wertsicherung zu orientieren. Einmalzahlungen sowie Fix-
und Sockelbeträge für sozial Schwächere. Die Bestimmungen der
Netto-Pensionsanpassung sind durch neue und für alle Bürger verständliche,
gesetzliche Regelungen zu ersetzen.
Die Pensionstypen aus dem Titel der
geminderten Arbeitfähigkeit (Invalidität, Berufsunfähigkeit und
Erwerbsunfähigkeit), die im europäischen Vergleich überdurchschnittlich in
Anspruch genommen werden, sollen einer grundlegenden Evaluierung und
nachfolgenden Reform zugeführt werden. Die Ergebnisse der
Pensionsreformkommission sind hierbei einzubeziehen und weiter zu entwickeln.
Nach Möglichkeit soll die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit, unabhängig vom
Charakter des Unfalls als Arbeitsunfall oder Freizeitunfall, analog bewertet
werden.
Weitere schrittweise Absenkung des
fiktiven Ausgedinges für Bauernpensionen.
10. Gesundheit und Pflege
Wir wollen das erprobte und bewährte
solidarische Gesundheitssystem erhalten und verbessern. Eine hochstehende
medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von
Einkommen, ist vorrangiges Ziel. Wir lehnen eine Zweiklassenmedizin ab.
Effizienz und Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Qualität sind Voraussetzung
für die optimale Versorgung der Patienten. Die Förderung eines
partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Patient und Leistungsanbieter soll
durch Verstärkung der Patientenrechte, Mitverantwortung und Mitbestimmung des
Patienten erreicht werden.
Gemeinsames Ziel ist es, qualitätssichernde
Maßnahmen in allen Bereichen des Gesundheitswesens zu setzen. Durch Erhöhung
der Effizienz und Wirtschaftlichkeit soll die Finanzierung der gesetzlichen
Krankenversicherung gesichert werden.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 56 |
Zusammenführung UV/KV – Strukturreform
GKK:
Die von der AUVA erbrachten Sachleistungen sind
auf die regionalen Krankenversicherungsträger auszulagern; Geldleistungen sind
durch die PVA zu administrieren. AUVA als Träger der Reha-Einrichtungen und der
derzeitigen kasseneigenen Spitäler (Prüfung).
Anpassung der Strukturen der
Gebietskrankenkassen an die Erfordernisse eines modernen Managements (Modell
Hauptverband). Die Führung hat dementsprechend in einem zweigliedrigen System,
bestehend aus Geschäftsführung und einem Aufsichtsgremium, zu erfolgen. Die
Parität in den Gremien wird gewährleistet durch die Beschickung des/der
Aufsichtsgremien durch die Sozialpartner.
Schaffung eines Kompetenzzentrums für
Gesundheitsförderung und Vorsorge, das alle bisher tätigen Einrichtungen der
Sozialversicherungen (AUVA, KV, PVA) auf diesem Gebiet zusammenführt.
Harmonisierung der IT-Systeme der
Sozialversicherungsträger unter Berücksichtigung bestehender Kompetenzzentren
Einführung der e-Card: Derzeit ist die e-Card
darauf ausgerichtet, den Krankenschein zu ersetzen. Durch eine Novelle des
§ 31a ASVG ist sicher zu stellen, dass die Chipkarte ergänzend auch als
Instrument der Transparenz der ärztlichen Leistung und deren Kosten verwendet
werden kann.
KV-Beiträge Pensionisten: Aufgrund der
demographischen Entwicklung besteht zunehmender Bedarf an qualitativ
hochwertiger Pflege und Betreuung chronisch Kranker. Aus diesem Grund scheint
es vertretbar, im Zusammenhang mit dem KV-Beitrag eine Erhöhung für die
Pensionisten in Jahresschritten im Ausmaß von je 0,25 % bis auf
4,75 % Beitrag vorzunehmen. Damit wird sichergestellt, dass die ältere
Generation auch weiterhin einen uneingeschränkten Zugang zur qualitativ besten
und auch immer kostenintensiver werdenden medizinischen Versorgung erhält.
Harmonisierung Beitragssatz KV/Leistungen:
Ziel ist die Gleichbehandlung aller in der KV
Beitragsleistenden. In einem ersten Schritt wird ein einheitlicher Beitragssatz
in Form eines Mischsatzes (7,3 %) für Arbeiter und Angestellte eingeführt.
Zusätzlich sollen 0,1 % an Versichertenbeiträgen
für Nicht-Arbeitsunfälle in allen KV-Trägern (ASVG, GSVG, BSVG, B-KUVG,
Pensionisten) eingehoben werden.
Nach erfolgter Harmonisierung des Beitrags-,
Tarif- und Leistungssystems sollen die Krankenversicherungsträger auf
Länderebene zu einer Kasse zusammen geführt werden.
Die Krankenscheingebühr und die Ambulanzgebühr
werden abgeschafft. Die Sozialversicherungsträger werden ermächtigt, von allen
Versicherten einen sozial gestalteten Selbstbehalt einzuheben.
Arzneimittel:
Der Generikaeinsatz in Österreich soll dem
europäischen Schnitt angepasst werden. Darüber hinaus soll der Anteil
rezeptfreier OTC-Produkte an den europäischen Durchschnitt angenähert und
vorläufig auf 10 % erhöht werden. Weiters ist das Solidaritätsmodell
hinsichtlich Arzneimittelkosten durch Hauptverband und Apothekerkammer fort zu
führen.
Dauerverschreibungen (Kostenersatz) bis zu
12 Monaten Gültigkeit.
Überprüfung der Großhandels- und
Apothekerspannen
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 57 |
Ökonomische Verschreibweise: Richtlinien zur
ökonomischen Verschreibweise (RÖV) sind in ganz Österreich einheitlich für alle
Krankenanstalten einschließlich Privatkrankenanstalten zur Anwendung zu bringen
(inklusive entsprechender Sanktionsmechanismen).
Gesundheitsplanung:
Formulierung von österreichweiten
Gesundheitszielen.
österreichweite Umwidmung von 10 000 und
Abbau von 6 000 Akutbetten bis 2006.
Bundesländer übergreifende, österreichweite
Leistungsangebotsplanung für den niedergelassenen und stationären
(öffentlichen und privaten) Bereich unter Berücksichtigung von Überkapazitäten
und Versorgungslücken.
Innerösterreichische Fremdpatientenregelung.
Zusammenführung von ÖBIG und Fonds Gesundes
Österreich zu einem Forschungs- und Planungszentrum für das österreichische
Gesundheitswesen (,Gesundheit Austria‘)
Sanktionsmechanismen für Umsetzung von ÖKAP und
Großgeräteplanung.
Gesundheitsförderung und Vorsorge:
Bewerbung der Vorsorgeuntersuchung für eine
erhebliche Erhöhung der Zahl der Vorsorgeuntersuchungen.
Entwicklung eines Vorsorgepasses analog zum
Mutter-Kind-Pass.
Ärzten sollen ,grüne Rezepte‘ (gesundheitsfördernde Maßnahmen,
Ernährungstipps etc.) verordnen können.
Verstärkte Funktion des Hausarztes als Betreuer
und Berater
Zentrale Evaluierung von Komplementärmedizin
(z.B. TCM, Lifestyle-Arzneimittel) in Ausbildung und Wirkung.
Schaffung eines center of excellence für
konservative Orthopädie und Schmerztherapie
Überprüfung der Chefarztaufgaben
Landesgesundheitsfonds (LGF): Um
Synergieeffekte zu nützen, sollen Landesgesundheitsfonds geschaffen werden,
die als Instrument einer gesamthaften regionalen Planung, Steuerung und
Finanzierung im Gesundheitswesen dienen. Eine länderübergreifende Kooperation
wird angestrebt.
Zur Absicherung eines einheitlichen
bundesweiten Rahmens für die Landesfonds wären auf Bundesebene gesetzlich bzw.
im Einvernehmen mit den Ländern im Rahmen des FAG zu regeln:
Qualitätssicherung und Standards (Prozess und
Ergebnis)
Überregionale Leistungsangebotsplanung für den
stationären und den extramuralen Bereich
Einheitliche und vergleichbare Dokumentation
Einheitliche Standards für Telematik und IT
Bundeseinheitliches LKF
Adäquate Zugangs- und Finanzierungsregelungen
für inländische Gastpatienten analog zum niedergelassenen Bereich
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 58 |
Ziel des ab 2005 neu zu vereinbarenden
FAG-Paketes ist es, bei der Krankenanstaltenfinanzierung die Kostensteigerung
des Hauptverbandes um 250 Mio. € zu reduzieren.
Neuregelung und Ausbildung von
Gesundheitsberufen und Unterstützung pflegender Angehöriger:
Gesamtkonzept für medizinisch-technische
Ausbildung und Pflegeberufe.
Die Berufsbilder (z.B. Altenfachbetreuer) sind
im Rahmen des GUKG nach dem Modulsystem weiterzuentwickeln. Die Gesundheits-
und Pflegeberufe sind auf ihre EU-Konformität hin zu prüfen.
Sicherung der Qualität der Pflege in allen
Bereichen
Österreichische Gesundheitskonferenz: Zur
Unterstützung eines effizienten Diskussionsprozesses soll die bestehende
Österreichische Gesundheitskonferenz mit allen Verantwortlichen, Betroffenen
und Leistungserbringern der besseren Koordination dienen. Weiters soll unter
Nutzung der Erfahrungen anderer Länder mit Experten aus den maßgeblichen
Bereichen (z.B. Medizin, Ökonomie etc.) eine jährliche Beurteilung zur Lage und
Entwicklung des Gesundheitswesens erstellt werden.
11. Bildung
Das große Ziel von Bildung ist nicht die Reproduktion
von Wissen, sondern die Anwendung von Wissen zur Lösung von neuen
Herausforderungen. Durch beste Bildung und Ausbildung erhalten die jungen
Menschen unseres Landes die Grundlagen zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit, für
ein sinnerfülltes Leben und für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn. Die
österreichische Bundesregierung wird im Rahmen einer Bildungsoffensive die
Qualität der Bildungsangebote im internationalen Vergleich weiter steigern, die
Vielfalt fördern und neue Entwicklungen in die Angebote aufnehmen.
Schulentwicklung und Qualitätssicherung:
Erarbeitung von Leistungsstandards.
Schulentwicklungsprogramm (Profilentwicklung,
best-practice Modelle).
Evaluierung der Schuleingangsphase.
(Rückstellungen)
Weiterführung der AHS-Reform, inklusive Reifeprüfung
und Evaluierung der laufenden Schulversuche in den BMHS (Eingang in Lehrplan)
Frühzeitiger Zugang zu universitären
Einrichtungen für Begabte (Anrechnung!)
Sonderschulen zu echten Förderschulen
weiterentwickeln.
Technologieoffensive (ECDL, neue Hard- und
Software, neue Lernkonzepte)
Aufbau von PISA – National und Ausbau der
externen Evaluierung im Rahmen der bestehenden Einrichtungen (Schulaufsicht).
Erhaltung der Schulen im ländlichen Raum durch
Berücksichtigung in der Verhältniszahl.
Entlastung der Schülerinnen und Schüler durch
Überprüfung der Stundentafel, wobei eine Annäherung an den Durchschnitt der
OECD-Staaten erreicht werden soll.
Überprüfung des Zulagensystems und der
Lehrverpflichtung im Lichte der OECD-Standards
Verwaltungs- und Baubereich:
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 59 |
Weitere Verwaltungsvereinfachung auf allen
Ebenen (incl. Neuregelung der Geldflüsse zwischen Bund und Ländern im Bereich
der Pflichtschullehrer).
Prüfung: politische Gremien der Landes- und
Bezirksschulräte
Einfache Mehrheiten, ausgenommen grundsätzliche
Fragen der Schulorganisation
Bildungsbauoffensive fortführen
Aufbau von ,Bildungsclustern‘ auf regionaler Ebene durch Nutzung
von bestehenden Ressourcen an Bildungseinrichtungen und in
Wirtschaftsunternehmen.
Beste Lehrkräfte für beste Bildung:
Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für
pädagogische Hochschulen.
Fort- und Weiterbildung der Lehrer als
integrativer Bestandteil der Hochschulen für pädagogische Berufe
Evaluierung der Fort- und
Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer (Berücksichtigung der
individuellen Bedürfnisse der Schulstandorte)
Neuverteilung des aktiven Lehrergehaltes,
modernes und leistungsorientiertes Besoldungssystem (höhere Einstiegsgehälter)
Lebensbegleitendes Lernen:
Bildungsabschlüsse international vergleichbar
machen, Zertifizierung
nationale Steuerungsgruppe zur Koordination und
Strategieplanung im BMBWK.
Besonderes Augenmerk: Nachholen von
Bildungsabschlüssen
neue e-learning Modelle, neue steuerliche
Anreizsysteme, Qualitätssicherung
Bildung ist die beste Frauenförderung:
Fortführung des Aktionsplans 2003 (Aktion
Mädchen in die Technik, Netzwerk zur Verbesserung der erforderlichen Fort- und
Weiterbildungsangebote im Rahmen der PI, Aktionen zur bewussten Koedukation,
laufende Informationsangebote zu frauen- und geschlechtsspezifischen Themen).
Spezifische Fördermaßnahmen für Eltern während
der Familienphase (e-learning).
Gender Mainstreaming im gesamten
Bildungsbereich
12. Wissenschaft
Das Universitätsgesetz 2002 als großes
Reformwerk für die Selbstständigkeit der Universitäten findet international
große Anerkennung. Die Universitäten sind bei der Implementierung tatkräftig
zu unterstützen, damit sie im europäischen Wettbewerb bestehen können. Die
österreichische Bundesregierung hat zum Ziel, dass junge Leute, welche die
Voraussetzung mitbringen, ohne Barrieren studieren können. Deshalb wird großes
Augenmerk auf die Studienförderung und auch auf Karrieremöglichkeiten für den
wissenschaftlichen Nachwuchs gelegt.
Universitätsentwicklung:
Zielorientierung Umsetzung des UG 2002,
Profilentwicklung als Basis für die ersten Leistungsvereinbarungen,
Einrichtung einer Evaluierungsagentur nach europäischen Maßstäben.
Studienbeiträge verbleiben den Unis für
verbesserte Studienbedingungen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 60 |
Anpassung des Universitätsbauprogramms auf
Schwerpunktbildung
Umsetzung des dringenden Sanierungsprogramms
(Gerichtsmedizin Wien, etc.)
Erstellung eines sachgerechten Modells für den
Klinischen Mehraufwand sowie Umsetzung der Betriebsführungsgesellschaften und
der Zusammenarbeitsverträge zwischen den medizinischen Unis und den
Spitalsträgern.
Entwicklung der Telemedizin auf europäischem
Niveau
Entwicklung von e-learning Modellen an
Universitäten
Wissenschafter in Österreich: Attraktivere
Wissenschaftslaufbahnen (verstärkte Durchlässigkeit zur Wirtschaft, neue
Kollektivverträge, leistungsorientiertes Pensionskassenmodell, Internationalisierungsprogramme
für Jungforscher, Erhöhung des Frauenanteils durch Verstärkung der bestehenden
Instrumentarien)
Studienförderung:
Allenfalls bestehende Hürden in der
Studienförderung beseitigen, Schaffung einer Möglichkeit des Bildungssparens.
Uni-Studienbeiträge (wie FH) für Berufstätige
abschreibbar machen
Förderung besonders Begabter durch eine eigene
Studienstiftung.
Fachhochschulen:
Fachhochschulentwicklungsplan III erstellen,
Prüfung der Umstellung von Studiengangs- auf Erhalterförderung, verstärkte
Internationalisierung
Aufbau von Forschung und Entwicklung an
Fachhochschulen und Positionierung als Kompetenzzentren für die regionale
Wirtschaft und Industrie.
Mobilität und der europäische
Wissenschaftsraum:
Ausbau der Mobilitätsprogramme und Umsetzung
der europäischen Studienarchitektur, europäische Studiengänge mit gemeinsamen
Abschlüssen.
Internationale Durchlässigkeit und
Vergleichbarkeit der Studien (ECTS)
13. Forschung und Innovation
Das Ziel der Europäischen Union ist es, Europa
bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschafts- und
Wissensraum der Welt zu machen und die Forschungsquote bis 2010 auf 3 %
des BIP anzuheben. Die österreichische Bundesregierung wird die Investitionen
für Forschung bis 2006 auf 2,5 % des BIP erhöhen, damit werden der
Wirtschaftsstandort und Arbeitsplätze gesichert. Das Förderinstrumentarium und
die bestehenden Forschungsstrukturen sind effizienter zu gestalten und die
mittel- und langfristige Finanzierung ist sicherzustellen.
Anhebung der Forschungsquote auf 2,5 %
BIP-Anteil bis zum Ende der Legislaturperiode (3% bis 2010)
Bereitstellung der 2. Tranche der Sondermittel
für Forschung, Technologie und Innovation in der Höhe von 600 Mio. €
im Laufe der Gesetzgebungsperiode
Planungs- und Finanzierungssicherheit für die
außeruniversitäre Forschung sicherstellen (Übernahme in Regelbudgets)
Vereinfachung der Förderstrukturen mit Trennung
der strategischen und operativen Ebene
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 61 |
Anpassung der Förderinstrumente an europäische
Rahmenbedingungen und – soweit notwendig – an das UG 2002
Erreichung einer höheren Förderquote im 6.
Forschungsrahmenprogramm der EU
Bewerbung für europäische centers of excellence
(Basisfinanzierung der Infrastruktur)
Bioethik: Schwerpunkt auf Sicherheits- und
Risikoforschung, Vorrang für Frage der Ethik, Strikte Ablehnung des
reproduktiven Klonens
Umsetzung der Biopatent-Richtlinie, nach
Durchführung einer parlamentarischen Enquete.
Ratifizierung der Bio-Medizinkonvention des
Europarates und der Zusatzprotokolle nach vorheriger Klärung der Interessen
behinderter und unmündiger Menschen.
14. Nachhaltigkeit, Umwelt und Landwirtschaft
Österreich liegt, was seine Umwelt- und
Nachhaltigkeitspolitik betrifft, im internationalen Spitzenfeld. Die Politik
hat weiterhin jene Bedingungen zu schaffen, die ein nachhaltiges Wirtschaften
ermöglichen, um die Verantwortung für die Lebensqualität in unserem Land und im
globalen Rahmen wahrnehmen zu können. Die Bundesregierung bekennt sich zu einer
starken österreichischen Land- und Forstwirtschaft, deren Leistungen gerechte
Einkommen gegenüber stehen. Diese gewährleistet die Versorgung der Bevölkerung
mit sicheren Nahrungsmitteln höchster heimischer Qualität. Darüber hinaus
erbringt sie unverzichtbare Dienste im Rahmen der nachhaltigen Bewirtschaftung
unserer natürlichen Ressourcen und für die Entwicklung des ländlichen Raumes.
Ökologisierung des Steuersystems:
Einher gehend mit der Fortsetzung der
Budgetkonsolidierung, der Senkung der Abgabenquote und der Senkung der
Lohnnebenkosten – Ökologisierung des Steuersystems (im Rahmen der
Steuerreform)
Weiterentwicklung der Besteuerung der fossilen
Treib- und Brennstoffe im Lichte der europäischen Entwicklungen, sowie der
verkehrsbezogenen Steuern und Abgaben. Erneuerbare Energieträger sollen
begünstigt und die Erreichung des Kyoto-Ziels in allen Bereichen optimal
unterstützt werden.
Initiative auf EU-Ebene zur verpflichtenden
Einführung von Dieselpartikelfiltern oder gleichwertiger technischer Maßnahmen
zur Feinstpartikelreduktion. Unterstützung auf nationaler Ebene durch Anreize
(zB NOVA).
Forcierung der raschen Einführung
von schwefelfreiem Treibstoff und Setzung entsprechender steuerlicher Maßnahmen
(MÖSt).
Klimaschutz:
Die nationale Klimastrategie ist
rasch und unter Beachtung ökologischer ökonomischer und sozialer Gesichtspunkte
umzusetzen. Entsprechend dem Finanzbedarf und der Finanzstruktur der
Klimastrategie werden in den Jahren 2004 bis 2006 die Budgetmittel um je
30 Mio Euro aufgestockt (+90 Mio. Euro in 2006).
Thermisch-energetische Maßnahmen im
Wohnhausbereich sind vor allem durch entsprechende Umschichtungen innerhalb der
Wohnbauförderung zu forcieren.
Etablierung eines Systems des
Emissionshandels im europäische Gleichklang. Auch der Ankauf von
Emissionsreduktionen im Rahmen der flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls
(JI/CDM-Programm) soll einen wichtigen Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Ziels
leisten. Schaffung der gesetzlichen Grundlage durch Verankerung im UFG.
Nationales Programm für die Klimaforschung und
das Klimamonitoring.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 62 |
Nukleare Sicherheit:
Die Bundesregierung wird die Atom-Politik auf
Basis der bisherigen Entschließungen des Nationalrates insbesondere der
Entschließung 143/E vom 10.7.2002 ,zukünftige Schwerpunkte der
Anti-Atom-Politik Österreichs unter besonderer Berücksichtigung des KKW Temelin‘ aktiv fortsetzen. In diesem
Zusammenhang werden die Gespräche mit Tschechien bezüglich der Nullvariante
für Temelin intensiv geführt.
Die Bundesregierung wird im Rahmen von EURATOM
ihre Entscheidungen daran orientieren, dass keine zusätzlichen Mittel für den
Neubau oder Kapazitätsausweitungen von AKW und die Nachrüstung von AKW mit
einer damit verbundenen Laufzeitverlängerung verwendet werden. Solche
zusätzlichen Mittel sollen allenfalls für Sicherheitsverbesserungen mit
verbindlich fixierten Schließungsdaten, für Dekommissionierungen von
Atomanlagen oder für Endlagerprojekte verwendet werden können, sofern die
Betreiber dazu aus eigener finanzieller Kraft nicht in der Lage sind.
Abfall und Altlasten:
Konsequente Umsetzung der
Deponieverordnung – die Abfallbehandlung vor einer Deponierung
Die Regelungen im Verpackungsbereich sind unter
Berücksichtigung von freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft und der
Vorgaben der Deponieverordnung weiterzuentwickeln.
Das Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) ist unter
dem Aspekt der Abfallvermeidung und dem Ziel der langfristigen Sicherstellung
der Finanzierung der Altlastensanierung weiter zu entwickeln. Dabei ist zur
Abwicklung von Ersatzvornahmen auch ein Sockelbetrag aus dem allgemeinen
Budget vorzusehen.
Betrieblicher Umweltschutz:
Verwaltungsvereinfachungen für zertifizierte Betriebe, entsprechende
Verbraucherinformation z.B. das Umweltzeichen
Nationalparks: weiterer Ausbau zu
Modellregionen
Erhaltung und Verbesserung der
Umweltqualität – Luft, Strahlung:
Emissionsgesetz-Luft zur Festlegung von
Höchstmengen mit Novellierungen des Ozongesetzes und
Immissionsschutzgesetzes-Luft.
Gesetzliche Vorschriften zum Schutz des
Menschen vor nicht-ionisierenden Strahlen auf Basis WHO-Projekt.
Für Sendemasten von Mobilfunknetzen Festlegung
von Grenz- bzw. Richtwerten auf Basis des Telekomgesetzes und unter Beachtung
der Empfehlung des Obersten Sanitätsrates sowie der Grenzwerte der WHO
Forcierung erneuerbarerer Energien und
Energieeffizienz:
Biomasseeinsatz bis 2010 um 75% erhöhen
Verbesserung Energieintensität
(Energieverbrauch pro BIP-Einheit) um 1,6 % p.a. und Steigerung Anteil
erneuerbarer Energieträger am Gesamtenergieverbrauch um 1 % p.a. gemäß
Nachhaltigkeitsstrategie.
Der Ökostromanteil soll bis 2008 auf
78,1 % gesteigert werden.
Zur Förderung biogener Treibstoffe sind der
Mineralölwirtschaft Quoten analog dem EIWOG vorzuschreiben.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 63 |
Anhebung Plafondierung Photovoltaik im Rahmen
der gegebenen Gesamtdeckelung noch 2003.
Prüfung Fördersystem für Einspeisung Biogas
analog Ökostromgesetz. Forschungsprojekt zu notwendigen Qualitäten und
Pilotprojekte.
Contracting-Programm zur Energieeinsparung bei
Bundesgebäuden (Fortführung und Ausweitung auf private
Dienstleistungsgebäude).
Gentechnik: Regelungen unter Berücksichtigung
des Vorsorgeprinzips müssen europaweit einheitlich verankert werden. Strenge
Kennzeichnungs- und Toleranzregelungen für gentechnisch veränderte Produkte
sind zu etablieren. Eintreten für EU-weite Festsetzung von Grenzwerten für
Verunreinigungen bei Saatgut analog österreichischer Saatgut-Gentechnik-VO. Auf
Basis der Entschließung 403/UEA vom Mai 2002 wird die Möglichkeit der
Einrichtung GVOfreier Zonen in Österreich und ihre EU-Konformität unter
Beachtung von Fragen wie Koexistenz, Biolandbau und Biodiversität rechtlich
geprüft. Für Aufrechterhaltung des EU-Gentechnik-Moratoriums bis zur Klärung
wesentlicher Fragen wie Haftung, Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit in
Zusammenhang mit der Koexistenz EU-weit.
Katastrophenfonds: Die Mittel für den
vorbeugenden Katastrophenschutz sind in jenem Ausmaß aus dem Katastrophenfonds
zu gewähren, die zum aktiven Schutz vor Naturgefahren (Hochwasser, Lawinen,
Vermurungen) erforderlich sind.
Drei Milliarden Euro-Paket: Entsprechend dem
EU-Finanzrahmen werden in Österreich für die Dauer der Legislaturperiode zur
Umsetzung der agrarpolitischen Zielsetzungen € 3 Mrd. bereitgestellt.
Wettbewerbsbedingungen: Im Rahmen der
Steuerreform wird eine Agrardieselpreissenkung auf ein konkurrenzfähiges Niveau
(Reduktion auf das Niveau von Heizöl extra leicht) umgesetzt. Ziel im
Betriebsmittelbereich bleibt eine europaweite Zulassung und harmonisierte
Besteuerung von Betriebsmitteln. Ein voller Binnenmarktzugang im Bereich der
Betriebsmittel und der Tierarzneimittel ist anzustreben. Auflagen und
Beschränkungen für die Produktion, die über die EU-Normen hinausgehen, sind bei
Sicherung der österreichischen Standards zu vermeiden.
Direktvermarktung und Dienstleistungen:
Mehr Möglichkeiten in der Gewerbeordnung
(Verordnung Abgrenzung Urproduktion).
Verbesserte Anerkennung land- und
forstwirtschaftlicher Berufsausbildung bei der gewerblichen Berufsausbildung.
Verwaltungsvereinfachung: Automatische
Antragstellung bei Tierprämien bis zum 1. Jänner 2004. Im Laufe des Jahres
2003 sollen die Kontrollen in den Bereichen Integrierte Produktion, Gütesiegel,
biologische Produktion und Tiergesundheitsdienst harmonisiert und zusammengeführt
werden.
Biolandbau: Die Biolandwirtschaft soll weiter
ausgebaut werden, damit Österreich weiterhin Bioland Nr. 1 bleibt.
Fortführung des österreichischen Bioaktionsprogramms, Schaffung eines
EU-Bioaktionsplans.
Lebensmittelsicherheit: Kontrollsysteme durch Kennzeichnung
transparenter gestalten, um dem Anspruch des Konsumenten auf Herkunft und
Produktstandards zu entsprechen. Ernährungsagentur mit Ziel Zusammenführung
mit Dienststellen der Länder ausbauen. Prüfung der Novellierung des
Lebensmittelrechts.
GAP: Die Bundesregierung tritt für eine Verankerung des Europäischen Landwirtschaftmodells in der Verfassung der Union ein. Daher soll die ländliche Entwicklung als zweite Säule der GAP dynamisch weiterentwickelt und die Direktzahlungen der ersten Säule mit einem entsprechenden Leistungsbezug und ökologischen Mindestanforderungen im europäischen Gleichklang
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 64 |
dauerhaft abgesichert werden. Die Milchquotenregelung ist
fortzuführen, um die Bewirtschaftung auch in benachteiligten Gebieten aufrecht
erhalten zu können. Für allfällige Preissenkungen bei Gemeinsamen
Marktorganisationen sind entsprechende Kompensationsmaßnahmen vorzusehen.
Ländliche Entwicklung und Regionalpolitik:
Vernetzung der ,Entwicklung ländlicher Raum‘, ,Regionalpolitik‘ und ,Raumentwicklung‘. Forcierung erneuerbarer
Energieträger (vor allem NAWAROS) und Investitionen als Schwerpunkt der Politik
für den ländlichen Raum.
Marktchancen nützen: Nutzung des Systems der
Garantiebesicherung unter Einbindung von Kontrollbank und AWS für den
Agrarsektor prüfen
Wasser: Oberstes Ziel ist nachhaltige Bewahrung
des Wassers als Lebensgrundlage für künftige Generationen. Die Implementierung
der WRRL muss transparent und einfach – insbesondere unter Setzung klarer
und überschaubarer Rahmenbedingungen und Handlungsvorgaben für die in der
Wasserwirtschaft handelnden Sektoren – erfolgen. Die nachhaltige
Finanzierung der Siedlungswasserwirtschaft, insbesondere im ländlichen Raum,
ist sicherzustellen. Die Sicherung und der Schutz der österreichischen
Wasserressourcen ist ein vitales nationalstaatliches Interesse und muss daher
auch in Zukunft den einzelnen Mitgliedstaaten der EU vorbehalten werden.
15. Frauen
Wir bekennen uns zu einem partnerschaftlichen
Lebensmodell und setzen die vollständige Gleichberechtigung und
Gleichrangigkeit von Mann und Frau voraus. Für uns ist Frauenpolitik ein
breiter politischer Gestaltungsauftrag und fällt daher in die Zuständigkeit
aller Ressorts. Unsere Frauenpolitik spricht alle Frauen an, in allen
Lebensphasen, im Alter, in der Jugend, am Arbeitsmarkt und im Haushalt, Frauen
mit und ohne Kinder.
Gender Mainstreaming in allen öffentlichen
Bereichen (Bund, Land, Gemeinden und allen öffentlichen Einrichtungen) und die
Sicherstellung der dafür notwendigen Ressourcen wird weitergeführt und
ausgebaut.
Geschlechterbezogener Sprachgebrauch in
öffentlichen Schriftstücken
Umsetzung der EU-Vorgaben im Bereich
Gleichbehandlung
EU-konforme Genderquote in Kommissionen und
Beiräten
Durchsetzung der Chancengleichheit in der
Arbeitswelt:
Anhebung der österreichischen
Frauenbeschäftigungsquote auf 65%
Frauenspezifische Beratungsangebote im AMS zur
Berufsorientierung und Karriereplanung (vor allem auch im Bereich IKT und
Technik)
Angebote zur Qualifikation und Ausbildung
zwecks Wiedereinstiegs während und nach der Karenz
Gezielte Arbeitsmarktmaßnahmen für Frauen
(insbesondere Umstiegsprogramme z.B.: Schulung für Pflegeberufe)
Verringerung der Einkommensunterschiede von
Frauen und Männern (gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit)
1000 Euro Mindestlohn (siehe
Kapitel 10, Arbeit und Soziales)
Entwicklung und Verbesserung von
Mentoringprogrammen und Netzwerken
Weiterer Ausbau von Frauenförderplänen
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 65 |
Eigenständige Alterssicherung für Frauen (siehe
Kapitel Pensionen)
Gewaltprävention, Schutz und Betreuung von Opfern
Förderung der Frauengesundheit durch
Gesundheitszentren
Evaluierung der Frauenberatung und Absicherung
durch mehrjährige Förderpläne
Einrichtung eines Frauenpolitischen Beirates
16. Familie und Generationen
Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Die Bundesregierung
unterstützt alle Maßnahmen, die den Eltern die Wahlfreiheit bei der Betreuung
ihrer Kinder ermöglichen. Die Bundesregierung wird darauf einwirken, dass die
Länder und Gemeinden ein qualitätsvolles, ausreichendes und bedarfsgerechtes
Angebot von Kinderbetreuungsplätzen unter Berücksichtigung der Erfüllung der
EU-Ziele für Kinder unter 3 Jahren und zur Betreuung in den schulfreien
Zeiten sicherstellen. Die Bundesländer werden eingeladen, ihre
Familienleistungen an die Bedürfnisse der Eltern anzupassen und auf jene Zeiten
zu konzentrieren, in denen es keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld gibt.
Förderung einer familienfreundlichen
Arbeitswelt (Audit ,Familie und Beruf‘ und flexible Arbeitszeitmodelle)
Evaluierung des Kinderbetreuungsgeldes
Aktivierung der Rolle der Väter und Förderung
der Väterkarenz
Zuschläge zum Kinderbetreuungsgeld bei
Mehrlingsgeburten
Evaluierung der Eltern- und Partnerbildung und
deren zielorientierte Weiterführung
Ausbau der Familienberatungsstellen zu
Familienkompetenzzentren
Änderung der Richtlinien für den
Familienhärteausgleich
Förderung des ,Unternehmens Haushalt‘
Verankerung der Familie in der Verfassung
Einrichtung einer Bundeskoordinationsstelle für
Familie und Beruf im Rahmen des Sozialressorts.
Jugend:
Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung
Nominierung von Jugendbeauftragten zur Prüfung
der Jugend- und Familienverträglichkeit von Normen
Ausbau der Sucht und Drogenprävention sowie der
Sektenberatung
Maßnahmen gegen Gewalt in den Medien
Senioren:
Verankerung der Alterssicherung und des
Diskriminierungsverbotes aufgrund des Alters in der Verfassung
Verankerung der Seniorenvertretung als
Pensionistenkurie in der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 66 |
Seniorenanwaltschaft und Schaffung von
Seniorenbeiräten durch die Länder und Gemeinden
Ehrenamt und Freiwilligenarbeit:
Gewährung der Familienbeihilfe während des
Freiwilligen sozialen Jahres
Einrichtung eines österreichischen Rates für
Freiwilligenarbeit
Unterstützung und Anerkennung der
Freiwilligenarbeit
Prüfung von Möglichkeiten einer
Unfallversicherung für ehrenamtliches Engagement
Prüfung der Möglichkeit steuerlicher Maßnahmen
zur Unterstützung von ehrenamtlichen Organisationen im Sozial-, Gesundheits-
und Frauen-Bereich.
17. Medien
Medienfreiheit und Medienvielfalt sind für eine
hoch entwickelte Demokratie ebenso bedeutend, wie die demokratischen
Institutionen und Verfahren. Die Bundesregierung wird daher alles unternehmen,
was Vielfalt und Freiheit der elektronischen und gedruckten Medien und der
Kommunikationsmöglichkeiten nützt.
Spielregeln für ORF und Private bezüglich
Einhaltung der Werbe- und Sponsoringregeln
Mittelfristig wird die Schaffung eines einzigen
Konvergenzregulators angestrebt. Bis dahin ist die Kooperation zwischen den
bestehenden Regulatoren zu intensivieren.
Radio- und TV-Gebühren: Aus Teilen der Radio-
und TV-Gebühren sollen die Digitalisierungsoffensive im Rundfunkbereich, sowie
die Film- und Produktionswirtschaft auf Basis eines PPP-Modells finanziert
werden.
Bei Übernahme neuer, zusätzlicher Aufgaben
durch den ORF, werden dem ORF neue Einnahmen ermöglicht.
Evaluierung der Presseförderung (Ausgleich von
Wettbewerbsverzerrung, Qualitätsförderung, regionale Vielfalt)
Abschaffung der Anzeigen- und
Ankündigungsabgabe im Rahmen des nächsten FAG wird angestrebt, um der Medien-
und Werbewirtschaft neue Impulse zu geben.
Sicherung der Förderung des Wettbewerbs im
Telekommunikationssektor
Unabhängigkeit der KommAustria
18. Kunst und Kultur
Die in der Verfassung verankerte Freiheit der
Kunst bedeutet den Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass sich Künstlerinnen und
Künstler in einem pluralistischen Dialog frei entwickeln können. Ein
zeitgemäßer Kulturbegriff schließt dabei alle Formen etablierter sowie jene
neuer Kunst und Kultur mit ein.
Ein Schwerpunkt liegt in der Erhaltung der
Breite und Vielfalt von Kunst und Kultur sowie in der Förderung des
Nachwuchses. Steuerliche Maßnahmen sollen zur Belebung des Kunstmarktes, des
Kunstsponsorings und zur Erhaltung des kulturellen Erbes Anreize schaffen. Das
hohe internationale Niveau unserer Bundestheater, Festspiele und Bundesmuseen
ist sicherzustellen.
Vorrangige Förderung zeitgenössischer
Künstlerinnen und Künstler, insbesondere deren internationaler Präsenz.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 67 |
Prüfung steuerlicher Maßnahmen im Bereich der
Einkommens- und Umsatzsteuer zur Belebung des Kunstmarktes und -sponsorings und
für den Bereich des Denkmalschutzes.
Verbesserungen in Bezug auf Geschwindigkeit und
Transparenz bei der Mittelvergabe im Rahmen der Kunstförderung, u.a. durch
verbesserte Koordination mit den Gebietskörperschaften; Schaffung dreijähriger
Förderverträge nach Erstellung eines Kriterienkataloges; Erhöhung der
Zustimmungsgrenzen des BMF im Rahmen der Kunstförderung
Verstärkte Unterstützung regionaler
Kulturinitiativen und der Kinder- und Jugendkultur.
Verbesserung der kulturellen Beziehungen zu den
EU-Kandidatenländern und zu den Ländern Südosteuropas
Sicherung der finanziellen Grundlagen der
Bundestheater und Bundesmuseen unter Optimierung der Ressourcen
Ausweitung der Filmförderung im Rahmen der
budgetären Möglichkeiten. Erarbeitung von Strategien zur verstärkten Förderung
des österreichischen Films durch Fachleute aus den Ministerien, der Filmbranche
und der Kreativwirtschaft; Novelle zum Filmförderungsgesetz
Erarbeitung eines Gesamtprogramms zur
Wahrnehmung der baukulturellen Verantwortung des Bundes.
Die Bundesregierung wird sich in
Übereinstimmung mit den anderen EU-Partnern für die Nichtaufnahme der Bereiche
Kunst und Kultur in die Verhandlungen zum GATS einsetzen.
Gesamtstudie zur Museumslandschaft
Vorbereitung der Sonderausstellung
,50 Jahre Staatsvertrag‘
Auf Grundlage der Parlamentsentschließung und
der Vorbereitungsarbeiten wird ein konkretes Projekt zur Errichtung eines ,Haus
der Geschichte‘ erstellt. Die dafür notwendigen Mittel werden von öffentlicher und
privater Hand aufgebracht.
19. Sport
Der Breiten- und Leistungssport nimmt in
Österreich eine besondere Stellung ein. Die Bundesregierung wird den Sport in
seiner Bedeutung für Sinnstiftung, Gesundheit, Integration Behinderter und für
den Tourismus fördern.
Unterstützung von Fußball-EM 2008 und
Olympia-Bewerbung von Salzburg 2010
Förderung von Sport im Kindergarten- und
Volksschulalter
Erhöhung der Besonderen Sportförderung
(Totomittel) um € 1,5 Mio. im Jahr 2003, u.a. zur verstärkten Förderung
des Behindertensports
Behindertensport: Einhaltung der ÖNORM B 1600
als Voraussetzung für die Förderung des Sportstättenbaus.
Förderung des Mädchen- und Frauensports
Ausarbeitung eines Berufssportgesetzes.
Darstellung der gesamten Palette des Sports,
einschließlich des Behindertensports, im ORF.
Überprüfung und allfällige Reform des
Auszahlungsmodus der Mittel der Bundes-Sportförderung
Prüfung der Einrichtung eines
Schulsportverbandes
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 68 |
20. Verwaltungsreform
Die Qualität der österreichischen Verwaltung
ist ein wesentlicher Standortvorteil für unser Land. Gemeinsam mit den Ländern,
Gemeinden und Städten sowie den öffentlich Bediensteten wird das
Verwaltungshandeln noch bürger- und wirtschaftsfreundlicher und effizienter gemacht.
Weitere Aufgabenbereinigung und moderne Organisations- und Finanzierungsmodelle
bewirken überdies Spareffekte.
Auf Ebene der Bundesverwaltung wird ein
jährlich – bis auf € 1,3 Mrd. im Jahr 2006 – ansteigendes
Einsparungsvolumen erzielt.
Einsparung von 10 000 Dienstposten im Bund
2004 – 2006. Im Unterrichtsbereich: Kompensieren des Struktureffekts
Überstunden um weitere 8 % (bis 2006)
zurückfahren
Redimensionierung des Öffentlichen Sektors auf
OECD-Durchschnitt
Weiterführung laufender
Verwaltungsreformprojekte (Evaluation, Controlling)
Einführung einer Folgekostenschätzung durch
externe Experten
Weiterer Ausbau der Bezirksverwaltungsbehörden
zur zentralen Anlaufstelle
Strikte Umsetzung eines zweigliedrigen
Instanzenzugs
Etablierung der Landesverwaltungsgerichtshöfe
(kassatorisch/meritorisch)
Gründung einer zentralen Buchhaltung (Agentur)
für alle Ressorts
Evaluierung der Ausgliederungen
Errichtung einer BundesserviceGesmbH. Zur
Erbringung von Unterstützungsleitungen, bei denen eine zentrale Wahrnehmung
sinnvoll ist.
Einrichtung einer zentralen
Bundesförderdatenbank mit Ziel der Ausdehnung auf die anderen Gebietskörperschaften.
Globalbudgets: Im Rahmen einer grundlegenden
Neuordnung des Bundeshaushaltsrecht mit dem Ziel der Zusammenführung von
Ergebnis- und Ressourcenverantwortung im Sinne des New public management,
werden Globalbudgets in den Ministerien eingerichtet. Gleichzeitig werden
gewünschte Wirkungen anhand von Leistungsindikatoren mit der Ressourcenverantwortung
verknüpft, das Erreichen bzw. Verfehlen der Budgetziele durch Einführung von
positiven und negativen Sanktionen verstärkt, das Delegieren der Budget- und
Ergebnisverantwortung an nachgeordnete Dienststellen unter breiter Nutzung der
Flexibilisierungsklausel ermöglicht, das Rechnungswesen des Bundes nach
kaufmännischen Grundsätzen erweitert und parallel die entsprechenden
dienstrechtlichen Vorkehrungen getroffen. Mit der Umsetzung wird in dieser
Gesetzgebungsperiode ab 2005 schrittweise begonnen.
e-government-Offensive:
klare Kompetenzzuordnung
laufende Projekte abschließen (z. B. ELAK im
Bund)
neue Initiativen entwickeln (Portalverbund,
Urkundenregister beim ZMR, elektronisches Vergabe- und Förderwesen,
elektronische Akteneinsicht, etc.)
Schaffung eines – dringend
notwendigen – e-Government-Gesetzes (Inhalt z. B. ZMR als Drehpunkt von
e-Government festlegen, Sicherheitsstandards definieren etc. etc.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 69 |
moderne Organisations- und Finanzierungsmodelle
forcieren
Neustrukturierung der Wetterdienste mit dem
Ziel einer Zusammenführung auf Basis des BMVIT/BMBWK-Entwurfes.
21. Dienstrecht
In der kommenden Gesetzgebungsperiode sollen
nachhaltige Schritte im Sinne einer Angleichung der öffentlichen Dienst-,
Besoldungs- und Pensionsrechte in Österreich unternommen werden. Gleichfalls
sollen rechtlichen Rahmenbedingungen zwischen öffentlichem Sektor und
Privatwirtschaft, unter Berücksichtigung spezifischer Notwendigkeiten, einander
so weit wie möglich angenähert werden. Die öffentliche Hand braucht höchst
qualifizierte und einsatzbereite Mitarbeiter. Fragen der Personalentwicklung,
besonders Fragen der Ausbildung, wird daher verstärkt Augenmerk zugewendet.
Vereinheitlichung der Dienst- und
Besoldungsrechte der Gebietskörperschaften
Einheitliches Bundesmitarbeitergesetz statt BDG
und VBG mit funktionsbezogenem Kündigungsschutz und der Möglichkeit einer
Berücksichtigung berufsbildspezifischer Anforderungen.
Gerechte Lebenseinkommensverteilung
Zulagenreform
Aus- und Weiterbildungsoffensive
Offensive für Österreicher in EU-Jobs (und
Erleichterung des Wechsels)
22. Finanzen
Der Weg konsolidierter öffentlicher Haushalte
wird auch von der neuen Bundesregierung weiter beschritten. Damit wird eine
nachhaltige Entlastung von Einkommensbeziehern und Unternehmen ermöglicht. Sie
reduziert darüber hinaus die Belastung künftiger Generationen mit Rückzahlungsverpflichtungen
und ermöglicht eine strategische und zukunftsbezogene Schwerpunktsetzung bei
den Staatsausgaben im Sinne einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes
Österreich.
Perspektiven der Finanz- und
Wirtschaftspolitik:
Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt
der EU
ausgeglichenes Budget über den Konjunkturzyklus
angenommener Wachstumspfad: 1,4 % (2003),
2,0 % (2004), 2,5 % (2005 und 2006)
Einsparungen von 3,0 Mrd. € durch
Fortführung der Verwaltungsreform des Bundes,
Maßnahmen zur Schwarzarbeitsbekämpfung und
Überprüfung von Bundesförderungen,
konsensuale Einsparungen entsprechend der
Aufgabenaufteilung bei Ländern, Städten und Gemeinden
Reform im Pensionsbereich um Zuwachs an
Budgetmitteln um 1 Mrd. € zu reduzieren
Vermeidung prognostizierter Defizite in der
Krankenversicherung im Ausmaß von 1 Mrd. €
würden in den öffentlichen Haushalten
2003 – 2006 zu Defiziten/Überschüssen von -1,3 %, -0,6 %,
-0,3 %, +0,2 % führen, wobei nicht im Pfad erwähnte Mehrkosten durch
Umschichtungen finanziert werden.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 70 |
Schwerpunkt auf Zukunftsthemen: Forschung,
Bildung und Infrastruktur
Eine grundlegende Steuerreform wird in zwei
Etappen umgesetzt werden. Die erste Etappe, die mit 1.1.2004 in Kraft tritt,
bewegt ein Volumen von über € 1 Mrd. und führt zu einer Nettoentlastung
von über einer halben Mrd. Euro. Diese Etappe wird folgende Maßnahmen
enthalten:
Entlastung unterer und mittlerer Einkommen
durch Erhöhung der Steuerfreigrenze im Einkommenssteuergesetz (vollständige
Steuerentlastung für Brutto-Jahreseinkommen bis knapp € 14.500,–).
Förderung der Eigenkapitalbildung in
Unternehmen durch Einführung einer begünstigten Besteuerung nicht entnommener
Gewinne für Einzelunternehmen und Personengesellschaften (halber Steuersatz,
mindestens jedoch 20 %)
Verstärkung der ökologischen Komponenten im
österreichischen Steuersystem im europäischen Gleichklang (Energiesteuern und
Mineralölsteuern)
Entlastung im Bereich der Lohnnebenkosten für
ältere Arbeitnehmer.
Die 13. Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung wird
ab 2004 gestrichen.
Die Ökologisierung des Steuersystems im Sinne
einer stärkeren Belastung des Ressourcenverbrauchs geht daher einher mit einer
Entlastung des Faktors Arbeit. Dies entspricht auch den europäischen
Zielsetzungen und wird zu positiven Beschäftigungseffekten am Arbeitsmarkt
führen.
Die zweite Etappe der Steuerreform wird ab dem
Jahr 2005 umgesetzt und eine Nettoentlastung von rund
€ 2,5 Mrd. ermöglichen. Insgesamt wird die Steuerentlastung daher ein
Ausmaß von rund € 3,0 Mrd. bzw. 1,3 % des BIP umfassen.
Der Konsolidierungspfad wird daher unter den
getroffenen Annahmen und unter Berücksichtigung der zwei Steuerreformetappen
im Jahr 2004 ein Defizit von 0,7%, im Jahr 2005 von 1,5% und im
Jahr 2006 von 1,1% des BIP aufweisen. Damit wird die große Zielsetzung
einer nachhaltigen Entlastung umgesetzt und die Steuerquote auf etwa 43%
reduziert.
Ziele der Steuerreform:
Stärkung des Wachstumspotentials
Verbesserung der Standortattraktivität
Entlastung des Faktors Arbeit mit dem Ziel, zur
Vollbeschäftigung beizutragen
Setzung umweltschonender Anreize
Verbesserung der Eigenkapitalbasis der
Betriebe, insbesondere der KMUs
Erhöhung der Kaufkraft aller, vor allem aber
der unteren und mittleren Einkommensbezieher
Erhöhung der Steuergerechtigkeit
Grundlegende Vereinfachung des Steuersystems;
Abschaffung von Bagatellsteuern, Zusammenführung von art- und wesensgleichen
Steuern, einfacherer Steuertarif
Stärkere Gebührenfinanzierung
Der Bund wird mit den Ländern, Städten und
Gemeinden ein neues Finanzausgleichsgesetz für die Jahre 2005 – 2008,
mit der Zielsetzung den gesamtstaatlichen Stabilitätspakt abzusichern,
verhandeln. Dabei werden vorliegende Ergebnisse des Österreichkonvents
einfließen, die von den Partnern als FAG-relevant beurteilt werden.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 71 |
Rückführung des Schuldenstandes der Republik im
Verhältnis zum BIP bleibt Ziel der Fiskalpolitik
ÖIAG und Privatisierung:
Zielsetzungen der Privatisierungen:
Sie sollen zu einer möglichst hohen
Wertsteigerung der Unternehmungen führen, um dadurch auch langfristig sichere
Arbeitsplätze in Österreich zu schaffen bzw. zu erhalten;
sie sollen möglichst hohe Erlöse für den
Eigentümer erbringen,
sie sollen die Entscheidungszentralen der zu
privatisierenden Unternehmungen, wenn möglich, in Österreich halten und
sie sollen den österreichischen Kapitalmarkt
berücksichtigen.
Folgende konkrete Maßnahmen werden zwischen den
Regierungspartnern vereinbart:
Die weitere vollständige Privatisierung (100%)
von Böhler Uddeholm AG, VA Technologie AG, Voest Alpine AG, Österreichische
Postbus AG (Beteiligung Privater; nach Entscheid des Kartellgerichtes),
Österreichische Bergbauholding AG und der Telekom Austria (bis zu 100%) wird
angestrebt. Dabei ist eine österreichische Kernaktionärsstruktur durch
Syndikate mit industriellen Partnern , Banken, Versicherungen, Pensionskassen,
Vorsorgekassen, Fonds etc. im Sinne einer Stärkung der Head-Quarter Funktion
Österreichs wünschenswert.
Für die Österreichische Post AG wird ein
strategischer Partner gesucht und damit ein erster Privatisierungsschritt
vorgenommen.
Nach abgeschlossener Privatisierung der oben
angeführten Unternehmen erfolgt die Auflösung der ÖIAG und die Neugründung
einer Bundesbeteiligungs- und -managementgesellschaft.
Die verbleibenden Bundesbeteiligungen der ÖIAG
werden an die Bundesbeteiligungs- und ‑managementgesellschaft übertragen. Diese
stellt eine professionelle Eigentümerverantwortung und ein professionelles
Wertmanagement der Unternehmen sicher und bereitet Privatisierungen –
dort wo möglich – vor. Die ÖBB und der Verbund werden in die
Bundesbeteiligungs- und -managementgesellschaft eingebracht, wobei die
verkehrs- und energiepolitische Steuerungskompetenz zur Gänze bei den
zuständigen Ressorts verbleibt. Für die ÖBB ist keine Privatisierung
vorgesehen.
Die bereits begonnene Verwertung der
Bundeswohnungsgesellschaften wird fortgesetzt.
Der Eigentümer gibt für die einzelnen
Privatisierungsaufträge klare Privatisierungsziele vor.
Zur Erhebung des vorhandenen Eigentums bei
Bund, Ländern, Gemeinden und Fonds wird ein öffentliches Eigentumsverzeichnis
erstellt.
Neuordnung der ÖBB:
Ziele einer Neuordnung von ÖBB/SCHIG
(Zuschussbedarf rd. 4,1 Mrd. € im Jahr 2002): Reduktion des
Finanzierungsbedarfs der öffentlichen Hand durch Effizienzsteigerung;
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der ÖBB; EUKonformität des Gesamtsystems,
insbesondere hinsichtlich der Maastricht-Kriterien; Ausschöpfung sämtlicher
Möglichkeiten zur Generierung von Finanzierungspotentialen (Querfinanzierung im
Sinne des Weißbuchs, Infrastrukturbenutzungsentgelte, PPP etc.), um
nachhaltige Finanzierung zu sichern.
wesentliche Maßnahmen:
ÖBB Holding-Struktur: Unter dem gemeinsamen
Dach einer strategischen Holding sollen selbstständige und
eigenverantwortliche Rechtsträger geschaffen werden.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 72 |
Integration der SCHIG-Finanzierung in die ÖBB:
Der gesamte Finanzierungsteil der SCHIG soll abgespalten und in die ÖBB
integriert werden.
Anpassung des § 2 Bundesbahngesetzes: Die
generelle Kostentragungspflicht des Bundes soll für zukünftige Vorhaben durch
eine vertragliche Finanzierungsregelung mit dem Bund für die Bereiche
Infrastruktur-Betrieb und Investitionen ersetzt werden. Mehrjährigkeit der
Verträge soll Planungssicherheit für die ÖBB und Grundlage für klare
Zielvorgaben (degressiver Bundeszuschuss bei Infra.Betrieb,
Produktivitätsvorgaben....) bieten.
Übertragung an die Bundesbeteiligungs- und
-managementgesellschaft: Durch die Übertragung wird das professionelle Know-how
der Bundesbeteiligungs- und -managementgesellschaft im Bereich der
Eigentümerverantwortung und des Beteiligungsmanagements zum Vorteil der ÖBB und
des Bundes genützt.
Ländereinbindung: Im Nahverkehrsbereich sollen
die Länder verstärkt eingebunden werden.
Neubau wird weiter über die HL-AG und die BEG
analog auf Basis von Verträgen abgewickelt. Diese verbleiben als selbstständige
Infrastrukturerrichtungsgesellschaften im Zuständigkeitsbereich des BMVIT, das
sich zur Gewährleistung der Effizienz geeigneter Kontroll- und
Clearinginstrumente zu bedienen hat.
Kapitalmarkt:
Ziel ist die Stärkung des österreichischen
Kapitalmarkts und der Wiener Börse zur Verbesserung der Finanzierungssituation
der Unternehmen.
Maßnahmen:
Stärkung des vorbörslichen Risikokapitalmarktes
(Venture Capital/Private Equity), insbesondere durch eine entsprechende Ausrichtung
der Förderinstrumente der AWS
Konsequentes Vertreten der österreichischen
Anliegen im Hinblick auf Basel II
Analyse der Rahmenbedingungen bzw. der Vor- und
Nachteile der Gründung einer externen Rating-Agentur und gegebenenfalls
Unterstützung der Gründung einer Rating-Agentur für den Mittelstand
Schaffung eines
Immobilieninvestmentfondsgesetzes
Weiterer Ausbau der 2. und 3. Säule der
Altersversorgung
Ausbau und Entwicklung von neuen Ansätzen in
der Förderung der Mitarbeiterbeteiligung
Nutzung des österreichischen Kapitalmarktes bei
der Finanzierung der Infrastruktur
Umfassende Information der österreichischen
Bevölkerung über den österreichischen Kapitalmarkt.
OeNB:
Die Oesterreichische Nationalbank verfügt über
einen hohen Bestand an Währungsreserven. Es ist im Einklang mit der EZB zu
klären, wie überschüssige Währungsreserven an eine ,Nationalstiftung für
Forschung und Technologie‘ zuführbar sind, um damit Innovation, Forschung und Entwicklung in
Österreich weiter zu stimulieren und das Ziel einer F & E-Quote
von 3% bis 2010 zu erreichen.
Konzentration auf Kernfunktionen: Veräußerung
von nichtbetriebsnotwendigen Beteiligungen und Straffung der Organisation.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 73 |
Die Pensionsrückstellungen der Bank sind auf
das vertragsmäßig konforme und versicherungsmathematisch notwendige Ausmaß
festzulegen.“
*****
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als Nächster zu
Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen.
Redezeitbeschränkung: 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
11.02
Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Bundespräsident! Herr Präsident des Nationalrates! Meine
Damen und Herren! Ein halbes Jahr nach Zusammenbruch der alten Bundesregierung,
bestehend aus Volkspartei und Freiheitlichen, stellt sich heute die neue
Bundesregierung vor, wobei ich denke, man sollte besser sagen: die neu
zusammengeflickte Bundesregierung, nicht schlechthin die neue Bundesregierung.
Nur zur
Erinnerung: Vor einem halben Jahr, im September 2002, ist diese alte
Bundesregierung auf ein Riff gelaufen. Dieses Schiff der Regierung ist auf ein
Riff gelaufen, und dieses Riff hat auch einen Namen, nämlich Jörg Haider und
Knittelfeld. Niemand weiß das besser als der mittlerweile bedeutend kleinere
Teil der Bundesregierung.
Nach diesem –
wie nennt man das? (Rufe bei den Grünen: Schiffbruch!) – Schiffbruch,
danke (allgemeine Heiterkeit) – meine Kolleginnen und Kollegen sind
wirklich aufmerksam –, nach diesem Schiffbruch wurde dieses Wrack offenbar
wieder irgendwie zusammengeflickt, die nötigsten Latten wurden wieder draufgenagelt.
Es wurden, was weiß ich, irgendwelche Mittel, die den Wassereinbruch etwas
eindämmen sollen, zweifellos wieder zwischen die verschiedenen Planken gelegt.
(Abg. Dr. Khol: Das nennt man Kalfater!) Sie sind jetzt
wieder auf See, Herr Kollege Scheibner und Herr Kollege Molterer von den neuen
Regierungsparteien!
Ich nehme an und
hoffe für Sie, dass die Wasserpumpen voll im Betrieb sind, denn das alte
Problem, das alte Riff, die alten Klippen sind nach wie vor vorhanden, diese
sind nicht durch die neue Regierung, die neue Regierungserklärung, das neue
Regierungsprogramm verschwunden. Die Haiders, die Windholze, die
Stadlers – ich verwende bewusst den Plural – sind nach wie vor da. Es
wird Ihnen aufgefallen sein, Herr Kollege Scheibner, dass ich Ihren Namen hier
nicht erwähnt habe. (Abg. Scheibner: Das wird schon noch
kommen!) Sie alle sind nach wie vor da, und ich bin gespannt, in welche
Untiefen dieses Schifflein früher oder später im Zickzackkurs fahren wird.
In einem Punkt,
Herr Molterer, gebe ich Ihnen aber Recht: Es sind auch die ärgsten Kähne schon
drei Jahre und länger zur See gefahren. (Allgemeine Heiterkeit.) Das
stimmt! Es ist ohne weiteres möglich, dass das dreieinhalb Jahre funktioniert,
dass der spätestmögliche Termin der nächsten Nationalratswahlen hält. Ich weiß
nicht, ob ich mir das wünsche, aber ich fürchte mich auch nicht, und das ist
einer der Unterschiede zum Februar 2000.
Irgendwie ist aus
dem Ganzen sozusagen der Dampf von damals draußen, so kommt es mir vor. Geht es
Ihnen nicht auch so? (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Nein!) Es
ist ziemlich genau drei Jahre her, dass wir hier im Parlament die damalige
Regierungserklärung der Regierung Schüssel/Riess-Passer hörten, und damals gab
es eine echte Stimmung. (Abg. Mag. Mainoni: Die
Demonstrationen am Donnerstag, ja!) Daran können sich die Veteranen noch
erinnern, glaube ich. Da gab es echte Begeisterung auf der rechten Seite dieses
Hauses und Zorn und Erbitterung oder was auch immer auf der linken Seite dieses
Hauses. Da war etwas los! Es gab damals Standing Ovations für den Bundeskanzler.
(Abg. Dr. Fekter: Jetzt gibt es Resignation auf der linken
Seite dieses Hauses!) Doch was ist heute? – Mit mühsamer Konzentration
haben sich die Vertreter der Regierungsparteien die Erklärung des
Bundeskanzlers angehört. Die meisten haben in irgendetwas geblättert und sich
wahrscheinlich gedacht: Ah so, jetzt muss ich zwischendurch klatschen! Es gab
keine Standing Ovations. – Ich weiß nicht, warum das so war, das muss
Gründe haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie hätten nachhelfen
können!)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 74 |
Die Gründe dafür
können nicht in der Rhetorik des Bundeskanzlers liegen, die war vor drei Jahren
genauso wie heute. (Abg. Öllinger: Die Wüste Gobi war
dazwischen!) Die Gründe können auch nicht in der Rhetorik des Herrn
Molterer zu suchen sein, denn diese finde ich, wenn überhaupt, eher besser als
die des damaligen Klubobmannes Khol. – Entschuldigung, Herr Präsident! (Allgemeine
Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) Es muss wohl andere Gründe für
diese merkwürdige Stimmung heute geben.
Ich glaube auch
nicht, dass es nur der äußere Druck war, der damals diese Stimmung erzeugt hat.
Wir hätten nicht die Maßnahmen oder so genannten Sanktionen der EU-14
gebraucht, um unsere eigene Meinung zu haben, namentlich über die
Freiheitlichen von damals. Aber das hat es auch gegeben. (Abg. Mag. Molterer:
Fehlen Ihnen die Sanktionen?) Im Bericht der drei Weisen wurde die
damalige Freiheitliche Partei, von der Reste ja noch vorhanden sind, nicht ganz
unzutreffend charakterisiert, nämlich als „rechtspopulistische Partei mit
radikalen Elementen“ und extremistischen Äußerungen. Das weiß ich noch, als
wäre es gestern gewesen. Diese kurze Charakterisierung finde ich gar nicht
einmal so schlecht, und sie dürfte auch in Österreich irgendwie konsensfähig
sein. In ausländischen Medien wird noch ganz anders darüber geredet. (Heiterkeit
bei den Grünen.)
Was ist der Grund
für diese merkwürdige Stimmung, für diese Mischung aus Verdruss und Langeweile? –
Ich weiß nicht, was das hier im Hohen Haus ist, aber den Journalisten und
Journalistinnen, sofern ich den Kommentaren der letzten Woche nur irgendwie
Glauben schenken darf, scheint es ähnlich zu gehen. Welche Stimmung gibt es da
im Land, woran liegt das? (Abg. Mag. Molterer: Ihre Rede!)
Sie hatten drei
Optionen, Herr Kollege Molterer: Sie konnten eine Koalition mit der SPÖ bilden,
Sie konnten eine Koalition mit den Grünen bilden (Abg. Dr. Partik-Pablé:
... langweilig als aufgeheizt!), und Sie konnten das alte Wrack
reparieren und eine Koalition mit den Freiheitlichen eingehen. Ich muss Ihnen
ehrlich sagen: Aus dem Blickwinkel der Grünen wäre natürlich eine Koalition
ÖVP/SPÖ nicht sehr lustig gewesen. Kleine Oppositionspartei gemeinsam mit einer
anderen Oppositionspartei gegen eine 80-prozentige Mehrheit – das ist
nicht angenehm. Aber Chancen waren da schon vorhanden! (Abg. Dr. Fekter:
Nur passiert wäre nichts!) Mit einer Zweidrittelmehrheit hätten endlich
all jene Reformen umgesetzt werden können, die auch Sie seit Jahren,
Jahrzehnten in jeder Regierungserklärung ankündigen und die bis jetzt noch nie
gekommen sind – Stichwort: Föderalismus und Finanzausgleich. (Beifall
bei den Grünen.)
Sie hätten das mit
der SPÖ machen können, Sie haben das nicht gemacht. Sie hätten eine Koalition
mit den Grünen bilden können, Sie haben das aber nicht gemacht. Reden Sie sich
nicht auf die grüne Basis (Abg. Dr. Trinkl: Sie haben
Erklärungsbedarf genug!) oder auf die Funktionäre der Grünen aus. Diese
kenne ich immer noch besser als Sie, Herr Kollege Molterer! (Beifall bei den
Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Ich kann mich genau an die
Wiener Grünen erinnern!) Es hatte schon inhaltliche Gründe, warum wir nicht
zusammengekommen sind, unter anderem wegen der Pensionsreform und der fehlenden
Maßnahmen im Bereich des Arbeitsmarktes, die auch heute wieder in der
Regierungserklärung angesprochen worden, aber de facto nicht vorhanden sind.
Das, was Sie
gemacht haben, ist Ihr gutes Recht: Sie haben die alte Koalition wieder aufgewärmt.
Es geht sich mathematisch aus, die Mehrheit bestimmt in diesem Hause, auch wenn
sie knapp ist. Aber es ist kein kraftvoller Neubeginn, Herr Kollege Molterer!
Das konnten Sie noch niemandem der Kommentatoren in diesem Lande oder anderen
politisch Interessierten einreden. Jedem ist klar: Die FPÖ musste in diese
Regierung, wenn sie nicht in eine ernsthafte Existenzkrise geraten wollte. Nun
regieren Sie halt mit dem letzten Aufgebot der FPÖ. Das ist Ihr gutes Recht!
Aber den
kraftvollen Aufbruch, diese Verantwortung für die Zukunft und was ich heute
nicht noch alles gehört habe an guten Worten können Sie auf diese Art nicht
vermitteln. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Mainoni: Gibt
es Inhalte auch?)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 75 |
Ich komme schon
noch zu einigen Inhalten, meine Damen und Herren, auch wenn ich sagen muss,
dass es natürlich bedauerlich ist, dass man als Oppositionspolitiker nur
zwanzig und nicht siebzig Minuten Redezeit zur Verfügung hat, aber ich bin als
Redner kurzer Debattenbeiträge bekannt, ich werde meine Zeit wahrscheinlich
gar nicht ausschöpfen.
Man fragt sich
natürlich angesichts dieses Hintergrundes: Gibt es überhaupt eine „blaue Handschrift“
in diesem Regierungsprogramm oder in der Regierungserklärung, oder gibt es das
nicht? (Abg. Dolinschek:
„Hackler-Regelung“!) – Ein bisschen etwas gibt es schon. Die so
genannte „Hackler-Regelung“, Herr Kollege, wäre in jedem Regierungsprogramm in
der einen oder anderen Form vorgekommen. (Abg. Dolinschek: Bei
Ihnen nicht!) – Mit Sicherheit bei uns auch, das dürfen Sie sich nicht
gerade anrechnen.
Was Sie sich aber
anrechnen dürfen, das ist das komplette Fehlen eines positiven Ansatzes im
Bereich der so genannten Integrationspolitik. Da ist nichts mehr von einer
erleichterten Form der Erlangung der Doppelstaatsbürgerschaft, da ist nichts
mehr von Familienzusammenführung, da ist nichts mehr von Abschaffung der Quote
beim Familiennachzug und da ist nichts mehr von „Aufenthaltsbewilligung ist
gleich Arbeitsbewilligung“, zu lesen.
Der ÖVP war das
offensichtlich egal, den Freiheitlichen war das wichtig, und deswegen steht es
nicht im Regierungsprogramm. Bei uns wäre das enthalten gewesen, es wäre für
uns ein wichtiger Punkt gewesen. Da geht es immerhin um bestimmte Grundwerte im
Bereich der Bürgerrechte und Menschenrechte. Wir kennen die Positionen der FPÖ
auf diesen Gebieten hinreichend. Aber dass der ÖVP – wie sich zeigt – das
völlig egal ist, das verstehe ich nicht. – Eines war schon interessant:
Einerseits war das Gegenstand in den Verhandlungen mit den Grünen, andererseits
wurde das auch in den Verhandlungen mit der FPÖ besprochen, aber dort ist das
binnen zwei Tagen ersatzlos aus dem Programm rausgeflogen, als ob das nichts
wäre.
Ich frage die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Ist diese Art von
Beliebigkeit, dass Positionen im Bereich bestimmter Grundwerte binnen Stunden
völlig austauschbar sind, die Politik der Mitte? Ist das die Politik der Mitte,
die Sie immer beschwören? Das ist die Politik einer Beliebigkeit, einer
prinzipienlosen Beliebigkeit, die ich nicht nachvollziehen kann. (Beifall
bei den Grünen.)
Ein anderer Punkt, bei dem sich die FPÖ binnen weniger Stunden
durchgesetzt hat, betrifft die Bestellung der Uni-Räte; das wurde schon
erwähnt. (Abg. Dr. Jarolim: Zukunftsweisende Besetzung!) Sie
halten Leute, die sich – wie war das? – der „deutschen Minderheit in
Österreich“ zugehörig fühlen und daraus offenbar einen wesentlichen Teil ihrer
persönlichen Identität schöpfen (Abg. Öllinger: „Zukunftsfest“!),
für zukunftsträchtig, zukunftsfest, für tauglich, die Universitätspolitik
im 21. Jahrhundert – nicht 1850 – mitzubestimmen. (Abg. Öllinger:
Deutschnational!) An dieser Art von Geisteshaltung ist schon die
Habsburger-Monarchie zugrunde gegangen. Ich hoffe, dass die Universitäten des
21. Jahrhunderts stabil genug sind, um das auszuhalten. (Beifall bei
den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Es ist zum Teil nicht uninteressant, die Regierungserklärung mit dem
Regierungsprogramm, mit dem Koalitionsübereinkommen zu vergleichen. Das ist
nicht identisch. Natürlich ist es ziemlich ähnlich, aber identisch ist es
nicht.
Ich bin aber dankbar, dass uns zwei Peinlichkeiten, die im
Koalitionsübereinkommen stehen, heute in der Regierungserklärung von Seiten des
Herrn Bundeskanzlers erspart blieben. Für die breite Öffentlichkeit möchte ich
jedoch anmerken, womit sich im Kapitel „EU-Politik“, das immerhin im
Koalitionsübereinkommen ganz vorne steht, die ersten zwei Absätze betreffend
die österreichische EU-Politik der Zukunft beschäftigen. Wo, glauben Sie,
liegen die Prioritäten, die prioritären Wichtigkeiten des Engagements der
österreichischen Außenpolitik innerhalb der Europäischen Union? (Abg. Dr. Gusenbauer:
In der Schutzfunktion!) – In der Schutzfunktion für Südtirol!
Damit kein Missverständnis entsteht, Herr Khol: Ich bin auch Tiroler, ich weiß, wie wichtig Südtirol für die österreichische Politik ist und war, muss aber doch sagen: Dass wir besondere Pro-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 76 |
bleme dabei hätten, dass Südtirol innerhalb
Italiens keine sehr gut funktionierende Autonomie hätte, sodass man das an die
erste Stelle eines Koalitionsübereinkommen stellen muss, war mir nicht bewusst!
(Abg. Dr. Khol: Erlauben Sie einen Zwischenruf?)
Herr Kollege Khol!
Wo sind wir denn? Fragen Sie einmal die Südtiroler, wie schlecht es ihnen geht!
Da werden Sie keinen Südtiroler treffen, der das bestätigt. (Abg. Dr. Khol:
Erlauben Sie mir einen Zwischenruf?)
Nun zum zweiten
Absatz in der EU-Politik. (Abg. Dr. Khol: Frattini hat das
Gruber-De-Gasperi-Abkommen in Frage gestellt!) Die zweite absolute
Priorität der schwarz-blauen EU-Politik sind die k.u.k. Minderheiten, sofern
sie deutschsprachig sind, die deutschsprachigen, habsburgischen Minderheiten
in den ehemaligen Kronländern. – Ja, das ist ein interessantes Thema! Aber
Priorität der EU-Politik, meine Damen und Herren, was ist denn das? Was ist
Ihnen denn da eingefallen? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)
Der Konvent kommt
irgendwo weiter hinten vor, zum Verfassungskonvent innerhalb der Europäischen
Union wird erwähnt, er sei wichtig und was weiß ich alles. Aber eine klare
Aussage, welche österreichischen Positionen, nämlich Positionen von
Schwarz-Blau, im Rahmen der Verfassungsdiskussion des Konvents vertreten
werden, werden Sie im Regierungsübereinkommen genauso vergeblich suchen wie in
der heutigen Regierungserklärung.
Beim Blättern im
Koalitionsübereinkommen und beim Zuhören der heutigen Regierungserklärung ist
mir noch etwas aufgefallen, was wirklich merkwürdig ist: Es gibt keine
österreichische Außenpolitik mehr. Es gibt zwar ein Kapitel zur Bildung –
gut –, es gibt ein Kapitel zu Frauen – sehr gut –, es gibt ein
Kapitel zu Universitäten, es gibt ein Kapitel zur EU, aber es gibt kein Kapitel
zur österreichischen Außenpolitik – mit Ausnahme der Entwicklungszusammenarbeit.
Ich kenne das
Koalitionsübereinkommen. (Abg. Mag. Mainoni: Das ist
wahrscheinlich ein Kopierfehler!) Zeigen Sie mir, welches Kapitel die
Überschrift „Außenpolitik Österreichs“ trägt! Ich frage mich, wo die Frau
Ministerin in dieser Zeit war, dass sie es zulassen konnte, dass sich
Österreich jetzt auch quasi offiziell jeder künftigen Außenpolitik entschlägt. (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Öllinger: In
den Kronländern! – Abg. Mag. Mainoni: So vergeht auch
die Redezeit!)
Wie schon bei der
letzten Regierungserklärung – es sind dies dicke Papiere – ist es
unmöglich, fair zu sein, man kann nicht jedes einzelne Kapitel durchgehen. Es
ist ganz klar, dass es Punkte gibt, die wir unterstützen. Es gibt auch Punkte,
die wir mit Vorbehalt unterstützen, solange wir die Details nicht kennen.
Nehmen wir zum
Beispiel den Bereich Frauenpolitik her! Wir begrüßen es auf jeden Fall sehr,
dass es jetzt wieder eine Frauenministerin gibt. Ich persönlich
finde auch die Besetzung mit Frau Rauch-Kallat gut. Ich finde, einige der
Ziele, die im Kapitel „Frauen“, „Frauenpolitik“, im Koalitionsübereinkommen
stehen, gut. Allerdings frage ich mich zum Teil: Alles Konkrete ist noch nicht
ausverhandelt, oder wie?
Wir haben zum
Beispiel heute gehört, dass die Erwerbsquote, auch jene der Frauen, in den
kommenden Jahren erhöht werden soll. Ja, das ist notwendig! Es wird eine
Notwendigkeit bleiben – schon angesichts der Veränderung der
Alterspyramide und aus anderen Gründen auch. Dafür braucht es Voraussetzungen
wie Qualifikationsmaßnahmen zum Beispiel. Findet sich davon etwas im
Koalitionsübereinkommen? – Man wird sehen.
Was noch? –
Es braucht, sofern die Frau Familie oder Kinder hat, eine Entlastung auf der
Kinderbetreuungsseite. Das wissen wir alle. In Schweden ist die Geburtenrate
höher und die Erwerbsquote der Frauen auch. Wann wird endlich in Österreich
daraus die Konsequenz gezogen? – Im Koalitionsübereinkommen gibt es dazu
wieder nichts! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 77 |
Da gibt es an
einer anderen Stelle den Hinweis darauf, dass sich die Länder und Gemeinden
sozusagen gefälligst an ihre Pflichten zu erinnern haben. Doch was ist mit dem
Bund? – Gibt es keine 10-jährigen Kinder, die in Bundesschulen gehen? In
der ersten Klasse Gymnasium gibt es Zehnjährige. Da gibt es keine
Kinderbetreuung, nicht einmal eine Idee dazu? Diese Gedanken macht man sich
nur in Bezug auf die Kindergärten, und dafür sind die Länder und die Gemeinden
zuständig? Das ist die Politik der Bundesregierung? – Das wird nicht
reichen, Frau Ministerin, Frau Frauenministerin!
Ich hoffe, Sie
werden sich in die einzelnen Fragen in den anderen Ministerien einmischen. Wir
wissen – der Herr Bundeskanzler selbst hat das heute auch wieder
betont –, dass Frauenpolitik eine Querschnittsmaterie ist. Ja, das ist
sie! Das wird hoffentlich Frau Rauch-Kallat zu einer sehr unangenehmen
Ministerin machen.
Frau Rauch-Kallat!
Ist Ihnen aufgefallen, dass es dort, wo Sie direkt angesprochen sind, nämlich
im Kapitel „Frauen“ im Koalitionsübereinkommen, einen Punkt gibt, der heißt:
„Eigenständige Alterssicherung für Frauen (siehe Kapitel Pensionen)“? Jetzt
schaue ich nach (Abg. Dr. Gusenbauer: Steht nichts!), bemühe
mich seriös zu kritisieren, blättere zurück zum Kapitel „Pensionen“ – dieses
steht auf den Seiten 18 bis 20, das weiß ich, glaube ich, auswendig – und
suche den Punkt „Eigenständige Alterssicherung für Frauen“. – Da können
Sie lange suchen, da können Sie lange suchen, Frau Rauch-Kallat, da ist
irgendetwas verloren gegangen. Ich hoffe, Sie werden Ihre männlichen Kollegen
in der Bundesregierung recht bald daran erinnern. (Beifall bei den Grünen
und bei Abgeordneten der SPÖ.)
In Ihrem Kapitel
„Frauen“ ist etliche Male von Gender Mainstreaming die Rede. Gender Mainstreaming
ist zwar ein furchtbares englisches Wort – heißt Geschlechtergerechtigkeit
oder wie immer man das übersetzt, da bin ich mir nicht sicher –, ist aber
wichtig. Sie werden bei den kommenden Pensionsreformen sehr darauf zu achten
haben, wie sich das auf die Frauen auswirkt, denn es ist ganz klar, dass sich
die 40 Jahre Durchrechnungszeit – egal, ob jetzt berechtigt oder
nicht, notwendig oder nicht – und die Senkung des Steigerungsbetrages auf
die Frauen ganz anders auswirken werden als auf die Männer, weil sie andere
Erwerbsbiographien haben. Sie wissen das, wir wissen das. Da kommt also einiges
auf Sie zu.
Zu den Fragen der
Umweltpolitik, der Sozialpolitik, der Pensionspolitik bin ich sicher, dass
meine Kolleginnen Madeleine Petrovic, Eva Glawischnig und Karl Öllinger und
auch noch andere Mitglieder meines Klubs Stellung beziehen werden.
Ich möchte
abschließend nur Folgendes sagen: Natürlich besteht die Chance auf eine
konstruktive Zusammenarbeit, Herr Kollege Molterer, und zwar nicht nur
zwischen den Klubobleuten, sondern auch zwischen den Klubs, sofern es möglich
ist. Aber das ist nicht nur unsere Sache. Wir können das anbieten, wir können
anbieten, unser Know-how einzubringen, wenn Sie das wünschen. Wir wären sehr
interessiert, wir wollen ein bisschen Erfahrung, weiterhin Erfahrung sammeln. (Abg. Mag. Molterer:
Man kann nie genug lernen!) Man kann nie genug lernen, nie genug
wissen, völlig richtig. Ein anderer Grund wäre, dass die Kräfteverhältnisse im
Nationalrat deutlich andere sind als vor drei Jahren. Die Mehrheit ist knapp,
sie wäre auch mit uns knapp gewesen. Man weiß nicht, wie sich das auswirkt,
vielleicht hat es auch einmal Auswirkungen auf das Verhalten von
Regierungsparteien. Das könnte man sich ja einmal wünschen. (Präsident
Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)
Ich komme zu
meinem Schlusssatz, Herr Präsident: Das neue Regieren der alten Bundesregierung
heißt hoffentlich nicht mehr dieses unselige „Speed kills“, das Herr Khol
inzwischen hoffentlich bereut, dieses Drüberfahren über die Oppositionsparteien.
Ich hoffe, dass auch hier zumindest beziehungsweise dass zumindest hier –
ich streiche das Wort „auch“ – ein Neubeginn stattfindet. – Danke
schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
11.23
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nach der ausgeschöpften Redezeit hat sich Herr Abgeordneter Dr. Khol
zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort
gemeldet.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 78 |
Ich mache den Herrn Abgeordneten darauf aufmerksam, dass nach § 58
der Geschäftsordnung die Redezeit maximal 2 Minuten beträgt. Die Bestimmungen
der Geschäftsordnung sind bekannt. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Gabriela
Moser: Ich bin kein
Südtiroler!)
11.24
Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Es mag vielleicht ungewöhnlich sein,
dass sich der Präsident des Nationalrates als Abgeordneter zu einer
tatsächlichen Berichtigung zu Wort meldet, aber wenn es um Südtirol geht, bin
ich Abgeordneter.
Sie haben gesagt,
es gebe keine Außenpolitik, und Sie haben gesagt, die Autonomie Südtirols sei
nicht bedroht.
Ich berichtige:
Erstens: Die Regierungserklärung und das Regierungsübereinkommen sind voll von
Außenpolitik. (Abg. Dr. Van
der Bellen: Die Ordensverleihung an Fini! Da waren Sie dabei!) Ich
berichtige weiters: Franco Frattini, der italienische Außenminister und Bozner
Abgeordnete (Abg. Sburny: Das
ist keine tatsächliche Berichtigung!), hat gesagt, dass im Rahmen des
Europäischen Konventes die europäische Verfassung, das
Gruber-De-Gasperi-Abkommen und damit die Schutzmachtrolle Österreichs hinfällig
seien. Damit ist die Bedrohung der Autonomie wohl klar. (Abg. Dr. Van der Bellen: Und dem haben wir einen
Orden verliehen?)
Ich bin dem
Bundeskanzler dankbar, dass die Schutzmachtfunktion Österreichs außer Frage
steht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. –
Abg. Dr. Van der Bellen: Und
solchen Leuten verleihen Sie Orden?)
11.25
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Dankbarkeitserklärungen
gehören nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung.
Zu Wort gelangt
Herr Abgeordneter Scheibner. Die Redezeit beträgt 20 Minuten. –
Bitte.
11.25
Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident!
Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung!
Meine Damen und Herren! Es war interessant, dass Klubobmann Van der Bellen die
Stimmung in Österreich und auch jene hier im Hohen Haus beklagt hat und gemeint
hat, sie sei doch im Jahr 2000, nämlich bei der ersten Bildung einer
Reformregierung zwischen Volkspartei und Freiheitlichen, so anders gewesen. Ich
habe ein bisschen ein Sehnen nach dieser Stimmung herausgehört, Herr Abgeordneter
Van der Bellen!
Ich sehne mich
nicht nach dieser Stimmung. Ich weiß nicht, was Ihnen abgeht. (Abg. Gradwohl:
Die Begeisterung!) Ich hoffe nicht, dass es Ihnen abgeht, dass man im
Jahr 2000 versucht hat, mit Demonstrationen, mit zum Teil auch gewalttätigen
Demonstrationen und mit Beeinflussung aus dem Ausland eine demokratisch
legitimierte Regierung in Österreich wieder wegzubringen. Dieses Klima, meine
Damen und Herren, haben wir Gott sei Dank jetzt nicht mehr in
Österreich, und wir sind stolz darauf! (Beifall bei den Freiheitlichen und
der ÖVP.)
Wir sind stolz
darauf, dass sich die vorige Bundesregierung (Zwischenruf des Abg. Öllinger)
klar profiliert hat, Herr Kollege! Sie sehnen sich vielleicht auch nach
diesem Klima zurück, das damals, zu Beginn des Jahres 2000, geherrscht
hat. (Abg. Mag. Mainoni: Öllinger sowieso!) Wir sind
stolz darauf, dass die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 gezeigt hat,
dass sich niemand vor uns fürchten muss, sondern ganz im Gegenteil: dass wir
Österreich weitergebracht haben, dass wir für die Menschen in diesem Land
gearbeitet haben, gut gearbeitet haben, meine Damen und Herren! Das sehe ich
auch als einen Auftrag für eine Neuauflage dieser erfolgreichen Reformkoalition
zwischen Freiheitlichen und der Österreichischen Volkspartei. (Beifall bei
den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Herr Kollege Van der Bellen! Sie haben gesagt, der Dampf sei draußen. Das mag vielleicht ein bisschen Selbstkritik sein, denn ich weiß natürlich, dass Sie die Chance verpasst haben. Sie
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 79 |
haben die Chance verpasst, die vielleicht gegeben gewesen
ist, die Grünen in eine Regierung zu bringen, und ich kann mir vorstellen, dass
Sie das auch ernsthaft wollten.
Sie haben
Streitereien und mögliche Probleme, die es bei uns geben soll, angesprochen,
aber ich glaube, die Probleme, die Sie gehabt hätten, wären noch wesentlich
größer gewesen. Dass Sie Ihre Partei, vor allem Ihren extrem linken Rand, auf
einen konstruktiven Kurs in einer Regierungspartnerschaft gebracht hätten, das
glauben Sie doch selbst nicht. Sie glauben nicht wirklich, dass Sie das
geschafft hätten. Langfristig ist es auf jeden Fall für das Land – möglicherweise
auch für Sie persönlich – besser, dass alles so geblieben ist, wie es war,
Herr Kollege Van der Bellen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Herr Abgeordneter
Gusenbauer! Sie haben gesagt, Sie seien bereit, Reformen mitzutragen,
inhaltlich zu diskutieren und sich auch einzubringen. Ich gebe zu: Ihre Rede
war durchaus konstruktiv. Dass das jetzt auch die Linie Ihrer Partei ist,
würde ich hoffen, aber das werden wir erst beurteilen können, wenn Ihr
Kompagnon Cap hier am Rednerpult gesprochen hat, denn normalerweise haben Sie
eine sehr gute Aufgabenteilung: der konstruktive Gusenbauer und der Demagoge
Cap. Wir warten ab, wie sich die SPÖ heute hier darstellt, und werden dann vor
allem schauen, ob Sie wirklich bereit sind, Herr Abgeordneter Gusenbauer, Ihren
Worten Taten folgen zu lassen.
In den letzten
drei Jahren haben wir oft von Ihnen hören können: Binden Sie uns ein, wir sind
bereit, mitzuarbeiten, wir sind auch bereit, Reformen mitzutragen! – Wenn
das aber dann versucht worden ist, dann haben Sie zwar eine Zeit lang
mitgearbeitet, aber wenn es dann darum gegangen ist, auch konsequent die
Beschlüsse mitzutragen, dann war leider von diesem Konsens nicht mehr viel zu
spüren. (Abg. Silhavy: Wo leben Sie?)
Wo ich
lebe? – Gott sei Dank in Österreich, Frau Kollegin! Wir haben Gott sei
Dank verhindert, dass ein Abenteuer zwischen Rot und Grün wie in Deutschland,
das Sie sich vielleicht gewünscht haben, nach diesem Wahlergebnis vom
24. November für Österreich vermieden werden konnte. Das ist auch ein
Ergebnis der Reformarbeit der Regierung. (Beifall bei den Freiheitlichen
und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Es hat natürlich
lange gedauert, bis diese Regierung gebildet worden ist, aber ich sage Ihnen:
Besser lange verhandeln und etwas Gutes schaffen, als schnell das Falsche zu
tun! Es wird jetzt an der Bundesregierung liegen, ein sehr ambitioniertes, ein
gutes, ein offensives, ein in die Zukunft gerichtetes Regierungsprogramm
gemeinsam mit uns Parlamentariern, gemeinsam mit diesem Hohen Haus, gemeinsam
mit den Interessenvertretungen, gemeinsam mit den Bundesländern, vor allem
aber auch gemeinsam mit der Bevölkerung in unserem Land umzusetzen.
Ich glaube, dass
dieses Regierungsprogramm ein Programm der Gegenwart, aber auch eines für die
Zukunft darstellt – für eine Zukunft, in der ein Reformkurs weitergeführt
wird, bei welchem man darauf achtet, dass die Staatsfinanzen nicht aus dem
Ruder laufen.
Herr Abgeordneter
Gusenbauer! Es war schon interessant, dass Sie kritisieren, dass das strikte
Festhalten am Nulldefizit jetzt nicht mehr gelten soll. Dass Sie, als Ihre
Partei noch Verantwortung für Österreich getragen hat, auch nur in die Nähe
eines Reformkurses, eines Nulldefizits gekommen wären, das glauben auch Sie
wohl selbst nicht! Wenn wir dazu beigetragen haben, dass Sie jetzt lernen, dass
es nicht gut ist, hohe Schulden aufzunehmen und damit künftige Generationen zu
belasten, dann ist das auch ein positiver Effekt von drei Jahren freiheitlicher
Regierungsbeteiligung mit der Österreichischen Volkspartei gewesen. Hoffentlich
bleibt es so!
Budgetsanierung
ist und war ein wichtiges Projekt. Es ist gelungen. Wir haben Gott sei Dank
Handlungsspielräume geschaffen – im Gegensatz etwa zum rot-grünen
Experiment in Deutschland –, sodass wir im vorigen Jahr den Opfern der
Hochwasserkatastrophe ausreichend Entschädigung geben und der Wirtschaft mit
einem entsprechenden Konjunkturpaket in einer schwierigen Phase Hilfestellung
leisten konnten.
Es wird jetzt aber auch notwendig sein, neben der Beibehaltung dieses Konsolidierungskurses die Bevölkerung von einer zugegebenermaßen sehr hohen Steuerbelastung zu befreien bezie-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 80 |
hungsweise diese Steuerbelastung zu minimieren. Es gibt ein Steuerentlastungspaket
mit einem Volumen von 3 Milliarden € für die Bevölkerung. Für uns ist es
ganz wichtig, dass man das nicht an das Ende der Legislaturperiode verschiebt,
sondern dass es das erste Entlastungspaket, und zwar vor allem für die
Bezieher kleiner Einkommen, mit 1. Jänner 2004 gibt. Das ist eine soziale
Maßnahme, für die wir stehen.
Das ist wichtig,
und ich verstehe nicht, warum Sie das kritisieren, wo Sie doch immer sagen,
dass Sie es für so wichtig halten, gerade diese Bevölkerungsgruppe zu unterstützen.
(Beifall bei den Freiheitlichen.)
Wir entlasten auch
gleichzeitig die Betriebe und sorgen dafür, dass die Unsinnigkeit, die Finanzminister
Edlinger eingeführt hat, nämlich, dass für die Unternehmer das Jahr nicht
zwölf, sondern dreizehn Monate – zumindest beim Steuerzahlen – hat,
abgeschafft wird, dass die nicht entnommenen Gewinne steuerlich besser
behandelt werden. Damit wollen wir vor allem die klein- und mittelständische
Wirtschaft fördern, weil wir wissen, dass dieser Bereich die österreichische
Wirtschaft prägt und Arbeitsplätze schafft.
Wir sind eben der
Meinung, dass der Arbeitsmarkt nicht in erster Linie durch staatliche Beeinflussung
belebt werden kann, sondern dass gesunde Unternehmen und Betriebe
Arbeitsplätze, und zwar nachhaltige Arbeitsplätze, für die Österreicher
schaffen werden. Das ist auch eine wichtige Aufgabe für diese neue
Bundesregierung: gesunde Arbeitsplätze durch eine gesunde, leistungsfähige
Wirtschaft zu schaffen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten
der ÖVP. – Abg. Silhavy: Warum
haben Sie das in der letzten Periode nicht gemacht?)
Meine Damen und
Herren! Es geht uns um die Zukunft. Sie haben gesagt, im Regierungsprogramm
fänden sich keine Zukunftsaspekte. Da sollte man nicht nur die Überschriften
lesen, sondern auch ins Detail gehen. Dieses Programm ist sehr stark von
Zukunftsthemen geprägt. Es geht dabei darum, unserer Jugend durch eine
fundierte, zukunftsorientierte Ausbildung eine Chance auf einen Arbeitsplatz,
der Zukunft hat, zu geben. Es geht dabei auch darum, Österreich wieder zu
einer Stätte der Forschung und Entwicklung und der Wissenschaft zu machen. Es
geht weiters darum, etwa auch im Bereich der Hochtechnologie wieder stärker Fuß
zu fassen. Wenn wir sagen, die Forschungsquote soll im Laufe der
Legislaturperiode auf 2,5 Prozent erhöht werden, wenn wir ein
Förderungspaket in der Höhe von 600 Millionen € für die Forschung
bereitstellen, dann sind das derartige zukunftsweisende Initiativen, die für
die Zukunft unserer Jugend wichtig sind.
Wenn wir
sagen – da unterscheiden wir uns vielleicht von Ihnen im grundsätzlichen
Bereich –, dass im Zentrum unserer Familienpolitik nicht in erster
Linie – schon auch, aber nicht in erster Linie – staatliche
Kinderbetreuungseinrichtungen stehen, sondern dass für uns die Familie für die
Erziehung unserer Jugendlichen von ganz besonderer Bedeutung ist und wir daher
für verstärkte Familienförderung eintreten, dass wir die Familien so wie mit
dem Kinderbetreuungsgeld, das ein erster Schritt war, in Zukunft noch stärker
fördern wollen, dann ist das auch die Handschrift der Freiheitlichen, die im
Programm der Bundesregierung ihren Niederschlag gefunden hat. Das ist auch ein
zukunftsweisender Weg für die Sicherheit unserer Gesellschaft in Österreich. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir setzen auch
bei den Pensionen ein klares Signal damit, dass wir uns dazu bekennen, dass
Sanierungsschritte notwendig sind. Wir bekennen uns aber auch dazu, dass
Sanierungsschritte nicht kurzfristig gesetzt werden dürfen. Herr Abgeordneter
Gusenbauer! Es stimmt eben nicht, dass wir nur belasten, sondern ganz im
Gegenteil: Wir wollen einerseits garantieren, dass die Pensionen jener
Menschen, die heute in Pension sind, gesichert sind und die Pensionisten ihren
Lebensabend in sozialem Wohlstand und Sicherheit verbringen können, wollen aber
auf der anderen Seite auch gewährleisten, dass die heutige Generation der 30-
bis 40-Jährigen dann, wenn sie in den Ruhestand tritt, ebenfalls einen
gesicherten Lebensabend erleben kann. Da müssen wir jetzt mit
grundlegenden Reformen ansetzen, und das steht auch in diesem
Regierungsprogramm.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 81 |
Sie haben gesagt,
für Sie ist es eine Bedingung, bei den Pensionen am Umlagesystem festzuhalten.
Herr Abgeordneter Gusenbauer! Wie soll das funktionieren, wenn heute auf
100 Erwerbstätige 63 Pensionisten kommen, während im Jahr 2030
auf 100 Erwerbstätige bereits 81 Menschen im Ruhestand kommen werden?
Wie soll dann das von Ihnen propagierte Umlagesystem funktionieren?
Das mag heute
vielleicht gut klingen, dass es keinen Reformbedarf gibt, aber ich glaube, wenn
man auch an die künftigen Generationen denkt, dann ist es unverantwortlich,
allein das staatliche System für die Altersvorsorge heranzuziehen. Wir sagen,
dass neben der staatlichen Grundvorsorge die Forcierung der zweiten und dritten
Säule für die Zukunft des Pensionssystems unerlässlich ist. Die Forcierung und
Förderung der zweiten Säule, der betrieblichen Pensionsvorsorge, und der
dritten Säule, der privaten Pensionsvorsorge, wird eine wichtige Aufgabe dieser
Bundesregierung sein.
Es ist auch
wichtig, dass man in Zukunft auf ein einheitliches Pensionskonto kommt, dass
jeder für sich in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden kann, wie hoch seine
Pension ist und wann er in den Ruhestand geht. Weiters ist wichtig, dass wir
selbstverständlich bei den kurzfristig notwendigen Maßnahmen – das ist
auch für meine Fraktion von ganz besonderer Bedeutung – diese sozial
gerecht durchführen, dass wir die so genannte „Hackler-Regelung“ für die lang
arbeitenden Menschen beibehalten und noch verlängern und dass wir
Beschäftigungsprogramme für ältere Arbeitnehmer etwa durch eine Reduzierung
der Lohnnebenkosten umsetzen. All das sind jene sozialen Maßnahmen, die Sie in
unserem Programm nicht gefunden haben, die aber selbstverständlich mit
besonderer Priorität versehen darin verankert sind. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Ebenso wollen wir,
meine Damen und Herren, die hohe Qualität im österreichischen Gesundheitssystem
erhalten. Ich glaube, dass es sinnvoll war, dass man nicht von vornherein mit
irgendwelchen Quoten oder Abschlägen oder Selbstbehalten in die
Regierungsverhandlungen gegangen ist, sondern dass man das umfassend
analysieren muss und dass der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der
sehr nahe an der Praxis ist, entsprechende Vorschläge zu machen hat.
Ich kann mir nicht
vorstellen, Herr Abgeordneter Gusenbauer, dass etwa ein System, so wie wir es
vorgeschlagen haben, das bei den Österreichischen Bundesbahnen seit vierzig
Jahren als sozial gerecht empfunden wird, dann, wenn es auf alle Österreicher
umgelegt wird, plötzlich von Ihnen als sozial ungerecht bewertet werden kann.
Ich glaube, dass Sie sich da ein bisschen von der Polemik verabschieden und
gemeinsam mit uns für die Österreicher ein zukunftsweisendes Projekt umsetzen
sollten.
Ich glaube, dass
sich der Staat – da wird es auch wichtig sein, im Verfassungskonvent umfassend
darüber zu diskutieren – von unnötiger Bürokratie befreien und sich auf
die Kernaufgaben konzentrieren soll. Diese Kernaufgaben, etwa im Sozial- und
Bildungsbereich, sind abzusichern, auch budgetär.
Eine wichtige
Kernaufgabe ist die Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit Österreichs.
Diese Kernaufgabe, meine Damen und Herren, wird leider in Österreich –
manchmal auch in der öffentlichen Diskussion – gering geschätzt, weil
viele Österreicher glauben, dass diese Sicherheit selbstverständlich ist. Wenn
man aber in eines der Länder – deren gibt es leider nach wie vor
genug – fährt, in denen diese Sicherheit nicht gegeben ist, und dort die
Menschen fragt, was ihr größter Wunsch ist – ich war etwa in Afghanistan,
wo die Menschen nichts haben, wo sie wie im Mittelalter leben –, und dann
als Antwort bekommt – sie sagen nicht: Wir wollen Geld, wir wollen
Kleidung, wir wollen Wohnungen!, sondern sie sagen nur: Wir wollen
Sicherheit! –, dass sie Sicherheit wollen, dass ihnen das gefehlt hat und
dass das ihr höchstes Gut ist, dann kann man, glaube ich, nur sagen: Wir
sollten diesen Wert der Sicherheit ernst nehmen und uns klar vor Augen führen,
dass wir etwas dafür tun müssen – auf der europäischen Ebene, weil
Sicherheit und auch die Bedrohungsszenarien global und auf der europäischen
Ebene zu behandeln sind, aber auch auf der österreichischen Ebene.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 82 |
Wir unterstützen
vollinhaltlich den Aufbau einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsstruktur,
inklusive einer Beistandsgarantie, auch was die stärkere Integration eines
Europabewusstseins in der Bevölkerung anlangt. Wir unterstützen
selbstverständlich auch einen entsprechenden Beitrag Österreichs darin. Wir
müssen aber auch die Erfüllung der Aufgaben bezüglich der Sicherheit in
Österreich sicherstellen – etwa durch eine zeitgemäße Ausstattung und Ausrüstung
des österreichischen Bundesheeres.
Wenn mehr
Budgetbedarf besteht – ich glaube, dass dieser Budgetbedarf
besteht –, dann muss diese Kernaufgabe gesichert sein, auch mit einem
erhöhten Budget. (Abg. Dr. Cap: Mit
den Eurofightern?) Wenn es darum geht, auch die Bereiche im Inneren
abzusichern, dann sollte es auch eine ordentliche Luftraumüberwachung geben.
Herr Kollege Cap! Gerade jetzt sollte dafür gesorgt werden, wo doch auch Sie
verlangen, dass wir darauf achten sollen, dass nicht über unserem Luftraum
militärische Maßnahmen im Irak vorbereitet werden! Sie sollten sich auch einmal
von Ihrer Wahlkampfrhetorik verabschieden und zu einem Grundkonsens in der
Sicherheitspolitik zurückfinden.
Betreffend den
inneren Bereich hat Herr Abgeordneter Van der Bellen kritisiert, dass
die „freiheitliche Handschrift“ im Regierungsprogramm im Asyl- und
Fremdenrecht so prononciert ist. Ja ich glaube, es ist doch selbstverständlich,
dass wir die Grundsätze, die wir verankert haben, auch umsetzen, dass im
Fremdenrecht Integration vor Neuzuwanderung gilt, dass wir in Österreich
geordnete Zustände wollen.
Das heißt nicht,
Ausländer raus, aber das heißt, dass wir nur jene Arbeitskräfte in Österreich
aufnehmen können – gemeinsam im Rahmen einer Quote mit den
Familienmitgliedern –, die in Österreich auch integrierbar sind, weil wir
ein geordnetes und sicheres Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen in
Österreich wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der
ÖVP.)
Wenn wir im
Asylbereich sagen, dass selbstverständlich jeder tatsächlich politisch
Verfolgte auch Anspruch auf Unterstützung in Österreich hat, dann muss uns aber
gleichzeitig auch klar sein, dass wir den Missbrauch dieses Asylrechtes im
Interesse der Österreicher, aber auch der tatsächlich Asylbrauchenden
verhindern müssen, und zwar durch eine Beschleunigung der Asylverfahren, durch
eine konsequente Abschiebung jener, die kein Asylrecht beanspruchen können. Das
ist, so glaube ich, im Interesse Österreichs eine nachvollziehbare menschliche
Politik für die Österreicher, aber auch für unsere Gäste und Mitmenschen aus
dem Ausland.
Wenn es um die
Europapolitik geht, meine Damen und Herren, so sei auch dazu ein klares Wort
gesagt: Wir Freiheitlichen bekennen uns zu dem Projekt eines gemeinsamen
Europa, vor allem zu dem Friedensprojekt eines gemeinsamen Europa und
selbstverständlich auch zur Erweiterung der Europäischen Union. Wir verlangen
aber – das findet sich im Regierungsprogramm wieder –, dass bei all
diesen Projekten auch die Interessen Österreichs und die Interessen der
österreichischen Bevölkerung mit vertreten werden.
Deshalb bin ich
sehr froh darüber, dass sich diese Bundesregierung dazu bekennt, dass in
wichtigen Bereichen, bei wichtigen Materien, wie etwa bei der Erhaltung unserer
Wasserressourcen, das Einstimmigkeitsprinzip beibehalten werden soll, dass wir
selbstverständlich bei der Transitregelung auf die Interessen der Österreicher
Wert legen, dass wir selbstverständlich im Bereich der Atomenergie auf die
Sicherheitsinteressen der Österreicher Wert legen und dass wir
selbstverständlich auch die Interessen der Vertriebenen nach dem Zweiten
Weltkrieg vertreten werden und auf die Lösung der Problematik mit den Beneš-Dekreten Wert legen und das auch
einfordern werden.
Das ist
Europapolitik im Sinne Europas und im Sinne der Europäer – nicht der Bürokratien,
sondern der Menschen in Europa, meine Damen und Herren! (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich glaube, dass wir in diesem Sinn einen Konsens herstellen könnten. Zum Angebot der Opposition, mitzuwirken, kann ich nur sagen: Wir werden dieses Angebot annehmen, aber auch
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 83 |
einmahnen, denn wenn man Reformarbeit machen will, dann
muss man auch bereit sein, vordergründig Unangenehmes mitzutragen. Das war
vielleicht auch ein Prozess, den meine Fraktion zur Kenntnis nehmen musste,
aber wir bekennen uns dazu.
Wenn Sie dazu
bereit sind, von einer „Nein“-Opposition abzugehen und zu einer konstruktiven
Kraft in diesem Land zu werden, dann werden Sie sehen, dass wir Ihre Ideen auch
mit aufnehmen und mit einfließen lassen werden, so wie wir es in der
Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin in der letzten Legislaturperiode
versucht haben, was fast gelungen ist, bei der aber dann letztlich doch die
Parteipolitik über die Konsenskraft gesiegt hat. Das wäre der falsche
Weg für Österreich!
Meine Damen und
Herren von der österreichischen Bundesregierung! Österreich kann stolz darauf
sein, dass dieser erfolgreiche Weg der letzten drei Jahre fortgeführt werden
kann – mit neuer Dynamik, mit einem klaren Konzept für die Zukunft. Der
österreichische Nationalrat muss dabei eingebunden werden. Wir sind bereit,
mitzuarbeiten, wir sind bereit, auch unsere Ideen einzubringen. Ich wünsche
Ihnen für Ihre so wichtige Arbeit im Interesse Österreichs alles Gute! (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
11.45
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt nun
Herr Vizekanzler Mag. Haupt. – Bitte.
11.46
Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler
Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr
geehrte Damen und Herren! Sehr geschätzte Damen und Herren, die heute zu Hause
der Fernsehübertragung dieser Debatte ihr Ohr leihen und ihr Augenmerk
schenken! Liebe Mitbürger! Hohes Haus! Nach längeren Sondierungsgesprächen und
ernsthaften Verhandlungen mit allen Parlamentsparteien hat sich die
Freiheitliche Partei bereit erklärt, das Regierungsprogramm der
Österreichischen Volkspartei gemeinsam mit den Freiheitlichen, so wie es heute
vorliegt, in den nächsten vier Jahren zu tragen.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Es war keine leichte Entscheidung. Wir finden wirtschaftlich
schwierige Rahmenbedingungen vor. Der drohende Irak-Krieg beunruhigt die
österreichische Öffentlichkeit, und es haben größere Parteien in diesem Hohen
Hause als die FPÖ abgelehnt, Reformprogramme im Interesse des gesamten Staates
mitzutragen.
Herr
Dr. Gusenbauer! Ihre Rede nehme ich so auf, wie sie gehalten worden ist.
Sie selbst haben glaubwürdig „über die Runden gebracht“, dass Sie an einem
Reformpaket für Österreich interessiert wären. Aber klar festgestellt muss auch
werden, dass große Teile Ihrer Partei Ihrem Reformwillen nicht gefolgt
sind und daher sehr vieles von dem, was Sie heute hier gesagt haben, nur Ihre Vorstellungen sind und
nicht auch jene Ihrer Gesinnungsgemeinschaft.
Für mich als
Vizekanzler und Sozialminister wird es interessant sein, zu sehen, ob Sie das,
was Sie in Ihrer heutigen Rede angekündigt haben, dann, wenn Sie eingeladen
sind, mitzuarbeiten und mitzuwirken, auch tatsächlich umsetzen werden, nämlich
schnelle und zügige Reformen im Interesse aller Generationen in Österreich.
Die
Pensionsreform, so wie sie diese Bundesregierung konzipiert hat, steht auch auf
der Basis jener verfassungsmäßigen Mittel, die diese Bundesregierung zur
Verfügung hat. Wenn Sie gemeinsam mit der Sozialdemokratie bereit sind,
schnellere Harmonisierungen der Pensionssysteme und schnellere Reformen
umzusetzen im Interesse des gesamten Staatswohles, so finde ich das nicht nur
interessant, sondern erachte es für das gesamte Staatswohl auch als
wünschenswert.
Allein, auf Grund
der Gespräche der letzten Wochen und Monate fehlt mir der Glaube, dass es in
der Praxis dann nach den Gesprächen auch zu dieser Umsetzung kommt. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 84 |
Weil von Seiten
der Oppositionsredner hier die Kritik angeklungen ist, dass so quasi die Entlastung
und die Ernte erst am Ende dieser Legislaturperiode kommen, darf ich klar
sagen, dass wir Freiheitlichen uns gerade im Hinblick auf die Entlastungen
durchgesetzt haben.
Die
Steuerentlastung für die Bezieher kleiner Einkommen kommt mit
1. Jänner 2004. Die Entlastung für Klein- und Mittelbetriebe im
Bereich der nicht entnommenen Gewinne kommt mit 1. Jänner 2004. Der
„unselige“ 13. Umsatzsteuertermin, der von Ihnen noch mit abgestimmt
worden ist, Herr Kollege Gusenbauer, wird mit 1. Jänner 2004 wieder
abgeschafft. Ich darf schon daran erinnern, dass auch mit
1. Jänner 2003 das Strukturpaket zu wirken begonnen hat und auch die
Familienleistungen mit 1. Jänner 2003 bereits erhöht worden sind.
Ich darf auch
darauf hinweisen, dass mit dem heutigen Tag zumindest in der Öffentlichkeit
eine Debatte der letzten Tage beendet ist, denn sowohl die Grüne als auch die
Sozialdemokratische Oppositionspartei hat durch ihre Erstredner klar zum
Ausdruck gebracht, dass die Schaffung eines neuen Ministeriums und damit
zusammenhängend eine höhere Kopfzahl dieser Bundesregierung im Verhältnis zu
jener der vorangegangenen Bundesregierung Ihre Unterstützung hat. Ich glaube,
damit ist ein Schlussstrich unter die Debatte der letzten drei Tage gesetzt
worden, warum denn diese Bundesregierung auf einmal größer geworden ist. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Wir haben den
Wunsch von mehr als 50 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Österreich
ernst genommen und mit der Schaffung eines eigenen Frauenministeriums diesem
Wunsch auch Rechnung getragen, was durchaus von Ihnen mitgetragen wird. (Abg.
Silhavy: Selektive Wahrnehmung!)
Aber man sollte
dann auch in der Öffentlichkeit die Wahrheit so tradieren, wie man sie auch
hier im Hohen Hause sieht, nämlich dass die Vergrößerung der Bundesregierung
durchaus auch dem Wunsch der roten und der grünen Oppositionspartei hier in
diesem Hohen Hause entspricht und nicht ein Foul auf Kosten der
österreichischen Steuerzahler ist. Ich glaube, man sollte bei der Wahrheit
bleiben, wenn man der Wahrheit verbunden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen
und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Sehr geehrter Herr Professor Van der Bellen! Es kann doch nicht
überraschen, dass eine Bundesregierung mit freiheitlicher Beteiligung, die sich
als erste Europapartei hier im Hohen Hause immer der Subsidiarität und dem
Föderalismus verschrieben hatte, auch hier in diesem Regierungsprogramm
konsequenterweise wichtige Teile mit aufgenommen hat, nämlich die Verbindungen
in der Regionalisierung und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der
Regionen, so wie wir Österreicher uns das wünschen und wollen und so wie es
etwa in der Region Kärnten-Friaul-Julisch-Venetien-Slowenien oder in der Region
Tirol heute schon erfolgreich praktiziert wird. Wir wollen dies auch in
Hinkunft als Zukunftsprojekte Europas haben.
Dieses Europa wird
nur dann in der Bevölkerung besser und stärker verankert sein, wenn sich die
Menschen in diesem Europa wohl fühlen und wenn sich die Menschen in diesem
Europa auch vertreten wissen. Es wird nicht angehen, dass zentralistische
Programme umgesetzt werden, sondern es ist wichtig, dass das neue Europa auch
mit den Bürgern wächst und stärker wird.
Es ist daher für
Österreich besonders erfreulich, dass in der österreichischen Bevölkerung der
Zuspruch dort, wo die Regionalisierung und die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit so, wie wir es uns vorstellen, funktioniert, zugenommen hat,
während in jenen Ländern, die auf ein zentrales und zentralistisches Europa
setzen, die Zustimmung zu Europa abgenommen hat. Wer konsequent hinter Europa
steht, der muss auch konsequent hinter den Wünschen der Menschen in Europa
stehen und für die Vertretung dieser Menschen in diesem Sinne sein. Ich glaube,
wir haben daher den richtigen Weg gewählt, nämlich den richtigen Weg, mit den Menschen Europa zu
gestalten und nicht gegen die
Menschen Europa zu gestalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 85 |
Es kann auch
niemanden wundern, dass jemand so wie ich, der die Wurzeln seiner Familie
zwischen Triest und Zwittau und zwischen Kärnten und Südtirol hatte, immer Wert
darauf gelegt hat, dass auch das Bekenntnis zu den altösterreichischen
Minderheiten im Regierungsprogramm enthalten ist. Wenn sich in der Diskussion
in den letzten Tagen und Wochen die Frage gestellt hat, was denn von der
Haltung der Freiheitlichen in den letzten Jahren geblieben ist, dann sage ich
ganz klar: Wir mussten uns entscheiden! Wir mussten uns entscheiden, ob wir aus
der Sicht der Bundesregierung mitgestalten können und die Altösterreicher
diesseits und jenseits der Grenzen als Bindeglied zu unseren neuen
Partnerschaften der mitteleuropäischen Staaten, der ehemaligen Kronländer der
österreichisch-ungarischen Monarchie, betrachten oder ob wir weiterhin das
Trennende der Geschichte in den Vordergrund stellen.
Wer hinter den
Menschen steht und wer für die Menschen Politik macht, der muss die Lebenssituation,
die soziale Situation und die Situation der Menschen diesseits und jenseits der
Grenzen gleichermaßen beachten, denn nur dann werden wir Migration und den
Zuzug von Wirtschaftsflüchtlingen verhindern können. Daher müssen wir dafür
sorgen, dass für die Menschen jenseits der Grenzen im sozialen Gleichklang
Arbeit und Beschäftigung geschaffen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen
und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Daher ist es für
mich auch wichtig, dass in diesem Regierungsprogramm die Stärkung des sozialen
Gefüges jenseits der Grenzen enthalten ist, etwa durch die verstärkte
Einbindung der Österreich-Institute und der Österreich-Bibliotheken für die
altösterreichischen Minderheiten – sie sollen sich dort, wo sie sich heute
wohl fühlen, auch noch morgen und übermorgen wohl fühlen und die gleichen
Menschenrechte genießen wie die Bürger in unserem Lande. Das ist ein wichtiges
Anliegen dieser Bundesregierung.
Sehr geehrte Damen
und Herren! Kollege Scheibner hat sehr viel und sehr kompetent über die
Sicherheitspolitik gesprochen. Die innere Sicherheit und die äußere Sicherheit
waren für uns Freiheitliche immer wichtig, und für mich als Sozialminister ist
es auch wichtig, dass wir in einer Zeit, in der wir deutlich mehr als
290 000 Arbeitslose haben, alles unternehmen, um jene Menschen, die
im Inland sind – dazu gehören auch jene Gastarbeiter, die wir in das
Inland geholt haben, wie etwa jene 3 800 arbeitslosen Saisoniers der
heurigen Wintersaison –, wieder in Beschäftigung zu bringen und damit im
Inland aber auch den Platz frei zu machen für Konventionsflüchtlinge, die
immer – nach Ansicht von uns Freiheitlichen – den Schutz unseres
Staates haben müssen und für die wir ein Hort der Sicherheit sein werden. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Daher haben wir
konsequenterweise nicht nur in diesem Regierungsprogramm, sondern auch in den
abgelaufenen drei Jahren Regierungstätigkeit auf europäischer Ebene – so
wie alle anderen europäischen Staaten auch – auf eine Trennung zwischen
Konventionsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen Wert gelegt: Für
Konventionsflüchtlinge ist der Platz frei, und sie werden sich – im
Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen – darauf verlassen
können, dass sie in Österreich einen sicheren Ort mit gültigen Menschenrechten
haben werden.
Für die
wirtschaftliche Situation wird es wichtig sein, den Arbeitslosen in Österreich
Arbeit und Beschäftigung zu geben. Da haben wir gerade für die Jungen bis
25 Jahre, wo es besondere Probleme gibt, aber auch für die älteren
Menschen ab 56 Jahren in dieses Regierungsprogramm Maßnahmen
hineinreklamiert, die sowohl über Schulungen, Umschulungen, Fortbildungen als
auch durch Entlastungen den Arbeitnehmern und Betrieben, wenn sie Arbeitnehmer
über 56 und über 60 Jahre anstellen, gleichermaßen Vorteile bringen.
Mit der
Neueinführung des Alters-Arbeitslosengeldes werden wir aber auch sozial gesehen
einem wichtigen Effekt der Altersarbeitslosigkeit entgegentreten können.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Pensionsreform für die heute unter 35-Jährigen ist ein Programm, das die österreichische Gesellschaft dringend brauchen wird. Dass wir in der vergangenen Legislaturperiode darüber hinaus mit der „Abfertigung neu“ und der Prämien-Altersvorsorge zwei Modelle geschaffen haben, um auch langfristig den jungen Menschen die
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 86 |
Möglichkeit zu bieten, allfällige
Einkommensverluste im Alter durch eine zweite und dritte Pensionssäule
auszugleichen, ist und war für uns Freiheitliche nichts Neues, denn
14 europäische Staaten haben ein Pensionsmodell, das auf einer ersten,
zweiten und dritten Säule basiert.
Man sollte nie
vergessen, dass die Rahmenbedingungen der österreichischen Gesellschaft nicht
davon existieren können, dass die Zwei-Personen-Familie plus Haustier den Generationenvertrag
erfüllen wird, sondern nur davon, dass Familien mit Kindern den Generationenvertrag
erfüllen werden. Daher hat das Kinderbetreuungsgeld und seine weitere
Ausbaustufe in dieser Legislaturperiode für uns Freiheitliche einen besonderen
Wert.
Die Regelungen im
Mehrkinderbereich, die Anerkennung für Kindererziehungszeiten von 18 auf
24 Monate, die Möglichkeit und das Recht auf Teilzeitbeschäftigung bis zum
siebenten Lebensjahr oder bis zum Schuleintritt des Kindes, die Schaffung der
Teil- und der Anlehre für Kinder mit Behinderungen nach neuen Modellen, die
auch den behinderten Kindern einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt und zu
einer eigenen sozialen Absicherung ermöglicht, sind für mich soziale
Fortschritte aus freiheitlicher Sicht in diesem Regierungsprogramm. Daher, Herr
Kollege Van der Bellen, bin ich Ihnen durchaus dankbar für die Frage, die Sie
gestellt haben, nämlich was denn in diesem Regierungsprogramm freiheitliche
Handschrift sei. – Das ist das, worauf wir Freiheitliche Wert gelegt
haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich darf nochmals
daran erinnern, dass es auch im Bereich der Landesverteidigung für uns wichtig
war, die äußere Sicherheit, da man eine Krisensituation nie ausschließen
kann – so sehen es auch andere neutrale Staaten in der Europäischen
Union –, nicht 5 Zentimeter über der Erdoberfläche enden zu lassen,
sondern aus eigenem Vermögen für den Luftraum Österreichs entsprechende
Zukunftsvorsorge zu treffen.
Es war das ein
Thema, das uns innerparteilich – das ist unbestritten – riesige
Probleme bereitet hat, aber ich sage auch: Wer Verantwortung für diese Republik
und Verantwortung für Österreich trägt, kann es sich nicht leicht machen. Diese
Verantwortung beinhaltet auch, dass wir für die Soldaten endlich ein besseres
Versicherungsrecht schaffen, damit sie dann, wenn sie für Österreich und die
österreichischen Sicherheitsinteressen im In- und im Ausland auftreten, den
gleichen Schutz haben wie Exekutivbeamte sowie andere Bürger in Österreich
auch.
Ich halte das für
einen dringend notwendigen Schritt, denn einige wenige sind im Einsatz für
Österreich und die nationale und internationale Sicherheit Europas zu Schaden
gekommen. Sie haben es sich verdient, dass sie im sozialen Netz eines reichen
Landes auch soziale Aufnahme finden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der
övp.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich halte auch die Schaffung einer verpflichtenden Unfallversicherung
für einen wichtigen Meilenstein in der Weiterentwicklung des österreichischen
Sozialversicherungsrechtes. Wenn man die Unfallstatistiken betrachtet und die
Tatsache, dass die Unterstützung der Verunfallten nach deren Behandlung endet
und die Rehabilitation und die Rückeingliederung in die Gesellschaft für jene,
die sozial schwach sind, nicht stattfinden, dann sollte man nie vergessen, dass
in der Zahl der Unfälle auch 58 000 Haushaltsunfälle beinhaltet sind,
was zum überwiegenden Teil Frauen betrifft, und davon wieder zum
überwiegenden Teil Frauen, die sozial nicht gut abgesichert sind.
Man kann jetzt in
der Öffentlichkeit mit Drachenfliegen und anderen Extremsportarten polemisieren.
Tatsache ist aber, dass es sich in jenen Fällen, die im Sozialministerium,
nämlich in meiner Sektion für Behinderte Tag für Tag anstehen, um Heimwerker
und Frauen handelt, die im Haushalt verunfallt sind und nach dem heutigen
System zwar eine Krankenbehandlung bekommen, aber keine anschließende
Rehabilitation und keine Wiedereingliederung in die Gesellschaft erfahren.
Ich meine daher, dass die Solidaritätsabgabe von 0,1 Prozent ein wichtiger Beitrag dazu ist, einen sozialen Schlussstrich unter unser Unfallrecht zu setzen – im Interesse gerade der sozial schwachen Schichten, die sich keine Freizeit- und keine Unfallversicherung leisten können, und
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 87 |
im Interesse jener Menschen, die
in diesem unserem Staat bis heute im Schatten des Sozialsystems gelebt haben.
Ich weiß, dass man
in der Öffentlichkeit alles madig machen kann, so etwa die Diskussion um unser
Gesundheitssystem, aber ich möchte Folgendes sagen:
Ich habe es in all
den Jahren seit 1986, als ich hier im Parlament zum ersten Mal angelobt worden
bin, bis zum heutigen Tage nicht erlebt, dass von Seiten der Grünen oder von
Seiten der Sozialdemokratie das Sozialversicherungssystem der Österreichischen
Bundesbahnen als unsozial betrachtet worden wäre. Es wäre ja auch illusorisch
gewesen, dass sich gerade deren Kernwählerschichten in einem unsozialen
Sozialversicherungssystem bewegt hätten. Ich darf den Österreicherinnen und
Österreichern vor Augen führen, dass in diesem System heute immer noch generell
14 Prozent Selbstbehalt beziehungsweise 20 Prozent Selbstbehalt bei
psychosomatischen und psychologischen Leistungen gelten.
Wenn man bedenkt,
dass der Gang in die Frühpension heute schon lange nicht mehr auf Grund einer
Verunfallung am Arbeitsplatz, sondern auf Grund des psychischen Stresses und
der Nichtbewältigung von psychischen und psychosomatischen Problemen erfolgt,
so kann man sagen, es kann in Österreich mit der Gesundheit der Bevölkerung nur
aufwärts gehen, wenn diese Leistungen endlich österreichweit bezahlt werden und
nicht nur von vier Sozialversicherungsanstalten honoriert werden. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der övp.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Die ASVGler mit ihrer erschreckend hohen Zahl des Zugangs zur
Frühpension auf Grund psychischer und psychosomatischer Erkrankungen haben das
gleiche Recht wie alle anderen Bevölkerungsschichten, endlich eine Versorgung
durch das gute österreichische Krankenversicherungssystem zu erhalten. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, Sie haben noch
eine eiserne Reserve von 2 Minuten, weil die Uhr wunschgemäß auf
18 Minuten gestellt war. – Bitte, setzen Sie Ihre Ausführungen fort!
Bundesminister
für soziale Sicherheit und Generationen Vizekanzler Mag. Herbert Haupt (fortsetzend):
Danke für die Aufklärung, Herr Präsident. – Ich darf die letzten zwei
Minuten dazu nutzen, etwas zu sagen, das mir persönlich als Tierarzt und als
Tierschützer eine besondere Freude macht, nämlich dass in diesem
Regierungsübereinkommen endlich auch ein bundesweites Tierschutzgesetz
verankert ist. Herr Kollege Gusenbauer und auch Sie, Herr Dr. Van der
Bellen, werden mir Recht geben: Das hat es in den vorangegangenen
Regierungserklärungen nicht gegeben. Das ist vielleicht zumindest für die
860 000 Österreicherinnen und Österreicher, die sich offiziell für
das Volksbegehren eingesetzt haben, ein wichtiger Schritt für die Zukunft
dieses Landes. (Abg. Brosz: Wir werden schauen, was drinsteht! – Abg. Öllinger: Schauen wir uns das Ergebnis
an!)
Angesichts der
Tatsache, dass in Österreich alle darüber diskutieren, dass die Behandlung von
Volksbegehren und Bürgerinitiativen nicht nach dem Ende einer Legislaturperiode
auslaufen sollen, ist es auch wichtig, dass diese Bundesregierung eine Änderung
dieser bisherigen Rechtspraxis der Zweiten Republik durch den
Österreich-Konvent ins Auge gefasst hat. Ich bin mir sicher – nach dem,
was Sie, Herr Kollege Gusenbauer, und Sie, Herr Kollege Van der Bellen,
formuliert haben –, dass das auch die verfassungsmäßige Mehrheit des
Österreich-Konvents erhalten wird: im Interesse der Weiterentwicklung unserer
parlamentarischen Demokratie mit mehr Säulen der direkten Demokratie, wie wir
Freiheitlichen uns das schon immer gewünscht haben.
Ich meine, dass wir eine Regierungstätigkeit vor uns haben, die spannende Vorhaben des Staates weiter fortschreiben wird. Wir haben im Technologiebereich bereits damit begonnen, die Forschungsquote von 1,5 Prozent auf 1,95 Prozent anzuheben (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), und wir werden mit 2,5 Prozent und 3 Prozent das verwirklichen, was alle Redner in diesem Parlament in ihrem Rede-Repertoire haben: Die Forschung von heute sind die Arbeitsplätze von morgen! Wir werden dafür sorgen, dass Österreich seinen Spitzenplatz in
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 88 |
Europa und auch weltweit behalten wird –
zum Wohle aller Österreicherinnen und Österreicher! (Beifall bei den
Freiheitlichen und der övp.)
12.06
Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung
hat sich Frau Abgeordnete Sburny zu Wort gemeldet. Ich bitte, auf § 58 GOG
zu achten und die zu berichtigende Behauptung und den tatsächlichen
Sachverhalt einander gegenüberzustellen.
12.06
Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Herr Vizekanzler Haupt hat
behauptet, die Grünen würden eine Vergrößerung der Regierung gutheißen. –
Das ist unrichtig!
Richtig ist
vielmehr, dass die Grünen keine
Vergrößerung der Regierung wollten, sondern Wert darauf gelegt hätten, dass der
Frauenanteil in der Regierung steigt und
nicht sinkt. (Beifall bei
den Grünen und der SPÖ.)
12.07
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist
Herr Abgeordneter Dr. Cap. Redezeit: 15 Minuten. – Bitte.
12.07
Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus!
Herr Bundeskanzler! Ein bisschen eng ist es auf der Regierungsbank geworden.
Wenn da noch einer dazukommt, dann rutscht entweder Herr Staatssekretär
Schweitzer oder Herr Staatssekretär Kukacka herunter. (Abg. Scheibner: Da sind
schon mehr gesessen bei euch!) Viel Platz ist da nicht mehr, aber
vielleicht kommen sich ÖVP und FPÖ dadurch näher. Vielleicht ist dieses
Zusammenschweißen auch notwendig, denn wenn ich mir überlege, dass Sie hier
einen Entschließungsantrag einbringen, dass Sie das gesamte Regierungsprogramm
als Entschließungsantrag präsentieren müssen, so heißt das für mich, es besteht
gegenseitig kein Vertrauen. Das ist fast so, als ginge man durch die Reihen der
FPÖ- und ÖVP-Abgeordneten und ließe jeden Einzelnen persönlich unterschreiben,
damit sie zu diesem Regierungsabkommen stehen.
Wie umstritten
muss dieses Regierungsabkommen zwischen den beiden Regierungsparteien und
innerhalb dieser Regierungsparteien gewesen sein und noch immer sein, dass Sie
heute diesen Entschließungsantrag quasi als Disziplinierungsantrag einbringen
müssen, damit das ja wirklich funktioniert? (Die
Abgeordneten Mag. Molterer und
Dr. Stummvoll: Ein schwacher
Einstieg!) Hier disziplinieren, dort oben – bedingt durch die
Enge – kuscheln, damit man sich näher kommt, das ist sozusagen das Motto,
nach dem Sie hoffen, dass der – wie Van der Bellen richtig sagt –
alte Kahn doch noch drei Jahre auf den Meeren schippert. (Beifall bei der
SPÖ und den Grünen.)
Da lohnt es sich
doch, einen kurzen Blick in die Regierungserklärung von Bundeskanzler Schüssel
vom 9. Feber 2000 zu werfen, denn da hat er noch ganz stolz gesagt: „Wir
haben ein Ministerium weniger. Jeder Staatssekretär bekommt einen
Verantwortungsbereich“ – das muss neu gewesen sein –; „für den
Tourismus ist erstmals ein eigener Staatssekretär zuständig, was nicht
unterschätzt werden darf.“
Jetzt ist der
Tourismus-Staatssekretär verschwunden; er ist doch unterschätzt worden, wenn
ich mir das so anschaue. (Beifall bei der SPÖ.) Aber es gibt sehr viele
Staatssekretäre. Ich habe mich gefragt: Wozu gibt es so viele Staatssekretäre?
Ich habe nachgedacht und nachgedacht, und dann fiel mir der „Standard“ vom
1. März in die Hand, wo Gerfried Sperl schreibt: „Staatssekretäre als
Aufpasser, damit die Kontrolle passt“. – Das ist der zweite Teil in Sachen
Vertrauen: überall noch einen Staatssekretär hinsetzen.
Gerfried Sperl
geht noch weiter und sagt, diese Art der Besetzungspolitik der Regierung werde
auch noch deswegen gemacht, damit man Rivalen nach Wien schickt. Ich weiß
nicht, wer da jetzt ein Rivale ist, von wem auch immer in der Regierung. Die
Aufpasser haben wir schon. (Abg.
Dr. Partik-Pablé: Vielleicht
stimmt das doch nicht, was im „Standard“ steht! Könnte ja sein!)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 89 |
Der dritte Teil
ist die familiäre Bindung. In Familienangelegenheiten mische ich mich nicht
ein; das steht mir nicht zu. Wenn hier Schwestern und Neffen mobilisiert
werden, so will ich mich nicht einmischen. Das ist aber wahrscheinlich ein
zusätzlicher Kitt: die Erweiterung des konservativen Familienbegriffs
übertragen auf die Regierung, damit sie jetzt wirklich auf allen Seiten
abgesichert ist und durchhält. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Herr
Bundeskanzler! Ich glaube, es ist eine große Chance für Österreich vertan
worden. Es hätte eine stabile Regierung geben können, es hätte eine
reformbereite und reformfähige Regierung geben können (Abg. Steibl: Und das sagt
der Cap!), und es hätte eine Regierung mit Gewicht in der Europäischen
Union geben können. – Das war unser Projekt, unser Vorschlag, und wir
sind dem in manchen Punkten durchaus – so wie sich das bei den Grünen auch
ergeben hat – nahe gekommen. In vielen Punkten hat es aber wirklich
Dissens gegeben, und wir haben dann im Laufe der Verhandlungen den Eindruck
gewonnen, dass es gar nicht wirklich das Ziel war, dass es Konsens gibt.
Als ich daran
dachte, fiel mir plötzlich das „profil“ in die Hand. Herbert Lackner schrieb am
3. März zu Recht:
„Man muss also davon
ausgehen – und so sehen das heute auch enge Mitstreiter Schüssels“; ich nehme an Molterer und wie sie
alle heißen – „,dass er die
Gespräche mit SPÖ und Grünen auf Scheitern anlegte.“ (Abg. Dr. Partik-Pablé:
Der hat schon oft etwas Falsches geschrieben, der Herr Lackner!) – Dadurch wurden Sie von der FPÖ die
dritte Wahl; das ist aber Ihr Problem, mit dem Sie fertig werden müssen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Glauben Sie doch nicht alles, was Ihnen die
Journalisten vorschreiben!)
Hätten wir hier
jetzt mehr Zeit, könnten wir minutiös nachweisen: Faktum ist, dass die Gespräche
auf Scheitern angelegt waren. Einer der Hauptpunkte war das Beharren auf die berühmten
Eurofighter, auf die größte Rüstungsausgabe. 2 Milliarden € sollten
da aus dem Fenster geworfen werden. Das war aber nur einer von vielen Punkten.
Weitere Punkte:
Abschaffung der Frühpensionen, wodurch möglicherweise bis zu 100 000,
120 000 ältere Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben worden
wären.
Selbstbehalt. –
Sozial ungerecht in der Form, wie Sie das vorgeschlagen haben! (Abg. Scheibner:
Das ist ja jetzt weg, Herr Kollege Cap! – Abg. Mag. Molterer: Kollege Bittner sagt heute
etwas anderes, habe ich gelesen!) Ich bin gespannt, wie Sie das dann mit
dem „kleinen Mann“ in Klagenfurt
diskutieren, wenn er sagt, das entspreche nicht ganz den Vorstellungen. Aber
das werden Sie selbst mit ihm ausmachen müssen.
Ich sage Ihnen nur
Folgendes: Es sind sehr viele unsoziale Momente enthalten und sind auch in den
Gesprächen und Verhandlungen enthalten gewesen, weshalb wir der Auffassung
waren: Das sichert nicht den Wirtschaftsstandort Österreich, das gibt keine
Impulse für die österreichischen Unternehmungen! Das waren aber ganz
wesentliche Aspekte, wie zum Beispiel auch die Frage einer Steuersenkung, einer
Steuerreform. Es ist ja noch immer eine Chuzpe – wie man im Volksmund
sagt –, wenn Sie sagen, die Steuerreform – ein Reförmchen! –
wird im Jahr 2004 erfolgen, und dann kommt wieder ein bisschen etwas
Größeres im Jahr 2005.
So wird
vertröstet, vertröstet, vertröstet, bis der Aufschwung kommt und man wieder
eine prozyklische Maßnahme setzen kann. Jetzt, wo es notwendig wäre,
antizyklische Maßnahmen zu setzen, als Staat zu intervenieren, wirklich
Nachfrage zu schaffen, die Wirtschaft in Bewegung zu bringen, das Wachstum in
Bewegung zu bringen, jetzt wird gespart; auf Teufel komm raus wird gespart und
belastet!
An dieser Stelle
wieder ein interessanter Satz des Herrn Bundeskanzlers aus der Regierungserklärung
vom 9. Feber 2000, wo er sich selbst fast kritisierend oder fast geißelnd
gesagt hat: „Der Steuerzahler darf nie mehr belastet werden.“ –
Nie mehr, hat er gesagt! Nie mehr! Das hat er dann drei Jahre lang täglich
gebrochen, aber damals hat er es in dieser fast apodiktischen Form gesagt: Es
darf nie mehr so sein!
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Wir haben
mittlerweile die höchste Steuer- und Abgabenquote. Viele der heutigen Zuseherinnen
und Zuseher werden, wenn sie in ihr Geldbörsel schauen, merken: Da fehlt schon
wieder etwas! Ich kann Ihnen sagen, wo die Verantwortlichen dafür sind. (Zwischenbemerkung von Bundesminister
Dr. Strasser.) – Der
ist jetzt im Moment nicht da, er geht Geld zählen, nämlich das, was in den
Geldbörseln fehlt (Beifall bei der SPÖ und den Grünen), aber sonst sind
im Prinzip alle da, die dafür verantwortlich sind.
Es geht weiter.
Mineralölsteuer: Das Heizen wird teurer, Autofahren wird teurer.
Ob man krank wird,
muss man sich ab 2004 überlegen. Jetzt kann man noch schnell krank werden,
dann wird es schwierig, denn dann muss man einen Selbstbehalt beim Arzt oder wo
auch immer zahlen. (Abg. Scheibner: Das ist aber wirklich ein
bisschen tief!) – Sie hätten sich bei den Koalitionsverhandlungen
aufregen sollen, jetzt ist es zu spät (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ
und den Grünen), Sie werden nämlich gleich Ihre Zustimmung zum
Entschließungsantrag geben.
Die Belastungen
gehen weiter! Es geht weiter, und wenn es so weitergeht, gibt es auch
13 Milliarden € Konsolidierungsbedarf. Das muss aber irgendwoher
kommen.
Wie wollen Sie
übrigens Ihre Steuerreformen, die Sie angekündigt haben, finanzieren? Ich habe
gehört: Verwaltungsreform! Das ist der Dreierschritt, den es da immer gibt:
Verwaltungsreform, Schwarzarbeit und das Christkind. (Heiterkeit bei der
SPÖ.) Das ist in Wirklichkeit nie zustande gekommen. Thema
Schwarzarbeit – das höre ich schon seit Jahren, dass das angegangen wird;
ich hoffe, es gelingt endlich einmal. Es wäre total wichtig, nur gemacht haben
Sie nichts. – Das wird alles auf uns zukommen.
Wie war das heute
nach der Rede des Bundeskanzlers? – Im Unterschied zum 9. Februar 2000
herrschte gedrückte Stimmung. Teilweise gibt es einige Abgeordnete, die diese
Regierungskoalition ohnehin nicht wollen, sowohl bei der ÖVP als auch bei der
FPÖ. Manche wollen überhaupt in Opposition bleiben oder gar nicht mehr ins
Haus kommen. Es gibt verschiedene Standpunkte und Positionen dazu. Erinnern
wir uns doch alle, die das damals am 9. Februar 2000 erlebt haben: Jubel,
Standing Ovations, Blumen, Händedruck, Umarmungen, beinahe ein Bussi hat es
gegeben. (Beifall bei der SPÖ.) Was war das damals für eine Stimmung!
Und heute? – Verhalten, ernst, Pflichtlektüre, Pflichtapplaus. Da fehlt
alles, da ist der Dampf draußen. (Abg.
Dr. Partik-Pablé: Sollen sich
der Haupt und der Schüssel abbusseln?)
Man merkt es auch:
Es fehlt doch die Reformbereitschaft. Eine Überschriftensammlung ist die
Regierungserklärung. Das kommt mir vor wie bei einer Autobusstation. Es steht
nur oben: Hier fährt ein Autobus!, aber es steht nicht dabei, wann er kommt,
wohin er fährt, ob er groß genug ist, ob er vier Räder hat. Das ist vielleicht
gar nicht so unwichtig bei dieser Regierung. Hat der Autobus überhaupt vier Räder?
ist zum Beispiel zu fragen. – Nichts, eine Ansammlung von Überschriften,
„Neusprech“ wie man so schön sagt.
Herr
Staatssekretär Morak! Ein neues Stück ist angesagt im Burgtheater. Es heißt
nicht mehr „Warten auf Godot“,
es heißt „Warten auf die Ernte“. Mitspielen können Herbert Haupt, Wolfgang
Schüssel, Karl-Heinz Grasser. Immer wieder höre ich nämlich: Und dann kommt der Tag der Ernte. – Nicht
morgen, nicht übermorgen, aber er kommt. Wir hören ihn schon, wie er kommt, der
Tag der Ernte. Er kommt immer näher. Fangen Sie wenigstens einmal im Burgtheater
damit an, dass man es studieren kann, dass man es sehen kann! Soweit ich mich
erinnern kann, ist Godot auch nie gekommen, oder täusche ich mich da? (Heiterkeit
und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) – Das wäre zumindest eine Ansage.
Was meinen wir mit Mutlosigkeit? Es ist auch die heutige Regierungserklärung ein Manifest der Mutlosigkeit. Traurig eigentlich, aber wahr. Ein Manifest der Mutlosigkeit und ein Manifest der Flucht aus der Verantwortung. Selbstbehalt – das soll die Sozialversicherung machen; Ladenschluss – das sollen die Landeshauptleute machen; Pensionen – das soll sich jeder selber regeln. Natürlich gibt es ein Risiko auf der Börse, unangenehm, aber das Leben ist nun einmal ein Risiko, also sichert euch die Pensionen. Zweite, dritte Säule, die Aktienkurse werden rauf-
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gehen, werden runtergehen – Pech, aber das werden wir schon sehen.
Ungefähr so läuft das. Oder: Industriepolitik. Man könnte überhaupt alles
verkaufen, dann brauchte man keine Industriepolitik mehr zu machen. Das wäre
das Allereinfachste.
So geht das. Es
wird alles weggeschoben, keine Verantwortung übernommen!
Diese Regierung
hat sich heute schon vorgenommen, verantwortungsscheu zu sein. Heute schon! Sie
hat gesagt, wir treten an, um
keine Verantwortung zu
übernehmen. Keine Verantwortung! Manche Ausführungen heute habe ich ein
bisschen wie das Pfeifen im Wald empfunden. Die Rede des Abgeordneten und
Klubobmannes Molterer war ja teilweise eine politische Selbsthypnose. Seien
Sie mir nicht böse (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ), aber Sie haben
permanent gesagt: Wir sind mutig, wir
sind zukunftsorientiert. – Wenn in einem Programm einer Regierung
ununterbrochen das Wort „Zukunft“ steht, dann hat diese Regierung eigentlich
keine Zukunft. Sie glaubt auch nicht an ihre eigene Regierungszukunft, sonst
hätte sie nicht so ein schlechtes Gewissen und würde nicht ständig dieses Wort
hineinschreiben.
Herr Klubobmann
Molterer! Ich nehme an, dass Sie natürlich alles, was Ihr Parteiobmann sagt,
schreibt und liest, ganz genau lesen. Das ist ja die Voraussetzung eines engen
Mitstreiters. Sie haben heute gesagt, wir
befinden uns in schwierigen Zeiten. – Schwups, da habe ich mir
gedacht, ich schaue gleich wieder nach, was Bundeskanzler Schüssel am
9. Feber 2000 in seiner ersten Regierungserklärung gesagt hat. Damals war
es anders. Da steht:
„Es gab noch nie so gute Voraussetzungen für unser Land. Wir sind
wirtschaftlich stark und wohlhabend. Die Demokratie steht auf einem festen
Fundament, und wir können den Bürgerinnen und Bürgern eine hohe soziale
Sicherheit anbieten.“
„Unsere Arbeitslosenrate sinkt und zählt zu den niedrigsten in ganz
Europa.“ (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) –
Es freut mich, dass Sie
der rot-schwarzen Koalition noch einmal mit Applaus gedacht haben, denn das
war nämlich das Resümee jener Zeit, als diese Regierung agiert hat. (Beifall
bei der SPÖ.)
Bitte nehmen Sie
alle jetzt Ihre „Feh“-Taschentücher aus der Tasche und fangen Sie an, ein bisschen
zu weinen, denn die nächsten drei Jahre haben zu der Aussage von Klubobmann
Molterer geführt: Schwierige Zeiten! Gerade, dass er nicht gemeint hat: Ganz
schwierige Zeiten, Jammertal, wir müssen da und dort eingreifen, wir haben
diese und jene Handlungsnotwendigkeit. Er hat das aber nicht gesagt, weil die
Regierung nämlich nicht vorhat, das zu tun – wie Sie uns mit Ihrem so
genannten Regierungsprogramm hier gesagt haben.
Zum Schluss
kommend: Warum sollte man nicht doch hin und wieder Jörg Haider zitieren? Er
sagte, nachzulesen in der „Presse“: „ÖVP schwelgt im Machtrausch“. – Ich
weiß, was war. Es hat deswegen keine Koalition mit den Sozialdemokraten
gegeben, weil man jetzt neue ÖVP-Minister berufen konnte. Und das war
wichtiger, neue Posten zu besorgen, wichtiger als die Zusammenarbeit im
Interesse Österreichs! In diesem Fall war das ÖVP-, das Partei- und das
personalpolitische Interesse wichtiger.
Wissen Sie, was
mich noch interessiert? – Ich habe eben in der „Presse“ die Seite gesehen,
auf der steht: „Haider: ,ÖVP schwelgt im Machtrausch‘“, und auf dieser heißt es
dann weiter unten: „Pröll wettert über ,Stillstand‘ im Bund“. – Ich bin
das letzte Mal vom Bundeskanzler kritisiert worden, weil ich gesagt habe, dass
es im Bund einen Stillstand gibt. Ich habe gar nicht gewusst, dass
Landeshauptmann Pröll das dann von mir übernimmt – aber er hat es
übernommen, warum auch nicht? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Es beschwert sich
also Landeshauptmann Pröll über „Packelei und Taktiererei“! – Es war Packelei
dabei, als Sie die Regierung gebildet haben? Was ist da vorgegangen?
Allerdings muss ich gleich auch dazusagen, damit man nicht meint, ich hätte Landeshauptmann Pröll positiv zitiert (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel): Ein bisschen ein Papiertiger scheint er mir schon zu sein, denn verhindert hat er Schwarz-Blau nicht – also hat er anscheinend kein besonderes Gewicht und kann sich daher eigentlich diese Wortmeldungen –
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 92 |
es ist fast in Ihrem
Interesse, wenn ich das sage – in Zukunft sparen. (Präsident Dr. Fischer gibt
das Glockenzeichen.)
Er
kritisiert – es passiert aber nichts, und somit gibt es nur zwei
Möglichkeiten: Entweder es war ein Doppelspiel von ihm, und er schweigt und
kommt nicht mehr, weil sein Neffe hier sitzt, oder aber er kann sich nicht
durchsetzen und zählt in der ÖVP nichts. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ
und Beifall bei den Grünen.)
12.22
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als nächster Redner
zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Stummvoll. Gleiche
Redezeit. – Bitte. (Abg. Mag. Molterer: Jetzt werden wir den Unterschied
sehen!)
12.23
Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf
der Regierungsbank! Hohes Haus! Die Rednerliste will es so, dass ich heute
schon wieder unmittelbar nach Josef Cap zu Wort komme. Das letzte Mal habe ich
bedauert, dass seine Rede nicht im Fernsehen übertragen wurde, heute bin ich
dem ORF für die Live-Übertragung dankbar. (Abg.
Nürnberger: Das sind wieder
2 Prozent für uns!)
Herr Kollege Cap!
Die Wählerinnen und Wähler können sich ein Bild darüber machen, was der
Klubobmann der SPÖ unter Politik versteht: Karikatur, Klamauk und
Kabarett – das Gegenteil von Regierungspolitik, Herr Kollege Cap! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Aber ich möchte es
damit schon bei meinem Vorredner bewenden lassen und auf die Regierungserklärung
des Herrn Bundeskanzlers eingehen.
Meine Damen und
Herren! Diese Regierungserklärung mit dieser mutigen, couragierten, verantwortungsbewussten
Perspektive bis 2006 fällt in eine Zeit, über die man sagen muss: Sie ist
für die Wirtschaft, aber auch für die Politik so schwierig wie noch selten eine
Zeit seit der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg. (Zwischenrufe der Abgeordneten Silhavy und Gradwohl.)
Wir haben die
großen weltweiten Megatrends, die Neugestaltung Europas, die Tatsache, dass das
investive Kapital, das in Arbeitsplätze investiert wird, so mobil ist wie noch
nie zuvor in der Menschheitsgeschichte, und drittens einen technischen
Fortschritt, dessen Tempo atemberaubend ist. All das stellt unglaubliche
Herausforderungen an die Politik, und wie rasch hier eine Politik scheitern
kann, sieht man am Beispiel von Rot-Grün in Deutschland. (Abg. Dr. Petrovic:
Eher an Schwarz-Blau!) Der einstige Konjunkturmotor in Europa,
Wirtschaftsmacht Nummer eins, wurde durch eine verfehlte rot-grüne Politik
hinuntergeführt. 4 Millionen Arbeitslose, explodierende Budgetdefizite,
eine hohe Steuerbelastung – das ist rot-grüne Politik, meine Damen und
Herren!
Ich weiß es nicht,
ich war bei den Verhandlungen nicht dabei, die Verhandlungen haben sicherlich
auch sehr viel Positives gebracht – gegenseitiges Verständnis,
Wertschätzung für die Position des anderen; ich habe auch keine
tiefenpsychologische Studie gemacht –, aber ich könnte mir vorstellen,
dass sowohl bei Rot als auch bei Grün das abschreckende Beispiel von Rot-Grün
in Deutschland – vielleicht nur im Unterbewusstsein – der Grund dafür
war, zu sagen: Es ist gescheiter, wir bleiben doch in Opposition! – Das
mag sein, aber ich bin kein Tiefenpsychologe, meine Damen und Herren!
Ich möchte Folgendes sagen: Diese großen Herausforderungen wie eben auch die Neugestaltung Europas sind natürlich eine riesige Chance, wie der Herr Bundeskanzler gesagt hat, selbstverständlich aber auch eine Herausforderung für die Politik. Als Vertreter einer grenznahen Region sage ich: Natürlich sehen das auch meine Wählerinnen und Wähler im Waldviertel als Chance – Gott sei Dank! – und nicht als Bedrohung, aber sie erwarten auch, dass die Infrastruktur in dieser Region entsprechend ausgebaut wird. Es macht nämlich einen Unterschied, ob eine Region ein halbes Jahrhundert lang mit dem Rücken am Eisernen Vorhang
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 93 |
streift oder plötzlich im Herzen Europas liegt. – Das ist eine riesige
Chance, aber auch eine Herausforderung für die Politik, die Infrastruktur
entsprechend auszubauen.
Das unglaubliche
Tempo des technischen Fortschrittes – eine unglaubliche Herausforderung
für die Politik. Schauen wir uns an, wie rasch sich die Arbeitswelt durch den
technischen Fortschritt verändert!
Wenn heute eine
Frau nach der Geburt ihres Kindes in Karenzurlaub geht und nach zwei Jahren
zurückkehrt, schaut die Arbeitswelt allein durch den technischen Fortschritt
schon ganz anders aus. (Zwischenruf der
Abg. Silhavy.)
Ich bin daher sehr
froh darüber, Frau Kollegin, dass diese Regierung unter dem Wirtschafts- und
Arbeitsminister Martin Bartenstein ganz bewusst einen Schwerpunkt in Richtung
Qualifikationserneuerung setzt. Es ist
dies ein dringendes nationales Anliegen, damit die Betroffenen allein den
technischen Fortschritt in der Arbeitswelt bewältigen können. Herr Wirtschafts-
und Arbeitsminister, herzlichen Dank für deinen kraftvollen Einsatz für diese
Offensive in der Qualifikation! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten
der Freiheitlichen.)
Die hohe Mobilität des investiven Kapitals, das in Arbeitsplätze geht,
erfordert eine enorm attraktive Standortpolitik – Wirtschaftspolitik ist
heute Standortpolitik. Und der Kurs dieser Regierung ist richtig, er stimmt,
meine Damen und Herren! Dem Wirtschaftsstandort wurde hohe Priorität
eingeräumt.
Ich habe mir in der Rede des Kanzlers zwei Sätze unterstrichen, sie
sollten Merksätze auch für die Opposition sein, und zwar: „Wirtschaft schafft
Arbeit“ und „... sozial ist, was Arbeit schafft“. – Beide Sätze sind
goldrichtig, meine Damen und Herren! Daher ist diese Politik des Herrn
Bundeskanzlers und des Herrn Vizekanzlers mit ihrer Regierungsmannschaft
richtig, nämlich zu sagen: Wir müssen den Wirtschaftsstandort Österreich
stärken. – Wir haben gute Voraussetzungen, wir haben in den letzten drei
Jahren unser Ranking beachtlich verbessert, aber ein Schwerpunkt muss sein:
Standortpolitik im Sinne von Arbeitsplätzen, Einkommenschancen und sozialer Sicherheit.
(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger:
Er war auch schon einmal besser!)
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Öllinger! Ich kann verstehen, dass
angesichts dieser gewaltigen Herausforderungen das Abwägen zwischen
Regierungspolitik und Oppositionspolitik bei manchen die Neigung sehr verstärkt
hat, lieber in Opposition zu bleiben. Da kann man gescheit reden, da kann man
fordern, da kann man kritisieren, da kann man protestieren.
Regierungsverantwortung zu übernehmen ist etwas ganz anderes. (Abg. Öllinger: Warum?)
Es ist kein Zufall, dass der Herr Bundeskanzler heute gesagt hat: Für die
Zukunft brauchen wir Verantwortung. – Wir verstehen Politik als Zukunftsgestaltung, Sie verstehen Politik –
manchmal zumindest – als Tageshickhack, Herr Kollege Öllinger, und das ist
nicht unser Verständnis von Politik. (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Öllinger: Auf Ihr
Verständnis hätten wir gern verzichtet!)
Ich habe gesagt, dass der Kurs dieser Regierung in die richtige Richtung
geht. Es ist dies ein Kurs für Stabilität im Staatshaushalt, es ist dies ein
Kurs für Wirtschaftswachstum und den Wirtschaftsstandort, es ist dies ein Kurs
für Sicherheit, für innere, äußere und soziale Sicherheit.
Stabilität im Staatshaushalt. – Meine Damen und Herren!
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Vizekanzler Herbert Haupt und der unabhängige
Finanzminister Karl-Heinz Grasser stehen für Seriosität, Solidität und
Vertrauenswürdigkeit der Finanz- und Steuerpolitik. Und das wünsche ich mir
auch als Staatsbürger: solide Staatsfinanzen, Seriosität, Vertrauenswürdigkeit.
Das ist in dieser Regierungsmannschaft in guten Händen, meine sehr geehrten
Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Zweiter Schwerpunkt: Wirtschaftswachstum und Standortattraktivität. – Meine Damen und Herren! Wir haben uns im Vergleich zu Deutschland in den letzten drei Jahren unter der vorigen Bundesregierung hervorragend wirtschaftlich entwickelt, besonders angesichts der Tatsache,
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 94 |
dass wir weltweit eine Konjunkturdelle erleben. (Abg. Öllinger:
Wo denn?) Die Konjunkturprogramme, die hier beschlossen worden sind,
waren ein richtiges Gegensteuern zu dieser Konjunkturflaute. Wenn wir in den
letzten zwei Jahren – etwa in der Exportwirtschaft – zwei Meilensteine
erreicht haben, dann ist das natürlich in hohem Ausmaß ein Verdienst der
Exportbetriebe und ihrer tüchtigen Mitarbeiter, aber auch der
Rahmenbedingungen, die die Vorgängerin dieser Regierung geschaffen hat.
Erster Meilenstein: 2001 – damals hat man noch in Schilling
gerechnet – gab es erstmals die Durchbrechung der Schallmauer von
1 000 Milliarden Schilling an Exportvolumen. Wissen Sie, was
1 000 Milliarden Schilling Export heißt? Das heißt eine Million
Arbeitsplätze. In Österreich hängt jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder
indirekt vom Export und vom Tourismus ab.
Zweiter Meilenstein: Wir haben im Vorjahr erstmals – noch vor
einigen Jahren war das unvorstellbar“ – einen Überschuss in
der Handelsbilanz erzielt. Es gab mehr Exporte als Importe. (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Wir haben unter dieser Bundesregierung vor allem
auch die Chancen der Märkte in Mittel- und Osteuropa entsprechend nützen
können, weil diese Regierung immer sehr positive Signale ausgesendet hat.
Europa ist eine Chance!, wurde erst heute wieder in der Rede des Herrn
Bundeskanzlers betont. Allein seit 1990 ist der Anteil der Exporte nach Mittel-
und Osteuropa von 10 Prozent auf 17 Prozent des Volumens gestiegen.
Und das Potential liegt wahrscheinlich bei weit über 20 Prozent.
Dazu braucht man Vertrauen in die Rahmenbedingungen und Vertrauen auch
in die Bundesregierung. Meine Damen und Herren! Die Betriebe haben Vertrauen
in diese Bundesregierung! Das hat man anhand dieser beiden wirklich enormen
Erfolge, die vor allem die Exportwirtschaft in den letzten Jahren zu
verzeichnen hatte, sehr deutlich gesehen. Ich sage es noch einmal: Wäre im
Vorjahr das Exportvolumen nicht um 4 Prozent gestiegen, dann hätten wir
überhaupt kein Wirtschaftswachstum erzielt.
Ich komme zum Abschluss. Ich möchte sagen, diese Regierung – und
das gefällt mir als Wirtschaftspolitiker – hat in der Perspektive bis
2006 wirtschaftspolitisch ein, ich würde fast sagen, strategisches Dreieck in
diesem Regierungsprogramm.
Erstens: Stabilität der Staatsfinanzen als vorrangiges Ziel.
Herr Kollege Gusenbauer! – Er ist nicht mehr da, er passt nicht
mehr auf. – Das Nulldefizit wurde nicht aufgegeben.
Nulldefizit, so haben wir es immer definiert – ich selbst hier wiederholt
vom Rednerpult aus –, heißt: ein ausgeglichener Staatshaushalt über den
Konjunkturzyklus. Das gilt nach wie vor, und das bedeutet: hohe Solidität,
Seriosität, Vertrauenswürdigkeit.
Zweitens: Entlastung der Bürger und der Betriebe.
Sie haben es gehört: Die größte Steuerreform, die größte
Steuerentlastung in der Geschichte der Zweiten Republik hat sich diese Regierung
vorgenommen. Meine Damen und Herren! Schon allein deshalb bin ich ein Anhänger
dieser Regierung, denn ich bin schon seit vielen Jahren der Auffassung, mehr
Geld sollte in der Hand des Bürgers und weniger Geld in der Hand des Staates
sein. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese
Regierung ist drauf und dran, diesen Grundsatz zu realisieren, meine sehr
verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. –
Abg. Gradwohl: Seit drei Jahren nicht umgesetzt! Null umgesetzt!)
Dritter Schwerpunkt dieses Dreiecks: Investitionen in die Zukunft.
Meine Damen und Herren! Dieses Regierungsprogramm enthält sehr konkrete
und präzise Aussagen: Steigerung der Forschungsquote auf 2,5 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes. Es enthält die Zusage einer weiteren Exportoffensive
gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich. (Abg. Gradwohl: Null
umgesetzt!) Meine Damen und Herren! Das ist Politik als
Zukunftsgestaltung – anstelle demagogischer Zwischenrufe, Herr Kollege!
Es ist zu wenig, immer nur zu kritisieren, zu fordern und zu protestieren,
sondern es gilt, Verantwortung für die Zukunft des Landes zu tragen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 95 |
Damit schafft
diese Bundesregierung auch die Voraussetzungen dafür, dass dieser Grundsatz des
Herrn Bundeskanzlers – sozial ist, was Arbeit schafft – entsprechend
umgesetzt werden kann. Sozial ist heute nicht derjenige, der den Menschen sagt,
es könne ohnedies alles so bleiben, wie es ist, sondern sozial handelt
derjenige, der aufzeigt, wie die Pensionen langfristig gesichert werden können,
auch wenn das vielleicht da oder dort im ersten Augenblick gar nicht populär
sein mag. Die Zeit der Pensionistenbriefe, wie sie ein früherer Bundeskanzler
geschrieben hat, ist Gott sei Dank vorbei. Wir sagen den Menschen die
Wahrheit, und die Menschen verstehen diese Wahrheit!
Die Menschen sind
viel klüger, als manche Politiker glauben. Und ich schaue bewusst jetzt in Ihre
Richtung, meine Damen und Herren von der SPÖ. Der Durchschnittsbürger ist viel
vernünftiger, als manche glauben.
Zusammenfassend
kann ich sagen, ich bin überzeugt davon, dass die Bürgerinnen und Bürger
unseres Landes bei dieser Regierung, bei diesem Regierungsprogramm und bei
dieser Regierungsmannschaft in guten Händen sind. Ich bin froh, dass diese
Regierung die volle Unterstützung der Mehrheit dieses Parlaments hat. Es ist
der klare Auftrag des Wählers (Abg. Dr. Petrovic: Auch der
Wählerin?) gewesen, dass Wolfgang Schüssel Bundeskanzler bleiben soll und
dass der Reformkurs der letzten drei Jahre fortgesetzt werden soll.
Es hat sich auch
herausgestellt, wer der Partner ist, der den Mut zu diesen Reformen hat: Es ist
die Freiheitliche Partei. Ich freue mich auf die Kooperation, Herr Klubobmann
Scheibner, auf die nächsten Jahre, und ich bin froh, dabei sein zu können, wenn
wir unter dieser Bundesregierung die Zukunft dieses Landes so gestalten können,
wie es heute der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung dargelegt
hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
12.36
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin
ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.
12.36
Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte
Mitglieder der vergrößerten österreichischen Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr
geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und daheim an den
Fernsehgeräten! (Abg. Mag. Mainoni: Wird das jetzt eine
Belangsendung?)
Ich möchte mich
mit den vorangehenden Debattenbeiträgen vor allem unter drei Aspekten
auseinander setzen, nämlich: Wie sieht es mit dem Umweltschutz in diesem
Regierungsabkommen aus? Wie sieht es mit der sozialen Gerechtigkeit,
insbesondere mit der Situation der Frauen, aus? Und: Was wurde heute und hier
zum Kapitel Sicherheit gesagt?
Ich möchte in
aller Kürze darauf eingehen und werde dabei versuchen, das zu betonen, was
zwischen den Zeilen mitgeschwungen ist. Jene, die schon länger in der Politik
sind, konnten vielleicht etwas genauer heraushören, was hinter den
salbungsvollen Worten in Wirklichkeit mitgeschwungen ist.
Zum einen wurde
erklärt, es seien bei dieser Wahl klare Signale der Bevölkerung abgegeben
worden. – Wenn es bei dieser Wahl irgendein klares Signal gegeben hat,
dann war es das, dass die FPÖ als Regierungspartei abgewählt
wurde. (Beifall bei den Grünen.)
Aber der Herr
Bundeskanzler und die Regierungsmitglieder scheinen das, was die Wählerinnen
und Wähler signalisiert haben, irgendwie anders zu deuten. Die Reduzierung
einer Partei um zwei Drittel hat es in der innenpolitischen Geschichte
Österreichs noch nie gegeben. Das hatte einen Grund, aber Sie setzen sich
darüber hinweg – sagen wir es doch im Klartext. (Beifall bei den
Grünen. – Abg. Scheibner: Es hat aber auch keine Partei
40 Jahre lang nur gewonnen, Frau Kollegin!)
Nun zum Punkt
Umweltpolitik. Herr Bundeskanzler! Sie haben ganz zu Beginn Ihrer Ausführungen
gesagt – ein Zitat aus unserem Nachbarland aufgreifend, aber Ihrer Meinung
nach auch auf Österreich anwendbar –:
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„In einem
Land (...), in dem jeder Zentimeter des Status quo mit wehrhaften
Interessenvertretungen besetzt ist ...“.
Nein, Herr
Bundeskanzler! Das ist nicht so. Da kann man sagen, leider oder Gott sei Dank,
aber es ist nicht so. Es gibt Interessen, vor allem die Interessen der Umwelt
oder, wenn Sie so wollen, die Interessen künftiger Generationen, die eben keinen
gleich guten Schutz haben wie die etablierten Interessen von
Wirtschaftsmärkten.
Was haben Sie dazu
gesagt? – Hier meine Übersetzung in das, was es wirklich heißt: Sie
wollten keine Insellösungen, was das Wasser, die Luft, die Lebensmittelqualität
betrifft, sondern europäische Lösungen. Im Klartext: ... (Bundeskanzler
Dr. Schüssel: Ich habe gesagt, es ist notwendig, europäische
Lösungen zu finden!) – Sie sagen, es ist notwendig. Ich sage, es ginge
auch anders, und die Grünen sagen, es ginge vieles ganz anders, und es wäre
besser, würden wir es anders machen.
Herr
Bundeskanzler! Keine Insellösungen und auf europäische Richtlinien warten, das
heißt ... (Abg. Mag. Molterer: Wie wollen wir aus der
Atomenergie aussteigen?) – Nein, nein, niemand will aus der EU
aussteigen, oder wir wollen es jedenfalls nicht. (Abg. Mag. Molterer:
Nicht aus der EU, aus der Atomenergie!) Aber es geht um die Frage, ob
Österreich eine Vorreiterrolle einnimmt oder nicht, ob wir zum Beispiel, und
das könnten wir durchaus, eine gentechnikfreie Zone – und zwar ganz
Österreich – bleiben oder nicht. (Beifall bei den Grünen.)
Es wird sehr
nebulos über Transitlösungen gesprochen, etwas Konkretes steht da nicht
drinnen. Es heißt zum Beispiel: Regionale Belastungen durch Transit
hintanhalten. – Na, wie denn? Was denn? Wie soll denn das passieren? Durch
Ihr Regierungsabkommen, und indem Sie Bezug nehmen auf den
Generalverkehrsplan? – Bitte, dort steht das Gegenteil! Dort ist die Nord
Autobahn enthalten, und dort ist die neue, nicht mautpflichtige Transitstraße
quer durch das Waldviertel und das Weinviertel über den Wagram enthalten.
Das steht im Generalverkehrsplan.
Nicht enthalten sind die neuen alten Bahnlinien, die es noch aus
der Monarchie gibt, die aber irgendwo, ein paar Kilometer vor der Grenze enden.
Diese Linien hätte man schon lange ausbauen und damit wirklich den Verkehr auf
die Schiene bringen können. (Abg. Scheibner: Das können Sie im
Niederösterreichischen Landtag einbringen!) Damit könnte man natürlich eine
deutliche Umweltentlastung durchführen. Das könnten Sie national tun, da
bräuchten Sie nicht auf Europa zu warten. Aber hier ist etwas anderes angestrebt,
und das soll man auch klar benennen. (Beifall bei den Grünen.)
Oder, Herr
Bundeskanzler, zum Tierschutz. Sie haben heute von einer Koalition gegen das
Tierleid gesprochen. Sie wissen, dass die Grünen in diesem Bereich immer
federführend waren. Und natürlich, wenn das eine gute Koalition wird, dann
werden wir mit dabei sein. Nur, ich habe da meine Zweifel, denn ich stelle mir
schon die Frage, wieso Sie im April eine Enquete zu einem Thema machen, zu dem
schon, ich weiß nicht, wie viele Unterausschuss-Sitzungen im Parlament
stattgefunden haben, zu dem es fertig ausformulierte Anträge aus der
österreichischen Tierschutzbewegung gibt, die hier im Haus eingebracht worden
sind. Worauf warten wir denn? Warten wir vielleicht darauf, bis die Landtagswahlen
in Niederösterreich und Oberösterreich vorbei sind, damit Sie eben nicht
offen legen müssen, dass eine Nivellierung auf niedrigen Standards geplant
ist? – Wenn das so ist, dann sprechen Sie es bitte offen aus, Herr Bundeskanzler!
Meine Damen und
Herren! Ich komme zum zweiten Bereich, zur Sozialthematik, an der sich, wie Sie
wissen, vieles in den Gesprächen, in den Verhandlungen mit den Grünen gespießt
hat, und ich sage, zu Recht.
Die Regierung ist größer geworden. Das ist in Zeiten des Sparens überraschend, denn, und das soll man auch hinzufügen, das gibt es ja nicht zum Nulltarif. Die Kosten für die Vergrößerung dieser Regierung, so wird geschätzt, kann man mit 2,6 Millionen € ansetzen: für die neuen Regierungsposten und das dazugehörige administrative Rahmenwerk. Das sind, noch in Schilling ausgedrückt, etwa 35 Millionen Schilling. – Da kann ich nur sagen, alle Achtung!, für
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 97 |
eine Regierung, die hundert Mal pro Tag das Wort „sparen“ in
den Mund nimmt. Es scheint doch so zu sein, und das kann man ja offen sagen:
Die Freiheitlichen sind bei dieser Wahl dezimiert worden, wie es ärger nicht
mehr geht. Da hat es wohl geheißen, schaffen wir eben einige zusätzliche Ämter,
damit ein paar nachrücken können. – Das ist der wahre Grund. (Beifall
bei den Grünen sowie des Abg. Reheis.)
Gleichzeitig kommt
wieder die alte Aufpasserfunktion der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre,
weil ja so ein „tolles Klima des Vertrauens“ herrscht. Außerdem haben Sie
gegenüber dem Kabinett Schüssel I eine Senkung der Frauenquote geschafft.
Begonnen hat das alte Kabinett mit einem Frauenanteil von über 30 Prozent.
Damals waren fünf von sechzehn Regierungsmitgliedern Frauen. Jetzt sind es
22 Prozent. Also: vergrößerte Regierung, vergrößerter Männeranteil, und
ein dramatisch reduzierter Anteil von Frauen in der Regierung. Und sagen Sie
bitte ja nicht, dass das die Idee der Grünen oder der Opposition war! Das war Ihr
ureigenstes Interesse auf Posten! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Auch der
Sprachgebrauch in dieser Regierungserklärung war bemerkenswert. Wir haben genau
aufgepasst: Immer dann, wenn von irgendwelchen Wirtschaftsinitiativen die Rede
war, hat der Herr Bundeskanzler die männliche Form verwendet, obwohl im
Regierungsabkommen wiederum das Gender Mainstreaming und die sprachliche
Gleichbehandlung erwähnt werden. Das scheint für Sie eine reine Floskel zu
sein, Herr Bundeskanzler. Das schreibt man eben hinein, aber verwenden tut es
niemand. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)
Nein, es steht
drinnen: die Gründer, die Unternehmer, und nur dort, wo es um Teilzeitarbeit,
um Familienarbeit geht, wird auf einmal die weibliche Form verwendet. Das
heißt, schon mit Ihrer Sprache zementieren Sie traditionelle Rollenbilder ein,
wogegen wir uns ganz massiv aussprechen. (Beifall bei den Grünen und der
SPÖ.)
Nun zum Punkt
Frauen und soziale Gerechtigkeit. Wir wissen, die Fraueneinkommen, die
Frauenlöhne und -gehälter sind in Österreich im Verhältnis zu den Einkommen der
Männer viel niedriger als sonst wo in Europa. Österreich hat
diesbezüglich den letzten Platz in Europa, den 15. Platz
unter 15 Staaten! Und die Tendenz ist steigend, die Schere zwischen
Frauen- und Männereinkommen geht weiter auf!
In der Pension ist
die Situation sogar noch ärger. Dort ist nämlich die Frauenpension im Durchschnitt
nicht einmal mehr die Hälfte der Männerpension, wobei auch da kein Trend in die
andere Richtung zu erkennen ist.
Und nun legen Sie
eine Pensionsreform vor, basierend auf einem Gutachten, das ganz klar von den
völlig traditionellen Sicherungsmechanismen – durchgehende männliche
Erwerbstätigkeit einerseits und Ehe andererseits – ausgeht, obwohl Sie
wissen und obwohl alle Expertinnen und Experten sagen, das wird sich ganz
massiv zu Lasten der Frauen auswirken!
Sie reden hier von
Sparsamkeit und sehen nicht, dass Sie die Gerechtigkeit – auch Verfassungsprinzipien –
mit dieser Art von einseitigen Pensionsreformen verletzen.
Meine Damen und
Herren! Ich stelle überhaupt – vor allem an die ÖVP-Regierungsmitglieder
und an die ÖVP-Abgeordneten – die Frage: Was heißt Gerechtigkeit? –
Sie gehen automatisch mit dem Regierungsabkommen und mit den Pensionsgutachten
davon aus: Gerechtigkeit heißt Beitragsgerechtigkeit. Was
einbezahlt wird, wird wie auf einem Kapitalsparbuch wieder ausbezahlt.
Gerechtigkeit heißt für Sie, das Versicherungsprinzip wird gestärkt. (Abg.
Mag. Molterer: Das stimmt einfach nicht!) – Doch, es ist
so, Herr Abgeordneter!
Ich denke, Gerechtigkeit
sollte heißen: Niemand muss im Alter Not leiden! Niemand muss im Alter frieren!
Niemand muss bei den notwendigen Bedürfnissen Mangel leiden! (Abg.
Mag. Molterer: Warum steht dann „Mindestpension“ drinnen? Warum
steht drinnen: „Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei Frauen“?) – Darauf
komme ich schon noch zu sprechen.
Herr Kollege Molterer! Sie wissen genau, dass ein paar Monate mehr Anrechnung von Kindererziehungszeiten an dieser generellen Ungerechtigkeit nicht wirklich etwas ändern. Denn
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Frauen sind generell diskriminiert, Frauen mit Kindern und ohne Kinder
haben dieses Drittel weniger an Löhnen und Einkommen.
Herr
Bundeskanzler! Es ist das falsche Prinzip! (Bundeskanzler Dr. Schüssel:
Ein richtiges Prinzip!) – Es ist das falsche Prinzip! Wir Grünen
haben – ich merke ja, es ist noch nicht wirklich angekommen –
versucht, Sie davon zu überzeugen, dass ein modernes, soziales System von
morgen ein ganz wichtiges Prinzip verwirklichen muss, nämlich einen
existenzsichernden Sockel. Und das haben Sie nur in einem kleinen Bereich
verwirklicht, nämlich dort, wo es darum geht, Personen, die sonst nichts
haben ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wo Menschen
sozial bedürftig sind!)
Aber Sie haben
insbesondere bei den Frauen keine eigenständige Alterssicherung
drinnen, ich betone, keine eigenständige Alterssicherung, und das ist einer der
springenden Punkte. Das lehnen wir in dieser Form ab. (Beifall bei den
Grünen. – Abg. Scheibner: Dann haben Sie es nicht gelesen!)
Wir haben uns
natürlich für einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen. Denn der Trend,
dass die Kluft zwischen den stark männerdominierten Branchen und den viel
schwächer honorierten frauendominierten Branchen tiefer wird, setzt sich
natürlich bis ins Alter fort, und das führt dann eben vor allem bei den älteren
Frauen, vor allem bei den Pensionistinnen wirklich zu einer eklatanten
Armutsbedrohung.
Ein Letztes: Ein
paar Worte zur Sicherheit, nur ganz kursorisch. Es war für mich bezeichnend,
dass der Vizekanzler in diesem Bereich die Lösungen, die angestrebt werden,
ganz klar verteidigt hat und dass Sie offenbar diesen Antrag brauchen, um alle
Ihre Abgeordneten auch auf den Kauf der Abfangjäger einzuschwören.
Herr
Bundeskanzler! Sie haben ein einziges Mal in Ihrer Erklärung gesagt, dass etwas
einen Preis hat, sprich: dass es teurer werden wird, nämlich bei der
Sicherheit. Sie haben nicht gesagt, dass es in den Bereichen
Gesundheit einen Preis hat, dass es in den Bereichen Bildung einen Preis hat.
Dort heißt es immer wieder, wir müssen effizienter und sparsamer werden. Im
Klartext heißt das, Sie wollen bei den Pensionen letztlich eine
Milliarde € heruntersparen, Sie wollen im Gesundheitswesen eine
Milliarde € heruntersparen, das sind 2 Milliarden €. Und um
2 Milliarden € kaufen Sie Abfangjäger.
Das ist ein
Geschäft, das ... (Abg. Scheibner: Mein Gott, schon wieder der
Vergleich! Diesen Vergleich haben Sie aber mühsam hergeholt, ein rhetorischer
Tiefschlag! Schwach!) So ist es aber! – Das ist etwas, was nicht
den Interessen der Jugend und nicht den Interessen des Landes
dient! Ich frage mich schon, wodurch unsere Kinder mehr geschützt sind: durch
eine ökologische Landwirtschaft und durch soziale Sicherheit – oder durch
ein paar sündteure Kampfflugzeuge? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner:
Sogar der Applaus ist dünn!)
Meine Damen und
Herren! Ich komme zum Schluss. Mich hat eigentlich Folgendes überrascht: Wir
haben im Laufe der gesamten Phase der Regierungsbildung – die insgesamt
sehr spannend war, aber letztlich sehr klar gezeigt hat, Sie von der ÖVP wollen
ein Bündnis mit den Freiheitlichen – erkannt: Alle werden hier dafür
stimmen! Mag es auch aus den Ländern oder mag es von der Wirtschaftskammer her
Skepsis geben, die Vertreter hier im Parlament werden locker und ohne mit der
Wimper zu zucken dafür stimmen.
Tatsächlich hat es
mich schon überrascht, dass hier diese gesellschaftspolitische Beliebigkeit
herrscht. Kollege Van der Bellen hat es schon angesprochen. Für Sie waren ein
paar Dinge wirklich fix, und zwar der Einsparungsbedarf bei den Pensionen und
im Gesundheitswesen sowie der Ankauf der Abfangjäger. Diese Konturen waren
fix. – Alles andere, ob man in Richtung Integration und Menschenrechte
geht oder nicht, ob man Frauenrechte stärkt oder nicht, das war offenbar offen
und beliebig. Sie scheinen die europäische Menschenrechtsdeklaration mit dem
Rechenwerk aus dem Laptop des Finanzministers ausgetauscht zu haben. (Beifall
bei den Grünen und der SPÖ.)
12.51
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 99 |
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin
ist Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann. Die Redezeit beträgt
15 Minuten. – Um 13 Uhr wird vereinbarungsgemäß für eine kurze
Mittagspause unterbrochen. Die Uhr wird eine Minute vor 13 Uhr zu blinken
beginnen. – Bitte, Frau Abgeordnete.
12.51
Abgeordnete
Mag. Dr. Magda Bleckmann (Freiheitliche): Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Cap, ich finde,
Regieren ist eine verantwortungsvolle Aufgabe und kein Kabarett. Wenn Sie
Ihre Aufgabe darin sehen, hier ein neues Kabarett und ein neues Stück zu machen,
dann ist es gut, dass Sie dort sitzen, wo Sie jetzt sitzen, nämlich auf der
Oppositionsbank (Beifall bei den Freiheitlichen), denn Sie sind anscheinend
nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Und der Kollegin
von der Grünen Partei gebe ich Folgendes mit auf den Weg: Sie kritisieren, dass
es, so wie es der Herr Vizekanzler schon gesagt hat, in der letzten Regierung
kein Frauenministerium gegeben hat. Jetzt gibt es das Frauenministerium, aber
Sie beschweren sich noch immer. Ihnen kann man es halt nie recht machen.
Wichtig ist uns,
dass die Regierung handlungsfähig ist, und das ist sie. (Beifall bei den
Freiheitlichen. – Abg. Sburny: Das werden wir noch sehen!) –
Daher brauchen wir den Entschließungsantrag, damit wir alle sehen, wie Sie
sich zu den einzelnen Punkten verhalten, nämlich auch zu jenen Punkten, die Sie
angeblich verhandelt haben und denen Sie ja zustimmen. (Zwischenrufe bei der
SPÖ.)
Eines vergessen
Sie, und das wollen Sie nicht sehen und nicht hören: dass der Reformkurs der
Regierung durch die Wähler bestätigt worden ist und dass die schwarz-blaue
Regierung auch eine Mehrheit hier im Parlament hat. (Anhaltende Zwischenrufe
bei der SPÖ.)
Sie haben sich
schon bei der ersten von Schwarz und Blau gebildeten Regierung furchtbar aufgeregt.
Gerade die SPÖ – weil Sie jetzt dazwischenrufen – konnte es schon
damals nicht fassen, nicht mehr in der Regierung zu sein, so wie Sie es auch
heute nicht fassen können, nicht in der Regierung mit dabei zu sein. Sie selbst
haben sich verweigert – selber schuld.
Sie haben schon
damals, nachdem die erste schwarz-blaue Regierung gebildet wurde, alles getan,
damit die Regierung auch im Ausland schlecht dasteht. (Anhaltende
Zwischenrufe bei den Grünen und der SPÖ. – Unruhe im Saal.)
Dieselbe Haltung
nahmen auch die Kollegen von der Grünen Partei ein, indem sie Berufsdemonstrierer
unterstützten und für ihre eigenen Zwecke einspannten. Nur: Als sie dann ein
bisschen umgeschwenkt haben, sahen sie, dass sie die Geister, die sie riefen,
nicht mehr loswerden. Die eigenen Berufsdemonstrierer haben nämlich, als es um
die Regierungsbeteiligung der Grünen selbst gegangen ist, weiter demonstriert
und die Klubräumlichkeiten der eigenen grünen Parlamentsfraktion besetzt. (Zwischenruf
des Abg. Mag. Mainoni.)
Weil Ihr Parteichef
Van der Bellen heute die Frage angesprochen hat, wie sich denn das mit dem
Dampf und so weiter verhielte: Ich glaube, bei Ihnen ist der Dampf inzwischen
völlig draußen. Sie fahren dem inzwischen wieder flott gemachten Dampfer
hinterher in einem Ruderboot, in dem der Kapitän vorne steht und schreit:
Hinterher! Hinter dem großen Dampfer her! – Aber der Rest der
Rudermannschaft rudert in die andere Richtung und wieder zurück ans Land. (Beifall
bei den Freiheitlichen.) – Das ist die Situation, wie Sie sie haben. (Abg.
Sburny: Sie verwechseln uns schon! – Weitere Zwischenrufe bei den
Grünen und der SPÖ.) – Nein, nein! Ich sehe Ihr leider sehr kleines
Ruderboot. Das ist das Problem, das Sie haben. (Zwischenrufe der
Abgeordneten Mag. Kogler und Mag. Wurm.) Und wir
sitzen halt jetzt mit im Dampfer.
Aber auch die SPÖ war eingeladen, ihre Ideen mit einzubringen. Und Sie wissen selbst, dass die Maßnahmen, die jetzt alle notwendig sind, darauf zurückzuführen sind, dass Sie jahrzehntelang keine Maßnahmen getroffen haben, reformunwillig waren, und dass Sie diejenigen waren,
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die die nächste Generation massivst
belastet und einen Schuldenberg aufgebaut haben. Ich muss Sie immer wieder
daran erinnern, und wir Freiheitliche werden Sie immer wieder daran erinnern! (Lebhafter
Widerspruch bei der SPÖ.)
Ich habe hier ein
Taferl für den Schuldenberg, den Sie aufgebaut haben, liebe Kollegen von der
SPÖ. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Die Rednerin hält eine Tafel in
die Höhe, auf der zu lesen steht: „SPÖ-Schuldenpolitik: 160 000 000 000 € –
50 x um die Erde mit 10-€-Scheinen“. – Anhaltende Zwischenrufe bei
der SPÖ.)
160 Milliarden €.
Weil wir jetzt den Euro haben, geht sich das noch aus mit den Nullen, sonst
würde es sich nicht mehr ausgehen. Das heißt, fünfzig Mal könnten wir eine
Reihe von 10-€-Scheinen, nach der Reihe aneinander gelegt, um die Erde
herumlegen. Das ist der Schuldenberg, den Sie aufgebaut haben. Sie sind daher
die Letzten, die sich hier beschweren dürfen, wenn Maßnahmen gesetzt werden,
die diesen Schuldenberg, den Sie aufgebaut haben, wieder beseitigen! Sie sind
die Letzten, die sich beschweren können! (Beifall bei den Freiheitlichen
und der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)
Wir Freiheitliche
setzen uns für langfristige, sozial verträgliche Reformen ein. Deshalb erfolgt
die Planung bis 2033, damit sie langfristig und sozial verträglich ist. Aber
anscheinend kann es Herrn Abgeordnetem Gusenbauer nicht schnell genug gehen.
Wenn Sie fragen,
für wen die Reformen sind, dann antworte ich Ihnen: Diese Reformen sind für all
jene, die Sie vergessen haben! Das sind all jene Reformen, die Sie nicht
gemacht haben, und sie erfolgen in all jenen Bereichen, in denen Sie während
Ihrer jahrzehntelangen Regierungstätigkeit untätig waren. Das ist die
Realität, der Sie sich stellen müssen und der wir uns leider auch stellen
müssen, weil das ist das, was Sie verabsäumt haben. (Widerspruch bei der
SPÖ.)
Sie seitens der
SPÖ haben es angesprochen und verlangt: In der Forschung und Entwicklung werden
Maßnahmen gesetzt. Das haben Sie wohl überlesen, oder das, was Sie nicht lesen
und nicht hören wollen, existiert für Sie nicht.
Für Forschung und
Entwicklung steht im Regierungsprogramm festgeschrieben – Sie schütteln
den Kopf; lesen Sie es bitte nach! –: Anhebung der Forschungsquote auf
2,5 Prozent. – Erster Punkt.
Zweiter Punkt:
Bereitstellung der zweiten Tranche der Sondermittel in der Höhe von
600 Millionen €.
Und das
Ziel – dritter Punkt, das steht auf der letzten Seite – ist, die
Forschungs- und Entwicklungsquote auf 3 Prozent anzuheben. Das soll mit
Geldern aus der Nationalbank, aus einer Nationalstiftung für Forschung und
Entwicklung finanziert werden. Das ist doch genau das, was Sie verlangt haben,
oder? (Abg. Silhavy: Kampfflieger, Frau Bleckmann!)
Es ist Ihnen nie
genug! Aber Sie von der SPÖ haben die Schulden aufgebaut! Es kann nie genug
sein, aber man muss halt sehen, welche Möglichkeiten man hat und wie viel man
ausgeben kann. Jeder, der mit seinem Gehalt haushalten muss, weiß, dass er
nicht über die Maßen Geld ausgeben kann. (Abg. Silhavy: Kampfflieger! –
Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wird wichtig sein, dass auch Sie das
lernen. Und solange Sie es nicht gelernt haben, werden Sie halt in keiner
Regierung mehr sitzen. – So schaut es aus! (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Die SPÖ betreibt
nach wie vor ... (Abg. Silhavy: Kampfflieger, Frau Bleckmann!) –
Anscheinend haben Sie Gedächtnislücken! Kindesweglegung betreiben Sie, und Sie
verdrängen Ihre Vergangenheit mit den Selbstbehalten, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPÖ. (Die Rednerin hält eine Liste in die Höhe.)
Hier sind all die Selbstbehalte, 16 an der Zahl, die die SPÖ-Regierung ... (Abg. Dr. Gusenbauer: Das ist schlecht zu lesen! – Abg. Scheibner: Lies sie vor!) – Ja, Herr Kollege Gusenbauer, ich gebe sie Ihnen dann höchstpersönlich, damit Sie es nachlesen können. Das ist es:
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 101 |
Gedächtnislücken,
„Vergangenheitsweglegung“. 16 Selbstbehalte haben Sie eingeführt, ich lese
sie Ihnen vor:
Heilbehelfe:
Selbstbehalt mindestens 21,37 €. – Hilfsmittel: Selbstbehalt
mindestens 21,37 €. – Zahnprothetik: 50 Prozent der Kosten, die
zu bezahlen sind. – Kieferorthopädie: Zuzahlung zu den vertraglich
festgelegten Tarifen in der Höhe von 40 Prozent. (Abg. Öllinger:
Und Sie wollen noch weitere einführen! Noch weitere Selbstbehalte! –
Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)
Transportkosten ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich gebe
sie Ihnen dann höchstpersönlich, Herr Abgeordneter Gusenbauer. Das ist die
Liste der Selbstbehalte, die Sie eingeführt haben, mit Ihrer Partei, in Ihrer
Regierungstätigkeit.
Sie sind die
Letzten, die sich über Selbstbehalte beschweren und aufregen dürfen. (Beifall
bei den Freiheitlichen.) 16 Selbstbehalte haben Sie eingeführt und
damit das Zweiklassensystem im Gesundheitssystem in Österreich eingeführt. (Abg.
Dr. Petrovic: Und jetzt gibt es noch mehr! – Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)
Unser erklärtes
Ziel seitens der Freiheitlichen Partei ist, zu vermeiden, dass das
weitergeführt wird. Wir wollen diesen Selbstbehalt-Dschungel, den Sie
eingeführt haben (Abg. Dr. Petrovic: Ausbauen! – Abg.
Dr. Niederwieser: Verdoppeln!), beseitigen, durchforsten. (Weitere
Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) Wir wollen die
16 Selbstbehalte, die Sie eingeführt haben, durchforsten: angefangen von
der Krankenscheingebühr, die eine Spanne von 5 Prozent bis zu
unglaublichen 80 Prozent hat, zusammen mit allen anderen Selbstbehalten,
die Sie in letzten 50 Jahren eingeführt haben.
Wir wollen, dass
eine Überprüfung der bestehenden Selbstbehalte auf ihre Sinnhaftigkeit hin erfolgt.
Es geht für uns darum, die bestehenden Selbstbehalte teilweise abzuschaffen, um
soziale Ausgewogenheit herzustellen. (Abg.
Dr. Gusenbauer: Ich bin
neugierig, welche Sie beibehalten! Das schauen wir uns an!) Das können Sie
doch nur unterstützen!
Wir wollen keine
Ambulanzgebühr mehr (Abg. Mag. Wurm: Wer hat sie denn eingeführt?),
keine Krankenscheingebühr mehr und schon gar keine Kosten beim Arztbesuch! (Abg. Mag. Wurm: Wer hat die Ambulanzgebühr eingeführt? – Ruf bei der
SPÖ: Gedächtnislücken!) So stellen wir uns hier die soziale Verträglichkeit
vor.
Vergessen Sie
nicht, dass die rot-grüne Mehrheit von Seiten der Wähler abgelehnt wurde! (Abg. Mag. Wurm: Sie haben 60 Prozent weniger Wähler!) Das wollen Sie
aber bis heute nicht wahrhaben. Es tut Ihnen weh, neuerlich auf der
Oppositionsbank zu sitzen und hier einem Regierungsprogramm zu lauschen (Abg. Dr. Niederwieser: „Lauschen“? „Lauschen“ nennen Sie das ...?), denn
Sie wissen: Sie haben jahrzehntelang versagt, und wir haben erreicht, dass
unsere freiheitliche Handschrift im Regierungsprogramm enthalten ist! –
Näheres dazu werden Sie dann nach der Sitzungsunterbrechung hören. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Ich unterbreche
jetzt die Sitzung des Nationalrates für eine kurze Mittagspause. Wir werden um
13.15 Uhr fortsetzen. Am Wort bleibt Frau Abgeordnete Dr. Bleckmann.
Ihre restliche Redezeit beträgt 6 Minuten. Nach ihr gelangt Frau Bundesministerin
Gehrer zu Wort.
Die Sitzung ist unterbrochen.
(Die Sitzung wird um 13.01 Uhr unterbrochen und um 13.18 Uhr wieder aufgenommen.)
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Die Restredezeit
der Frau Abgeordneten Dr. Bleckmann beträgt 6 Minuten. – Frau
Abgeordnete Dr. Bleckmann, Sie sind am Wort.
Ich bitte die Damen und Herren Abgeordneten, ihre Sitzplätze einzunehmen. Die gleiche Bitte richte ich an die Damen und Herren auf der Regierungsbank. – Herr Finanzminister, bitte Platz
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 102 |
zu nehmen! (Lebhafte
Heiterkeit des Abg. Jakob Auer. –
Abg. Jakob Auer: Ein strenges Regiment!)
Frau Abgeordnete,
lassen Sie sich von niemandem in Ihrer Rede stören! Bitte beginnen Sie!
Abgeordnete Mag. Dr. Magda Bleckmann (fortsetzend): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich setze
hiermit meine Ausführungen fort.
Die Kolleginnen
und Kollegen von der grünen Fraktion, die alle noch in der Pause sind, hätten
es ja (Widerspruch bei Abgeordneten der
Grünen) – ha: eins, zwei, drei, vier! (Ruf bei den Grünen: ... Ihre!) – ja, auch die
eigenen! – fast geschafft, aber angesichts des Widerstandes in den eigenen
Reihen hat sie dann doch noch der Mut verlassen (Abg. Gaál: „In den eigenen
Reihen“!), als es darum ging, echte, wirkliche Verantwortung für unser Land
zu tragen. Verantwortung zu übernehmen heißt, Maßnahmen mitzutragen, die es
ermöglichen, den Generationenvertrag einzuhalten und aufrechtzuerhalten, die
es ermöglichen, auch unserer Jugend zu sagen, dass ihre Pensionen gesichert
sind (Abg. Öllinger: Wie denn?), und das Pensionssystem für die kommende
Generation zu sichern. Verantwortung zu übernehmen heißt, die Maßnahmen so zu
setzen, dass sie auch sozial verträglich sind und langfristigen Bestand haben.
Verantwortung zu
übernehmen heißt auch, für Österreich zu arbeiten und für unser Land die
notwendigen Reformen weiterzubringen, weiterzutragen und umzusetzen (Abg. Öllinger:
Das ist der Text vom Haupt!) – auch wenn man dafür Kompromisse
eingehen muss. (Abg. Öllinger: Jetzt haben Sie den Text vom Haupt!)
Dafür die
Verantwortung zu tragen, dazu waren vor allem Sie, lieber Kollege Öllinger, nicht
bereit. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nicht „lieber“!) – Er ist kein „lieber Kollege“. Danke,
liebe Kollegin Partik-Pablé! (Beifall bei
den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Grünewald:
Sehr „gehaltvoll“!) – Nein, Herr Kollege, Sie waren nicht dazu
bereit, die Verantwortung für die Regierungstätigkeit zu tragen. Wir
Freiheitlichen sind dazu bereit, und wir sind auch dazu bereit, Kompromisse
einzugehen und Reformen für Österreich weiterzuführen.
Wir haben viele
freiheitliche Punkte in dieses Programm mit hineinbringen können. Das ist genau
das, was die Abgeordneten von der SPÖ gefordert haben: jetzt Aktivitäten zu
setzen, jetzt die „Ernte einzufahren“, wie es so schön blumig ausgedrückt
wurde, und jetzt antizyklisch zu agieren. – Genau das tut diese Regierung
ehestmöglich, nämlich mit 1. Jänner 2004, mit der ersten
Steuerreform, mit der Entlastung der kleineren und mittleren Einkommen, und
zwar durch die Erhöhung der Steuerfreigrenze auf ein Jahresbruttoeinkommen von
14 500 €. (Abg. Öllinger: ... nicht
antizyklisch!) Wir Freiheitlichen haben das vor den Wahlen versprochen, und
wir halten dieses Versprechen, wenn wir die Möglichkeit haben, das auch
umzusetzen, ein, und wir haben die Umsetzung mit Wirkung vom
1. Jänner 2004 durchgesetzt. (Abg.
Mag. Kogler: Sie haben ganz
etwas anderes versprochen!)
Aber nicht nur für
die kleineren und mittleren Einkommen haben wir eine Entlastung durchgesetzt,
sondern wir haben auch für die kleineren und mittleren Unternehmen
durchgesetzt, dass es zu einer Förderung der Eigenkapitalbildung für
Unternehmen durch die begünstigte Besteuerung der nicht entnommenen Gewinne
kommt, ebenso wie zur Abschaffung der 13. USt-Vorauszahlung, aber auch zu
Entlastungen im Bereich der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Durch diese
Maßnahmen erfolgt insgesamt eine Nettoentlastung in der Höhe von 500 Millionen €.
Auch angesichts dessen kommt es, wie ich meine, der SPÖ als Partei nicht zu, zu behaupten, es gebe durch diese neue Regierung so viele zusätzliche Belastungen. Meine Damen und Herren von der SPÖ, schauen Sie sich doch an, was Ihr Bürgermeister Häupl in Wien gemacht hat! Er hat seit 2001, dem Jahr, seit dem es eine SPÖ-Minderheitsregierung gibt, eine Gebühr nach der anderen eingeführt: Einführung einer neuen Wiener Stromsteuer (Zwischenruf des Abg. Gaál), Erhöhung der Müllgebühren um 25,9 Prozent (Abg. Gaál: Eine SPÖ-Alleinregie-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 103 |
rung!) –
Sie sind doch bei der SPÖ, Herr Kollege, oder? (Abg. Dr. Einem: Eine
Mehrheitsregierung!) –, Erhöhung der Tarife bei den Wiener Linien,
Erhöhung der Bädertarife. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich
weiß nicht, ob Sie aus Wien sind, aber fragen Sie einmal Bürgermeister Häupl,
was all diese Tarife betrifft! Fragen Sie ihn, was er da alles gemacht hat,
oder fahren Sie ein wenig in Wien herum, dann sehen Sie es! – Weiters:
Erhöhung der städtischen Kindergartengebühren auf bis zu
2 700 S. – Das ist das, was Ihr ... (Abg. Gaál: ... zwar
nicht aus Wien, aber aus Favoriten, aber wir haben keine Minderheitsregierung!)
Entschuldigung:
Mehrheitsregierung! – Entschuldigung! Noch schlimmer (Ruf bei der SPÖ: Für Sie schlimm genug!): Mit der Mehrheitsregierung belasten Sie die
Bürger in Wien. (Abg. Gaál: Schwere Informationsdefizite!) Das
ist das, was Sie machen, und das muss den Bürgern auch gesagt werden! (Beifall
bei den Freiheitlichen sowie des Abg. Prinz.)
Wir von der Freiheitlichen
Partei werden weiterhin dafür Sorge tragen, dass es zu sozial verträglichen
Reformen kommt, und es gibt deshalb auch Abfederungsmaßnahmen, wie eben die
„Hackler-Regelung“, die Einführung einer Mindestrente, aber auch die Tatsache,
dass ein Mindestlohn in der Höhe von 1 000 € bei
Vollerwerbstätigkeit im Regierungsprogramm verankert wurde. Wir werden
weiterhin auch Schritte in Richtung einer eigenständigen Altersabsicherung
setzen – nicht nur, aber vor allem für die Frauen.
Lesen Sie
nach – auch Sie, Herr Abgeordneter Van der Bellen –, was
hier schon für Schritte gesetzt werden: Anhebung der pensionsbegründenden
Zeiten von 18 auf 24 Monate, Ermöglichung eines freiwilligen
Pensionssplittings, Mindestrente für jene, die eben derzeit nicht versorgt
sind. – Was bedeuten diese drei Maßnahmen, die wir hier gesetzt haben,
denn sonst, wenn nicht eine eigenständige Alterssicherung! (Abg. Dr. Glawischnig: Wissen
Sie, was da überbleiben wird beim Pensionssplitting?)
Wir werden uns das
dann genau anschauen. Aber das ist doch genau das, was Sie betreiben! –
Sie kennen die genauen Zahlen, Daten und Fakten noch gar nicht, aber regen sich
schon ganz schrecklich und furchtbar darüber auf, was alles sein wird. Wenn
dann die Details berechnet sind und wir genaue Beispiele haben, dann können wir
darüber reden, wo es auch noch zusätzliche Abfederungsmaßnahmen, wie einen
Härtefonds und andere Dinge, geben soll.
Ich bin jedoch
sicher, dass wir in der freiheitlichen Regierungsmannschaft ein Mitglied haben,
das in diesen Fragen als Garant auftreten wird, das sich ganz sicher für all
diese Anliegen einsetzen wird, vor allem für die Frauen und für die Familien,
aber auch den Konsumentenschutz (Abg.
Mag. Wurm: ... dem Herrn
Böhmdorfer weggenommen!), und das darauf schauen wird, dass es den
Familien, aber auch den Frauen unter dieser Regierung gut gehen wird und dass
sie nicht unter die Räder kommen werden.
Gestatten Sie mir
daher zum Abschluss auch noch diese persönliche Geste. Ich kenne Uschi Haubner
schon sehr lange aus gemeinsamer Tätigkeit. Sie ist auch Vorsitzende der
„initiative Freiheitliche Frauen“. – Liebe Uschi! Ich wünsche dir alles
Gute in der Regierung! Ich hoffe, dass du das, was du in Oberösterreich gemacht
hast, in Zukunft auch in und für Österreich für die Frauen, für die Familien
und für den Konsumentenschutz tun wirst, und ich wünsche dir dazu viel
Glück! – Und jetzt kommt das, was Kollege Cap so gerne hat, nämlich die
Blumen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Bleckmann begibt sich zu der auf der
Regierungsbank sitzenden Staatssekretärin Haubner, umarmt diese und überreicht
ihr einen blauen Blumenstrauß. – Ruf bei den Grünen: Das ist ja
furchtbar!)
13.24
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Bundesministerin Gehrer. – Bitte,
Frau Bundesministerin.
13.25
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Der Wähler hat am 24. November auch klar entschieden, dass die Bildungspolitik in der bisherigen Zielrichtung fortgeführt werden soll: die Bildungspolitik, die Forschungspolitik und die Wissenschaftspolitik, die die Grundlage für die Entwicklung der Gesellschaft, die Grund-
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lage für die Entwicklung der Wirtschaft und damit auch die Grundlage
zur Sicherung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen darstellen.
Die
österreichische Bundesregierung hat daher in ihr Regierungsprogramm eine neue
Forschungsoffensive, für die Mittel in der Höhe von 700 Millionen €
bis zum Jahr 2006 vorgesehen sind, und eine Bildungsoffensive, im Rahmen
derer besonders innovative Bildungsprojekte finanziert werden sollen,
aufgenommen. (Abg. Brosz: Wo steht das? Das steht aber nicht im Regierungsprogramm!) Für
diese Bildungsoffensive sollen 72 Millionen € – oder, um es noch
in Schilling auszudrücken, eine Bildungsmilliarde –, auch bis zum
Jahr 2006, ausgegeben werden. (Abg. Brosz: Warum steht das nicht im
Regierungsprogramm?) Damit ist die Zukunft für unser Land im Bildungsbereich
in hohem Maße gesichert.
Was sind nun die
wichtigsten Zielsetzungen? – Das Erste und Allerwichtigste ist für mich in
allen Bildungsbereichen die Qualitätssicherung, die Qualitätsverbesserung. Wir
wollen, wie es der Herr Bundeskanzler bereits ausgeführt hat, auch in diesem
Bereich unter die Top 3 in allen internationalen Wertungen kommen. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Für die Schulen
bedeutet das, Leistungsstandards zu definieren, Leistungsstandards nach dem
Vorbild der PISA-Studie auf nationaler Ebene einzuführen, Begabungsförderung im
besonderen Maße durchzuführen. Es gilt, für den Weiterbildungsbereich
Zertifizierungen vorzunehmen, damit die Weiterbildungsangebote in ihrer
Qualität gesichert sind. Für die Universitäten gilt es, eine österreichweite
Qualitätssicherungsagentur einzuführen. Im Bereich der Forschung gilt es, eine
gemeinsame Plattform zu suchen, durch die wir einen One-Stop-Shop sowie eine
Forschungsdatenbank haben, durch die jährlich ein Bericht über den Wissenszuwachs
erstellt wird. Für die Museen und für den Denkmalschutz gilt es, die
finanziellen Ressourcen zu sichern. Und für die Lehrerschaft und für das
gesamte lehrende Personal gilt es, die pädagogischen Hochschulen zu
verwirklichen und ein neues Gehaltsschema zu erstellen.
Neben dieser
Qualitätssicherung ist es mir besonders wichtig, die Schülerinnen und Schüler
zu entlasten. Eine 13-jährige Schülerin in Österreich sitzt um 340 Stunden
mehr in der Schule als eine gleichaltrige Schülerin in Finnland. Meine Damen
und Herren! Wir wollen nicht so weit kommen, aber wir wollen die Jugendlichen
entlasten. Eine Entlastung um zwei Stunden pro Woche ist angebracht, moderat
und vernünftig und wird zur Qualitätssicherung beitragen. (Beifall bei der
ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Posch: Was sagt Neugebauer
dazu? – Abg. Mag. Molterer: „Ja!“,
Herr Posch, „Ja!“!)
Die Qualität der
Schule, die Qualität des Lehrens hängt nämlich nicht von der hohen Anzahl der
Stunden ab, sondern von der Unterrichtsmethodik, von der Didaktik, vom
modernen, fesselnden und spannenden Unterricht.
Die Stundentafel
ist zu umfangreich, die Lehrpläne sind zu dick. Wir werden das ändern. Wir
werden auch bei den Lehrplänen noch mehr darauf achten, dass wir zu Kernbereichen
kommen, die den fixen Bestandteil auch der Leistungsstandards bilden werden.
Meine Damen und
Herren! Das Dritte, was uns besonders wichtig ist: Wir haben heuer das „Jahr
der Behinderten“. Herr Abgeordneter Gusenbauer hat gesagt, Österreich kann auf
niemanden verzichten, und ich sage dazu: Ja, Österreich kann tatsächlich auf
niemanden verzichten! Deswegen setzen wir besondere Initiativen im Bereich der
Behinderten.
Wir wollen ein großes Projekt starten, das unter dem Motto „Ins Leben hineinbegleiten“ steht. Wir wollen nach der Integration in der Schule junge Menschen, die Behinderungen haben, in das Leben, in den Beruf, in die Selbständigkeit, in die eigene Versicherung, in die eigene Altersabsicherung hineinbegleiten. Dazu wird es verschiedene Modelle für Ausbildungsangebote im Schulbereich und außerhalb des Schulbereiches geben. (Abg. Haidlmayr: In Sonderschulen, nicht wahr? In der Sonderschule!) Dazu wird auch im Lehrlingsbereich ein eigenes Modell erarbeitet – die Sozialpartner haben sich bereits geeinigt –, das Modell einer Teillehre, durch das
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wir den jungen Menschen die Chance geben,
eine Teillehre zu absolvieren und damit in das Berufsleben einzusteigen.
Meine Damen und
Herren! Mit der Qualitätsoffensive, mit der Entlastungsoffensive entwickeln wir
unsere guten Schulen – ich danke allen, die sich in diesem Zusammenhang
bemühen – zu noch besseren und modernen Schulen für das
21. Jahrhundert weiter.
Ich lade alle, die
Verantwortung tragen, ein, uns bei dieser Weiterentwicklung zu den modernsten Schulen,
zu den modernsten Bildungsangeboten des 21. Jahrhunderts zu unterstützen. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
13.30
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einer tatsächlichen
Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Einem zu Wort
gemeldet. – Bitte beginnen Sie mit der Wiedergabe der Behauptung, die Sie
zu berichtigen wünschen, Herr Abgeordneter.
13.30
Abgeordneter
Dr. Caspar Einem (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Die Frau Bundesministerin
hat soeben in ihrer Rede festgestellt, dass die Bundesregierung in dieser
Legislaturperiode für die Zwecke der Forschung, Technologie und Innovation
700 Millionen € zusätzlich zur Verfügung stellen wird.
Das entspricht nicht
den Tatsachen, Frau Bundesministerin! Selbst in Ihrem eigenen Regierungsprogramm
steht, dass Sie 600 Millionen € zur Verfügung stellen werden. Tatsache ist
weiters, dass Sie sogar den Anspruch, den Sie in der vorigen Legislaturperiode
formuliert haben, nämlich eine Forschungsquote von 2,5 Prozent bis 2003 zu
erreichen, nun auf 2006 verschoben haben. – So „wichtig“ ist Ihnen die
Forschung. (Beifall bei der SPÖ.)
13.31
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Von der Regierungsbank aus zu Wort
gemeldet ist Herr Justizminister Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr
Minister.
13.31
Bundesminister
für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr
geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte
Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren des
Hohen Hauses! Ich wende mich auch, erfreut über die TV-Übertragung, an die
Zuseher und Zuseherinnen zu Hause. (Ruf bei der SPÖ: Die werden gleich
abdrehen!)
Wir können in der
Justizpolitik dort fortsetzen, wo wir aufgehört haben. Wir haben eine sehr
erfolgreiche Zusammenarbeit hinter uns. Ich bedanke mich ausdrücklich bei der
Vorsitzenden des Justizausschusses, Frau Abgeordneter Dr. Fekter, für
ebendiese Zusammenarbeit und – in Abwesenheit – beim ehemaligen
Justizsprecher der Freiheitlichen Partei, Herrn Dr. Ofner. Ich bedanke
mich auch bei allen Mitgliedern des Justizausschusses, bei den
Nationalratsklubs an sich, die uns vom Ministerium angehört haben und denen wir
unsere Probleme vortragen durften, aber auch bei den vielen Experten und
Hochschulprofessoren, mit denen wir zusammengearbeitet haben.
Es gab einen
derart großen Reformrückstau, dass wir 200 Gesetze novellieren durften
oder mussten – je nachdem, wie man es sieht. Das war keine Regelungswut,
sondern die Justizpolitik und die Gesetzgebung waren von dem Umstand
gekennzeichnet, dass in den Jahren zuvor einfach zu wenig geschehen ist. Die
Schwerpunkte, die wir bearbeiten wollen und werden, bleiben dieselben.
Besonders gefreut hat mich, dass Herr Dr. Gusenbauer heute zum Ausdruck gebracht hat, dass er den Konsens sucht. Konsens wollen wir in der Justizpolitik auch, und wir werden ihn pflegen. Wir sind über jedes Gespräch mit Ihnen und Ihren Abgeordneten froh; das kann ich Ihnen sagen. Ich kann auch hinzufügen, dass wir in der vergangenen Gesetzgebungsperiode dieselbe Konsensquote hatten wie in den Gesetzgebungsperioden davor. Wir haben also nicht die
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Meinungen der Experten
und schon gar nicht die Meinungen der Oppositionsabgeordneten übergangen; das
war – entgegen anderen Meldungen – prinzipiell nicht
der Fall.
Das Justizprogramm
trägt natürlich eine freiheitliche Handschrift – auch danach wurde seitens
des Herrn Klubobmannes Professor Van der Bellen gefragt –, ich kann Ihnen
diese auch weisen. Es trifft sich gut, dass sich viele Abgeordnete des Hohen
Hauses mit den Zielen der Justizpolitik – auch für die nächsten
Jahre – einverstanden erklären können und, wie ich glaube, auch werden.
Wir werden
weiterhin für den Schutz der wirtschaftlich Schwächeren und jener eintreten,
die durch psychische oder physische Gewalt bedrängt sind. Wir werden den
Opferschutz weiterhin groß schreiben, und wir haben auch einen Fonds zur
Prozessbegleitung für jene eingerichtet, die sich selbst nicht finanziell oder
mit einem Anwalt helfen können. Dieser Fonds funktioniert! Zur Überraschung
jener aber, die glauben, das könne man nur in Vereinen machen, haben wir
bewiesen, dass eine individuelle Unterstützung möglich und auch
billiger ist. Sozial denken und handeln heißt für uns nicht, mit viel
Geld herumzuwerfen, sondern sozial denken und handeln ist auch mit Sparen
vereinbar. Und das haben wir bewiesen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Wir haben keinen
einzigen Antrag eines Verbrechensopfers abweisen müssen; wir haben allen
geholfen. Vorher geschah dies durch 166 Vereine. Ich kann Ihnen Folgendes
sagen: Dieses Modell, das wir ins Leben gerufen haben, wird sich bewähren und
wird der Republik Österreich viel Geld ersparen. Es wird möglich sein,
weiterhin diese Hilfe zu gewähren.
Wir werden den
Kampf gegen Gewalt und gegen sexuellen Missbrauch fortsetzen. Ich hoffe auch da
auf Ihre Unterstützung. Wir werden den Schutz der Bürger vor organisierter
Kriminalität fortsetzen. Auch da, so glaube ich, können die Abgeordneten der
Oppositionsparteien durchaus – ich hoffe das zumindest – mitgehen.
Dasselbe gilt für
den Kampf gegen den Sozialbetrug und gegen die organisierte Schwarzarbeit. Ich
sehe diesbezüglich nicht die Möglichkeit eines Widerspruchs oder gar eines
Widerstandes.
Wir werden den
Kampf gegen Drogen fortsetzen und freuen uns, Herr Abgeordneter Professor Van
der Bellen, dass im Zuge Ihrer Regierungsverhandlungen mit der ÖVP die Freigabe
weicher Drogen – die wir nicht wollen! – zumindest ein Debattenpunkt
war. Das ist unserer Meinung nach ein Fortschritt. Wir setzen den Kampf gegen
die Drogen zugunsten unserer Kinder, zum Schutze unserer Jugend fort. Das ist
für uns ganz klar! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Es gilt das
Prinzip „Helfen statt strafen“ sehr wohl für jene, die nur süchtig sind,
weiterhin, aber nicht für jene, die sich der
Beschaffungskriminalität schuldig machen, und schon gar nicht für
Dealer. Da haben wir mit Recht lebenslange Strafen für Drogenbosse eingeführt.
Wir verschreiben
uns auch der Verfahrensbeschleunigung, wir verschreiben uns weiters dem
Prinzip, die Gesetze dynamisch an die neuen Entwicklungen anzupassen. Es war
ein Fehler der vergangenen Jahrzehnte, dass zum Beispiel das strafrechtliche
Vorverfahren in der StPO nicht dynamisch angepasst wurde. Dieses Gesetz wurde
30 Jahre lang diskutiert – und nun stehen wir vor einem politischen
Widerstand, der in dieser Größenordnung gar nicht eingetreten wäre, wenn dieses
Gesetz laufend angepasst und novelliert worden wäre. Das neue Prinzip heißt
„Beobachten und handeln“ – auch in kleinen Abschnitten. Das bedeutet zwar
auch mehr Arbeit für die Richter und für die Rechtsanwälte, das ist uns der
Rechtsstaat aber zweifellos wert.
Wir werden auch in
der EU mitdenken, und wir werden mithandeln, damit Österreich als Wirtschaftsstandort
weiterhin sicher bleibt und abgesichert werden kann. (Abg. Dr. Cap –
auf die rote Lampe weisend –: Herr Präsident! Die Uhr!)
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und schließe mit einem Bekenntnis zugunsten der unabhängigen Gerichte und der Unabhängigkeit der Richter. Das ist uns viel wert, und das wird uns
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helfen, viele Brücken zwischen uns zu schlagen. – Danke schön. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
13.37
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort
gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Prammer. Ihre Redezeit beträgt
10 Minuten. – Bitte.
13.37
Abgeordnete
Mag. Barbara Prammer (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und
Herren des Hohen Hauses! Von Bundeskanzler Schüssel hat die staunende
Öffentlichkeit, hat das staunende Österreich in den letzten Monaten – auch
heute wieder bei seiner Regierungserklärung – sehr viel über den
Eiskunstlauf erfahren. Er spricht von „Pflichtprogramm“ – auch heute
wieder. Wie sieht sein Pflichtprogramm aus? Wie heißt sein
Pflichtprogramm? – Sein Pflichtprogramm heißt: Ungerechtigkeit und
Sozialabbau, Streichung der vorzeitigen Alterspension, Belastungen für die
Kranken und Ankauf völlig unnützer Abfangjäger – noch dazu auf Kosten der
nächsten Bundesregierung.
Was genau unter
„Kür“ zu verstehen ist, wissen wir spätestens, seitdem wir das Regierungsprogramm
kennen. Kür heißt für ihn: die Arbeitslosigkeit nicht zu bekämpfen, sondern das
Problem Arbeitslosigkeit weiter als Mickey-Mouse-Thema zu betrachten; Kür
heißt für ihn: die erstklassige Gesundheitsvorsorge der Menschen massiv zu
gefährden. Und weder im Pflichtprogramm noch im Kürprogramm findet sich zum
Beispiel wirklich eine nachhaltige Sicherung unseres Pensionssystems durch ein
modernes Pensionsrecht – und schon gar nicht eine wirklich
fortschrittliche Frauenpolitik.
Es wurde eine
sehr, sehr große Chance vertan. Die ÖVP hat die Chance auf eine stabile, auf
eine reformfähige und international geachtete Regierung verspielt. Sie
hat – das ist heute schon mehrfach gesagt worden – nicht den Mut
bewiesen, fortschrittliche Politik zu machen. (Beifall bei der SPÖ.)
Nun fragen sich
natürlich zu Recht viele Menschen, warum am 24. November gewählt wurde. Es
geht nämlich alles so weiter, wie es war, nur die Regierungsbank ist größer
geworden.
Ich möchte noch
einen kurzen Augenblick bei den Abfangjägern bleiben. Sehr interessant ist Ihr
Regierungsprogramm schon, wenn dort Folgendes zu lesen ist – und ich
zitiere aus dem Regierungsprogramm –:
„Der sicherheits-
und verteidigungspolitische Nutzen einer NATO-Mitgliedschaft wird von Österreich
im Lichte der sicherheitspolitischen Entwicklungen laufend beurteilt und die
Beitrittsoption im Auge behalten.“
Meine Damen und
Herren! Ich verstehe die Abfangjäger somit als Morgengabe an die NATO (Abg. Scheibner:
Das verstehen Sie leider falsch wie immer!), und ich verstehe nicht, dass Sie die österreichische Bevölkerung,
die österreichischen Wählerinnen und Wähler vor den Wahlen hinters Licht
geführt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Das steht
genauso in der Sicherheitsdoktrin, Frau Kollegin! Sie sollten sich ein bisschen
besser vorbereiten auf Ihre Reden!)
Meine Damen und
Herren! Fest steht: Wir stehen vor dem größten Pensionsabbau in der Zweiten
Republik. Herr Klubobmann Molterer hat gemeint, ein ganzer Weg wäre
einzuschlagen. (Abg. Mag. Molterer: Ja!) Wie schaut dieser
ganze Weg von Seiten der ÖVP aus? (Abg. Mag. Molterer: Gut!)
– Die Freiheitlichen unterschreiben ja ohnedies blind. – Bei den staatlichen
Pensionen muss gespart werden, aber für private Pensionsversicherungen wird das
Geld ausgegeben: eins zu eins! Das ist Ihr Konzept der Zukunftsvorsorge! (Abg.
Steibl: Frau Kollegin Prammer! Haben Sie von der SPÖ nicht ...
10 Prozent verlangt?) Das ist blanker Zynismus! Vor allen Dingen
trifft das ganz massiv die Schwächeren in der Bevölkerung, und darunter, das
wissen wir, befinden sich die Frauen. Das ist eine aktive Anti-Frauenmaßnahme,
die Sie hier planen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
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Unbestritten ist,
dass wir ein modernes Pensionsrecht brauchen. Aber: Wie könnte es ausschauen? –
Gleiche Beiträge, gleiche Leistungen. Was schreiben Sie im Regierungsprogramm
zu den gleichen Beiträgen? – Ein erster zaghafter Schritt wird in dieser
Legislaturperiode unternommen. (Abg. Mag. Molterer: Und was
definieren wir als Ziel?) Natürlich haben Sie kein Interesse daran, dass
Ihre Klientel dieselbe Abgabenquote, nämlich 20,25 Prozent an Sozialversicherung
zahlt, wie es die anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tun. Es wäre
zukunftweisend, hier wirklich aktiv und von der ersten Minute Ihrer
Arbeitsaufnahme an schon mit dieser Maßnahme zu beginnen. Dafür hat der ÖVP
aber ganz einfach der Mut gefehlt. (Beifall bei der SPÖ.)
Was steht noch im
Regierungsprogramm? – Lebensdurchrechnung. Ich persönlich meine nicht, dass ein
Modell der Lebensdurchrechnung automatisch ungerecht ist. Man kann Lebensdurchrechnung
im Rahmen des Pensionssystems sehr gerecht machen, nur: Das, was notwendig ist,
fehlt. Sie sagen kein Wort über die Aufwertungsfaktoren der lange
zurückliegenden Zeiten, Sie sagen kein Wort darüber, welche
Abfederungsmaßnahmen Sie für Frauen ergreifen wollen. Da bedarf es eines
Vollzeitäquivalents, wenn Frauen Teilzeit arbeiten.
Ich begrüße es
sehr – und ich anerkenne gerne auch die positiven Punkte in Ihrem Regierungsprogramm –,
dass es einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit geben soll; aber umso notwendiger
wäre es, auch im Regierungsprogramm und bei der Pensionsreform diese Abfederungsmaßnahmen
für Frauen zu setzen. So kann man damit rechnen, dass Frauen eine Pensionskürzung
von bis zu 30 Prozent hinnehmen werden müssen. Und das ist ungerecht! (Beifall
bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren! Der Solidarbeitrag ist schon angeschnitten worden. Unser Solidarbeitrag
hätte jene Personen betroffen, die eine sehr hohe Pension haben. Was machen
Sie? – 1 Prozent quer drüber! (Abg. Scheibner: Was ist bei
Ihnen eine hohe Pension? Wer ist bei Ihnen ein Besserverdiener?) Quer über
die „kleine“ Beamtin und den „kleinen“ Beamten, über die „kleine“ Pensionistin
und den „kleinen“ Pensionisten genau so wie über die BezieherInnen höherer
Pensionen. Und das ist ungerecht! Das ist ganz einfach ungerecht! Dagegen
sprechen wir uns aus.
Sie streichen die
Frühpensionen. Das ist ganz einfach einfallslos, und die Maßnahmen, die Sie
setzen wollen, sind es ebenfalls. Sie sind auch sehr, sehr unkreativ. Es ist
ganz wesentlich, auch hier darauf hinzuweisen. Ich möchte das schon noch in
Erinnerung rufen, das ist in den letzten Tagen auch manches Mal durch die
Medien gegangen: Sie haben der Bevölkerung vor der Wahl etwas anderes erzählt,
als Sie es jetzt tun.
Stichwort
„Streichung der Frühpension“. – Frau Ministerin Rauch-Kallat hat am
9. Oktober gesagt – ich zitiere sie –:
Die Volkspartei
plant für die kommende Legislaturperiode keine weitere gesetzliche Anhebung des
Frühpensionsalters. – Zitatende.
Was ist jetzt? Es
wäre schön gewesen, Sie hätten das den Menschen vor der Wahl gesagt und sie
nicht im Dunkeln gelassen. Aber offensichtlich ist die Dunkelheit, das Dunkle,
das Schwarze die richtige Farbe für Ihre Politik. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren! Ein besonderes Zeichen der Mutlosigkeit ist es, dass Sie Regierungsverantwortung
eben dort, wo sie dringend eingefordert werden müsste, abgeben. Das ist zum
Beispiel bei den Ladenöffnungszeiten der Fall – das ist schon gesagt
worden –, zum Beispiel bei der Arbeitszeit. Die Arbeitszeit wird
offensichtlich in Zukunft nicht mehr gesetzlich geregelt, sondern sie wird
individualisiert. Wenn es gut geht, geschieht das noch zu den Vereinbarungen
der Kollektivverträge, aber unter Umständen wird das auf die betriebliche Ebene
verlagert. Aber auch das ist noch nicht genug: Das wird auch im Rahmen von
Einzelvereinbarungen geschehen.
Da frage ich mich, was die „kleine“ Verkäuferin, der/die „kleine“ Angestellte in Zukunft tun werden, wenn sie sich ob ihrer Arbeitszeitregelung nicht mehr zu helfen wissen. Das ist menschen-
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verachtend, und es ist vor allen Dingen auch zutiefst
anti-frauenpolitisch, meine Damen und Herren! (Abg. Scheibner: Vorsicht!
Was ist das für eine Diktion? Was heißt „menschenverachtend“? Mäßigen Sie
sich!)
Wo bleiben die
fairen Chancen für die Frauen? Ich begrüße es sehr, dass wir wieder eine
Frauenministerin haben. Frau Ministerin Rauch-Kallat, ich biete Ihnen gerne die
Kooperation der sozialdemokratischen Frauen an, wenn es darum geht, eine echte
fortschrittliche und feministische Frauenpolitik zu machen. Da haben Sie mich
als Bündnispartnerin, da haben Sie uns als Bündnispartnerinnen. Es geht darum,
dass wir Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Frauen erreichen wollen. Ich
hoffe nur, dass Ihre Ansage und Aussage, die Sie erst vor drei Wochen getroffen
haben, nicht umgesetzt wird, denn damals haben Sie nämlich die
Frauenpolitik bereits in die Vergangenheit verbannt.
Meine Damen und
Herren! Es gäbe eine lange Latte an Fragen, die ich die Frau Ministerin noch
fragen könnte; aber dazu werden wir ja in den nächsten Monaten noch ausreichend
Gelegenheit haben. Ich möchte Sie sehr vieles fragen, nämlich wie es sein
kann, dass es ein Frauenkapitel im Regierungsübereinkommen gibt, in dem der
geschlechterbezogene Sprachgebrauch angeführt wird, und dann spricht man nur
von „den Bürgern“ – nur um ein Beispiel zu nennen.
Oder: Wie werden
Sie, Frau Ministerin, es halten, wenn durch die Hintertür eine ganz schlimme
Sache im Rahmen Ihrer Pensionsreform eingeführt wird? – Das unterschiedliche
Pensionsanfallsalter zwischen Männern und Frauen wird nämlich untergraben.
Durch einen gesetzlichen Trick wird es in sehr absehbarer Zeit nicht mehr
garantiert sein, dass Frauen und Männer ein unterschiedliches Pensionsalter
haben, was ihnen ja gesetzlich und verfassungsgesetzlich bis zum Jahr 2019
garantiert wurde. Auch da haben Sie dringenden Handlungsbedarf.
Stichwort
„freiwilliges Pensionssplitting. – Was das Ganze soll, weiß ich nicht.
Das Eherecht wird
angesprochen. Im Eherecht werden plötzlich Eheverträge über das
Eherecht gestellt. Das heißt, wenn ein Ehevertrag abgeschlossen wird, gilt
plötzlich das Ehegesetz nicht mehr. Dieser Schutzmantel vieler Frauen soll
ausgehöhlt werden. – Diese Liste ist sehr lang. Das sind keine Maßnahmen,
die sich die Frauen in Österreich verdient haben.
Stichwort
„Notstandshilferegelung“. – Ich befürworte es sehr – das ist eine
alte sozialdemokratische Forderung –, dass die Notstandshilfe kein
Ausschließungsgrund für die Versicherung für Frauen in der Pensionsversicherung
ist. Was tun wir aber, wenn Sie die Notstandshilfe abschaffen? Und das haben
Sie ja vor; das steht auch im Regierungsübereinkommen. Dann ist diese Maßnahme
sofort wieder obsolet.
Meine Damen und
Herren! Frauenpolitik braucht mehr als Überschriften. Frauenpolitik braucht
Mut, braucht Verstand und braucht Nachhaltigkeit. Wenn Sie diesen Weg gehen
wollen, sind wir gerne dabei. Alles andere werden wir auch in Zukunft massiv zu
verhindern versuchen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
13.47
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Dr. Spindelegger. – Bitte.
13.48
Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes
Haus! Meine Damen und Herren! (Ruf bei der SPÖ: Lieber ÖAAB!) Wenn man
die drei Redner der SPÖ, die heute gesprochen haben, miteinander vergleicht,
wird genau das offenbar, was wir ja in den letzten Wochen und Monaten von der
SPÖ gesehen haben. Da gab es einen Vorsitzenden, Herrn Dr. Gusenbauer (Abg.
Dr. Gusenbauer: Den gibt es noch immer!), bei dem klingt noch
ein wenig Wehmut darüber mit, dass die SPÖ jetzt nicht in der Bundesregierung
ist. (Ruf bei der SPÖ: Warum sind Sie nicht Minister geworden?) Wenn man
die Personen in der zweite Reihe anschaut, Herrn Kollegen Cap und insbesondere
Frau Mag. Prammer, dann weiß man, warum die SPÖ nicht in einer
Bundesregierung ist. Das ist ganz offenbar geworden. (Beifall bei der ÖVP
und den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 110 |
Meine Damen und
Herren! Bei jemandem, der insbesondere wie Frau Mag. Prammer so viel
negative Energie versprüht (Abg. Eder: Nicht so hochmütig sein, Herr
Kollege!), da muss man sich fast
um ihren Gesundheitszustand Sorgen machen. Das kann nicht gesund sein, meine
Damen und Herren! (Rufe bei der SPÖ: Na geh!) So viel negative Energie!
Alles ist schlecht und wird noch viel schlechter. – Es ist eben nicht so! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Kein
Kavalier! – Abg. Dr. Gusenbauer: Rüpelhaft ist das!)
Wenn ich mir
vorstelle, dass heute Kollegen von den Sozialdemokraten anstatt der Freiheitlichen
hier auf der Regierungsbank säßen, frage ich mich: Wie sähe dann die
Regierungserklärung aus? Wäre sie tatsächlich so viel anders? Wären die Problemsicht
und die Lösungen völlig anders? – Meine Damen und Herren! Wohl nicht, denn
auch eine SPÖ müsste akzeptieren und zur Kenntnis nehmen, dass die Pensionen
gesichert werden müssen, weil die Menschen viel älter werden. (Abg.
Dr. Gusenbauer: Unterste Schublade! – Abg. Dr. Cap:
Wie ein Elefant im Porzellanladen!) Und ich nehme nicht an, dass Sie andere
Maßnahmen vorschlagen wollen, als die erste Säule zu sichern.
Auch die SPÖ würde
wohl nicht um das Problem herumkommen, das Gesundheitssystem zu sichern, indem
man nach Möglichkeit die Leistungen für alle aufrecht erhält und indem man
nicht so sehr hineinschneidet, dass man Leistungen kürzt, sondern dass man auch
auf der Einnahmenseite für Geld sorgt. Das wäre wohl auch bei der SPÖ nicht
anders.
Betreffend Staatsfinanzen:
Wie könnte es anders sein, als dass eine Regierungspartei sorgfältig versucht,
für die nächsten Jahre Sicherheit gerade für das soziale System zu geben?
Meine Damen und
Herren! Kurz gesagt: Es wäre auch mit einer SPÖ in der Regierung bei den Maßnahmen
nicht anders. (Abg. Mag. Prammer: Das ist ein Irrtum!) Es
wären nur andere Köpfe dort. Aber: Diese Vorstellung, die Sie uns immer wieder
in diesem Haus geben, nämlich drei Runden vorbeigehen zu lassen, ohne auch
nur einen Vorschlag zu den wichtigen Themen Österreichs zu
machen, meine Damen und Herren von der SPÖ (Abg. Dr. Gusenbauer:
Wieso lügen Sie?), spricht für
sich und das disqualifiziert Sie nach wie vor als Regierungspartner. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich möchte aber
auch auf die Grünen und auf Herrn Kollegen Van der Bellen eingehen, weil er in
den Überschriften des Regierungsprogramms gesucht hat und das Thema
Außenpolitik nicht gefunden hat. Auch das verwundert mich, Herr Kollege Van der
Bellen (Abg. Dr. Van der Bellen: Mich auch!), denn wenn ich denke, wie lange Sie
schon hier sind, wie lange Österreich in der Europäischen Union ist und wie
sehr Sie wissen müssten, dass in jedem der einzelnen Kapitel Fragen der
Europäischen Union, die ja mittlerweile zur Innenpolitik geworden sind,
enthalten sind (Abg. Dr. Van der Bellen: Von Außenpolitik außerhalb!),
dann vermute ich, Sie haben nur die Überschriften gelesen und sich den Inhalt
des Regierungsprogramms offenbar nicht näher angesehen. Und das ist schade! (Beifall
bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Dr. Cap: Wieso applaudiert
die ÖVP nicht?)
Meine geschätzten
Damen und Herren! In der Außenpolitik geht es um sehr weitreichende Fragen, die
wir in dieser Legislaturperiode klären müssen. Das ist zunächst die große
Frage, wie die Erweiterung der Europäischen Union vor sich gehen wird, mit
welchen Begleitmaßnahmen und mit welchem Einsatz Österreichs in diesem
Zusammenhang verfahren wird. Diesbezüglich darf ich doch sehr an die
gemeinsame Basis auch in diesem Hause, was Fragen der Europäischen Union
betrifft, appellieren und darum ersuchen, dass wir in diesen Fragen konsequent
zusammenarbeiten. Vielen Österreichern scheint das noch so fern, was nächstes
Jahr Realität wird, nämlich dass wir eine „Union der 25“ sein werden.
Manchen Österreichern sitzt die Angst im Nacken, dass mit der Erweiterung auf dem Arbeitsmarkt eine große Problematik auftreten wird. Und zu Recht müssen wir uns genau um dieses Anliegen bemühen. Darum ist die siebenjährige Übergangsfrist ein Instrument, das wir auch nützen müssen, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Cap: Was ist Ihr Redekonzept? Was wollen Sie uns sagen?) Ich meine, dass wir von der ÖVP mit unserem Regierungspartner zu Recht auch in diesem Regierungsprogramm darauf verwiesen haben, dass man mit dieser sie-
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benjährigen
Übergangsfrist betreffend Arbeitsmarkt dafür sorgen muss, dass es in Österreich
zu keinem Lohndumping und zu keinem
Verdrängungswettbewerb für die Arbeitnehmer kommen wird. Darauf legen wir
besonderen Wert, und das ist einer der Schwerpunkte! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Ich möchte im
Rahmen der Außenpolitik auf die EU-Präsidentschaft eingehen. Österreich wird im
ersten Halbjahr 2006 wieder einmal den EU-Vorsitz innehaben – zum zweiten
Mal seit unserem Beitritt in die Europäische Union. Dieser Vorsitz heißt, dass
die Mitarbeiter im Außenministerium und die Frau Außenministerin dafür Sorge
zu tragen haben – und ich bin davon überzeugt, das werden sie hervorragend
bewältigen –, dass wir uns dann, wenn Österreich sozusagen in der Auslage
steht, auch ein eigenständiges Programm für diese sechs Monate vornehmen und
unsere österreichische Handschrift in einer erweiterten Europäischen Union zur
Geltung bringen. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe in der Vorbereitung. Da
bedarf es großer Professionalität, und es bedarf auch der Zusammenarbeit aller
Fraktionen dieses Hauses, damit wir uns auf der parlamentarischen Ebene
entsprechend vorbereiten können. (Abg. Dr. Fischer: Ihr seid gar
nicht im Amt zu diesem Zeitpunkt!) Und ich lade alle Fraktionen dazu ein,
dass wir das rechtzeitig und in einem sehr engen Einvernehmen mit der
Bundesministerin tun, damit auch das zu einer Erfolgsstory Österreichs wird. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich möchte ganz
aktuell auf die Frage in der Außenpolitik eingehen, die viele
Österreicher zurzeit beschäftigt: Das ist die Frage, was im Irak passiert, ob
ein Krieg dort nicht unabsehbare Folgen hätte. Diese Angst vor dem Krieg und
seinen Konsequenzen ist auch in Österreich fast allgegenwärtig.
Darum möchte ich
noch einmal darauf zu sprechen kommen, was wir auch schon in einer Aktuellen
Stunde diskutiert haben. Wir wollen, dass es keinen Krieg gibt.
Wir wollen nicht, dass Österreich zu einem Aufmarschland wird.
Wir wollen, dass Österreich seine Souveränität in einer Auseinandersetzung
sowohl zu Lande als auch in der Luft behält. Das ist ein ganz wichtiger und
grundlegender Punkt für uns.
Wir wollen
weiters, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Drehscheibe für
eine politische Lösung bleibt – und für alle Zukunft bleiben muss. Und wir
stehen selbstverständlich vollinhaltlich zur UN-Sicherheitsratsresolution 1441.
Außerdem, meine
Damen und Herren, wollen wir, dass die internationale Staatengemeinschaft auch
dahin gehend Druck auf den Irak ausübt, dass er abrüstet. Jede Art von
Massenvernichtungswaffen in der Hand eines Diktators stellt eine Gefahr für
die ganze Welt dar. Niemand darf die Augen davor verschließen, sondern
muss Druck ausüben, dass dieses Gefahrenpotenzial nicht mehr bestehen bleibt. (Abg.
Öllinger: Wie steht es da mit den Waffenexporten?)
Darum stelle ich
heute folgenden Antrag:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Dr. Michael Spindelegger, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen
betreffend Irak-Krise
Der Nationalrat wolle
beschließen:
„Die
Bundesregierung wird ersucht, im Sinne des Beschlusses des Nationalen
Sicherheitsrates über eine Empfehlung an die Bundesregierung zur Situation im
Irak vom 29. Jänner 2003 sowie der Schlussfolgerungen des Europäischen
Rates vom 17. Februar 2003 vorzugehen.“
*****
Ich lade Sie alle
ein, diesem Entschließungsantrag beizutreten und ihn als ein Zeichen im Rahmen
dieser Regierungserklärung mit zu beschließen, wo Österreich in dieser Frage
steht.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 112 |
Ich möchte in
diesem Zusammenhang auch auf einen weiteren Punkt in diesem Regierungsübereinkommen
hinweisen. Das ist die Zukunftsfrage der Europäischen Sicherheitspolitik. Wir
wollen, dass diese Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wie wir
sie derzeit haben, ausgebaut wird. Wir haben in diesem Regierungsprogramm den
Willen dazu bekundet, dass wir als nächsten Schritt in die Richtung einer
Beistandsverpflichtung der Europäischen Union gehen. Wir hätten gerne, dass
diese Beistandsgarantie einmal zu einer Sicherheitsunion Europas führt.
Das ist eine
sicher noch dauernde Zielvorstellung, die nicht morgen umgesetzt wird.
Aber, meine Damen und Herren, wenn jemand in Europa daran Interesse haben kann,
dann sind es wir Österreicher, dass wir dann auch im Rahmen einer
Arbeitsteilung für die Sicherheit unserer Bevölkerung noch mehr tun können als
heute.
Ich halte das für
eine wichtige Vorstellung und glaube daher, dass dieser Rahmen des Regierungsprogramms,
und zwar Verantwortung zu tragen, zentral ist. Dieses Wort
beinhaltet das, was wir in Österreich so dringend brauchen, nämlich Antwort.
Wir brauchen nicht nur Fragen, wir brauchen auch Antworten – und
diese finden sich in diesem Regierungsprogramm. – Danke schön. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
13.57
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Der von Herrn
Abgeordnetem Dr. Spindelegger verlesene Entschließungsantrag ist
ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt
Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.
13.57
Abgeordnete
Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr
Abgeordneter Spindelegger hat vorhin die Rede der Frau Abgeordneten Prammer
beschrieben mit „negative Energie“ und hat das als Disqualifizierung für eine
Regierungsbeteiligung der SPÖ hergenommen. – Ich finde die Kriterien, die
da als Qualifizierung für eine Regierungsbeteiligung herangezogen werden, etwas
kühn, vor allem dann, wenn man den Blick etwas in die Vergangenheit richtet.
Wir haben jetzt eine
neue Regierung auf der Regierungsbank – nicht, weil wir am
24. November gewählt haben, sondern weil ein paar Monate vorher die
damalige Regierung – und das war genau dieselbe – gescheitert ist.
Die Geschichte
fängt eben nicht beim 24. November an, sondern die Monate
vorher. Bezüglich des Schauspiels, das wir vorher erlebt haben, das viele
Wählerinnen und Wähler erlebt haben, gibt es jetzt die reale Gefahr, dass sich
das wiederholt. Ich möchte noch einmal kurz in Erinnerung rufen, was sich da
abgespielt hat.
Vor einem Jahr,
ungefähr um dieselbe Zeit, war gerade das Temelín-Volksbegehren, das
Anti-Tschechien-Volksbegehren am Laufen. Es gab einen immensen Streit innerhalb
der Regierung und Rücktrittsdrohungen. Es hat geheißen, die Regierung könne so
nicht weitermachen. Dann gab es eine Pressekonferenz mit dem Slogan „Kein
Löschblatt geht zwischen uns“. Dann kam die Reise des Kärntner
Landeshauptmannes nach Bagdad. Es folgten stundenlange Fernsehdiskussionen, in
denen sich drei, vier Freiheitliche miteinander hingesetzt und gesagt haben:
Wir sind doch noch beisammen! – Und das ging Monate hindurch! Streit,
Zank, Hader, Monate hindurch! Letztendlich wurde ein Volksbegehren vom Kärntner
Landeshauptmann angekündigt, der sagte: Wegen ein bisschen Regen darf
man doch keine Steuerreform verschieben. Eine Volksbefragung hiezu wurde von
der Vizekanzlerin angekündigt. Und am Ende: Knittelfeld! (Abg. Mag. Mainoni:
Lauter Schauergeschichten!) – Das ist keine „Schauergeschichte“! Das
war die Realität in den letzten Monaten vor dem Scheitern der Regierung! (Abg.
Dr. Gusenbauer: Das ist Geschichte!) – Das ist
Historie – wegen ein bisschen Regen. (Abg. Scheibner: Lernen Sie
Geschichte!)
Knittelfeld ist wohl auch eine Schauergeschichte. Aber letztendlich ist die Regierung gescheitert. Dann hat es in Kärnten – das habe ich noch vergessen – einen Landeshauptmann gege-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 113 |
ben, der plakatiert hat: Ich habe die Abfangjäger
verhindert! (Heiterkeit bei den Grünen. – Abg. Dr. Fischer:
Schaurige Zeitgeschichte!)
Es war wirklich
ein Schauspiel. Wir als Oppositionspolitiker haben schon gar nicht mehr gewusst,
was wir sagen sollen. (Abg. Scheibner: Das passiert Ihnen
leider öfter, dass Sie nicht wissen, was Sie sagen!) Jeden Tag
wurden wir gefragt: Was sagen Sie zur Krise der Regierung? Wir haben wirklich
schon nicht mehr gewusst, wie wir dieses Schauspiel kommentieren sollen.
Aber solche
Kriterien anzulegen wie Stabilität, Sacharbeit, Zukunftsfestigkeit, das ist dem
Kollegen Spindelegger nicht eingefallen, sondern die negativen Vibrations
einer guten oppositionellen Kritikrede haben ihm gereicht zu sagen, die
Opposition, die SPÖ sei nicht regierungsfähig. (Abg. Mag. Mainoni: Die
Grünen auch nicht!) Also diese Kriterien haben eine leichte Schieflage.
Finden Sie nicht auch? Eine leichte Schieflage muss ich da feststellen. (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel hat dann gemeint: Ich will Klarheit schaffen!, und er hat
bekannt gegeben, dass Sacharbeit innerhalb dieser Regierungskonstellation nicht
mehr möglich sei, und Neuwahlen ausgerufen, die dann auch durchgeführt wurden.
Die FPÖ hat zwei Drittel ihrer Wählerinnen und Wähler verloren. Und
letztendlich wird dieser Kurs jetzt fortgesetzt. Wolfgang Schüssel hat jetzt
wiederum gesagt: Auf diesem mutigen Weg wollen wir weitergehen! – Ich
finde, es ist wahrlich ein sehr mutiger Weg. (Heiterkeit bei den Grünen und
der SPÖ. – Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Es tut mir Leid,
dass ich diese zwei Historien so miteinander verknüpfen muss, aber ich denke,
man kann die Zukunft dieses Kabinetts nicht ohne die Vergangenheit des letzten
Kabinetts sehen, weil es ein und dasselbe ist.
Die Regierung ist
damals mit dem Ziel angetreten, das Budget zu konsolidieren. Jetzt müssen wir
sparen, jetzt kommen die mageren Jahre, hat es geheißen. Ich mit meinem
bescheidenen Hausverstand denke (Abg.
Mag. Mainoni: Das ist das
Problem!), nach den mageren Jahren kommen die fetten Jahre. Also in der
Bibel sind es jedenfalls sieben Jahre. (Abg.
Scheibner: Hätten wir noch
Zeit – vier Jahre!) – Hättet ihr noch Zeit, stimmt! Allerdings ist
angekündigt worden, ab 2003 wird es eine Steuerreform geben und so weiter, da
kommen die fetten Jahre. 1 Milliarde € bei den Pensionen,
1,2 Milliarden € im Gesundheitsbereich – das sind fette Jahre? Fette
Jahre schauen ein wenig anders aus. (Abg. Mag. Molterer: Aber Sie haben eine längere Lebensdauer ...!) –
Stimmt, ich habe eine etwas längere Lebensdauer. Ich hoffe im Sinne der
Österreicherinnen und Österreicher, dass diese mageren Jahre nicht
ausschließlich auf diesem Kurs fortgesetzt werden, weil nämlich die Magerkeit
auch wieder ungleich verteilt ist. Auf das komme ich später noch unter dem
Thema Gerechtigkeit zu sprechen.
Das Kabinett
Schüssel ist angetreten mit dem Vorsatz zu konsolidieren, zu sparen. Der SPÖ
sind Vorwürfe gemacht worden, „Schulden-Rudi“ hat es in Richtung des ehemaligen
Finanzministers Edlinger geheißen, wobei sich die ÖVP nicht mehr daran
erinnern konnte, dass sie auch in der Regierung war und genauso diese
Budgetpolitik der letzten Jahre zu verantworten hatte. (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Aber Sie haben
dann beim Sparen wichtige Bereiche wie zum Beispiel Infrastruktur, Bildung,
Universitäten, Frauengerechtigkeit nicht in irgendeiner Form anders behandelt,
sondern Sie sind über alle Bereiche drübergefahren, und das Ergebnis sehen wir
jetzt in vielen Bereichen: Für den Bereich der Universität, der Schule, für die
Frauenpolitik, aber auch für den Umweltschutzbereich waren es magere Jahre,
und es werden weitere magere Jahre sein – leider, zu unserem Bedauern.
Sie hätten andere
Möglichkeiten, andere Chancen gehabt, aber leider haben Sie diese Chancen
nicht genutzt. Und es ist nicht bei uns die Mutlosigkeit gewesen, sondern die
Mutlosigkeit gab es bei der ÖVP, einen anderen Weg einzuschlagen. (Beifall
bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Fischer.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 114 |
In Richtung
Freiheitliche muss ich noch etwas sagen. Die Freiheitlichen haben die Regierung
aus mehreren Gründen platzen lassen: EU-Erweiterung, Temelín, Beneš-Dekrete und Steuerreform nicht erst
2004. Temelín haben Sie vergessen, das ist irgendwie untergegangen. (Abg. Mag. Mainoni: Das haben die Grünen vergessen, die Anti-Atompolitik!)
Die EU-Erweiterung ist jetzt kein Problem mehr für Sie, das begrüße ich. Die
Steuerreform bekommen Sie jetzt erst recht 2004. Das hätten Sie auch billiger
haben können! Sie haben jetzt Punkte im Regierungsprogramm, die, glaube ich,
für Ihre Wählerinnen und Wähler schwer verkraftbar sind, ich denke an die
Benzinpreiserhöhung ohne ökologischen Lenkungseffekt und an die Eurofighter.
Die Eurofighter müssen Sie jetzt auch noch finanzieren. Ich gratuliere Ihnen
herzlich! Das war eine hervorragende Strategie, die Regierung wegen all dem,
was Sie nicht haben wollten, platzen zu lassen und jetzt erst recht all das
wieder mittragen zu müssen. Tolle Strategie, wirklich! (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich komme jetzt zu
meinem Fachbereich, dazu möchte ich auch noch ein paar Worte verlieren. Es ist
mir aufgefallen, dass der Herr Bundeskanzler aus den Gesprächen mit uns viel
mitgenommen hat: Nachhaltigkeit, Klimaschutz, ökosozial, sogar ökosoziale
Steuerreform war zu hören – Begriffe, hinsichtlich deren wir seit zehn
Jahren darum ringen, ein Verständnis dafür zu schaffen, heute vorbildlich
erklärt, ich bin wirklich stolz. Arbeit entlasten, Ressourcen belasten. Aber
nicht überall, wo ökosozial draufsteht, ist auch ökosozial drinnen. (Beifall
bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ein paar Beispiele
aus dem Umweltschutzbereich, wo ich enttäuscht bin. Klimaschutz ja, selbstverständlich,
dazu gibt es ein internationales Bekenntnis. Das hilft dem Mittelstand, hilft
der kleinen Industrie, ist für das Baugewerbe wichtig. Aber warum dann nicht gleich?
Warum muss man jetzt erst wieder warten, bis man die notwendigen Budgetmittel,
die Arbeitsplätze schaffen, zur Verfügung stellt? (Abg. Mag. Molterer:
Das ist aber das, dem Sie zugestimmt haben! Dazu haben Sie ja gesagt!)
Warum freuen Sie
sich über eine ökosoziale Steuerreform, wenn Sie immer noch massive Schwächen
darin enthalten haben? Ich verstehe nicht, warum Sie sich so über die große
Anzahl an Neuzulassungen von Diesel-Pkws in Ihrem Regierungsübereinkommen
freuen. In dem einen Satz heißt es, Sie freuen sich über die vielen
Neuzulassungen von Diesel-Pkws, im anderen Satz heißt es, Diesel enthält
krebsfördernde Partikel. Also irgendwie passt das nicht zusammen.
Wir brauchen eine
konsistente Steuerreform, mit der man nicht nur die Preise erhöht, sondern auch
die Wahlfreiheit gewährleistet. Das bedeutet: nicht die
Nahverkehrsmöglichkeiten einzuschränken, endlich den Schienenausbau in den
Osten vorzunehmen, für die ÖBB mehr Mittel und nicht weniger zur Verfügung zu
stellen. Man muss auch Alternativen schaffen, sonst wird das Autofahren für die
Leute nur teurer, und ökologisch bringt es gar nichts. Ich glaube, das ist sehr
einfach verständlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der
SPÖ. – Abg. Mag. Molterer:
Dazu haben Sie ja gesagt!)
Zweiter Punkt:
Rückzug der öffentlichen Hand aus dem Bereich der Stromversorger, ein sehr
heikles Thema. Letztes Jahr haben wir die Übernahme der E.ON, eines deutschen
Atomriesen, beim Verbund diskutiert. Ich habe mir gedacht und gewünscht, diese
Bundesregierung wird in ihr Programm zumindest hineinschreiben: Die
österreichische Stromlösung soll unterstützt werden, es soll keine
Atomstromimporte geben. Stattdessen steht tatsächlich drinnen: Rückzug der
öffentlichen Hand. Das kann nur bedeuten, dass ausländische Atomstromkonzerne
die österreichischen Energieversorger Schritt für Schritt übernehmen. Ich weiß
nicht, was die FPÖ dazu sagt, die war ja irgendwann einmal angeblich eine
Anti-Atompartei; das ist heute auch schon sehr heftig kritisiert worden. Ich
glaube, dass das kein guter Weg ist. Eine österreichische Stromlösung sollte
sich so entwickeln, dass wir wirklich einen starken Konzern haben, der in der
Europäischen Union überlebensfähig ist.
Es gibt noch eine Reihe von anderen Punkten. Einen Punkt möchte ich noch aus dem Bereich der Landwirtschaft herausgreifen, weil es so absurd ist: Wir erhöhen auf der einen Seite die Dieselpreise für die normalen Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Autofahrerinnen und
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 115 |
Autofahrer, und auf der anderen Seite senken wir sie
für den Bereich der Landwirtschaft. Ich habe nichts dagegen, für die
Landwirtschaft etwas zu tun, aber warum muss es ausgerechnet etwas sein, was
ökologisch völlig kontraproduktiv ist? Warum machen Sie das nicht zum Beispiel
bei Biodiesel, bei irgendetwas Vernünftigem? – Sie lächeln jetzt, aber ich
glaube, das ist für einen normalen Menschen nicht nachvollziehbar.
1 Milliarde Schilling, das ist viel Geld! (Beifall bei den Grünen und
bei Abgeordneten der SPÖ.)
Jetzt muss ich zu
meinem Schlusssatz kommen. Diese Regierung behauptet, ihre Arbeit beruhe auf
drei Eckpfeilern: auf Zukunftsfestigkeit, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit. Ich
kann Ihr Programm nur subsumieren unter: Instabilität, Perspektivenlosigkeit
und alles andere als Nachhaltigkeit, nämlich indem Sie den Status quo
festschreiben und Lobbyinteressen weiter vertreten, anstatt dass Sie einen
mutigen Schritt in eine andere Richtung gehen. Leider! (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
14.08
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächste
Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé. –
Bitte.
14.08
Abgeordnete
Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen
und Herren! Das ist eine persönlich sehr emotional geführte Debatte.
Nostalgische Erinnerungen werden da wach. Herr Cap hat schon bedauert, wie
dynamisch damals die Stimmung war und wie gedrückt sie heute ist. Frau
Glawischnig gibt sogar zu, dass die Opposition nicht gewusst hat, was sie sagen
soll, weil die Regierung so geschlossen war (Widerspruch
bei den Grünen – ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen),
dass nicht einmal ein Löschblatt zwischen ÖVP und FPÖ gepasst hat. Es ist
wirklich sehr interessant.
Manche allerdings
benützen die Diskussion um die Regierungserklärung nicht dazu, die Hauptpunkte
oder überhaupt die Themen der Regierungserklärung zu durchleuchten, von mir aus
auch anzugreifen oder zu kritisieren, sondern vor allem dazu, sie lächerlich zu
machen, sie zu verhöhnen und auch die Regierungsparteien herabzuwürdigen. Aber,
meine sehr geehrten Damen und Herren, meiner Meinung nach ist es nicht Stärke,
wenn man einen Regierungspartner oder eine politische Partei herabwürdigt,
sondern ganz im Gegenteil, das ist ein Zeichen von Schwäche. (Beifall bei
den Freiheitlichen.)
Herr Abgeordneter
Van der Bellen! Sie haben gestern im Fernsehen – ich habe es zufällig
gehört – förmlich einen Ausbruch bekommen, was alles die Freiheitliche
Partei als Regierungspartner ist: letztes Aufgebot, das haben wir heute auch
schon gehört, die uninteressanteste Variante, die unattraktivste Variante. (Abg. Haidlmayr:
Was ist daran falsch?) Ich frage mich wirklich, Herr Abgeordneter Van der
Bellen: Welche Schwäche verbergen Sie hinter diesen Angriffen?
Meiner Meinung
nach kann es nur die Schwäche sein, dass Sie sich nicht getraut haben, mit
Ihrer Grün-Partei Regierungsverantwortung zu übernehmen und am Reformkurs
Österreichs teilzunehmen, der schon dringend notwendig war, sondern es
vorgezogen haben, in der Opposition zu bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen. –
Zwischenrufe bei den Grünen.) – Natürlich, Sie haben sich davor gescheut,
weil unpopuläre Maßnahmen notwendigerweise gesetzt werden müssen, weil
einschneidende Änderungen im Pensionsrecht vorgenommen werden müssen, um auch
den Jugendlichen, die heute im Arbeitsprozess stehen, die Sicherheit zu geben,
einmal eine Pension in Anspruch nehmen zu können, weil das Gesundheitssystem
reformiert werden muss, um den hohen medizinischen Standard, den wir in
Österreich haben, auch weiterhin gewährleisten zu können.
Die FPÖ bekennt
sich zu diesem Reformkurs, weil er für Österreich notwendig ist! Wir sind weder
die uninteressanteste noch die unattraktivste Variante, sondern wir sind die
einzige und die beste Alternative, die es für die Österreichische Volkspartei
gegeben hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den
Freiheitlichen sowie des Abg. Dr. Khol.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 116 |
Und wenn Herr
Abgeordneter Gusenbauer scheinheilig fragt, wieso eigentlich jetzt ein so
großer Reformbedarf vorhanden ist, dann möchte ich Sie, Herr Abgeordneter
Gusenbauer, ersuchen: Erforschen Sie doch einmal Ihr Gewissen! Lassen Sie die
letzten Jahrzehnte Revue passieren! Es genügen bereits die letzten
15 Jahre, in denen die Sozialdemokratie in Österreich die dominierende
politische Kraft war. Da sind die Reformen wirklich auf der Strecke geblieben.
Da hat es keine Reformen gegeben! Schütteln Sie nicht den Kopf! Ich kann mich
doch ganz genau erinnern, wir waren ja sogar einmal in einer Koalition: 1986,
Herr Abgeordneter, haben wir Freiheitlichen gesagt, wir brauchen dringend ein
modernes Pensionssystem, weil das bisherige Pensionssystem, das auf dem ASVG
aus 1955 fußt, in der Zukunft nicht mehr tragbar sein wird. Wir haben damals
ein Drei-Säulen-System mit einer 15- bis 20-jährigen Vorlaufzeit gefordert.
Wäre das damals umgesetzt worden, hätten wir jetzt oder in zwei, drei Jahren
bereits ein funktionierendes Pensionssystem und müssten uns nicht mit dem Thema
Pensionen herumraufen.
Damals hat
Sozialminister Dallinger nein gesagt, und in der Folge hat es dann ein Dahinwurschteln
nach dem anderen gegeben. Es hat immer wieder geheißen, mit dieser Pensionsreform
wird über Jahre hinweg die Pensionsfrage gelöst sein. (Abg. Dr. Gusenbauer: Das
haben Sie 2000 auch gesagt!) Das hat dann ganze zwei oder drei Jahre
gedauert, und es war schon wieder notwendig, die Pensionsgesetze anzupassen. So
war es! Nehmen Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis! (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wie haben in den
letzten zweieinhalb Jahren die Basis für eine erste Säule, zweite Säule und
auch für die dritte Säule gelegt. Damit haben wir den Grundstock für ein
Pensionssystem gelegt, wie es die meisten OECD-Staaten haben, und damit ist
auch sichergestellt, dass die jetzt in den Arbeitsprozess eintretenden Personen
auch noch zu einer Pension kommen. (Abg.
Dr. Gusenbauer: Mitnichten!)
Herr Van der
Bellen! Sie haben heute den Dampf und die Kraft in der Regierung vermisst.
Wissen Sie, man schließt ja immer von sich selbst auf die anderen. Vielleicht
vermissen Sie deshalb Dampf und Kraft, weil Sie, weil Ihre Grün-Partei diese
Kraft und diesen Dampf nicht gehabt haben, um die notwendigen Reformen
durchzuführen. Erforschen auch Sie einmal Ihr Gewissen! Ihnen wäre die
Möglichkeit gegeben worden, an der Reform Österreichs mitzuarbeiten.
Kritisiert haben Sie ohnedies bereits genug, jetzt hätten Sie einmal etwas
Konstruktives tun können, aber diese Chance haben Sie verpasst.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ebenfalls ist heute spöttisch gefragt worden: Wo ist
die blaue Handschrift in dieser Regierungserklärung? Die neue Bundesregierung
hat – so wie die alte, die seit zweieinhalb Jahren im Amt gewesene
Bundesregierung – die Verbesserung der Situation der Staatsfinanzen und
die Gesundung des Staatshaushaltes zum Mittelpunkt ihrer Regierungstätigkeit
gemacht und der Schuldenpolitik eine Absage erteilt, denn Schulden von heute
sind die Steuern von morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Wie dringend es
war, diese Gesundung der Finanzen in den Mittelpunkt zu stellen, zeigt ja, dass
wir, wenn wir so weitergewurschtelt hätten wie unter sozialistischen
Finanzministern, ebenfalls Gefahr gelaufen wären, den berühmten blauen Brief
aus Brüssel zu bekommen – so wie andere Staaten. (Abg. Dr. Gusenbauer:
Dafür haben Sie den blauen Brief von den Wählern bekommen!) Das ist
verhindert worden durch die Tätigkeit der Freiheitlichen in der Regierung.
Dieser Kurs wird jetzt fortgesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Heute ist der Herr
Bundeskanzler verhöhnt worden, weil er bei der vorigen Regierungserklärung
gesagt hat, dass die Wirtschaftsdaten so positiv sind. Sie waren auch sehr viel
positiver vor drei Jahren. Wenn Sie die Wirtschaft außerhalb Österreichs
beobachten, sehen Sie, dass es ja weltweit eine Wirtschaftskrise gibt. (Abg. Mag. Wurm: Wer hat regiert?) Fragen Sie doch nicht: Wer hat
regiert?! Auf der ganzen Welt regiert nicht Blau-Schwarz, Frau Abgeordnete Wurm
(Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Gott
sei Dank! Gott sei Dank!), sondern da gibt es die verschiedensten
Regierungen, und überall sind schlechte Wirtschaftsdaten zu verzeichnen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 117 |
Trotz der
schlechten Wirtschaftslage ist es dem Finanzminister und dieser blau-schwarzen
Regierung gelungen, die Staatsfinanzen so zu sanieren, dass 2001 zum ersten Mal
seit Jahrzehnten ein Nulldefizit erreicht werden konnte, meine sehr geehrten
Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Cap: Ist das Ihr Finanzminister?)
Die freiheitliche
Handschrift – da freue ich mich ganz besonders, Ihnen das in Erinnerung
rufen zu können – ist gerade im Finanzbereich, im Wirtschaftsbereich zu
erkennen. (Abg. Dr. Cap: Ist das Ihr Finanzminister?) –
Herr Abgeordneter Cap! Ihre Regierung hat seinerzeit die 13. Umsatzsteuervorauszahlung
eingeführt. Diese Regierung wird diese 13. Umsatzsteuervorauszahlung
abschaffen und damit etwas sehr Positives für die Klein- und Mittelbetriebe
machen. Es wird weiters eine Regelung geben, die zur Entlastung nicht
entnommener Gewinne führen wird. Und vor allem – nehmen Sie das zur
Kenntnis! – werden 200 000 Österreicher weniger Steuern
bezahlen. Darüber gibt es keine Diskussion, sondern darauf können Sie mit uns
stolz sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Herr Van der Bellen
hat heute, glaube ich, gesagt, er hat die Integration vermisst. Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Offensichtlich hat Herr Van der Bellen samt seiner
Grün-Fraktion die vorige Legislaturperiode verschlafen. Wir haben doch ein
großes Integrationspaket in der vorigen Legislaturperiode geschnürt (Abg. Mag. Lunacek: Das kennen wir!), in dem wir die Einführung der
Deutschkurse, die Kenntnis der Landessprache als wichtigste Basis für die
Integration in Österreich festgeschrieben haben. Wir haben weiterhin im
Regierungsprogramm „Integration vor Neuzuzug“ verankert. Ich bin auch froh
darüber, dass es unter dem Einfluss der Freiheitlichen zu einer entscheidenden
Verbesserung des Asylrechtes kommen wird, um Missbräuche zu vermeiden und auch
um die Rechtssicherheit zu erhöhen.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ganz frivol finde ich es, davon zu reden, dass die
neue Regierung aus der Verantwortung flieht, dass sie verantwortungsscheu ist.
Denn mehr Verantwortung als diese Regierung zu übernehmen, das ist schon nicht
mehr möglich. (Ironische Heiterkeit bei
der SPÖ und den Grünen.) Diese Regierung übernimmt Verantwortung für die
Forschung, für die Pensionen, für die Behinderten, für die Frauen, für die
Gesundheit. – Sie lachen, weil Sie damals den Grundstein dafür gelegt
haben, dass es in Österreich jetzt einen so großen Reformbedarf gibt, sehr
geehrter Herr Abgeordneter Gugerbauer, Gusenbauer. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ und
den Grünen. – Abg. Dr. Gusenbauer:
Das war jetzt ein guter Witz!) Gusenbauer!
Die Opposition
beklagt sich immer wieder darüber, dass über sie drübergefahren wird. Aber es
ist Ihnen sowohl im Rahmen der Debatte über diese Regierungserklärung als auch
bei vorigen Debatten immer wieder angeboten worden, sich am gemeinsamen Dialog
zu beteiligen. Alle Minister haben Ihnen versichert, dass Sie als Opposition
ebenfalls Gewicht haben sollen. Nützen Sie diese Gelegenheit, und verschwenden
Sie nicht Ihre Zeit mit ständig neuem Kritisieren! (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.19
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als Nächster ist von der Regierungsbank aus Herr Bundesminister für
Finanzen Mag. Grasser zu Wort gemeldet. – Bitte.
14.20
Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Werte Kollegen und Kolleginnen auf der Regierungsbank! Hohes
Haus! Wir haben in den letzten drei Jahren saniert, wir haben reformiert, und
wir haben damit eine gute Basis für die Zukunft unseres Landes geschaffen. Wenn
Sie vergleichen, wo andere europäische Länder derzeit stehen, wenn Sie nach
Deutschland schauen und sehen, dass mehr als 4,5 Millionen Menschen
arbeitslos sind, wenn Sie sehen, dass massiv sehr hohe neue Schulden
aufgenommen werden, dann wird Ihnen vor Augen geführt, andere Länder, ob es
Deutschland ist, ob es Frankreich ist, sind in ihrer Wirtschafts- und
Finanzpolitik vom Zusammenbruch bedroht, wir können mit Optimismus, mit
Gestaltungswillen einen neuen Aufbruch starten. (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 118 |
Wir müssen in
Österreich erst ein Bewusstsein schaffen, dass es nicht mehr darum geht zu
sagen, unser großer Nachbar ist das Vorbild, als das er lange Zeit gegolten
hat, nicht mehr „Made in Germany“, sondern dass wir stolz sein können auf den
Weg der letzten drei Jahre, der dazu geführt hat, dass es jetzt mehr um „Made
in Austria“ geht. Wir werden uns die besten Länder der Welt und die besten
Länder Europas zum Vorbild nehmen, und das wird gut sein für unsere
Arbeitnehmer, für die Beschäftigung, für die Wirtschaft, für die Klein- und
Mittelbetriebe und für die Industrie in unserem Land.
Der Bundeskanzler
und der Vizekanzler dieser Bundesregierung, diese Koalition ist bereit, diese
Verantwortung zu übernehmen, weil wir eine klare Konzeption für Österreich, ein
Programm für Österreich haben: mittelfristig angelegt, transparent,
überprüfbar, ein Programm, das in der Finanzpolitik drei wesentliche
Zielsetzungen hat: erstens (Abg. Dr. Gusenbauer: Mehr Belastungen!) –
ich betone es – einen ausgeglichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus,
zweitens eine grundlegende Entlastung – die größte Steuerreform in der
Geschichte der Zweiten Republik ist unser Ziel – und drittens natürlich
eine fokussierte Wachstumsstrategie dadurch, dass wir in Forschung und
Entwicklung, in Bildung und in Infrastruktur investieren. (Beifall bei der
ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Eder: Ankündigungen, Ankündigungen, alles Ankündigungen!)
Wenn Sie gesagt
haben, das Nulldefizit ist uns nicht mehr wichtig, dann sage ich Ihnen, meine
Damen und Herren, wir haben einen sichtbaren Wendepunkt geschaffen. Mit dem
Jahr 2001 haben wir 0,3 Prozent Überschuss gemacht – in
Österreich das erste Mal seit mehr als 30 Jahren. Wir hatten im
Jahr 2002, in einem Jahr, das von einer weltweit schwachen konjunkturellen
Situation geprägt war, ein Defizit von 0,6 Prozent – Deutschland hatte
eines von über 3 Prozent, Frankreich eines von über 3 Prozent,
Portugal eines von über 3 Prozent. Wir haben im internationalen Vergleich
hervorragend abgeschnitten, deshalb, weil wir von diesem Weg überzeugt sind,
deshalb, weil wir wissen, dass dauerhafte Defizite zu immer mehr Schulden
führen (Abg. Dr. Gusenbauer: Wann kommt wieder das
Nulldefizit?), dass immer mehr Schulden zu immer mehr Zinszahlungen
führen. 7 Milliarden € sind es, Herr Abgeordneter Gusenbauer, die
wir Ihrer Schuldenpolitik zu verdanken haben, und auf Grund dieser hohen
Zinszahlungen musste man natürlich die Steuern erhöhen. Wer zahlt es? Die
Bevölkerung hat diese Zinsen zu zahlen, und damit wird weniger investiert in
Österreich, wächst unsere Wirtschaft langsamer, und damit haben wir weniger
Beschäftigung und mehr Arbeitslosigkeit.
Das ist ein Weg,
den wir nicht wollen! Deswegen haben wir diese Wende vollzogen, deswegen sagen
wir nach wie vor, Hochkonjunktur muss einen Überschuss bringen, Rezession ein
Defizit, damit man gegensteuern kann. Das ist eine Politik mit Hausverstand,
und das bleibt unsere Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP
und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer: Wann gibt es wieder ein
Nulldefizit? Wann? Wann?)
Sie fragen, wann
es das nächste Nulldefizit gibt: Natürlich muss man die Konsolidierung fortsetzen,
damit man sich diese Steuerreform leisten kann. Meine Damen und Herren, wenn
Sie zurückdenken, was haben wir immer gesagt? Wir haben immer gesagt, wir
brauchen ein Nulldefizit dafür, damit wir uns eine Steuerreform leisten
können. Was tun wir jetzt daher? Wir setzen die Konsolidierung fort. Wenn Sie
sich unseren Konsolidierungspfad vor der Steuerreform ansehen, dann kommen Sie
darauf, dass wir im Jahr 2005 praktisch wieder ein Nulldefizit haben, im
Jahr 2006 einen Überschuss. Das war für uns immer die Grundvoraussetzung,
um sagen zu können, wir können uns eine Steuerreform leisten, weil es uns
wichtig ist, dass alle am erfolgreichen Kurs dieser Bundesregierung teilhaben
können. Und deswegen sind wir in der Lage, einen ersten Schritt nicht erst im
biblischen siebenten Jahr zu machen, sondern bereits im fünften Jahr; wir sind
also Gott sei Dank ein bisschen schneller.
Der erste Schritt
wird 2004 gesetzt: Mehr als zwei Millionen Österreicherinnen und
Österreicher werden durch die Steuerfreiheit des Einkommens bis zu einer Höhe
von 14 500 € begünstigt – ein ganz wichtiger Punkt zur
Armutsbekämpfung. Weiters kommt es zu einer Eigenkapitalstärkung für unsere
Betriebe dadurch, dass die nicht entnommenen Gewinne begünstigt besteuert
werden, und zu einer Abschaffung der 13. Umsatzsteuervorauszahlung, weil
auch in Österreich das Jahr nur zwölf Monate hat. Es ist wichtig, diese
Belastung wegzunehmen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 119 |
Der zweite Schritt
erfolgt im Jahr 2005: eine groß angelegte Entlastung im Ausmaß von
2,5 Milliarden €.
Daher, meine Damen
und Herren: Wir agieren, wir handeln, wir schaffen Zukunft für mehr Einkommen,
für mehr Wohlstand, für mehr Beschäftigung in Österreich. (Beifall bei der
ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
14.25
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner am Wort ist Herr Bundesminister
Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.
14.25
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine
geschätzten Kollegen auf der Regierungsbank! Meine sehr verehrten Damen und
Herren des Hohen Hauses! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner
Regierungserklärung formuliert, dass ein erfolgreicher Standort die beste
Zukunftssicherung sei. Ich meine, der Standort Österreich ist erfolgreich, und der
Vergleich macht uns sicher: Hat unser Finanzsprecher Günter Stummvoll noch von
vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland gesprochen – das war im
letzten September/Oktober der Fall –, hat unser Finanzminister gerade noch
von 4,5 Millionen Arbeitslosen gesprochen, müssen wir heute die
Meldungen der deutschen Bundesanstalt für Arbeit zur Kenntnis nehmen:
4,7 Millionen Arbeitslose im Februar (Rufe
bei der ÖVP: Rot-Grün! Rot-Grün!), der zweithöchste Wert seit der
Wiedervereinigung, und das bei einem Trend, wonach im Jahresabstand nicht
weniger als 410 000 Arbeitslose mehr und
83 000 Beschäftigte weniger zu beklagen sind. Und es sind längst
nicht mehr nur die neuen Bundesländer betroffen, sondern in den so genannten
alten Bundesländern sind drei Viertel dieses Anstiegs zu verzeichnen.
Es ist nicht nur
die Arbeitslosigkeit, und das passt ja zusammen: Gehen Karl-Heinz Grasser und
ich von einem Wachstum von 1,4 Prozent in diesem Jahr für Österreich aus,
hat das Institut für Weltwirtschaft der Uni Kiel gerade heute seine Prognose
für Deutschland auf 0,4 Prozent zurückgenommen.
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Der Vergleich macht uns sicher, wir sind mit dem
Standort und für den Standort Österreich auf besserem Kurs! (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
Der Wählerauftrag
des 24. November war für uns auch eine Bestätigung des Reformkurses der
letzten drei Jahre. Wir wollen diesen maßvollen Kurs der Deregulierung, der
Liberalisierung und der Flexibilisierung der Wirtschafts- und Arbeitswelt
weitergehen. Wir wollen den Standort Österreich in die Top Drei Europas
bringen, zum Teil sind wir schon dort. In Sachen Arbeitslosigkeit sind wir die
Drittbesten Europas, wenngleich uns jeder Arbeitslose zu viel ist.
In Sachen Wachstum
sind wir deutlich besser als unsere Nachbarn. Erstmals – und da bedanke
ich mich bei unserer Exportwirtschaft, zum Großteil mittelständisch
strukturiert –, erstmals seit Menschengedenken haben wir einen
Handelsbilanz- und auch einen Leistungsbilanzüberschuss; auch der Tourismus hat
seinen Anteil dazu beigetragen. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Dabei gilt unser
Ziel: wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch Vollbeschäftigung und höhere Beschäftigungsquoten
für diejenigen Berufsgruppen und Geschlechtergruppen, die unterrepräsentiert
sind. Das sind die Frauen, das sind die älteren Arbeitnehmer. Hier wollen wir
in vier Jahren deutlich höhere Beschäftigungsquoten haben als heute – bei
den Frauen sind es 65 Prozent.
Deswegen sagt die Bundesregierung jetzt und auch schon in den letzten Monaten, gerade jetzt, in der Talsohle der Konjunktur, in der Talsohle des Arbeitsmarktes, gilt es zu investieren. Gemeinsam mit den Sozialpartnern, die in diesem Prozess eine sehr wichtige Rolle spielen, haben wir ein Konjunkturpaket im September letzten Jahres in Höhe von nicht weniger als 1,1 Milliarden € beschlossen. Wir werden im Jahre 2005 kumuliert insgesamt 3 Milliarden € an Entlastungen an die Wirtschaft, an die Konsumenten weitergegeben haben. Wir werden – ich hoffe,
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 120 |
gemeinsam mit den Sozialpartnern – in Sachen
Arbeitszeitflexibilisierung entscheidende Fortschritte erzielen. Das betrifft
das Arbeitszeitgesetz, das Thema Ladenöffnung werden wir schon in Kürze ins
Parlament einbringen. Ich hoffe, dass das gesamte Hohe Haus beim Anspruch auf
Teilzeitarbeit für Eltern von Kindern im Vorschulalter mitgehen kann.
Wir widmen uns
besonders den Zielgruppen der jungen Arbeitnehmer und der älteren Arbeitnehmer:
Aktion 25/50. Warum? Weil in schwierigen Arbeitsmarktzeiten diese beiden
Bevölkerungs- und Altersgruppen stärker betroffen sind als andere. Nicht
weniger als zehn Punkte sind es, die hier zum Teil schon umgesetzt sind. Denken
Sie an das massive Qualifizierungsprogramm für junge Arbeitnehmer! Denken Sie
an das massive Programm zu Gunsten mittelständischer Betriebe im Sinne der
Lehrlingsausbildungsprämie! Hier soll ein Recht auf Qualifizierung für
arbeitslose Menschen unter 25 und über 50 hinzugefügt werden. Ich glaube, das
ist für die Sozialpartner ein interessanter Ansatzpunkt, ihre Verhandlungen zum
Thema Zumutbarkeit abzuschließen. Ein Altersübergangsgeld für jene Menschen,
die trotz aller Maßnahmen arbeitslos werden, am Ende ihrer Erwerbsbiographie
auf dem Weg zur Pension wird eine Abfederungsmaßnahme sein, die ganz im Sinne
der älteren Arbeitnehmer gelegen sein wird, meine sehr verehrten Damen und
Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Es bedarf, obwohl
es diesbezüglich in Österreich deutlich besser bestellt ist als in Deutschland,
in Frankreich oder anderswo, einer weiteren Flexibilisierung des
Arbeitsmarktes. Dazu liegen die Vorschläge der Experten des AMS bereits auf dem
Tisch.
Vieles von dem,
was Deutschland jetzt doch nicht umsetzt – Stichwort: Hartz –, haben
wir in Österreich längst verwirklicht. Aber wir sollten in Sachen
Frühwarnsystem, in Sachen Zielvorstellung, dass jeder Arbeitslose binnen
90 Tagen vermittelt sein sollte, in Sachen Arbeitslosenversicherung, in
Sachen Zugangsmöglichkeiten, und zwar nicht nur für Selbständige, sondern auch
für neue Gruppen von Arbeitnehmern, gemeinsam vorangehen. Das gilt auch für die
noch ausständigen Maßnahmen zur Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten.
In diesem Punkt setze ich ganz stark auf Sie, meine sehr verehrten Vertreter
der Sozialpartnerschaft, aber auch auf Sie, meine sehr verehrten Damen und
Herren des Hohen Hauses! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
14.31
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort
gemeldet ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Ihre Redezeit beträgt
5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.
14.31
Abgeordneter
Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Der Herr
Bundeskanzler hat heute in der Einleitung der Regierungserklärung gesagt:
„Diese Regierung
steht für eine Politik, die den Menschen nichts vorgaukelt, sondern eine Politik,
die die Dinge aufrichtig beim Namen nennt.“
Was müssen sich
die angesprochenen Menschen denken, wenn sie sich zurückerinnern – es ist
nun fünf Monate her, fast auf den Tag genau – an die Äußerungen der
derzeitigen Frau Bundesminister Rauch-Kallat, wonach es zu keiner Anhebung des
Frühpensionsantrittsalters kommen wird?
Was müssen sich
die Menschen denken, Herr Bundeskanzler, wenn Sie vor kurzem beim „Runden
Tisch“ in Übereinstimmung mit dem Vizekanzler auf die Frage: Wie geht es in
Österreich weiter?, gemeint haben – zu Recht gemeint haben! –: Wir
sind eines der reichsten Länder der Welt, da müssen wir uns doch – das ist
Ihre Formulierung – auch die Abfangjäger leisten können!, und fünf Minuten
später auf die Frage nach der sozialen Sicherheit gesagt haben: Da ist Sparen
angesagt!? (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)
Was müssen sich die Menschen denken, wenn man die soziale Sicherheit aller Österreicherinnen und Österreicher als nicht mehr finanzierbar darstellt, aber Abfangjäger als finanzierbar
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 121 |
bezeichnet? Das ist ein Widerspruch, meine sehr geehrten Damen und
Herren! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der
ÖVP.)
Wenn der Herr
Bundesminister soeben von der tragischen Entwicklung des Arbeitsmarktes in der
Bundesrepublik Deutschland sprach, dann weise ich auch auf die tragische
Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Österreich hin. Es ist nach wie vor ein
ungelöstes Problem, dass Jugendliche Ausbildungsplätze suchen und keine finden!
Es ist nach wie vor ein ungelöstes Problem, dass ältere Menschen, ab 40 und
50 Jahren, sich wochen-, ja monatelang um Arbeit bemühen, aber keine
Arbeit finden! Dennoch geht diese Bundesregierung her und sagt: Wir müssen bei
den Frühpensionen eine Verschärfung vornehmen, das ist nicht mehr finanzierbar!
Meine sehr
geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wo ist denn da der Mut
zur Lebensstandardsicherung? Wo ist denn da der Mut, tatsächlich das
umlagefinanzierte Pensionssystem auch für die Zukunft zu sichern? (Abg. Kopf:
Man braucht auch Geld dazu, nicht nur Mut!) Sie verweisen immer nur auf die
zweite und die dritte Säule!
Sie werden in
wenigen Wochen mit uns gemeinsam darüber zu diskutieren haben, wie es denn mit
der Zinsgarantie bei der so genannten privaten Pensionsvorsorge aussieht! Sie
werden mit uns gemeinsam darüber zu diskutieren haben, wie denn die
betriebliche Pensionsvorsorge in jenen Fällen, bei welchen heute schon beklagt
wird, dass mit fünf bis sieben Prozent Verlust der Betriebspensionen zu rechnen
ist, finanzierbar ist! (Beifall bei der SPÖ.) Da verlässt Sie nämlich
der Mut, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Abg.
Kopf: An der demographischen Entwicklung kommen auch Sie nicht vorbei!)
Wenn Sie die so
genannte „Hackler-Regelung“ als einen so großen Erfolg bezeichnen, möchte ich
Ihnen sagen: Wir werden gespannt sein, wie sie tatsächlich aussehen wird.
Vergessen wir nicht, dass nur 30 Prozent der Männer und nur
10 Prozent der Frauen, die derzeit in der Arbeitslosigkeit sind, den
Kriterien überhaupt entsprechen!
Was ist mit den
90 000 Männern und Frauen, die eben durch die derzeitige Arbeitsmarktsituation
ganz besonders betroffen sind? Was ist mit jenen, die im öffentlichen Dienst
abgebaut werden sollen? Setzt die Bundesregierung damit fort zu sagen: Wir sind
gegen Frühpensionierungen!, während sie im eigenen Bereich genau das macht mit
der „Aktion 55“, einem „golden handshake“ oder einer Karenzierung, damit man es
nicht merkt? – Das kann nicht die Politik der Zukunft sein, meine sehr
geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ
und bei Abgeordneten der Grünen.)
Die
Sozialdemokraten sind in dieser Frage nicht dafür, dass man nach dem Prinzip
„Geld eintreiben“, um eine Milliarde einzusparen, vorgeht und dann wieder
überfallsartig anhebt, während auf dem Arbeitsmarkt das Prinzip „Hoffnung“
gelten soll.
Haben wir doch den
Mut, Arbeitsmarkt und Pensionssystem miteinander zu koppeln! Wer hindert uns
daran zu sagen: Ab einer gewissen Entwicklung bei den Arbeitslosen gibt es eben
keine Weiterentwicklung der Frühpensionspläne, wie Sie sie vorhaben!? Haben Sie
doch den Mut dazu, solche Dinge anzugehen, dann werden wir eine andere
Situation haben als die, die wir heute vorfinden! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Es ist auch beim Gesundheitssystem so: Da wird
wieder der Verwaltungsaufwand in die Höhe getrieben. Sie wissen ganz genau,
dass Österreich einen extrem niedrigen Verwaltungsaufwand im Sozialbereich hat,
der noch dazu gedeckelt ist bis zum Jahr 2003, und zwar mit der Höhe der
Verwaltungskosten des Jahres 1999. Da können wir dann über Verschleuderungen im
Verwaltungssystem reden. Nehmen Sie doch Ihre eigenen Experten ernst, zum
Beispiel Herrn Direktor Wetscherek, der
sagt, Ihr Plan, dass die Unfallversicherung aufgeteilt werden soll, sei ein
falscher Weg!
Gehen wir doch den
Weg, mehr Kapazität in die Unfallversicherung zu bringen, die Kompetenz, die
dort vorhanden ist, zu erhalten, anstatt eine Aufteilung vorzunehmen, nur weil
es in Wirklichkeit in Ihre Farbenspiele hineinpasst! (Beifall bei der SPÖ
und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kopf: Jetzt widersprechen
Sie sich!)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 122 |
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Richtigerweise hat der Herr Bundesminister auf die
Aktionen für unter 25-Jährige und über 50-Jährige hingewiesen. Aber ich
wiederhole noch einmal: Wir vermissen konkrete Aktionen für Jugendliche und für
ältere Arbeitnehmer.
Weil die
Arbeitszeit angesprochen worden ist: Herr Bundesminister! Sie wissen mindestens
so gut wie ich, welche Flexibilisierungsmöglichkeiten wir heute schon im
Arbeitsrecht haben. Ihre Absichten sind nach wie vor evident: ein Normalarbeitstag
mit zehn Stunden und die Individualisierung des Arbeitszeitrechtes. – Das
ist nicht unser Weg! Der Kollektivvertrag muss mit dem
Arbeitszeitgesetz gemeinsam bestimmender Weg sein!
Wenn Sie im
Zusammenhang mit der Frage der Ladenöffnungszeiten auf die Samstagarbeit
hinweisen und sagen, es sei ein Zwang, dass nur jeden zweiten Samstag
gearbeitet werden soll (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn gibt das
Glockenzeichen) – ich bin schon beim Schlusssatz! –, dann muss
ich sagen: Dabei geht es um ein Recht, das dafür sorgt, dass auch
die Beschäftigten im Handel jeden zweiten Samstag frei haben.
So ähnlich verhält
es sich auch im gesamten Bereich der Industrie. Keine Verschleuderung, sondern
eine Weiterentwicklung des Industriesystems ist angesagt!
Leider fehlt mir
die Zeit, noch auf viele andere Punkte einzugehen. Aber ich freue mich auf
diese Auseinandersetzung hier im Hohen Haus, auf eine bessere Politik. (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.37
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist
Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.
14.37
Abgeordneter
Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Das ist eine sehr interessante
Diskussion. Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, dann behaupte ich, dass
dieses Programm der neuen Bundesregierung das nachhaltigste
Zukunftssicherungsprogramm ist, und zwar umfassend (Zwischenruf des Abg. Gradwohl), und kein Konzept der
Vergangenheit, lieber Heinz Gradwohl, Tarife zu erhöhen und Schulden zu
machen, sondern ein Konzept, über Reformen nachzudenken und Kraft zu beweisen. (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Mut und
Unternehmungsgeist und Reformkraft zeichnen dieses Programm aus und vor allem
die Ehrlichkeit, den Menschen zu sagen, was möglich und was nicht möglich ist.
Die Menschen draußen – das ist heute schon gesagt worden – sind viel
realitätsbewusster als so manches Mitglied hier im Hohen Haus. Lassen Sie mich
das auch sagen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Die Gespräche und
die Verhandlungen haben gezeigt, dass unser Bundeskanzler und mit ihm die ÖVP
jene Kraft ist, die mit allen reden kann – die Kraft der Mitte, die Themen
angehen kann. Meiner Meinung nach haben diese Gespräche einen positiven Aspekt,
weil Fragen der Nachhaltigkeit gesellschaftspolitisch sensibilisiert worden
sind und wir jetzt die Möglichkeit haben, hier auch entsprechende Akzente zu
setzen.
Ich sage auch ganz
offen als Bauernvertreter hier im Hohen Haus: Von all den möglichen Programmen,
die es gegeben hätte, ist das Programm, das wir jetzt mit der FPÖ zustande
gebracht haben, für die nachhaltige Einkommenssicherung der Bauern das beste! (Zwischenrufe
bei der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Wir stehen vor großen Herausforderungen: vor der EU-Erweiterung, vor den WTO-Verhandlungen und vor der GAP-Reform. Bei der GAP-Reform wird es notwendig sein, für die bäuerlichen Familien Planbarkeit und Sicherheit in die Programme aufzunehmen, damit sie auch in Zukunft den Anforderungen der Gesellschaft gerecht werden können, nämlich
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 123 |
sichere Lebensmittel zu produzieren (Beifall bei der ÖVP), diese
umweltgerecht zu produzieren, die Landschaft offen zu halten und auch
Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.
Ich bin sehr froh
darüber, dass in diesem Regierungsprogramm explizit das 3-Milliarden-€-Paket
für die bäuerlichen Familien abgesichert worden ist – das war mit der SPÖ
und mit den Grünen nicht möglich –, dass es eine Betriebsmitteloffensive
für die bäuerlichen Familien und eine Senkung des Agrardieselpreises geben
wird.
Ich bin auch sehr
froh darüber, dass ebenso die Themen des ländlichen Raumes angeschnitten worden
sind. Ich begrüße es, dass man abgeht vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel und
hingeht zu einem aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssel. (Beifall bei
der ÖVP.)
Nun zum Thema
„Ökologisierung des Steuersystems“.
Frau Abgeordnete
Glawischnig! Ich verstehe Sie gar nicht mehr und auch die Damen und Herren von
der SPÖ nicht! Ständig sagen wir: Schreiben wir die Nachhaltigkeit im
Steuersystem fest! Verändern wir unser Steuersystem dahin gehend, dass die
Menschen nicht unentwegt durch hohe Steuern und Abzüge bestraft werden, aber
jene, die die Umwelt belasten und die Ressourcen verbrauchen, belohnt werden,
indem sie fast keine Steuern zahlen! Jetzt machen wir einen ersten Ansatz in
Richtung Ökologisierung, und Sie sagen, wir würden die Menschen nur
belasten – und das in Anbetracht des Umstandes, dass
200 000 Österreicher entlastet werden!? (Abg. Mag. Wurm: Ausgehöhlt haben Sie den ländlichen Raum!)
Ich bin sehr froh
über diese Steuerreform – und das ist das Schlüsselinstrument zur Nutzung
auch unserer heimischen Potentiale, insbesondere der Biomasse, wo es möglich
ist, eine Technologieoffensive zu starten, um auf der einen Seite Arbeit zu
schaffen und auf der anderen Seite die Umwelt zu schützen. (Abg. Mag. Wurm:
Machen Sie es doch endlich!)
Ich hoffe, dass
Sie bei vielen der Punkte, die ich jetzt angesprochen habe, doch noch das Bewusstsein
bekommen, dass sie wichtig und richtig sind und letztendlich die
Lebensgrundlagen in Österreich sichern. (Beifall bei der ÖVP.)
14.41
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner
zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.
14.42
Abgeordneter
Karl Öllinger (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes
Haus! Ja, auch wir Grüne haben verhandelt. Viele hat es in Österreich gegeben,
die uns, die mich angesprochen haben, auch in den letzten Tagen noch, und
gesagt haben, es wäre doch wichtig gewesen, dass Grüne in eine Regierung gehen
und dort ein soziales Korrektiv für die ÖVP darstellen, das diese Partei
tatsächlich nicht mehr ist. (Abg. Mag. Molterer: Warum haben Sie
dagegen gestimmt?) Aber das setzt voraus, Herr Abgeordneter Molterer, die
Bereitschaft einer anderen Partei, die tief greifenden Probleme, die
Strukturprobleme dieses Landes zu erkennen, aber auch eine bestimmte Offenheit
gegenüber dem sozialen Bereich zu haben, und diese war leider nicht gegeben.
Ich werde Ihnen das am Beispiel Ihrer eigenen Vokabeln „zukunftsfest“,
„nachhaltig“ und „gerecht“ erklären. (Abg. Mag. Molterer: Ein
gutes Programm!) Das ist das Leitmotiv dieser Bundesregierung?
Wirklich? Am Beispiel der Pensionen?
Ich sage Ihnen, was es im Bereich der Pensionen ist: Es ist ein
Diebstahl an der Zukunft, wenn Sie durch die Abschaffung der Frühpension in der
Form, wie Sie es geplant haben, den jungen Menschen die Chance auf einen
Arbeitsplatz nehmen! Das ist es tatsächlich!
Sie wissen ganz genau – und das haben die Debatten der letzten
Wochen belegt –, dass es dann, wenn Sie die Frühpensionen abschaffen,
nicht nur ältere Arbeitslose geben wird, sondern auch viele junge, die keine
Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, und zwar gerade durch Ihre Budgetpolitik
bedingt. (Abg. Mag. Molterer: Sie kennen die Zahlen des Wifo!)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 124 |
Sie kennen die Zahlen, Herr Abgeordneter Molterer! (Abg. Mag. Molterer:
Besser als Sie!) Schon jetzt verteilt sich die Arbeitslosigkeit durch die
Erhöhung beim Frühpensionsalter gleichmäßig auf die Jüngeren und auf die
Älteren. Schon jetzt wissen wir aus verschiedenen internationalen Studien,
beispielsweise der OECD, dass die jungen Menschen in Österreich keine Chance
haben, dass wir in Österreich Entwicklungslandniveau haben, was den Zugang
junger Menschen zum Arbeitsmarkt betrifft (Abg. Kopf: Von welchem
Land sprechen Sie? Von Albanien?),
dass viele auch gut qualifizierte, aber vor allem schlecht qualifizierte
Jugendliche ... (Bundesminister Dr. Bartenstein: Wir haben
die zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit ...!)
„Education at a Glance“ – das sind Studien, die nicht von uns sind!
Da können Sie, Frau Bildungsministerin – sie ist momentan nicht
da –, nachlesen, dass wir eine sehr hohe Rate an jungen Menschen haben,
die nicht auf dem Arbeitsmarkt sind, die nicht im Bildungssystem sind, die zu
Hause sind und auf Hilfe warten. Ja, hören Sie denn nicht den Leuten zu?! Reden
Sie denn nicht mit den Leuten und bedenken Sie nicht, was es für manche junge
qualifizierte, aber auch unqualifizierte Menschen heißt, monatelang, ja
jahrelang auf einen Job zu warten, nach einem Job suchen zu müssen?! Lesen Sie
nicht Zeitungen?! Hören Sie nicht zu?! Sehen Sie nicht fern?! Sie können es
überall spüren, dass es für junge Menschen tatsächlich nicht mehr so einfach
ist, einen Job zu finden. Mit den Maßnahmen, die Sie jetzt setzen, begehen Sie
einen Diebstahl an der Zukunft dieser Jugend, meine Damen und Herren! (Abg.
Mag. Molterer: Wollen Sie die Älteren verdrängen? Sie spielen Jung
gegen Alt aus!)
Sie begehen aber auch einen Diebstahl an den älteren Menschen, wenn
wenige Monate oder Jahre vor ihrer Pensionierung für sie noch einmal das
Pensionsantrittsalter erhöht wird. Glauben Sie mir, in den letzten Wochen und
Monaten haben mir viele Menschen Briefe geschrieben, sie haben mir
vorgerechnet, was es für sie bedeutet – nicht nur durch die Erhöhung von
60 auf 61,5 Jahre, sondern auch durch die jetzt geplante Erhöhung –,
noch weitere Monate länger arbeiten zu müssen beziehungsweise arbeitslos
bleiben zu müssen, weil ihre ganze Lebensplanung, ihre Planung mit dem Betrieb
es gar nicht mehr ermöglicht, dass sie länger arbeiten. Die haben mir
vorgerechnet, was an Einkommensverlust dies für sie zur Folge hat. Das sind nicht
Beträge, bei welchen es um 10 000 S oder um 20 000 S geht,
sondern das sind Beträge, bei welchen es um 200 000 S oder
300 000 S geht, die die Menschen durch die Maßnahmen, die Sie jetzt
setzen, verlieren, wenn sie in der Arbeitslosigkeit bleiben müssen.
Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist Diebstahl an
der Zukunft, wenn Sie den Frauen die Pensionen um bis zu 30 Prozent im
Durchschnitt kürzen. Es wird sogar Frauen geben, die nicht nur eine
Pensionskürzung um 30 Prozent, sondern eine solche darüber hinaus werden
erleiden müssen – Frauen, die dann eine Eigenpension erhalten werden, die
unter der Ausgleichszulage liegen wird, die sie unter die Armutsgrenze treiben
wird. Ist das die „nachhaltige“ und „zukunftsfeste“ und „gerechte“ Sanierung
des Pensionssystems?
Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie haben sehr deutlich erklärt: Wir
wollen die erste Säule der Pensionsvorsorge, wir wollen das soziale
Pensionssystem herunterfahren, damit für private Zukunftsvorsorge Platz ist. (Abg.
Kopf: Das haben wir nicht gesagt! Woher haben Sie diese Aussage?) –
Damit geben Sie zu erkennen, dass Sie die Menschen ihre Altersvorsorge an der
Börse betreiben lassen. (Abg. Mag. Molterer: Das ist falsch! Sie
sagen die Unwahrheit!) Das ist der falsche Weg, denn
das ist keine nachhaltige Sanierung des Pensionssystems! Sie nehmen den
Menschen ihre Zukunft, egal ob sie jung oder alt sind. Das ist mit Sicherheit
der falsche Weg! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer:
Wider besseres Wissen sagen Sie die Unwahrheit!)
14.47
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Zu einer tatsächlichen
Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort
gemeldet. – Bitte.
14.47
Abgeordnete
Mag. Dr. Maria Theresia Fekter
(ÖVP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Öllinger hat soeben
behauptet, die ÖVP wolle das Pensionssystem in der ersten Säule herunterfahren,
damit Platz für private Vorsorge ist. – Das ist unrichtig,
Herr Kollege Öllinger!
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 125 |
Richtig ist: Die ÖVP und diese
Bundesregierung wollen diese erste Säule sichern, damit sie für die Bevölkerung
auch in Zukunft gesichert existiert. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
14.48
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner
zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann. – Bitte.
14.48
Abgeordneter
Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche): Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und
Herren des Hohen Hauses! Eine leistungsfähige, gesunde Wirtschaft ist die
Voraussetzung, dass auch in Hinkunft soziale Sicherheit gegeben ist. Diese
Regierung plant – sie hat es im Regierungsübereinkommen
festgeschrieben – eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen mit
einer Steuerfreigrenze von rund 14 500 €.
Gleichermaßen wird
es, und zwar in absehbarer Zeit, mit einer Beschlussfassung in diesem Jahr und
einer Umsetzung ab 1. Jänner 2004 zu einer erforderlichen Entlastung der
kleinen und mittleren Unternehmungen unseres Landes kommen, und zwar durch eine
Halbierung der Besteuerung nicht entnommener Gewinne. Das ist ein Erfordernis,
das, wie ich meine, im Sinne einer Eigenkapitalbildung, die in unserem Lande
für die kleinen und mittleren Unternehmen in besonderem Maße wichtig ist,
unabdingbar ist, und zwar auch in Anbetracht von „Basel II“, um den Erhalt der
Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Betriebe zu sichern.
Darüber hinaus ist
geplant – und ich darf mich an dieser Stelle für diese von mir oft gebetsmühlenartig
vorgetragene Bitte entschuldigen –, ein Unrecht zu beseitigen, nämlich die
13. Umsatzsteuervorauszahlung, diese Sondervorauszahlung endlich im
Jahr 2004 – nun festgeschrieben im Regierungsübereinkommen –
abzuschaffen. Das ist im Übrigen ein Unrecht, das als besondere Budgetkosmetik
unter der Regie eines sozialistischen Finanzministers beschlossen wurde, ein
Einmaleffekt, der heute, wenn er zurückgedreht wird, rund 1,7 Milliarden €
ausmacht, der aber Gott sei Dank keine Maastricht-Relevanz hat.
Außerdem wird es,
meine sehr geehrten Damen und Herren, zu einer Lohnnebenkostensenkung kommen,
die insbesondere eine Auswirkung auf den Aufwand für ältere Arbeitnehmer haben
wird. Das bedeutet für ältere Arbeitnehmer, dass ihre Arbeitsplätze in gewisser
Weise gesichert werden.
Voraussetzung
dafür sind stabile Staatsfinanzen, ist eine Budgetkonsolidierung, bei einer
gleichzeitigen Fortführung der Reformen, die in der letzten Gesetzgebungsperiode
begonnen wurden. Dass diese Reformmaßnahmen leichter in einer Zeit der
Hochkonjunktur, in einer Zeit einer positiven Konjunkturentwicklung zu
bewerkstelligen sind, ist verständlich. Diese – das wissen Sie –
finden wir leider nicht vor. Umso wesentlicher – und ich sage auch dazu:
umso erfreulicher – ist es, dass sich Entwicklungen auf Grund der Regierungstätigkeit,
auf Grund der Reformwilligkeit der letzten Bundesregierung ganz klar darstellen
lassen.
Beispielsweise gab
es 2001 das seit zehn Jahren geringste Außenhandelsdefizit, und nun haben wir,
wie wir gehört haben, einen Überschuss. Öffentliche Schulden wurden abgebaut,
und zwar wurden sie von 64,7 Prozent auf 62,7 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes abgesenkt. Darüber hinaus sind trotz der angespannten
Situation, die wir vorgefunden haben, die Infrastrukturmaßnahmen gesteigert
worden, und zwar immerhin im Ausmaß von 20,9 Prozent im Zeitraum von 1999
bis 2002. Wir haben also das gemacht, was die Oppositionsparteien immer wieder
eingefordert haben. In diesem Ausmaß sind Infrastrukturmaßnahmen in der Zeit
Ihrer Regierungsverantwortung leider nie gesetzt worden. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Sehr oft wurde heute in den Debattenbeiträgen moniert, dass gerade im Bereich der Forschung investiert werden muss. Da gebe ich Ihnen von der SPÖ grundsätzlich Recht, muss aber dazusagen: Sehen Sie sich die Entwicklung der Aufwendungen für den Forschungsbereich unter Ihrer Regierungsverantwortung an, und vergleichen Sie diese Entwicklung mit jener aus der Zeit der vorangegangenen Bundesregierung: Von 1999 bis 2002 erfuhren die Aufwendung eine
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 126 |
Steigerung um 16 Prozent. (Abg.
Gradwohl: Es hat eine Inflation der zuständigen Minister gegeben! Das
ist das Einzige, das ihr geschafft habt!)
Abschließend, sehr
geehrte Damen und Herren, wende ich mich noch dem Thema „Arbeitslose“ zu. Ich
möchte nicht verhehlen, dass selbstverständlich jeder Arbeitslose einer zu viel
ist. In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit werde ich den Vergleich nun nicht
mehr anstellen, aber Sie können sich ihn sehr wohl zu Gemüte führen, da die
Zahlen bekannt sind. Vergleichen Sie die Arbeitslosenrate mit jener im
EU-Durchschnitt! Vergleichen Sie die Arbeitslosenrate Österreichs mit jener der
Bundesrepublik Deutschland! – Da bleibt für mich die Schlussfolgerung:
Gott behüte uns vor Rot-Grün!
Ich wünsche dieser
Bundesregierung viel Erfolg bei ihrer Aufgabe, die Reformen, die sie in der
letzten Regierungsperiode begonnen hat, zum Wohle unseres Landes fortzusetzen.
Glück auf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
14.54
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Von der
Regierungsbank aus zu Wort gelangt Herr Bundesminister
Dr. Strasser. – Bitte.
14.54
Bundesminister
für Inneres Dr. Ernst Strasser:
Sehr geehrter Herr
Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der letzten
Regierungsperiode ist es der österreichischen Sicherheitsexekutive gelungen,
zum ersten Mal in der Geschichte der Republik unser Land Österreich zum
sichersten Land der Welt zu machen. Das ist ein großer Erfolg, für den der Dank
unseren Gendarmen und Polizisten gilt. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Österreich ist das
sicherste Land der Welt, weil wir darangegangen sind, Strukturen zu überprüfen,
die überholt waren, weil wir Reformen in Angriff genommen haben, die überfällig
waren, und weil wir die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass die
österreichische Sicherheitsexekutive international kompatibel ist. Das
haben wir jetzt geschafft!
In der kommenden
Legislaturperiode geht es darum, dass wir zwei zentrale Vorhaben umsetzen, die
wir in Weiterführung dieses Konzeptes eines sicheren Österreich vor uns haben.
Ich möchte die gute Gesprächsbasis aus den Sondierungsgesprächen und aus den
Regierungsverhandlungen und auch die Einladung zu einer guten Zusammenarbeit
mit dem Parlament, die hier mehrfach vom Rednerpult aus ergangen ist, gerne
aufgreifen. Die beiden Vorhaben, die vor uns stehen, sind in all diesen
Gesprächen unbestritten gewesen. Ich freue mich als jetzt wieder verantwortlicher
Minister für die innere Sicherheit sehr darüber, dass ein Grundkonsens über die
wichtigen innenpolitischen Sicherheitsfragen Österreichs hier im gesamten Forum
des Parlaments gegeben ist, und ich werde mir erlauben, die Fraktionsführer des
Innenausschusses zu Gesprächen über das Arbeitsübereinkommen und über die
Vorhaben innerhalb meines Bereichs einzuladen, um in den Grundsatzfragen der
inneren Sicherheit Österreichs eine gemeinsame Vorgangsweise zu finden.
Beide Punkte, die
wir auf der Agenda ganz oben finden, sind Punkte, die wir gemeinsam angehen
sollten. Das Erste ist die Zusammenführung von Polizei, Gendarmerie, Zollwache
und Schifffahrtspolizei. Da geht es darum, dass wir ein
Sicherheitsteam für Österreich schaffen wollen, das für die innere Sicherheit
Österreichs, für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung und für die
Sicherheit der Institutionen der Republik zur Verfügung steht. Dabei geht es
vor allem darum, dass wir in guten Gesprächen mit den Mitarbeitern und mit den
Personalvertretungen die Zusammenführung dieser Wachkörper innerhalb einer
Legislaturperiode zustande bringen, und dabei geht es mir auch darum, in guten
Gesprächen mit allen im Parlament sich befindlichen Fraktionen dafür zu sorgen,
dass wir ein Höchstmaß an Übereinstimmung finden. Die beste Organisation wäre
eine, die mittels Verfassungsbestimmung beschlossen werden könnte. Ich werde
mich jedenfalls bemühen, eine solche Regelung vorzuschlagen und auch mit Ihnen
zu besprechen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP
und den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 127 |
Zweiter Punkt:
Österreich hat in seiner Geschichte immer Menschen, die in Not waren, geholfen.
Österreich ist ein Asylland, und wir werden diese gute Tradition genauso
fortsetzen wie in der Vergangenheit, aber wir müssen sehr genau darauf achten,
dass unter dem Titel „Asyl“ keine versteckte Zuwanderung passiert, und um diese
Unterscheidung müssen wir uns in Zukunft und in dieser Legislaturperiode mehr
bemühen. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)
Unser Ziel ist es,
Asylverfahren zu beschleunigen und die Betreuung der Asylwerber durch
Auslagerung an Profis zu verbessern. Das macht einige Änderungen im Asylwesen
notwendig: die Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bei der Erstabklärung, die
Einstellungsmöglichkeit des Verfahrens, wenn sich Asylwerber dem Verfahren
entziehen, die gesetzliche Verankerung der Gepäcks- und Personenkontrolle und
einige andere Punkte.
Ich möchte drei
Prinzipien anführen, die bei dieser Aufgabe aus unserer Sicht unverzichtbar und
notwendig sind. Erstens: Wir müssen schneller sein, wenn es um den Schutz von
Flüchtlingen geht. Zweitens: Wir müssen genauer unterscheiden, ob es um Flucht
oder um Zuwanderung geht. Drittens: Wir werden selbstverständlich alles tun, um
im europäischen Kontext vorzugehen und in Abstimmung mit der Genfer
Flüchtlingskonvention unsere Regelungen zu treffen. Wir werden uns sehr darum
bemühen, dass es keine autarken österreichischen Lösungen gibt, sondern
Lösungen, die im Verbund mit den Entwicklungen in der Europäischen Gemeinschaft
stehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Hohes Haus! Über
unseren ambitionierten Pläne für die nächsten Jahre stehen drei klare Leitlinien,
die der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung bereits genannt hat:
engagiert für den Rechtsstaat, sensibel für die Menschenrechte und sehr
konsequent gegen die Kriminalität! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
15.00
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr
Bundesminister Hubert Gorbach. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr
Bundesminister.
15.00
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte
Damen und Herren! Hohes Haus! Das mit dem Regierungseintritt der FPÖ im
Jahre 2000 neu geschaffene Infrastrukturministerium ist ein
Schlüsselressort für den Standort Österreich und damit auch für die Bewältigung
der durch die politische Entwicklung auf uns zukommenden diesbezüglichen
Herausforderungen.
Infrastrukturpolitik
und Verkehrspolitik sind meiner Überzeugung nach strategische Managementaufgaben
unter sich laufend verändernden Verhältnissen – Aufgaben, denen ich mich
gerne widmen und wo ich meine bisher gesammelten Erfahrungen als Landes- und auch
als Bundespolitiker einbringen werde, die Ressourcen meiner Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter nützen und selbstverständlich auch meinen persönlichen vollen
Einsatz gerne mit einbringen werde.
Durch die
Bündelung aller Verkehrsträger gelang es erstmals, eine
verkehrsträgerübergreifende Planung und eine Abstimmung der
Infrastruktur-Investitionen in einem Generalverkehrsplan
sicherzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Ich stehe auch nicht an – weiß ich doch, welche Arbeit da dahinter
steckt –, diesbezüglich meinen Vorgängern recht herzlich zu danken. Diese
haben die Länder, haben Interessenvertreter, haben Autofahrerklubs, haben
Betroffene optimal eingebunden – und das, was herausgekommen ist, kann
sich sehen lassen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Herzlichen Dank
an Ing. Mathias Reichhold und Dr. Monika Forstinger. (Beifall
bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Wurm und Eder.)
Die Umsetzung und Weiterentwicklung dieses gewaltigen Infrastruktur-Investitionsprogramms im Umfang von immerhin 45 Milliarden € – in einer guten Aufteilung: 30 Milliarden € für die
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 128 |
Schiene und 15 Milliarden € für die
Straße – wird ein zentrales Aufgabengebiet der nächsten Jahre sein.
Der
Generalverkehrsplan wird aber nicht nur dazu gut sein, die heutigen und
morgigen Probleme des Verkehrsbereichs, ja den Verkehr überhaupt zu bewältigen,
sondern er ist auch dazu da, dass Lebensqualität erhöht wird, etwa in Form von
Lärmschutzmaßnahmen, in Form von Schaffung von Umfahrungswegen, und zwar
insbesondere dort, wo die Gefahr besteht, dass dicht besiedelte Gebiete allen
störenden Durchzugsverkehr aufnehmen sollten.
Heute, meine Damen
und Herren, ist beispielsweise der Baubescheid für den ersten Abschnitt der
Tullnerfeld-Trasse der Westbahn ergangen – ein Projekt, mit einem
Investitionsvolumen von mehr als 1 Milliarde €, wodurch nicht nur
sehr viele Arbeitsplätze in der Baubranche gesichert sind, sondern auch für
Tausende Pendler eine wesentliche Verbesserung der Verkehrssituation die Folge
sein wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ebenso wurde in
den letzten Tagen mit der Erlassung vorläufiger Trassenverordnungen für die Koralm-Bahn der planmäßige
Fortschritt dieses für den Südosten unseres Landes so wichtigen Projektes
sichergestellt. Es gibt natürlich mehrere Beispiele hiefür, so etwa auch in
Tirol, wenn es, in Fortsetzung des Unterinntal-Bahnausbaus, Ziel dieser
Bundesregierung ist, einen Beschluss für den Bau des Brenner-Basistunnels,
unter Einbeziehung der Europäischen Union und insbesondere Italiens, noch in
dieser Legislaturperiode zu fassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Auch im Straßenbaubereich gibt es viel zu tun. Der Lückenschluss im
hochrangigen Netz und auch der Bau von zweiten Tunnelröhren, in erster Linie
zur Erhöhung der Sicherheit, werden Schwerpunkte bilden beziehungsweise ist
dieser Ausbau ja bereits voll im Gange.
Neue
Verkehrsleitsysteme sollen eine verbesserte Abwicklung des Straßenverkehrs
ermöglichen. In diesem Zusammenhang starten wir gemeinsam mit der ASFINAG
gerade um Ballungszentren herum ein sehr ehrgeiziges und rasch abzuwickelndes
Ausbauprogramm. Dies muss alles unter einem Gesichtspunkt gesehen werden, der
lautet: rasche Abwicklung.
Das heißt, es muss zu einer Verfahrensbeschleunigung bei allen Vorhaben
kommen. – All das werden wir, wie gesagt, in Angriff nehmen.
Eine zusätzliche
Herausforderung liegt darin, sicherzustellen, dass zumindest der Verkehrszuwachs
tatsächlich auch vorrangig auf umweltfreundlichen Verkehrsträgern, also auf
Bahn und Schiff, abgewickelt werden kann. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.) Dazu
werden wir unnachgiebig darauf drängen, dass die im EU-Weißbuch vorgesehenen
Maßnahmen zur Wegekostenneugestaltung rasch umgesetzt werden.
Meine Damen und
Herren! Lassen Sie mich auch noch sagen, dass es natürlich unser aller Anstrengung
bedarf, den auslaufenden Transitvertrag, was eben die Öko-Punkte-Regelung
betrifft, so zu gestalten, dass eine annehmbare Übergangsregelung mit den
anderen EU-Mitgliedsländern gefunden wird.
Ich glaube, hier
sind wir alle ...
Präsident Dr. Andreas Khol:
Herr Minister,
würden Sie bitte zum Schlusssatz kommen!
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach (fortsetzend): Herr Präsident, lassen Sie mich noch sagen,
dass natürlich auch eine tief greifende Reform der ÖBB eingeleitet wird (Abg.
Eder: Die wurde schon eingeleitet,
vor drei Jahren!), um den ÖBB jenen Stellenwert zu geben, der diesen auch
zusteht, nämlich ein umweltfreundliches, gutes, sicheres und pünktliches
Unternehmen zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten
der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Eder.)
Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Bundesminister! An sich haben Sie das geschäftsordnungsmäßige Recht, hier 20 Minuten zu reden, aber es gibt eine Präsidialvereinbarung, die für alle
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Redner gilt. Sie können natürlich Ihr Recht in Anspruch nehmen, aber dann
brauchen wir keine Vereinbarungen mehr zu schließen.
Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach (fortsetzend): Ich bitte um Nachsicht, Herr
Präsident, komme zum Ende meiner Rede und möchte nur noch sagen: Ich freue mich
auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen, den Parlamentariern,
zum Wohle unseres Heimatlandes Österreich und seiner Bevölkerung. –
Herzlichen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der
ÖVP.)
15.07
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete
Bures. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.
15.07
Abgeordnete
Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister
Gorbach, mit dem Dank an Ihre Vorgänger haben Sie in Erinnerung gerufen, dass
Sie bereits der vierte Infrastrukturminister in nur drei Jahren sind. Es ist
daher geradezu spannend, darauf zu achten, wie lange Sie in
diesem Ressort bleiben werden. Sagen muss man: Die Bilanz dieses Ressorts ist
klar negativ; es hat gerade in diesem Ressort ganz besonderer Stillstand
geherrscht – das jedoch leider um sehr teures Geld. (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Wittauer: Das ist eine Unterstellung! – Weitere
Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Es wurde bereits
viele Stunden darüber diskutiert, was denn die Pläne dieser schwarz-blauen
Regierung sind. – Es ist dabei ganz klar ans Tageslicht gekommen, dass es
sich hiebei um eine Koalition der Vergangenheit, um eine Koalition der
Unsicherheit, aber vor allem mit Ihrem Regierungsprogramm um eine Koalition der
Überschriften handelt. (Rufe bei der ÖVP: Nichts als
Schlagworte von Ihnen ...!)
Es fehlt Ihnen
ganz offensichtlich der Mut zu großen und notwendigen Reformen, Reformen, die
Österreich gebraucht hätte, eben auf Grund des Reformstaus, den Sie verursacht
haben, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Koalitionsparteien! (Beifall
bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Diesen Stau haben Sie von der SPÖ
verursacht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Sie haben die Chance
vertan, Österreich auf einen neuen Modernisierungskurs zu führen, und Sie haben
auch die Chance vertan, für Stabilität zu sorgen. (Ironische Heiterkeit bei
den Freiheitlichen und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es fehlt Ihnen
leider – auch wenn Sie jetzt ständig dazwischenrufen – an positiven
Ideen für dieses Land, an Ideen, die Österreich gerade jetzt dringend brauchen
würde. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kopf: Sagen Sie doch einmal
etwas! Nur Schlagworte ...!)
Alles, was da von
Ihnen gekommen ist, ist nichts Neues. Alles, was Sie heute hier präsentiert
haben, kennen wir, kennen die Österreicherinnen und Österreicher bereits. Es
geht bei Ihnen nur um Belastungen, um Belastungen, die ebenso ungerecht wie
phantasielos sind! Und: Sie schieben Verantwortung ab! Das ist geradezu Ihre
Lieblingsbeschäftigung! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich sage Ihnen
Folgendes: Verantwortung abzuschieben ist es, wenn Sie zum Beispiel in Bezug
auf einzuführende Selbstbehalte das den Krankenversicherungsträgern
zuzuschieben versuchen!
Verantwortung
abzuschieben ist es auch, wenn Sie in Bezug auf geänderte Ladenöffnungszeiten
sagen: Na sollen das halt die Landeshauptleute regeln!
Verantwortung abzuschieben ist es, wenn Sie beispielsweise auf dem Prestigeprojekt Abfangjäger beharren, auf Abfangjäger, die niemand in Österreich will, die aber die nächsten Regierungen beziehungsweise nächste Generationen zahlen sollen. Das ist verantwortungslose Politik – eine Politik, die wir Sozialdemokraten ablehnen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wittauer: Denken
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 130 |
Sie
nach, wer das beschlossen hat! – Weitere Zwischenrufe bei den
Freiheitlichen und der ÖVP.)
Ganz besonders
betroffen von dieser Ihrer verantwortungslosen Politik bin ich, was den Bereich
Gesundheit betrifft. Schauen wir uns doch an, was diese Regierung im Umgang mit
kranken Menschen vorhat! Anstatt Strukturreformen, die notwendig gewesen wären,
zu planen, um das Gesundheitssystem nachhaltig zu sichern, haben Sie lediglich
platte Ideen, und es wird weiter herumgedoktert, wie das ja die
Österreicherinnen und Österreicher von Ihnen schon kennen. Jämmerliches
Beispiel dafür: die Einführung der Ambulanzgebühren. (Beifall bei der SPÖ.)
Das Einzige, das
Ihnen von ÖVP und FPÖ im Bereich der Gesundheitspolitik einfällt, ist die
ideenlose Einführung von unsozialen Selbstbehalten – und
das ist eben das nächste unwürdige Kapitel, gleich nach den unwürdigen und
sinnlosen Ambulanzgebühren, die Sie ebenfalls eingeführt haben. (Abg. Kopf:
Wie sehen Ihre Ideen aus? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Ich meine, es ist
zwar wert, eine Diskussion über Selbstbehalte zu führen, möchte aber schon in
Erinnerung rufen, dass es bereits jetzt 1 Milliarde € an Einnahmen
aus diversen Selbstbehalten gibt. Das heißt, der Plafond ist erreicht, meine
sehr geehrten Damen und Herren! (Zwischenrufe des Abg. Kopf.)
Aus einer
OECD-Studie geht hervor, dass Österreich, was Privat-Zuzahlungen zum Gesundheitssystem
betrifft, an der Spitze liegt! Es kann daher doch nicht darum gehen, das noch
auszubauen, sondern es geht um eine kreative, um eine mutige Reform – und
nicht um ideenlose Selbstbehalte, wie Sie von ÖVP und FPÖ sie einführen wollen!
(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kopf: Wie sehen denn Ihre kreativen
Ideen aus?)
Viele Fernsehzuschauer
werden jetzt womöglich – es gibt ja eine Grippewelle in Österreich –
vor dem Fernseher sitzen, und die können sich ja ausrechnen, was Sie von ÖVP
und FPÖ von ihnen verlangen: zig Euro für den Besuch beim Arzt,
zig Euro für einen Hausbesuch, zig Euro, wenn man zum Beispiel ein
Lungenröntgen braucht – abgesehen von den Rezeptgebühren. (Zwischenrufe
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Das Traurige daran
ist, meine sehr geehrten Damen und Herren: Für viele Menschen wird Kranksein
eine teure Angelegenheit werden, und sie können sich diese Selbstbehalte nicht
leisten – im Unterschied zu Ihnen (in Richtung ÖVP), Frau
Abgeordnete! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir von der SPÖ
lehnen den Kurs, den Sie einschlagen, nämlich jenen in Richtung einer
Zwei-Klassen-Medizin, ab! Wir sind für einen offenen Zugang zur medizinischen
Versorgung für alle Menschen, und zwar unabhängig
vom Einkommen. – Sie von den Koalitionsparteien haben die Chance auf eine
große Reform für Österreich leider vertan! (Zwischenrufe des Abg. Wittauer.)
Wir von der SPÖ
haben zwölf Initiativen zur Modernisierung Österreichs präsentiert. Das wären
nachhaltige Strukturreformen gewesen, und das hätte mehr Gerechtigkeit und mehr
Fairness in Österreich bedeutet. (Rufe bei den Freiheitlichen: Eure
Sanierung haben wir ja gesehen ...! – Gegenrufe bei der SPÖ.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Für alle Menschen wird alles teurer – nur diese
Regierung wird größer und für die Bevölkerung teurer! Bei der
Regierungsbildung spielt Geld ganz offensichtlich keine Rolle!
Diese
Regierung – wir werden sie an ihren Taten messen – zeigt heute
leider, dass sie eine sehr ideenlose und vor allem eine sehr mutlose Regierung
ist! Und das ist schade für Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)
15.12
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr – mit
einer Redezeit von 5 Minuten – Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte. (Abg.
Dipl.-Ing. Kummerer: Der kann sich die Ambulanzgebühren leisten!)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 131 |
15.13
Abgeordneter
Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren von der Bundesregierung! Geschätzte Damen und Herren! Nachdem ich
mir mehrere SPÖ-Redner angehört habe – die des Parteivorsitzenden
Gusenbauer, weiters von Präsident Verzetnitsch oder jetzt von der Frau
Bundesgeschäftsführerin der SPÖ –, muss ich sagen: Da beginnt man zu
verstehen – und so wird es nicht nur mir gehen, sondern, so nehme ich an,
vielen hier im Saale –, warum die SPÖ nicht in der Lage war, mit uns eine
Regierung zu bilden.
Sosehr Herr
Kollege Gusenbauer noch differenziert argumentiert hat – das möchte ich
positiv hervorheben –, sosehr er verschiedene Aspekte positiv
herausgestrichen hat, hörte ich von ihm nachfolgenden Rednern der SPÖ
eigentlich nur noch: Ideenlosigkeit, Mutlosigkeit, Verteufelung von vorne bis
hinten. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eder: Genau!
So ist es!)
Bei der SPÖ also
nur noch fehlende Konstruktivität, fehlende Konstruktivität an allen Ecken und
Enden; ebenso fehlende Bereitschaft, sich mit den Dingen im Detail auseinander
zu setzen! Das ist pure Demagogie und hat mit ausgewogener politischer
Diskussion absolut nichts zu tun! – Mit einer solchen Partei
kann man wirklich nicht regieren! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren von der SPÖ, was wäre denn Ihre Alternative? – Die Gesundheitskosten
steigen jährlich um 7 bis 10 Prozent. Was wäre Ihre
Alternative? –Zuschauen?! Wer soll denn das bitte bezahlen? (Abg.
Mag. Prammer: Jedenfalls nicht die Kranken!) Reformen im System
sind angesagt!
Das Lebensalter,
die Lebenserwartung der Menschen steigt alle zehn Jahre um ein Jahr. Was sollen
wir tun? – Zuschauen?! Oder sollen wir Ihren Vorschlag aufgreifen, meine
Damen und Herren von der SPÖ, und die Beiträge erhöhen? Sollen wir das tun (Rufe
bei der SPÖ: Abfangjäger!) – und das bei einer Steuer- und
Abgabenquote, nicht zuletzt durch 30 Jahre Sozialdemokratie verursacht,
die heute schon bei 44 Prozent liegt? Sollen wir diese noch
anheben? – Nein, sage ich Ihnen, das tun wir nicht! (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Wer bezahlt die
Abfangjäger?)
Meine Damen und
Herren! Es ist ehrlich, den Menschen zu sagen, was Sache ist. Sache ist, die
Lebenserwartung steigt alle zehn Jahre um ein Jahr. Sache ist, die Verweildauer
der Menschen in der Pension wird immer länger. Man muss daher jenen Menschen,
die in Pension gehen und sichere Pensionen haben wollen, sagen, dass man, was
die Leistungsbereitschaft junger arbeitender Menschen anlangt, diese Menschen
nicht beliebig hoch mit Steuern und Abgaben belasten kann. – Das ist die
Wahrheit, meine Damen und Herren!
Deswegen kann man
es nur als verantwortungsvoll bezeichnen, in einem Pensionssystem
moderatest – im nächsten Jahr um vier Monate: vom 1. Jänner bis zum
31. Dezember – das Antrittsalter um vier Monate anzuheben! Sie von
der SPÖ malen doch hier einen Teufel an die Wand, den es nicht gibt! (Zwischenrufe
bei der SPÖ.) Und die ganze Anhebung des Pensionsantrittsalters bis zum
Regelpensionsalter ... (Abg. Silhavy: Und was ist mit der
Durchrechnung ...?)
Frau Kollegin,
geben Sie doch bitte einmal Ruhe! Ein Zwischenruf ist ja nett, aber ständiges
Dazwischenreden, wie Sie von der SPÖ es tun, geht doch wirklich nicht! Sie,
Frau Kollegin Silhavy, kommen doch nachher ohnehin zu Wort! Warten Sie doch
darauf! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren! Es wird diese Anhebung auf das Regelpensionsalter bis zum
Jahre 2010 in sehr moderaten Teilschritten erfolgen. Daher: Das ist
Verantwortung, das heißt aber auch Mut, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Und
ich meine weiters: Das ist verantwortungsvolle Politik!
Schauen Sie sich doch bitte die diesbezüglichen Zahlen an! Die demographische Entwicklung wird doch so sein, dass wir auf dem Arbeitsmarkt in den Jahren 2008, 2010 die umgekehrten Vorzeichen von heute haben werden. Das heißt, wir arbeiten mit der leichten, moderaten An-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 132 |
hebung des Pensionsalters genau auf jenen Zeitpunkt hin,
zu dem uns die Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt fehlen werden!
Das sagen doch wirklich alle Experten, dass dem so sein wird!
Darum sage ich
Ihnen von der SPÖ: Tun Sie doch nicht so, als ob wir der Bevölkerung jetzt
etwas antun würden! Genau das Gegenteil ist doch der Fall: Wir nehmen hiemit
unsere Verantwortung als Politiker wahr und sichern das so wichtige, wertvolle
und gute Pensionssystem in Österreich auch für nachfolgende Generationen ab! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren, zum Schlusssatz: Was wir aber brauchen, um die sozialen Systeme für die
Zukunft absichern zu können – der Herr Bundeskanzler hat dies ja in seiner
Regierungserklärung bereits gesagt –, ist eine gute wirtschaftliche
Entwicklung, ist eine stabile Wirtschaft (Präsident Dr. Khol
gibt das Glockenzeichen), um diese Sozialsysteme finanzieren zu können.
Ich denke –
ich bin schon beim Schlusssatz, Herr Präsident –, dass dieses
Regierungsprogramm eine Vielzahl positiver und, wie uns auch Experten sagen,
in die richtige Richtung gehender wirtschaftspolitischer Incentives und
Maßnahmen beinhaltet, die genau das unterstützen, was wir zur Sicherung
unserer Sozialsysteme brauchen: ein ausreichendes Wirtschaftswachstum! –
Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
15.18
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu einer tatsächlichen
Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Wurm zu Wort gemeldet.
Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung: In zwei
Minuten stellen Sie bitte zuerst den zu berichtigenden Sachverhalt dar und dann
den richtigen. – Bitte.
15.19
Abgeordnete
Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Danke, Herr Präsident. –
Herr Abgeordneter Kopf hat behauptet, dass diese Regierung die
Krankenversicherungsbeiträge nicht erhöhen werde. (Abg. Kopf: Herr
Präsident! Das ist eine falsche Behauptung! – Rufe bei der ÖVP: Das hat er
nicht gesagt! – Gegenrufe bei der SPÖ.)
Ich berichtige
tatsächlich, dass diese Regierung die Krankenversicherungsbeiträge erhöht, und
zwar bei den Pensionisten, bei den Angestellten, dass sie daher nicht nur
Selbstbehalte einführt, sondern auch die Beiträge erhöht. (Beifall bei der
SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Was war das jetzt? Da müsste man doch eine
Berichtigung der Berichtigung machen!)
15.19
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr als nächste
Rednerin Frau Abgeordnete Dr. Lichtenberger, die auch 5 Minuten zu
uns sprechen wird. – Bitte, Frau Abgeordnete.
15.20
Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Kurz vor mir haben nun zwei
Minister gesprochen, die für eines der großen Zukunftsthemen in einigen
Bereichen gemeinsam verantwortlich sind: der „Herr Minister Sicherheit“ und der
„Herr Minister Verkehr“. Ich glaube, dass diese Ausführungen und die
Feststellungen zur künftigen Verkehrs- und Verkehrssicherheitspolitik im
Regierungsprogramm, das uns heute vorliegt, wichtig sind, dass sie so wichtig sind,
dass sie in diesem Haus diskutiert werden sollten.
Herr Bundesminister Gorbach! Ich habe Sie bis jetzt aus Vorarlberg ja eher als einen sehr asphaltverliebten Landesrat kennen gelernt (Heiterkeit bei den Freiheitlichen), der Straßenbauprojekte, die klar der Alpenkonvention widersprechen, immer wieder forciert hat, und das gegen alle Widerstände von Anrainern. Ich erlebe Sie heute als einen neuen Minister, der erzählt, dass bei der Entwicklung des so genannten Generalverkehrsplanes alle eingebunden worden seien, und der dann von der Wirtschaft bis zum Straßenbau alle aufzählt. Eine Gruppe haben Sie, Herr Minister, heute aber natürlich vergessen, eine Gruppe, die ich für eine der zentralen und wichtigsten halte, nämlich die der Anrainer. Die Anrainerinnen und Anrainer von stark befahre-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 133 |
nen Transitstraßen, Transitstrecken waren nicht
in die Werdung dieses Generalverkehrsplanes eingebunden, und genau so
schaut dieser auch aus.
Herr
Bundesminister! Ich sehe leider in Ihren Zielsetzungen, die Sie heute geschildert
haben, keine Umkehr. Ich sehe, dass Sie nach wie vor die Illusion pflegen, es
sei Geld für die Bahn da, es sei sehr viel Geld für die Bahn da, und die Hälfte
für die Straße. Sie vergessen aber, dazu zu sagen, dass – und das wird
deutlich, wenn man sich die Finanzierung konkret anschaut – bezüglich der
Finanzierung ein großer Unterschied zwischen Straße und Bahn besteht: Was die
Straße angeht, ist die Finanzierung nämlich gesichert, bezüglich der Bahn steht
sie in den Sternen.
Und wenn Sie heute
ankündigen, dass zum 736. Mal der Beschluss unterschrieben werden soll,
dass man jetzt den Brenner-Basistunnel doch baut, sage ich Ihnen, dass das zur
Lösung des Transitproblems in unserem Land überhaupt nichts
beitragen wird. Diese Unterschrift wird nur eine in einer langen Serie von
Unterschriften sein, die bis jetzt überhaupt nichts bewirkt haben.
Meine Damen und
Herren! Das Programm dieser Bundesregierung im Verkehrsbereich ist eines der
Kapitel, dem die Nachhaltigkeit am allerdeutlichsten fehlt.
Nachhaltige Orientierung, Orientierung an den Klimaschutzzielen ist im
Verkehrsbereich schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Die Kyoto-Ziele sind
nicht einhaltbar, wenn Sie, Herr Minister, den Straßenbau so stark bevorzugen,
wie es sowohl programmatisch als auch aus Ihrer Rede erkennbar war, denn jeden
Gewinn, den uns Industrie und Hausbrand in Sachen Emissionsentlastung bringen,
frisst uns der Straßenverkehr ja sofort wieder auf, und er überkompensiert ihn.
Wir werden die Kyoto-Ziele nie erreichen, wenn wir nicht offensiv auf bessere
Förderungen für öffentliche Verkehre setzen, auf eine gesicherte Mobilität für
alle, nicht nur für Autofahrer. Und das, Herr Minister, müssen Sie jetzt noch
schaffen, das müssen Sie in Ihr Programm noch integrieren. (Beifall bei den
Grünen.)
Sie sprechen von
Verfahrensbeschleunigung, und in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen Folgendes
ans Herz legen: Das Verfahren, das wir am dringendsten beschleunigen müssen,
ist das zur IG-Luft, nämlich dass von dem Jahr an, in dem die Überschreitungen
der Grenzwerte gemessen wurden, bis zum Eintritt von Maßnahmen nicht wieder
zwei, drei Jahre vergehen müssen, bis die Menschen entlang der Transitstrecken
endlich wieder frei atmen können.
Meine Damen und
Herren! Herr Bundesminister! Das ist eine zentrale Aufgabe. (Beifall bei den
Grünen.)
Ich möchte nun
einen Antrag einbringen, der ein wichtiges Thema, das für beide Minister ein
zentrales sein sollte, betrifft, nämlich die Frage der Verkehrssicherheit.
Dabei geht es mir in erster Linie um eines der brennendsten Probleme. Wir haben
gerade in den letzten Tagen wieder die Kontrollberichte von
Fahrzeitüberschreitungen betreffend LKW-Lenker gelesen. (Präsident Dr. Khol
gibt das Glockenzeichen.) Ich verlange in diesem Antrag den Ausbau
eines Kontrollnetzes, eines Netzes von Kontrollstellen, wo Fahrzeugzustand,
Überladungen und vor allem die Arbeitsbedingungen und die Einhaltung der
Lenkzeiten von LKW-Fahrern geprüft werden. Das halte ich für mehr als dringend
und überfällig.
Zusätzlich müssen
wir auch noch ...
Präsident Dr. Andreas Khol:
Frau Abgeordnete!
Der Antrag hat nur zwei Zeilen. Lesen Sie diesen bitte vor, dann ist er
eingebracht. Sie sind 45 Sekunden über der Redezeit!
Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (fortsetzend): Bitte um Verzeihung, ich habe geglaubt, das Licht
hat später zu blinken begonnen.
Ich bringe hiemit
folgenden Antrag ein:
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 134 |
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein entsprechend ausgestaltetes
Kontrollstellennetz für den LKW-Verkehr
Der Nationalrat
wolle beschließen:
Die
Bundesregierung wird aufgefordert, zur effizienten Kontrolle des LKW-Verkehrs
entsprechend ausgestaltete Kontrollstellen in ausreichender Zahl einzurichten.
*****
Meine Damen und
Herren! Das betrifft uns alle, und das ist etwas, was Österreich sicherer
macht, und zwar auch auf unseren Autobahnen und vom Schwerverkehr überlasteten
Strecken. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
15.27
Präsident Dr. Andreas Khol:
Der von Frau
Abgeordneter Lichtenberger, Freundinnen und Freunde eingebrachte
Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Mainoni. 5 Minuten Redezeit. –
Bitte.
15.27
Abgeordneter Mag. Eduard Mainoni (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder
dieser Bundesregierung! Hohes Haus! Gerade die Äußerungen der Grünen geben mir
Gelegenheit, diese seltsame Politik der Grünen in den vergangenen Monaten doch
etwas näher zu beleuchten und den Österreicherinnen und Österreichern näher zu
bringen.
Man liest, Herr
Klubobmann Van der Bellen sei müde, er sei erschöpft. Er mache eine Schaffenspause,
eine schöpferische Pause, sagen gewogene Medien. Und seiner Rede war es auch
anzumerken: Er ist müde. Er hat aber tatsächlich einen Grund, müde zu sein. Ein
derartiger politischer Slalom, wie Sie von den Grünen ihn in den vergangenen
Monaten gefahren sind, ist wahrlich ermüdend, Herr Klubobmann Van der Bellen! (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Eine Chronologie
dieser kräfteraubenden Slalomfahrt – und man berichtige mich bitte, wenn
etwas daran nicht stimmt –:
Am
26. November, zwei Tage nach der Wahl: Erweiterter Bundesvorstand der
Grünen. Die Grünen legen sich auf eine Oppositionsrolle fest. –
Man war wahrscheinlich mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden.
Am
4. Dezember, nur acht Tage später: Herr Van der Bellen relativiert die
Oppositionsansage und nominiert vorsichtshalber ein sechsköpfiges Team.
Am
13. Dezember, wieder einige Tage später: Erweiterter Parteivorstand der
Grünen für Koalitionsverhandlungen – also genau das
Gegenteil von dem, was 14 Tage vorher war.
Am
17. Dezember, also noch vor den wohlverdienten Weihnachtsferien, Herr
Klubobmann: Die Grünen brechen die Gespräche mit der ÖVP ab – also wieder
eine Kehrtwendung um 180 Grad!
Man trat bei den
Grünen in die wohlverdienten Weihnachtsferien, und am 27. Jänner geht es
mit der Slalomfahrt weiter: Der Bundeskanzler
lädt Herrn Klubobmann Van der Bellen zu einem Gespräch ein, und dieser nimmt
die Einladung gerne an.
Am 5. Februar
dann wieder ein erweiterter Bundesvorstand der Grünen – das muss ein recht
interessantes Gremium sein, das immer wieder etwas anderes entscheidet –:
21 : 8 für Koalitionsgespräche.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 135 |
Am
10. Februar schließlich, fünf Tage später: die Zerreißprobe, der Putsch
der Wiener Grünen. Sie fordern den Abbruch der Verhandlungen.
Und am
16. Februar schließlich der Sieg der Linken, des marxistischen Flügels der
Grünen (Heiterkeit bei den Grünen): Die Verhandlungen werden beendet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Sehr geehrte Damen
und Herren! Binnen zwei Monaten eine derartige Slalomfahrt: Opposition,
vielleicht doch nicht, Koalition, Opposition, Koalition und am Ende wieder
Opposition – das ist ein Hort der Zerrissenheit, das ist ein Hort der Uneinigkeit.
Sie, die Grünen, werden unsere Reformvorhaben in Ihrem Stil, in Ihrer Art
sicherlich nicht behindern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich komme zum
Inhalt – und ich möchte als Erstes das Thema innere Sicherheit nur
stichwortartig ansprechen und einige Punkte herausgreifen.
Zu den
Asylverfahren: Diese gehören reformiert, gehören vor allem im Sinne der Asyl
Suchenden, aber auch der österreichischen Bevölkerung beschleunigt. Schluss
mit der vorzeitigen Einbürgerung, meine Damen und Herren, dieser Unart, die
sich vor allem in Wien breit gemacht hat, dass man jeden, der einen Antrag
stellt, nicht einmal Deutsch kann, geschweige denn unsere Gesetze, unsere
Gewohnheiten und dergleichen kennt, sofort einbürgert, sofort die
Staatsbürgerschaft verleiht! Wir werden in dieser Gesetzgebungsperiode auch
darauf schauen, dass das Staatsbürgerschaftsgesetz eingehalten wird. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Ein weiterer
Punkt: Integration von Ausländern vor Neuzuzug.
Die
Kriminalitätsbekämpfung ist selbstverständlich ein Kernthema, siehe
organisierte Kriminalität, Drogen.
Reform des
Versammlungsgesetzes – vielleicht nur ein Detail, aber ein doch sehr
wichtiges Detail. Herr Abgeordneter Öllinger – er ist jetzt gerade nicht
hier –, aber auch Herr Abgeordneter Pilz werden das wissen: In der
vergangenen Legislaturperiode haben doch munter Demonstrationen stattgefunden,
die überhaupt nicht angemeldet waren. Da war es geradezu üblich, dass es
Demonstrationen mit Gewaltdelikten gab, ohne dass man diese Demonstrationen
angemeldet hat. – Das wird es in Zukunft in Österreich auch
nicht mehr geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Zum Thema
Verkehr. – Dem öffentlichen Verkehr ist Priorität einzuräumen. Es wird in
dieser Gesetzgebungsperiode eine entsprechende Qualitätsoffensive geben. Der
Individualverkehr hat allerdings große Themen zu bewältigen – Beispiel:
die derzeitige Transithölle in Westösterreich. Hier ist die Regierung
gefordert, die österreichische Lösung hart zu vertreten. Aber
auch die EU-Osterweiterung bringt eine riesige Verkehrslawine – und die
wird auf uns zurollen. (Abg. Eder: Was macht ihr denn dagegen?) Der
Straßengüterverkehr wird bis 2015 von Tschechien um 238 Prozent, von Polen
um 241 Prozent und von der Slowakei nach Österreich sogar um
781 Prozent steigen. Das wird eine Verkehrslawine von Ost nach West, meine
sehr geehrten Damen und Herren, aber ich bin zuversichtlich: Es bedarf einer
konsequenten und zukunftsorientierten Politik, und diese Regierung wird das
schaffen! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
15.32
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt
nunmehr Frau Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. – Bitte, Frau
Bundesministerin.
15.32
Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Nach der erfolgreichen Beschließung der Erweiterungsverhandlungen ist Österreich als starkes Herz in Mitteleuropa in einer ausgezeichneten außenpolitischen Situation. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist auch Kontinuität in der
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 136 |
Außenpolitik selbstverständlich, und deshalb ist auch nicht jedes Wort im
Regierungsprogramm ausformuliert.
Was können wir
damit erreichen? – Verstärkte Stabilität und Sicherheit in Europa, in
unserer unmittelbaren Umgebung und selbstverständlich für die österreichische
Bevölkerung.
Lassen Sie mich
auf Grund der gebotenen Kürze der Zeit sechs Punkte herausgreifen, die mir
besonders wichtig sind:
Zum Ersten: die
Erweiterung. Die Erweiterung wird ein Erfolg, und das können gerade wir am besten sagen. Deshalb
werde ich mich dafür einsetzen, dass wir den Ratifikationsprozess möglichst
rasch vorantreiben.
Zum Zweiten: Die
regionale Partnerschaft, die ich ja schon im Vorfeld angedacht habe und wo ich
den Kolleginnen und Kollegen danke, dass sie mitgemacht haben, in der
Sicherheit, im Verkehr, in Wirtschaft, Arbeit, Kultur et cetera, wird nun zur
vollen Entfaltung gelangen. Das ist
für uns enorm wichtig.
Meine Damen und
Herren! Wir müssen Europa neu denken.
Was heißt das? – Wir müssen im Zukunftskonvent jetzt die entscheidenden
Fragen anpacken, denn jetzt kommt die wichtige Phase.
Ich habe bei den
Regierungsverhandlungen festgestellt, dass wir diesbezüglich einander relativ
nahe sind. Ich halte es für sehr, sehr wichtig, und ich möchte Sie einladen,
jeweils einen Vertreter der politischen Parteien, mit dem Kollegen Farnleitner
und mit mir zusammen dieses Thema abzuhandeln. Wir wollen hier gemeinsam
vorangehen.
Was ist mir dabei
wichtig? – Vor allem eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die in
der Zukunft mehr mit einer
Stimme sprechen kann als jetzt. Wir sehen bei der Irak-Krise, wie wichtig das
ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Ich möchte aber
auch in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vorangehen und
hoffe, dass es auch hier gelingt, einen modernen, einen zukunftsbereiten Ansatz
zu finden.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren, was ist der dritte Punkt? – Europa neu denken
heißt natürlich auch, Südosteuropa anzusprechen. Das heißt über diesen ersten
Kreis hinausgehen. Das heißt auch, Kroatien zu unterstützen, das den ersten
Beitrittsantrag gestellt hat. Da möchte ich, dass der Avis möglichst zügig kommt.
Das heißt aber selbstverständlich auch, nach wie vor den gesamten Raum zu
unterstützen – durch den Stabilitätspakt und Dr. Busek, durch die
OSZE, wo wir sehr viele Möglichkeiten haben, durch den Europarat und
selbstverständlich auch durch die ZEI, die Zentraleuropäische Initiative.
Übrigens: Bei all
diesen Organisationen haben wir Österreicher in Leitungsfunktionen, und ich
freue mich darüber! Und das hat sich auch unter meiner Vorsitzführung geändert.
(Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Vierter Punkt:
Konflikt- und Krisenmanagement und Konfliktprävention. Krisenmanagement sehen
wir jetzt in einer der größten Krisen, in der wir uns befinden beziehungsweise
die auf uns zukommt: der Irak-Krise. Ich begrüße den Entschließungsantrag, der
im Parlament eingebracht wurde, denn es ist wesentlich zu sagen: Der Irak muss
abrüsten. Gleichzeitig ist es wesentlich, bis zum Schluss alles zu tun, um doch noch zu einer friedlichen Lösung zu
kommen. Es wird nicht einfach sein, aber man muss bis zum Schluss alles tun.
Und schließlich müssen wir da den Sicherheitsrat unterstützen – das muss
das Entscheidungsgremium in der Zukunft bleiben. (Abg. Dr. Cap: Was tun Sie, Frau Außenminister?) – Das habe ich Ihnen letztes Mal
gesagt, aber Sie haben offensichtlich nicht zugehört. (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Fünfter Punkt: Langfristig müssen wir, wenn wir Frieden schaffen wollen, Armut bekämpfen. Das heißt, wir müssen die Entwicklungszusammenarbeit voranbringen. Ich freue mich darüber,
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 137 |
dass es gelungen ist, diesen gemeinsamen Kompromiss auf EU-Ebene mit
zu tragen, und das wird ab 2004 auch im Rahmen der österreichischen
Außenpolitik mit umgesetzt werden.
Letzter Punkt,
Herr Präsident, Hohes Haus: Es ist für uns natürlich eine Selbstverständlichkeit,
die Menschenrechtspolitik und die Friedenspolitik in den Mittelpunkt der
österreichischen Außenpolitik zu stellen – in allen Bereichen. Das ist politisch, das ist sozial, das ist
wirtschaftlich enorm wichtig. In diesem Zusammenhang bemühe ich mich um die
Menschenrechtserziehung, indem ein Manual, ein Handbuch, auf den Tisch gelegt
werden soll, das für die ganze Welt zielorientiert und wegweisend sein kann.
Ich glaube, das ist konkrete Politik, wie
man sie machen sollte. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
15.38
Präsident Dr. Andreas Khol:
Vielen Dank, Frau
Bundesministerin.
Zu Wort gelangt
nunmehr Herr Bundesminister Platter, der auch 5 Minuten zu uns sprechen
wird. – Bitte, Herr Bundesminister. (Abg. Dr. Cap: Selbstlob statt Programm!)
15.38
Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Geschätzte Regierungskolleginnen und -kollegen! Hohes Haus! Das
höchste Gut für die Bürger sind Friede, Freiheit und Sicherheit, und die
Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht darauf, dass ihnen Schutz
und Sicherheit gegeben wird.
Die
Verteidigungspolitik nimmt hier eine ganz zentrale Rolle ein, und ich möchte zu
Beginn meiner Tätigkeit als Minister für Landesverteidigung einen Vorschlag
machen: Finden wir einen sachlichen Konsens, wenn es um die
Verteidigungspolitik geht, und versuchen wir es zu unterlassen, Leistungen für
Soziales Leistungen für Verteidigungspolitik gegenüberzustellen! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Geschätzte Damen und Herren! Es geht
nämlich um mehr, es
geht um etwas ganz Wertvolles: Es geht um die Sicherheit eines jeden einzelnen
Bürgers, es geht aber auch um die Sicherheit der Republik Österreich.
Geschätzte Damen
und Herren! Wenn man für die Verteidigungspolitik Verantwortung trägt, hat man
sich auf die sicherheitspolitischen Veränderungen einzustellen, und man hat vor
allem zu beurteilen: Wie entwickelt sich die Lage in Österreich, in Europa und
darüber hinaus? Und vor allem: Welche Maßnahmen sind erforderlich?
Die
Rahmenbedingungen dafür haben sich in den letzten eineinhalb Jahrzehnten doch
bedeutend verändert und sind weiterhin in Veränderung begriffen. Vor nicht
allzu langer Zeit haben sich die Verteidigungsminister mit der Verteidigung
Österreichs auseinander gesetzt, eines Landes, das damals zwischen den Fronten
lag. Heute schaut die Situation ganz anders aus, und es ergeben sich auch ganz
andere Fragen.
Was können wir
heute und morgen im gemeinsamen Europa und darüber hinaus tun, um unseren
solidarischen Beitrag in einer neuen Friedensarchitektur zu leisten und damit
unsere staatliche Gemeinschaft zu sichern?
Und zweitens: Wie
können sich Österreich und Europa vor neuen Bedrohungen schützen? – Ich
denke dabei an den 11. September 2001, als uns dies zweifellos
schmerzhaft vor Augen geführt worden ist. – Die Antwort darauf ist: Wir
müssen Konflikte und Bedrohungen bereits im Vorhinein vermeiden. Somit erhält
Konfliktprävention in allen möglichen Facetten einen neuen Stellenwert.
Unverzichtbare Instrumente dabei sind Kooperation und Solidarität. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Geschätzte Damen und Herren! Für deren Umsetzung ist natürlich die Weiterentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unerlässlich. Wir unterstützen alle Bemühungen, die einer solidarischen Schaffung von Sicherheit im europäischen Raum dienen, bis hin zur Beistandsgarantie. Das bedeutet, dass neben den territorialen Verteidigungsaufgaben
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internationale
Solidaritätsleistungen und die Katastrophenhilfe, vor allem aber auch die Assistenzleistungen
Schwerpunkte sein werden.
Hohes Haus! Das
war nur ein kurzer Überblick über die momentanen Herausforderungen des
österreichischen Bundesheeres. Sie können aber daraus deutlich ablesen, dass
unser Heer mit seinen Fähigkeiten und seiner Eigenständigkeit unverzichtbar
ist.
Da heute bereits
über die Luftraumüberwachungsfahrzeuge beziehungsweise -flugzeuge diskutiert
wurde (Abg. Öllinger: Fahrzeuge? – Zwischenruf des Abg. Großruck), möchte auch ich noch ein
Wort dazu sagen. Uns obliegt die Verantwortung, den eigenen Luftraum zu
schützen. Ich sage daher in aller Deutlichkeit: So wie wir Sicherheit und
Schutz am Boden brauchen, brauchen wir auch den entsprechenden Schutz in der
Luft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Ich möchte es deutlich auf den Punkt bringen: Das ist keine Notwendigkeit,
das ist unsere Pflicht, die wir zu leisten haben! (Neuerlicher Beifall bei der
ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Letzter Punkt: Mir
ist es ein Anliegen, den Präsenzdienst noch attraktiver zu gestalten, und ich
freue mich, dass der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung darauf
eingegangen ist. Ich will, dass die jungen Leute gerne ein paar Monate
Präsenzdienst leisten und beim Abrüsten sagen: Es war eine sinnvolle, es war
eine wertvolle Zeit.
Zum Schluss: Das
höchste Gut sind der Friede, die Freiheit und die Sicherheit. Ich ersuche Sie
alle, im Rahmen eines parteiübergreifenden Konsenses die notwendigen
Bestrebungen zu unterstützen, und ich verspreche Ihnen, das österreichische
Bundesheer wird mit allen Soldatinnen und Soldaten im Interesse des Friedens
und der Sicherheit im Land stets bereit sein. – Danke. (Anhaltender
Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
15.43
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Herr
Abgeordneter Dr. Matznetter. Auch er hat seine Redezeit mit 5 Minuten
festgelegt. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Matznetter begibt sich mit einem Stoffsackerl
zum Rednerpult. – Ruf bei der ÖVP: Mir schwant schon etwas! – Abg.
Mag. Mainoni: Was ist in dem
Sackerl drin?)
15.44
Abgeordneter
Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Eine neue schwarz-blaue
Regierung – die letzte stand ganz im Zeichen des Nulldefizits, eines
Wortes, das sich nicht nur aus dem Sprachgebrauch dieser Regierung entfernt
hat, nein, wir haben auch einen einsichtig lernenden Finanzminister! Er hat
erst am vergangenen Wochenende in seiner Pressekonferenz zugegeben, dass er aus
der Vergangenheit gelernt habe. Die Frage ist nur: Hat er genug gelernt?
Ein kurzer Blick
zurück: In der gestrigen Sitzung des Budgetausschusses hat der Präsident des Rechnungshofes
mit aller Klarheit gesagt, was in diesem Jahr des Nulldefizits, 2001, geschehen
ist. Die Wahrheit ist nämlich: Es hat keine ausgabenseitige Sanierung des
Budgets gegeben! Es hat auch kein Vorgang stattgefunden, der den Begriff
„sparen“ verdienen würde. (Ruf bei der
ÖVP: Das stimmt nicht!) Es wurde ausschließlich einnahmenseitig saniert.
Völlig korrekt hat
Herr Präsident Fiedler gesagt, dass von der letzten Regierung vorgegeben worden
sei, dass 72 Prozent der Sanierung im Bereich der Ausgaben stattfinden
werden. Die Regierung habe es dann auf 68 Prozent reduziert und faktisch
ein Ergebnis geliefert, bei dem die Sanierung ausschließlich über die
Einnahmenseite erfolgt sei. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)
Nur: Was heißt „Einnahmenseite“? – Einnahmenseite heißt, dass der Griff des Finanzministers in der Tasche jedes Österreichers und jeder Österreicherin spürbar war. Und in diesem Zusammenhang möchte ich darauf verweisen, dass Österreich bereits eine Staatseinnahmenquote von 52,4 Prozent hat – das von Minister Bartenstein viel gescholtene Deutschland hat bitte eine
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 139 |
Quote von 45,7 Prozent! Mit dem
österreichischen Prozentsatz hätte Herr Eichel einen Budgetüberschuss von
3,5 Prozent! Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. –
Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.)
Angesichts dessen stellt sich Herr Bundeskanzler Schüssel heute hier hin
und sagt tatsächlich: Wir haben Schluss gemacht mit der Schuldenpolitik!? (Abg. Großruck: Wer ist der Herr Eigner?) – Er heißt Herr Eichel. Wenn
Sie Hörprobleme haben, können Sie sich einen Hörapparat nehmen, Herr Kollege. (Abg.
Großruck: „Eigner“ hat er gesagt!
Der kennt nicht einmal den deutschen Finanzminister!)
Übrigens hat Herr Finanzminister Grasser – Grasser
mit „g“, nicht „Krasser“, falls Hörprobleme vorhanden sind – in einem
Brief an unseren Parteivorsitzenden selbst angegeben, dass Österreich heute
eine öffentliche Verschuldung in der Höhe von 67,9 Prozent des BIP
hat. – Meine Damen und Herren! Das ist gegenüber 66,8 Prozent im
Jahre 2000 eine Zunahme der Staatsverschuldung von über einem Prozent
gemessen am BIP. (Abg. Scheibner: Sagen Sie es in Prozent am
Defizit!)
Das ist die Realität der Regierung Schüssel I: Höhere Schulden und
keine Sanierung! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ellmauer: ... Maastricht-relevant ...!) – Na selbstverständlich ist die öffentliche Verschuldung
Maastricht-relevant, Herr Kollege! Er brüstet sich ja auch immer mit dem
Maastricht-relevanten Defizit. (Ruf: Wer?)
Ich komme aber jetzt zur Finanzpolitik insgesamt. Wir haben neuerlich zu
wenig aus den Fehlern gelernt. (Abg. Scheibner: Sie vielleicht!) Und,
meine Damen und Herren von der ÖVP-Fraktion, auch wenn der Herr Finanzminister
langsam von der FPÖ zu Ihnen hinübergedriftet ist, es wird für die ÖVP nicht
besser. (Abg. Murauer: Lassen Sie das unsere Sorge sein!) Wir haben es
aufgegeben, Konjunktur- und Budgetpolitik so zu machen, dass sie für die
Zukunft Österreichs etwas bringt. Die Realität ist, dass Sie glauben,
Finanzpolitik fände statt, indem man abkassiert und zum richtigen Zeitpunkt
nicht investiert. Das ist die falsche Politik!
Ich kann nur vermuten, dass die Herren in ihrer Jugend einfach zu wenig
über das Mindestmaß gelernt haben. Unsereins hat – und ich habe mir
erlaubt, das mitzubringen – in der Jugend beim DKT gelernt. Es genügt
nämlich nicht, am Start 200 abzukassieren, nein! Man muss investieren, und dann
gewinnt man. (Ruf: Jetzt wissen wir, warum Sie ...! – Der Redner
holt ein DKT-Spiel aus seinem Stoffsackerl und übergibt es dem auf der
Regierungsbank sitzenden Staatssekretär Dr. Finz. – Heiterkeit und
Beifall bei der SPÖ.)
Der Herr Staatssekretär bekommt das in Vertretung von Finanzminister
Grasser. Er wird lernen, dass wir investieren müssen, dann können wir in der
Volkswirtschaft gewinnen. Für diese Vorschläge meiner Fraktion fehlte der
anderen Fraktion leider der Mut. (Bundesminister Dr. Bartenstein – in Richtung des
Redners –: Herr Kollege! Das ist noch ein altes DKT, in Schilling!) –
Selbstverständlich hat er ein altes bekommen. Er hat ja damals vergessen, zu
spielen, daher muss er es jetzt nachholen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf
bei der ÖVP: Das gib dem Gusenbauer!)
Österreich liegt in puncto Wirtschaftswachstum an vorletzter Stelle in
der EU. Österreich ist in puncto Zuwachs der Beschäftigung innerhalb der EU
dramatisch zurückgefallen. Österreich hat die geringste öffentliche
Investitionsquote. Das sind die Realitäten heute, und dafür gibt es einen
Verantwortlichen: Bundeskanzler Schüssel und seine neu gebildete schwarz-blaue
Regierung!
Ich möchte an dieser Stelle noch kurz zum so genannten größten Sparpaket
aller Zeiten kommen. Bisher habe ich immer nur vom „größten Feldherrn aller
Zeiten“ gehört – neues Wording also auch in Österreich. Dazu muss man
jedenfalls zwei Punkte feststellen: Für das Jahr 2004 – ein Jahr zu
spät, meine Damen und Herren, denn der Antrag der SPÖ für eine Entlastung lag
bereits im April 2002 in diesem Hohen Haus – wird nun eine Entlastung
durchgeführt, die wir vielleicht im Jahre 2005 wirklich ernten können.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 140 |
Ich glaube nicht,
dass sie kommt. Ich glaube nicht, dass diese Regierung dann noch im Amt sein
wird. – Danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
15.49
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau
Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. –
Bitte, Frau Abgeordnete.
15.49
Abgeordnete
Ridi Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder
auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Einen Satz zu meinem Vorredner Matznetter:
Während die SPÖ anscheinend DKT spielt, arbeiten die Regierungsparteien ÖVP und
FPÖ für die Zukunft unseres Landes, für Österreich! (Beifall bei der ÖVP und
bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ruhe, mein Herr!
Ich möchte noch
nachsetzen: Zukunft braucht Verantwortung, um nachhaltig und gerecht für die
österreichischen Mütter, Väter und Familien einzutreten. 2004 wird das
internationale Jahr der Familie sein. Wir wollen nach Erfolgen wie dem
Kinderbetreuungsgeld, der Familienhospizkarenz, der Heimfahrbeihilfe für
Schüler und Studenten Österreich, wie unser Bundeskanzler Wolfgang Schüssel
heute gesagt hat, zum familien- und kinderfreundlichsten Land der Welt machen.
Als Vorsitzende
des Familienausschusses begrüße ich – anders als die Opposition –,
dass durch die neue Ressortverteilung ein ganz klares Signal für Frauen und für
Familien gesetzt wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Der
Familienausschuss des Nationalrats bietet Ihnen, Frau Staatssekretärin Ursula
Haubner, und dir, Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, eine konstruktive
Zusammenarbeit an. Wir werden unser Bestes geben. Ein gemeinsames Miteinander
wird viele Wege aufzeigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Es wurde von der
Opposition, insbesondere von der SPÖ, bedauert, dass die Frauenpolitik in der
Familienpolitik untergeht. Frau Abgeordnete Prammer hat in ihren heutigen
Ausführungen eine echte feministische Frauenpolitik gefordert. Ich möchte als
Antwort aus einer Ausgabe des „Format“
zitieren:
„Schwachstellen
sah und sieht Greenberg aber auch in der Frauenpolitik: Um das zu erreichen,
müsste sich die SPÖ, so Greenberg, aber stärker anstrengen – und vor allem
,innerhalb der Partei Persönlichkeiten und Aushängeschilder hervorbringen, die
diese Frauen auch ansprechen.‘“ – Zitatende.
Mehr braucht man
dazu, glaube ich, nicht mehr zu sagen. (Abg.
Dr. Glawischnig: Zwischen
Politik und Werbung ist aber ein Unterschied, oder?) – Ich glaube
nicht, dass das die Werbung vom „Onkel aus Amerika“ war. Das war, glaube ich,
der Wahlkampfberater der SPÖ. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen. – Ruf
bei der ÖVP: Der war sein Geld wert!)
Wir setzen andere
Akzente! Durch ein eigenes Bundesministerium für Frauen und ein eigenes
Staatssekretariat für Familie setzt diese Bundesregierung klare Schwerpunkte.
Ich möchte nur einige aufzählen und diese auch begrüßen: Das wichtigste Thema
der neuen Gesetzgebungsperiode wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
sein, Hand in Hand gehend mit einem Anspruch auf Teilzeitarbeit in mittleren
und größeren Betrieben sowie flexiblen Arbeitszeitregelungen für Eltern von
Kindern bis zum Schuleintritt.
Von uns, von der ÖVP,
wurden gerade in diesem Bereich bereits Schwerpunkte gesetzt. Ich denke zum
Beispiel an das Bündnis mit der Wirtschaft, auch mit Wirtschaftskammerpräsident
Leitl, unter dem Motto „Wirtschaft schafft Arbeit“. Das sichert auch die
Zukunft unserer Familien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 141 |
Als Steirerin ist
mir natürlich der Mindestlohn ein wichtiges Anliegen – diese Forderung ist
in der Steiermark geboren worden. Ein Mindestlohn von 1 000 € –
das ist die Zukunft! Angesichts dessen, dass auch heute wieder in einer
Tageszeitung zu lesen ist, dass noch über 300 000 Menschen in Österreich
unter dieser Einkommensgrenze leben, ist es an der Zeit, diese Forderung, die
die Sozialpartner in Kollektivverträgen zu verwirklichen nicht geschafft haben,
auch wirklich umzusetzen.
Wichtig ist auch,
noch einmal zu erwähnen – und man kann es nicht oft genug tun –, dass
nunmehr nicht mehr nur 18, sondern 24 Monate Kinderbetreuungszeit als
pensionsbegründend – also nicht nur als Ersatzzeiten – angerechnet
werden. Es muss auch über eine eventuelle Anhebung der Zuverdienstgrenze beim
Kinderbetreuungsgeld diskutiert werden. Weiters brauchen wir – was wir oft
verdrängen – noch strengere Maßnahmen gegen den Missbrauch von Kindern
sowie auch Sucht- und Drogenprävention für unsere Jugend. (Beifall bei der
ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Einhergehend damit
muss es aber eine verstärkte Partner- und Elternbildung geben, denn Eltern wird
in dieser Gesellschaft oft viel zu viel abverlangt.
Abschließend
möchte ich betonen: Eine moderne Frauen- und Familienpolitik ist eine
politische Querschnittmaterie, die alle Lebensbereiche umfassen muss. Und die
Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit ist der Schlüssel zu einer
nachhaltigen Gesellschaftspolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten
der Freiheitlichen.)
15.55
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt
nunmehr Frau Abgeordnete Mag. Lunacek. Wunschgemäß stelle ich die Uhr auf
5 Minuten ein. – Bitte.
15.55
Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf
der Regierungsbank! Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Herr
Bundeskanzler, Sie haben ganz zu Beginn Ihrer Regierungserklärung etwas
Wichtiges gesagt, nämlich dass diese Regierung einen Blick über die eigenen
Grenzen hinaus wagen wolle. – Na ja! Ein Blick auf die Regierungserklärung
und auf das Regierungsprogramm hat dann aber gezeigt, dass sich dieser Blick
gerade noch ein bisschen nach Europa richtet, aber über Europas Grenzen hinaus
in die Welt geht er so gut wie gar nicht. Diese Regierung hat, was die
Außenpolitik betrifft, der Mut verlassen, meine Damen und Herren! (Beifall
bei Abgeordneten der Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: „Spärlicher Applaus“ wird im
Protokoll stehen!)
Das zeigt sich
ganz deutlich daran, dass Sie zwar, wie Kollege Van der Bellen bereits erwähnt
hat, das Bekenntnis zum Friedensprojekt der Europäischen Union ablegen –
dem stimme ich zu –, aber danach kommen schon Südtirol und die
altösterreichischen Minderheiten. (Zwischenbemerkung
von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)
Als ich das gelesen habe, fiel mir ein, dass auch wir Grüne das bei den
Verhandlungen mit der ÖVP hatten, nämlich im ersten Textentwurf der ÖVP.
Wahrscheinlich haben Sie damals die Papiere für die Verhandlungen mit den
Freiheitlichen mit jenen für die Verhandlungen mit uns verwechselt. Bei
unseren Verhandlungen kam der zweite Punkt dann im zweiten Entwurf nicht mehr
vor, denn das kann doch nicht wirklich ein Schwerpunkt der österreichischen
EU-Politik sein.
Der Konvent und
die EU-Erweiterung kommen erst als Punkt drei und vier des Regierungsprogramms.
Über den Konvent, Frau Außenministerin, ist, wie schon andere vor mir bereits
angeprangert haben, inhaltlich nicht viel enthalten. Wie ist denn das nun?
Will Österreich die Grundrechtscharta in der EU-Verfassung verankern? (Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner: Das wissen Sie doch!) –
Dann hätten Sie das auch in das Regierungsprogramm schreiben sollen! Sie sagen,
ich wüsste doch, dass Sie das wollen. Vielleicht weiß ich das – das mag
schon sein –, aber dann soll es doch im Programm dieser Regierung stehen,
Frau Ministerin! Wer kann das denn sonst wissen? Vielleicht die Abgeordneten,
die hin und wieder mit Ihnen diskutieren, aber das ist doch wohl auch für die
breitere Bevölkerung gedacht. Woher soll die das denn wissen?
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 142 |
Wie halten Sie es
mit dem Europaparlament? Soll es in allen Akten der Gesetzgebung ein Mitentscheidungsrecht
haben? Das steht auch nicht im Regierungsprogramm. Oder: Wie ist es damit, dass
der Rat in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber öffentlich tagen soll? Das sind
ganz wichtige Punkte, um dieses europäische Projekt auch der Bevölkerung näher
zu bringen. Aber nichts davon steht drinnen! Ich frage mich: Warum? Vielleicht
wollten Sie es hier nicht so deutlich aussprechen.
Zur Erweiterung.
Ich bin sehr froh darüber, dass das Bekenntnis zur Ratifizierung der Erweiterungsverträge
in dieses Regierungsprogramm aufgenommen wurde. Das war wahrscheinlich kein
ganz einfacher Schritt mit der FPÖ, aber immerhin, es steht drinnen. Ich hoffe,
dass auch Sie, Herr Minister Gorbach – er ist leider gerade nicht anwesend –,
sich in Zukunft an dieses Regierungsprogramm halten und nicht neuerlich
irgendwelche Vetodrohungen in den Raum stellen werden. Diese sind nämlich
einer gedeihlichen Europapolitik alles andere als förderlich und zudem für die
Nachbarschaftsbeziehungen nicht das Beste. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Herr
Bundeskanzler! Sie haben gesagt, es sei notwendig, gerade im
österreichisch-tschechischen Verhältnis die Versöhnung voranzutreiben. Da
stimme ich Ihnen sehr zu. Das ist notwendig! Diese Beziehungen gehören
verbessert – aber gemeinsam, und nicht mit Aufforderungen, was die
Tschechen beziehungsweise die tschechische Regierung tun sollen, sondern in
einem Dialog. In dieser Angelegenheit muss auf beiden Seiten etwas geschehen.
Frau
Außenministerin, Sie haben erwähnt, wie wichtig der südosteuropäische Raum für
die kommende Erweiterung ist, etwa Kroatien. Ich stimme Ihnen zu. Aber auch
eine Strategie für das weitere Südosteuropa wäre notwendig. Sie haben auch den
Koordinator des Stabilitätspaktes, Dr. Busek, erwähnt. Wäre es nicht
vorteilhaft, sich diesen Dr. Busek als Erweiterungsbeauftragten für die
österreichische Politik in diese Region zu holen? Das wäre doch ein Signal in
die richtige Richtung!
So wie es zurzeit
aussieht, hat dieses, wie Sie, Frau Ministerin, es genannt haben, „starke Herz“
ziemliche Herzrhythmusstörungen, denn eine echte EU-Politik ist leider noch
nicht zu sehen.
Außenpolitik wird
vor allem vor dem Hintergrund der äußeren Sicherheit dargestellt. Zur Entwicklungszusammenarbeit
gibt es ein paar vage Sätze, jedoch nichts über das Erreichen beziehungsweise
die gesetzliche Verankerung der von der EU beschlossenen ODA-Quote von
0,33 Prozent, nichts über das Millenniumsziel der UNO, die
Armutsbekämpfung, den Fairen Handel, der Ihnen angeblich so wichtig ist, eine
Studie über die Devisentransaktionssteuer, die Sie sogar in Ihrem Buch
erwähnen – nichts davon kommt darin vor!
All das ist nicht
wirklich zukunftsweisend, Frau Ministerin – denn warum schreiben Sie diese
Inhalte nicht ins Regierungsprogramm, wenn Sie sagen, dass Sie es ohnehin
vorhaben? Das gehört in ein Regierungsprogramm! So hat die Außenpolitik weder
Hand noch Fuß. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Präsident Dr. Andreas Khol:
Frau Abgeordnete,
bitte kommen Sie zum Schlusssatz!
Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (fortsetzend): Ein Punkt noch
zur Sicherheitspolitik, da hier die Verbesserung der Beziehung zur NATO in den
Raum gestellt wird, die Beistandspflicht. Sie haben wohl vergessen, werte Damen
und Herren der Bundesregierung, dass für die Abschaffung der österreichischen
Neutralität zumindest eine Volksabstimmung notwendig wäre, um diese
Beistandspflicht einzuführen. (Abg. Scheibner: Was heißt
„zumindest“? – Präsident Dr. Khol
gibt das Glockenzeichen.) Das steht nicht drinnen, das müssten Sie aber
tun. (Beifall bei den Grünen sowie des
Abg. Dr. Fischer. – Abg. Scheibner: Lesen Sie einmal die Verfassung,
Frau Kollegin! Haben Sie Artikel 23f gelesen?)
16.01
Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt die letzte Stunde bis 17 Uhr vor uns. Auf Grund der Entscheidungen der Präsidialkonferenz soll ich die Redezeit auf die elf Redner, die noch bis 17 Uhr drankommen, gleichmäßig verteilen. Daher bitte ich alle,
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 143 |
wenn die Lampe zu leuchten aufhört, auch wirklich zu sprechen
aufzuhören, damit alle gleich lange drankommen.
Zum Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – 5 Minuten. Bitte auf die
Redezeit zu achten!
16.01
Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und
Herren! Der Kollege von der SPÖ hat dem Herrn Staatssekretär aus seinem reichen
Fundus an Kinderspielen, nehme ich an, ein DKT überreicht, und das war eine
gute Auswahl. Das zeigt nämlich, dass er den Rechenschieber, den mit den
Kugeln, behalten hat, und diesen wird er weiterhin brauchen, um die
Grundrechnungsarten zu beherrschen, meine Damen und Herren von der SPÖ, denn
diese Bundesregierung hat das größte Budgetdefizit, das von Ihnen übergeben
wurde, zu verwalten. (Ironische
Heiterkeit der Abg. Hagenhofer.)
Die SPÖ trägt die
Verantwortung für jenes Defizit, das diese Regierung zu bekämpfen hat und
dessen Beseitigung sie mit entsprechenden Maßnahmen bereits angegangen ist. Das
sollten Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, sich merken. (Abg. Dr. Wittmann: Falsche Rede! Die ist drei Jahre alt, die Rede!)
Meine Damen und
Herren! Die Redner von den Grünen haben hier heraußen das Eintreten für
Südtirol und für die Vertriebenen lächerlich gemacht, auch Sie, Herr
Klubobmann. Ich finde das bemerkenswert. – Diese Bundesregierung wird das
Eintreten für Bürger- und Menschenrechte auch in der kommenden
Legislaturperiode an einer der vordersten Stellen ihrer Anliegen haben. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
Die Außenpolitik,
die in den letzten drei Jahren von dieser Bundesregierung gemacht wurde, wird
in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Es handelt sich dabei um eine
stabile und kontinuierliche Außenpolitik. Es gilt, die Interessen Österreichs
in allen internationalen Vereinigungen, von der UNO über die OSZE – die
Frau Minister ist darauf schon eingegangen –, weiterhin zu vertreten.
Gerade auch in der Europapolitik werden die österreichischen Interessen in den
Vordergrund zu rücken sein.
Dass im
Regierungsprogramm nicht alles steht, was im Rahmen des Konvents jetzt gerade
politisch diskutiert wird, Frau Kollegin, ist, glaube ich, eine
Selbstverständlichkeit. (Zwischenruf der
Abg. Mag. Lunacek.) Aber
wir werden ja in den nächsten Monaten hier im Hohen Haus noch zur Genüge über
den Konvent, die Neugestaltung Europas, die Institutionen und ihre Rollen in
Europa debattieren können.
Meine Damen und
Herren! Im Rahmen der Europapolitik geht es auch um die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik. Im Rahmen der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik hat jedes Mitgliedsland – damit auch unsere
Republik – seinen Beitrag zu leisten. Dazu zählt auch eine eigenständige
Landesverteidigung.
Ich denke, dass es
ein Akt der Selbstachtung ist, dass ein mittelgroßes Land wie unsere Republik
im Herzen Europas diesen Kern der staatlichen Souveränität ernst nimmt und auch
weiterhin daran arbeitet. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass das
österreichische Bundesheer in der Lage ist, den Schutz der Heimat
sicherzustellen, Assistenzeinsätze flächendeckend zu ermöglichen, aber auch
seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen.
Diese
Bundesregierung hat gerade in diesem Zusammenhang klare Beschlüsse gefasst. Sie
hat gesagt, dass die Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, die in der letzten
Legislaturperiode von den beiden Regierungsparteien beschlossen wurde,
weiterentwickelt wird, dass die Gesamt- und Teilstrategien, die zur
Verwirklichung dieser grundsätzlichen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin
notwendig sind, erarbeitet werden und dass daraus die neue Organisation des
Bundesheeres resultieren muss.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 144 |
Die
Bundesregierung wird eine Reformkommission einrichten, die auf Grund der
Teilstrategien, die es zu erarbeiten gilt, die genaue Organisationsstruktur und
die Entwicklung des Bundesheeres beraten wird.
Meine Damen und
Herren! Wir Freiheitlichen stehen für eine Modernisierung im Rahmen der
Organisation des österreichischen Bundesheeres immer bereit; Bundesminister
Scheibner hat das in den drei Jahren seiner Amtstätigkeit in diesem Ressort
eindrucksvoll bewiesen.
Wir glauben, dass
im Rahmen dieser Reformkommission, im Rahmen der Erarbeitung dieser neuen
Teilstrategien wesentliche Schritte möglich werden, damit wir die Sicherheit
der Bevölkerung garantieren können und eine verantwortungsvolle Politik auch
im Sicherheits- und Verteidigungsbereich weiterhin gegeben ist. (Beifall
bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
16.06
Präsident Dr. Andreas Khol:
Vielen Dank, Herr
Abgeordneter, für die Präzision.
Zum Wort gelangt
nunmehr Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. Redezeit: 5 Minuten. –
Bitte.
16.06
Bundesministerin ohne Portefeuille Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hohes Haus! Unter dem Aspekt
„Gesundheit neu denken“ will diese Bundesregierung eine aktive Gesundheitspolitik
verfolgen. Das viel gebrauchte Wortspiel „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne
Gesundheit ist alles nichts“ zeigt, welch hohes Gut die Gesundheit für uns
alle ist, ein Gut, das es zu erhalten und vor allem auch zu verteidigen gilt.
Es muss daher ein
Umdenken in der Gesundheitspolitik stattfinden. Wir wollen nicht nur Krankheiten
heilen, sondern wir wollen vor allem verhindern, dass Krankheiten entstehen,
und sicherstellen, dass durch ein entsprechendes Bewusstsein jeder Einzelne
seine Verantwortung für sich und seine Gesundheit stärker wahrnimmt, als er
dies bisher getan hat. Das beginnt bei der gesunden Ernährung, führt über die
gesunde Bewegung bis hin zur regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung.
Diese
Bundesregierung hat sich vorgenommen, Menschen zu belohnen, die für sich und
ihre Gesundheit vorsorgen. Ich denke, dass viele Volkskrankheiten vermieden
oder gemildert werden könnten, wie Bluthochdruck, Diabetes, wenn die
Vorsorgeuntersuchungen, wie etwa auch die Krebsvorsorge, angenommen und
regelmäßig durchgeführt werden. Es muss uns gelingen, durch Anreize die Zahl
der Vorsorgeuntersuchungen pro Jahr zu verdoppeln – und damit letztendlich
sehr viel Geld zu sparen.
Das ist ein Teil
der Kür, aber so wie im Eiskunstlauf – Frau Kollegin Prammer hat das schon
angesprochen – kommt vor der Kür die Pflicht. Und wenn wir unsere kranken
Kassen zu gesunden Kassen machen wollen, zu gesunden Servicezentren, dann
müssen wir alle Umstrukturierungsmaßnahmen, die sicherstellen, dass diese
Einrichtungen auch den Kriterien eines modernen Managements entsprechen,
zuerst vornehmen. Wir müssen sie den Prinzipien des modernen Managements
anpassen, wir müssen Doppelgleisigkeiten abbauen, die Chancen der Telemedizin
und die damit verbundenen Verbesserungen für die Patienten nützen. Wir müssen
letztendlich auch den Anforderungen Genüge tun, die die demographische
Entwicklung zeigt. Es muss uns gelingen, Akutbetten dort, wo möglich und wo
notwendig, in Pflegebetten umzuwandeln. (Beifall bei der ÖVP und bei
Abgeordneten der Freiheitlichen.)
In der
Gesundheitspolitik ist eine Menge umzubauen, aber zum Glück sind es Frauen ja
gewohnt, fest anzupacken – und damit bin ich beim zweiten Bereich meines
Ministeriums, der Frauenpolitik. Wir möchten selbstverständlich auch eine
aktive Frauenpolitik betreiben. – Ich danke den Vorrednern, auch von den
Oppositionsfraktionen, dafür, dass sie mir zumindest das zutrauen. Ich denke,
dass wir gemeinsam doch einiges bewegen können, denn es gibt auch im Bereich
der Gleichstellung noch sehr viel zu tun.
Die Einkommensschere ist zu schließen – das ist ein Projekt, das nicht in vier Jahren abgeschlossen sein kann! Gerade bei der Pensionsreform müssen wir darauf achten, dass wir nicht
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 145 |
die Einkommensschere für Pensionistinnen
auseinander klaffen lassen. Darauf werde ich sicher ein wachsames Auge richten.
Und eine der Maßnahmen, die wir im Regierungsprogramm verankert haben, trägt
dazu bei, nämlich die höhere Anrechnung der Kindererziehungszeiten. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Die Analyse über
die Ursachen der Einkommensschere ist hinlänglich bekannt; wir haben uns in den
letzten Jahren damit beschäftigt. Es geht jetzt darum, Maßnahmen zu setzen, die
dazu beitragen, dass die Ursachen auch beseitigt werden. Das beginnt mit der
Aufklärung junger Mädchen, sodass sie die richtige Berufswahl treffen und in
Berufe einsteigen, die bessere Einkommenschancen bieten, und damit, dass wir
ihnen Karrierechancen eröffnen und vor allem die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf verbessern.
Was ich machen
möchte, ist, die Frauenpolitik weg von der Jammerpolitik zu
bringen. Ich denke, dass Frauenpolitik nicht immer von Frustration
gekennzeichnet ist. Wir wollen handeln statt jammern. Frust statt Lust! –
Ich lade Sie herzlich ein, mitzutun. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen. – Zwischenruf der Abg. Mag. Trunk.)
16.11
Präsident Dr. Andreas Khol:
Frau
Bundesministerin! Sie haben natürlich gemeint „Lust statt Frust“ und
nicht „Frust statt Lust“. (Heiterkeit bei
der SPÖ. – Bundesministerin Rauch-Kallat:
Vor lauter Hetzerei! – Abg. Mag. Prammer:
Das war Freud!)
Als Nächster
gelangt Herr Bundesminister Pepi Pröll zu Wort. 5 Minuten. – Bitte.
16.11
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft Dipl.‑Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kollegen
auf der Regierungsbank! (Abg. Dr. Glawischnig: Und Kolleginnen!) Kolleginnen
und Kollegen auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte bei meinem ersten
Auftritt hier im Plenum gleich zu Beginn die Gelegenheit nutzen, meinem
Vorgänger zu danken. Willi Molterer hat in den letzten Jahren mit seiner
umsichtigen, zielorientierten und effizienten Politik Österreich in vielen
Fragen, in ökologischer Hinsicht und in der Landwirtschaft, als Spitzenreiter
in Europa positioniert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Wir sind Nummer
eins beim Anteil der Bioenergie am Elektrizitätsverbrauch. Wir sind Nummer eins
bei der Vermeidung von Verpackungsmaterial. Wir sind Nummer eins beim
Verhältnis des Energieverbrauchs zur Wirtschaftsleistung. – All das sind
Faktoren, die du, Willi Molterer, mit deiner effizienten Arbeit entscheidend
mitgeprägt hast.
Das ist auch
deswegen möglich geworden, weil die ÖVP, weil die Regierung Umweltpolitik mit
Hausverstand gemacht hat, den ökosozialen Weg und die ökosoziale Idee immer als
Basis für die Entwicklung gesehen hat und Umweltpolitik gemacht hat, die
Arbeitsplätze schafft und sichert.
Was hat die
Regierung, was habe ich in den nächsten Jahren vor, für dieses Land umzusetzen?
(Abg. Oberhaidinger: So lange wird es nicht dauern! – Heiterkeit bei
der SPÖ.)
Erstens: Die
größte Herausforderung im internationalen und nationalen Umfeld ist sicher der
von uns, vom Menschen verursachte Klimawandel. Der Schutz vor den Gefahren, die
sich durch eine Veränderung des Klimas ergeben, muss jetzt an der Wurzel
angepackt werden. Wir haben daher im Regierungsübereinkommen festgesetzt, bis
2006 90 Millionen € mehr für den Klimaschutz auszugeben,
beginnend mit dem Jahr 2004, für die Jahre 2004, 2005 und 2006 je
30 Millionen €. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Damit nicht genug.
Wir werden auch eine Initiative mit den Bundesländern starten, damit im
Wohnbauförderungsbereich die entsprechenden Maßnahmen gesetzt werden, um das
ehrgeizige Ziel des Klimaschutzes zu erreichen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 146 |
Wir wollen
Alternativenergieformen weiter ausbauen. Davon profitiert nicht nur die Umwelt,
davon profitieren auch kleine und mittlere Unternehmen im ländlichen Raum und
davon profitiert die Landwirtschaft. Deswegen wollen wir mit einem Mix von
Einzelmaßnahmen den Ökostromanteil von derzeit 70 auf 78 Prozent anheben.
Wir wollen um 75 Prozent mehr Biomasse einsetzen. (Beifall bei der ÖVP
und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.) – Es ist dies ein
ehrgeiziges Ziel, aber es zahlt sich aus.
Wir machen einen
Schritt, den keine andere Bundesregierung zuvor gemacht hat, im Rahmen einer
ökologischen Steuerreform im Jahr 2004 (Zwischenruf
der Abg. Mag. Lunacek): Wir
belasten fossile Energieträger und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum
Klimaschutz. Wir entlasten vor allem Bezieher niederer Einkommen, nämlich unter
14 500 €. Oft gesagt und verlangt – wir setzen das als erste
Bundesregierung im Jahr 2004 um! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Der Herr
Bundeskanzler hat in seinen Ausführungen bereits darauf Bezug genommen, es betrifft
eine meiner ersten Aktivitäten beim Umweltministerrat am Dienstag dieser Woche:
Wir werden die Entschwefelung von Diesel und Treibstoffen bereits im
Jahr 2004 realisieren. Ich werde diesbezüglich in den nächsten Tagen
gemeinsam mit der Erdölwirtschaft eine Initiative starten, um dieses Ziel zu
ermöglichen. Wir wollen haben – das habe ich beim Umweltministerrat in der
EU auch schon deponiert –, dass eine Initiative hinsichtlich der
Dieselpartikelfilter erfolgreich ist, um die Belastung in diesem Bereich zu
reduzieren.
Ich möchte nun auf
den zweiten Bereich meines Ressorts eingehen, die Landwirtschaft. Nachdem
schon das Licht blinkt, kann ich das nur noch ganz kurz skizzieren: Ein
3-Milliarden-€-Paket zur Absicherung der österreichischen Landwirtschaft –
gerade im Hinblick auf die Osterweiterung ein sehr wichtiges Ziel. Wir wollen
die Wettbewerbsgleichheit mit dem Agrardiesel herstellen. Das ist eine
entscheidende Frage im Zusammenhang damit, ob wir bäuerliche Familienbetriebe
erhalten können. Wir müssen ihnen die Instrumente geben, damit sie im Wettbewerb
mit den europäischen Kollegen konkurrenzfähig sind.
Das sind zwei der
großen Ziele, und ich glaube, dass wir insgesamt unter dem Ziel, die Zukunft
nachhaltig gerecht zu gestalten, erfolgreich sein werden. (Beifall bei der
ÖVP und den Freiheitlichen.)
16.16
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zum Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Josef Broukal, der gleichfalls 5 Minuten zu uns
sprechen wird. – Bitte.
16.17
Abgeordneter Josef Broukal (SPÖ): Herr Präsident! Ich habe
inständig gehofft, dass Sie mich auch der freundlichen Anrede „Peperl Broukal“
für würdig erweisen werden, so wie beim Herrn Landwirtschaftsminister, aber das
wird noch werden.
Präsident Dr. Andreas Khol:
Wenn Sie mir das
Privileg zugestehen, werde ich es in Zukunft tun, Peperl Broukal. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)
Abgeordneter Josef Broukal (fortsetzend): Herr Landwirtschaftsminister!
Zu dem, was Sie gesagt haben, kann ich nicht viel sagen, denn das hieße
wirklich in einem Bereich dilettieren, in dem ich mich nicht auskenne. Ich
hoffe nur, dass Sie die heimliche Vorliebe Ihres Onkels für Rot-Schwarz im
Herzen auch ein bisschen teilen. Das würde die Zusammenarbeit leichter machen.
Frau Rauch-Kallat,
ich freue mich auf das, was Sie in den nächsten Jahren machen werden. Ich kenne
Sie ja noch aus der Zeit, als Sie in Wien das Soziale Hilfswerk der ÖVP
geleitet haben, und ich weiß: Neben allem Harten, Generalsekretärhaften, das in
Ihnen schlummert, gibt es auch die feste Frauenpolitikerin, die über
die Grenzen der Parteien hinweg das tut, was Sache der Frauen ist.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 147 |
Wenn man es jetzt
noch ein bisschen aufs Soziale allgemein erweitert, dann kann, meine ich, das
eine oder andere entstehen, das bisher nicht entstehen konnte. Ich freue mich
darauf. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Meine
Mitarbeiterin sagt zwar, dass man das nie sagen soll, denn dann klatschen die
Falschen, und das steht im Protokoll, aber ich sage es trotzdem recht gerne.
Mein Thema ist
Forschung und Bildung. Der Herr Vizekanzler hat es heute schon gesagt –
die Stehsätze sind uns allen gemeinsam –: Forschung heute bringt
Arbeitsplätze morgen. Mehr Forschung heute bringt morgen mehr Arbeitsplätze.
Mehr Forschung hält helle Köpfe im Land, die sonst ins Ausland gehen, um einen qualifizierten
Arbeitsplatz zu bekommen. – Darin sind wir uns einig.
Aber in der
Regierungserklärung gibt es leider zu diesem Zukunftsthema, was dann das Konkrete
betrifft, nämlich die Maßnahmen, die uns dorthin bringen sollen, schlechte
Nachrichten.
Erstens: Sie sind
nicht und nicht imstande, das für mehr Forschung in Österreich nötige Geld
aufzutreiben. 2,5 Prozent des Volkseinkommens – so stand es in Ihrer
Regierungserklärung 2000 – haben Sie den Österreichern für das
Jahr 2004 versprochen. Aber Sie werden das nicht erreichen, und Sie
machen es sich einfach und sagen: Schwamm drüber! 2,5 Prozent im
Jahr 2006! – Versprechen statt Taten! Das hat sich Österreichs
Forschung nicht verdient! (Beifall bei
der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Sie muten jedem,
der rechnen kann, einiges zu. 600 Millionen mehr wollen Sie für Forschung
ausgeben, aber 1,5 Milliarden würden Sie brauchen, um das von Ihnen selbst
gesteckte neue Ziel zu erreichen. Geben Sie jetzt schon auf (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Das stimmt ja nicht!), oder wollen Sie es nur nicht
zugeben?
Herr
Bundeskanzler! Es stimmt, aber ich habe hier nur 5 Minuten. Wenn Sie mir
dann die Gnade eines Privatissimums geben, werde ich versuchen, Ihnen meine
Version des kleinen Einmaleins zu zeigen. (Beifall
bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van
der Bellen. – Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)
Wirtschaft und
Universitäten brauchen feste Zusagen, sie brauchen Sicherheit auf Jahre. Und
das ist das, was Sie auch mit dieser Regierungserklärung nicht geben.
Aber davon brauche
nicht ich Sie zu überzeugen. Ich zitiere den neuen Vizechef des
Forschungsfonds der Wissenschaft – er sagte es heute, und ich nehme an,
man hat Ihnen diese Meldung der Austria Presse Agentur auch schon
gezeigt –: „Wir fordern nicht mehr, als die Regierung immer wieder
versprochen hat. Wenn das aber nicht stattfindet, wird Österreich einen Blauen
Brief bekommen, nicht von der EU, sondern von der Zukunft.“ (Beifall bei
der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Zweiter Punkt: Sie
sind nicht und nicht imstande, Österreichs Forschungspolitik auf eine gesunde
Basis zu stellen. Vier Ministerien mischen mit, jedes kocht seine eigene Suppe.
Wenn Sie jemanden auf der Straße fragen: Wer ist eigentlich Österreichs
Forschungsminister?, glauben Sie, dass Sie eine Antwort bekommen? –
Niemand weiß es! Kompetenzwirrwarr statt Politik aus einem Guss. Auch das hat
Österreichs Forschung sich nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ und den
Grünen. – Zwischenruf des Abg. Großruck.) Heute ist nicht die
Zeit, auf Zwischenrufe einzugehen, Sie entschuldigen, das machen wir das
nächste Mal.
Dritter Punkt: Sie
halten an der Studiengebühr fest, und Sie verhöhnen all jene, die es schwer
haben, sich diese 10 000 S im Jahr abzusparen. Wer gut verdient und
Steuer zahlt, soll die Studiengebühr von der Steuer abziehen können,
versprechen Sie in Ihrem Regierungsprogramm. Das muss man sich einmal auf der
Zunge zergehen lassen: Jemand, der nichts verdient, zahlt 10 000 S
Studiengebühr, jemand, der verdient und Geld hat, vielleicht 7 000 S
oder 6 000 S! Verkehrte Welt, Ihre Welt! (Beifall bei der SPÖ und
bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Murauer: Lieber Herr Broukal!
Was ist mit den Stipendien?)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 148 |
Vierter
Punkt – und das ist etwas, was mir persönlich sehr Leid tut, weil ich es
nicht verstehen kann –: Sie verhindern auch in den nächsten Jahren, dass
die jüngeren Wissenschafter an den Universitäten mitreden und mit entscheiden
können. Sie schneiden eine ganze junge Generation an den Universitäten von der
Mitbestimmung ab, wie es sie in jedem größeren Betrieb gibt. Diese
Mitbestimmung wieder einzuführen kostet Sie keinen Cent. Warum Sie sich mit
Händen und Füßen dagegen wehren, weiß niemand. Die Zukunft ist das nicht.
Dass Sie nebenbei
dann Universitätsräte bestellen, deren Publikationen haarscharf am
NS-Verbotsgesetz entlangschrammen, das müssen Sie mit sich selbst ausmachen.
Mir ist es unverständlich, und ich verstehe diese Fleißaufgabe nicht. (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen.)
Aber während Sie
für Menschen mit Weltanschauungen von vorgestern Verständnis haben, verfolgen
Sie andere, und das ohne viel Anstand und ohne viel Ehrgefühl. Im
Innenministerium reißen niederösterreichische Zustände ein. Während
Landeshauptmann Pröll sagt, er hätte die SPÖ gerne in der Regierung, entfernt
sein früherer Sekretär Strasser SPÖ-nahe Beamte, wo immer er kann, auch wenn
sie beste Arbeit leisten. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident
Dr. Andreas Khol (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeordneter, bitte um den Schlusssatz!
Ich habe den Zwischenruf nicht eingerechnet.
Abgeordneter
Josef Broukal (fortsetzend): Ich danke
Ihnen sehr herzlich. – Im Fall des Gendarmeriegenerals Strohmayer ist die
letzte Schamgrenze gefallen. Damit Sie, Herr Bundeskanzler, nicht wie im Fall
des Polizeigenerals Schnabl sagen können, Sie hätten es nicht gewusst, hier ist
der entsprechende Bericht der „Kleinen Zeitung“. (Beifall bei der SPÖ und
bei Abgeordneten der Grünen. – Der Redner übergibt dem auf der
Regierungsbank sitzenden Bundeskanzler Dr. Schüssel einen Zeitungsartikel.)
16.23
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zum Wort gelangt
nunmehr Abgeordneter Jakob Auer, der gleichermaßen 5 Minuten zu uns
sprechen möchte. – Bitte.
16.23
Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr
Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank!
Ich werde auf die Ausführungen des Kollegen Broukal nicht eingehen (Abg.
Dr. Jarolim: Das fällt auch
sehr schwer, glaube ich!), das wird ein anderer Kollege machen, aber ich
werde mich ein wenig mit den Ausführungen des Kollegen Matznetter beschäftigen,
der sich sehr kritisch mit der Budgetpolitik dieser Bundesregierung auseinander
gesetzt hat.
Nur zur
Erinnerung, meine Damen und Herren: Ja, es gibt heute eine andere Budgetpolitik
als in Zeiten sozialistischer Finanzminister. Gab es damals auch bei bester
Konjunktur Budgetdefizite von 5 Prozent des BIP, so gibt es heute bei
schwieriger Konjunkturlage ein Budgetdefizit von maximal 0,6 Prozent oder
1 Prozent des BIP. Das ist ein gewaltiger Unterschied, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Interessant war
heute der Auftritt der Opposition. Sowohl Van der Bellen, der Klubobmann der
Grünen, als auch Cap, der Häuptling schneller Zunge, haben heute sozusagen
beklagt, dass es eine eigenartige Stimmung gebe. Es sei ruhig, sachlich, ja
fast ernüchternd und so weiter, ja bedrückend, meinte er. – Ja, wenn ich
an Ihre Auftritte denke, dann gebe ich Ihnen Recht. Meine Damen und Herren, das
ist die richtige Analyse. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der
Freiheitlichen.)
Ich darf schon
daran erinnern, dass es spannend war, dass es knisternd war im Jahre 2000.
Da gab es von Ihnen einen Dringlichen Antrag, einen Misstrauensantrag gegen die
Regierung. Es gab massenhaft Entschließungsanträge und andere parlamentarische
„Gepflogenheiten“. Offensichtlich hat Sie die Arbeit dieser Bundesregierung
überzeugt. Heute ist von all dem Gott sei Dank nichts zu hören, meine Damen und
Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 149 |
Cap meinte, die
ÖVP hätte Chancen versäumt, und er wurde vom Kollegen Van der Bellen
unterstützt. Offensichtlich haben Sie die Aussagen Ihrer Parteikollegen Haider,
Ambrozy, Häupl und anderer schon vergessen, die ja absolut keine Koalition
wollten. Oder möchten Sie damit zum Ausdruck bringen, ohne dass ich es Ihnen
unterstelle, diese Herrschaften hätten nichts zu reden in Ihrer Partei, meine
Damen und Herren? So weit gehe ich gar nicht!
Meine Damen und
Herren! Offensichtlich haben Sie Schwierigkeiten mit der Trauerarbeit auf Grund
der vergebenen Chancen. Wir lassen Sie dabei alleine. Sei’s drum. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Da war Kollege
Matznetter in seiner Pressekonferenz vorgestern wesentlich ehrlicher. Er
meinte, man spricht von einer Steuerreform, und beklagte gleichzeitig, dass
diese erst 2005 kommen würde, weil man ja 2006 wählen würde. Jetzt höre ich
monatelang, diese Regierung hätte keinen Bestand, sie hätte keine Chance.
Offensichtlich ist er davon überzeugt, dass sie tatsächlich hält. Ich bin es, meine Damen und
Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)
Ich möchte aber
zwei Punkte ansprechen, nämlich den Bereich Landwirtschaft, Finanzausgleich,
ländlicher Raum. Ich wünsche dem gewichtigen Landwirtschaftsminister – und
das nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes, sondern auch auf Grund seiner
Kompetenz – viel Erfolg. Er wird dies bei der GAP-Reform, den
WTO-Verhandlungen und anderen Dingen dringend brauchen. Alles Gute! Ich bin
überzeugt, auf Grund seiner Kompetenz wird er diese Sache im Sinne seines
Vorgängers Willi Molterer hervorragend meistern. (Beifall bei der ÖVP und
bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Österreichs Bäuerinnen und Bauern brauchen tatsächlich die Chancen, die
Möglichkeiten, im Sinne ihrer Berufskollegen in der Europäischen Union unter
gleichen Wettbewerbsbedingungen zu wirtschaften, und zwar nachhaltig,
überzeugend, überschaubar. Es müssen Lebensmittel von einer Qualität erzeugt
werden, die wir alle wollen. Dabei muss es auch im Bereich der Betriebsmittel
Chancengleichheit geben. Der erste Weg ist also vorgezeichnet, und ich danke
dafür. Nicht nur die schärfsten Auflagen, die kleinsten Preise sind
entscheidend, sondern wichtig ist auch, dass Qualität etwas kosten darf und
muss.
Meine Damen und
Herren! Finanzausgleich, ländlicher Raum. – Die Benachteiligung der finanzschwachen
Gemeinden, der abgestufte Bevölkerungsschlüssel ist ein Relikt aus vergangenen
Zeiten zur Behebung von Kriegsschäden. Interessant ist, so schrieb mir ein
Bürgermeister einer derartigen Gemeinde, wir dürfen auf dem Land, ob
Arbeitnehmer, ob Wirtschaftstreibender, wer immer, bei gleichem Einkommen die
gleichen Steuern zahlen wie ein Städter. Nur wenn es darum geht, die
Ertragsanteile zur Verteilung zu bringen, dann ist man plötzlich nur mehr die
Hälfte wert. – So kann es auf die Dauer nicht gehen! Ich bin daher
dankbar, dass in diesem Regierungsprogramm auch darauf eindeutig Bezug genommen
wird. Viel Erfolg dabei! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
16.28
Präsident Dr. Andreas Khol:
Nunmehr spricht
Herr Abgeordneter Dozent Dr. Grünewald zu uns. 5 Minuten. –
Bitte.
16.29
Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Vielen Dank, Herr Professor und Präsident. – Ich möchte
den etwas traurigen Gesichtern jetzt einmal eine Freude machen und werde sagen:
Es fasziniert mich wirklich, was in diesem Programm steht. Es bietet
Überraschungen, Weltklasse, erste Plätze für Österreich oder zumindest die
Absichtserklärung. Ich bin sehr verwundert, wenn ich lesen muss oder höre, die
Regierung muss Verantwortung tragen. – Ich habe eigentlich gedacht, dass
das auch vorher schon der Fall war. Ist das wirklich neu? Ist das Ihr Programm?
War das in Ihrem vorherigen Programm nicht enthalten?
Sie haben heute gesagt: Die Regierung muss handlungsfähig sein. – Bumsti! Das habe ich mir eigentlich auch erwartet. Aber worin besteht Ihr Handeln? Ist da einmal über Qualität gespro-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 150 |
chen worden? Frau Gehrer hat Evaluierungsagenturen,
Qualitätssicherungsagenturen. Die sollten Sie sich einmal für sich selbst
bestellen, denn Handeln alleine ist mir einmal zu wenig.
Wenn ich dann noch
lese, dass die Regierung den Menschen nichts vorgaukelt und die Dinge beim
Namen nennt, dann muss ich sagen: Ja, dann nenne ich sie jetzt einmal beim
Namen.
Selbstbehalte und
private Zuzahlungen machen in Österreich einen weltmeisterlichen Platz aus:
dritte Stelle unter allen OECD-Staaten! Nur bei Selbstbehalten dritte Stelle in
Europa! Sie werden es schaffen, auch da Weltklasse zu werden oder ins
Spitzenfeld zu gelangen.
Wie ist es mit der
Universität? Was haben Sie da an Innovationen versprochen? Ein Prozent des
Bruttoinlandsproduktes sind 2,2 Milliarden €. Sie wollen es um
mindestens ein Prozent steigern. Bis zum Jahr 2010, bis zum Jahr 2006,
verspätet, wie wir gehört haben, macht das zumindest 1,1 Milliarden €
aus. Sie sprechen von 600 Millionen, sagen dann zu Recht, der Rest käme
von der Wirtschaft. Aber, bitte, ist es der Opposition erlaubt zu fragen: Wie
machen Sie denn das?
Wir haben bei den
Verhandlungen oft Konsens gehabt, hehren, schönen, reinen und guten Konsens,
keine Frage. Aber jedes Mal, wenn ich gefragt habe: Wie machen wir das?, hörte
ich die Antwort: Dafür gibt es kein Budget, das können wir nicht garantieren!
Sie nennen jetzt
viele Ziele bis 2010. Bleckmann beginnt sogar damit, Nachhaltigkeit bis zum
Jahr 2030 zu konzipieren. Das ist vielleicht schon ein Hundertstel vom
Tausendjährigen Reich. Das dauert mir zu lang, auch wenn es kürzer war. (Beifall
bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Haben Sie Kinder?)
Nennen wir die
Dinge beim Namen: Schlagende Burschenschafter werden in Uniräte nominiert, und
dann verteidigt man das auf schon sehr seltsame Weise. Universität heiße
universitas, und das bedeute Pluralismus. Es sei ein Zeichen des Pluralismus,
dass auch schlagende Burschenschafter in dieser bunten, fröhlichen Welt
vertreten sein sollen. – Das nenne ich Vielfalt, die zur Einfalt führt. So
ist es und nichts anderes. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Sie zitieren und
demütigen einen großen Dichter und Schriftsteller, nämlich Saint-Exupéry, indem
Sie zum Schluss schreiben: Zukunft soll nicht vorhergesagt werden, sondern man
muss sie möglich machen. – Ja, Herr Bundeskanzler, ich glaube, die Zukunft
ist in zwei Sekunden schon da, im nächsten Jahr und so weiter. Stellen Sie sich
vor, dies geht auch ohne ÖVP. Die Zukunft geschieht, die Zukunft kommt, aber
welche, das hätte mich interessiert. Aber darüber lese ich bei Ihnen nichts. (Heiterkeit
und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Dann schreiben Sie
in Ihrer Regierungserklärung: „In einem Land, ,in dem jeder Zentimeter des
Status quo mit wehrhaften’“ – da haben wir schon wieder die
„wehrhaften“ –, nicht Burschenschaftern, sondern
„,Interessensvertretungen besetzt ist, kann eine bloß moderierende Politik
keine Korrektur vornehmen’.“
Und was tun
Sie? – Sie moderieren! Österreich neu denken heißt: neun Freistaaten in
Zukunft, Ihre Gesundheitspolitik: neun Länderfonds. Der Bund kommentiert,
predigt den Ländern: Bitte macht das und das, schließt ein paar Betten, widmet
ein paar um!, aber er kann es gar nicht, er kann es nicht! – Und das ist Österreich neu denken.
Sie sagen, die
hellsten Köpfe seien in der Schule, in Kindergärten, haben Sie sogar gesagt, in
den Fachhochschulen und Universitäten. Mir wäre recht, wenn die hellsten Köpfe
wie eine Neonröhre hinter mir leuchten und diesen Raum in gleißendes Licht
tauchen würden. Das wäre zumindest eine Energiesparmaßnahme. (Heiterkeit und
Beifall bei den Grünen.) Aber davon merke ich auch nichts.
Und dann in der
Gesundheitspolitik, da wird es grotesk. Sie wollen durch Verdoppelung der Gesundheitsvorsorge
die Zahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebsleiden und Schlaganfällen um ein
Viertel reduzieren. Liebe helle Köpfe! Glauben Sie, man stirbt an Akne,
Heuschnupfen oder Kahlhäuptigkeit? – Da bin ich Experte. Das kann es nicht
sein!
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 151 |
Meine Damen und
Herren! Der kleine Prinz hat einmal Asteroiden besucht, und zwar 325 bis 330.
Ein Planet war von einem Eitlen bewohnt, und der sagte: „Ah, ah, schau, schau,
ein Bewunderer kommt zu Besuch!“ – In mir haben Sie den noch nicht
gefunden! (Beifall und Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)
16.34
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zum Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch. Wunschgemäß ist die Uhr
auf 5 Minuten eingestellt. – Bitte.
16.34
Abgeordneter Dipl.-Ing. Uwe Scheuch (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren!
Bevor ich auf das Thema Landwirtschaft eingehe, bitte ein Wort zu den
Ausführungen des Herrn Abgeordneten Broukal, wo ich mir eigentlich am Anfang
gedacht habe, da wird ein scharfer Wind von Seiten der SPÖ wehen. Mittlerweile,
Herr Abgeordneter, würde ich mir wirklich wünschen, dass Sie öfter während der
Live-Übertragung des ORF sprechen, denn das ist mit Sicherheit die Garantie
dafür, dass Sie auf der Oppositionsbank bleiben und wir in der Regierung. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Es ist mir am
späten Vormittag vom Herrn Klubobmann Van der Bellen noch etwas zu Ohren
gekommen, was ich heute hier gerne noch einmal wiederholen würde: Herr
Klubobmann, Sie haben gesagt, die Freiheitlichen seien das letzte
Aufgebot – wortwörtlich: das letzte. Jetzt frage ich mich nur: Wo sind
Sie? Wir sind in der Regierung, Sie sind in der Opposition! (Beifall bei den
Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Eder.)
Aber nun zum Thema
Landwirtschaft. Es wurde heute schon oft darüber gesprochen: Wo ist die blaue
Handschrift in dieser Regierung? Geschätzte Damen und Herren! Gerade in der
Landwirtschaft ist sehr viel blaue Handschrift zu lesen. Es wurde bereits von
meinen Vorrednern sehr viel erwähnt: vom 3-Milliarden-Paket für den ländlichen
Raum bis zur Stärkung der Biomasse.
Aber
speziell – und darauf lege ich Wert, geschätzte Damen und Herren –
die Umsetzung und die Einführung des Agrardiesels ist eine Forderung, die seit
Jahren von der Freiheitlichen Partei erhoben wird. Frau Abgeordnete
Glawischnig, die Sie sich gerade nach vorne setzen (Abg. Dr. Glawischnig:
Ja, bitte!), ich möchte Sie bitten, dass Sie nicht mit dem Einkommen
der Bauern spielen. (Abg. Dr. Glawischnig: Eh nicht!) Ich
halte es für sehr unfair, dass Sie die agrarischen Förderungen und den
verbilligten Diesel für die Landwirtschaft in Frage stellen, denn damit werden
Sie sehr viel Unstimmigkeit erzielen. Damit werden Sie sicherlich nicht den
Grundstein dafür legen, dass die Landwirtschaft in ihrer klein- und
mittelstrukturierten Form in Österreich erhalten bleibt. (Beifall bei den
Freiheitlichen. – Abg. Dr. Glawischnig: Warum behandeln Sie
Menschen unterschiedlich?)
Geschätzte Damen
und Herren! Erlauben Sie mir abschließend, bevor das Licht zu blinken beginnt,
noch einen Satz zu den Koalitionsverhandlungen. Sehr oft wurde heute darüber
diskutiert, wer mit wem verhandelt hat, wie lange und wie intensiv verhandelt
wurde. – Na klar, ich verstehe, dass die Kolleginnen und Kollegen auf der
Oppositionsbank beleidigt sind. Das erinnert mich an einen Vergleich, der auch
im Zusammenhang mit dem Kärntner Landeshauptmann sehr oft gebracht wird, von
dem gesagt wird, er wäre beleidigt, nicht mehr im Spiel zu sein. Nur eines kann
ich euch sagen: Er könnte von Ihnen noch etwas lernen, was die beleidigte Art
und Weise betrifft, denn auf eine sich so anbiedernde, möchte ich fast sagen,
Art und Weise zu jammern, nicht in der Regierung zu sein, das ist dieses Hauses
nicht würdig. (Rufe bei den Grünen: Welche?)
Ich sage es
auch – und ich verwende die Worte unseres Bundesparteiobmannes – in
dieser Klarheit: Auch wir Freiheitlichen haben lange verhandelt, auch wir
Freiheitlichen haben sehr viel in Frage gestellt. Und gerade von Kärnten –
ich betone das –, gerade von Kärnten sind natürlich sehr viele Dinge
kritisiert worden. Aber, werte Damen und Herren des Hohen Hauses, wir sind in
diese Regierung gegangen, wir stehen zu dieser Regierung, und wir werden hier
diesen Reformkurs fortsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 152 |
Und nicht
zuletzt – und das möchte ich am Ende meiner Ausführungen sagen – sind
wir bereit zu regieren, nicht zuletzt sind wir davon überzeugt, dass sich etwas
ändern wird, weil wir mit Herrn Vizekanzler Herbert Haupt ein freiheitliches
Urgestein an der Spitze unserer Bundesregierung stehen haben. Er ist ein
Garant dafür, dass der Reformkurs, der eingeschlagen wurde, fortgesetzt wird.
In diesem Sinne, meine geschätzten Damen und Herren, würde ich mir von Ihnen
etwas mehr Zusammenarbeit wünschen, freue mich aber auf die nächsten vier
Jahre. (Rufe bei den Grünen: Lei, lei!)
Herr Klubobmann
Van der Bellen! Ich freue mich darauf, und am Ende der Legislaturperiode wird
es vielleicht sogar so weit kommen, dass Sie selbst unseren werten
Regierungsmitgliedern (Abg. Dr. Glawischnig: Sie haben zwei
Drittel Ihrer Wähler verloren!), speziell den Damen, jene Blumen
überbringen werden, die Sie heute vermisst haben. – Danke schön. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Rufe bei den
Grünen: Lei, lei!)
16.39
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gemeldet
ist Frau Abgeordnete Silhavy. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.
16.39
Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geschätzte Damen und Herren! Herr
Kollege Scheuch, das Vertrauen in diese Bundesregierung wird damit bewiesen,
dass Sie heute in Form eines Antrages dieses Regierungsprogramm beschließen
müssen, weil Ihnen offensichtlich Ihr Koalitionspartner nicht traut, ob Sie
sonst überhaupt durchhalten. – So viel zu den nächsten vier Jahren. (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Scheibner: Wir stehen dazu! Wir
haben es ja verhandelt!)
Meine Damen und
Herren! Wir debattieren heute auch über die Weiterführung einer gescheiterten
ÖVP-FPÖ-Regierung. Wozu haben wir überhaupt gewählt?, fragen mich viele
Menschen. Diese Menschen fühlen sich von Ihnen, Herr Bundeskanzler, von Ihrer
Taktiererei gefrotzelt, sagt man bei uns auf gut Steirisch.
Wenn Sie nun die
gescheiterte Koalition zwischen FPÖ und ÖVP fortsetzen, dann wird das von
vielen Menschen als Vorgaukeln empfunden. In der Tat, meine Damen und Herren,
es ist so. Wenn man das Koalitionsabkommen zwischen ÖVP und FPÖ zu dieser
Regierungsbildung sieht, dann merkt man, dass eine große Chance vertan ist, und
zwar nicht eine große Chance für irgendeine Partei, sondern eine große Chance
für die Menschen in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und
Herren! Der fehlende Mut zu Reformen wurde der schwarz-blauen Regierung –
Schüssel I genannt – schon vom Rechnungshofpräsidenten Fiedler, der ja
bekanntlich aus dem ÖVP-Lager stammt, vorgehalten. Er hat festgestellt, dass
den Strukturreformen zu wenig Bedeutung beigemessen werde und Ihnen dafür der
Mut fehle.
Ich möchte es auf
den Punkt bringen. Wir haben es beim Anlauf dieser schwarz-blauen Bundesregierung
gesehen: Sie haben es nicht zu Stande gebracht, Reformen für Österreich tatsächlich
umzusetzen.
Meine Damen und
Herren! Sie haben 30 Steuer- und Abgabenerhöhungen durchgeführt und damit
die höchste Abgabenquote in Österreich erreicht. Das ist keine Reform, das ist
Versagen.
Meine Damen und
Herren! Sie haben zu sozial ungerechten und verteilungspolitisch unausgewogenen
Mitteln, wie Unfallrentenbesteuerung, indem Sie den Kranken das Geld wegnehmen
und den älteren Menschen das Geld aus der Tasche ziehen, gegriffen. Das sind
keine Reformen, das ist Versagen.
Meine Damen und
Herren! Die so genannte Parteifreunderlwirtschaft, die Sie angeblich abschaffen
wollten, hat ihren schlimmsten Höhepunkt in der Causa Gaugg gefunden. Das sind
keine Reformen, das ist Versagen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 153 |
Meine Damen und
Herren! Auf dem Regierungsprogramm – die Erklärung könnte man fast mit
jener im Jahr 2000 vergleichen – steht Zukunft, aber enthalten ist
darin der Weg zurück in die Vergangenheit. (Beifall bei der SPÖ.)
Auch da kann man
nachlesen, meine Damen und Herren, dass Ihnen der Mut zu sozialen und gerechten
Reformen fehlt.
Dramatische
Pensionskürzungen durch das Zusammenwirken von der Erweiterung der Durchrechnung,
der Erhöhung des Abschlages und der Abschaffung der vorzeitigen Alterspension
sind damit die Folge.
Die
Versicherungsleistung der Notstandshilfe wollen Sie überhaupt abschaffen, meine
Damen und Herren! Im vergangenen Jahrhundert hat man „ausgesteuert“ dazu
gesagt. Das ist der Weg zurück in die Vergangenheit! Das Gesundheitssystem wird
nicht abgesichert, sondern die Strukturen werden zerschlagen, um weiter
parteipolitische Umfärbeaktionen betreiben zu können.
Meine Damen und
Herren! Es hört sich an wie Zynismus: Sozial ist, was Arbeit schafft; das steht
in diesem Programm. Da bin ich bei Ihnen, aber ich frage mich: welche
Arbeit? – Drei Jahre blau-schwarze Bundesregierung haben es geschafft,
dass wir derzeit knapp 60 000 Menschen in Österreich haben, die trotz
Vollerwerbsarbeit nicht von diesem Einkommen leben können. In Amerika sagt man
dazu Working poor. – Das ist keine stolze Bilanz, auf die Sie zurückblicken
können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn das schon aus
einer Studie des Sozialministeriums bekannt ist, dann, so meint man, wird wohl
in diesem Regierungsprogramm etwas über die Armutsbekämpfung stehen. Dieses
Thema, meine Damen und Herren, gibt es für Sie aber nicht. Arme Menschen,
Menschen, die krank sind, Menschen, die alt sind, interessieren Sie
offensichtlich nicht. Dass der Diesel für die Bauern billiger wird, das ist
Ihnen wesentlich wichtiger.
Meine Damen und
Herren! Zukunft braucht Verantwortung, das steht hier groß. Ja, aber wie nehmen
Sie denn die Verantwortung wahr? Wie nehmen Sie die Verantwortung wahr bei den
Selbstbehalten, die Sie planen? – Da schieben Sie die Verantwortung auf
die Sozialversicherungen ab.
Wie nehmen Sie die
Verantwortung wahr bei den Ladenöffnungszeiten, die Sie schon das letzte Mal
ändern wollten? – Da sagen Sie, das sollen die Landeshauptleute machen.
Wie nehmen Sie die
Verantwortung wahr, meine Damen und Herren, wenn es um die Zukunft der österreichischen
Industrie geht? Wird diese von Ihnen überhaupt gänzlich abgegeben? Geht es da
aber nicht um österreichische Arbeitsplätze und um die österreichischen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?
Last but not
least: Wie ist es mit den Abfangjägern? Wo übernehmen Sie da die Verantwortung,
wenn Sie sagen: Wir kaufen! Wer bezahlt, ist egal, wir nicht mehr, das soll die
nächste Regierung machen!?
Meine Damen und
Herren! Das ist keine zukunftsorientierte Politik, die Sie uns heute
vorgestellt haben. Das ist ein Weg in die Vergangenheit, der vor allem zu
Lasten der österreichischen Bevölkerung geht. (Beifall bei der SPÖ.)
16.44
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Tancsits. Ich erteile es ihm.
16.44
Abgeordneter Mag. Walter Tancsits (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte zu zwei wesentlichen
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 154 |
sozialpolitischen Anliegen dieser Regierungserklärung Stellung nehmen, die
meiner Ansicht nach die Zukunftsorientiertheit der Maßnahmen deutlich machen.
Erster Punkt: Altersvorsorge, Pensionen. Während seit dem Jahr 1970
die durchschnittliche Lebensarbeitszeit um sechs Jahre gesunken ist, ist die
Verweilzeit in der Pension um zwölf Jahre gestiegen. – Ich möchte an den
Anfang unserer Überlegungen stellen, dass das zwei ungeheuer positive Fakten
sind: Wir sind auf Grund längerer Qualifizierung besser ausgebildet und leben
länger.
Ich glaube, wir sollten mit diesem Grundoptimismus an die Reformen
herangehen. Wir müssen die positiven Fakten bewältigen, wenn wir darangehen,
die Lebensarbeitszeit in kleinen Schritten zu verlängern.
Zum ersten Punkt: die so genannte Abschaffung der vorzeitigen
Alterspension. Es geht darum, nicht ab einem starren Datum die vorzeitige Alterspension
bis zum Jahr 2010 auslaufen zu lassen, sondern darum, sie durch etwas
anderes, nämlich durch eine Wahlmöglichkeit zu ersetzen, wonach ich mit den
entsprechenden versicherungsmathematisch begründeten Abschlägen frei gewählt in
Pension gehen kann. (Zwischenruf der Abg. Mag. Prammer.)
Es soll mir niemand sagen, dass das nicht gerechter ist, wenn ich mehr
Möglichkeiten habe, selbst zu bestimmen. Und darum geht es auch beim Schlagwort
des so genannten persönlichen Pensionskontos. Wenn ich den Menschen
Wahlmöglichkeiten biete, dann muss ich sie auch darüber informieren, wie ihr
Pensionsstand ist. (Abg. Öllinger:
Schlecht!) Das ist eine notwendige Maßnahme zur Sicherung der
ersten Säule im Umlageverfahren.
Sie wird immer einen ganz wesentlichen Teil unserer Altersvorsorge
ausmachen. Es wird aber auch nötig sein – Professor Rürup hat das, als er
von der Frau Bundesministerin Hostasch beauftragt wurde, im Jahr 1997
gesagt, aber auch die EU-Kommission empfiehlt dies –, bis zu einem Drittel –
ich gehe gar nicht so weit – die Altersvorsorge im
Kapitaldeckungsverfahren zu erarbeiten.
Ich denke, dass das Jahr 2033, bis zu dem die
Durchrechnungszeiträume erstreckt werden sollen, auch ein guter Zielpunkt für
den Aufbau einer solchen zweiten und dritten Säule ist.
Meine Damen und Herren! Ich lasse das Argument, das sei nur für die
Gutverdienenden, nicht gelten. In einem Land, in dem es 5 Millionen
Bausparverträge gibt, in dem es genau auf Grund des gleichen Systems, nämlich
Prämien für eine bestimmte Ansparform, zusätzlich noch in unserem
Altersvorsorgemodell die Steuerfreiheit gibt, wird es vielen ermöglicht, diese
Einladung anzunehmen.
Ich denke, dass die mit 1. Jänner 2003 in Kraft getretene
Abfertigung neu und die soeben beschriebene Zukunftsvorsorge in den nächsten
Jahrzehnten einen ganz gewaltigen Schub zur Vermögensbildung in
Arbeitnehmerhand auslösen werden, so wie dies etwa vor einem halben Jahrhundert
die Institutionalisierung des Wohnungseigentums bewirkt hat. (Beifall bei
der ÖVP. – Abg. Mag. Wurm:
Wie ist das mit den BUWOG-Wohnungen?)
Ein zweiter Punkt ist die Gesundheitsreform. Anders als bei der
Altersvorsorge, bei der es um eine relativ einfache Schlussrechnung geht,
nämlich um das Aufteilen auf die in Pension befindliche Generation, wäre da
die Bewahrung des Status quo zu wenig. Wir müssen nämlich für alle die
Teilnahme am medizinischen Fortschritt ermöglichen.
Um alle in unserem allgemeinen Sozial- und Krankenversicherungssystem
halten zu können, sind eben Reformen notwendig: Überdenken des Selbstbehaltes,
Neuformierung des Selbstbehaltes, nicht die sinnlose Aufteilung ohne
Obergrenzen, wie es jetzt der Fall ist, und Strukturreformen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 155 |
Das sind Sozialreformen, mit denen nicht in Funktionsperioden gedacht
wird, sondern die auf Generationen angelegt sind, und ich weiß sie bei dieser
Bundesregierung in guten Händen. (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
16.49
Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort gelangt nunmehr Herr
Abgeordneter Mag. Kogler. Die Uhr ist auf 5 Minuten
eingestellt. – Bitte.
16.49
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren der
Bundesregierung! Geschätzte KollegInnen! (Abg. Großruck: Und Kollegen!) – Kollegen ist in KollegInnen
enthalten, das müssen Sie noch üben. – Das trächtigste Wort in dieser
Regierungserklärung ist tatsächlich das Wort „Zukunft“. Es ist ganz
eigenartig, dass man den Eindruck gewinnt, dass der Gegenstand der jetzigen
Debatte, nämlich die Personen, die hinter mir sitzen, am wenigsten Zukunft von
allen haben, was das betrifft.
Ich glaube, das
Kabinett Schüssel II ist das am wenigsten zukunftsträchtige von jeder
Regierungsform, die möglich gewesen wäre – und das sollten wir uns an
dieser Stelle in Erinnerung rufen. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Aber wir wollen
nicht länger lamentieren, sondern wir wollen auf das eingehen, was Sie uns bei
dieser Gelegenheit vorhalten: Sie von der ÖVP stehen im Mittelpunkt der
Reformwahrheit; alle müssen sich darum herumdrapieren und werden irgendwie
angehalten, im Kreis zu gehen, und Sie haben die Reformwahrheit
gepachtet. – So geht es wirklich nicht!
Wenn man sich dann
dieses so genannte Zukunftskonzept anschaut, sieht man in erster Linie eine
Überschriftensammlung. Die wenigsten Dinge sind konkret, und jene, die konkret
sind, sind eher in die Ecke der Tragikomödie zu stellen. Sie wollen uns
erklären, dass 18 Eurofighter fast kein Geld kosten – jedenfalls
nicht jetzt, später vielleicht, dann aber schon. Wer wird das zahlen? –
Man weiß es nicht. – Also damit hätten Sie am Villacher Fasching
reüssieren können. Dort sind Sie aber nicht gewesen, weil dort hat schon ein
anderer Hof gehalten. (Abg. Mag. Mainoni: Gusenbauer!)
Jetzt noch einmal
zur Sache selbst: zur Budgetkonsolidierung, zur Pensionsreform und den erwähnten
Abfangjägern. Es ist Zeit für ein nüchternes Resümee: Sie haben uns
vorgeworfen, dass wir zu wenig konsolidierungsbereit gewesen wären. Ich stelle
jetzt fest, wenn ich die so genannten Budgetpfade vergleiche – das Defizit
wird ja über die Jahre ausgewiesen –, dass die Grünen Defizite
vorgeschlagen haben, die in Summe weniger Schulden für den Staat in den
nächsten vier Jahren bedeutet hätten als Ihr Programm. Das finde ich
beachtlich! Woran liegt das? – Das liegt daran, dass Sie heute ankündigen,
rechtzeitig vor der Wahl eine so genannte große Steuersenkung durchzuführen.
Man weiß nicht, ob sie kommt; und wenn sie kommt, stellt sich die Frage, ob sie
leistbar ist, weil Sie damit das Defizit erhöhen! Sie erhöhen damit das Defizit
enorm! Plötzlich ist im Jahr 2005 eine Abgabenquote erreicht, die
vielleicht besser ist als jetzt, aber wir haben dann ein Budgetdefizit von über
1,5 Prozent – von über 1,5 Prozent! – des BIP. Das, was
vorher ganz schlecht war, ist dann plötzlich ganz gut, weil Wahlen kommen und
es Zuckerln zu verteilen gibt. (Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.)
Herr Kollege
Trinkl! Es wäre viel sinnvoller, wenn man den Begriff Steuerreform im Mund führt – interessanterweise ist
jetzt fairerweise ohnehin meistens nur mehr von Steuersenkung die Rede –, dass wir uns tatsächlich auch um
die Reform kümmern würden! Es
geht also um die Einnahmen- und Ausgabenstruktur im Budget.
Bleiben wir bei
der Einnahmen-, also bei der Steuerstruktur! Da wird im Wesentlichen unter dem
Deckmantel der Ökologisierung ein bisschen herumgedoktert, aber mehr nicht. Es
geht einfach darum, dass im größeren Stil umgeschichtet werden würde –
ganz einfach: Energiebelastungen erhöhen und Arbeitskosten senken. Das wird nur
angedeutet, aber sicher ist das nicht der große Wurf, jedenfalls nicht so groß (Zwischenruf
des Abg. Großruck),
dass Sie das Vokabel der ökologisch-sozialen Steuerreform länger im Mund
führen sollten, weil Sie damit der Idee nur schaden. (Beifall bei den
Grünen. – Abg. Dr. Trinkl:
Das war ein eher mäßiger Applaus!)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 156 |
Zur
Pensionsreform: Jeder vernünftige Mensch wird erkennen, dass es sinnvoll ist,
wenn die Menschen immer älter werden, dass sie auch länger im Erwerbsleben
bleiben sollten. Das ist selbstverständlich! Die Frage ist: Wie erreichen wir
das? – Sie haben es vorgezogen, einen Weg ohne arbeitsmarktbegleitende
Maßnahmen einzuschlagen, und dagegen haben wir uns ausgesprochen. Hingegen gab
es Konsens darüber, dass wir auch Einsparungsmaßnahmen im Pensionsbereich
vornehmen müssen. Und das ist eben der Unterschied: Sie setzen in Zukunft
darauf, die erste Säule, die öffentliche Pensionsvorsorge, vorsichtshalber zu
demolieren, damit alle in die private abgedrängt werden, und diese wird dann,
obwohl sie privat heißt, vom Staat gefördert. Das ist ein
inhaltlich-ideologischer Unterschied. Das darf man ruhig einbekennen, denn so
ist es eben. (Beifall bei den Grünen.)
Letzter Punkt: die
leidigen Abfangjäger: Es geht mir nur darum, aufzuzeigen, dass Sie die mit
Abstand teuersten Produkte anschaffen. Der Herr Verteidigungsminister wird Mühe
haben, das zu rechtfertigen. Ich habe hier die Akte vor mir liegen.
Nichtsdestotrotz ist es, so glaube ich, wichtig, der Öffentlichkeit einmal die
Aktenlage zur Kenntnis zu bringen. Ich habe sie hier – das ist mein Job
als Rechnungshofausschuss-Vorsitzender, bevor sich wieder jemand aufregt, dass
ich hier falsche Akten habe.
Präsident Dr. Andreas Khol: Den Schlusssatz bitte!
Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Sie liegen auch dem Rechnungshof vor. Daraus geht
eindeutig hervor, dass diese Abfangjäger die mit Abstand teuersten sind, die
man nur kaufen kann. Und alles, was Sie von Gegengeschäften erzählen, wird sich
in Luft auflösen, all das ist ein großer Schmäh. (Beifall bei den Grünen und
bei Abgeordneten der SPÖ.)
16.55
Präsident
Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter, der
Entschließungsantrag, den Sie heraufgelegt haben, ist nicht eingebracht
worden; den wird hoffentlich der nächste Redner einbringen.
Zum Wort gelangt
Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte. (Abg. Scheibner: Er wird
ihn, glaube ich, nicht einbringen! – Abg. Parnigoni: Was weiß
man!)
16.55
Abgeordneter
Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Geschätzter Herr
Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der
Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren! Diesen Initiativantrag kann ich
nicht einbringen, ich kenne ihn gar nicht; tut mir Leid! Aber ich bin immer
bereit, mit anderen Fraktionen, auch wenn sie in Opposition sind, über vernünftige
Vorschläge zu debattieren und diese auch umzusetzen.
Diese
Regierungserklärung, sehr geehrte Damen und Herren, ist gekennzeichnet von
Maßnahmen sowohl im Pensionsbereich, um die Pensionen in Österreich zu
sichern, als auch im Gesundheitsbereich, um die dortigen Strukturen zu
verändern und diese zu gewährleisten, als auch im Steuerbereich. Ebenfalls
werden Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik gesetzt, um Dinge abzufedern. Ich
möchte nur darauf hinweisen, dass gerade im steuerrechtlichen Bereich die
Entlastung 500 Millionen € für die österreichischen Steuerzahler
beträgt. Davon werden vor allem jene, die mit Mindesteinkommen zu kämpfen
haben, profitieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Der Mindestlohn in
der Höhe von 1 000 € soll umgesetzt werden. (Abg. Öllinger:
Das machen Sie ja nicht!) Da muss ich sagen, die Gewerkschaften waren
schon lange säumig, und ich habe mir eigentlich erwartet, dass die
Gewerkschaften diesen Ball, nämlich die 1 000 € Mindestlohn,
aufgreifen werden. (Abg. Mag. Lunacek: Machen Sie es doch!)
Einkommen bis zu
14 500 € pro Jahr sollen steuerfrei gestellt werden. Das ist
ebenfalls eine Errungenschaft, die wir jetzt umgesetzt haben. – Die
Freiheitlichen haben den Mut gehabt, in diese Regierung zu gehen und Dinge
umzusetzen! Sie haben den Mut nicht gehabt. Die Sozialdemokraten waren als
Erste eingeladen, die Grünen waren ebenfalls eingeladen, aber euch hat der Mut
verlassen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 157 |
Wir haben auch bei
den Lohnnebenkosten eine Senkung für ältere Mitarbeiter – Frauen ab dem
56., Männer ab dem 58. Lebensjahr – erreicht. In diesem Bereich gibt
es nun gewisse Einschleifregelungen bei der Arbeitslosenversicherung, bei der
Unfallversicherung, beim FLAF und bei Insolvenzbeiträgen bis zu
10 Prozent.
Eine steuerliche Begünstigung für Betriebe für nicht entnommene Gewinne
haben wir ebenfalls durchgesetzt. Die Kaufkraft in Österreich muss gestärkt
werden, denn wenn die Kaufkraft gestärkt wird, hat jeder mehr im Geldbörsel
und kann sich auch wieder mehr leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Zur Gesundheit, sehr geehrte Damen und Herren: Es wird immer wieder, wie
wir schon gehört haben, sehr viel gejammert. Frau Kollegin Silhavy! Sie haben
gesagt, uns fehle der Mut zur Erneuerung. – Wir haben den Mut zur
Erneuerung! Wir haben den Mut zur Erneuerung, uns fehlt er nicht! Wir
zerschlagen keine Strukturen, sondern wir strukturieren Dinge dort um, wo es in
die falsche Richtung geht, wo es Systeme gibt, nach denen die einen bevorteilt
und die anderen benachteiligt werden. (Abg. Gradwohl: Wo?)
Wir sind bestrebt, gerade im Gesundheitsbereich, vor allem bei den Krankenkassen
Klarheit zu schaffen. Wir wollen eine Harmonisierung der verschiedenen
Krankenkassen. Wir haben jede Menge Selbstbehalte in Österreich, die auch unter
sozialistischer Führung, unter sozialistischen Bundeskanzlern, Sozialministern,
eingeführt worden sind! Würde ich jetzt alle aufzählen, wäre meine Redezeit zu
kurz dafür, das geht gar nicht! Wir aber wollen eine Harmonisierung!
Wir wollen eine Zusammenführung der Unfallversicherungsanstalt, der
Krankenversicherung im Gebietskrankenbereich und in sämtlichen
Sozialversicherungsbereichen. Wir wollen eine Gleichstellung für alle, eine
Harmonisierung der EDV-Systeme und so weiter und so fort. Es wird auch die
Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten fortgesetzt, indem die
Beitragssätze der Arbeiter zur Krankenversicherung gesenkt werden, sehr geehrte
Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Wenn Sie hier beklagen, es sollen Selbstbehalte eingeführt werden, so
kann ich den Ball nur zurückspielen: Wir haben eine sehr salomonische Lösung
gefunden, und zwar sollen die Sozialversicherungsanstalten Vorschläge
ausarbeiten. Das ist eine Selbstträgerschaft, und eine Selbstträgerschaft muss
sich eben selbst einmal organisieren und auch für die Einnahmen sorgen oder bei
sich selbst sparen, bei ihren Pensionsprivilegien und so weiter und so fort.
Dort gehört eingespart, und die Bürger gehören entlastet! Die österreichischen
Bürger gehören entlastet! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ganz kurz zur Arbeitsmarktpolitik: Kollege Kogler! Wir wollen dort entsprechende
Maßnahmen setzen, damit vor allem für ältere und jüngere Arbeitnehmer in
Österreich die Möglichkeit besteht, schnell und effizient vermittelt zu
werden. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)
Zur Pension: Wir haben in den Verhandlungen durchgesetzt, dass die
frühzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit mittels einer Einschleifregelung
bis zum Jahr 2010 besteht und nicht von heute auf morgen abgeschafft wird.
Die „Hackler-Regelung“ war ebenfalls immer ein freiheitliches Thema. Wir
sind stolz darauf, dass jene, die lange Versicherungszeiten erworben haben,
auch weiterhin mit 60 Jahren in Pension gehen können, wenn sie
45 Versicherungsjahre haben. Das Alters-Übergangsgeld ist ebenfalls etwas,
mit dem diesen Leuten geholfen wird. Besonders stolz, sehr geehrte Damen und
Herren, sind wir darauf, dass die Weiterführung der Behindertenmilliarde
gesichert ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
17.00
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist
Herr Abgeordneter Dr. Einem. Ich erteile ihm das Wort. – Die
Redezeiten bleiben unverändert.
17.01
Abgeordneter Dr. Caspar Einem
(SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal kurz Revue
passieren, was der Herr Bundeskanzler
heute in seiner Regierungserklärung so von sich gegeben hat.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 158 |
Er hat am Anfang
gesagt, diese Regierung stehe für eine Politik, die die Dinge beim Namen nennt.
Im Anschluss daran kam eine Aufzählung der schwierigen Probleme, die es derzeit
gibt: die labile Lage im Nahen Osten, das Irak-Problem und ähnliche Dinge mehr.
Herr Bundeskanzler! Im Koalitionspakt haben
Sie nicht den Mut gehabt, diese Fragen auch nur mit einem einzigen Wort zu
erwähnen! – Das ist festzustellen. (Beifall bei der SPÖ und bei
Abgeordneten der Grünen.)
Zweitens schreiben
Sie gleich im nächsten Absatz – und Sie haben uns das auch hier so vorgetragen –,
Sie hätten es bewusst vermieden, uns an die Seite irgendeiner Gruppe zu
stellen. – Herr Bundeskanzler!
Frau Außenministerin! Sie haben es bewusst vermieden, überhaupt eine Position
zu beziehen, bevor klar ist, wer gewonnen hat. Das kritisieren wir! Das ist
keine Politik, das ist einfach Mitläufertum. (Beifall bei der SPÖ und bei
Abgeordneten der Grünen.)
Sie schreiben auf
den nächsten Seiten, Sie würden den Wachstumsfaktoren Bildung, Forschung,
Technologie und Infrastruktur noch größere Bedeutung beimessen und Prioritäten
setzen. Dafür nähmen Sie das Ziel für 2003, 2,5 Prozent Forschungsquote
zu erreichen, zurück – und wollen das erst 2006 erreichen! Aber auch dafür
investieren Sie zu wenig Geld, wie Ihnen heute schon vorgerechnet worden ist.
Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin
Rauch-Kallat! Sie schreiben in dem Papier „Zukunft braucht: Verantwortung“ von
der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Sie verbessern wollen, sehen in
Ihrem Programm aber keine einzige Maßnahme dazu vor. Wo sind die Maßnahmen,
die es berufstätigen Frauen erleichtern sollen, berufstätig zu sein und
außerdem ein Kind zu haben, oder berufstätigen Männern erlauben sollten, beides
miteinander zu vereinen, Herr Bundeskanzler?
(Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steibl:
Können Sie nicht lesen? –
Abg. Rossmann: Das
Kindergeld! – Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Dr. Schüssel.)
Sie versprechen
weiters, dass 2010 für alle Österreicherinnen und Österreicher eine deutliche
Entlastung bei den Steuern spürbar sein soll, die Abgabenquote werde auf
40 Prozent zurückgehen. – Herr Bundeskanzler! Versprechungen, die jenseits der Legislaturperiode
sind, interessieren heute niemanden. Außerdem haben Sie dieses Versprechen
schon das letzte Mal nicht gehalten. (Beifall bei der SPÖ.)
Sie schreiben, Sie
wollen in diesem Europa ein aktives, gleichberechtigtes Mitglied sein, das die
Zukunft Europas mitgestaltet. Wo sind die Vorschläge, die Sie dazu machen? –
Frau Bundesministerin! Herr Bundeskanzler!
Die Vorschläge dazu fehlen. Das, was Ihnen dazu einfällt, ist die
Schutzmachtfunktion für die deutschsprachige und die ladinische Minderheit in
Südtirol und ähnliche Dinge.
Sie schreiben vom
Verkehrsaufkommen und davon, dass es europäischer Lösungen bedarf. – Ja,
es braucht auch europäische Lösungen. Aber haben Sie irgendwo in der
vergangenen Legislaturperiode Vorschläge entwickelt oder gar realisiert, bei
denen die österreichischen Möglichkeiten ausgeschöpft worden wären? Wo
sind die österreichischen Lösungen, die auch möglich sind, die unsere
Glaubwürdigkeit in Europa und die Bereitschaft unserer Partner in der
Europäischen Union, Österreich in seinen Wünschen entgegenzukommen,
beträchtlich erhöht hätten? Wenn wir in jenen Bereichen, die wir selbst lösen
können, nicht selbst etwas tun, brauchen wir uns von den Partnern nicht allzu
viel zu erwarten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Auf Bundesminister
Strasser war bezogen, dass Österreich künftig auch weiterhin eines der
sichersten Länder sein solle und bleibe, und dazu brauche es, so steht hier,
eine gut motivierte Exekutive. – Herr Bundesminister Strasser! Mit der
Art, wie Sie im Innenministerium in den letzten drei Jahren „herumgeackert“
haben, werden Sie keine motivierte Exekutive finden; da werden Sie eine
Exekutive finden, die sich fürchtet, aber nicht eine, die motiviert ist. Das
ist nicht das, was wir brauchen, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ
und bei Abgeordneten der Grünen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 159 |
Sie schreiben mit
Recht, dass es, um negativen Trends entgegenzuwirken, notwendig wäre, eine
aktive Beschäftigungspolitik zu betreiben, und dass Ihre Antwort auf Probleme
auf dem Arbeitsmarkt „Qualifizierung“ heiße.
Herr
Bundesminister Bartenstein! Ich sehe ihn gerade nicht. Wir haben Ihnen in der
vorigen Legislaturperiode, vor fast schon zwei Jahren vorgeschlagen, im
Zusammenhang mit der Erweiterung der Europäischen Union eine aktive
Qualifizierungspolitik für die österreichischen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer durchzuführen, um sicherzustellen, dass mögliche Risken der
Erweiterung der Europäischen Union nicht wirksam werden. Was haben Sie dazu
getan? – Sie haben diesbezüglich in der vergangenen Periode nichts
umgesetzt, wie Sie im übrigen auch in einer Anfragebeantwortung schriftlich
zugeben mussten und zugegeben haben.
Lassen Sie mich
zum Schluss kommen. Sie haben zur Forschung etwas mehr angekündigt, Sie haben
zu vielen Bereichen etwas angekündigt.
Zuletzt haben Sie
auch noch behauptet: „Wir haben mit der alten Schuldenpolitik Schluss gemacht.“ –
Darf ich den Herrn Finanzminister, den Herrn Staatssekretär, den Herrn Bundeskanzler fragen, wie hoch die
Schulden Ende 1999 waren? Und wie hoch waren die Schulden Ende 2002?
Ich darf
unterstellen, dass es wahr ist, dass die Schulden Ende 2002 höher gewesen sind
als Ende 1999!? Sie haben nicht mit der Schuldenpolitik
Schluss gemacht, aber Sie haben zugleich auch Österreich nicht in eine Zukunft
geführt – aber die gleichen Versprechungen geben Sie jetzt wieder ab! Sie
sind ebenso wenig glaubwürdig. (Beifall bei der SPÖ.)
17.06
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin
ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte.
17.06
Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte
Damen und Herren von der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute
ist es noch nicht oft zur Sprache gekommen, aber erlauben Sie mir als
Justizausschuss-Vorsitzender, dass ich zum Justizkapitel einiges sage.
Im vorliegenden
Regierungsübereinkommen ist das Justizkapitel das umfangreichste, das ich
bisher in einem Regierungsübereinkommen mitgetragen habe. Immerhin ist es jetzt
schon das fünfte Regierungsübereinkommen, das ich als „ÖVP-lerin“ in puncto
Justiz mittrage, drei davon damals noch in der großen Koalition mit der SPÖ.
Gemeinsam mit der SPÖ hat man dem Justizkapitel kein besonderes Augenmerk
geschenkt.
Das hat sich mit
dem freiheitlichen Partner sofort geändert. Als Ausschussvorsitzende bin ich
sehr froh, sagen zu können, dass wir diesbezüglich ein sehr ambitioniertes
Programm vorlegen. Wir von der ÖVP sind mit dem Reformtempo, dem Reformumfang
und dem Reformwillen im Justizbereich sehr zufrieden.
Werte Kolleginnen
und Kollegen von der Opposition! Wir laden Sie ein, an diesen Reformen
konstruktiv mitzuarbeiten. In der abgelaufenen Legislaturperiode war Ihre
Mitarbeit im Bereich Justiz eher von aggressiven Angriffen geprägt.
Ideologische Trennlinien, wie sie häufig in der Justizpolitik zu Tage treten,
können bei ein bisschen gutem Willen – da sage ich: selbstverständlich
von beiden Seiten – überwunden werden, jedoch nur dann, wenn konstruktiv
und um der Menschen und der Sacharbeit willen zusammengearbeitet wird. Mauern,
Verhindern um jeden Preis, Polemisieren, oder auch das in der vergangenen
Periode oft gehörte Argument „Reform ja, aber nicht jetzt und nicht gleich und
nicht so rasch“ – das wäre für mich keine konstruktive Zusammenarbeit,
keine Strategie, sondern bloß Fundamentalopposition. (Beifall bei der ÖVP.)
Eine moderne Justiz muss als Dienstleistung für den Bürger verstanden werden. In diesem Sinne, so glaube ich, können wir uns treffen, nämlich alle hier in diesem Haus vertretenen
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 160 |
Parteien. Wenn man in diesem Sinne vorgeht, dann werden wir
Gemeinsamkeiten finden – und wir werden diese auch mit der Opposition
suchen.
Als
Justizausschuss-Vorsitzende werde ich mich selbstverständlich um den Konsens
bemühen und ein sachliches Diskussionsklima fördern – trotz politischer
Unterschiede und trotz der ideologisch verschiedenen Standpunkte, die es im
Justizbereich immer wieder gibt.
Wer das
Justizkapitel gelesen hat – ich verzeihe es Ihnen, wenn Sie es nicht getan
haben –, dem wird nicht entgangen sein, dass legistische Vorhaben nun
verstärkt durch wissenschaftliche Studien vorbereitet werden. Meine Damen und
Herren von der Opposition! Sie können sich nicht in der Hoffnung wiegen, das
wäre ein Begräbnis erster Klasse, sondern diese Studien werden wir ganz
ambitioniert vorantreiben.
So wird
beispielsweise eine Studie genannt, die prüfen soll, inwieweit Ehegatten im
Scheidungsverfahren vor Übervorteilung geschützt werden können – mit
einer nachfolgenden parlamentarischen Enquete. Ich verspreche mir viel davon,
denn immerhin ist Scheidung die Armutsfalle Nummer eins. Wenn wir hier zu
besseren Lösungen kommen können, hilft uns das. (Beifall bei der ÖVP.)
Auch der
Konsumentenschutz und seine grundsätzliche Organisationsform mit der Einbindung
aller Berufsgruppen oder gesellschaftlich relevanter Gruppen – mit der
Zielsetzung der Sicherstellung eines effizienten bürgernahen
Konsumentenschutzes – soll in einer Studie aufgearbeitet, Maßnahmen
anschließend umgesetzt werden.
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Sie sehen, wir haben im Justizbereich viel vor. Ich
glaube, dass das Kapitel ambitioniert, modern und kreativ gestaltet ist.
Herr Minister
Böhmdorfer! Ich bedanke mich für Ihre bereits erteilte Zusicherung – er
ist jetzt nicht mehr anwesend –, dass das Gesprächsklima auch mit der
Opposition weiter verbessert und bereits vor dem Justizausschuss, wie wir es
immer gepflogen haben, mit der Opposition ein Gespräch geführt werden soll. Für
eine konstruktive Zusammenarbeit stehe ich jederzeit zur Verfügung. (Beifall
bei der ÖVP.)
17.12
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau
Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.
17.12
Abgeordnete
Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr
geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Frau Rauch-Kallat!
Herr Sozialminister Haupt! Ich habe mir natürlich – das war vorauszusehen –
speziell das Kapitel über behinderte Menschen angeschaut. Ich bin wirklich
darüber erstaunt, Frau Rauch-Kallat, wie wenig von dem, was wir uns gemeinsam
ausgemacht haben, noch übrig geblieben ist. (Bundesministerin Rauch-Kallat: Alles! 1 : 1!) Das
ist zerfleddert bis zur Unkenntlichkeit.
Ich bin so froh, dass wir letzte Woche diesen
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 161 |
Entschließungsantrag, diesen Vier-Parteien-Antrag
zu einem Bundesbehinderten-Gleichstellungsgesetz in diesem Haus gemeinsam
beschlossen haben. Denn in Ihrem Regierungsprogramm steht nicht einmal mehr,
dass bei Diskriminierung auch geklagt werden kann. Selbst das ist draußen.
Der Bereich des
Pflegegeldes, über den wir wirklich viel diskutiert haben, fehlt ganz. Den gibt
es nicht mehr – entsorgt, Herr Minister! Sie waren es doch, der
noch vor wenigen Wochen gesagt hat: Wenn ich wieder Sozialminister werde, dann
wird das Pflegegeld um 2 Prozent erhöht. – Herr Minister! Schauen Sie
es sich an. Der Begriff Pflegegeld findet sich hier nicht mehr. Aber ich will Sie
ja unterstützen. Es kann in der Hektik der Gespräche auch vergessen worden
sein.
Deshalb bringe ich
folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Haidlmayr und KollegInnen betreffend Valorisierung des Pflegegeldes
Der Nationalrat
wolle beschließen:
Der Bundesminister
für soziale Sicherheit und Generationen wird ersucht, dem Nationalrat bis
30. Juni 2003 eine Regierungsvorlage betreffend die jährliche
Valorisierung des Pflegegeldes, rückwirkend mit 1. 1. 2003,
vorzulegen.
*****
Herr Minister! Ich
habe ihn schon auf dem Präsidium abgegeben. Das Exemplar schenke ich Ihnen,
damit Sie sich wieder daran erinnern, was Sie uns versprochen haben.
Frau Rauch-Kallat!
Ich weiß nicht, was passiert ist, entweder sind Textpassagen verloren gegangen,
was keiner gemerkt hat (Bundesministerin Rauch-Kallat: Der gleiche Text!), oder man wollte das tatsächlich nicht mehr im Programm haben.
Frau Rauch-Kallat! Sie waren es, die sogar den Satz eingebracht hat: Alle vom
Bund geförderten und finanzierten öffentlichen Einrichtungen werden bei Neu-,
Zu- und Umbauten oder Sanierungen barrierefrei nutzbar gemacht. Das gilt auch
für den öffentlichen Verkehr. Der Bund verpflichtet sich zur barrierefreien Bauweise
et cetera et cetera.
Jetzt steht etwas
anderes drinnen. In dieser heutigen Rede des Herrn Bundeskanzlers ist gar
nichts mehr übrig geblieben. Da geht es nur mehr darum, dass das persönliche
Umfeld barrierefrei sein soll. – Glauben Sie, ich lasse mir von jemandem
vorschreiben, dass ich mir vor das Bett vielleicht auch noch eine Stufe
hinstellen muss?! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Mein persönliches
Umfeld schaffe ich mir schon barrierefrei. Aber es geht nicht um mein persönliches
Umfeld, sondern es geht einfach um das gesellschaftliche Umfeld, das
barrierefrei sein müsste. Diesbezüglich haben wir uns ausgemacht, dass es keine
Finanzierung mehr vom Bund gibt, wenn die Barrierefreiheit nicht sichergestellt
ist. Jetzt steht in Ihrem Regierungsprogramm nichts mehr davon drinnen. (Zwischenruf
des Abg. Parnigoni.)
Zur rechtlichen
Anerkennung der Gebärdensprache: Wissen Sie, was dazu jetzt darin steht? –
Ich habe auch mit meinem behinderten Kollegen Ihrer Fraktion darüber
gesprochen, weil uns beiden einfach nicht klar ist, was damit gemeint ist. Und
zwar steht darin ganz konkret – hören Sie bitte zu! –: „Verbesserung
der Voraussetzungen für Gebärden- und Lautsprache“.
Heißt das, dass
die nicht gehörlose Bevölkerung jetzt Rhetorikkurse bekommt, oder meinen Sie
jetzt ganz konkret, dass man gehörlosen Menschen die Lautsprache beibringen
soll, weil sie sich ohnehin gegenseitig nicht hören, weil sie gehörlos
sind? – Ich weiß nicht, was damit gemeint ist. Aber auf jeden Fall haben
Franz-Joseph Huainigg und ich nicht kapiert, was gemeint ist. Vielleicht
bekommen wir irgendwann eine Aufklärung.
Ich möchte noch
ganz schnell etwas zum Zivildienst sagen, weil Herr Minister Strasser hier
sitzt. – Herr Minister! Ich bin recht glücklich gewesen, dass Sie von
meinen Berechnungen zum Zivildienst so überwältigt waren. Ich habe Ihnen
vorgerechnet, dass Zivildienst, der im Interesse der Einrichtungen, der
Zivildiener und des Bundes ist, mit denselben Mitteln finanzierbar wäre, wie
Sie sie jetzt ausgeben. Ich habe Ihnen ein paar große Brocken genannt, bei
denen Sie Vereine „vergoldet“ haben. Sie haben gesagt, lasst mir sofort den
Vertrag kommen, den müssen wir uns anschauen, da kann etwas nicht
stimmen. – Heute lese ich in der Zeitung, genau dieser Vertrag ist jetzt
auf unbefristete Zeit verlängert worden.
Da frage ich mich wirklich, ob ich Beschäftigungstherapie gemacht habe, denn dass Sie das schon wieder vergessen haben, kann ich mir fast nicht vorstellen (Abg. Parnigoni: Auch ausgetrickst worden!), sondern ich gehe davon aus, dass Sie einfach ein Spielchen betrieben haben.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 162 |
Das
finde ich persönlich schade. Das finde ich wirklich schade, denn im
Zivildienstbereich hätten wir – und da hätte ich Ihnen auch geholfen, weil
Sie mich damals darum gebeten haben – ein Konzept erarbeiten können, das
im Interesse aller drei beteiligten Gruppen gewesen wäre.
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Bitte die Redezeit zu beachten!
Abgeordnete
Theresia Haidlmayr (fortsetzend): Dass Sie
jetzt Ihre „vergoldete Schatzkiste“ auf unbefristete Zeit verlängert haben, ist
ein eigenes Kapitel. Aber ich glaube, darüber müssen wir noch einmal gesondert
reden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
17.18
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Frau
Abgeordnete Haidlmayr betreffend Valorisierung des Pflegegeldes vorgetragen
hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt, steht zur Verhandlung und am Schluss der
Sitzung zur Abstimmung.
Nächste Rednerin
ist Frau Abgeordnete Rossmann. – Bitte.
17.18
Abgeordnete Mares Rossmann (Freiheitliche): Herr Präsident!
Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Frau Kollegin Silhavy! (Abg. Scheibner: Ist nicht da!) Sie ist nicht da. Frau Kollegin
Haidlmayr, wenn Sie so lieb sind und ganz kurz zuhören: Unser Herr
Bundesminister und jetziger Vizekanzler Herbert Haupt hat selbstverständlich
die Weiterführung der Behindertenmilliarde und auch die Anerkennung der
Gebärdensprache im Regierungsübereinkommen festgeschrieben.
Ich kann aus
meinem ehemaligen Ressort, nämlich dem Tourismusressort, berichten – das
habe ich Ihnen versprochen –, dass es eine österreichweite Erhebung für
touristische Einrichtungen, Hotelausstattungen und Gaststätten gibt, die ihren
Niederschlag in einem eigenen Katalog, in einem Reisekatalog finden werden. Ich
habe vor einer Woche noch unterschrieben, dass dieser Reisekatalog ins Internet
gestellt wird. Er ist demnächst im Jahr der Menschen mit Behinderungen für
Österreich ersichtlich und wird auf der Homepage der Österreich Werbung zu
finden sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich glaube, es ist
ein wichtiges Signal, Menschen, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind, den
Urlaub einfach so angenehm wie möglich zu gestalten und nach Österreich
einzuladen.
Frau Kollegin
Silhavy ist nicht da. Herr Kollege Einem! Wenn immer wieder davon gesprochen
wird, dass die Steuern- und Abgabenquote die höchste sein soll, dann möchte ich
Sie daran erinnern, dass auch die sozialdemokratische Fraktion immer
Mitstreiter mit uns war, dass man endlich die Verzinsung der Steuerschuld
einführt und somit auch die Steuerschuld eintreibt. Sie wissen ganz genau, dass
die Steuerquote in der Höhe von 45,6 Prozent – einmalig im
Jahr 2001 – auf die Verzinsung der Steuerschuld zurückzuführen ist.
Wenn Sie sich auf
dieser Graphik (die Rednerin hält eine
Graphik in die Höhe) ansehen, wie die Steuerschuld verläuft, dann sehen
Sie, dass wir bereits im Jahr 2002 auf dem Niveau der Sozialdemokraten von
1997 sind, und wir streben für 2003 die niedrigste Steuerbelastung an, die
es je seit Ihrer roten sozialistischen Finanzpolitik gegeben hat. Wir sind die
Ersten, die das wieder schaffen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Ich gebe Ihnen die Graphik
später.
Ebenfalls
interessant, weil Sie immer vom niedrigsten Bildungs- und Wissenschaftsbudget,
das es je gab, reden (die Rednerin hält
in der Folge weitere Graphiken in die Höhe): Allein vom Jahr 1998 bis
jetzt sind dafür über 1 Milliarde € mehr im Budget veranschlagt
worden, von 1997 bis jetzt sind es über 2 Milliarden € mehr. –
Ich gebe Ihnen auch diese Graphik.
Wenn von Forschung
gesprochen wird – detto! Diese Graphik spricht für sich: eine Steigerung
um mehr als eine halbe Milliarde € allein von 1997 bis 2002, wobei in den
letzten beiden Jahren die Steigerung am höchsten war.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 163 |
Das Gleiche gilt
für die Infrastruktur. Natürlich kann es dafür nie genug Geld geben. Das wissen
wir, und diese Regierung ist auch immer wieder bereit gewesen, in die
Infrastruktur zu investieren. – Auch diese Graphik werde ich Ihnen geben.
Heute ist oft
davon gesprochen worden, dass Kompetenzen und Verantwortungen abgeschoben
werden. Ich möchte dazu Folgendes sagen: Dass die Regelung der
Ladenöffnungszeiten im Detail in Zukunft den Landeshauptleuten überlassen
werden soll, ist keineswegs ein Abschieben von Verantwortung, sondern einfach
das Schaffen akzeptabler Lösungen auf regionaler Basis. Wo sonst sind die
entsprechenden Kompetenzen besser aufgehoben als bei den Landeshauptleuten? Vor
allem ist das auch gelebter Föderalismus.
Auch in der
Diskussion um die Abschaffung der Ambulanzgebühren und der Krankenscheingebühr
geht es ebenfalls nicht um ein Abschieben von Verantwortung, sondern darum,
dass man endlich das Einsparungspotential vor allem in den
Landesverwaltungskörpern ausschöpft. Ich möchte hinzufügen, dass man, ehe man
über Selbstbehalte nachdenkt, auf der roten Reichshälfte einmal darüber nachdenken
sollte, die Pfründe zu beseitigen. – Das sage ich als steirische
Abgeordnete, Stichwort: Steirische Gebietskrankenkasse. Dort ist einiges zu
tun, und ich werde ein Auge darauf haben, wie es dann mit Selbstbehalten in
diesem Verwaltungskörper ausschaut. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der övp.)
Wir werden Sie
ständig daran erinnern: 16 großteils unsoziale Selbstbehalte mit mehr als
80 Prozent wurden unter sozialistischer Regierung – unter einem
sozialistischen Finanzminister, sozialistischen Bundeskanzler und
sozialistischen Sozialminister – eingeführt. Wir werden die
Krankenscheingebühr abschaffen und selbstverständlich auch die Ambulanzgebühr;
diese war kein Ruhmesblatt, was wir ohne weiteres zugeben. Wir werden die Krankenscheingebühr
abschaffen, und wir werden Sie daran erinnern, dass Sie in Ihrer Regierungszeit
mehr als 16 Selbstbehalte eingeführt haben. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der övp.)
17.23
Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte.
17.23
Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren auf der Regierungsbank! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer die
außenpolitischen Punkte dieser Regierungserklärung studieren und beurteilen
muss, der hat nur wenig Arbeit, denn wenn ich von der Irak-Frage und den Themen
im Zusammenhang mit der EU absehe, dann ist nicht mehr sehr viel
Außenpolitisches darin enthalten. Ich sage auch gleich: Das Wenige ist nicht
wirklich kontroversiell.
Man kann zu fast
allem ja sagen – natürlich! –, und man ist dennoch nicht zufrieden,
denn die Schwerpunkte, die aufhorchen lassen würden, die Positionierungen, die
notwendig wären, sind nicht enthalten. Auch im Bereich der Außenpolitik wurde
in dieser Regierungserklärung eine große Chance vertan, meine Damen und Herren:
Kein Wort zur UNO, kein Wort zum Internationalen Strafgerichtshof, kein
klares, detailliertes Signal für unsere Nachbarn, nur die allgemeinen
Formulierungen, dass eine Versöhnung im österreichisch-tschechischen Verhältnis
notwendig sei und die modellhaften Lösungen wie für Südtirol weiter gepflegt
werden sollen – was immer das im Detail heißen mag! Eine halbherzige
Positionierung in der EU, und kein Wort zum Balkan!
Meine Damen und
Herren! Ich glaube, der Frau Minister war das selbst bewusst, deshalb hat sie
in ihrem Beitrag jene sechs Punkte gebracht, denen sicherlich zuzustimmen ist.
Die notwendige Klarheit wurde darin aber ebenfalls nicht geschaffen.
Regionale Partnerschaft
zur vollen Entfaltung – ja, natürlich! Aber was heißt das eigentlich im
Detail? Was soll das sein?
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 164 |
Europa neu
denken – einverstanden, ein Ja dazu! Welche Position wird Österreich dabei
einnehmen?
Zukunftsbereiter
Ansatz – natürlich! Aber was heißt das im Detail?
Südosteuropa
ansprechen – dazu hat es detaillierte Punkte gegeben, die vorgebracht
worden sind. Ich hätte noch gerne ein freundliches Wort zum neuen Staat Serbien
und Montenegro und unsere diesbezügliche Aufgabe gehabt (Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner:
Gerne!), aber ansonsten ist dem allem zuzustimmen.
Armut bekämpfen
und Entwicklungspolitik, Themen, die auch in der Erklärung enthalten
sind. – Einverstanden! Gut, wenn hier mehr geschieht, gut, wenn Private
herangezogen werden. Aber was wird das heißen? Wird das eine Privatisierung der
Entwicklungspolitik sein? Wird sie von Ihnen, Frau Minister, zum Finanzminister
wandern? Was wird das heißen für all die Organisationen, die hier tätig sind?
Es ist nicht so, dass wir Vereinsmeierei erhalten wollen, aber es ist
notwendig, dass Entwicklungspolitik in unserer Republik positiv verkauft wird.
Zu all diesen
Themen müsste es Details geben – diese sind aber in dieser
Regierungserklärung nicht enthalten.
Wie bereits
erwähnt, beginnt das EU-Kapitel mit der Förderung der Anliegen der
altösterreichischen Minderheiten im Ausland und der Verbreitung der deutschen
Sprache. – Einverstanden! Wir sollten aber vielleicht einmal klarstellen,
was wir unter dem Begriff „altösterreichische Minderheit“ verstehen. Wir haben
versucht, das im Zusammenhang mit Slowenien zu klären, aber ich meine, es wäre
eine generelle Klarstellung notwendig. – Das zum einen.
Zum anderen –
es wurde bereits angesprochen, und ich möchte noch hinzufügen –: Kein
freundliches Wort zu den anderssprachigen Minderheiten im eigenen Land! Das ist
auch das falsche Signal.
Der Herr
Bundeskanzler hat von einer gemeinsamen Linie in der Irak-Frage gesprochen.
Diese gemeinsame Linie basiert auf einem Antrag der ÖVP, der den vollen
Beschluss des Sicherheitsrates will. Wir haben in fast allen Punkten Einigkeit
erzielt, nur nicht in der Frage der Abfangjäger. Die gemeinsame Linie soll nun
in der Form geschaffen werden, dass wir auch die Abfangjäger noch
schlucken. – Das ist unfair, und deshalb bringen wir folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Peter Schieder, Mag. Ulrike Lunacek und KollegInnen betreffend Irak-Krise,
beruhend auf den einstimmigen Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrates der
Republik Österreich
Der Nationalrat
wolle beschließen:
„Die
Bundesregierung wird ersucht, im Sinne der einstimmig beschlossenen
Punkte 1, 2, 3, 4 und 6 des Beschlusses des Nationalen Sicherheitsrates
über eine Empfehlung an die Bundesregierung zur Situation im Irak vom
29. Jänner 2003 sowie der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom
17. Februar 2003 vorzugehen.“
*****
Wenn Sie es
ehrlich meinen mit der gemeinsamen Haltung, dann müssen Sie unserem Antrag
zustimmen, der die Abfangjäger nicht enthält, und nicht Ihrem eigenen Antrag. (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Dr. Spindelegger: Selbstverständlich! Ihrem stimmen wir zu, unseren
lehnen wir ab!)
17.28
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 165 |
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Der
Entschließungsantrag der Abgeordneten Schieder, Mag. Lunacek und Kollegen
betreffend Irak-Krise, beruhend auf den einstimmigen Empfehlungen des
Nationalen Sicherheitsrates der Republik Österreich, ist ordnungsgemäß
unterfertigt, steht zur Verhandlung und wird abgestimmt werden.
Zu Wort gemeldet
ist Frau Abgeordnete Mag. Hakl. – Bitte.
17.29
Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr
Staatssekretär! Hohes Haus! Ich denke, die Stimmung wird insbesondere von
einigen Rednern der SPÖ nicht als gut empfunden, denn ein paar der heutigen
Wortmeldungen waren wirkliche Kasperliaden – Kasperliaden, die uns nicht
am Herzen liegen!
Wir haben eine
Vision für Österreich (Abg. Parnigoni: Eine Horrorvision!), und
ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine heutige Regierungserklärung, in der
das auch zum Ausdruck gekommen ist, nämlich eine Vision, in der Witze und
Kasperliaden keinen Platz haben. Wir freuen uns alle gemeinsam auf die
Umsetzung der vielen Arbeit, die auf uns wartet. (Beifall bei der ÖVP und
den Freiheitlichen.)
Was den
Infrastrukturbereich betrifft, muss ich sagen, ich freue mich, dass sowohl im
Regierungsprogramm als auch in der heutigen Regierungserklärung ganz
wesentliche Dinge zum Ausdruck gekommen sind.
Zum einen: Die
Priorität des Schieneninfrastrukturausbaues wird weiterhin aufrecht bleiben.
Jene Projekte, die die wichtigsten europäischen Bahnverbindungen betreffen, sei
es die Anbindung unseres Ostens an die neuen EU-Nachbarstaaten, sei es die
Brenner-Transversale, werden im Schienenbereich ausgebaut. Wir wollen aber
trotzdem nicht das Entweder-oder-Prinzip verfolgen, sondern das
Sowohl-als-auch, und werden auch den Lückenschluss im Autobahnnetz zustande
bringen.
Besonders wichtig
ist mir natürlich, dass auch der Bau des Brenner-Basistunnels noch in dieser
Legislaturperiode entschieden werden soll und dass dazu flankierende Maßnahmen
zur Eindämmung beispielsweise des Transitvertrages, aber auch flankierende
Maßnahmen, die im Sinne einer Ökologisierung unseres Verkehrs besonders wichtig
sind, ausdrücklich genannt sind und umgesetzt werden sollen. An erster Stelle
steht hier das Prinzip einer neuen Wegekostenrichtlinie mit ökosensiblen
Korridoren, wie wir sie im Wesentlichen erfunden haben, und eine
Querfinanzierung der Schieneninfrastruktur durch Mauteinnahmen auf der Straße. (Abg. Parnigoni:
Das unterstütze ich auch! Sie werden sich aber nicht durchsetzen können!)
Die
Infrastrukturbestrebungen gehen aber naturgemäß weiter. Besonders wichtig ist
es, auch im Telekommunikationsbereich leistungsfähigere Infrastrukturen zu
erreichen. Der Aktionsplan „E-Europe 2002“ ist bereits ausgelaufen, der
Endbericht liegt vor. Ziel war damals: Internet für alle. – Wir in
Österreich haben die Hausaufgaben gemacht: Wir haben als eines der wenigen
Länder in Europa das Internet tatsächlich an allen Schulen, nach den neuesten
Statistiken in allen Unternehmen, und die meisten Österreicher haben Zugang zum
Internet.
Diese Phase ist
abgeschlossen, jetzt gilt es, aus diesen Möglichkeiten auch wirtschaftliche Erfolge
zu kreieren. Dazu brauchen wir eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur.
Diese werden wir zur Verfügung stellen, nicht indem wir jedem Einzelnen den
Anschluss subventionieren, sondern indem wir Anreize schaffen, dass im
Wettbewerb dieses Breitband – dafür gibt es jetzt mannigfaltige
Möglichkeiten, auch über Wireless-Lan – auch in entlegenen Gebieten zur
Verfügung gestellt wird. Das ist für das wirtschaftliche Fortkommen dieses
Landes von riesiger Bedeutung. (Abg. Parnigoni: Das unterstütze ich auch!)
Warum? – Unsere kleinen und mittleren Unternehmen tragen heute die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs, beschäftigen die meisten Mitarbeiter, und Zuwächse in der Wertschöpfung und Zuwächse bei der Zahl der Angestellten sind fast ausnahmslos dort zu verzeichnen. Dies
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 166 |
immer dann, wenn diese Unternehmen
innovativ sind. (Abg. Eder – in Richtung des Abg.
Parnigoni –: Weiß das der Kukacka auch, was sie da sagt?) Deshalb ist
es auch besonders wichtig – wie wir das auch vorhaben –, die
Forschungsquote weiter zu erhöhen.
Etwas, was Sie
vielleicht nicht wissen: Wir haben in Österreich bereits eine im Vergleich sehr
hohe öffentliche
Forschungsquote. Der private Sektor hinkt nach, aber auch in diesem privaten
Sektor ist es gelungen, durch den Einsatz der öffentlichen Forschungsmittel
einen Mehrwert zu kreieren, nämlich dass auch Unternehmen 2, 3 € pro einem
von der öffentlichen Hand eingesetzten Euro in die Forschung investieren.
Auf diesem Weg
wollen wir weitermachen – für ein gesundes Österreich mit Menschen in Vollbeschäftigung,
mit einer Vision für die Zukunft. Wir haben viel Spaß und Freude daran. –
Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Eder: Glückliches Österreich!)
17.34
Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Dipl.-Ing. Pirklhuber zu Wort gemeldet. – Bitte.
17.35
Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin
Hakl – Sie muss noch allen anwesenden Regierungsmitgliedern gratulieren –,
Sie haben hier von Kasperliaden gesprochen! – Auch viele Wörter machen
noch kein Konzept, und Ihre Konzeptlosigkeit ist heute zu Papier gebracht, in
Wort und Bild, und zum Teil auch im Originalton zu hören gewesen.
Meine Damen und
Herren! Die heutige Regierungserklärung beginnt mit einem bezeichnenden Satz,
der heute schon einige Male in den Mund genommen worden ist, um ihn irgendwie
zu zerpflücken, um ihn auf die Waagschale zu legen, nämlich mit dem Satz:
„Diese Regierung
steht für eine Politik, die den Menschen nichts vorgaukelt, sondern für eine
Politik, die die Dinge aufrichtig beim Namen nennt.“ (Abg. Wittauer: Richtig! Wunderbar!)
Meine Damen und
Herren! Ein Satz als Einstieg in eine Regierung Schüssel II. –
Weshalb, habe ich mich gefragt, steht dieser Satz am Beginn einer neuen
Regierung, die ja gleichsam die alte ist, auch wenn neue Köpfe, neue Gesichter
heute hier auf der Regierungsbank sitzen. Was soll er bedeuten? Hat die letzte
Regierung den Menschen etwas vorgegaukelt, meine Damen und Herren, oder soll
ein schlechtes Gewissen damit beruhigt werden? Drei Monate haben Sie gebraucht,
Herr Bundeskanzler, der Sie nicht da sind, um festzustellen, dass Sie diese
Form von Politik weiter fortsetzen wollen!
Oder, meine Damen
und Herren, soll dieser Satz einen Schleier über grundsätzliche Fragen werfen?
Was steht hinter diesen Dingen? Ihre Sicht der Dinge teilen wir nicht, denn uns
geht es letztlich nicht um die Dinge, sondern um die Menschen, um die Ziele und
Zielvorstellungen, die hinter diesen Dingen stehen. Darum ginge es in einem
neuen Reformkurs, in einer neuen Politik in Österreich, um aus einer Sackgasse
herauszukommen. Diese Chance aber, meine Damen und Herren, hat Bundeskanzler
Schüssel nicht genutzt.
Es gab zwei
alternative Möglichkeiten – Sie hätten sie nutzen können, meine Damen und
Herren von der ÖVP! Sie haben sie nicht nutzen können, weil Ihre Konzepte zu
kurz greifen, weil Ihre Visionen in vielen Bereichen an Lippenbekenntnissen
hängen bleiben. Dazu möchte ich an dieser Stelle noch einmal einige Aspekte aus
dem Ressort Landwirtschaft und Umweltschutz herausgreifen.
Bundesminister
Pröll, der neue Minister, hat hier heute in aller Kürze einige Bemerkungen gemacht,
ich beziehe mich aber auf den Text der Regierungserklärung. Hier finden wir so
bezeichnende Sätze wie: Die Agrarwirtschaft in Österreich ist „immer naturnah
und ökologisch nachhaltig betrieben worden“.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 167 |
Meine Damen und
Herren! Das ist Ihre Sicht der Dinge. (Bundesminister
Dipl.-Ing. Pröll: Na net!) Unsere
Sicht der Dinge ist sehr wohl anders: Selbstverständlich gehören Umweltschutz
und Landwirtschaft zusammen, aber nicht in einem Ressort, meine Damen und
Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. –
Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Wir
haben drei Jahre lang versucht, Ihnen klarzumachen, Kollege Grillitsch, dass
diese beiden Bereiche nicht in einem Ressort zusammengefasst werden sollen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister
Dipl.-Ing. Pröll.)
Ich werde Ihnen
auch klarlegen, weshalb, Kollege Pröll! – Weil im Bereich Pestizide, zum
Beispiel bei der Anwendung von Klärschlamm oder auch bei der Verbilligung von
Agrardiesel, ein ganz klarer Interessenkonflikt besteht. Sie können doch als
Umweltminister nicht für den Einsatz von Klärschlamm sein. Sie können doch
nicht für die vereinfachte Anwendung von umweltgefährdenden Betriebsmitteln
wie Pestiziden sein. Sie können doch nicht für vereinfachte Zulassungsverfahren
sein, Herr Umweltminister Pröll! – Aber als Landwirtschaftsminister
können Sie dafür sein! Diesbezüglich besteht ein ganz klarer
Interessenkonflikt. Das war schon damals zu Ihrer Zeit so, Herr Kollege
Molterer! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg.
Mag. Molterer: Herr Ökonomierat
Pirklhuber!)
Diese
Konfliktsituation hat sich nicht geändert. (Abg. Mag. Molterer: Oja!)
Sie haben die Chance nicht wahrgenommen, einen Neubeginn zu starten. Sie
haben sie nicht genutzt. (Abg. Mag. Molterer: Oja!) –
Sie schon, Sie persönlich; wir sind jetzt Kollegen im selben Haus! Aber
Kollege Pröll hat das Problem, dass er Ihre Hypothek übernimmt, nämlich die
Hypothek, die Interessen der Landwirtschaft und des Umweltschutzes
vertreten zu müssen. Sie werden dabei noch genug Probleme bekommen, Herr
Minister Pröll!
Sie haben heute
kein einziges Mal das Wort „Tierschutz“, das Wort „Biolandbau“ erwähnt oder
eine Stellungnahme zur gentechnikfreien Zone Österreich abgegeben. (Bundesminister Dipl.‑Ing. Pröll: Oja, Nummer eins!) Sie haben
nicht davon gesprochen, auch kein Wort zur Agrarreform. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) –
Na selbstverständlich, Kollege Grillitsch! Wenn Sie hier wieder anfangen,
Unwahrheiten zu verbreiten, indem Sie sagen, die Grünen wären nicht für das
3-Milliarden-€-Paket für die Landwirtschaft gewesen, dann muss ich Ihnen schon
sagen:
Wir haben gesagt:
Ja, wenn es zu einer ökologischen Neuausrichtung kommt, wenn es zu einer
Agrarwende in Österreich kommt, wenn wir endlich von den Lippenbekenntnissen
abgehen und tatsächlich eine ökologische Offensive starten!
Meine Damen und
Herren! Gerade in diesem Bereich sind Sie aber nicht bereit, die Interessen der
österreichischen Bevölkerung zu vertreten. In der Regierungserklärung von heute
steht ganz klar (Präsident Dr. Fischer
gibt das Glockenzeichen) – ich
komme gleich zum Schluss, Herr Präsident –, Sie wollen die EU-Biopatentrichtlinie
umsetzen. – Kein Patent auf Leben, meine Damen und Herren, das ist unsere
Antwort darauf!
Wir werden uns
dafür einsetzen, wir werden für eine ökologische, für eine soziale
Reformpolitik in diesem Haus kämpfen, und wir werden sehen, wie weit Sie bereit
sind, unsere Ideen aufzugreifen. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
17.40
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächster Redner ist
Herr Abgeordneter Wittauer. – Bitte.
17.40
Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident!
Verehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist
wichtig für Österreich, dass – so wie in der vergangenen
Legislaturperiode – auch in der neuen Gesetzgebungsperiode die
freiheitliche Handschrift nicht nur umgesetzt wird, sondern auch in Zukunft
sichtbar ist. Dazu möchte ich ein paar persönliche Bemerkungen machen.
Ich möchte dem scheidenden Verkehrsminister Mathias Reichhold herzlich dafür danken, dass er mit Beharrlichkeit und Konsequenz gegenüber der EU die Tiroler Bevölkerung im Kampf
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 168 |
gegen die Transitlawine unterstützt hat. Das verdient Applaus und unsere
höchste Anerkennung. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Anders als der
Tiroler Landeshauptmann, der nur mit markigen Ankündigungen ohne Hintergrund
die Tiroler Bevölkerung permanent täuschen will, hat sich nur Mathias Reichhold
nicht gescheut, in der EU auf allen Ebenen Flagge zu zeigen. Und diese Flagge
war nicht das weiße Tuch der Kapitulation, sondern die rot-weiß-rote Flagge im
Sinne Österreichs. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Für die Tiroler ist es wichtig, einen gewissenhaften und verlässlichen
Minister in der Regierung zu haben, der in der Verkehrsproblematik die Sorgen
der Menschen versteht und sie nicht im Regen stehen lässt, wie dies gerade in
der Vergangenheit bei sozialistischen Verkehrsministern die Regel war. (Abg.
Reheis: Was haben Sie in den letzten drei Jahren gemacht?)
Ich erinnere Sie
daran, dass es die sozialistischen Verkehrsminister waren, die sich der Verantwortung
für den Transitvertrag nie gestellt haben. Für diesen Verrat gibt es zwei
Namen: Streicher und Klima.
Ich erinnere auch
daran, dass der Tiroler Ex-Landeshauptmann Weingartner beim Spatenstich der
Unterinntaltrasse gesagt hat: Damals, bei den Verhandlungen zum Transitvertrag,
wurde mit falschen Zahlen gearbeitet, mit falschen Zahlen operiert. – Auch
daran waren die Sozialisten natürlich beteiligt, bei diesen Verhandlungen. Auch
dort wurde der Bevölkerung Sand in die Augen gestreut! Und die Wahrheit ist:
Freiheitliche Verkehrsminister müssen dieses schwere und unerfreuliche Erbe
nicht nur aufarbeiten, sondern in Zukunft daraus für die Menschen etwas
Positives erreichen. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Trotzdem ist es
gelungen, in kurzer Zeit Ergebnisse zu erzielen: die Erstellung des Generalverkehrsplanes;
den Bau der Unterinntaltrasse, die in kürzestmöglicher Zeit mit dem Bau des
Brenner-Basistunnels eine teilweise Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf
die Schiene ermöglichen soll. (Abg. Reheis: Einen guten Minister
tauscht man nicht aus! – Abg. Parnigoni: Vier Minister in drei
Jahren!)
Was können wir
heute in dieser problematischen Situation tun? – Die
108 Prozent-Klausel ist gestorben; das wissen wir alle. (Abg.
Mag. Wurm: Ihre Schuld!) Die Ökopunkte-Regelung wird auslaufen.
Daran wird auch das Bekenntnis aller Parteien nichts ändern. (Abg.
Mag. Wurm: Ihre Schuld!)
Was wir brauchen,
ist eine Übergangsregelung bis zum In-Kraft-Treten der neuen EU-Wegekostenrichtlinie,
die unsere Interessen berücksichtigt. Gerade durch einen FPÖ-Verkehrsminister
ist die Vertretung der Interessen Österreichs gewährleistet. Für Politiker quer
durch alle anderen Parteien scheint Europa mit der Osterweiterung der
Mittelpunkt ihres politischen Daseins zu sein. Dabei vergessen sie hin und
wieder, dass sie von österreichischen Bürgern gewählt wurden, um
die Interessen Österreichs zu vertreten und zu schützen.
Meine Damen und
Herren! Innerstaatliche Maßnahmen wie das sektorale und generelle Nachtfahrverbot
für LKWs werden nach wie vor von uns gebraucht werden, um die Verkehrslawine
zumindest einzubremsen. Wochenend- und Feiertagsfahrverbote werden während
unserer Regierungsbeteiligung auch in Zukunft bestehen bleiben.
Das IG-Luft wird
von uns novelliert werden. Hier muss es ein Ziel sein, nicht nur eine Verfahrensbeschleunigung
und eine Effizienzsteigerung zu erreichen, sondern auch ein vorgeschriebenes
Einschreiten auf gesetzlicher Basis, das gewährleistet, dass bei Gefahr einer
Gesundheitsschädigung durch Überschreiten der Höchstwerte Maßnahmen sofort
zu setzen sind. Vielleicht ist das die Voraussetzung dafür, dass unsere
EU-Partner mit uns ernsthaft über eine Lösung diskutieren werden.
In einem so sensiblen Lebensraum wie den Tiroler Alpen weiß man, wie wichtig es ist, ökologische Maßstäbe in der Verkehrspolitik anzulegen. Das Konzept der ökosensiblen Zonen,
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wie wir sie im vergangenen Jahr schon bei der
Verabschiedung der Alpenkonvention festgestellt haben, muss der Maßstab sein,
um eine ökologische Weiterentwicklung zu gewährleisten.
Unser Lebensraum
muss geschützt werden. Dazu gehört auch eine fahrleistungsabhängige LKW-Maut
sowie eine alternative Verkehrsinfrastruktur wie etwa die Schiene, bei der eine
Querfinanzierung erreicht werden muss. Es sollte nicht nur ein Schlagwort
bleiben, den Verkehr von der Straße auf die Schiene umzuleiten.
Meine Damen und
Herren! An dieser Stelle ist es mir noch einmal ein Bedürfnis, darauf hinzuweisen,
dass es SPÖ-Verkehrsminister waren, die uns diesen Scherbenhaufen beim Transitverkehr
hinterlassen haben. Erst durch eine freiheitliche Regierungsbeteiligung hat es
eine Qualitätsoffensive beim Ausbau der Schiene und in verschiedenen anderen
Bereichen gegeben. Gerade über unseren Verkehrsminister Reichhold hat es diese
Qualitätssteigerung tatsächlich gegeben. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Ich könnte jetzt noch stundenlang über den Transit reden ...
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Da bin ich dagegen,
Herr Kollege! (Heiterkeit.)
Abgeordneter Klaus Wittauer (fortsetzend): Ich ersuche
Sie, unseren Verkehrsminister Gorbach in Zukunft zu unterstützen, damit wir
gemeinsam eine entsprechende Lösung in dieser Frage finden werden. –
Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
17.46
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt
Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.
17.46
Abgeordnete Mag. Gisela Wurm
(SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Herren
Minister! Hohes Haus! Mein Vorredner, der Tiroler Klaus Wittauer, hat jetzt
viele Worte zum Thema Transit und Verkehrsbelastung, die uns in Tirol wirklich
plagt, verloren. So viel war vom Bundeskanzler dieser Republik darüber nicht zu
hören. Da vorhin der Letzte aus der Reihe von Verkehrsministern, Herr Mathias
Reichhold, immer wieder genannt wurde, muss ich sagen: Ich möchte ihm die gute
Absicht nicht absprechen. Aber eines kann ich sagen: Genützt hat es den
Tirolern und Tirolerinnen nichts! (Beifall
bei der SPÖ. – Abg. Pfeffer: Genau!)
Doch nun möchte
ich allgemein dazu Stellung nehmen, was diese Regierung Schüssel II den
Österreichern und Österreicherinnen bringt, was man in der Regierungserklärung
darüber hat lesen können. Das Kabinett Schüssel II – ich empfinde es
so – kann, wenn man die Vorhaben liest, mit einem Satz zusammengefasst
werden: Vom Regen in die Traufe!
Es ist nahezu
unglaublich, wie perfekt da ein Fehlstart erfolgt ist, welchen Bauchfleck diese
Regierung schon am Anfang hingelegt hat. Keine Zeitung in Österreich –
nicht einmal die rechtsliberalen Blätter – findet lobende Worte zur
Neuauflage von Schwarz-Blau. Negative Kritiken weit und breit, wohin das Auge
blickt. Die Umfragewerte sind übrigens auch im Keller.
Diese in Europa
gewichts- und auch gesichtslose Regierung will – und das empfinde ich nahezu
als Drohung – den Weg, den sie bisher gegangen ist, weiterführen. Dieser
Weg hat zum Beispiel zu einer großen Verarmung vieler Österreicherinnen und
Österreicher geführt. Es wurde heute schon einmal die Armutsstudie zitiert, die
Studie, die vom Sozialministerium in Auftrag gegeben wurde. Darin konnte man
lesen, dass sehr viele Österreicherinnen und Österreicher bereits an der
Armutsgrenze angelangt sind beziehungsweise schon darunter fallen. Das kann
doch keine gute Politik sein!
Was Sie diesem
Götzen „Nulldefizit“ untergeordnet haben, das war die so genannte Budgetkonsolidierung.
Und diese Budgetkonsolidierung haben Sie nur einnahmenseitig erreicht –
ausgabenseitig war nichts zu sehen.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 170 |
Wenn nun der
Bundeskanzler und sein Finanzminister hier wieder einmal erklären, es komme
jetzt die größte Steuerreform, die Österreich je gesehen hat, dann muss ich
sagen, das haben wir schon einmal gehört. Das kommt uns bekannt vor. Das ist
etwas, was wir glauben können oder nicht. Vielleicht kommt eine
Steuerreform – bisher wurde es immer nur versprochen, bisher sind
Ankündigungen gemacht worden, mehr nicht.
Warum ist denn
überhaupt diese Bundesregierung neu gebildet worden? Warum ist überhaupt neu
gewählt worden? – Das fragen sich die Österreicherinnen und Österreicher. Warum
wurde so viel Geld ausgegeben, wenn jetzt, wenn ich mich umdrehe, in
Wirklichkeit nahezu die gleichen Gesichter auf der Regierungsbank sitzen und
die gleiche Politik gemacht wird? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Ja, die
Kräfteverhältnisse sind jetzt ein bisschen anders. Die FPÖ ist etwas dezimiert.
Aber was bringt denn das den Österreichern und Österreicherinnen? – Das
ist hier die Frage, und das ist das Problem dabei. (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Keine künstliche Aufregung!)
Was diese
Bundesregierung in den letzten zweieinhalb Jahren – jetzt sind es schon
drei Jahre – noch gezeigt hat, war Folgendes: Sie von der
Regierungskoalition waren Weltmeister im Umfärben – im Umfärben bei
verschiedenen Postenbesetzungen.
Ich erinnere nur an
Herrn Bundesminister Strasser, der im Innenministerium wahrlich ein
Schreckensregime geführt hat! Vielleicht war er sogar Ihr Vorbild. Dort wurde
unter dem Titel Strukturreform, Umstrukturierungen, Wachzimmerkonzept und wie
das alles geheißen hat, in Wirklichkeit eine menschenverachtende
Personalpolitik betrieben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Pfeffer:
Jawohl!)
Einer der
kompetentesten Beamten im Ministerium, Herr General Strohmeyer, hat das getan,
was ein hoher Beamter zu tun hat. Er hat erklärt, wenn wir noch weiter sparen,
dann ist die Sicherheit der Menschen in Österreich in Gefahr. Das kann ich
nicht mehr verantworten. – Aber dem Herrn Innenminister widerspricht man
nur einmal, und dann ist man nicht mehr General, sondern Flughafenpolizist.
Das ist menschenverachtend,
das ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit! So kann es nicht weitergehen! (Beifall
bei der SPÖ.)
17.51
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Ing. Schultes. Ich erteile ihm das Wort.
17.51
Abgeordneter
Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte
Damen und Herren! Vor der Jahreswende konnten wir neben dem Burgtheater den
großen, roten Container sehen, und es hieß: eine starke, dynamische Partei.
Nach der Jahreswende war ich wieder in Wien und bin in der Löwelstraße an der
SPÖ-Zentrale vorbeigegangen. Ein kleiner weißer Bus stand vor der Löwelstraße,
mit einem großen Transparent. Die Aufschrift lautete: Damit wir nicht draufgehen –
in die Opposition, SPÖ. Absingen der sozialistischen Internationale erlaubt. (Abg.
Mag. Wurm: Wir haben ihn für die Flüchtlinge aufgestellt!)
Könnt ihr euch
noch erinnern? Eine ganze Woche lang ist dieser Bus vor eurem Haus gestanden.
Frau Bures! Was haben Sie sich dabei gedacht? – Damals habe ich mir
gedacht: Das ist eine gute Basis für die neue Regierung! – Und wir haben
jetzt eine neue Regierung mit einer guten Basis, und ihr seid nicht dabei. (Abg.
Dr. Matznetter: Lächerlich!)
Meine Damen und Herren! Wir haben eine neue Regierung – eine Regierung, die wirklich die Zeichen der Zeit erkannt hat, eine Regierung, die die anstehenden Aufgaben tatkräftig und zukunftsorientiert lösen wird. Ich komme aus dem ländlichen Raum. Ich bin sehr froh, dass wir mit dieser Regierung und diesem Programm die wirklich wichtigen Aufgaben für die Zukunft
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 171 |
angehen werden. Sie werden mit Freude
miterleben, wie diese Regierung Zukunftsoptimismus und Lebensfreude versprühen
wird.
Wir werden einige
neue Weichen stellen. Wir werden zum Beispiel erneuerbare Energieträger
einsetzen. (Abg. Dipl.-Ing. Pirklhuber: Da bin ich dabei!) Wir
werden die Sonnenenergie verstärkt nutzen. Wir werden die
Lebensmittelsicherheit weiter erhöhen. Wir werden die Lebensqualität steigern.
Und Sie werden erleben, dass in einer Zeit, in der der internationale Agrarhandel
immer stärker werden will, die Österreicher immer mehr die österreichischen
Produkte schätzen werden, weil sie wissen, dass Qualität nur dann sicher ist,
wenn sie aus Österreich kommt. (Beifall bei der ÖVP.)
All das hat diese
Regierung weiterzuentwickeln – ausgehend von einem guten Fundament, auf
dem wir stehen.
Erlauben Sie mir,
dass ich hier und heute unserem Klubobmann Willi Molterer Danke sage. Ich als
Bauer möchte ihm dafür danken, dass er uns in der schwierigen Zeit der
EU-Anpassung immer mit Kraft beigestanden ist und uns richtig geführt hat. Ich
bedanke mich dafür, dass er uns in Europa mit Kraft und Elan vertreten hat. Und
ich bedanke mich dafür, dass der österreichische Einfluss auf die europäische
Agrarpolitik so groß war und damit ganz Europa genützt hat. (Beifall bei der
ÖVP. – Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Pirklhuber und Mag. Kogler:
Danke, Molterer!)
Wir haben einen
neuen Minister, Herrn Dipl.-Ing. Josef Pröll. (Abg. Mag. Gaßner:
Danke! – Weitere Rufe und ironische Heiterkeit bei der SPÖ: Danke!) Er
ist für mich ein Mann, der Vertrauen verdient. Er ist für mich die Garantie
dafür, dass der gute österreichische Weg weitergegangen wird. (Abg.
Dr. Cap: Kann man ihn mieten? – Ironische Heiterkeit bei der
SPÖ.)
Herr Dr. Cap!
Sie bräuchten mich hie und da, denn Ihnen geht oft der Saft aus. Aber es wird
Ihnen nichts nützen, Sie bekommen mich nicht einmal für Ihren Geburtstag.
Wir
österreichischen Bauern sind davon überzeugt, dass wir mit unserem Josef Pröll
einen starken, einen guten Minister haben, und vor allem einen, der weiß, worum
es geht, einen, der die Kraft hat, Visionen umzusetzen, und der die Bauern
hinter sich hat. Das ist etwas, was sich Herr Pirklhuber wünschen würde:
1,3 Prozent war sein Ergebnis bei der Kammerwahl. Da weiß man, man lässt
es lieber bleiben, nicht wahr? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim:
Der Pröll ist sicher vernünftiger als der Schüssel!)
Auf jeden Fall
wissen wir, dass wir in Österreich auf einem guten Weg sind und dass wir mit
der derzeitigen Regierung ein Team haben, das eine lange Zeit vor sich hat und
wichtige Projekte umsetzen wird, eine Regierung, die uns endlich den
Agrardiesel bringen wird. Ich sage Ihnen, warum das so wichtig ist.
Allein mein Bezirk
Gänserndorf muss um 20 000 Tonnen mehr Weizen auf derselben Fläche
verkaufen als ein ungarischer Betrieb in dieser Größe, weil wir Diesel teurer
einkaufen müssen als die ungarischen Bauern. Allein der Wettbewerbsnachteil
beim Diesel ist in meinem Bezirk 20 000 Tonnen Getreide wert. Daher
ist das für uns so wichtig. Das können Sie sicher verstehen. (Beifall bei
der ÖVP.)
Meine Damen und
Herren! Die ländlichen Regionen werden durch die Fortschreibung der Förderung
von 3 Milliarden € in ihrer Lebensfähigkeit gestärkt. Wir werden den
Optimismus der jungen Bauern, der bäuerlichen Familien und aller Menschen auf
dem Land stärken können. Wir wissen, dass wir mit einem positiven Klima in den
ländlichen Regionen die Menschen dazu bringen können, ihre Kraft gepaart mit
guter Ausbildung im Land einzusetzen.
Das Land wird
blühen, der Frühling kommt, die Bauern werden Ihnen zeigen, wie sie das Land
zum Blühen bringen, und Sie werden sehen, wie auch diese Regierung das Land zum
Blühen bringt! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei der
ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Der Schüssel bringt nichts mehr zum
Blühen!)
17.56
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 172 |
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau
Abgeordnete Rest-Hinterseer. – Bitte.
17.57
Abgeordnete
Heidemarie Rest-Hinterseer (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Mir ist es heute
bei der Regierungserklärung ähnlich gegangen wie dem Kollegen Pirklhuber. Ich
bin richtig ergriffen gewesen, und zwar von dem Wort beziehungsweise dem Satz,
den der Herr Bundeskanzler verwendet hat, nämlich von dem Ausdruck: „Sagen, was
ist.“ – Das ist nämlich ein Lieblingsausdruck von mir.
Das hat mich auch
deswegen so überrascht, weil Herr Bundeskanzler Schüssel ja eher, wie ich
glaube, als der große Schweiger in die Geschichte eingehen wird. Ich habe mir
eher gedacht, sein Motto lautet: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ –
Diesen Spruch kenne ich so gut, weil er in der Küche meiner Großmutter gehangen
ist. Sie hat sich übrigens nicht an diesen Spruch gehalten, und
sie hat mir viele funkelnde Lebensweisheiten mitgegeben, unter anderem die folgende
Lebensweisheit: „Sagen, was ist, denn das ist revolutionär genug!“ (Beifall
bei den Grünen.)
Es gefällt mir,
dass gerade vor mir ein Kollege von der ÖVP gesprochen hat, der diese ganz
besondere Sprache des Bauernbundes so gut beherrscht. Einerseits: Ho ruck, es
ist alles so super, und andererseits: Es geht uns so schlecht!
Das ist eine
besondere Spezialität des Bauernbundes, nämlich immer zu insinuieren, nach dem
Spruch: Die Wirte ziehen schon den kleinen Kindern zu kleine Schuhe an, damit
sie ganz früh jammern lernen. – So ähnlich kommt mir das im Bauernbund
vor: Einerseits lernt man beizeiten, zu jammern, aber gleichzeitig muss man
auch immer darauf verweisen, wie schön wir es haben. (Beifall bei den
Grünen.)
Das Bild von
Alexander Van der Bellen vom Schiffbruch ist wunderbar. Es ist auch von vielen
aufgegriffen worden. Das zeigt, dass es auch sehr treffend ist. Und das
Interessante ist, dass ja „Scheitern“ etymologisch von dem Wort „Schiffbruch
erleiden“ kommt, das heißt: „in Scheiter gehen“. Und „Sagen, was ist“ heißt
dann auch, zu sagen: Diese vorherige Regierung ist gescheitert.
Das wäre noch
nicht weiter schlimm, denn scheitern kann man einmal. Scheitern ist ein Teil
des Lebens. Schlimm ist es nur, wenn man die Ursachen des
Scheiterns nicht ergründet und einfach so tut, als sei man nicht gescheitert.
Das führt direkt in die Katastrophe.
Mir ist nicht so
sehr das Bild der Frau Kollegin Bleckmann, nämlich das Bild eines Dampfschiffes,
gekommen, sondern eher das Bild des Öltankers vor Galizien, ein Schiff, das
wider besseres Wissen wieder aufs Meer gesetzt wurde, was eine entsetzliche
Umweltkatastrophe ausgelöst hat. (Beifall bei den Grünen.)
Ich weiß nicht,
welche Katastrophe auf uns zukommt, aber ich habe ein sehr, sehr schlimmes
Gefühl.
Ich habe mir schon
die Frage gestellt: Was mache ich, wenn ich beim Reden einen allzu trockenen
Mund bekomme? – das ist ja ein gewisses Problem –, und ich habe mir
gedacht: Ich rede vom Wasser und von GATS. Das ist auch ein spannendes Thema.
Wir haben ja heuer das Jahr des Wassers und in Kürze, am 22. März, den Tag
des Wassers. Wir hören immer wieder, dass das Wasser in Österreich quasi
geheiligt sei, dass nicht daran gedacht werde, in diesem Bereich etwas zu
liberalisieren, und dass wir das auch in der WTO so halten wollen. Allerdings
hören wir von Mag. Molterer und auch vom Generalsekretär der
Industriellenvereinigung Fritz eine dazu sehr deutlich im Widerspruch stehende
Botschaft, nämlich dass man daran denkt, die Wasserversorgung in Österreich zu
zentralisieren, sie auf zehn große Einheiten zusammenzuziehen und damit sehr
gut funktionierende dezentrale kleine Einheiten, Wassergenossenschaften zu
zerschlagen. (Abg. Mag. Molterer: Das ist einfach falsch! Frau
Kollegin, das stimmt nicht!)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 173 |
Sagen, was ist,
heißt auch, über die Frage zu sprechen: Warum gibt es solche Schwierigkeiten
mit dem GATS? – Das hat uns bei der letzte Woche abgehaltenen Enquete des
Wirtschaftsministeriums Peter Carl von der Europäischen Kommission erklärt:
Das hängt damit zusammen, dass einerseits die Formulierungen zu technisch sind
und andererseits die Globalisierungskritiker schuld sind an jenem Abgrund, der
sich zwischen den Regierenden und der Bevölkerung auftut.
Das ist wieder so
eine Geschichte, bei der ich mir denke: Hiob, schau herab! – Die schlechte
Botschaft wird mit dem in Verbindung gebracht, der sie überbringt. Man möge
also darauf achten, nicht der Hiob zu sein.
Jetzt wollte ich
eigentlich noch etwas zu dem Freud’schen Versprecher von Frau Rauch-Kallat
sagen – dieser wird wirklich in die Geschichte eingehen! (Ruf bei der ÖVP: Geh!)
Ich möchte meine
Ausführungen abschließen, indem ich eine Lebensweisheit meiner Großmutter
zitiere, die ich verworfen habe. Sie hat immer gesagt: Der Mann ist das Haupt
und die Frau ist der Hals – und das Haupt muss sich dort hinwenden, wo der
Hals es hindreht. – Ich meine aber: Ich möchte kein Hals sein, ich möchte
auch ein Haupt sein! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner:
Aber es gibt nur einen Haupt,
und das ist unser Vizekanzler; das ist das Problem!)
18.02
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin
ist Frau Abgeordnete Rosenkranz. Gleiche Redezeit. – Bitte.
18.02
Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Herr Präsident!
Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Der Satz, dass diese
Regierung den Menschen nichts vorgaukelt, sondern die Dinge beim Namen nennt,
ist ein sehr guter Satz, und er ist ja auch schon sehr oft zitiert worden. Er
ist auch deshalb gut, weil das in der Vergangenheit nicht jede Regierung so
gehalten hat. Wäre es nämlich so gewesen, dann hätte man im vorigen Jahrzehnt
nicht im Zuge von Wahlkämpfen „Pensionistenbriefe“ versandt, sondern man hätte
die Pensionsreform – die schon damals notwendig gewesen wäre – in
Angriff genommen.
Dass diese
Regierung es mit diesem Grundsatz ernst meint, daran kann kein Zweifel
bestehen, und das tut im Hinblick auf das Pensionssystem auch Not. Es tut Not,
dass dies jetzt wirklich mit Ernsthaftigkeit angegangen wird. Das vermisse ich
bei der Opposition ein bisschen. Jede Regierung hätte das jetzt angehen müssen!
Einerseits fehlt bei manchen diesbezüglich offenbar die Einsicht, und bei
anderen tritt, wenn Sie an diese Frage herangehen, eine sehr große Leichtigkeit
zutage. Wenn ich Klubobmann Dr. Cap zuhöre, dann muss ich feststellen:
Seine Ausführungen sind zwar sehr kurzweilig und auch von einer großen
eloquenten Leichtigkeit – vor 25 Jahren hätte ich das im Zuge eines
ÖH-Wahlkampfes sicher sehr genossen –, aber man merkt doch, dass es dabei
ein bisschen an Bodenhaftung fehlt und dass da doch mit eher wenig Ernst an
diese Sache herangegangen wird. Genau das ist es aber, was man in dieser
schwierigen Lage brauchen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Faktum ist, dass
wegen des Rückgangs des erwerbsfähigen Bevölkerungsanteils die Pensionen nicht
mehr gesichert sind, wenn in diesem Bereich nicht etwas geschieht. Faktum ist,
dass das an sich erfreuliche Ansteigen der Lebenserwartung dieses Problem noch
verschärft. Faktum ist weiters, dass der Kindermangel, den wir seit Jahrzehnten
zu verzeichnen haben, die Ursache dieser Krise ist. Faktum ist auch, dass sich
der banale Satz, dass es für die Alterssicherheit Kinder braucht, bewahrheitet.
Damit komme ich auf die Eltern dieser Kinder zu sprechen, auf die Frauen und auch Männer – von diesen sind es eher noch wenige –, die mit der Übernahme der Aufgabe der Erziehung eine gesellschaftliche Aufgabe übernehmen, die im Interesse der Sicherung der Pensionen aller unverzichtbar ist, die aber damit – und das ist eigentlich ein Paradoxon und zeigt auch die Schieflage des Systems – ihre individuellen Chancen auf Alterssicherheit massiv schwächen. Man muss es ganz deutlich sagen: Wenn sich jemand im Interesse des Systems verhält und
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 174 |
Kinder hat, dann schmälert er damit seine individuellen Chancen, selbst
Sicherheit aus diesem System zu erlangen.
Das ist eine
Schieflage, die auf einem Konstruktionsfehler beruht und von Anfang an
bestanden hat. Man hat von Seiten der Wissenschaft verschiedentlich darauf
hingewiesen. Früher hieß es jedoch: Kinder bekommen die Leute sowieso. –
Das war evident falsch. Diese Schieflage ist etwas, was schon seit langem besteht
und was man auch hätte korrigieren können. 30 Jahre lang wurde die
Sozialpolitik hier vor allem von der Sozialdemokratischen Partei gemacht, und
es ist betrüblich, dass man nach 30 Jahren von Altersarmut und vor allem
von der Armut geschiedener Frauen, die dann wirklich nur mehr von der
Sozialhilfe leben können, sprechen muss.
Es ist nicht
richtig, dass Sie den Reformansatz der Regierung beklagen. Sie sollten vielmehr
Ihr eigenes Versagen und Ihre Versäumnisse während der letzten 30 Jahre
beklagen, denn gäbe es diese nicht, dann wäre es heute gar nicht notwendig,
dass es in diesem Bereich zu entscheidenden Reformen kommt. (Beifall bei
den Freiheitlichen.)
Es war die vorige
Regierung, die in diesem Zusammenhang einen Paradigmenwechsel vollzogen hat,
indem Erziehungszeiten pensionsbegründend angerechnet werden. Es wird auch in
diesem Regierungsprogramm ein weiterer Schritt in die richtige Richtung
gesetzt, indem diese Zeiten von 18 auf 24 Monate ausgedehnt werden.
Aber es stimmt
schon: Wenn es zu einer Ausdehnung des Durchrechnungszeitraums auf die gesamte
Lebensarbeitszeit kommt, dann muss man darauf achten, dass nicht gerade jene
Frauen, die auf Grund der Erziehung von Kindern – sozusagen Gott sei
Dank – eine lückenhafte Biographie haben, dann noch weiter in ihrer
Alterssicherheit beeinträchtigt werden.
Ich kann Ihnen
versichern, dass, so wie – das konnte man soeben im noch druckfrischen
„Kurier“ lesen – Fritz Neugebauer für sich die Vertretung des öffentlichen
Dienstes als ganz zentrales Anliegen bezeichnet, das über jeden Klubzwang
hinausgeht, wir als Freiheitliche die Vertretung jener Frauen und Männer, die
ihre Familienaufgaben wahrnehmen, in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen.
Fair und gerecht
soll die vor uns liegende Pensionsreform sein. Sie wird es auch sein, denn ansonsten
könnte sie niemals nachhaltig sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
18.06
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Zu Wort gelangt als
nächster Redner Herr Abgeordneter Parnigoni. – Bitte.
18.07
Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und
Herren! Ich möchte gleich vorweg sagen, dass wir Sozialdemokraten bereit sind,
echte Reformen mitzutragen. Wir sind vor allem auch dort, wo es Sinn macht,
bereit, bei einer Verfassungsänderung einen Beitrag zu leisten. Wenn etwa
Rechnungshofpräsident Fiedler meint, man müsste eine klare Aufgabentrennung
zwischen Bund und Ländern herbeiführen, dann sind wir bereit, darüber zu reden.
Auch wenn die ÖVP beziehungsweise der Herr Bundeskanzler in seiner
Regierungserklärung die Absicht zum Ausdruck bringt, die mittelbare
Bundesverwaltung abzuschaffen, sind wir gesprächsbereit. Wir sind auch dann
gesprächsbereit, wenn es darum gehen könnte, die mehr als einhundert
Sicherheitsbehörden in diesem Land effizient und Kosten sparend neu zu
gestalten. Auch da könnten wir uns vorstellen, dass wir bereit sind,
mitzuarbeiten.
Ich habe aber
leider das Gefühl beziehungsweise bin davon überzeugt, dass, so wie die Änderungen
vom Innenminister derzeit vorbereitet werden, Schlimmes auf uns zukommen wird.
Statt konkreten Konzepten dominieren Überschriften. Man wirft in dieser
Regierungserklärung, in diesem Regierungsprogramm der Bevölkerung Brocken hin,
wie etwa die Verschmelzung traditioneller Wachkörper, macht sich aber nicht
die Mühe, etwas näher ins Detail zu gehen. Konkrete Angaben dazu bleibt der
Innenminister der Öffentlichkeit ganz einfach schuldig.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 175 |
Meine Damen und
Herren! Es wird daher bei Organisationsmaßnahmen, bei Reförmchen bleiben –
es wird nicht zu großen Strukturveränderungen und -reformen kommen. All die
Maßnahmen, die gesetzt werden, werden dazu führen, dass man das
Umbesetzungsspielchen weiter betreiben kann. Das Umbesetzungs- und
Umfärbelungspotential des Innenministers wird weiter ausgelebt – es
begleitet ihn ja wie ein dunkler Schatten.
Über die
Problematik betreffend den Gendarmeriegeneral Strohmeyer wurde heute bereits gesprochen.
Lieber Kollege Schöls! Dir als Gewerkschafter darf ich sagen: Er hat sich den
Luxus herausgenommen, eine eigene Meinung zu haben – schwups! –,
plötzlich war er nicht mehr Gendarmeriegeneral, sondern Leiter der Flugpolizei.
Er hat ein Weiteres getan: Er hat sich herausgenommen, hat sein Grundrecht
wahrgenommen, seine Meinung frei zu äußern, und hat für die SPÖ für den
Nationalrat kandidiert – schwups! –, schon war er einfacher Polizist,
nicht mehr Leiter der Flugpolizei. – Das ist der Umgang, den Sie, meine
Damen und Herren von der ÖVP, mit Ihren Mitarbeitern in den Ministerien
pflegen, und das ist wirklich eine Schweinerei, glauben Sie mir das! (Beifall
bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wittauer. –
Abg. Schöls: „Schweinerei“ ...!)
Das ist kein Anlass zu einem Ordnungsruf. Mir würde noch Schlimmeres
einfallen, glaube mir das, lieber Alfred! (Abg. Mag. Molterer: Das ist aber eine gefährliche
Drohung!)
Meine Damen und
Herren! Die Mühlen der Gerichte, der Justiz mahlen langsam – aber sie
mahlen. Daher kann ich Ihnen sagen, dass bereits jetzt eine Reihe von
fragwürdigen Entscheidungen als rechtswidrig erkannt worden sind. Die
Berufungskommission hat gerade in Niederösterreich festgestellt, dass drei
Offiziere zu Unrecht von ihren Ämtern abberufen worden sind. Das zeigt doch,
dass viele dieser Maßnahmen nicht korrekt über die Bühne gegangen sind, dass
Sie hier nur aus parteipolitischen Motiven Handlungen gesetzt haben.
Viele Überlegungen
und viele wichtige Fragen waren Ihnen in Ihrem Regierungsprogramm nicht einmal
eine Überschrift wert, zum Beispiel die Problematik der privaten
Sicherheitsdienste: Da muss es in der Zukunft Maßnahmen geben! Was tun Sie,
damit der Datenschutz gewährleistet ist? – Da ist eine Änderung des
Meldegesetzes dringendst vonnöten.
Meine Damen und
Herren! Zum Zivildienst ist Ihnen auch nichts eingefallen. Vom Verteidigungsminister
wird die Verkürzung der Wehrzeit angedacht. Was aber wird im Bereich des
Zivildienstes geschehen? – Kein Wort zu dieser Materie! Faktum ist, dass
es in diesem Bereich ein Chaos gibt: Es gibt Tausende Beschwerden junger
Zivildiener über mangelnde Verpflegung. Viele warten noch darauf, dass ihnen als
Ergebnis des Verfahrens die Geldbeträge überwiesen werden, die ihnen
widerrechtlich vorenthalten worden sind. Meine Damen und Herren, so kann das
nicht sein!
Dass Sie es sich
im Asylwesen mit den NGOs angelegt haben, zeigt ja die Aussage von
Caritasdirektor Landau, der gesagt hat – ich zitiere –:
Es ist „einfach
nicht zu glauben, dass hier ein verantwortlicher Politiker, der auch immer
wieder auf seine christlichen Wurzeln verweist, selbst Präsident einer NGO ist,
letztlich offensichtlich aus Gekränktheit – ... – Entscheidungen
trifft, die auf Kosten von Menschen gehen“.
Meine Damen und
Herren! Eine solche Vorgangsweise lehnen wir ab! Sie haben keine substantiellen
Verbesserungen im Auge.
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Kollege Parnigoni! Erstens ist Ihre
Redezeit zu Ende, und zweitens wäre es für das Klima im Haus gut, wenn Sie zu
dem Ausdruck „Schweinerei“ noch eine Bemerkung machen und diesen Ausdruck
zurücknehmen würden.
Abgeordneter
Rudolf Parnigoni (fortsetzend): Ich werde
eine Bemerkung dazu machen, Herr Präsident.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 176 |
Ich halte fest (Abg. Wittauer:
Herr Präsident! Ich bin auch unterbrochen worden!): Die SPÖ wäre zu
einer großen Reformpartnerschaft bereit gewesen. Der ÖVP fehlte der Mut dazu. (Neuerlicher
Zwischenruf des Abg. Wittauer.)
Meine Damen und Herren!
Ich nehme den Ausdruck „Schweinerei“ zurück, aber es war das trotzdem eine
Vorgangsweise, die zu jeglichen Menschenrechten im Widerspruch gestanden ist.
Der Minister handelt gegen die Menschenrechte! (Beifall bei der SPÖ.)
18.12
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als Nächster zu
Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Redezeit:
5 Minuten. – Bitte.
18.13
Abgeordneter
Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Viele
mag die Kombination Frauen und Gesundheit überrascht haben. In Wahrheit handelt
es sich bei diesem Bereich um eine der spannendsten Zukunftsaufgaben und eine
der interessantesten Kombinationen, die ich in den letzten Jahren gesehen habe.
Gesundheitswesen
ist weiblich, muss ich als Arzt sagen: 80 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen
sind Frauen. Bei den Ärzten – sie hinken diesbezüglich ein wenig
nach – sind es mittlerweile schon über 50 Prozent.
Zweitens: Die
Hauptbenützer des Gesundheitswesens sind Frauen. Frauen sorgen sich mehr um
ihre Gesundheit, Frauen werden älter und müssen daher das Gesundheitswesen
öfter in Anspruch nehmen, und – was ganz wichtig ist – Frauen
motivieren oft die Männer dazu, überhaupt zum Arzt zu gehen und auf ihre Gesundheit
zu achten.
Die Kombination
von Frauen und Gesundheit ist meiner Meinung nach also eine sehr ideale.
Ich finde es auch
sehr gut, dass dieses Ministerium mit Maria Rauch-Kallat besetzt werden darf.
Ich kenne sie schon sehr lange, und sie hat im Sozialen Hilfswerk in Wien
Bahnbrechendes geleistet. Dieses Soziale Hilfswerk hat Menschen, die sich
nicht selbst helfen konnten, Menschen, die benachteiligt waren, geholfen, und
zwar in der Weise, dass man Hilfe zur Selbsthilfe geleistet hat, aber auch
Hilfe gegeben hat, wenn sie gebraucht wurde.
Besonders
hervorheben möchte ich die Nachbarschaftszentren, weil diese auch eine Schiene
darstellen, die in Zukunft immer wichtiger sein wird. In einem Leben, das immer
einsamer wird, spielt, so meine ich, neben der Gesundheit, neben der Versorgung
als solcher der Umstand eine große Rolle, dass diese Versorgung überhaupt
ankommt, dass jemand überhaupt mit einem redet oder Hilfe leistet. Diese
Nachbarschaftszentren waren ein ideales Beispiel für eine Einrichtung, in deren
Rahmen jene Menschen, die Hilfe geben wollten, diese Hilfe jenen, die Hilfe
benötigten, unter professioneller Aufsicht und Mithilfe geben konnten. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Was mir als
Hausarzt sehr wesentlich erscheint: Als Mutter einer schwer sehbehinderten Tochter
hast du, liebe Maria Rauch-Kallat, alle Höhen und Tiefen einer Patienten- und
Angehörigenkarriere mitgemacht, und ich glaube, es ist auch ganz wesentlich,
dass man als Ministerin niemals die Bodenhaftung verliert.
Ein offenes Wort
auch zu den Selbstbehalten: Es ist dies weltweit ein heikles Thema. Ich kenne
kein Gesundheitssystem der Welt, das ohne Selbstbehalte auskommt. In Österreich
wird ein Erlös in der Höhe von etwa 1 Milliarde € – bei einem Gesamtbudget
der Kassen von 10,8 Milliarden € – daraus aufgebracht. Hätten
wir diese Milliarde nicht, müssten wir viele Leistungen überhaupt streichen,
und das würde einen hundertprozentigen Selbstbehalt bedeuten. Deshalb
stand – folgerichtig – auch unter SPÖ-Regierungen immer außer Streit,
dass es Selbstbehalte gibt, und man hat diese Selbstbehalte immer irgendwie
sozial gerecht zu gestalten versucht.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 177 |
Was wir jetzt
wollen, ist Folgendes: Wir wollen erstens den Wirrwarr ordnen. Es ist oft sogar
für Insider nicht ganz durchschaubar, wer was wann wo bezahlt.
Zweitens: Neu ist, dass wir die Selbstbehalte sozial gerechter gestalten
und deshalb auch mit einer sozialen Obergrenze versehen wollen. Warum? –
20 Prozent der Menschen beziehen 80 Prozent der Leistungen, und das
sind meistens chronisch Kranke, Ältere, wieder Frauen und wieder Personen mit
kleinen Einkommen. Ich glaube, da soll man hinschauen, da soll man nicht
wegschauen!
Wenn jemand eine Familie hat, in der es mehrere chronisch Kranke gibt,
oder das Schicksal hat, zum Beispiel einen Mucoviscidose-Patienten zu haben,
der viele kleine Einzelleistungen braucht, und knapp über diesen
Einkommensgrenzen liegt, der kommt dran! Da haben wir bisher nicht
hingeschaut, und ich glaube, Maria Rauch-Kallat wird sehr wohl dort hinschauen,
denn Krankheit darf nicht zur Armutsfalle werden! Zumindest unter der Regierung
der ÖVP werden wir Patienten nicht bestrafen. (Beifall bei der ÖVP sowie des
Abg. Scheibner.)
Wichtig scheint mir auch zu sein, dass Gesundheitspolitik Ziele braucht.
Genauso wie es einen Generalverkehrsplan gibt, in dem festgelegt ist, wo eine
Autobahn hingebaut wird und wo eine Hochleistungsstrecke errichtet wird, so
braucht auch die Gesundheitspolitik Ziele.
Eines der wesentlichsten Ziele wird sein, dass wir für die Vorsorge mehr
tun wollen, weil das edelste Ziel darin besteht, dass ein Mensch gar nicht erst
krank wird. Wir müssen also neben der Reparaturmedizin jene Schiene ausbauen,
bei der es um die Erhaltung der Gesundheit geht. 25 Prozent weniger
Herzinfarkttote, 25 Prozent weniger Schlaganfalltote, 25 Prozent weniger
Krebstote – dieses Ziel ist erreichbar, wenn wir uns bemühen und wenn wir
die richtigen Maßnahmen setzen. (Beifall bei der ÖVP.)
Als Arzt kann ich nur unterstreichen, was Bundeskanzler Schüssel heute
gesagt hat: Das Gesundheitswesen soll höchstwertige Leistungen bieten, und
diese sollen allen, unabhängig von Alter und Einkommen, offen stehen. Bedenken
Sie alle, dass Sie von einer Sekunde auf die andere todkrank sein können! Wenn
Sie dann kein gutes System haben, werden Sie sich bitter beklagen. Dann werden
Sie vielleicht, so wie in England, ein Jahr lang auf ein Spitalsbett warten
oder auf eine Operation, die nie durchgeführt wird, oder Sie werden sterben,
während Sie auf der Warteliste stehen.
Deshalb bin ich froh darüber, dass wir klar für die Gesundheit Stellung
bezogen haben und dass wir eine Ministerin haben, die über das notwendige
Engagement verfügt, die aber auch das Herz hat, das es für diese Politik
braucht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
18.18
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als Nächster zu
Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.
18.18
Abgeordneter
Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Sehr
geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Zu Beginn meiner Rede möchte
ich den Entschließungsantrag einbringen, den Kollege Kogler zum Schluss nicht
mehr untergebracht hat. Er hat ja in klaren Worten dargelegt, dass die
Anschaffung dieser Abfangjäger nicht nur militärpolitisch nicht sinnvoll ist,
sondern auch finanziell in der gegenwärtigen Situation nicht mitgetragen
werden kann.
Daher bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend
umgehender Abbruch der Abfangjäger-Beschaffung
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 178 |
Der Nationalrat
wolle beschließen:
Die
Bundesregierung wird aufgefordert, den Beschaffungsvorgang für den Ankauf von
Abfangjägern umgehend abzubrechen.
*****
Ich komme nunmehr
auf das Kapitel Bildung zu sprechen und möchte auf das eingehen, was in den
letzten Tagen von Frau Bildungsministerin Gehrer eingebracht und in der Folge
ziemlich intensiv diskutiert worden ist, nämlich dass die Schüler und
Schülerinnen in Österreich entlastet werden sollen, und zwar über eine
Reduktion der Zahl der Unterrichtsstunden.
Dies ist eine
Forderung, die die Grünen seit einiger Zeit ebenfalls eingebracht haben, wobei
dies allerdings in Form eines Strukturwandels im österreichischen
Bildungssystem erfolgen sollte.
Ich habe eine
interessante Äußerung der Bildungsministerin Gehrer aus dem Wahlkampf gefunden –
vom 28. Oktober 2002, das ist noch gar nicht so lange her. Damals
sprach sich Gehrer in einem APA-Interview gegen eine Kürzung der Stundenzahl an
den Schulen aus und sagte unter anderem, dass es dabei auch um Wiederholungen gehe. –
Vor vier Monaten hat sie also noch gemeint, eine solche Stundenkürzung komme
für sie nicht in Frage!
Was ich damit
ausdrücken will, ist, dass es offenbar unterschiedliche Zugänge dazu gibt. Bei
uns Grünen ist es nicht darum gegangen, eine Strukturreform im Bildungssystem
als Kosteneinsparungsmodell zu sehen, sondern wir sind wirklich der Meinung,
dass sich andere Bildungssysteme, die auf einer geringeren Anzahl von so
genannten Normalunterrichtsstunden und dafür auf einer wesentlich höheren
Anzahl an Fördermaßnahmen aufbauen, besser entwickelt haben. Man sieht das,
wenn man nach Finnland schaut – die haben genau so ein Modell –:
weniger Normalunterrichtsstunden, dafür relativ viele Mittel für individuelle
Förderungen, für die Förderung von Schwächeren.
Nun: Die Frau
Bildungsministerin hat von einer „Bildungsmilliarde“ gesprochen, von
72 Millionen €. – Ich habe sie im Regierungsprogramm nicht
gefunden. Ich weiß, dass es sehr intensive Diskussionen gegeben hat, in denen
wir auf dieser Bildungsmilliarde bestanden haben. Im Regierungsprogramm steht
sie nicht, und ich wäre sehr gespannt, ob auch Minister Grasser, der offenbar
wieder beim Geldsuchen ist, dieses Geld irgendwo wird auftreiben können, um
hier entsprechende Maßnahmen zu ermöglichen.
Ich kann nur sagen:
Die alleinige Kürzung der Stundenzahl als reines Einsparungsmodell – unter
anderem weil, wie uns schon in den letzten Jahren immer wieder gesagt wurde und
wie es auch im Regierungsprogramm angesprochen wird, der Struktureffekt
eingespart werden müsse; dabei geht es um eine Größenordnung von
300 Millionen € in dieser Legislaturperiode – wird mit
Sicherheit nicht die Probleme des österreichischen Schulsystems lösen. Wenn es
nicht endlich dazu kommt, dass Maßnahmen gesetzt und Förderungen ermöglicht
werden, dann wird es nicht gelingen, die Probleme, die die PISA-Studie
aufgezeigt hat, in Österreich nachhaltig zu verbessern.
Diese Probleme
lassen sich beim Namen nennen; zumindest im Bildungsbereich wird man den Grünen
nicht vorwerfen können, dass man dieses Regierungsprogramm mittragen müsse,
weil es ja so identisch sei.
Es gibt drei
Dinge, die die PISA-Studie sehr klar benannt hat: erstens das Problem der
sozialen Segregation in Österreich, zweitens das Problem bei MigrantInnen und
letztlich drittens auch das Problem bei Mädchen in den
Mädchen-Förderungsmaßnahmen. Zu allen drei Bereichen haben wir in den
Gesprächen versucht, Punkte einzubringen. – Zu allen drei Bereichen sind
sie herausgefallen, es ist schlicht und einfach nichts übrig geblieben.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 179 |
Die PISA-Studie
benennt 14 Prozent der österreichischen Schülerinnen und Schüler am Ende
der Schulpflicht mit extremen Leseschwächen, 4 Prozent werden de facto als
sekundäre Analphabeten bezeichnet. 4 Prozent in einem Land wie
Österreich! Es gab die Zielsetzung, diesen Anteil mindestens um die Hälfte zu
reduzieren. – Kein Wort dazu im Regierungsübereinkommen, kein Wort zu den
Maßnahmen.
Hinsichtlich der
sozialen Problematik war klar, dass man in den Ballungsräumen Schulversuche
ermöglichen soll, dass es möglich sein soll, zumindest über Schulversuche zu
mehr Kooperationen zu kommen. – Kein Wort dazu im
Regierungsübereinkommen.
Die
Mädchenförderung ist drastisch reduziert worden. – Es ist bei weitem nicht
das übrig geblieben, was wir wollten.
Letztlich ein
Punkt, den auch Frau Ministerin Gehrer gegenüber der Presse angekündigt hat;
sie selbst hat gesagt, wir hätten uns über die Erhöhung der Mittel für
Alternativschulen geeinigt. – Ich brauche hier wohl nicht zum Ausdruck zu
bringen, dass auch das aus dem Regierungsübereinkommen gefallen ist. Daran
hatte die FPÖ wahrscheinlich wenig Interesse.
In Summe: Das ist
ein Regierungsprogramm im Schulbereich, im Bildungsbereich, bei dem ich
überhaupt nichts an Innovation erkennen kann, bei dem das, was schwierig, aber
doch erreichbar gewesen wäre, herausgefallen ist. Angesichts dessen muss ich
sagen: Ich bin sehr froh, dass wir dieses Programm nicht mittragen müssen! (Beifall
bei den Grünen.)
18.23
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den Herr
Abgeordneter Brosz vorgetragen hat, ist ordnungsgemäß unterfertigt und steht
daher mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet
ist als Nächster Herr Abgeordneter Bucher. Redezeit: 5 Minuten. –
Bitte.
18.24
Abgeordneter
Josef Bucher (Freiheitliche): Herr Präsident!
Verehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Hohes Haus! Ich möchte versuchen, aus der Sicht eines Unternehmers, aus der
wirtschaftspolitischen Sicht dieses vorliegende Regierungsprogramm kurz zu
interpretieren und zu erläutern.
Ich finde, dass
das Herzstück dieses Regierungsprogramms nach wie vor die finanzpolitischen
Hintergründe sind, und zwar ein ausgeglichenes öffentliches Budget, ein
ausgeglichener öffentlicher Haushalt, das Herunterdrücken der Steuerquote auf
43 Prozent bis zum Jahr 2006 und die Abdeckung des Schuldenstandes.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Aus natürlichen Überlegungen kann man nicht gegen
diese engagierten Zielsetzungen sein; aus natürlichen Überlegungen und aus
wirtschaftspolitischen Überlegungen ist es bemerkenswert und unterstützenswert,
dass die Bundesregierung diesen Schritt gesetzt hat. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Besonders deutlich
gemacht wird der Konsolidierungserfolg der letzten Bundesregierung durch den
Rechnungshofbericht für das Jahr 2001, laut welchem es – und ich habe
mir das extra herausgeschrieben, Herr Kollege Kogler – der alten
Bundesregierung gelungen ist, einen großen Schuldenabbau zustande zu bringen.
Es gab im Jahr 1995 ein Minus – ich sage es in Schilling, weil das etwas
dramatischer klingt – von 122 Milliarden Schilling, und die
Bundesregierung hat es geschafft, im Jahr 2001 einen Primärüberschuss in
der Größenordnung von 4,5 Milliarden Schilling – in Euro sind das
0,33 Milliarden € – zu erreichen.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Die FPÖ hat immer den Grundsatz vertreten: Zuerst
sanieren und dann entlasten! Dieses Regierungsprogramm könnte man mit folgendem
Satz umschreiben: Was lange währt, wird endlich gut. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 180 |
Es ist richtig,
was sehr viele heute schon angemerkt haben: Dieses Regierungsprogramm enthält
zentrale, elementare freiheitliche Forderungen, wie etwa die erste Etappe der
Steuerreform schon im Jahre 2004, die zu einer Entlastung in der Höhe von
600 Millionen € führen wird, die die wirtschaftliche Situation
unseres Landes berücksichtigt und mit der offensive Anstrengungen unternommen
werden, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern.
Es ist ja
abenteuerlich, wie sich, wenn man heute den Plenartag mitverfolgt hat, die
Arbeitslosenrate in Deutschland quasi stündlich im Vergleich zur
Volkswirtschaft in Österreich verschlechtert hat. Da spricht Herr Stummvoll
von 4 Millionen Arbeitslosen, Herr Minister Grasser von 4,5 Millionen
Arbeitslosen und richtigerweise Herr Minister Bartenstein von
4,7 Millionen Arbeitslosen bei unserem wichtigsten Handelspartner
Deutschland. Das ist eine dramatische Entwicklung, der wir mit diesem
Regierungsprogramm offensiv gegensteuern.
Freiheitliche
Handschrift heißt: Statt Arbeitslosigkeit fördern wir die Arbeit in diesem
Land! Das kommt mit der Maßnahme zum Ausdruck, dass wir ein steuerfreies
Jahres-Bruttoeinkommen von bis zu 14 500 € in Österreich einführen
werden. Das entlastet die unteren und mittleren Einkommensbezieher, erhöht die
Kaufkraft und wird für Nachfrage und Konjunkturanreize in diesem Land Sorge
tragen.
Die Förderung der
Eigenkapitalbildung ist schon seit vielen Jahrzehnten eine Forderung der
österreichischen Unternehmer. Endlich wird sie mit der Senkung des Steuersatzes
auf mehr als 50 Prozent für nicht entnommene Gewinne wahr gemacht. (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
Meine Damen und
Herren! Als – ich würde es so sagen – letztes Relikt aus der
sozialistischen Ära wird die 13. Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung gestrichen –
eine Maßnahme, die nun der Wirtschaft zugute kommen und für mehr Wachstum in
unserem Land sorgen wird.
Die Forschung und
Entwicklung ist einer der wesentlichsten Bereiche, der sicherstellt, dass
Arbeitsplätze geschaffen werden und dass künftighin auch das
Bruttoinlandsprodukt steigt. Ich habe anhand dieser Studie noch einmal unter
Beweis zu stellen versucht (der Redner hält eine Graphik in die Höhe),
dass durch die stetige Fortentwicklung und Aufwertung der Mittel für Forschung
und Entwicklung gewährleistet ist, dass auch genügend Geld in die Forschung und
Entwicklung fließt und damit auch die Wirtschaft in unserem Land in eine sehr
gute Zukunft gehen kann. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen
und der ÖVP.)
18.29
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist
Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Gleiche Redezeit. – Bitte.
18.29
Abgeordneter
Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau
Bundesminister! Herr Justizminister! Meine Damen und Herren! Ich werde mich
auf Grund der vorgeschrittenen Zeit kurz fassen.
Ich habe die Rede
der Kollegin Rest-Hinterseer vorhin mit Amüsement verfolgt. Vieles von dem, was
sie gesagt hat, finde ich richtig. Ich denke, die Regierung und den
Bundeskanzler mit dem gesunkenen Öltanker vor Galizien zu vergleichen, das hat
schon etwas für sich. Wenn ich die Erklärung von Herrn Parteiobmann
Bundeskanzler Schüssel hernehme, dann stelle ich fest: Es ist irgendwie
statthaft, diese Regierung mit dem vor der Küste Galiziens gesunkenen Öltanker
zu vergleichen, der „Prestige“ heißt, am Meeresgrund liegt, Schaden verursacht
und sonst eigentlich nichts. (Beifall bei der SPÖ.)
Der zweite Punkt, bei dem ich vielleicht eine ein klein wenig andere Sichtweise als Kollegin Rest-Hinterseer habe, ist folgender: Wir haben heute Minister Pröll erlebt. (Ruf bei der ÖVP: Ein guter Mann!) Sie hat ihn angegriffen. Ich denke, man muss bei einer Regierung auch vergleichen können. Ich muss ganz ehrlich sagen: Im Vergleich zum Bundeskanzler scheint er mir schon sehr seriös zu sein, meine Damen und Herren. Ich darf vielleicht Frau Rest-Hinterseer darum ersuchen, diese Unterschiede auch in der Bundesregierung ein klein wenig zu berück-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 181 |
sichtigen, weil ich glaube, dass es
darauf ankommt, dass man schaut, wo denn in diesem Gesamtwerk vielleicht doch
noch der eine oder der andere Lichtblick ist.
Ich komme jetzt
zum Justizprogramm. Es ist auch da so: Es ist im Wesentlichen sehr unambitioniert,
und in vielen Bereichen – leider Gottes, Herr Bundesminister – sehe
ich die Handschrift der Unvernunft Ihres Koalitionspartners. Ich habe
mir – wir haben ja schon einige Diskussionen darüber geführt –
eigentlich erhofft, dass vieles von dem, was Sie uns in der letzten
Legislaturperiode an Positivem versprochen haben, jetzt kommt. Ich würde sagen,
dass es beim Jugendgerichtshof – da sind wir einig – eine sehr
unerfreuliche Entwicklung gab. Warum sich die ÖVP da mehr oder weniger nicht
dagegen gestellt hat, das verstehe ich nicht. Vielleicht kann man doch noch
darüber reden, denn es gibt ja jetzt aus Ihrer Sicht das Konzept, die
Jugendgerichtsbarkeit in ihrer Gesamtheit zu diskutieren. Ich glaube, man
sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sondern das, was an Vernunft
betreffend Jugendgerichtsbarkeit bestanden hat, das, was eigentlich dieses
Segment in ganz Europa zum Vorbild gemacht hat, herausheben, ich glaube, man
darf es nicht zerstören. Ich hoffe, dass es sich hier doch noch zum Besseren
wendet.
Wenn ich mir
allerdings den Punkt Strafbarkeit von Sozialbetrug anschaue und in Erinnerung
rufe, dass über Jahre, nahezu Jahrzehnte seitens der Österreichischen
Volkspartei gegen jeglichen Versuch, gegen das Schwarzunternehmertum
vorzugehen, Sperrfeuer geschossen worden ist, und nun im Regierungsprogramm von
„Strafbarkeit von Sozialbetrug“ die Rede ist (Bundesminister Dr. Böhmdorfer:
Bei organisierter Schwarzarbeit!),
dann muss ich sagen: Da verstehe ich nicht ganz, wie das gemeint ist, ob es
sich da nicht vielleicht doch um die eine oder andere Verhöhnung handelt. Dass
die Arbeitnehmer, die nichts verdienen, die über die Grenze kommen und hier
versuchen, ihrer Not zu entkommen, jetzt bestraft werden, aber die Schwarzunternehmer
nach wie vor – ich verstehe Sie da nicht, meine Damen und Herren von der
ÖVP – Ihre Gunst genießen und nicht wirklich verfolgt werden, wo man das
wesentlich einfacher machen könnte, das versteht doch wirklich kein Mensch in
diesem Land. Das ist auch eher ein sehr unseriöses Vorbringen. (Beifall bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Ich glaube, Herr
Bundesminister, dass Sie es ehrlich meinen, aber Sie müssen sich auch gemeinsam
mit jenen messen lassen, mit denen Sie in dieser Regierung – und auch in
dieser Koalition – in einer Reihe stehen. Diese haben sich in der
Vergangenheit – ich kann nur sagen: Das ist eine Erfahrung aus der großen
Koalition – stets dagegen gesperrt. Das heißt, dass wir diese unzumutbaren
Zustände auch den Damen und Herren von der ÖVP zu verdanken haben. Das muss
hier einmal ausgesprochen werden.
Folgendes lassen
Sie mich auch noch sagen, Herr Justizminister: Sie sagen immer, man müsste die
Gesetze verbessern, man müsste auch die Strafen entsprechend verschärfen und
die Strafdrohung erhöhen! Ich glaube – und wir haben das auch schon
ausgesprochen –, dass das eigentlich gar nichts nützt. Genützt hätte es, wenn
der Herr Innenminister zum Beispiel das getan hätte, was er hätte tun können,
nämlich eine effiziente Politik umsetzen, die einer Verbesserung der
Kriminalitätsbekämpfung dient.
Es gibt in der
letzten Zeit auf Grund seiner „großartigen“ Leistungen die höchste
Kriminalitätsquote bei gleichzeitig geringster Aufklärungsquote, meine Damen
und Herren. Man muss es einmal zusammenbringen, innerhalb von drei Jahren einen
derartigen Akt der Inkompetenz zu setzen! Das nimmt Herrn Minister Strasser
niemand ab.
Ich komme aus der
Leopoldstadt. Es war seine „Leistung“, das Kommissariat in der Leopoldstadt –
so wie viele andere Kommissariate – zu schließen, in einem großen Bezirk,
wo das Praterstadion ist, wo der Prater ist und wo die Messe stattfindet. (Präsident
Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Da greift sich doch jeder
auf den Kopf! Da kann ich nur sagen: Diesen Minister kann man wahrlich nicht
mehr ernst nehmen – und damit eigentlich auch seine Politik nicht! –
Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Großruck: Er heißt
Ernst! – Abg. Scheibner: Er heißt aber so!)
18.34
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 182 |
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als Nächster zu
Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Murauer. Redezeit: 5 Minuten. –
Bitte.
18.34
Abgeordneter Walter Murauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte
Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Als Wehrsprecher der
Österreichischen Volkspartei ist es natürlich erbauend, zu wissen, dass es eine
Regierung gibt, die ein gutes Programm vorlegt und die die Sicherheit, den
Frieden, die Stabilität und die Freiheit sehr hoch bewertet und entsprechend
auch gewährleistet. Sie hat auch die dazu notwendigen Schritte in der letzten
Legislaturperiode gesetzt und wird diese auch in dieser Legislaturperiode
setzen.
Die bestehende
Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin ist die Basis dafür, sie ist richtungweisend
für eine neue Aufgabendefinition für unser Bundesheer, für unser Militär. Nach
der Risikoanalyse, welche Konflikte, welche Bedrohungen sich für unsere
Bevölkerung darstellen, ist eine Doktrin beschlossen worden. Es wird eine
Kommission von Fachleuten, von Experten eingesetzt, eine Kommission der
Teilstrategie. Ich würde sie die neue Strategiekommission nennen, die die
Aufgaben genau definiert und die unser Bundesheer nach der Sicherheits- und
Verteidigungsdoktrin in die Lage versetzt, das Richtige zu tun – national
und international! (Beifall bei der ÖVP.)
Es wird notwendig
sein, dass unser Bundesheer in erster Linie für unser Land zum Schutz der
Bevölkerung und für die Landesverteidigung entsprechend bereit ist. Zum Schutz
der Einrichtungen, zum Schutz der Werte und zum Schutz der Demokratie und
selbstverständlich auch zum Schutz unserer Grenzen, aber auch gegen
Katastrophen, die unser Land bedrohen können, müssen wir gerüstet sein.
Dazu ist es notwendig,
entsprechendes Gerät zur Verfügung zu haben, zu trainieren, auszubilden und
auch Zusammenarbeit und Synergien mit der zivilen Bevölkerung zu suchen.
Natürlich ist damit auch die Weiterentwicklung des Grundwehrdienstes wichtig.
Ein zweiter
wesentlicher Punkt ist, dass von der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik auch der Schritt zur österreichischen Verteidigung und
Sicherheit gemacht wird. Das heißt, die Sicherheit Europas ist auch die
Sicherheit Österreichs. Wenn wir von Solidarität mit allen unseren EU-Staaten
reden, die in Zukunft 25 an der Zahl sein werden, und wir dabei
Beistandsgarantie anstreben wollen, dann meinen wir damit, dass dies unserer
Sicherheit dienen und nicht nur ein Schlagwort in Unterlagen und auf Papieren
sein soll.
Wir werden ein
Bereithaltemodell erarbeiten müssen, das im Rahmen internationaler Operationen
auch unsere Soldaten bereithält, um rasch und gemeinsam mit den anderen europäischen
Staaten für den Frieden, für die Friedenserhaltung eintreten zu können.
Ein Drittes
scheint mir ebenso wichtig zu sein, nämlich die geistige Haltung zur
Landesverteidigung, die geistige Haltung unserer Bevölkerung zur
Sicherheitspolitik. Diesbezüglich ist, so glaube ich, in der Vergangenheit
nicht genug unternommen worden, ja ich würde fast meinen, es ist sogar versäumt
worden, unsere Bevölkerung eindringlich darauf aufmerksam zu machen, wie
wichtig Sicherheitspolitik, wie wichtig Verteidigungspolitik ist. Hätten wir
das gemacht, dann wäre es nämlich nicht zu jener unseligen Diskussion mit ihren
populistischen Aussagen gekommen, die wir jetzt leider Gottes haben.
Die
Oppositionsparteien kommen in Bezug auf die Abfangjäger und die
Luftraumsicherung immer wieder mit dem Argument, das da lautet: Um Gottes
willen, alle Länder haben eine Luftraumüberwachung, wozu brauchen wir das in
Österreich auch? – Ich meine: Wir müssen einmal von dieser Diskussion
wegkommen! Die Bevölkerung und auch alle in diesem Hohen Haus vertretenen
Parteien müssen wissen, dass es notwendig ist, alles zu tun, um die Sicherheit
unseres Landes und unserer Bevölkerung entsprechend zu gewährleisten – die
Sicherheit zu Lande und in der Luft, meine Damen und Herren! (Beifall
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 183 |
Eine umfassende
Sicherheitspolitik für unser Land ist auch die Basis für die wirtschaftliche
Weiterentwicklung unseres Landes, ist die Basis für genug Arbeitskräfte, ist
die Basis für soziale Stabilität.
Abschließend
äußere ich einen Wunsch an die Opposition: Es möge uns doch gelingen, die Sicherheitspolitik,
die Verteidigungspolitik aus dem Parteienstreit herauszuhalten! Dieses Thema
ist viel zu sensibel, um mit den Argumenten der Vergangenheit Politik zu
machen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
18.40
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Als Nächste zu Wort
gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.
18.40
Abgeordnete
Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren in den Regierungssesseln! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! Ein Wunsch an die Opposition war das letzte Wort
meines Vorredners – ein Wunsch an die Regierung darf wohl der Eingang
meiner kurzen Darlegungen sein, und dieser Wunsch ist ein ganz einfacher,
dieser Wunsch heißt: Bitte, drücken Sie Ihre Anliegen, die Sie in sehr
rudimentärer Form auf 40 Seiten sehr mangelhaft und lückenhaft aneinander
gereiht haben, zumindest in exaktem Deutsch aus!
Ein Beispiel: Mein
Kollege kommt aus dem Sicherheitsbereich. Auf Seite 8 können Sie lesen:
„Entlastung der Exekutive von artfremden Tätigkeiten“. – Was sind denn
„artfremde Tätigkeiten“ von Exekutivbeamten? (Abg. Mag. Molterer:
Verwaltungstätigkeiten!) Ich glaube, Exekutivbeamte sind Menschen und
nicht Arten, und Menschen haben das Anrecht, besonders wenn sie in der
Exekutive tätig sind, dass sie in zentralen Einsatzbereichen unterstützt
werden. An dieser Stelle möchte ich wirklich, vor allem angesichts der
Ausführungen meines Vorredners und gerade vor dem Hintergrund des
Sicherheitsgedankens, ein Bekenntnis zu der seriösen Arbeit unserer
einsatzbereiten Exekutive abgeben, einer Arbeit, die sicherlich auch oft
gefährlich ist. Da darf ich noch einmal darauf verweisen, dass gerade die
Verkehrssicherheit ein Punkt ist, der heute in der Diskussion betreffend den
Sicherheitsbereich noch viel zu wenig angesprochen worden ist.
Aber eigentlich
möchte ich mich nicht auf diesen sozusagen körperlichen Sicherheitsbereich
beschränken, sondern generell den finanzpolitischen Sicherheitsbereich
ansprechen und hier auf eine andere sprachliche Besonderheit hinweisen, die
eine Skurrilität darstellt. Auf einer anderen Seite, so glaube ich, können Sie
lesen, dass der Finanzausgleich dafür sorgen soll, dass es einen – wie
heißt es geschwind? – ausgabenorientierten „Bevölkerungsschlüssel“ (Staatssekretär Dr. Finz: Einen aufgabenorientierten!),
ja genau, einen „aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssel“ geben soll.
Glücklicherweise sind Sie, Herr Staatssekretär, als Experte hier anwesend.
Erklären Sie mir einmal, was ein Bevölkerungsschlüssel ist! Normalerweise
spricht man doch von einem Verteilungsschlüssel. Eigentlich
sollte es doch im Finanzausgleich heißen: aufgaben- und einwohnerorientierter Verteilungsschlüssel,
denn das wäre ein echter Reformansatz, staatspolitisch die Finanzen in eine
Konstellation zu bringen, die uns insgesamt viele Mittel für wichtige
Einsatzbereiche zur Verfügung ließe.
Sie wissen genauso
wie ich – wir sind ja sozusagen schon länger am Werk –, dass der
Schlüssel für die Gesundung – da verwende ich ein Vokabular aus Ihrem
Bereich – der Staatsfinanzen sicherlich in einer neuen Verteilung der
Aufgaben und vor allem in einer Neuorganisation, so muss ich korrekterweise
sagen, und in einer aufgabenorientierten Finanzzuteilung liegt. Diesbezüglich
haben wir noch viel zu wenig diskutiert, und da wird sich zeigen, welche Reformkraft
Sie haben.
Wir haben es schon
in der letzten Legislaturperiode gemerkt, dass sich Ihre landespolitischen
Machtzentren im Finanzausgleich immer wieder relativ schadlos gehalten
haben – oft zu Lasten der Gemeinden, häufig auch zu Lasten des
Bundes –, und ich bin neugierig, inwieweit der Verfassungskonvent, oder
wie immer Sie das nennen wollen, hier endlich Abhilfe schaffen und eine neue
Konstellation, eine gesetzliche Rahmenbedingung etablieren wird, die dazu
führt, dass man beim Finanzausgleich endlich einsparen kann.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 184 |
Weil die Frau
Ministerin Gehrer hinter mir sitzt, möchte ich sagen: Sie machten eine sehr
mutige Ansage, Frau Ministerin, aber wie halten Sie es jetzt mit dem
Landesschulrat? Ich habe Sie für Ihre Ansage bewundert, dass der Landesschulrat
eingespart werden soll. Was steht denn jetzt in der Regierungserklärung? Was
steht denn im Koalitionsübereinkommen? Ich sehe das Wort „Landesschulrat“ nicht
mehr. (Abg. Großruck: Ist schon eingespart!) Ich sehe, dass nicht einmal
der Bereich Einsparung in der Schulverwaltung oder Neukoordinierung der
Schulverwaltung angesprochen wird.
Frau Ministerin!
Heute war schon einmal die Rede von Mut. Bitte zeigen Sie Mut, zeigen Sie ihn
noch einmal, stellen Sie ihn unter Beweis, schaffen Sie die
Landesschulratspräsidenten wirklich ab! (Bundesministerin
Gehrer: Sie sollten es genauer
lesen!) Sie kennen ja diese Institution aus Ihrer beruflichen
Vergangenheit, viele Anwesende kennen sie auch, und man muss sagen: Das wäre
ein symbolisches Beispiel dafür, wie Sie gerade im Bildungsbereich sinnvoll den
Sparstift ansetzen und dann Mittel zur Verfügung stellen könnten für das, was
unsere Jugendlichen wirklich brauchen, nämlich eine qualifizierte Ausbildung. (Abg. Großruck:
Der Landesschulrat ist nicht der Präsident, Frau Kollegin!)
Zum Schluss noch,
da Herr Minister Böhmdorfer gerade beim Verlassen der Regierungsbank ist: Herr
Minister Böhmdorfer! Es steht zwar nicht direkt mit Finanzausgleich und neuer
Aufgabenverteilung in Zusammenhang, aber eines möchte ich schon erklärt haben:
Sie haben im Regierungsübereinkommen vermerkt, dass es eine Überprüfung des
Verbandsklagerechts geben soll. (Bundesminister
Dr. Böhmdorfer: Nein!)
Lesen Sie es nach! (Bundesminister
Dr. Böhmdorfer: Ich kenne es
ja! Das steht mit keinem Wort drinnen!) Das ist ein Instrument für Ihre
Tätigkeit gewesen, auch für die zukünftige Tätigkeit der Frau Staatssekretärin,
das für den Konsumentenschutz sehr wichtig ist. Schauen Sie selber nach! –
ich bringe es Ihnen dann. Diese Überprüfung hat womöglich zur Folge, dass diese
Regelung wieder zurückgenommen wird, und diesen Rückschritt können wir nicht
dulden, weder Sie noch ich! Schauen Sie sich das an! (Präsident Dr. Fischer gibt
das Glockenzeichen zur Erinnerung an die Einhaltung der Redezeit.)
Das waren nur drei
Beispiele, ich könnte noch einige andere wählen. Wir haben viel vor, nur: Sie
sollten wirklich Mut beweisen – gesehen habe ich davon nichts! (Beifall
bei den Grünen.)
18.46
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist
Herr Abgeordneter Wattaul. – Bitte.
18.46
Abgeordneter
Anton Wattaul (Freiheitliche): Herr Präsident!
Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Moderne Verkehrspolitik wurde
unter FPÖ-Verkehrsministern erfolgreich eingeleitet und wird unter
Bundesminister Gorbach weitergeführt. Alle Verkehrsträger, Schiene, Straße,
Wasserwege, haben ihre Berechtigung. Durch die Einführung des
Generalverkehrsplanes wird vernetzt gedacht und gehandelt. Das Road-Pricing
ist auf Schiene. Mit der Einführung wird ein faires, gerechtes System
installiert, das für die Zukunft auch Lenkungsmaßnahmen zulassen wird. Die
Größe Europas verlangt aber auch, dass unsere Eisenbahnen auf moderne Füße
gestellt werden. (Abg. Öllinger: Schienen, moderne Schienen!)
Wir brauchen hier eine zukunftsträchtige Denkweise. Ich bin zuversichtlich,
dass gerade Bundesminister Gorbach die Eisenbahn zu einem zukunftsorientierten
und für den Bürger attraktiven Verkehrsmittel umgestalten wird.
Sehr geehrte Damen
und Herren! In einem vereinten Europa ist es aber auch notwendig, gleiche
Spielregeln für alle Europäer einzuführen. Durch das In-Kraft-Treten der
EU-Fahrerlizenz ist bereits ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung
gelungen. Die Einführung der so genannten Black Box ist noch offen. Da bitte
ich den Verkehrsminister, Druck zu machen, wir brauchen das im Sinne der
Kontrolle. Nur durch länderübergreifende Regelungen und einheitliche
Kontrollen kann man ein modernes Europa lenken und gestalten. Die Wirtschaft verlangt
Rahmenbedingungen, die für alle gleich sind. Das heißt, wettbewerbsverzerrende
Gesetze gehören abgeschafft.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 185 |
Die Ökologisierung
im Verkehr ist grundsätzlich richtig. Allerdings muss man aufpassen, dass dabei
der Standort Österreich nicht benachteiligt wird. Ich nenne da nur Deutschland,
Rot-Grün. Man sieht an diesem Beispiel, wie der Standort durch die Steuern auf
Treibstoff benachteiligt wurde.
Ich bin davon
überzeugt, dass Hubert Gorbach der richtige Mann an der Spitze des Verkehrsressorts
ist; er wird seine Aufgabe gut machen.
Ich möchte
abschließend noch Frau Gisela Wurm ansprechen, weil sie heute gesagt hat, es
werde im Innenministerium umgefärbt: Umfärben bedeutet aber, dass etwas schon
eine Farbe gehabt haben muss! – Und wenn Herr Einem sagt, über eine
Gesetzgebungsperiode hinaus zu denken sei Nonsens, dann entlarvt sich die SPÖ
wirklich und zeigt damit, wie sie in der Vergangenheit Politik gemacht
hat. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der
ÖVP.)
18.49
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist
Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.
18.49
Abgeordnete
Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und
Herren! Wenn man sich das Regierungsprogramm darauf hin ansieht, wie sich die
geplanten Maßnahmen der nächsten Jahre auf die österreichischen Familien und
deren Lebenssituation auswirken werden, so kommt man nicht umhin, zu sehen,
dass ein Generalangriff auf die Budgets der österreichischen Familien geplant
ist. Eine heute erschienene Wochenzeitung hat das meiner Meinung nach sehr
treffend dargestellt: eine Familie, der man das letzte Hemd ausgezogen hat. (Die Rednerin zeigt eine Doppelseite eines
Wochenmagazins.) Dieses Magazin ist zu dem Schluss gekommen, dass jede
Familie in Österreich pro Jahr mit 3 310 € belastet wird. In dieser
Summe ist netterweise sogar schon eine vielleicht zu erwartende Steuerreform
gegengerechnet.
Man darf nicht nur
die Familienpolitik im engeren Sinn bewerten, denn die österreichischen
Familien sind natürlich auch ganz massiv von den geplanten Änderungen im
Pensionssystem, von den Selbstbehalten im Gesundheitsbereich und so weiter
betroffen.
Von den
familienpolitischen Maßnahmen im engeren Sinn möchte ich eine geplante Maßnahme
als wirklich positiv, als Schritt in die richtige Richtung hervorheben, nämlich
den geplanten Rechtsanspruch auf Teilzeit, ein Anliegen, das der SPÖ seit
vielen Jahren sehr wichtig ist. (Bundesminister Dr. Bartenstein:
Anspruch, nicht Rechtsanspruch, Frau Kollegin!) Ein Rechtsanspruch, ja. (Bundesminister
Dr. Bartenstein: Anspruch!) Anspruch? Also kein Rechtsanspruch,
ein Anspruch! Gut, damit haben Sie darauf hingewiesen – so kritisch wollte
ich heute noch gar nicht sein –, dass einiges schon noch im Detail zu
verhandeln sein wird, denn man muss da eine Situation schaffen, die es den
Frauen wirklich möglich macht, diese familienpolitisch sehr wichtige Sache
auch in Anspruch nehmen zu können.
Zudem hat Sie auch
noch der Mut verlassen, weil es diese Regelung, die, wie Minister Bartenstein
soeben berichtigt hat, nicht einmal einen Rechtsanspruch, sondern nur einen
Anspruch darstellt, nur für Beschäftigte in Groß- und Mittelbetrieben geben
wird. Das ist bedauerlich, weil die meisten Österreicherinnen und Österreicher
in Kleinbetrieben beschäftigt sind. Außerdem wissen wir, dass Kleinbetriebe
eigentlich die flexibleren sind.
Hinweisen möchte
ich noch darauf, dass wir aus dieser Maßnahme keine Falle hinsichtlich der
Auswirkung auf die spätere Pension machen dürfen, denn wenn es einerseits eine
Lebensdurchrechnung geben soll und andererseits berechtigterweise Anreize
geschaffen werden sollen, in einer wichtigen Lebensphase einen Schritt zurück
in Richtung Teilzeit zu machen, dann könnte das für die Frauen später bei der
Durchrechnung ein großes Minus bei der Pensionshöhe zur Folge haben. Ich denke
und hoffe, dass die neue Frauenministerin – sie ist jetzt leider nicht
anwesend – ein Auge darauf haben wird.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 186 |
Mutlos ist leider
auch die Weiterentwicklung des Kindergeldes. Es wird nur von Evaluierung gesprochen.
Sie haben sich nicht zu einer von vielen Frauen gewünschten Flexibilisierung
des Kindergeldes durchringen können, etwa dergestalt, dass man das Kindergeld
nicht nur in der Kleinkindphase in Anspruch nehmen, sondern es sich auch für
spätere Lebensphasen aufheben kann.
Das Gleiche gilt
für die Kinderbetreuung. Auch in diesem Punkt fehlt ein mutiger Schritt. Sie
haben sich nur dazu durchgerungen, auf die Länder einzuwirken.
Meine Damen und Herren! Das ist zwar notwendig, aber es wären auch Anreize nötig
gewesen, und dazu haben Sie sich nicht durchringen können, obwohl bekannt ist,
dass in Österreich 100 000 Kinderbetreuungsplätze fehlen. Sie
stellen zwar den richtigen Befund – die Plätze fehlen vor allem in der Betreuung
von Kindern unter 3 Jahren und bei den Schulkindern –, aber zu den
entsprechenden Maßnahmen konnten Sie sich nicht durchringen.
Was die
Schulkinder betrifft, so bedauere ich, dass kein Schritt in Richtung
Ganztagsschulen, kein Schritt in Richtung Ausbau ganztägiger Schulformen geplant
ist – dies wäre nicht nur eine wichtige bildungspolitische, sondern auch
eine wichtige familienpolitische Maßnahme. Ich hatte in den
Sondierungsgesprächen mit Frau Ministerin Gehrer den Eindruck, dass sie das
eigentlich auch einsieht. Leider gibt es aber jetzt keinen Schritt in diese
Richtung, obwohl er besonders wichtig wäre.
Positiv möchte ich
die Initiative in Richtung Schülerentlastung bewerten. Es war uns dies in der
letzten Legislaturperiode ein besonders wichtiges Anliegen. Ich freue mich,
Frau Ministerin, dass es gelungen ist, Sie von diesem Anliegen zu überzeugen,
bezweifle allerdings, dass der von Ihnen vorgeschlagene Weg der richtige ist.
Er riecht mir verdächtig nach einer geschmückten Einsparungsmaßnahme.
Wenn man sich die
Vorschläge der Regierung zur Familienpolitik zusammenfassend ansieht –
einerseits ist eine Verankerung der Familie in der Verfassung geplant,
andererseits aber findet sich im Regierungsprogramm kein Wort über die Vielfalt
der Lebensformen, über die Lebensbedingungen der AlleinerzieherInnen, über
Lebensgemeinschaften –, so muss man fürchten, sehr geehrte Damen und
Herren, dass ÖVP und Freiheitliche die Familienpolitik in den nächsten Jahren
rein als Feld ideologischer Auseinandersetzungen nützen werden. Das ist schade!
(Beifall bei der SPÖ.)
18.55
Präsident
Dr. Heinz Fischer: Nächste Pro-Rednerin ist Frau
Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.
18.55
Abgeordnete
Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau
Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Herren Staatssekretäre! Frau
Staatssekretärin! Hohes Haus! (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.)
Herr Kollege Jarolim kann seine Fragen dann im Couloir stellen. Ich möchte ein
paar Dinge richtig stellen, die im Lauf der Debatte zum Thema Forschung und
Wissenschaft aufgetaucht sind.
Ich darf daran
erinnern, dass es heute auch gute Nachrichten zu vermelden gibt. In der letzten
Legislaturperiode unter der Regierung Schüssel I stiegen die Ausgaben für
Forschung und Entwicklung auf den höchsten je erreichten Wert. Man kann
natürlich sagen, dass das immer noch nicht genug ist. Einverstanden! Aber
immerhin war es das höchste je erreichte Forschungsbudget.
Erfreulich ist in
diesem Zusammenhang auch die Quote, die den Anteil der diesbezüglichen Ausgaben
für Forschung und Entwicklung am BIP erkennen lässt, sie ist für 2001 und 2002
deutlich höher als erwartet und liegt bei zwei Prozent. Für das Studienjahr
2005/2006 ist eine Quote von 2,5 Prozent angestrebt, für das
Jahr 2010 eine von 3 Prozent. Ich bin sicher, dass die Sondermittel
in der Höhe von 600 Millionen €, die jetzt – über das übliche
Verfahren, allerdings mit einem direkteren Zugang – ausgeschüttet werden
sollen, ein weiterer Impuls für Forschungsinvestitionen sein werden.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 187 |
Einige meiner
Vorredner haben darüber gesprochen, wie es die Regierung bewerkstelligen werde,
dass die Wirtschaft zu mehr Forschungsinvestitionen stimuliert werden könnte.
Nun: Das neue Dienstrecht an den Universitäten mit seiner größeren
Durchlässigkeit zwischen Universität und Wirtschaft wird sicher für die
Wirtschaft, für die handelnden Personen motivierend wirken. Es wird damit das
Bewusstsein, dass mit Technologie- und Forschungsinvestitionen Wirtschaft und
Arbeit angekurbelt, Arbeitsplätze geschaffen werden, gestärkt. Sicherlich
werden auch andere Steuerungsmaßnahmen wie die Änderung bei den nicht
entnommenen Gewinnen einen anderen Zugang zu Forschungsinvestitionen bewirken.
Wenn man jedoch
mit einer negativen Stimmung an diesen Bereich herangeht, wenn defensive
Nachrichten verbreitet werden, wenn wir uns diesem Thema nicht stellen, dann
dürfen wir auch nicht erwarten, dass die Wirtschaft ihrerseits ihre
Forschungsinvestitionen steigert.
Was ist zu tun?
Was sind die wichtigsten Maßnahmen für die nächsten Jahre? – Es geht zunächst
um eine zuletzt mehrmals diskutierte Vereinfachung der Förderstrukturen. Die
entsprechende Diskussion ist eröffnet, aber noch nicht abgeschlossen. Ich bin
ganz sicher, dass sie zu einem konstruktiven Ergebnis kommen wird.
Im Verhältnis zu
anderen Modellnationen bezüglich Forschung und Entwicklung gilt es, strategische
und operative Ebenen zu trennen und den Wissenszuwachs, also die neuen Erkenntnisse,
sowohl der Scientific Community als auch den Bürgerinnen und Bürgern zugänglich
zu machen. Vieles von dem, was wir heute wissen, von dem wir in Diskussionen
als sicher ausgehen, kennen wir, weil Forscherinnen und Forscher auf diesem
Gebiet gearbeitet und uns diese Erkenntnisse zugänglich gemacht haben.
Auf Basis des
erfolgreich implementierten UG 2002 sind die Forschungsförderungsinstrumente
an die europäischen Standards anzupassen, die wissenschaftliche, die
inhaltliche Autonomie der Entscheidungen jedoch verbleibt selbstverständlich in
den Institutionen. Das ist ganz wichtig, weil damit Sicherheit geschaffen
wird. Es ist nämlich notwendig, dass an Maßnahmen zur Effizienzsteigerung
gearbeitet und trotzdem die Souveränität der wissenschaftlichen Entscheidungen
respektiert wird. Evaluierungen, Prüfungen durch den Rechnungshof sind nicht an
sich schon eine Gefährdung der Freiheit der Forschung. Wir müssen die
Ergebnisse diskutieren und daraus Maßnahmen ableiten.
Ich bin sehr froh
darüber, dass das Regierungsprogramm auch einen Ausbau der Frauenförderung,
das heißt, weitere Frauenförderungsmaßnahmen vorsieht. Frau Bundesministerin
Gehrer bin ich sehr dankbar, weil sie sich in der letzten Zeit mehrfach und
intensiv durch Taten statt durch Worte ausgezeichnet hat und dabei ist, diesen
Weg fortzusetzen.
Ich freue mich,
dass in den nächsten Tagen die Konzeption eines weiteren Frauenförderinstruments
abgeschlossen wird, nämlich der Uni-Frauenbeirat. Expertinnen werden über die
Implementierung berichten, die weiteren Konsequenzen aus dem
Universitätsgesetz werden diskutiert und vorgestellt. Vizerektorin Moser von
der Uni Wien hat sich dazu bereits sehr positiv geäußert. Das ist ein weiterer
großer Schritt in der universitären Frauenpolitik.
Meine Damen und
Herren! Ein Vorredner hat gesagt, die Zukunft, die ermöglicht werden solle, sei
politisch nicht wirklich zu bewerkstelligen. Ich halte dem einen Ausspruch von
Marie von Ebner-Eschenbach entgegen: „Was wir heute tun, entscheidet darüber,
wie die Welt von morgen aussieht.“
Entscheiden und
handeln wir also verantwortungsbewusst, damit Zukunft möglich ist! –
Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 188 |
19.00
Präsident Dr. Heinz Fischer:
Nächste Rednerin
ist Frau Abgeordnete Mandak. – Bitte, Frau Abgeordnete, Sie haben das
Wort.
Und Herr Kollege
Prinzhorn hätte jetzt eigentlich den Vorsitz. (Heiterkeit.)
19.00
Abgeordnete Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Sie haben in der
Regierungserklärung über die Familie gesprochen und dabei Folgendes gesagt:
„Den Familien ist
bewusst ein Schwerpunkt unserer politischen Arbeit gewidmet. Unser größter
Stolz, unsere größte Hoffnung sind die Kinder. Wir müssen daher alles tun, um
ihre Lebenswelt liebevoll und chancenreich zu gestalten. Die Kinder brauchen
Schutz und Unterstützung. 90 Prozent der Jugend sehen in einer intakten
Familie das schönste Lebensziel. – Ich meine, wir haben die Aufgabe, sie
zu diesem Lebensziel zu ermuntern und noch bessere Voraussetzungen dafür zu
schaffen.“ (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den
Vorsitz.)
Herr
Bundeskanzler! Das sind ja sehr schöne Worte – ich glaube, Prosa wurde das
genannt – in einer allfälligen Regierungserklärung. Aber ich kann mir
nicht vorstellen, Herr Bundeskanzler, dass das Ihre Antwort ist auf jene
Probleme und Fragen, vor denen Familien derzeit stehen (Abg. Dr. Jarolim:
O ja!), dass Sie sagen, 90 Prozent der Jugendlichen sehen in einer
intakten Familie das schönste Lebensziel, das wollen Sie unterstützen und ihnen
sagen: Ja, so ist es, macht weiter so!, bis eines Tages ein Knall kommt und sie
in der Realität der Familie erwachen. – Ich weiß nicht, welche Familien
Sie kennen, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen. –
Bundeskanzler Dr. Schüssel: Es gab da eine Umfrage, Frau
Abgeordnete! Das ist aus einer Umfrage zitiert!)
Das ist aus einer
Umfrage zitiert, natürlich! Aber ich sehe es nicht als meinen politischen Auftrag,
hehre Visionen Jugendlicher noch zu bestärken, wenn ich genau weiß, wie die
Realität aussieht. Es ist auch unsere Aufgabe, Herr Bundeskanzler, die
Jugendlichen auf die Wirklichkeit, auf die Realität vorzubereiten (Abg.
Dr. Jarolim: Das ist ja Realität ...!), und diese stellt sich einfach anders
dar. Die Realität sieht nämlich so aus, dass es derzeit in Österreich
40 Scheidungen auf 100 Eheschließungen gibt, und zur Hälfte dieser
Scheidungen kommt es nach weniger als neun Jahren Ehedauer. Es sind jedes
Jahr 19 000 Kinder und Jugendliche, die hievon betroffen sind.
Genau diese Kinder und Jugendlichen brauchen Antworten, sie brauchen Antworten
in der Realität – und nicht eine Bekräftigung von Visionen allein.
Scheidung bedeutet
für diese Kinder, für diese Jugendlichen: Trennung von einem Elternteil; das
bedeutet neue Patchwork-Familien, neue Partnerschaften mit all ihren besonderen
Herausforderungen und auch Problemen. Das heißt, die Erwachsenen, die Kinder
und die Jugendlichen brauchen Beratung, Unterstützung und gesetzliche
Rahmenbedingungen, die auf diese geänderten Lebensbedingungen eingehen, die
diese neuen Formen des Zusammenlebens berücksichtigen. Das ist es, was die
Familien, die Kinder, die Jugendlichen brauchen – und nicht salbungsvolle
Worte, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Jarolim.)
Scheidung bedeutet
leider auch Armut. Es sind 57 000 Menschen in Österreich, die
arbeiten und trotzdem nicht von dem Geld, das sie damit verdienen, leben
können – die „working poor“, wie sie so schön genannt werden. In
Wirklichkeit sind davon 178 000 Menschen im Land betroffen, das sind
nämlich all jene, die mit diesen Menschen in einer Familie leben. Und wer ist
am meisten betroffen? – Das ist nicht schwer zu erraten: Alleinerziehende,
Mehrkinderfamilien und Familien von Migrantinnen und Migranten. Diese
Betroffenen brauchen auch keine schönen Worte, sondern diese Betroffenen
brauchen primär eine Grundsicherung, die ihnen das Überleben ermöglicht, und
zwar auf eine menschengerechte Art und Weise.
Die Betroffenen
brauchen auch entsprechende Kinderbetreuungseinrichtungen (Beifall bei den
Grünen), und zwar deshalb, weil es ihnen sonst nicht möglich sein wird,
voll erwerbstätig zu sein, um nicht von nur 20 Stunden Erwerbstätigkeit
überleben zu müssen. Sie wissen, in solchen Situationen ist das Armutsrisiko
dreimal so hoch wie sonst. – Das wären Antworten, die wir
brauchen!
Sie haben einen sehr schönen Familienbegriff, und Sie betonen immer, wie wichtig Ihnen die Familie ist. Trotzdem gewähren Sie Menschen in Österreich nicht das Recht, mit ihrer Familie zusammenzuleben. Es geht dabei um Migrantinnen und Migranten, die hier leben. Die überwie-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 189 |
gende Mehrzahl sind Migranten: Die Väter leben in
Österreich; die Kinder und die Ehepartnerinnen haben kein Recht, bei ihren
Vätern beziehungsweise Partnern zu sein. Den Familien wird die Familie
verwehrt. – Das tun Sie, die immer die Familie so
hochhalten!
Wir bringen
deshalb folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Mandak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Quotierung der
Familienzusammenführung
Der Nationalrat
wolle beschließen:
Die
Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat spätestens bis 1. April
2003 eine Novelle des Fremdengesetzes vorzulegen, wonach die Quotierung des
Familiennachzugs abgeschafft wird.
*****
Damit sollen
endlich alle Menschen in Österreich dieses Grundrecht auf Leben mit ihrer
eigenen Familie haben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Wittauer: Familienzusammenführung ist
schon lange beschlossen!)
19.06
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag der Abgeordneten Mandak,
Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in
Verhandlung.
Als nächster
Redner gelangt Herr Abgeordneter Lichtenegger zu Wort. – Bitte.
19.06
Abgeordneter Elmar Lichtenegger (Freiheitliche): Herr Präsident!
Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Heute ist mein erster Tag hier im
Plenum, und ich bin schon darauf hingewiesen worden, dass ich eigentlich im
letzten Aufgebot hier stehe. Aber es ist mir schon am ersten Tag klar geworden,
dass es mir lieber ist, in einem letzten Aufgebot zu stehen, das Verantwortung
übernehmen kann, als in einem offensichtlich besten Aufgebot, das keine übernehmen
kann. Daher habe ich durchaus noch Perspektiven! (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Perspektiven sehe
ich auch für den österreichischen Sport – ich bin ja der neue
Sportsprecher unserer Fraktion. Wir sind auch im Regierungsprogramm wieder
vertreten, was mich sehr freut. Der Sport ist längst nicht mehr die schönste
Nebensache der Welt, er ist eine wesentliche Komponente unserer Gesellschaft
geworden. Er hat sich darin etabliert, er umfasst buchstäblich alle Alters- und
Interessengruppen, vom Schul- und Nachwuchssport über den Breitensport, den
Spitzensport, den Behindertensport bis hin zum Seniorensport. Diese Bandbreite
allein sagt mir schon, dass wir gut beraten sind, Geld in den österreichischen
Sport zu investieren. Wir haben im internationalen Vergleich ein relativ
geringes Sportbudget. Dieses Geld sollten wir in Zukunft gerecht, nachhaltig
und transparent einsetzen.
Dass es sinnvoll
ist, in den Sport Geld zu investieren, zeigen mir allein schon folgende Tatsachen.
(Abg. Dr. Lichtenberger: ... Tiefgaragen! – Heiterkeit bei
den Grünen.) Erstens: Österreichische Sportler repräsentieren auch
Österreich und tragen somit auch das Image unseres Landes nach außen. (Beifall
bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Zweitens:
Menschen, die sich sportlich betätigen – und da meine ich nicht nur die
Spitzensportler, sondern alle Sportler –, erreichen meist ein verändertes
Körperbewusstsein. Ich traue mich sogar so weit zu gehen, zu sagen, dass dies
ein großer Schritt in Richtung Vorsorgemedizin ist. Meine Damen und Herren, das
ist sogar fast eine aktive Gesundheitsprävention!
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 190 |
Wir haben uns
einige Aufgaben gestellt, die wir in Angriff zu nehmen haben. Wir müssen die
Effizienz der Dachverbände überprüfen und schauen, ob das Geld in den
Fachverbänden im Sinne des Sportes nicht sinnvoller verwendet werden kann.
Mich stört auch
der Begriff „Randsportart“. Das ist ein Begriff, der durch die Medien kreiert
worden ist. „Randsportart“ heißt nicht Sportart, die weniger ausgeübt wird,
sondern „Randsportart“ ist von den Medien definiert als: weniger in den Medien
vertreten. Ich hoffe, es wird in Zukunft eine Angleichung der Sendezeit im ORF
geben, sodass alle Sportarten präsent sind. Das fördert sicherlich auch die
Wirtschaft, dann haben wir mehr Sponsoren, die Interesse daran haben, sich im
österreichischen Sport niederzulassen. Das wird auch den Finanzminister wieder
etwas erfreuen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Einen letzten Satz
noch: Wir denken auch über das Profisportgesetz nach, einen sehr wichtigen
Schritt mehr oder weniger in Richtung einer – unter
Anführungszeichen – „Sozialhilfe“ für den österreichischen
Spitzensportler, und ebenfalls über einen Schulsportverband, der ein Bindeglied
zwischen Schulsport, Fachverband und Verein sein soll, sodass uns in Zukunft
viele junge Talente im Sport in Österreich erhalten bleiben. – Danke
schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)
19.09
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Niederwieser. –
Bitte.
19.10
Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der
Regierungsbank! Hohes Haus! Wir sind jetzt bei diesem Konglomerat aus Sport,
Bildung, Wissenschaft und Familie – ein durchaus spannendes Thema. Zu
meinem Vorredner nur eine kurze Bemerkung: Kollege Lichtenegger, Sie sind als
Sportsprecher der FPÖ im Verhältnis zu Ihrem Vorgänger sicherlich ein Gewinn.
Aber hüten Sie sich vor Tiefgaragen! (Heiterkeit
und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Wie schon Alfred
Gusenbauer und viele andere Vorrednerinnen und Vorredner aus meiner Fraktion
kann ich feststellen: Dieses Programm aus Überschriften und Inhalt enthält
durchaus einige interessante Positionen im Bildungsbereich. Ich möchte sie im
Folgenden erwähnen.
Bundeskanzler
Schüssel hat in seiner Regierungserklärung festgehalten – das steht
interessanterweise nicht im Regierungsprogramm drinnen –, es sei ein Ziel,
dass alle Kinder nach der Volksschule gut lesen können sollten. (Abg.
Dr. Jarolim: Ambitioniert!) – Das ist ein ganz wichtiges
Ziel, das möchte ich hier ausdrücklich feststellen! Das sagt uns auch die
PISA-Studie. Wenn das gelingt, dann stehen wir nicht an, das auch zu
respektieren.
Die internationale
Vergleichbarkeit der Abschlüsse, Qualitätssicherung, Finanzierungsmodelle in
der Erwachsenenbildung, ähnlich unserem SP-Modell der Bildungsprämie – das
kann sicher eine interessante Diskussion ergeben.
Wenn wir aber das
Kapitel Bildung anschauen, dann müssen wir eigentlich weiter hinten beginnen,
nämlich ganz am Schluss, wo die wirklich interessanten Dinge zur Bildung
drinstehen. Da lesen wir auf Seite 38 im Finanzkapitel: „Stärkere
Gebührenfinanzierung“.
„Stärkere
Gebührenfinanzierung“ – was verbirgt sich dahinter? Sollen in Zukunft
Schulen und Universitäten mehr kosten? Bundeskanzler Schüssel hat gemeint,
7 Prozent seien nicht viel. Wollen Sie damit die Akademikerquote steigern?
Wollen Sie damit ein kürzeres Studium erreichen? – Wir glauben, dass das
auf diesem Weg nicht möglich ist.
Etwas weiter vorne
schreiben Sie unter dem Punkt „Verwaltungsreform“: „Einsparung von
10 000 Dienstposten ... Im Unterrichtsbereich: Kompensieren des
Struktureffekts“.
Was heißt „Kompensieren des Struktureffekts“? – Das heißt, dass dort rund 150 Millionen €, also mehr als 10 Prozent dieses Einsparungskapitels, von der Bildung aufgebracht werden
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 191 |
sollten. Zu allem
Überdruss wird das noch unter dem Kapitel Entlastung verkauft, und die Schulen
sollen sich autonom überlegen, wo sie ihren Beitrag zum Sparprogramm
leisten. – Auch das ist eine Flucht aus der Verantwortung, die einige
Punkte in diesem Regierungsprogramm kennzeichnet.
Bleiben wir
weiterhin beim Sparprogramm: Frau Ministerin, im Regierungsprogramm steht auch
drinnen, dass Sie die „Bildungsbauoffensive fortführen“ wollen. Das ist, mit
Verlaub, eine gefährliche Drohung, denn die letzte Bildungsbauoffensive gab es
noch unter der SPÖ-Regierung. In den letzten drei Jahren hingegen wurden nur
noch Projekte fertig gestellt, es wurden neue geprüft, für eine Bauoffensive
hervorgeholt und wieder schubladisiert, aber wirklich gebaut im Sinne einer
Bauoffensive wurde nichts. Auf eine solche Bauoffensive können wir wirklich
verzichten!
Den Punkt
„Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für pädagogische Hochschulen“ habe ich
mit Interesse gelesen. Wir haben schon immer vermutet, dass die Volkspartei die
Zeit der großen Koalition aus dem Gedächtnis gestrichen hat, denn da lese ich:
25. Juni 1999, Bundesgesetz über die Studien an Akademien und über die
Schaffung von Hochschulen für pädagogische Berufe. – Diese gesetzlichen
Grundlagen gibt es bereits, Frau Ministerin! (Zwischenbemerkung von
Bundesministerin Gehrer.) Das steht so im Regierungsprogramm, ich
kann es nicht ändern.
Ein letzter Punkt,
den ich in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, nur kursorisch ansprechen
möchte: Barrierefreiheit im Jahr der Menschen mit Behinderung. – Wir sagen
ja zum Modell der Sozialpartner, das erwähnt wurde, wir sagen nein zu einer
Forcierung der Sonderschulen. Wir wollen im Gegenteil, dass die Bemühungen um
eine Integration behinderter Kinder in der Schule fortgesetzt werden, dass das
leidige Problem, was nach der achten Klasse passiert, endlich gelöst wird und
dass nicht weiterhin Behinderten der Zugang zur Bildung verweigert wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
In diesem Punkt
ist eine Chance vertan worden. Er wird ein Prüfstein dafür sein, ob Sie Ihren
Worten auch Taten folgen lassen und ob Sie bereit sind, den Stillstand im
Bildungsbereich aufzulösen. (Beifall bei
der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
19.14
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Keuschnigg zu
Wort. – Bitte.
19.15
Abgeordneter Georg Keuschnigg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident!
Geschätzte Vertreter der Bundesregierung! Hohes Haus! Es ist heute der Dank an
den langjährigen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Willi Molterer
schon angebracht worden. Ich möchte aus diesem Grund einmal die Frage stellen:
Was war dran an dieser Ära Molterer, dass die Vertreter der Land- und
Forstwirtschaft und des ländlichen Raumes so ehrlich und uneingeschränkt diesen
Dank anbringen möchten?
Ich glaube, es
waren im Wesentlichen drei Dinge: Es war die Konsequenz der Arbeit, es war der
totale Einsatz, verbunden mit dem Gespür für das Pragmatische, für das
Machbare. Willi Molterer war ein unermüdlicher Motor beim Aufspüren neuer
Chancen, bei der Ökologisierung des Sektors und in allen Fragen der Bildung,
der Innovation und des Unternehmertums. (Abg. Eder: Er ist da! Immer
noch! Er macht das immer noch!) – Er ist heute Klubobmann, wir reden
von seiner Ära als Landwirtschaftsminister. – Wir haben heute eine
stärkere, eine wettbewerbsorientiertere, eine ökologischere und eine
unternehmerische Landwirtschaft. Dafür möchten wir unserem langjährigen
Minister und nunmehrigen Klubobmann sehr herzlich danken! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Für die Zukunft
ist es unsere Herausforderung, eine starke, zukunftsfähige Politik für den ländlichen
Raum zu formulieren und umzusetzen, nicht als Gegensatz zu den
Ballungsgebieten, sondern in einem sinnvollen Miteinander. Ich freue mich, dass
in diesem Regierungspaktum zentrale Punkte für den ländlichen Raum enthalten
sind.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 192 |
Da ist zunächst
einmal das Agrarkapitel zu nennen, das eine offensive Weiterentwicklung des
Sektors ermöglicht. Weiters ist der Biomassebereich zu erwähnen, dort
entwickelt sich wirklich ein schlagkräftiger Sektor. Wir haben heute schon
Hunderte Anlagen im Lande stehen, wir verfügen über ausgereifte Techniken, und
es werden immer größere und ehrgeizigere Projekte umgesetzt. Diese Politik ist
mit Nachdruck weiterzuführen, das ist eine aktive Umweltpolitik, verbunden mit
einer aktiven Wirtschaftspolitik. Diese Politik schafft Arbeitsplätze auf dem
Land, sie schafft Wertschöpfung, sie schafft ökologischen und wirtschaftlichen
Nutzen.
Ein Wort noch zum
dritten strukturellen Punkt – das ist der Finanzausgleich –, und zwar
zum aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssel. Frau Moser, es ist mir
eigentlich egal, ob es sich „aufgabenorientierter Bevölkerungsschlüssel“ oder
„Verteilungsschlüssel“ nennt. Wichtig ist, dass den ländlichen Gemeinden, den
ländlichen Räumen Gerechtigkeit zuteil wird. Da werden wir, wenn die notwendigen
Gesetze zu debattieren sind, alle miteinander hier zu tun haben, damit wir eine
konstruktive Politik zustande bringen. (Beifall
bei der ÖVP.)
19.18
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Sburny zu Wort. –
Bitte.
19.18
Abgeordnete Michaela Sburny (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Hohes Haus! Während der wenigen Wochen, die ich dem Nationalrat
nunmehr angehöre, habe ich von Seiten der ÖVP mehrere Male den Appell an die
Opposition gehört, konstruktiv zu sein und nicht zu polarisieren – sie
trifft damit Feststellungen darüber, woran wir wie Kritik üben dürfen, was
konstruktiv ist und was nicht. Gegipfelt hat das heute in der Bemerkung des
Herrn Klubobmanns Molterer, dass es für das Ansehen des Parlaments gut und
wichtig sei, dass das Gemeinsame über das Trennende gestellt wird. (Abg.
Mag. Molterer: Ja!) Dabei übersehen Sie, meine Damen und Herren
von der ÖVP, dass es aus gutem Grund verschiedene Parteien gibt, weil es
nämlich in der Bevölkerung verschiedene Interessen gibt. Diese Interessen haben
wir hier zu vertreten, und das tun wir auch! (Beifall bei den Grünen. – Abg.
Mag. Molterer: Wir auch!)
Sie haben schon in der letzten Regierung versucht (Abg. Mag. Molterer:
Sie haben nur kein Interessenmonopol, gnädige Frau!), „Österreich“ mit
„Regierung“, nämlich mit Ihrer Regierung, gleichzusetzen. Mir ist noch der
Begriff des „Schulterschlusses“ in äußerst unangenehmer Erinnerung. Mit diesem
Begriff des Schulterschlusses – ein militärischer Begriff, soweit mir
bekannt ist, das ist auch kein Zufall – haben Sie damals versucht, die
Opposition zur Übernahme der Interessen der Regierung zu zwingen. Sie versuchen
es heuer wieder – etwas dezenter, aber trotzdem – mit Ihrer Kritik,
dass wir nicht konstruktiv seien. Das heißt, Sie versuchen zu suggerieren: Die
Opposition darf nicht kritisieren, weil sie nicht konstruktiv ist.
Sie beklagen also, ein wenig beleidigt und belehrend, den Ton und die
Art der Kritik, gehen aber auf die Argumente nicht ein, Sie setzen sich mit den
Argumenten inhaltlich nicht auseinander. Sie sind zum Beispiel im Hinblick auf
die so genannte Pensionsreform inhaltlich überhaupt nicht darauf eingegangen,
dass diese Veränderungen dramatische Verschlechterungen mit sich bringen
werden, die vor allem die Frauen treffen werden, und dass die Schere zwischen
Frauen- und Männerpensionen weiter auseinander gehen wird. Allein Frau
Abgeordnete Rosenkranz hat zugestanden, dass diese Verschlechterung der
Situation eine Tatsache ist. Seitens der ÖVP gibt es hingegen wilde
Entgegnungen, aber kein sachliches Eingehen darauf. (Beifall bei den
Grünen.)
Ich würde es sehr konstruktiv – nämlich auf Seiten der
Regierung – finden, wenn Sie, meine Damen und Herren von den
Regierungsfraktionen, zu dieser Sache einmal etwas sagen würden. Ansonsten
könnte man nämlich auf die Idee kommen, dass Sie sich entweder nichts dazu
überlegt haben oder das bewusst in Kauf nehmen. (Beifall bei den Grünen.)
Ich finde es im Gegensatz zu Ihnen äußerst konstruktiv und auch notwendig, diese Punkte aufzuzeigen und zu thematisieren. Das ist unter anderem eine wichtige Aufgabe der Opposition,
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 193 |
und wir werden Ihnen, meine Damen
und Herren von den Regierungsfraktionen, die Definitionsmacht darüber, was
konstruktiv ist, ganz sicher nicht überlassen! (Beifall bei den Grünen.)
19.21
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Neudeck. – Bitte.
19.22
Abgeordneter
Detlev Neudeck (Freiheitliche): Herr Präsident!
Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Regierungsmitglieder! Bei der
heutigen Debatte frage ich mich: Was hätten die Kolleginnen und Kollegen von
Rot und von Grün gesagt, hätten sie doch Regierungsverantwortung übernommen?
Wenn ich mir die Verhandlungsergebnisse und das, was aus den Verhandlungen in
die Öffentlichkeit gedrungen ist, in Erinnerung rufe, so muss ich sagen: Sie
waren in diesen Verhandlungen eigentlich in den meisten Punkten einer Meinung
mit dem präsumtiven Regierungspartner. War es damals die Aussicht auf Minister-
und Staatssekretärposten? Seitdem Ihnen diese Aussicht verwehrt ist, bleibt
anscheinend nur mehr die Kritik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Sie machen dort
weiter, wo Sie vor der Wahl aufgehört haben: beim Verbreiten von Unwahrheiten
und beim Schüren von Angst in der Bevölkerung. Als es darum ging, wirklich
Verantwortung zu übernehmen, waren Sie es, die sich für die leichtere Aufgabe,
nämlich für die der Opposition entschieden haben. In Abänderung Ihres Inserates
in der morgigen Ausgabe der „Kronen Zeitung“ kann man Ihnen nur eines sagen:
Ist die Regierungsbeteiligung einmal ruiniert, opponiert es sich gänzlich
ungeniert! – Ein bisschen Wehmut höre ich immer wieder durch, denn Sie
hätten ganz gerne Ministerämter gehabt und Österreich umgefärbt. Das hätte
Ihnen schon gefallen.
Was wäre dann Ihr
Programm gewesen? – Parteibuchwirtschaft, politischer Stillstand und hohe
Budgetdefizite. Dem Kollegen Gusenbauer, der moniert, warum nicht in der
letzten Legislaturperiode durch Blau-Schwarz schon alles gemacht wurde, sei gesagt:
Auch wir Freiheitliche schaffen es nicht, in nur drei Jahren ein Chaos
aufzuräumen, das Sie nach 30 Jahren hinterlassen haben. (Beifall bei
den Freiheitlichen.)
Aber wir sind auf
dem besten Weg dazu: Die Regierungsarbeit der letzten Jahre hat mehr an
Ergebnissen vorzuweisen, als dreizehn Jahre Rot-Schwarz das können. Genau diese
Regierungsarbeit und unsere Reformen wurden von den Wählern bestätigt. Was
nicht goutiert wurde, das waren unsere Interna. Aber auch wenn Sie es nicht
gerne hören, meine Damen und Herren: Wir haben aus unseren Fehlern gelernt und
werden sie nicht wiederholen!
Vielleicht wäre
auch in der Opposition etwas Ehrlichkeit angebracht – Ehrlichkeit, die
Kollegin Petrovic in einem Interview an den Tag gelegt hat, als sie sagte, sie
habe in den Regierungsverhandlungen viel gelernt, denn plötzlich musste sie
bei jeder Forderung überlegen: Was würde das kosten, ist das
finanzierbar? – Warum haben Sie das wieder so schnell verlernt, Frau
Kollegin Petrovic?
Genau das ist der
Punkt: Oppositionen können fordern, ohne etwas umsetzen zu müssen. Regierungen
müssen gestalten und reformieren und dabei mit den finanziellen Möglichkeiten
auskommen. Wir werden weiterhin verantwortungsvolle Politik für Österreich
machen, gestalten und reformieren. Das ist unser Ziel! (Beifall
bei den Freiheitlichen.)
19.25
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gradwohl. – Bitte.
19.25
Abgeordneter Heinz Gradwohl (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Kollege Neudeck, es mag schon sein, dass das Ihr Ziel ist, aber auf dem Weg zur Umsetzung von Modernisierung sind Sie irgendwann einmal
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 194 |
stecken geblieben, und das vor
ungefähr drei Jahren. Das ist das Problem, Herr Kollege Neudeck!
Wenn man sich anschaut, was in den letzten sechs Monaten passiert ist,
dann sieht man: Das ist an Stillstand ja nicht mehr zu überbieten! Es hat einen
Haufen Geld gekostet, aber es hat sich nichts mehr bewegt – dank der
„Modernisierungstechnologien“ der Freiheitlichen Partei Österreichs. (Beifall
bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich, wie es mir in
meiner Funktion in diesem Hohen Haus geziemt, nun mit einem anderen Thema
beschäftigen, nämlich mit dem der Landwirtschaft, und ich schicke Folgendes
voraus, Herr Bundesminister: Auch für Sie gilt dasselbe wie für Ihren
Vorgänger, der jetzt als Klubobmann hier im Hohen Hause sitzt: Seitens meiner
Fraktion besteht das Angebot zur konstruktiven Zusammenarbeit! Dies aber nicht –
und da bin ich der gleichen Ansicht wie Kollegin Sburny – unter der
Devise, die bei Ihnen in den letzten drei Jahren landläufig praktiziert wurde:
Die Einladungen sind vorhanden, Gespräche finden einmal statt,
dort wird man jedoch dann aufgefordert, zuzustimmen oder wieder zu gehen. Ich
hoffe, dass sich dieser Stil ändern wird und wir in Zukunft tatsächlich
konstruktive Zusammenarbeit im Sinne der österreichischen Landwirtschaft und im
Sinne der österreichischen Bäuerinnen und Bauern und der ländlichen
Bevölkerung werden erreichen können.
Aber damit das auch wirklich geschieht, Herr Bundesminister und vor
allem auch Herr Präsident des Bauernbundes, wäre es notwendig, so glaube ich,
dass sich einige österreichische Agrarvertreter mit dem Agrarkommissar
Fischler auf ein Seminar begeben, um zu lernen, was es bedeutet,
zukunftsorientiert und weltweit betrachtet, am gemeinsamen Markt orientiert
Agrarpolitik zu betreiben.
Ich rufe jene „Pressestunde“ mit Agrarkommissar Fischler in Erinnerung,
bei der zum Ausdruck kam, dass er eigentlich etwas übernommen hat, was Ihnen
allen, meine Damen und Herren, die Sie schon länger im Hohen Hause sind, aber
vor allem allen Bäuerinnen und Bauern als eine Position der SPÖ bekannt ist,
nämlich, dass man in der Agrarpolitik den Menschen in den Mittelpunkt zu
stellen hat. Das Gleiche hat Kommissar Fischler etwas deftiger am vergangenen
Sonntag zum Ausdruck gebracht, indem er sagte: Wir wollen die Bauern
unterstützen und nicht die Rindviecher fördern! – Genau darum
geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Herr Bundesminister! Sie sind eingeladen, in Zukunft entgegen dem, was
im Regierungsprogramm steht – denn da steht nicht wirklich besonders viel
an konkreten Umsetzungsmaßnahmen drinnen –, und entgegen dem, was landläufig
bisher in der „Presse“ zu lesen war, eine tatsächliche Veränderung
durchzuführen. Die Situation, die wir jetzt haben, nämlich dass 80 Prozent
der Fördermittel an 20 Prozent der Bauern gehen, muss verändert werden.
Wenn der Herr Bundeskanzler in seiner Rede heute im Zusammenhang mit
Zukunft und Nachhaltigkeit von Gerechtigkeit gesprochen hat, so muss ich
sagen: Das ist einer der Punkte, wo es gilt, Gerechtigkeit walten zu lassen,
und diesen müssen wir umsetzen, wenn es uns tatsächlich um die Zukunft der
Landwirtschaft geht – und, meine Damen und Herren, es geht ja um deren
Zukunft!
In der Regierungserklärung wurde gesagt, was die Zukunft braucht –
die Zukunft braucht Verantwortung, aktive Europapolitik, Sicherheit, sichere
Arbeitsplätze und so weiter und so fort –, denn bisher, mit der alten und
nunmehr neuen Bundesregierung, hatte die Zukunft das nicht. Ich hoffe, Sie
werden die Flucht aus der Verantwortung, die Sie bisher betrieben haben und
laut Regierungsprogramm weiter betreiben wollen, nicht wirklich fortsetzen,
sondern gemeinsam mit einer konstruktiven Opposition hier im Hohen Haus
tatsächlich für die Zukunft Österreichs arbeiten, damit Österreich Zukunft hat.
(Beifall bei der SPÖ.)
19.29
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Fuhrmann. – Bitte.
19.29
Abgeordnete Silvia Fuhrmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Der Jugend gehört die Zukunft“: Diesen Satz haben wir sehr oft gehört.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 195 |
Dieser Satz wurde auch sehr
oft gesagt, aber leider ist es eine der traurigen Wahrheiten in der Politik,
dass die Zukunft noch sehr weit weg ist. Ein zweiter Punkt ist, dass die Jugend
gemessen an der Gesamtbevölkerung und auf Grund der demographischen Entwicklung
einen eher geringen Teil der Bevölkerung ausmacht und dementsprechend auch die
politische Mitsprache der Jugend eine geringere ist.
Drittens hat die
Politik leider auch oft dazu geneigt, jugendpolitische Anliegen auf die lange
Bank zu schieben. Abgeordnete Mandak hat vorhin hier gemeint, wir müssen der
Jugend die Realität erklären. Dazu muss ich sagen: Ich bin wirklich sehr froh,
dass es zwei Minister gibt, die in den Dreißigern sind, und dass es auch sehr
junge Abgeordnete in diesem Hohen Haus gibt, denn somit können wir davon
ausgehen, dass wirklich dafür Sorge getragen wird, dass jugendpolitische
Anliegen wahrgenommen werden, und zwar von jungen Menschen – zu denen die
etwas über 30-Jährigen noch dazuzählen.
(Beifall bei der ÖVP.)
Es ist der Bundesregierung
hoch anzurechnen, dass sie heute ein Regierungsprogramm vorgelegt hat, in
welchem man sich wirklich um die vorgeschlagenen Reformen gerade in puncto
Zukunft, gerade in puncto Jugend bemüht.
Pensionsreform,
Gesundheitsreform, Steuerreform, Bundesstaatsreform, Bildungsreform – im
Kern geht es immer um das Gleiche: Auf der einen Seite stehen zu große
Ansprüche, und auf der anderen Seite stehen leere Kassen. Was nützt eine
Reformpartnerschaft, wenn Probleme, die anstehen, nicht gelöst werden können? Was
nützt eine Reformpartnerschaft, wenn Interessen von älteren Menschen
berechtigterweise Interessen von jungen Menschen gegenüberstehen und da keine
Lösung gefunden werden kann?
Es gibt einige
wichtige Eckpunkte im Regierungsprogramm, die gerade für die Jugend wichtige
Auswirkungen haben: Steuerreform, Entlastung niedriger Einkommen. Letzteres ist
ein wichtiger Punkt, denn gerade die jungen Menschen sind es, die mit niedrigen
Einkommen beginnen müssen, denn Österreich huldigt nach wie vor dem Senioritätsprinzip.
Aber ich bin sehr froh, dass wir im Landesdienst von Oberösterreich, Vorarlberg
und der Steiermark da einen Schritt nach vorne getan haben, um dem Erfordernis
einer Umverteilung der Lebensverdienstsumme beziehungsweise einer Abflachung
der Einkommenskurve nachzukommen. Auch zu begrüßen ist, was bereits
festgehalten wurde, nämlich dass im Bildungsbereich dieses Modell für Lehrer
angedacht wurde.
Ich kann natürlich
nicht auf alles eingehen, es gibt viele Dinge – angefangen vom Präsenzdienst,
der attraktiviert werden soll, bis hin zu den zahlreichen Maßnahmen im
Pensionssystem und im Bildungsbereich, die notwendig sind –, im Hinblick
auf die ich im Sinne der Jugend einfach nur sagen kann: Die
Reformpartnerschaft, die jetzt eingegangen worden ist, ist eine, die nicht vor
den Problemen zurückscheut, die die Wahrheit auch auf den Tisch legt und die
vor allem keine Maßnahmen ergreift, durch die meiner Generation noch weitere
Probleme aufoktroyiert werden. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)
19.33
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Dipl.-Ing. Achleitner. – Bitte.
19.33
Abgeordnete Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Hohes
Haus! Ein neues Regierungsprogramm, eine neue Bundesregierung verlockt die
Opposition offensichtlich zu falschen Interpretationen. Die letzten Tage und
insbesondere die letzten Stunden habe ich mit großem Erstaunen verfolgt.
Als neue
Frauensprecherin der Freiheitlichen möchte ich jetzt auf die ungerechtfertigte
Kritik an unserer Frauenpolitik eingehen. Obwohl Rot und Grün immer anderes
behaupten, setzen wir Freiheitlichen uns für eine fortschrittliche
Frauenpolitik ein. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Wir arbeiten nicht
mit teuren Kampagnen, wie uns dies von roten Frauenministerinnen in Erinnerung
ist, sondern wir arbeiten mit Inhalten!
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 196 |
Wir Freiheitlichen
setzen uns für ein partnerschaftliches Lebensmodell ein, wir setzen uns für
vollständige Gleichberechtigung und Gleichrangigkeit von Männern und Frauen ein
und arbeiten für ein Modell der Chancengleichheit. Dass dazu viele kleine
Schritte notwendig sind, das wissen Sie.
Unsere
Frauenpolitik basiert auf Wahlfreiheit und Selbstentscheidung. Wir teilen die
Frauen nicht in Kategorien ein, uns sind alle Frauen wichtig. Es waren die
Freiheitlichen, die der Diskriminierung von Hausfrauen und Müttern endlich ein
Ende gesetzt haben. (Beifall bei den
Freiheitlichen.)
Es gibt natürlich
noch viel zu tun, um die Kombination von Familie und Berufsleben für Frauen zu
vereinfachen. Wichtig ist, dass dabei keine Maßnahmen getroffen werden, die zum
Bumerang für uns Frauen werden, die für uns Frauen zu Nachteilen speziell am
Arbeitsmarkt führen und unsere Chancen am Arbeitsmarkt verringern. Wichtig ist
für uns ein moderner Lösungsansatz für flexible Arbeitszeitmodelle, und das
kann nur dann funktionieren, wenn wir die unterschiedlichen Bedürfnisse von
Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen auf der einen Seite und von Unternehmen auf
der anderen Seite berücksichtigen, sodass auf beiden Seiten eine
Win-win-Situation entsteht. Vollzeitmodelle müssen möglich sein, damit auch für
Frauen in Führungspositionen, aber auch für Väter die Kinderbetreuung
interessant wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Uns ist es
wichtig, Frauen zu schützen und die Frauenarmut zu bekämpfen. Daher war es auch
ein großes Anliegen von uns, dass die Einführung des 1 000-€-Mindestlohnes
in das Regierungsprogramm aufgenommen wird, was wir auch erfolgreich
durchgesetzt haben. Dies ist ein großer Schritt und ein wichtiger Beitrag zur
Bekämpfung der Frauenarmut.
Ich denke, verehrte
Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und Grünen, es wäre sinnvoller, konstruktiv
zusammenzuarbeiten und nicht nur haltlose Kritik gebetsmühlenartig zu
wiederholen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Sie, verehrte
Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und Grünen, haben sich weiterhin für Opposition
entschieden und verantwortungsvolle und gestaltende Arbeit für Österreich
abgelehnt. Wir Freiheitlichen scheuen diese Verantwortung nicht und werden
weiterhin konstruktive Reformarbeit nicht nur für Frauen, sondern für alle
Menschen in Österreich leisten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
19.37
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Muttonen zu
Wort. – Bitte.
19.37
Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Vor einigen Tagen
stand zu lesen: „Die neue Kulturpolitik ist die alte“. – Dieser Satz
stammt nicht etwa aus einer linken Publikation, sondern aus einem
Kulturleitartikel der „Presse“ vom letzten Samstag, und er reiht sich nahtlos
in die Liste der negativen Reaktionen auf die Regierungsbildung ein.
Schwarz-Blau wird also dem Kunst- und Kulturbereich wenig Innovatives bringen. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär
Mag. Schweitzer.)
Herr Schweitzer! (Staatssekretär Mag. Schweitzer
bricht den Zwischenruf ab.) – Danke! Sie sind es noch nicht gewohnt,
gelt? (Staatssekretär Mag. Schweitzer:
Ja! – Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)
Ich wiederhole:
Schwarz-Blau wird dem Kunst- und Kulturbereich wenig Innovatives bringen. Es
gibt jetzt 12 Punkte statt der vorhergehenden 17, geprägt von eher
schwammigen, inhaltsleeren Überschriften und wenig aussagekräftigen
Schlagwörtern. Teilweise finden sich darin Forderungen und
Absichtserklärungen, die bereits in der Regierung Schüssel I zu finden
waren, zum Beispiel steuerliche Maßnahmen zur Belebung des Kunstmarktes oder
die Mehrjährigkeit der Förderverträge.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 197 |
Fortgeführt wird
auch die Musealisierung der österreichischen Kunst und Kultur – ein
Bereich, der in der letzten Gesetzgebungsperiode durchaus budgetäre Zuwächse
erfahren hat.
Aber es gibt, meine Damen und Herren, kein einziges Wort zum Thema
„soziale Situation der Kunstschaffenden“. Offensichtlich besteht für das
konservative Kulturverständnis Kunst und Kultur hauptsächlich aus Denkmälern
und Gebäuden. Das bestätigte auch der für Kunst und Kultur zuständige
Bundeskanzler Schüssel, als er heute in seiner Regierungserklärung in sehr
knappen Worten von einer „finanziell großzügig dotierten ‚Nationalstiftung
Österreich‘“ sprach und
sagte: Damit „sichern wir künftig den Erhalt historisch bedeutender Gebäude und
Denkmäler“, aber das Innovative, das Neue, das Kreative, das Zeitgenössische
eigentlich überhaupt nicht erwähnte.
Der Faktor „Mensch“, konkret die Arbeits- und Existenzbedingungen der
Künstler und Künstlerinnen finden darin keine Erwähnung. Mit keiner Silbe wird
die Künstlersozialversicherung angesprochen, und zwar eine solche, die diesen
Namen auch verdient.
Es ist keine Rede davon, dass eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen
von Künstlern und Künstlerinnen, von WissensarbeiterInnen ein Modell für die
Arbeitswelt von morgen sein könnte.
Keine Rede ist von der Anpassung der steuerlichen Regelungen an die
Eigenheiten künstlerischer Berufe und auch keine Rede von den Nachbesserungen
des österreichischen Urheberrechtes.
Meine Damen und Herren! Es steht außer Frage, dass eine ausreichende
Dotierung der Bundesmuseen und der Bundestheater wichtig ist, aber wir
dürfen – und das gerade in Zeiten von knappen Budgets – die Gleichwertigkeit
der anderen Kulturbereiche nicht aus den Augen verlieren. Meine Damen und
Herren von der Bundesregierung! Genau das befürchte ich: dass Sie noch weniger
Mittel für diese anderen Kulturbereiche, für die Bereiche zeitgenössischer
Kunst und Kultur, für die zahlreichen Kulturinitiativen zur Verfügung stellen
werden.
Ganz interessant finde ich, dass am Anfang des Kulturteiles im
Regierungsprogramm die Absicht kundgetan wird, die zeitgenössische Kunst
verstärkt zu fördern. Das finde ich deshalb so interessant, weil im vorigen
Regierungsabkommen der Begriff „zeitgenössische Kunst“ nicht einmal erwähnt
wurde. Die Förderung der zeitgenössischen Kunst jetzt als oberste Priorität an
die Spitze Ihres Maßnahmenkataloges zu setzen, halte ich geradezu für
provokant, weil Sie genau dort den Sparstift besonders angesetzt
hatten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister
Dr. Bartenstein.)
Herr Staatssekretär! Sie werden nicht müde, zu sagen, dass das
Kulturbudget erhöht worden ist. – Das stimmt nicht. Das Budget ist gesenkt
worden. Es hat wohl eine kleine Erhöhung gegeben, aber diese wurde
hauptsächlich in Prestigeobjekte wie zum Beispiel den Umbau des Kleinen
Festspielhauses oder in den Wiener Musikverein investiert. Gespart wurde –
wie schon gesagt – beim Innovativen.
Zusätzlich hat der Finanzminister ein Budgetprovisorium für 2003
angekündigt, das ein Minus von 5 Prozent für die Ermessensausgaben
vorsieht. Ich hoffe, Sie werden sich da für die Kunstschaffenden und für das
Kunstbudget entsprechend einsetzen.
Von „kultureller Grundversorgung“ kann man bei Schwarz-Blau nicht mehr
sprechen, eher von einer „Notversorgung“. Meine Damen und Herren! Ich bin in
Sorge, dass die konservative Kulturpolitik eine Verödung der österreichischen
Kulturlandschaft zu verantworten haben wird. – Danke schön. (Beifall
bei der SPÖ und den Grünen.)
19.43
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Großruck. – Bitte.
19.43
Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser Herr
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 198 |
Bundeskanzler hat heute ein umfangreiches
und für mich und für alle anderen beeindruckendes Regierungsprogramm vorgelegt (Abg.
Eder: Sind Sie beeindruckt?), und
die Opposition hat zu Recht – das ist auch ihre Pflicht – darüber zu
diskutieren und auch dagegen zu sein.
Nur, was ich nicht
verstehe: Sie haben die Rezepte
kritisiert und nicht das Programm.
Und die Rezepte, meine Damen und Herren, die müssen wir hier in dieser Legislaturperiode ausarbeiten, ausfeilen
und dann zu Gesetzeswerken machen. Aber über das Programm, also über die Frage,
was in Österreich gelöst gehört, sind wir uns ja, glaube ich, einig. Darüber
gibt es, glaube ich, Einigkeit im gesamten Hohen Haus.
Ich darf daran
erinnern, welche Probleme zu lösen sind: die Herausforderung im internationalen
Wettbewerb, die Veränderung der Lebenswelten, die Schaffung einer
Generationengerechtigkeit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die
Solidarität zwischen Jung und Alt, die Sicherung unserer hervorragenden
Pensions- und Gesundheitsvorsorge, verstärkte Forschung und Entwicklung, um
auch nachhaltig Umweltschutz zu garantieren, aktive Europapolitik, vernünftige
Sicherheitspolitik für Europa und für Österreich, Anpassung der Verwaltung an
die Veränderung, sichere Arbeitsplätze, Hilfe für die Schwächsten, Förderung
der Talente, Entlastung der Betriebe und Steuerzahler. – Grundlage dafür
sind solide Staatsfinanzen.
Meine Damen und
Herren! Das war im Eilzugstempo der Inhalt der Regierungserklärung beziehungsweise
des Programms der Regierung. Ich glaube, wir stimmen doch alle darin überein,
dass die Lösung dieser Probleme eine Herausforderung ist, die bewältigt werden
muss.
Es gibt ja sehr
gute Beispiele, die zeigen, dass Österreich dafür gelobt wird. Sie haben es
wahrscheinlich gestern im „Standard“, in der „Presse“, in den
„Oberösterreichischen Nachrichten“ und so weiter gelesen. Es hat sich der
bekannte deutsche Wissenschaftler und Wirtschaftsforscher Bert Rürup zu Wort
gemeldet. – Sie haben es bestimmt verfolgt, ich habe das Zitat von Ihnen
heute allerdings nicht gehört. Das ist schon verständlich, weil er nämlich die
Reformwilligkeit der österreichischen Bundesregierung ganz außerordentlich
gelobt hat.
Er sagt, die
österreichische Bundesregierung sei bei ihren Pensionsreformplänen „auf einem
guten Weg. Die Chancen seien in dieser Regierungskonstellation besser als 1997,
als Rürup selbst in einer Pensionsreformkommission in Österreich saß“. –
Hören Sie zu, meine Herren Gewerkschafter!
„Damals hätten die
Gewerkschafter weitergehende Reformen verhindert. Die Bremse sei jetzt weg, so
Rürup. Richtig sei, dass die Regierung versuche, die Frühpensionen einzudämmen.
Auch die Abfertigung neu sei ein Schritt in die richtige Richtung.“ – So
Rürup. (Abg. Eder: Er lebt aber
in Deutschland! Er lebt nicht in Österreich!)
Meine Damen und
Herren! Ich lese Ihnen jetzt noch vor – wir sehen ja am Beispiel
Deutschland, was Rot-Grün macht –, was der ehemalige
SPD-Regierungssprecher Klaus Bölling, ein Sozialdemokrat, zur derzeitigen
Politik des Gerhard Schröder sagt:
„Wenn Gerhard
Schröder in der Reihe der sozialdemokratischen Bundeskanzler nicht als Fußnote
verschwinden will, muß er sich von heute an als Reformer ohne Furcht und Tadel
beweisen.“ – Zitatende.
Wahrscheinlich hat
er Anleihe bei unserem Bundeskanzler genommen, der Herr Bölling. (Ruf bei
der SPÖ: Dann bleibt er leider eine Fußnote!)
„Am Abend des
22. September 2002 sagte er,“ – Schröder – „jetzt wolle er
eine Politik machen, die manchen seiner Freunde unter den SPD-Sozialpolitikern
nicht gefallen werde. Jetzt endlich muß er das Versprechen einlösen, auch wenn
das Klagelied von Zwickel, Bsirske, Sommer und Engelen-Kefer noch schriller
ertönt.“ – Das sind alles Gewerkschafter.
Und weiters:
„Sonst geht unser Sozialstaat, eine große kulturelle Errungenschaft, demnächst
in die Binsen.“ – Das ist das Urteil des ehemaligen
SPD-Regierungssprechers über die deutsche Regierung. (Abg. Heinisch-Hosek: Lesestunde! – Abg.
Eder: Was sagen Sie dazu?)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 199 |
Wir können froh
sein, dass hier in Österreich die Kontinuität der Reformen und auch der Politik
unter Schüssel II gegeben ist. Wir freuen uns darüber!
Herr
Van der Bellen hat in seiner Rede heute Vormittag die Regierung mit
einem Schiff verglichen und Begriffe aus der Nautik verwendet. (Abg. Eder: Schiff nicht, alter Tanker!)
Ich sage Ihnen
Folgendes: In diesem ganzen Gefüge ist unser Bundeskanzler der Leuchtturm. (Ironische
Heiterkeit bei der SPÖ.) Die SPÖ hat einen Fehler gemacht: Sie wollte die
Klippen bekämpfen und die Untiefen, aber sie hat den Leuchtturm bekämpft. Der
Wähler aber, meine Damen und Herren, der war schlauer: Der hat den Leuchtturm
herausgeputzt, und jetzt strahlt er noch viel besser! (Beifall bei der ÖVP
und den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. –
Zwischenruf der Abg. Silhavy.)
Ich komme zum
Schluss: Auch die SPÖ hat versucht, vor der Wahl einige „Leuchten“ aufzustellen.
Ich antworte und schließe mit einem doppelten Vierzeiler:
Leuchten wurden
vor der Wahl
präsentiert in
großer Zahl,
Petritsch,
Broukal, Knoll und Graf,
dass Alfred eine
Mehrheit schaff’.
Die Wahl war da,
die Mehrheit nicht,
zu schwach brannte
der Leuchten Licht,
und heute glimmt
nur eine hier
als Notlicht bei
der Ausgangstür.
(Heiterkeit und
Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Scheibner – in Richtung des auf der Regierungsbank sitzenden
Staatssekretärs Morak –: Wäre das nicht etwas zum Fördern?)
19.48
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.
19.48
Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder!
Was waren das für Zeiten vor drei Jahren, was war da für eine Stimmung, wie ist
es da zugegangen, als dieses neue Regierungskabinett angelobt wurde!
Landeshauptmann Haider hat das Paar Kanzler/Vizekanzler liebevoll „Susi und
Strolchi“ genannt. Es wurde zum Jubelpaar hochstilisiert, und was ist davon
geblieben, liebe Freunde? – Es ist nur Strolchi übrig geblieben, und er
hat pikanterweise einen Tierarzt als Partner! (Heiterkeit und Beifall bei
der SPÖ und den Grünen.)
Das ist wirklich
eine Entwicklung, die symptomatisch für diese Regierung ist. (Abg. Scheibner: Als du noch Staatssekretär
warst, haben wir noch etwas zum Lachen gehabt!) Es ist nichts geblieben von
der Euphorie. Diese Regierung sitzt resignativ da und gibt eigentlich ihr Programm
schon auf, bevor sie begonnen hat, es zu verwirklichen.
An diesem Programm
gibt es aber auch nicht viel zu verwirklichen. Es besteht aus Sprechblasen und
Überschriften ohne Inhalt, und eigentlich haben wir dasselbe schon vor drei
Jahren gehört. – Es sollte endlich auch etwas davon umgesetzt werden. (Abg.
Scheibner: Also ist es doch gut!)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 200 |
Liebe Freunde! Ich
glaube, dass es in dieser Regierung ganz andere Probleme geben wird. Bereits
vor der Regierungserklärung ist Minister Gorbach dadurch aufgefallen, dass er
die Vetodrohung gegen den Beitritt der Kandidatenländer sehr gelassen
ausspricht, dass er diese Vetokeule, über die man eigentlich hinwegkommen
wollte, sehr wohl wieder weiterschwingt.
Scheibner regt
sich im letzten „Kurier“ darüber auf, dass die Heeresreform mit ihm nicht abgesprochen
sei. – Das heißt also, in Wirklichkeit regiert man nebeneinander, nicht
miteinander. Man will auch miteinander nicht viel zu tun haben, und man ist
einander nicht grün, denn sonst würde man ja keinen Entschließungsantrag
brauchen, in dem man alle Abgeordneten dazu verpflichtet, dieses Regierungsprogramm
mitzutragen. (Abg. Scheibner: Grün
ist man nicht, wir sind schwarz-blau!)
Es gibt nur zwei
mögliche Gründe dafür: Entweder ist man misstrauisch den eigenen Abgeordneten
gegenüber, oder es sind die schwarzen Abgeordneten gegenüber den FPÖ-Abgeordneten
misstrauisch beziehungsweise umgekehrt. Das Selbstbewusstsein der Abgeordneten
sollte jedoch so groß sein, um so etwas nicht zu unterstützen: einen
Blankoscheck für eine Regierung, eine Selbstknebelung, damit man ja nicht
gegen etwas stimmen kann, das vielleicht unbequem wird (Abg. Scheibner: Haben Sie den Antrag
gelesen?), damit ja jede eigenständige Initiative in diesem Parlament
abgewürgt wird und hier nur mehr versucht wird, den Regierern nach dem Mund zu
reden. (Abg. Scheibner: Wir sind ja
nicht bei der SPÖ!)
Inhaltlich ist
also nicht viel da, aber es wird viele interessante persönliche
Auseinandersetzungen geben – das hat sich schon angekündigt und
gezeigt –, und ich bin sehr neugierig, wie lange diese Regierung das
aushalten wird. Ich glaube nicht, dass es eine sehr konsequente Umsetzung von
Programmen geben wird, wenn man schon jetzt im Vorfeld der Regierungserklärung
diese Zwistigkeiten an den Tag legt.
Aber Kennzeichen
dieser Regierung ist ja, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Kennzeichen
ist, dass man die Regelung der Ladenschlusszeiten an die Landeshauptleute
abschiebt, die Abfangjäger-Finanzierung an die nächste Regierung, die
Pensionsvorsorge an den Einzelnen, die Selbstbehalte bei den Arztbesuchen an
die Krankenversicherungsträger.
Ich glaube also
nicht, dass es ein verantwortungsvoller oder überzeugender Beginn der Tätigkeit
dieser Regierung ist. Allein die Körpersprache der anwesenden
Regierungsmitglieder zeigt, dass sie resignativ sind, dass sie eigentlich ihr
eigenes Programm schon aufgegeben haben, bevor sie begonnen haben, es
umzusetzen. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. –
Abg. Scheibner: Du gehst uns ab in
der Regierung!)
Warum der
Finanzminister nicht anwesend ist, ist für mich auch klar: Von den Schwarzen bekommt
er noch keinen Applaus, von
den Blauen nicht mehr. –
Ich bin ja überhaupt neugierig, wie er sich etablieren wird. Er hat die
Regierungsbank fast fluchtartig verlassen, weil er von niemandem richtig
anerkannt wird. Er ist schon sehr lange abwesend, das ist auch ein
interessantes Zeichen für diese Regierung. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist ein Glück für
ihn, weil er sich Ihre Rede nicht anhören muss!)
Aber ich glaube,
besser bezeichnen kann man diese Regierungspolitik und dieses Programm nicht,
als es Frau Bundesministerin Rauch-Kallat getan hat. Sie hat gesagt, diese
Regierung arbeite unter dem Motto „Frust statt Lust“, und dem ist nichts
hinzuzufügen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. –
Abg. Dr. Partik-Pablé: Schlecht
wie immer!)
19.53
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner erhält Herr
Abgeordneter Walch das Wort. – Bitte.
19.53
Abgeordneter
Maximilian Walch (Freiheitliche): Werter Herr
Präsident! Werte Regierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu
Kollegem Wittmann möchte ich nur sagen: Das Klima hat sich verändert, und der
Staatssekretärsposten ist weg. – Ich habe das Gefühl, das muss dir ganz
schön wehtun. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 201 |
Wenn ich mir die
heutige Debatte anhöre, wie die Oppositionsparteien hier schwere Kritik an dem
Regierungspapier üben, muss ich feststellen: Ihr habt es nicht gelesen. (Zwischenrufe
bei der SPÖ.) Ich würde euch wirklich einmal innigst um Folgendes ersuchen,
damit ihr euch nicht ständig von uns Kritik anhören müsst: Lesen –
denken – sprechen! So lautet die Devise. Dann würde die Sache auch für
euch ein bisschen besser ausschauen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei
Abgeordneten der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)
Wenn ich mir
einmal anschaue, was genau ihr kritisiert, wenn ich mir nur die Pensionsreform
in Österreich anschaue und welche Privilegien es da gibt, dann muss ich sagen:
Der größte Privilegienritter sitzt in der SPÖ! Da glaube ich schon, dass er in
Presseaussendungen sagt, nein, dieses System darf nicht verändert werden, denn
ich heiße Karl Blecha und ich kassiere pro Monat 12 554 €
Pension – während Hunderttausende Arbeitnehmer nur 643 € Pension
haben. – Dass sich der aufregt, ist klar. (Der Redner hält eine Tafel
in die Höhe, auf der die genannten Zahlen zu sehen sind. – Abg. Eder:
Forstinger! – Zwischenruf des Abg. Dr. Trinkl.)
Ich hätte
geglaubt, das wäre ein Pensionistenvertreter, aber der schaut ja nur auf sich
selbst und nicht auf seine Klientel, für die er zuständig wäre. Wir werden das
ändern, damit Gerechtigkeit und dementsprechende Gleichheit in das
Pensionssystem kommt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe
bei der SPÖ.)
Was steht denn in
dem Regierungspapier? – Hört ein wenig zu, sonst merkt ihr es euch wieder
nicht! (Zwischenruf der Abg. Pfeffer.) Wenn ich vergleiche,
was in diesem Regierungspapier steht und was die Oppositionsparteien behaupten,
frage ich mich: Wo steht denn im Regierungspapier, dass man bei einem
Arztbesuch 5 € zahlen muss? Habt ihr das irgendwo gelesen? – Ich
nicht! Da habt ihr wahrscheinlich ein eigenes Regierungspapier
vorbereitet! – Oder: Wo steht, dass man 10 € bei einem Facharztbesuch
zahlen muss?
Jetzt werden wir
sehen, welche Leistungen die Gebietskrankenkassen vollbringen, wo eure
sozialistischen Mitglieder und eure sozialistischen Obmänner bestellt sind,
denn jetzt bekommen sie den Auftrag, als Geschäftsführer dort endlich einmal
Hand anzulegen wie in der Privatwirtschaft und darauf zu schauen, dass man
sparsam und wirtschaftlich mit Steuergeldern umgeht. Sie sollen jetzt einmal
Vorschläge machen, wo sie Einsparungen durchführen können, aber nicht auf
Kosten der Patienten und auf Kosten der Qualität, sondern durch das Kehren vor
ihrer eigenen Türe. – Das einmal zum Ersten. (Beifall bei den
Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
So werden wir das
Gesundheitssystem retten, auch durch weitere Zusammenlegungen der
Sozialversicherungsanstalten. Es freut mich ganz besonders, wenn ich in der
Zeitung lese oder von der Opposition höre, dass jetzt die ganzen Pensionen
abgeschafft werden. – Davon habe ich nichts gehört! Etappenweise wird
etwas gekürzt. Was wir durchgebracht haben, das habt ihr 30 Jahre lang
nicht zusammengebracht.
Arbeitnehmer
können bei langen Beitragszeiten nach wie vor in die vorzeitige Alterspension
gehen: Männer bei 45 Beitragsjahren mit 60 Jahren und Frauen bei
40 Beitragsjahren mit 55. (Rufe bei der SPÖ: Büttenrede!) Das ist
eine positive Situation, und das ist mir abgegangen, das hättet ihr eigentlich
in den letzten 30 Jahren erledigen können! (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)
Es gibt außerdem
noch viele Arbeitnehmer, die weniger als 1 000 € Mindestlohn
verdienen. Ich habe da eine ganze Liste, die ich einmal dem Kollegen
Verzetnitsch, der heute nicht mehr anwesend ist, übergeben werde, damit er
weiß, wie viele Arbeitnehmer und wie viele Berufsgruppen es noch gibt, die
nicht einmal 1 000 € Mindestlohn haben.
Es freut mich ganz
besonders für die Jugend und deren Zukunft, dass ÖVP und FPÖ in der Regierung
sind, denn für diese Parteien ist klar, dass in Österreich weder leichte noch
schwere Drogen freigegeben werden, so wie es eine Partei hier in diesem Hause
wollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 202 |
Es werden Reformen
zu Gunsten der österreichischen Bevölkerung durchgeführt, damit sowohl das
Pensionssystem als auch das Sozialversicherungssystem und vieles andere mehr
gesichert werden. Es geht wieder bergauf in Österreich, und es geht nicht so
weiter, wie es die Opposition 30 Jahre lang gemacht hat. (Beifall bei
den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Scheibner – in Richtung SPÖ –: Das
ist aber wirklich ein Arbeiter!)
19.58
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Nächster Redner ist Herr
Abgeordneter Gaál. – Bitte.
19.58
Abgeordneter
Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr
geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Kollege Walch,
Aschermittwoch war gestern! Ried gibt es nicht mehr, das findet jetzt alles in
Althofen in Kärnten statt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Wir haben heute
sehr genau zugehört, haben auch die Regierungserklärung Punkt für Punkt
durchgelesen und müssen feststellen, meine Damen und Herren von den
Regierungsparteien, Kollege Walch: Sie setzen die falschen Prioritäten! (Beifall
bei der SPÖ.)
Wir haben ganz
andere Schwerpunktsetzungen! Wir gehen von einem umfassenden Sicherheitsbegriff
aus, der weit über den militärischen Bereich hinausgeht, und von
sicherheitspolitischen Ansprüchen, die Ihren Begriff sehr wohl mit
einschließen, aber weit darüber hinausgehen. Dazu zählen für uns sichere
Arbeitsplätze, sichere Pensionen, sichere und leistbare Gesundheitsvorsorge.
All das findet in Ihrem Regierungsprogramm nicht ausreichend Berücksichtigung,
meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
Bei Ihnen steht
die Beschaffung von Kampfflugzeugen ganz oben auf der Agendenliste, und Sie
beharren auf diesem Kauf. Das bedeutet nichts anderes, als Schulden in die
Zukunft zu verschieben, ohne jetzt die Verantwortung dafür zu übernehmen, meine
Damen und Herren! Bezahlt wird erst 2006, 2008, das muss also die nächste
Regierung tun! (Beifall bei der SPÖ.)
Die Steuerzahler
werden zwar etwas später, aber doch zur Kasse gebeten und müssen diese
Milliarden Euro mit Zinsen und Zinseszinsen zurückzahlen! Daher hat die
Bevölkerung zu Recht kein Verständnis für diese sündteure Beschaffung, die von
mehr als 75 Prozent der Bevölkerung abgelehnt wird. Meine Damen und
Herren! Diese Kampfjets sind für den Luftkampf, für den Luftkrieg
geeignet, haben aber überhaupt nichts mit luftpolizeilichen Maßnahmen zu tun.
Daher brauchen wir diese weder in Europa noch in Österreich! Daher ein
entschiedenes Nein zu dieser Ihrer Politik. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich darf nun
folgenden Antrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschaffungsstopp für Kampfflugzeuge
Der Nationalrat
wolle beschließen:
„Die
Bundesregierung wird aufgefordert, sofort alle Schritte zu setzen, um den
Beschaffungsvorgang für Kampfflugzeuge (Abfangjäger, Überwachungsflugzeuge) zu
stoppen.“
*****
Meine Damen und Herren! Wie Medienberichten zu entnehmen ist, sprechen Sie von der ÖVP von geplanten Kasernenschließungen und stoßen damit auf heftigsten Widerstand auch aus den eigenen Reihen. Ich denke in diesem Zusammenhang an die Stellungnahmen der Landeshauptleute. Sie beabsichtigen, den Assistenzeinsatz an der Grenze zu beenden, und überlegen, eine eigene Grenzgendarmerie oder einen Grenzschutz – wie immer Sie das dann auch nennen – einzuführen. Dabei wissen Sie sehr wohl, dass das viel mehr Geld kosten wird als die
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 203 |
Soldaten des
österreichischen Bundesheers, die übrigens hervorragende Arbeit leisten im
Dienste Österreichs und der europäischen Sicherheit. Sie, meine Damen und
Herren, kommen hierher mit unausgegorenen Ideen ohne
Finanzierungskonzept – eine Absichtserklärung ohne Chance auf
Realisierung.
Sie sprechen auch
von einer Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate. Wir sind offen für
Gespräche, meine Damen und Herren! Ich darf aber daran erinnern, dass, als wir
von einem sechsmonatigen Grundwehrdienst nach Beendigung des Assistenzeinsatzes
gesprochen haben, das von Ihnen stets entschieden abgelehnt und als polemisch
zurückgewiesen wurde.
Das steht zwar nicht
in der Regierungserklärung, wird aber von Ihnen von der ÖVP angekündigt, und
der neue Verteidigungsminister lässt ausrichten, dass mit ihm bisher niemand
über diese Reform, diese Sparpläne beim österreichischen Bundesheer gesprochen
habe. Er wurde also von diesen Ankündigungen offenbar überrascht, was kein
besonders glücklicher Einstand ist.
Uns geht es aber
hier nicht um Polemik, sondern um eine effiziente und glaubwürdige Politik! (Beifall
bei der SPÖ. – Aha- und Oho-Rufe
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist das Grundprinzip unserer
Politik, und das wollen und werden wir als große, verantwortungsvolle und
konstruktive Oppositionspartei auch verwirklichen. Darauf können Sie sich
verlassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)
20.03
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Trinkl zu
Wort. – Bitte.
20.03
Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf
der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir
diskutieren heute über die zweite Regierungserklärung des Dr. Wolfgang
Schüssel, die vor allem von Verantwortungsbewusstsein für eine gute Zukunft
unseres Landes getragen ist.
Nach achtstündiger
Debatte sei es mir erlaubt, ein kurzes Resümee zu ziehen: Auf der einen Seite
stehen zwei Parteien, die bereit sind, sich den Herausforderungen, vor denen
das Land steht, zu stellen. Wir sind bereit, den Menschen auch die Wahrheit zu
sagen, und dies, Herr Kollege Gaál, auch im Bereich der Sicherheit. Die
Sicherheit endet nicht in der Luft, zwei Zentimeter über der Luft, die
Sicherheit muss auf dem Land und in der Luft gegeben sein, meine sehr geehrten
Damen und Herren! (Abg. Gradwohl: „Zwei Zentimeter über der Luft“ ist
gut!) Wir sind bereit, mutige Reformen in Angriff zu nehmen.
Auf der anderen
Seite steht eine Opposition, die sich dieser Verantwortung entschlägt, meine
sehr geehrten Damen und Herren! Frau Silhavy meinte, der Regierung fehle der
Mut für Sozialreformen. Ich darf Ihnen sagen: Wir gehen den Weg der sozialen
Reformen, um das System nachhaltig abzusichern. Sie aber kritisieren diesen
Weg, und Sie sind nicht bereit, auch nur einen Schritt auf diesem Weg
mitzugehen, weil Sie Scheu haben vor der Verantwortung. Sie wollen keine
Verantwortung übernehmen, Sie wollen sich vor der Verantwortung drücken, meine
sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.)
Das ist genau die
Sozialdemokratie, die wir kennen. Der Vorsitzende sitzt auf dem Kutschbock und
wäre sogar bereit, sich ein wenig in die richtige Richtung zu bewegen. Nur alle
anderen sitzen an den Bremsklötzen, damit ja nichts weitergeht, meine sehr
geehrten Damen und Herren! Damit ist klar: Die SPÖ wollte nie regieren! Und das
sagen uns unsere Freunde, und das wissen auch Sie ganz genau, denn sonst wären
viele Erklärungen, Herr Cap, einfach nicht zu verstehen. (Abg. Gradwohl:
Woher haben Sie das?)
Herr Cap hat ja
völlig Recht, wenn er sagt: Ein Manifest der Mutlosigkeit! Die SPÖ hat heute
hier wieder ein Manifest der Mutlosigkeit vorgelegt. (Beifall bei der ÖVP
und den Freiheitlichen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 204 |
Was ist
symptomatisch für diese SPÖ? – Es bleibt die Resignation (Cap) – in
Klammern. Es lebe der Galgenhumor, soeben präsentiert von Herrn Kollegen
Wittmann, und man flüchtet sich ins Kabarett (beide) – in Klammern. Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Das ist von der großen Sozialdemokratie
geblieben: Kabarett, Kabarett, Kabarett! (Zwischenruf der
Abg. Mag. Wurm.)
Auf der anderen
Seite haben wir auch sehr intensive Regierungsverhandlungen mit den Grünen
geführt. Obwohl die Gespräche gut verlaufen sind, durfte Herr Professor Van der
Bellen zum Schluss nicht dieser Regierung zustimmen. (Abg.
Dr. Glawischnig: Sie waren da aber nicht dabei!) Der eine
wollte nicht, und der andere durfte nicht.
Wissen Sie, wer
mir einfällt? – Karl Valentin. Mögen hätten wir schon wollen, aber dürfen
haben wir uns nicht getraut. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das
ist Ihre Politik! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Glawischnig:
Das trifft zu 100 Prozent auf Sie zu!)
Wolfgang Schüssel
hat heute gesagt, nur eine leistungsstarke Wirtschaft bringe soziale Sicherheit,
und er hat Recht. Viele, viele Impulse, die diese Regierungserklärung in sich
hat, zeigen, dass der weiteren wirtschaftspolitischen Entwicklung sehr viel
Verständnis entgegengebracht wird. Ich darf Ihnen versichern, dass die
Wirtschaft diese Botschaft versteht, und die Wirtschaft vertraut dieser Regierung
in viel höherem Maße, als das in anderen Ländern der Fall ist.
Was ist aus dem
Konjunkturmotor Deutschland geworden, meine sehr geehrten Damen und Herren, wo
seit Jahren eine rot-grüne Regierung am Werkeln ist? – Der Motor steht,
der Motor raucht; er raucht nicht einmal mehr, es raucht nur mehr die Zigarre
des Vorsitzenden.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wir in Österreich haben andere Voraussetzungen.
Wolfgang Schüssel und sein Team werden dieses Land in eine bessere Zukunft
führen, und das können Sie nicht krank beten und auch nicht krank jammern,
sondern merken Sie sich eines: Totgesagte leben lange! (Beifall bei der ÖVP
und den Freiheitlichen.)
20.08
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der vom Vorredner, Herrn Abgeordnetem Gaál, eingebrachte
Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.
Als nächste
Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. –
Bitte.
20.08
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek
(SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes
Haus! – Oh ja, sie ist wieder da, die Kollegin Fuhrmann. Jung sein, meine
Damen und Herren, schließt nicht automatisch jung denken mit ein, wie man am
Beispiel von Kollegin Fuhrmann gesehen hat. (Beifall bei der SPÖ. –
Abg. Dr. Cap: Ja!)
Sie hat
gesagt – und da sitzen einige Jugendliche oben –: Ihr seid eine
kleine Gruppe, und für euch ist die Zukunft noch sehr, sehr weit entfernt. Das
ist ziemlich altmodisch gedacht, Frau Kollegin Fuhrmann, für eine Gruppe, die
Sie im Hohen Haus vertreten sollen. Sie sind halb so alt wie ich und sprechen
doppelt so alte Sätze daher. – Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. (Beifall
bei der SPÖ. – Abg. Fuhrmann: Typisch Lehrer!)
Aber kehren wir
zum Regierungsprogramm zurück, denn das soll heute Thema sein. Zukunftsfest,
hat der Herr Bundeskanzler
gesagt, nachhaltig, hat er gesagt, und gerecht. Für mich ist das ein
Warndreieck, Herr Klubobmann Molterer, das ist kein Dreieck für die Zukunft.
Dieses Zukunftsprogramm, das Sie bieten, ist auch kein Fest für die Jugend,. Es
ist nämlich kurzfristig und nicht nachhaltig, und es ist ungerecht und nicht
gerecht. Ich werde Ihnen das anhand von zwei Beispielen nachweisen.
Wenn wir uns den Bereich Bildung und Ausbildung im Regierungsübereinkommen anschauen, dann fällt auf, dass Sie nicht hineinschreiben, dass Sie sich zur dualen Ausbildung bekennen. Ich nehme es aber einmal an, weil Sie einige Punkte aus dem SPÖ-Lehrlingspaket wahllos herausgegriffen und hineingeschrieben haben. Das bedeutet: Sie haben unsere Forderungen
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 205 |
gelesen, Sie haben sie anscheinend für
gut befunden und haben Teile davon übernommen. Sie haben sich aber nicht
wirklich damit auseinander gesetzt, denn es sind nicht alle Vorschläge
übernommen worden, die notwendig wären, um die Situation von jungen Menschen
auf dem Lehrlingsmarkt nachhaltig zu verbessern. Und warum schreiben Sie
hinein: „freiwillige Ausbildungsverbünde“? Es scheint so, als wollten Sie
keine Verantwortung übernehmen, und das ist in vielen Punkten zu bemerken. (Beifall
bei der SPÖ.)
Es gibt außerdem
in diesem Paket kein Bekenntnis zu einer Ausbildungsgarantie für junge Menschen,
die Minister Bartenstein schon einmal gepredigt hat. Es gibt kein Bekenntnis
von Ihnen zum Recht von jungen Menschen auf Bildung und Ausbildung, und es gibt
kein Bekenntnis zu einer wirklich aktiven Lehrlingspolitik. Ich frage mich, wo
die 250 Millionen € hingekommen sind, die wir noch im letzten
Dezember beschlossen haben und die Sie für arbeitspolitische Maßnahmen für
junge Menschen einsetzen wollten, wenn in Wirklichkeit von Monat zu Monat die
Situation der Lehrstellensuchenden schlechter wird und es mittlerweile über
40 000 zwischen 15 und 25 Jahren sind, die keine Arbeit haben. Ich
hätte gerne vom Herrn Arbeitsminister Bartenstein erfahren, wo die
250 Millionen € hingeflossen sind. Und vor allem: Alles, was Bildung
und Ausbildung betrifft, ist bei Ihnen ein halbherziger Schlingerkurs und ein
Trauerspiel, meine Damen und Herren!
Ganz kurz noch ein
zweites Beispiel: Der Jugendpolitik an sich sind vier kurze Zeilen, vier Überschriften
gewidmet, ohne wirkliche Inhalte, denn in so einem kleinen Absatz ist nicht
genug Platz dafür. Die Inhalte des Regierungsprogramms 2003 unterscheiden
sich eigentlich in fast nichts von den Bekenntnissen des Jahres 2000,
allerdings mit einem gravierenden Unterschied, meine Damen und Herren: In das
Regierungsprogramm 2000 haben Sie zumindest noch Mitbeteiligung und
Partizipation hingeschrieben, Mitbestimmung von jungen Menschen. Das
EU-Weißbuch Jugend – Herr Bundesminister Haupt hat dem auch
zugestimmt – sagt uns, Partizipation, Beteiligung von jungen Menschen sei
eine der wichtigsten Voraussetzungen, um sie am politischen Geschehen teilhaben
zu lassen. Das steht jetzt nicht einmal mehr drinnen in diesem Regierungsübereinkommen!
Ich denke, die
Kinder- und Jugendpolitik 2003 müsste doch eigentlich den gleichen
Stellenwert haben wie 1998, als Österreich die EU-Präsidentschaft innehatte.
Wir hatten damals Mitbestimmung und Partizipation als eines der wichtigsten,
zentralen Anliegen von Jugendpolitik definiert. – Aber die Zeiten ändern
sich, die Zeiten werden schlechter, die Zeiten sind schwarz-blau, die Zeiten
stehen auf Kurs Schüssel II. Wohin dieser Kurs führt, das werden wir noch
sehen. Wir warten gespannt darauf. In jugendpolitischen Fragen, meine Damen und
Herren, stellen wir nach wie vor gerne unser Know-how zur Verfügung. (Beifall
bei der SPÖ.)
20.13
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort
gemeldet ist Herr Abgeordneter Freund. – Bitte.
20.13
Abgeordneter
Karl Freund (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte
Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes
Haus! Die neue Regierung hat nun ihr Amt angetreten und will
zukunftsorientiert, gerecht und nachhaltig handeln und wirtschaften und dabei
den Menschen in den Mittelpunkt stellen.
Geschätzte Damen
und Herren! Wie unser Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel heute bereits
festgestellt hat, besteht die österreichische Landesfläche zu 80 Prozent
aus ländlichem Raum. Er hat auch ein Bekenntnis zu diesem ländlichen Raum
abgelegt. Das Rückgrat des ländlichen Raums sind die Bauern und ihre Familien.
Sie tragen wesentlich zur regionalen Wertschöpfung bei, gestalten unseren
Lebensraum, schützen die Natur und produzieren gesunde Nahrungsmittel. Es muss
daher ein wichtiges Anliegen sein, das Einkommen unserer Bauernfamilien zu
schützen. (Beifall bei der ÖVP.)
Das Regierungsabkommen orientiert sich in diese Richtung. Die Bauern setzen große Hoffnungen in den neuen Landwirtschaftsminister Josef Pröll. Er hat die Nachfolge von Wilhelm Molterer angetreten, bei dem ich mich sehr herzlich für seinen großartigen Einsatz als Landwirt-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 206 |
schaftsminister bedanken möchte. Gerade
als oberösterreichischer Bauer und als Oberösterreicher mache ich das sehr
gerne. Wie ich Josef Pröll kenne, wird er den erfolgreichen Weg des Willi
Molterer fortsetzen. Ziel muss es nämlich sein, eine nachhaltige,
zukunftsorientierte und bäuerliche Landwirtschaft zu fördern.
Die SPÖ und die
Grünen sind bei den Verhandlungen um eine eventuelle Regierungsbeteiligung mit
realitätsfernen Forderungen im Bereich der Landwirtschaft an die Öffentlichkeit
getreten. (Abg. Dr. Glawischnig: Welche waren das zum
Beispiel?) Ich bin froh, dass diese Forderungen keine Chance bekommen
haben, umgesetzt zu werden. Ich bin froh, dass das wichtige Agrarressort bei
der ÖVP geblieben ist, denn da sind die Bauern am besten aufgehoben. (Beifall
bei der ÖVP.)
Die Bauern
brauchen Verlässlichkeit in der Politik. Im Regierungsübereinkommen wurden die
Einführung von Agrardiesel und eine Betriebsmittelvereinheitlichung im EU-Raum
fixiert. Das bedeutet für die österreichischen Bauern, dass sie wenigstens von
den Produktionsbedingungen her dieselben Voraussetzungen bekommen, wie sie die
Kollegen im EU-Raum haben. Ein 3-Milliarden-Euro-Paket ist sehr wichtig, denn
es sichert das österreichische Umweltprogramm und die notwendigen Investitionen
ab.
Besonders freut
mich die beabsichtigte Einführung des Agrardiesels. Seit langem ist es ein Anliegen
der Bauern, in diesem Punkt entlastet zu werden – mit der Steuerreform im
Jahr 2005 ist dies nun endlich möglich –, damit sie sich im
Wettbewerb besser behaupten können. Unsere Bauern werden im Zuge der
EU-Osterweiterung ohnehin mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Sie
müssen in Zukunft mit weiteren zehn Märkten konkurrieren. Aber auch wenn es
schwierig ist: Die EU-Erweiterung ist eine Chance für unser Land, und wir
müssen die Chance Europa ergreifen. Wir müssen aber auch die Verantwortung für Österreich
übernehmen und uns vor allem im landwirtschaftlichen Bereich für unsere Bürger
stark machen.
Meine sehr
geschätzten Damen und Herren! Die Wirtschaft hat in Österreich die Rolle der
Konjunkturlokomotive übernommen. Früher ist das immer Deutschland gewesen,
aber das ist es bei weitem nicht mehr, denn wir in Österreich sind weit
erfolgreicher. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich bewerte es als
sehr positiv, dass es eine weitere Forcierung des Einsatzes von erneuerbarer
Energie geben wird. Der Biomasseeinsatz sollte wesentlich erhöht werden, denn
dies dient einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Politik, die ich sehr
befürworte.
Meine sehr
geschätzten Damen und Herren! Wir wollen in Österreich keine Agroindustrie. Wir
wollen den österreichischen Weg der familiär geprägten Landwirtschaft
fortsetzen. Ich möchte dieser unserer österreichischen Bundesregierung mit
Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel an der Spitze alles Gute für die
kommende Regierungsperiode wünschen. – Herzlichen Dank! (Beifall bei
der ÖVP und den Freiheitlichen.)
20.17
Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn:
Als nächster Redner
zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte.
20.18
Abgeordneter
Manfred Lackner (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Damen und Herren des Hohen
Hauses! Am Anfang meiner Ausführungen möchte ich es doch nicht verabsäumen,
dem Herrn Bundeskanzler zu danken, dass er in der Regierungserklärung die SPÖ
geradezu mit Lob überhäuft hat: Seit 1970 ist der Lebensstandard oder die
Lebenserwartung von Frauen um acht Jahre, von Männern um zehn Jahre
gestiegen. – So seine Ausführungen. (Abg. Mag. Mainoni: Und
ist das ein Verdienst der SPÖ? – Abg. Dr. Partik-Pablé: Dafür
ist der liebe Gott, die Schöpfung verantwortlich und nicht die SPÖ! Das ist ja
geradezu Blasphemie!)
Dies, Frau Kollegin, auch deshalb, weil es ausgezeichnete Politik durch sozialdemokratische Sozialminister und sozialdemokratische Gesundheitsminister gegeben hat. Das können Sie nicht wegleugnen, denn hier ist einfach die Handschrift der Sozialdemokratie zu sehen. Sie
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 207 |
waren ja nicht in der Regierung.
(Abg. Mag. Molterer: Vielleicht stimmen Sie bei unserem Entschließungsantrag
mit!)
Herr Kollege
Molterer! Und genau jener Fortschritt ist nach drei Jahren blau-schwarzer Regierung
tatsächlich in Gefahr. Selbst der Herr Bundeskanzler betont in seiner
Regierungserklärung, dass nach nur drei Jahren schwarz-blauer Bundesregierung
enormer Reformbedarf auch in der Gesundheitspolitik besteht. Er hat richtig
diagnostiziert, die Therapievorschläge sind jedoch leider etwas schwächlich und
wohl nicht geeignet, unser Gesundheitssystem nachhaltig finanziell
abzusichern.
Meine Damen und
Herren! Selbstverständlich gibt es auch einige Bereiche, in denen wir durchaus
übereinstimmen und durchaus Konsens zu erzielen sein wird, und zwar gerade in
jenen Bereichen, in denen Sie unsere Vorschläge übernommen haben. Ich darf nur
zwei Bereiche erwähnen: das Erreichen von Gesundheitszielen in der Prävention
und die modulare Ausbildung in den Pflegeberufen. Es gibt noch ein paar mehr,
die Sie in diesem Bereich von uns übernommen haben.
Lassen Sie mich
diesen Befund an einigen Beispielen aus Ihrer Regierungserklärung verdeutlichen.
Sie, meine Damen und Herren, wollen – und das dürfte auch in diesem Hause
unbestritten sein –, dass Österreich auch im Jahre 2010 über ein
Gesundheitssystem verfügt, dessen höchstwertige Leistungen allen offen stehen,
und zwar unabhängig von Einkommen und Alter. Meine Damen und Herren! Umso
erstaunlicher ist es jedoch, dass Sie ausgerechnet bei den Pensionisten die
Beiträge um ein Prozent erhöhen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)
Abgesehen davon,
meine Damen und Herren, dass Sie damit die Politik der alten ÖVP/FPÖ-Regierung
ad absurdum führen, denn sie hat ja Beitragserhöhungen immer explizit ausgeschlossen,
werden nunmehr die Pensionisten von Ihnen in zweifacher Hinsicht belastet:
erstens durch die Erhöhung der Beiträge und zweitens durch neue Selbstbehalte.
Ich finde es schon erstaunlich, dass sich dann der Bundeskanzler hier herstellt
und behauptet, dass es weiterhin einen freien Zugang zu den Leistungen für
alle, unabhängig vom Einkommen, geben soll. (Beifall bei der SPÖ. –
Abg. Silhavy: Das ist eigentlich ein
Skandal!) Hier ist durch Sie wohl der nächste Schritt weg vom
Solidarprinzip und hin zum Risikoprinzip vorprogrammiert, meine Damen und
Herren.
Nächster Punkt:
Gleiche Beiträge bei gleichen Leistungen für alle war natürlich auch Thema der
Sondierungsgespräche mit der ÖVP, und unsere Vorschläge zur Harmonisierung der
Beiträge und der Leistungen in diesem Bereich waren ja in weiten Teilen auch
unbestritten. Geradezu bedauerlich ist es daher, dass den Herrn Bundeskanzler
gerade in diesem Bereich der Reformmut verlassen hat und offensichtlich nur
noch bei den Arbeitern und Angestellten harmonisiert werden soll, während alle
anderen Gruppen vorerst ausgenommen werden sollen. (Zwischenruf des Abg. Großruck.)
Ja, Herr Großruck, da haben Sie das Regierungsprogramm nicht gelesen oder nicht
verstanden. Ich nehme an, dass Letzteres der Fall ist. (Beifall bei der
SPÖ.)
Zum Schluss, meine
Damen und Herren, noch ein Angebot an Sie: Wir sind bereit, gerade in der
Gesundheitspolitik in den Wettbewerb der besseren Ideen einzutreten, weil wir
da auf eine große Kompetenz zurückgreifen können. Gerade die Prävention, die
ich bereits erwähnt habe, ist ein Paradebeispiel für unsere Kompetenz, und wenn
Sie das wollen, werden wir diese unsere Kompetenz auch in weiten Bereichen
einfließen lassen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der
SPÖ.)
20.22
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu einem kurzen Beitrag hat sich Herr Abgeordneter Wittauer zu Wort
gemeldet. Es ist seine zweite Wortmeldung. – Bitte.
20.22
Abgeordneter Klaus Wittauer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Als Umweltsprecher der Freiheitlichen ist mir bewusst, dass die Herausforderungen für Österreich im ökologischen Strukturwandel enorm sind. Österreich muss für das 21. Jahrhundert Rahmenbedingungen für eine intakte Umwelt schaffen. Die
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 208 |
Reduzierung von Schadstoffemissionen und die Schonung von Ressourcen müssen
dabei im Vordergrund stehen.
Umwelt betrifft
alle Bereiche unseres Lebens. Dazu gehören vor allem Energie, Industrie, Gewerbe,
Verkehr und Transportwesen, Landwirtschaft, Wald und Wasser, Tourismus und Freizeitwirtschaft
sowie Ressourcenmanagement und das Verbrauchs- und Konsumentenverhalten. Allein
bei der Aufzählung dieser Punkte ist mir bewusst, dass es in dieser kurzen Zeit
nicht möglich ist, auf alles einzugehen, doch einiges möchte ich näher
betrachten.
Meine Damen und
Herren! Nachhaltiges Wirtschaften im Sektor Industrie und Gewerbe bedeutet,
dass der Umstieg auf erneuerbare Rohstoffe beziehungsweise die Einsparung der
Rohstoffe für Produkte und Dienstleistungen auf diesem gesamten Sektor ein
Ziel sein muss. Dazu gehören auch der Umstieg auf erneuerbare Energien,
Einsparung von Energien, bessere Ausnutzung der Primärenergien bei der
Produktion und bei der Verarbeitung und auch Erreichen der ökologischen
Kostenwahrheit. Auch für die Nachhaltigkeit des Verkehrswesens, die einen
großen Anteil an der Umweltbelastung darstellt, müssen wir zu neuen
Verkehrsstrategien kommen und auch Maßnahmen finden, die eine dauerhafte
nachhaltige Entwicklung gewährleisten.
Ein Teil davon ist
die Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsmittel, ein Teil
davon ist auch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Entwicklung
alternativer Fahrzeuge und Motortechnik. Mit Auslaufen des Transitvertrages
darf es nicht zu einem Anstieg der Schadstoffemissionen kommen. Der
Transitverkehr muss auch ein Teil unserer Politik bleiben. Außerdem müssen wir
eine Novellierung des IG-Luft, das diese Ziele beinhaltet, umsetzen.
Meine Damen und
Herren! Ich weiß, wie schwierig es sein wird, das alles umzusetzen. Umwelt
betrifft uns alle und lässt niemanden gleichgültig. Ein intaktes, lebenswertes
Österreich muss ein Wunsch von uns allen sein, und diesen sollten wir gemeinsam
umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)
20.25
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eder. –
Bitte. (Abg. Mag. Molterer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Eder –:
Kurt, bleib sachlich!)
20.25
Abgeordneter Kurt Eder (SPÖ): Herr Präsident! Sehr
verehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und
Herren! (Abg. Scheibner: Müsst ihr alle rote Krawatten tragen?) Die ist aber
schön, ja? (Abg. Dr. Glawischnig: Ein bisschen einfallslos!)
Eine Zeitung hat am Wochenende geschrieben: Nichts Neues bringt diese Regierung
im Infrastrukturministerium. Wieder einmal ein neuer Minister wie jedes Jahr
in den letzten drei Jahren.
Ich möchte aber
schon sagen, dass gerade Minister Reichhold, der jetzt wieder ausgetauscht
wurde, meines Erachtens doch einige Kompetenz gezeigt hat. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dolinschek.)
Ich betrachte das eher als eine Art Opfer, ein bisschen wie ein Bauernopfer.
Das ist das eine. Das andere ist, dass ich auch dem neuen Minister Gorbach und
seinem Staatssekretär Kukacka für ihre Aufgaben alles Gute wünsche.
Aber die Tragik in
der Verkehrspolitik, meine Damen und Herren, liegt in den vergangenen drei
Jahren. Es ist nämlich – ich habe das immer wieder gesagt – nichts so
wichtig in der Infrastrukturpolitik wie die Kontinuität. Wenn diese
Kontinuität abreißt, dann dauert es immer relativ lange, bis man wieder zu
Investitionen kommt, bis man vor allem wieder zu Investitionen kommt, die auch
bauwirksam werden. Da nützt es natürlich jetzt gar nichts, wenn der neue
Minister Gorbach meint, er werde bei dem Generalverkehrsplan bleiben, der von
allen Fachleuten angezweifelt werde. Ich habe hier eine Zeitung, das
„WirtschaftsBlatt“. Darin steht, dass dieser Generalverkehrsplan nicht
finanzierbar ist und lediglich bis 2006 Bedeckung finden kann. Also auch andere
sagen, dass man von dem Plan doch so weit abgehen sollte, dass man auch einen
Detailplan für die nächste Zeit so erstellt, wie wir das eigentlich vorgeschlagen
haben.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 209 |
Wenn ich in dem
neuen Regierungsprogramm lese, dass die FPÖ/ÖVP-Bundesregierung an diesem
unfinanzierbaren 45-Milliarden-Monster weiter festhalten will, dann meine ich,
das ist eine falsche Prioritätensetzung. Es ist lediglich eine Auflistung von
Wünschen, die die Länder und Gemeinden aneinandergereiht haben. Ich glaube
jedoch, man sollte da anders vorgehen.
Österreich, meine
Damen und Herren, braucht jetzt eine Infrastrukturoffensive, um die Wirtschaftsstandortqualität
unseres Landes zu heben, um die Chancen der Ostöffnung zu nutzen. Dazu brauchen
wir dringend die neuen Verkehrswege, neue Bahnstrecken und neue Schnellstraßen
und Autobahnen, und dies vor allem im Osten Österreichs.
Die SPÖ hat
bereits vor mehr als eineinhalb Jahren ein Infrastrukturprogramm mit dem Namen
„Weg in die Zukunft“ im Ausmaß von 22 Milliarden € vorgelegt, wobei
dieses Programm über das LKW-Road-Pricing-System von zirka 30 Cent pro
Kilometer, das ja seit Jahren schon nicht umgesetzt wird, verursachergerecht
hätte finanziert werden können. Wir müssen – meine Damen und Herren, da
appelliere ich wirklich an alle, vor allem an die Regierung – gemeinsam
versuchen, den Schwerverkehrszuwachs, der uns auf Grund der europäischen
Erweiterung ins Haus steht, auf die Schiene zu bringen, so gut das nur geht.
Aber auch die Nord Autobahn und auch die Verbindungen zum Osten hin –
Wiener Zentralbahnhof et cetera – sind rasch in Angriff zu nehmen. Ich
glaube, da besteht Konsens. Wir müssen nur schauen, wie wir das wirklich über
die Runden bringen.
Meine Damen und
Herren! Auch der Transitverkehr im Westen liegt uns sehr am Herzen. Laut einer
Zeitungsmeldung ist vom neuen Bundesminister gleich wieder das Wort „Veto“ in
den Mund genommen worden, was meiner Meinung nach keine gute Aussage war. Ich
hoffe, er hat es nicht genau so gesagt, wie es die Zeitung wiedergegeben hat,
sonst wäre es schon ein schwerer Schaden für Österreich gewesen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Lassen Sie mich
auch noch einen Satz zur Verkehrssicherheit sagen. Auch da bieten wir die Zusammenarbeit
an. Es geht nicht nur um Drogen am Steuer, meine sehr geehrten Damen und
Herren, sondern es geht hier vor allem auch um Alkohol am Steuer, es geht vor
allem auch um die LKWs, die mittlerweile bereits an fast jedem zweiten Unfall
beteiligt sind. Ich ersuche, daran mitzuwirken, dass wir im Bereich des
Verkehrsausschusses, dem ich jetzt vorsitze, gemeinsam ein vernünftiges Konzept
erarbeiten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
20.30
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete
Mag. Lapp. – Bitte.
20.30
Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank!
Hohes Haus! Die Regierung ist im Amt. (Jawohl-Rufe
bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Zeit wird’s!, kann man nur sagen.
Monatelang sind die Österreicherinnen und Österreicher an der Nase herumgeführt
worden. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den
Freiheitlichen.) Zuerst gab es vorgezogene Wahlen wegen einer instabilen
Regierung. Nach der Wahl gab es ewig lange Gespräche, Sondierungen hin und her.
Und was kommt jetzt raus?– Das Gleiche wie vorher.
Meine Damen und
Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher wissen schon jetzt, was auf sie
zukommt: Von ihnen wird abkassiert, sie werden geschröpft, österreichische
Firmen werden verschleudert, Kranke müssen Strafen bezahlen. (Abg. Scheibner:
Na geh! Welche Strafe müssen sie zahlen?) Auf der anderen Seite wird Geld
ausgegeben für mehr Posten in der Regierung, wird Geld ausgegeben für PR‑Maßnahmen,
die den Weichzeichner über diese kommenden Schröpfaktionen der Regierung legen
werden. (Beifall bei der SPÖ.)
Eine Maßnahme der vorherigen Chaos-Regierung war die Besteuerung der Unfallrenten. Es war dies eine Husch-Pfusch-Regelung, durch die Menschen, die durch Unfälle von der Arbeit abgehalten werden, noch schikaniert werden, denn durch diese Regelung, durch diese Besteuerung der Unfallrenten werden gerade jene Menschen getroffen, die sich das absolut nicht verdient haben. Der jetzige Vizekanzler Haupt hat im Zuge der Wahlkampfauseinandersetzun-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 210 |
gen in der „Pressestunde“ vom
10. November 2002 gesagt, die Unfallrentenbesteuerung müsse weg. Nur: Es
gibt kein einziges Wort zur Unfallrentenbesteuerung in der Regierungserklärung.
Das ist auch wiederum ein Beweis dafür, dass sich nichts zum Besseren verändern
wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Tausende Menschen
warten darauf, dass eine Veränderung beziehungsweise die Abschaffung der
Besteuerung der Unfallrenten kommt. Gerade diese Menschen spüren die soziale
Kälte besonders stark. Sie werden sich von der jetzigen Aufgussregierung nicht
an der Nase herumführen lassen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe
bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Wittauer: Deshalb seid ihr auch nicht in der Regierung, weil ihr
keine Konzepte habt!)
20.32
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Mag. Maier. – Bitte.
20.32
Abgeordneter Mag. Johann Maier
(SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank!
Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Worte muss man doch
zu den Ausführungen des Kollegen Großruck verlieren. Er hat gemeint: Wolfgang
Schüssel – der Leuchtturm! Kollege Großruck, ein Leuchtturm muss leuchten!
Und Hand aufs Herz: Hat Wolfgang Schüssel heute geleuchtet? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube
vielmehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie müssen aufpassen,
dass ... (Abg. Großruck: Sie sind noch jetzt ganz geblendet von den Strahlen!) Nein,
Kollege Großruck, nehmen Sie eines zur Kenntnis: Wenn ein Leuchtturm nicht
leuchtet, gehen Schiffe unter. Und Sie müssen aufpassen, dass Sie mit Wolfgang
Schüssel nicht untergehen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der
SPÖ. – Abg. Scheibner: Ihnen geht auch heute kein Licht mehr auf!)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Dieses Regierungsprogramm, das heute hier vorliegt,
möchte ich unter einem Aspekt beobachten: Was wird tatsächlich für die
Konsumenten gemacht? Da gibt es jetzt eine Staatssekretärin – angeblich
ohne Kompetenzen –, auf der anderen Seite hat Herr Bundesminister Haupt
gemeint, er will den Konsumentenschutzstandard in Österreich international
hoffähig machen. Das war am letzten Freitag. Ich frage mich nur: Warum ist das
nicht in der letzten Periode passiert? Und wenn ich mir nun das Programm
ansehe, dann muss ich eines festhalten, meine sehr verehrten Damen und Herren:
Sie haben eine große Chance vertan. Ihr Programm ist altmodisch! Und glauben
Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. (Lebhafte
ironische Heiterkeit bei der ÖVP.)
Ich könnte Ihnen
sagen, wie Konsumentenschutzpolitik in Österreich und international gemacht
werden soll. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben nicht einmal das
verbraucherpolitische Programm der Europäischen Union für die Jahre 2002
und 2006 berücksichtigt, obwohl die Kommission alle Regierungen aufgefordert
hat, diese Zielsetzungen zu berücksichtigen. Wo sind die Fluggastrechte? Wo
sind die Rechte für die Bahnkunden? Was steht drinnen in Ihrem Programm über
den Zugang zum Recht? – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es steht nichts
drinnen! Daher haben Sie eine große Chance vertan, weil Sie es nicht einmal
gewagt haben, bestehende Probleme zu lösen.
Ich vermisse eine
große Schuldrechtsreform, ich vermisse eine Vereinheitlichung der Konsumentenschutzbestimmungen
in Österreich, beispielsweise die Vereinheitlichung der Rücktrittsfristen, ich
vermisse hier klare Aussagen zu den Banken. Herr Bundesminister Böhmdorfer
wurde anscheinend kaltgestellt. Er darf jetzt nichts mehr gegen die Banken
unternehmen. Und jetzt frage ich Sie: Was machen Sie weiterhin im Zinsenskandal
der Banken, der von den Arbeiterkammern aufgedeckt worden ist? Was machen Sie
im Wertpapierbereich und im Anlegerbereich? Oder wie geht es überhaupt weiter
im Lebensmittelbereich?
Ich lese im
Regierungsprogramm von „Transparenz durch Kennzeichnung“. Das ist ein absolut
verfehlter Ansatz. Wissen Sie, warum? – Weil die Kennzeichnungsangaben in
etwa 50 Prozent der Fälle nicht stimmen. Was wir benötigen, ist ein
Konsumenteninformationsgesetz.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 211 |
Das
Bundestierschutzgesetz soll kommen. Ich merke nur an: Die Vollziehung sollten
allerdings die Agrarier in den Bundesländern übernehmen. Ich wünsche dem
Tierschutz viel Glück. Insbesondere habe ich arge Bedenken, wenn in
Bundesländern wie Salzburg dieser Tierschutz dann an EU-Standards herabgeführt
werden soll.
Kurzum, meine sehr
verehrten Damen und Herren: Sie reden von der Zukunft, aber ich meine, dieses
Regierungsprogramm kann keine Zukunft haben. (Beifall bei der SPÖ.)
20.36
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Mag. Moser. – Bitte.
20.36
Abgeordneter Mag. Hans Moser
(SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! „Beginnt euch
zu sorgen – Details folgen.“ – Diesen Titel verwendet Reinhard Göweil
in seiner jüngsten Ausgabe der „Finanznachrichten“, wo er auf das
Koalitionsabkommen eingeht. Und ich glaube, in der Tat besteht Anlass zur
Sorge, wie die heutige Regierungserklärung und die Beiträge der
Regierungsmitglieder zutage brachten.
Es ist ein hehres
Ziel von Bundesminister Bartenstein, wenn er den Wirtschaftsstandort Österreich
unter die Top 3 bringen möchte. Das ist ein Ziel. Wir unterstützen dieses
Ziel, aber die Wege, die wir einschlagen würden, sind andere.
Was ist die
Ausgangslage? – Wir haben in der letzten Plenarsitzung vom Herrn
Bundeskanzler gehört, dass sich Österreich in der
Wirtschaftsstandortplatzierung um elf Ränge verbessert hätte. Ich habe
nachrecherchiert. Ich konnte von dieser Verbesserung in keiner einzigen Zeitschrift,
in keinem einzigen internationalen Bericht lesen. Vielmehr ist wahr, dass im
Global Competitiveness Report 2001 und 2002 Österreich in den letzten drei
Jahren konstant an der 18. Stelle lag. Ein ähnlicher Befund von European
Innovation Scoreboard 2002 bringt Österreich einen Verlust in der Rangierung,
und wir haben das ja voriges Jahr auch in der Industriellenvereinigung
diskutiert. Also der angestrebte dritte Platz in diesem Bereich konnte in
dieser Regierungsperiode nicht erreicht werden, sondern Österreich ist auf den
10. Platz zurückgefallen.
Eine weitere
Korrektur zu Aussagen von Minister Bartenstein heute. Er hat gesagt, Österreich
hat seit langem erstmals einen Handelsbilanzüberschuss. Das ist richtig, aber
dieser Handelsbilanzüberschuss ist nicht nur auf Grund der starken
Exportwirtschaft zustande gekommen, sondern insbesondere deshalb, weil die
Importe drastisch zurückgegangen sind. Die Österreicherinnen und Österreicher
hatten in den letzten drei Jahren weniger Geld in den Taschen, konnten sich
daher weniger leisten, weniger wegfahren, und das hat dazu geführt, dass wir
erstmals einen Handelsbilanzüberschuss haben. (Beifall bei der SPÖ. –
Abg. Dr. Stummvoll: Soll unsere
Kaufkraft ins Ausland gehen? – Abg. Dr. Fekter: Wollen Sie das?)
Insbesondere ist
anzumerken, dass es die osteuropäischen Nachbarstaaten sind, die eigentlich die
österreichische Wirtschaft stützen beziehungsweise davor schützen, dass wir
nicht weiter in die Kriechspur zurückfallen.
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich habe heute auch drei Zauberwörter gehört: Flexibilisierung,
Liberalisierung, Deregulierung. Das sind keine wirtschaftspolitischen
Konzeptionen, mit denen man Österreich auf die Überholspur bringen könnte.
Göweil hat in seiner Analyse – und ich habe das auch nachvollzogen –
festgestellt, dass dieses Wirtschaftskonzept, das hier zugrunde liegt,
keinerlei Vernetzung aufweist, sondern es ist eine beliebige Aneinanderreihung
von Einzelmaßnahmen.
Ich möchte dazu ein Beispiel bringen, das Beispiel der Forschungs- und Entwicklungsförderung. Das Ziel ist unbestritten: Wir wollen hier von 1 auf 2,5 Prozent kommen. Dieser Prozentsatz erfordert viel Geld, dessen Aufbringung unsicher ist, dieser Prozentsatz erfordert aber auch viele Wissenschafter. Gleichzeitig beginnt man, bei den Restbetrieben der Verstaatlichten, aber auch in der neuen Infrastrukturholding einen Verschleuderungs- und Zerschlagungsprozess einzulei-
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 212 |
ten,
der wiederum hochwertige Arbeitsplätze vernichtet. Das heißt, die neu
geschaffenen Forschungsentwicklungen können gar nicht aufgenommen werden, weil
die Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, wie die Beispiele Semperit,
Benetton und Immuno zeigen.
Aber auch die
Tourismusbranche mit einem Anteil von 20 Prozent findet in ihren eigenen
Reihen nicht ausreichend Geltung. So wurde geschrieben, dass der
Hotelierverbandssprecher aus der ÖVP austreten will, weil er sich mit deren
Konzeption nicht zurechtfindet. Und auch der Vertreter der Jungen Wirtschaft
hat festgestellt, dass dieses Wirtschaftsprogramm nur eine Sammlung von
Überschriften ist.
Eine Bemerkung zum
Schluss, da ich das rote Licht schon sehe: In dieser Regierungserklärung wurde
sehr oft das Wort „Zukunft“ verwendet. – Vielleicht ist das treffendste
Wort über die Zukunft von Karl Valentin, dem großen Satiriker und Komiker aus
München, der einmal gesagt hat – und das ist vielleicht das Motto dieser
Regierung –: „Die Zukunft war früher auch besser!“ (Beifall bei der SPÖ.)
20.42
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Abgeordnete
Mag. Sima. – Bitte.
20.42
Abgeordnete Mag. Ulrike Sima
(SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes
Haus! Eine neue Regierung mit einem neuen Umweltminister bietet –
zumindest theoretisch – auch eine neue Chance. Allerdings wird bei der
Lektüre des Regierungsprogramms relativ schnell klar, dass
offensichtlich – und ich stelle das mit großem Bedauern fest – die
etwas unambitionierte Umweltpolitik der letzten drei Jahre eins zu eins weitergeführt
werden soll.
So ist etwa
Punkt 14, der sich „Nachhaltigkeit, Umwelt und Landwirtschaft“ nennt,
leider sehr dürftig ausgefallen. Abgesehen davon, dass der Begriff
„Nachhaltigkeit“ im Wesentlichen nur in der Überschrift und im allerersten Satz
vorkommt, findet sich darin wenig zum Thema Nachhaltigkeit. Es fehlen die
innovativen und zukunftsweisenden Ansätze, die ich mir sehr erhofft und
erwünscht habe. Ich möchte das an ein paar Beispielen belegen.
Sie haben das
Beispiel Klimaschutz heute erwähnt. Was Sie aber nicht gesagt haben, ist, dass
das Umweltressort bereits im Jahr 2000 eine Klimastrategie vorgelegt hat.
Diese Klimastrategie sieht vor, dass man 90 Millionen € jährlich
investieren muss, damit Österreich das Kyoto-Ziel erreichen kann. Was Sie
jetzt präsentieren, ist, dass es ab 2006 diese 90 Millionen € geben
wird. Das heißt, wir haben zwei Jahre, bevor der Beobachtungszeitraum beginnt,
erstmals die offizielle Summe, die das Umweltressort selbst vorgelegt hat, um
Klimaschutzinvestitionen zu tätigen. Die Folgen davon sind fatal, denn wir
werden das Kyoto-Ziel im Beobachtungszeitraum nicht erreichen! Die
Emissionen – und das wissen Sie – steigen derzeit auch schon. Ich
meine, es ist einfach etwas mager, wenn das das Einzige ist, was die neue
Bundesregierung im Bereich des Klimaschutzes zu bieten hat! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten
der Grünen.)
Dabei hat
man – wie Sie alle ganz genau wissen – gerade im Klimaschutzbereich
eine gute Möglichkeit, Umweltschutz mit Arbeitsplatzschaffung zu verbinden. Das
Wirtschaftsforschungsinstitut hat berechnet, dass man damit, wenn seit dem
Jahr 2000 diese 90 Millionen € investiert worden wären,
25 000 Arbeitsplätze schaffen könnte. So würde man sozusagen das Angenehme
mit dem Nützlichen verbinden, und deswegen ist es mir umso unverständlicher,
dass Sie das nicht gemacht haben!
Beispiel
Anti-Atompolitik: Außer dem Entschließungsantrag aus der letzten GP ist Ihnen
zum Thema Temelín wenig eingefallen! Herr Umweltminister! In diesem steht, dass
Sie Gespräche zur Nullvariante über Temelín führen wollen. Wir wissen aber
beide, dass die Blöcke voll am Netz sind und laufen, wenn es nicht gerade eine
Panne gibt. Da können doch nicht einmal Sie noch glauben, dass die Tschechen
ernsthaft mit uns über eine Nullvariante verhandeln werden!
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 213 |
Das ist also
dürftig. Es gibt keinerlei neue Ansätze für eine neue Antiatompolitik, und das
finde ich sehr mager und sehr schade nach alledem, was von Ihnen in den letzten
drei Jahren im Hinblick auf ein gutes Klima schon verdorben wurde. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten
der Grünen.)
Ganz kurz noch das
Beispiel Abfall und Altlasten: Sie wissen genau, dass der Anteil an Mehrwegflaschen
in den letzten Jahren wirklich dramatisch zurückgegangen ist. Die Mehrweg-Mineralwasserflasche
wird bald eine seltene Spezies sein, die wir im Supermarkt mit der Lupe suchen
können. Umweltminister Molterer hat sich jedoch leider nie zu einer Maßnahme
durchringen können. Es gab nun gewisse Hoffnungen, dass ein neuer
Umweltminister diesbezüglich jetzt tätig wird. Leider sehe ich aber in diesem
Programm nur die Selbstverpflichtung der Wirtschaft, und wir wissen, die
Selbstverpflichtung der Wirtschaft bringt uns in diesem Bereich überhaupt
nichts. Ganz im Gegenteil: Die Mehrwegflaschenanteile sinken und sinken und
sinken! – Ich habe mir doch erhofft, dass es da von Ihnen vielleicht eine
neue Initiative gibt, gemäß welcher man sich ein bisschen über diese Lobby
hinwegsetzt, die offensichtlich unbedingt die Einwegflasche in Österreich
durchdrücken will. Aber leider ist auch auf diesem Gebiet nichts geschehen!
Das sind nur
einige Punkte aus dem neuen Regierungsprogramm. Ich kann Ihnen nicht verhehlen:
Ich bin enttäuscht, weil ich finde, dass hier eine gute Chance verpasst wurde,
einen Neustart zu wagen, nachdem alles schon ein bisschen eingefahren ist. In
mir bestätigt sich damit leider wieder der Verdacht, dass die Umwelt auch
weiterhin ein Anhängsel der Landwirtschaft sein soll, und das ist eine
Entwicklung, die ich nicht besonders fördern möchte. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
20.46
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter
Krainer. – Bitte.
20.46
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Das Regierungsprogramm ist menschenrechtswidrig. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nicht das ganze Programm! (Zwischenruf der Abg. Dr. Partik-Pablé.)
Es wurde ja zu weiten Teilen hauptsächlich von den Sondierungsgesprächen
abgeschrieben, und da habt ihr Vorschläge der beiden Oppositionsparteien übernommen.
Aber sonst besteht es im Wesentlichen aus nichts sagenden Überschriften und
Plattitüden! (Zwischenruf des Abg. Großruck.)
Aber nicht ganz!
Wenn wir im Kapitel 4 auf Seite 8 im letzten Absatz nachlesen –
Sie können gleich mitschauen! –, dann sehen wir, dass die
Familienzusammenführung weiterhin nur innerhalb der Quote geregelt werden
soll. (Abg. Scheibner: Wo steht das?) Das halten wir schlicht und einfach
für menschenrechtswidrig, weil es dem Artikel 8 der
Menschenrechtskonvention widerspricht! (Beifall
bei der SPÖ.)
Es ist aber nicht
nur menschenrechtswidrig, sondern es ist auch unmenschlich! Wir bescheiden
Menschen, dass sie sehr wohl nach Österreich kommen dürfen, aber erst in zwei
oder drei Jahren. Wir bescheiden Kindern mit vier, fünf oder sechs Jahren, dass
sie nach Österreich kommen dürfen, aber erst, wenn sie sieben, acht oder neun
Jahre alt sind.
Meine sehr
geehrten Abgeordneten von der ÖVP! Sie können weiterhin die Politik machen, die
Sie in den letzten Jahren gemacht haben, um sich zum Erfüllungsgehilfen der FPÖ
bei dieser unmenschlichen Politik zu machen! Sie können weiterhin einen hohen
Druck von illegaler Migration erzeugen! Und Sie können auch weiterhin extrem
hohe Kosten bei der Integration verursachen! Wenn Sie nämlich vor allem Kinder
mit vier oder fünf Jahren nach Österreich kommen lassen, dann sind die Kosten
und auch die Schwierigkeiten für die Kinder, die Sprache selbst zu erlernen,
und auch die Kosten für die Republik, diese Kinder dabei zu unterstützen,
wesentlich geringer, als wenn sie erst mit sieben oder acht Jahren kommen
dürfen. (Beifall bei der SPÖ und bei
Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Großruck.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 214 |
Sie können auch
weiterhin eine mögliche Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof
riskieren, eine weitere Verurteilung! Das wird sicherlich unserem Image und
unserer Reputation in Österreich sehr gut tun! (Abg. Dr. Partik-Pablé:
Sie haben diesbezüglich keine Ahnung!)
Zusammenfassend:
Diese Politik ist unmenschlich, finanziell absurd, wider die Menschenrechte und
läuft vor allem Ihrer eigenen Politik zuwider! (Abg. Dr. Partik-Pablé:
Was Sie da sagen, ist absolut falsch!) Sie schreiben selbst: Integration
vor Neuzuzug. – In Wahrheit erschweren Sie die Integration! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Sie sind völlig uninformiert!) Sie müssen doch
selbst zugeben, dass die Integration eines vierjährigen Kindes wesentlich
leichter vonstatten geht als die eines sieben- oder achtjährigen Kindes! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Warum reden Sie zu einem Thema, von dem Sie keine
Ahnung haben?)
Ihre Politik führt
dazu, dass die Kinder halt zwei oder drei Jahre im Ausland warten müssen.
Aus diesem Grund
darf ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Krainer, Parnigoni und
Genossinnen betreffend die Schaffung einer Sonderquote für die
Familienzusammenführung einbringen, den ich hiermit verlese:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten
Krainer, Parnigoni und Kollegen betreffend die Schaffung einer Sonderquote für
die Familienzusammenführung.
Der Nationalrat
wolle beschließen:
Die
Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat spätestens bis 31. März
2003 eine Novelle des Fremdengesetzes vorzulegen, wonach eine Sonderquote für
den Familiennachzug geschaffen wird, um diese im Ausland wartenden Menschen so
rasch wie möglich mit ihren bereits in Österreich lebenden Familienangehörigen
zusammenzuführen. Der bestehende „Rucksack“ bei der Familienzusammenführung
soll dadurch schrittweise abgebaut werden.
*****
Ich komme damit
zum Schlusssatz: Natürlich muss zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Rucksack
abgebaut sein wird, die Familienzusammenführung aus der Quote herausgenommen
werden, weil sie dort nichts verloren hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten
der Grünen.)
20.50
Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt
und steht mit in Verhandlung.
Als nächster
Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dobnigg. – Bitte.
20.50
Abgeordneter Karl Dobnigg (SPÖ): Sehr geehrter Herr
Präsident! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und
werte Kollegen! Wir haben heute die Neuauflage von Schwarz-Blau hier im
österreichischen Nationalrat erlebt. Viele schöne Worte haben wir in den
Aussagen und Reden der Minister und Ministerinnen, aber auch der ÖVP- und
FPÖ-Abgeordneten gehört.
Leider kommen aber
in der nächsten Zeit immer wieder große Belastungen auf die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, vor allem aber auch auf unsere Pensionistinnen und
Pensionisten zu. Sie von den Regierungsparteien sprechen davon, begonnene
Reformen fortsetzen zu wollen. Diese so genannten Reformen bedeuten jedoch vor
allem eine Fortsetzung der Belastungspolitik der letzten drei Jahre zum
Schaden und Leidwesen der Menschen in diesem Lande. (Zwischenruf des Abg. Großruck.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 215 |
Wiederum steht das
Stopfen von Budgetlöchern im Vordergrund. Das gedankenlose Abkassieren beginnt
bei der massiven Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Pensionistinnen
und Pensionisten und endet bei der angeblichen Pensionssicherungsreform –
jetzt plötzlich neu –, die nichts anderes ist als eine Aktion auf dem Rücken
derjenigen, die Österreich in den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges
mühsam aufgebaut haben.
„Länger arbeiten
für weniger Pension.“ – Dieses Motto steht im Mittelpunkt Ihrer
Überlegungen. Männer mit über 50 und Frauen ab 40 Jahren haben schon jetzt
kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ich kenne viele Frauen und Männer, welche
gerne arbeiten würden, jedoch in unserer Region keine Chance auf einen
Arbeitsplatz haben und deshalb nach einem arbeitsreichen Leben dazu gezwungen
sind, bis zum Pensionsantritt Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe zu
beziehen.
In der morgigen
„Kronen Zeitung“ findet sich der Übertitel: „ Die ‚Fallstricke’ bei der
Pensionsreform“, und im Vorspann steht: Noch nie hat eine Regierung so
drastische Einschnitte in das Pensionssystem angekündigt. Selbst für heute
60-Jährige wird es in der Regel keine Übergangsbestimmungen geben.“ –
Zitatende.
Hier sehen Sie die
Wertschätzung und Ihre soziale Kälte gegenüber diesen älteren Menschen. (Beifall
bei der SPÖ.)
Im „Kurier“ vom
6. März findet sich die Überschrift: „Bei uns in der Firma überlebt keiner
die 49“. – Die zur Verfügung stehende Zeit ist jetzt zu kurz, um auf
Details näher einzugehen. Deshalb möchte ich ein paar mir besonders wichtig
erscheinende Punkte herausgreifen.
Die Misere beginnt
bei der Abschaffung der Frühpension. Bereits heute gehen nur mehr die Hälfte
der Menschen direkt von ihrem Arbeitsplatz und einer aktiven Beschäftigung in
Pension, sondern von der Arbeitslosigkeit oder der Notstandshilfe. Schon
während der Regierung Schwarz-Blau I wurde das Pensionsantrittsalter
überfallsartig angehoben, und die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt waren
verheerend. Innerhalb der letzten zwei Jahre stieg die Arbeitslosigkeit bei
über 55-jährigen Frauen um insgesamt 80,3 Prozent und bei über 60-jährigen
Männern sogar um 117,2 Prozent! Geradezu provokant scheint es daher zu
sein, wenn gleichzeitig von dieser Bundesregierung am Kauf milliardenteurer
Abfangjäger festgehalten wird! (Präsident
Dr. Khol übernimmt wieder den
Vorsitz.)
Meine Damen und
Herren! Hohes Haus! Die österreichische Sozialdemokratie bekennt sich zur
Notwendigkeit langfristiger Reformschritte auf Basis des umlagefinanzierten
Pensionssystems. Wir haben diesbezüglich auch zahlreiche Ideen und Vorschläge
präsentiert wie etwa die Vereinheitlichung des Pensionssystems, die Einführung
eines leistungsorientierten Pensionskontos, die Hebung der Erwerbsquote, eine
eigenständige Alterssicherung für Frauen und vieles mehr. Wogegen wir uns sehr
wohl aussprechen, ist eine unausgewogene Pensionskürzungsreform, bei der die
Lasten einseitig verteilt sind und vor allem diejenigen von Einschnitten im
persönlichen Einkommen betroffen sind, die ein Leben lang hart gearbeitet
haben und durch die Abschaffung der Frühpension ein weiteres Mal bestraft
werden.
Abschließend noch
ein Zitat vom AK-Chef Dinkhauser aus Tirol, der, wie Sie wissen, ein
ÖVP-Mitglied ist. – Von ihm zitiert die „Kleine Zeitung“ vom
26. Februar dieses Jahres folgende Aussage:
„Das ist die
größte soziale Schweinerei, die mir je unterkam. Schüssel soll die Bibel lesen
und handeln, wie es einer christlich-sozialen Partei entspricht.“ – Zitatende.
Dem ist wohl
nichts mehr hinzuzufügen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der
Grünen.)
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 216 |
20.55
Präsident Dr. Andreas Khol:
Zu Wort gelangt
nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. Er hat sich 5 Minuten
vorgenommen. – Bitte.
20.55
Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner
(SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren der neuen Bundesregierung! Ich
möchte einleiten mit den Worten eines meiner Vorredner, des Leuchtturmwärters
und Heimatdichters Großruck. (Heiterkeit.)
Lieber Herr Kollege Großruck! Du hast ausgeführt, dass der Bundeskanzler der
Leuchtturm ist. (Abg. Großruck: Jawohl!) Ein Leuchtturm ist aber etwas sehr
Statisches, das steht! (Abg. Scheibner: Es ist stabil!) Da
rührt sich nichts, genauso wie in dem Regierungsprogramm, da rührt sich auch
nichts! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mag. Trinkl.) Das sind lediglich
Überschriften!
Eine zweite Frage
habe ich noch an dich. Wenn der Bundeskanzler der Leuchtturm ist, hast du ihm
dann vielleicht die Lizenz zum Steuern entzogen? – Das könnte man
vielleicht auch sagen, wenn man dieses Regierungsprogramm anschaut! (Beifall
bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Großruck.)
Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht, dieses Regierungsprogramm auf den
Begriff Gemeinden hin zu durchleuchten. – Gemeinden sind doch diese
Vereinigungen beziehungsweise Ortschaften, in welchen jeder Österreicher und
jede Österreicherin lebt. Jeder von uns lebt in einer Gemeinde. Wenn man sich
das Regierungsprogramm näher anschaut, dann bemerkt man, dass der Begriff
„Gemeinde“ kaum vorkommt. Ganz am Anfang habe ich mir gedacht: Beim Konvent
wird doch etwas von der Gemeinde stehen. (Zwischenruf des Abg. Großruck.) Da steht aber nur etwas
vom Subsidiaritätsprinzip. Ich meinte, dieses geht hinunter bis zu den
Gemeinden. Aber nein! Da steht nur, dass die Stärkung der Länderrechte Aufgabe
des Konvents ist.
Eine interessante
Bemerkung habe ich aber auch im Zusammenhang mit dem Konvent gesehen, die ich
voll unterstütze, nämlich die Verbesserung der Zuständigkeit im Katastrophenschutz.
Dafür bin ich auch!
Aber dann geht es
schon weiter im Imperativ. Da geht es um die Briefwahl, und da heißt es, dass
die Gemeinde zu benachrichtigen hat.
Das ist die neue Aufgabenorientiertheit, von der heute schon so viel die Rede
war! Es gibt eine neue Aufgabe für uns, aber kein Mensch hat gesagt, ob wir
dafür auch etwas bekommen!
Das geht in dieser
Form weiter. Ich habe ein interessantes Kapitel betreffend Nahversorgung
gefunden, und zwar unter Punkt 6, wenn das jemand mitverfolgen will. Da
heißt es: „Verlagerung der Abgabenermächtigung für die Verkehrsanschlussabgabe
von den Gemeinden zu den Ländern.“ – Das ist eine spannende Geschichte.
Wer erklärt mir denn, bitte, was die Verkehrsanschlussabgabe ist? Ich kenne
sie nicht! (Abg. Mag. Molterer: Herr Bürgermeister! Was bist
du für ein Bürgermeister, wenn du diese nicht kennst?) Diese gibt es nicht!
(Abg. Mag. Molterer: Doch!) Aber sicherheitshalber nehmen wir den
Gemeinden gleich einmal die Ermächtigung weg, diese zu kassieren. Das ist
wirklich sehr positiv für uns Gemeinden!
Dann habe ich noch
etwas Interessantes beziehungsweise Spannendes gefunden. Der Herr Bundeskanzler
hat heute davon geredet, dass man sagen soll, was ist. Da ist mir aufgefallen,
dass es im Kapitel 17, Medien, im Abschnitt 6, Anzeigen- und
Ankündigungsabgabe, heißt:
„Abschaffung der
Anzeigen- und Ankündigungsabgabe im Rahmen des nächsten FAG wird angestrebt, um
der Medien- und Werbewirtschaft neue Impulse zu geben.“
Herr
Bundeskanzler, ich muss Ihnen sagen: Das ist nicht mehr! Es gibt keine
Anzeigen- und Ankündigungsabgabe mehr! Diese wurde vor zwei Jahren, glaube ich,
in die Werbesteuer umgewandelt. Und diese wollen Sie jetzt den Gemeinden auch
wegnehmen? Danke schön!, kann ich da nur im Namen der Gemeinden sagen. (Beifall
bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
Was auch im
Zusammenhang mit der Werbesteuer steht: Ich lese nichts davon, dass Sie, wenn
die Getränkesteuer auf Grund des EU-Urteils zurückzuzahlen ist, dann die
Gemeinden entlasten. Davon lese ich hier nichts!
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 217 |
Außerdem habe ich
noch einen interessanten Passus gefunden, und zwar betreffend das öffentliche
Eigentumsverzeichnis: „Zur Erhebung des vorhandenen Eigentums bei Bund, Ländern,
Gemeinden und Fonds wird ein öffentliches Eigentumsverzeichnis
erstellt.“ – Ich meine: Was die an Gemeinden und Liegenschaften besitzen,
finden sie im Grundbuch. Wenn sie Firmen besitzen, so ist das im Firmenbuch zu
sehen. – Sie aber wollen das alles auf einem Zettel zusammen haben, um
wahrscheinlich die Privatisierung weiterführen zu können.
Abschließend noch
eine Aussage, noch eine Bemerkung zu diesem „aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssel“.
Das klingt ja wirklich gut. Aufgabenorientiert heißt, dass die Gemeinden so
viel Geld bekommen, als sie Aufgaben haben. Nur – und darüber werden wir
uns sehr genau unterhalten, Herr Kollege Auer –: Wer legt denn die
Aufgaben fest? Legen das die Gemeinden fest oder wir miteinander? – Da
wäre ich dabei.
Oder aber sagt der
Herr Landeshauptmann oder der Herr Bundeskanzler, was unsere Aufgabe ist, und
haben wir dann überhaupt nichts mehr zu sagen? Die Tendenz geht doch dahin,
denn die Bezirksverwaltung als „verlängerter Arm“ des Landeshauptmannes soll ja
Ihrer Ansicht nach gestärkt werden.
Meine Damen und
Herren! In Anbetracht der vorgerückten Stunde und in einer zusammenfassenden
Beurteilung Ihres Regierungsprogrammes lassen Sie mich ganz volkstümlich sagen:
Na, guate Nacht! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)
21.01
Präsident
Dr. Andreas Khol: So weit ist es noch nicht, Herr
Abgeordneter! Es gibt noch einige Redner und Abstimmungen.
Zu Wort gelangt
Frau Abgeordnete Mandak. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.
21.02
Abgeordnete
Sabine Mandak (Grüne): Sehr geehrter Herr
Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Ich nehme
nicht nur Ihr Regierungsprogramm sehr ernst, sondern auch Ihre
Regierungserklärung. Im Regierungsprogramm haben Sie unter dem Punkt „Frauen“
den geschlechterbezogenen Sprachgebrauch in öffentlichen Schriftstücken als
sehr wichtigen Punkt, und zwar an prominenter zweiter Stelle, angeführt.
So ein Tag ist ja
lang, und dann habe ich mir einmal diese Regierungserklärung näher angeschaut,
die uns heute der Herr Bundeskanzler verlesen hat, und die Bilanz ist sehr
eindrucksvoll: Dabei gab es nämlich insgesamt fünf Mal den ehrenwerten
Versuch, von „Österreicherinnen und Österreichern“ zu sprechen. Das ist ja
sozusagen schon tief gesickert; das verwendet selbst der Herr Bundespräsident
immer wieder.
Und dann gab es
einmal den rasanten Anlauf, von „Bäuerinnen und Bauern“ zu sprechen. Und: That’s it! Fertig! – Demgegenüber stehen
jedoch 65 Ausdrücke, die genau dem widersprechen,
was Sie selbst in Ihrer Regierungserklärung festgeschrieben haben.
Es geht um die
Sorgen „unserer Bürger“, es
geht um Migranten, um
Sozialpartner, um ein Europa,
das für den Einzelnen
spürbar, erlebbar ist, es geht um Österreicher, natürlich geht es auch um Pflichtschullehrer und Schüler. Es geht um Mitarbeiter, um Arbeitnehmer und Arbeitgeber, um Konsumenten, um Bauern, um Gastronomen,
es geht sogar um Handwerker,
Seilbahnunternehmer und
Demographen. (Abg.
Mag. Mainoni: Haben Sie die
Beistriche auch gezählt?)
Es geht auch um
Künstler, Ärzte, die haben natürlich nur Patienten,
es geht auch um die Partner der Wirtschaft, um Leistungsträger, Steuerzahler und zu guter Letzt um Rentner, und es geht
tatsächlich um Tausende Wissenschaftler, es geht um Forscher,
Experten, in Unternehmen,
Universitäten, Forschungseinrichtungen.
Ein Zitat aus
dieser Regierungserklärung: „,Dem Bürger dienen – moderne Dienstleistung
erbringen’“ – das ist unser Prinzip für ein zeitgemäßes
Staatsverständnis.“
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 218 |
Sehr geehrte
Mitglieder der Bundesregierung, ich fordere Sie auf: Dienen Sie nicht nur den
Bürgern, sondern auch den Bürgerinnen! Halten Sie
sich an Ihr eigenes Regierungsprogramm! (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Prinz: Eine „ausgezeichnete“ Vorlesung!)
Ich kann Ihnen
versprechen: Sie werden nicht nur nach Ihren schönen, salbungsvollen Worten
beurteilt, sondern auch nach Ihren Taten! – Danke. (Beifall bei den
Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
21.05
Präsident
Dr. Andreas Khol: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet.
Ich stelle fest:
Wir hatten heute 99 Wortmeldungen – und keinen einzigen Ordnungsruf;
das ist doch eine schöne Bilanz.
Die Debatte ist
geschlossen, und wir gelangen zur Abstimmung.
Zunächst gelangen
wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten
Mag. Molterer, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung
des Regierungsprogrammes der österreichischen Bundesregierung für die
XXII. Gesetzgebungsperiode.
Nationalrat, XXII.GP | 7. Sitzung / Seite 219 |
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.
Angenommen. (E 2.)
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über
den Entschließungsantrag der
Abgeordneten Dr. Spindelegger, Dr. Bösch, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Irak-Krise.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Mehrheit.
Angenommen. (E 3.)
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten
Dr. Lichtenberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein entsprechend
ausgestaltetes Kontrollstellennetz für den LKW-Verkehr.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Minderheit.
Abgelehnt.
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag
der Abgeordneten Haidlmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Valorisierung
des Pflegegeldes.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Minderheit.
Abgelehnt.
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag
der Abgeordneten Schieder, Mag. Lunacek, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Irak-Krise.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Minderheit.
Abgelehnt.
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend
umgehenden Abbruch der Abfangjäger-Beschaffung.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Minderheit.
Abgelehnt.
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mandak, Kolleginnen
und Kollegen betreffend Abschaffung der Quotierung der Familienzusammenführung.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Minderheit.
Abgelehnt.
Wir gelangen
nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gaál, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beschaffungsstopp
für Kampfflugzeuge.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der
Zustimmung. – Das ist die Minderheit.
Abgelehnt.
Wir gelangen
schließlich zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Krainer,
Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Sonderquote für die
Familienzusammenführung.
Ich bitte jene
Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen
der Zustimmung. – Das ist die Minderheit.
Abgelehnt.
Einlauf
Präsident
Dr. Andreas Khol: Ich gebe noch bekannt, dass in der
heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 61/A bis 69/A eingebracht wurden.
Ferner sind die
Anfragen 158/J bis 185/J eingelangt.
*****
Die Tagesordnung
ist erschöpft.
Die nächste
Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und
Zuweisungen betrifft, berufe ich für 21.09 Uhr, also gleich im Anschluss
an diese Sitzung, ein.
Diese Sitzung ist geschlossen.
Schluss der
Sitzung: 21.08 Uhr
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